Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 27. Okt. 2010 - 2 K 1038/10

bei uns veröffentlicht am27.10.2010

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, für die in ihrem Beherbergungsbetrieb „C.“ in XX, beherbergten Gäste Kurtaxe nach Maßgabe der Satzung über die Erhebung einer Kurtaxe der Beklagten vom 5./20.11.2007 einzuziehen und an die Beklagte abzuführen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt ¼, die Beklagte ¾ der Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen eine Satzung über die Erhebung einer Kurtaxe.
Die Klägerin ist Inhaberin eines gewerblichen Beherbergungsbetriebes (C.) im Gemeindegebiet der Beklagten.
Der Gemeinderat der Beklagten beschloss in seiner Sitzung am 5.11.2007, ausgefertigt am 20.11.2007, nach vorangegangener Beratung den Erlass einer Kurtaxesatzung.
Die hier einschlägigen Vorschriften lauten:
§ 2 Kurtaxepflichtige
(1) Kurtaxepflichtig sind alle Personen, die sich in der Gemeinde aufhalten, aber nicht Einwohner der Gemeinde sind (ortsfremde Personen) und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen und zur Teilnahme an den Veranstaltungen i.S. von § 1 geboten ist.
[…]
§ 3 Maßstab und Satz der Kurtaxe
(1) Die Kurtaxe beträgt je Person und Aufenthaltstag 1,50 EUR.
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(2) Der Tag der Ankunft und der Tag der Abreise werden zusammen als ein Aufenthaltstag gerechnet.
11 
[…]
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§ 7 Meldepflicht
13 
(1) Wer Personen gegen Entgelt beherbergt, einen Campingplatz betreibt oder seine Wohnung als Ferienwohnung ortsfremden Personen gegen Entgelt zur Verfügung stellt, ist verpflichtet, bei ihm verweilende Personen innerhalb von 8 Tagen nach Ankunft bzw. Abreise an- bzw. abzumelden.
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[…]
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§ 8 Ablösung der Kurtaxe
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(1) Die Kurtaxe kann vom Beherberger und Betreiber eines Campingplatzes abgelöst werden. Anträge zur Ablösung der Kurtaxe sind spätestens bis zum 30.11. des dem Erhebungszeitraum vorangehenden Jahres bei der Gemeinde einzureichen.
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(2) Die Ablösesumme bestimmt sich nach der Übernachtungszahl des Beherbergungsbetriebes bzw. Campingplatzes im Vorjahr.
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(3) Die Ablösung erfolgt durch Vereinbarung zwischen der Gemeinde und dem Beherberger bzw. Betreiber des Campingplatzes.
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§ 9 Einzug und Abführung der Kurtaxe
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(1) Die nach § 7 Abs. 1 und 2 Meldepflichtigen haben die Kurtaxe von den kurtaxepflichtigen Personen einzuziehen und an die Gemeinde abzuführen. Sie haften der Gemeinde gegenüber für den vollständigen und richtigen Einzug der Kurtaxe.
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(2) Weigert sich eine kurtaxepflichtige Person die Kurtaxe zu entrichten, hat dies der Meldepflichtige der Gemeinde/Stadt unverzüglich unter Angabe von Name und Adresse des Kurtaxepflichtigen zu melden.
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(3) Die im Laufe eines Kalendermonats fällig gewordenen Beträge an Kurtaxe sind jeweils bis zum 10. des folgenden Monats an die Gemeinde abzuführen.
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(4) Die Gemeinde beauftragt die Tourismus GmbH R., die Kurtaxe zu berechnen, die Bescheide auszufertigen und zu versenden, die Kurtaxe entgegenzunehmen und an die Gemeinde abzuführen, Nachweise darüber für die Gemeinde zu führen sowie die erforderlichen Daten zu verarbeiten und die verarbeiteten Daten der Gemeinde mitzuteilen.
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§ 10 Ordnungswidrigkeiten
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Ordnungswidrig i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Kommunalabgabengesetzes handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig
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a) den Meldepflichten nach § 7 dieser Satzung nicht nachkommt;
b) entgegen § 9 Abs. 1 dieser Satzung die Kurtaxe von den kurtaxepflichtigen Personen nicht einzieht und an die Gemeinde abführt;
c) entgegen § 9 Abs. 2 dieser Satzung eine kurtaxepflichtige Person, die sich weigert die Kurtaxe zu entrichten, nicht an die Gemeinde meldet.
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§ 11 Inkrafttreten
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Diese Satzung tritt am 01. Januar 2008 in Kraft.
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Auf Grundlage der Kurtaxesatzung zog die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 30.6.2009 zur Zahlung von Kurtaxe für Juni 2009 i.H.v. 751,50 EUR heran. Nachdem die Klägerin hiergegen Widerspruch eingelegt hatte, wurde der Bescheid durch Widerspruchsentscheidung der Beklagten vom 21.12.2009 aufgehoben mit der Begründung, dass zwar die Erhebung der Kurtaxe grundsätzlich rechtmäßig sei, jedoch nicht zweifelsfrei feststehe, ob die Veranlagung mittels förmlichen Bescheides rechtmäßig sei. Der Einzug der Kurtaxe werde deshalb zukünftig mittels formlosen Schreibens vorgenommen. Die Klägerin werde bereits jetzt formlos auf ihre gemäß § 9 KTS bestehende Pflicht zu Einzug und Abführung der Kurtaxe hingewiesen. Sollte der abzuführende Betrag nicht bis zum 10. des folgenden Monats bei der Gemeinde eingegangen sein, werde sie bereits jetzt darauf hingewiesen, dass ein entsprechender Haftungsbescheid ergehen müsste, da die Klägerin für den vollständigen und richtigen Einzug der Kurtaxe hafte.
30 
In der Folge versandte die Beklagte an die Klägerin - formlose - Kurtaxeabrechnungen, gegen die sie einen Widerspruch, da nicht gegen einen Verwaltungsakt gerichtet, als unzulässig ansah.
31 
Mit Schreiben vom 30.3.2010 kündigte die Gemeindekasse der Beklagten bezüglich aufgelaufener Kurtaxe-Forderungen die Zwangsvollstreckung an.
32 
Die Klägerin hat am 16.6.2010 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Klage sei ungeachtet des Umstandes zulässig, dass die Rechtmäßigkeit der Satzung Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens gemäß § 47 VwGO hätte sein können. Durch die Einführung der Normenkontrolle werde die Berechtigung und Verpflichtung der Gerichte, die von ihnen in den Klageverfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften inzident auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht ausgeschlossen. Die Klägerin habe auch ein Feststellungsinteresse. Bei der Kurtaxe fungiere der Gastgeber als „Inkasso-Stelle“ der Gemeinde. Habe er begründeten Anlass zu der Annahme, die von ihm geforderte Erhebung der vom Gast geschuldeten Abgabe sei rechtswidrig, werde er zum Einzug rechtswidriger Forderungen gezwungen. Es sei zu fragen, ob die angegriffene Satzung überhaupt als Grundlage einer Pflicht der Gastgeber in R. zur Einziehung der Kurtaxe geeignet sei. Für das Feststellungsinteresse maßgeblich seien vor allem die Umstände im Zusammenhang mit dem Entstehen und der Entwicklung der Streitigkeit. Die Beklagte hätte es in der Hand gehabt, die ursprünglich erlassenen Bescheide und die diesen zugrunde liegende Kurtaxesatzung im Rahmen des gewöhnlichen verwaltungsrechtlichen Widerspruchs- und Klageverfahrens auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen. Dies habe sie nicht getan, vielmehr habe sie durch Aufhebung des Bescheides gerade eine Überprüfung verhindern wollen. Die von der Beklagten ins Feld geführte Unsicherheit im Hinblick auf die Möglichkeit, Beitragsbescheide zu erlassen, bestehe nicht, vielmehr sei strittig, ob die Heranziehung durch formlose Zahlungsaufforderung erfolgen könne. Die Beklagte habe auch von sich aus keinerlei Anstrengungen zur Klärung der streitgegenständlichen Fragen der Rechtmäßigkeit der Satzung, etwa durch Überprüfung durch eine Rechtsaufsichtsbehörde, unternommen. Sie habe lediglich rechtswidrige Vollstreckungsankündigungen versandt. Einen Haftungsbescheid, gegen den die Klägerin sich wehren könnte, habe sie aber nicht erlassen. Auch sei die Klägerin in Form der Zahlungsaufforderung einem konkreten Anspruch der Beklagten ausgesetzt. Das Feststellungsinteresse der Klägerin sei damit begründet. Ihr sei das Abwarten bis zur Erhebung einer theoretisch möglichen Zahlungsklage durch die Beklage oder bis zum Erlass eines Haftungsbescheides nicht zuzumuten. Die Beklagte habe auch keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Klägerin weiter für verpflichtet halte, Kurtaxe zu vereinnahmen und abzuführen.
33 
Die Aufstellung und Verabschiedung der Kurtaxesatzung und damit diese selbst sei bereits rechtswidrig, weil die Beklagte überhaupt kein Ermessen ausgeübt habe bei der Abwägung, inwieweit eine Fremdenverkehrsabgabe oder Kurtaxe erhoben werden solle. Auch bei der Einnahmebeschaffung komme für die Kommune eine Ermessensbindung in Betracht. Die Einführung einer Fremdenverkehrsabgabe sei lediglich pauschal mit zu hohem Verwaltungsaufwand und Schwierigkeiten bei der Vorteilsbemessung abgelehnt worden. Dabei hätten vor allem die Besonderheiten aus der Ansiedlung und Tätigkeit des E-Parks R. berücksichtigt werden müssen. Attraktivität, Größe und Wirtschaftskraft des Parks und deren Auswirkungen für die Gemeinde seien singulär in Deutschland. Es sei demnach zwingend, dass sich gerade im Fall R. durch die Gäste des E-Parks im Vergleich mit anderen Tourismusorten in überdurchschnittlichem Umfang Vorteile vornehmlich für die sonstigen Gewerbetreibenden und Selbstständigen ergäben. Auch wenn die Gäste sich vornehmlich im Park selbst aufhielten, sei in jedem Fall die Zahl der Gäste, die im Ort selbst Waren und Dienstleistungen konsumierten, höher als in vergleichbaren Tourismusorten. Der Vorteil des Gästeaufkommens komme in besonderer und überdurchschnittlicher Weise den örtlichen Gewerbetreibenden wie Ärzten, Apotheken, Einkaufsmärkten, Tankstellen usw. zugute, während der Park für die örtlichen Gastgeber eine maßgebliche Konkurrenz darstelle. Durch die Kurtaxe dagegen würden einseitig die Gastgeber belastet, obwohl sie vom Park weitaus weniger profitierten. Auch das von der Gemeinde verabschiedete Leitbild für die touristische Entwicklung gehe von solchen positiven Effekten für alle Gewerbetreibenden aus. Aufgrund dieser besonderen Verhältnisse sei die Beklagte eben gerade nicht völlig frei gewesen in ihrer Entscheidung für bzw. gegen die Kurtaxe.
34 
Die Kurtaxesatzung sei auch eindeutig schon insoweit nichtig, als ihr keine ordnungsgemäße Kalkulation des Kurtaxesatzes zugrunde gelegen habe. Es habe nie eine ordnungsgemäße Kalkulationsgrundlage für die Erhebung und Bemessung der Kurtaxe gegeben. In der damaligen Gemeinderatssitzung vom 5.11.2007 habe der Gemeinderat öffentlich über die Empfehlung der Firma M. GmbH zur Einführung einer Kurtaxe in Höhe von 1,50 EUR und der Empfehlung des Tourismusvereins R., eine Kurtaxe in Höhe von 1,00 EUR einzuführen, diskutiert. Diese Diskussion sei ohne jede kalkulatorische Grundlage geführt worden, vielmehr habe man sich für 1,50 EUR mit dem Argument entschieden, dann müsse man nicht nach einem Jahr bereits den Beitrag erhöhen. Auch die Arbeitsgruppe, die den Vorschlag unterbreitet habe, habe keine konkrete Kalkulationsgrundlage gehabt. Die von der Beklagten vorgelegte Anlage B1 habe im November 2007 offensichtlich noch nicht einmal existiert, denn es sei dort ein Verlustvortrag zum 31.12.2007 ausgewiesen. Auch der von der Firma M. erstellte Plan enthalte keine Kurtaxekalkulation, sondern nur eine Schätzung des Kurtaxeaufkommens. Die später erstellten Unterlagen seien zu keiner Zeit Gegenstand irgendeiner Beratung oder Beschlussfassung des Gemeinderats gewesen. Die von der Beklagtenseite aufgestellte Behauptung, es habe eine Kalkulationsgrundlage gegeben, sei durch die von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen eindrucksvoll widerlegt. Nur auf Basis einer solchen Kalkulation aber könne der Ortsgesetzgeber ermessensfehlerfrei entscheiden, in welcher Höhe der kurtaxefähige Aufwand durch Kurtaxe abgedeckt werden solle. Eine im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses fehlende oder fehlerhafte Kalkulation führe nach VGH Bad.-Württ. zur Ungültigkeit der beschlossenen Kurtaxesätze und damit zur Nichtigkeit der Kurtaxesatzung insgesamt. Die Auffassung der Verwaltung der Beklagten, es reiche nur eine in irgendeiner Form erfolgende rechnerische Ermittlung des Kurtaxesatzung, sei offensichtlich rechtsirrig.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Erhebung der Kurtaxe ergebe sich weiter daraus, dass es in der Gemeinde an kurtaxefähigen Einrichtungen bzw. Veranstaltungen fehle. Die Verwendung der vereinnahmten Kurtaxebeiträge für, wie es in dem „Verwendungsnachweis“ heiße, „Verlustübernahme 2008“ sei rechtswidrig, weil damit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens angeblich aufgelaufene Kosten finanziert worden seien. Außerdem bestehe derzeit lediglich ein Wassertretbecken, dessen Erstellung und Finanzierung bereits abgeschlossen sei und für welches Unterhaltungskosten offensichtlich nicht anfielen, weil ordnungsgemäße Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen nicht erfolgten (Hundeklo). Die Wanderwege seien wie Hütten- und Grillanlagen längst vor Erlass der Satzung vorhanden gewesen, ohne dass irgendwelche Unterhaltungs- oder Pflegemaßnahmen im Hinblick auf Gäste stattgefunden hätten. Lediglich seien bestimmte Teilabschnitte als Nordic-Walking-Strecken mit entsprechenden Schildern gekennzeichnet worden, was aber keine spezifisch auf Erholungsgäste bezogene Maßnahme sei. Beim Badesee handele es sich um einen Angelsee. Die Flachwasserzone sei bereits vor etwa 10 Jahren ausgebaggert worden; Pflege-, Ausbau oder Unterhaltungsmaßnahmen oder laufende Kosten etwa für einen Bademeister gebe es nicht. Allenfalls würden gelegentlich die Wiesen um den See gemäht. Die Toilettenanlagen seien überwiegend geschlossen. Es gebe auch keine gemeindeeigenen Sportanlagen. Angebote für Vorträge, Ausflüge, Wanderungen und Freizeitkurse seien der Klägerin und dem Tourismusverein nicht bekannt. Einen Weihnachtsmarkt habe es im Jahr 2009 gegeben, für 2010 sei keiner geplant. Auch Feuerwerke der Gemeinde gebe es nicht. Die Touristinfo habe es bereits vor Einführung der Kurtaxe gegeben. Auch bezüglich der Einführung eines flächeneckenden W-Lan seien derzeit keine konkreten Maßnahmen ersichtlich. Da der E-Park ein eigenes, kostenpflichtiges W-Lan-Netz anbiete, sei die Gemeinde gehalten, die Sendeleistungen des gemeindeeigenen W-Lan-Netzes so zu reduzieren, dass es nicht in die Fläche des E-Parks ausstrahle mit der Folge, dass auch im übrigen Gemeindegebiet das Netz sehr unzureichend sei. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Einnahmen aus der Kurtaxe konkret zur Umsetzung und Erfüllung der Ziele und Maßnahmen des von der Gemeinde verabschiedeten Leitbildes verwendet werden müssten, was nicht mal im Ansatz geschehe. Die Erhebung der Kurtaxe lasse sich auch nicht mit Personalaufwendungen begründen. Der Verwaltungsaufwand habe sich nicht verändert. Spezifische Verwaltungsaufwendungen für kurtaxefähige Einrichtungen oder Veranstaltungen, insbesondere nach Erlass der Kurtaxesatzung neu eingeführte, seien nicht zu erkennen. Auch sei nicht zu erkennen, wie ein Verlustvortrag von 573.277,-- EUR bei eindeutig nicht beschlossener Rückwirkung eine kurtaxefähige Aufwendung sein solle; Gleiches gelte für die Position „Bauhofverrechnung“ (i.H.v. 98.365,-- EUR) und die „Verlustübernahme 2008“.
36 
Schließlich sei die Satzung auch deshalb rechtswidrig, weil im Hinblick auf die Ablösevereinbarung mit dem E-Park R. das Prinzip der Abgabengerechtigkeit verletzt werde. Die in § 43 Abs. 3 Nr. 4 KAG vorgesehene Möglichkeit der Ablösung der Kurtaxe stelle keine Ermächtigung zum Erlass oder der Ermäßigung von Kurbeiträgen dar. Die Ablösung erfolge vielmehr ausschließlich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, so dass auch für die Erhebung der Kurtaxe im Rahmen der Möglichkeit einer Ablösungsvereinbarung das Prinzip der Abgabengerechtigkeit gelte. Dagegen verstoße die aktuelle Praxis der Gemeinde. Durch den Park erfolgten keine Gästemeldungen; dies werde von Beklagtenseite nicht bestritten. Zumindest eine erstmalige und einmalige Erfassung der jährlichen Gästezahlen hätte als Grundlage für die Bemessung der Ablösesumme erfolgen müssen. Die Ablösesumme sei offenkundig allein aufgrund einseitiger Angaben durch den Park festgesetzt und von der Gemeinde nicht verifiziert worden. Verglichen mit dem stringenten Vorgehen der Beklagten gegenüber anderen Privatvermietern liege insoweit eine erhebliche Verletzung des Gleichheitssatzes vor. Durch diese Ungleichbehandlung werde der Park erheblich begünstigt. Die Ablösesumme weiche auch wesentlich von dem Betrag ab, der sich bei regulärer Abführung der Kurtaxe nach den tatsächlichen Gästezahlen ergäbe; auch dies werde von der Beklagten nicht bestritten. Der Park weise die Kurtaxe auch nicht gesondert aus, sondern preise sie in seine Übernachtungspreise ein. So entstehe für die Gäste der Eindruck, im E-Park falle keine Kurtaxe an. Für den Gast stelle sich der vermeintlich durch die Kurtaxe verminderte Preis günstiger dar.
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Offenbar habe die Beklagte selbst zwischenzeitlich gesehen, dass ihre Satzung nichtig sei, denn es sei auf die Tagesordnung einer Gemeinderatssitzung vom 12.7.2010 ein Tagesordnungspunkt betreffend Beratung und Beschlussfassung über die Kurbeitragssatzung gesetzt worden, der erst auf Druck des Gemeinderats abgesetzt worden sei.
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Die Klägerin beantragt,
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1. festzustellen, dass die Satzung über die Erhebung einer Kurtaxe der Beklagten vom 5./20.11.2007 nichtig ist;
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2. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, für die in ihrem Beherbergungsbetrieb „C.“, beherbergten Gäste Kurtaxe nach Maßgabe der Satzung der Beklagten vom 5./20.11.2007 einzuziehen und an die Beklagte abzuführen.
41 
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
43 
Zur Begründung wird vorgetragen, dass die Gemeinde, der im Jahr 2004 die Auszeichnung „staatlich anerkannter Erholungsort“ verliehen worden sei, über eine Vielzahl von Erholungseinrichtungen verfüge, darunter Wander- und Spazierwege, Wassertretanlage, Hütten und Grillanlagen, einen Badesee, der ständig gepflegt werde (Leerung der Abfallbehälter, Reinigung der Toiletten) und mit Flachwasserbereich sowie Toilettenanlagen ausgestattet sei, Liegewiesen, Sportanlagen und Nordic-Walking-Strecken. Diesbezüglich fielen auch Kosten an. So habe die Gemeinde zusätzlich zu den bereits vorhandenen Wegen in den Jahren 2008/09 ihr Rad- und Gehwegenetz einschließlich zweier Fußgängerbrücken über die E. erweitert und dafür etwa 800.000 EUR aufgewandt. Die Wassertretanlage werde täglich von Bediensteten der Beklagten überprüft, der Wasseraustausch erfolge automatisch. In unmittelbarer Nähe sei eine Entnahmestation für Hundekotbeutel aufgestellt worden. Im Rahmen des Landesprogramms „Sanfter Tourismus“ seien das Naturzentrum „Rheinauen“ sowie ein Panoramaweg entlang der E. errichtet worden. Zudem unterhalte die Beklagte die „Touristinfo R.“, die mit acht Personen inklusive Geschäftsführer besetzt sei. Als Veranstaltungen für Touristen würden Vorträge, Ausflüge, Wanderungen, Freizeitkurse, Weihnachtsmärkte und Feuerwerke angeboten. Hierauf würde auch regelmäßig im amtlichen Mitteilungsblatt, auf Plakaten sowie mittels Handzetteln hingewiesen. Selbstverständlich sei auch für dieses Jahr ein Weihnachtsmarkt - mit kostspieliger Weihnachtsbeleuchtung - geplant. Was die Ausführungen der Klägerin zum W-Lan-Netz angehe, seien dies unrichtige Unterstellungen. Selbstverständlich könnten auch Einrichtungen, die bereits vor Einführung einer Kurtaxe vorhanden gewesen seien, kurtaxefähig sein, falls sie zu Kur- oder Erholungszwecken gewidmet seien. Es stimme auch nicht, dass die Einrichtungen speziell für Kurgäste geschaffen worden sein müssten. Dem Umstand, dass Einrichtungen nicht nur von Kurgästen genutzt würden, sei vielmehr durch einen Einwohnerabschlag, wie geschehen, Rechnung zu tragen.
44 
Der Satzung habe von Anfang an eine umfassende Beitragskalkulation zugrunde gelegen. Dies ergebe sich zwar nicht völlig eindeutig aus dem Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 5.11.2007. Bereits seinerzeit habe jedoch eine Aufstellung existiert, aus der im Einzelnen sowohl die kurtaxefähigen Unterhaltungskosten als auch die zu erwartenden Einnahmen hervorgegangen seien. Auch wenn die Anlage B1 erst 2009 erstellt worden sei, habe die Beklagte selbstverständlich auch am 5.11.2007 bereits über entsprechende Berechnungen verfügt. Darüber habe der Business- und Wirtschaftsplan der M. Unternehmensberatung GmbH aus dem Jahr 2007 eine Kurtaxkalkulation enthalten. In den nachfolgenden Jahren habe die Beklagte die Kalkulation weiter vertieft und verfeinert. Im Übrigen seien im Mai 2006 die Vor- und Nachteile der Einführung einer Kurtaxe oder Fremdenverkehrsabgabe ausführlich diskutiert worden. In den Folgemonaten seien genaue Berechnungen erstellt worden. Auf Grundlage der dabei ermittelten Zahlen sei eine Prognose erstellt worden, die zu Gesamtausgaben i.H.v. 587.000 EUR gekommen sei. Dem hätten geschätzte Einnahmen i.H.v. 400.000 EUR gegenübergestanden, woraus sich ein maximaler Kurtaxesatz von 2,20 EUR ergeben habe. Sämtliche dieser Zahlen und Anlagen hätten dem Gemeinderat zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 5.11.2007 vorgelegen.
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Es treffe zu, dass die Klägerin zunächst mittels Beitragsbescheides herangezogen worden sei und Beklagte diesen im Widerspruchsverfahren wieder zurückgezogen habe. Grund dafür sei die Rechtsunsicherheit gewesen, ob eine derartige Veranlagung mittels förmlichen Bescheides erfolgen könne.
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Die Klage sei als Feststellungsklage bereits unzulässig. Eine Überprüfung der Gültigkeit von Satzungen habe gemäß § 47 Abs. 1 Ziff. 2 VwGO in einem eigens dafür vorgesehenen Normenkontrollverfahren durch den VGH Bad.-Württ. zu erfolgen. Die nach § 43 VwGO erhobene Klage auf Feststellung der Nichtigkeit laufe auf eine Umgehung der Voraussetzungen des § 47 VwGO hinaus. Auch der Antrag Ziff. 2 sei unzulässig. Insoweit liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage, § 43 Abs. 2 VwGO, vor. Die Klägerin habe ihr Anliegen vorrangig im Wege der Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage zu verfolgen. Die Beklagte werde die Kurtaxe mittels Haftungsbescheids geltend machen, den die Klägerin dann anfechten könne. Im Vorfeld dessen sei die Klägerin zudem nicht klagebefugt. Denn sie sei lediglich, wie sie es selbst formuliere, „Inkassostelle“. Es gehe ihr also nicht um Verwirklichung eigener Rechte, da die Rechtsbeziehungen, über die gestritten werde, nur zwischen den Gästen der Beklagten und dieser bestünden. Dies ändere sich erst mit Erlass des Haftungsbescheides. Die Androhungen der Zwangsvollstreckung seien irrtümlich ergangen und vermöchten am Rechtscharakter der ursprünglichen Zahlungsaufforderungen nichts zu ändern.
47 
Die Klage sei jedenfalls aber unbegründet.
48 
Die klägerische Rechtsauffassung, die Beklagte hätte sich für den Erlass einer Fremdenverkehrsabgabe entscheiden müssen, entbehre jeder rechtlichen Grundlage. § 78 GemO sage zu einer Rangordnung von Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe nichts. Denn beide Formen seien beitragsähnliche Abgaben i.S.v. § 78 Abs. 2 Ziff. 1 GemO. Innerhalb einer Stufe verfüge die Gemeinde über einen allenfalls höchst eingeschränkt überprüfbaren Gestaltungsspielraum. Die Beklagte sei daher völlig frei in ihrer Entscheidung gewesen, von welcher gesetzlichen Finanzierungsmöglichkeit sie Gebrauch mache. Auch das Vorhandensein des E-Parks R. führe zu keinem anderen Ergebnis. Erst der Park führe auch nach Auffassung der Klägerin dazu, dass Gäste in großer Anzahl und weit überregional nach R. anreisten. Damit stelle der Park eine Quelle des Tourismus dar und stehe nicht in Konkurrenz zu den Übernachtungsbetrieben, sondern verschaffe diesen überhaupt erst ein erhebliches Gästeaufkommen. Deshalb sei die Entscheidung zugunsten einer Kurtaxe auch die sachgerechteste Lösung.
49 
Auch die Ansicht der Klägerin, es fehle an einer ordnungsgemäßen Kalkulationsgrundlage, könne nicht überzeugen. An die Kalkulation seien zumindest dann, wenn keine volle Kostendeckung angestrebt werde, keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen. Kalkulationsfehler führten nicht ohne Weiteres zur Nichtigkeit einer Beitragssatzung, eine „pfenniggenaue Berechnung“ sei nicht erforderlich. Die Kalkulation dürfe nur nicht in einem wesentlichen Punkt mangelhaft sein, etwa das Kostenüberschreitungsverbot berühren. Nach alldem sei eine überschlägige Ermittlung der Kosten ausreichend, wenn mit Sicherheit feststehe, dass es sich um beitragsfähige Kosten handele und das Verbot der Doppelfinanzierung beachtet sei. Die Kalkulation der Beklagten genüge diesen Anforderungen vollständig. Ferner gebe es, wie dargestellt, zahlreiche Erholungseinrichtungen und es würden verschiedenste touristische Veranstaltungen angeboten, die sämtlich zu den kurtaxefähigen Einrichtungen und Veranstaltungen zählten, zumal einer Gemeinde bei der Entscheidung ein weiter Ermessensspielraum zustehe. Nicht zuletzt gebe es eine „Touristinfo“.
50 
Sofern die Klägerin die Ablösevereinbarung mit dem E-Park R. für rechtswidrig halte, irre sie. Selbst wenn sie rechtswidrig wäre, wäre dies für die Rechtmäßigkeit der Kurtaxesatzung unerheblich.
51 
Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten (1 Ordner) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
52 
In ihrem Klagantrag Ziff. 1 - Feststellung der Nichtigkeit der Kurtaxesatzung der Beklagten vom 5.11.2007, ausgefertigt am 20.11.2007 - KTS - ist die Klage bereits unzulässig.
53 
Die Klägerin hat diesen Klagantrag ausdrücklich als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht - und nicht als Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, für den der Verwaltungsgerichtshof zuständig gewesen wäre - stellen wollen, so dass eine Verweisung des Rechtsstreits nicht in Betracht kommt.
54 
Eine derartige Feststellungsklage ist jedoch unzulässig.
55 
Mit der Feststellungsklage kann nach § 43 Abs. 1 VwGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn das Begehren der Klägerin zielt unmittelbar auf die Entscheidung der Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Kurtaxesatzung ab. Diese Frage betrifft aber kein konkretes streitiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO (OVG Bremen, Urt. v. 28.3.2000 - 1 A 314/09 -, in Juris; VGH München, Urt. v. 26.3.2001 - 9 B 96.1129 -, in Juris; Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 8g, 14; Fehling/Kastner, VwGO, § 43 Rn. 13); sie kann nur im Wege der Normenkontrolle nach § 47 VwGO, nicht aber mittels Feststellungklage gemäß § 43 VwGO geklärt werden (BVerwG, Beschl. v. 2.4.1993 - 7 B 38/93 -, in Juris; VGH München, Urt. v. 26.3.2001 - 9 B 96.1129 -, in Juris).
56 
Aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des VG Kassel (v. 9.7.2009 - 6 K 1345/07.KS) ergibt sich nichts anderes, da dort keine Feststellungsklage auf Nichtigerklärung der Satzung, sondern eine Anfechtungsklage gegen einen Bescheid erhoben worden war, mit dem die Beklagte den Kläger des dortigen Verfahrens zur Einziehung und Ablieferung des Kurbeitrags verpflichtet hatte. Dass im Zusammenhang mit einer Anfechtungsklage das Verwaltungsgericht inzident über die (Un-)Gültigkeit von Satzungsbestimmungen zu entscheiden hat, soweit dies für den Ausgang des Rechtsstreits von Relevanz ist, ist unbestritten, lässt jedoch keinen Rückschluss darauf zu, das Verwaltungsgericht könne mit Inter-omnes-Wirkung auch über die (Un-)Gültigkeit untergesetzlicher Normen entscheiden. Dies ist nicht der Fall.
II.
57 
Der zweite Klagantrag - Feststellung einer fehlenden Verpflichtung der Klägerin zur Einziehung und Abführung von Kurtaxe - ist dagegen gemäß § 43 VwGO zulässig.
58 
1. Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein (vgl. zum Folgenden BVerwG, Urt. v. 28.1.2010 - 8 C 19/09 -, m.w.N.; Urt. v. 23.1.1992 - 3 C 50.89 -; Urt. v. 20.11.2003 - 3 C 44.02 -; jew. in Juris). Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Rechtliche Beziehungen eines Beteiligten zu einem andern haben sich erst dann zu einem bestimmten konkretisierten Rechtsverhältnis verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist. Zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses muss ein Meinungsstreit bestehen, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt.
59 
Der Anwendungsbereich einer Feststellungsklage ist grundsätzlich insbesondere dann eröffnet, wenn der Betroffene durch eine seines Erachtens rechtswidrige und nichtige Norm zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet wird; in diesem Fall besteht die Möglichkeit, im Rahmen des § 43 VwGO feststellen zu lassen, dass er das Recht hat, dieses Verhalten zu unterlassen (Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 8a).
60 
Mit dem Antrag festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, entsprechend der Kurtaxesatzung - wie von der Beklagten gegenüber der Klägerin wiederholt gefordert - Kurbeiträge einzuziehen und an die Beklagte abzuführen, macht die Klägerin das Nichtbestehen bestimmter konkreter Pflichten gegenüber der Beklagten geltend. Dass in diesem Zusammenhang inzidenter auch über die (Un-)Gültigkeit der belastenden Norm entschieden wird und dass hierüber ggf. auch durch Normenkontrolle hätte entschieden werden können, stellt den Rechtsschutz durch Feststellungsklage nicht in Frage (Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 8, 31; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 43 Rn. 25; Fehling/Kastner, VwGO, § 43 Rn. 13,16). Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nämlich nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt. Von einer "Umgehung" des § 47 VwGO kann nur dann die Rede sein, wenn mit einem auf eine andere Klageart gestützten Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm oder einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines ungewissen künftigen Sachverhalts erreicht werden soll; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen theoretisch zu lösen. In diesen Fällen wäre der Kläger tatsächlich auf die Normenkontrolle nach § 47 VwGO zu verweisen. Anders liegt es dagegen, wenn - wie vorliegend - die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm als - wenn auch streitentscheidende - Vorfrage aufgeworfen wird; in diesem Fall ist der Anwendungsbereich der Feststellungsklage prinzipiell eröffnet (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.1.2010 - 8 C 19/09 -, m.w.N.; Urt. v. 28.6.2000 - 11 C 13.99 -; Urt. v. 9.12.1982 - 5 C 103/81 -; BVerfG, Beschl. v. 17.1.2006 - 1 BvR 541/02 u.a. -; jew. in Juris). Im Übrigen spricht auch das Verhalten der Beklagten dafür, dass diese davon ausgeht, bereits aufgrund der Satzung habe die Klägerin als Inhaberin eines Beherbergungsbetriebes ihr gegenüber konkrete Verpflichtungen, folglich bestehe ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Klägerin; andernfalls wäre es nicht zu erklären, dass sie die Klägerin in der Widerspruchsentscheidung vom 21.12.2009 auf „ihre gemäß § 9 KTS bestehende Pflicht zum Einzug und zur Abführung der Kurtaxe“ hinweist und anschließend durch formlose Schreiben - und nicht etwa durch Bescheid - die Abführung der Kurtaxebeiträge fordert.
61 
Der Anwendungsbereich des § 43 VwGO ist daher grundsätzlich eröffnet.
62 
2. Ferner hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse an alsbaldiger Feststellung. Ein berechtigtes Interesse in diesem Sinne schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 26.1.1996 - 8 C 19/94 -, m.w.N., in Juris). Zur Vermeidung der Popularklage ist allerdings § 42 Abs. 2 VwGO über die Klagebefugnis auf die Feststellungsklage entsprechend anzuwenden, so dass auch eine auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO nur zulässig ist, wenn es dem Kläger dabei um die Verwirklichung seiner Rechte geht, sei es, dass er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist, sei es, dass von dem Rechtsverhältnis immerhin eigene Rechte des Klägers abhängen (st. Rspr, vgl. nur BVerwG, Urt. v. 29.6.1995 - 2 C 32/94 -, m.w.N., in Juris).
63 
Die Klägerin kann ein eigenes Interesse geltend machen an der Feststellung, durch die Bestimmungen der gemeindlichen Kurtaxesatzung nicht verpflichtet zu werden. Denn die Sichtweise der Beklagten, die Klägerin als Inhaberin eines Beherbergungsbetriebes stehe außerhalb des durch die Satzungsbestimmungen begründeten Rechtsverhältnisses zwischen ihren Gästen und der Beklagten und fungiere lediglich als „Inkassostelle“, wird dem durch die Kurtaxesatzung getroffenen Regelungskonstrukt nicht gerecht. Dass die Kurtaxesatzung unmittelbar in den Rechtskreis der Klägerin eingreift, ergibt sich vielmehr ohne weiteres aus §§ 7, 9 Abs. 1, 2 KTS, die sich unmittelbar an die Inhaber von Beherbergungsbetrieben richten und diese zu bestimmten Handlungen (Meldung von kurtaxepflichtigen Personen, Einziehung der Kurtaxe und deren Abführung an die Gemeinde) verpflichten. Auch die Beklagte geht - wenn auch in anderem Zusammenhang - davon aus, unmittelbar aus der Satzung ergebe sich eine Einziehungs- und Abführungspflicht der Zimmeranbieter, und nur unter dieser Prämisse ist ihr Vorgehen - Einzug der Kurtaxe per formlosem Schreiben - verständlich. Aber auch für die Regelungen über den Kreis der kurtaxpflichtigen Personen und die Höhe der Kurtaxe (§§ 3, 4 KTS) gilt, dass diese in den Rechtskreis der Inhaber von Beherbergungsbetrieben eingreifen. Dort wird zwar den Vermietern keine originäre Beitragspflicht auferlegt. Sie haften jedoch gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KTS neben den Abgabepflichtigen - und nicht nur subsidiär - als Gesamtschuldner für die Zahlung der Kurtaxe und werden deshalb gleich diesen durch die Regelungen in der Satzung in eigenen Rechten betroffen (vgl. (zu § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO) VGH München, Urt. v. 12.2.2004 - 5 N 02.1674 -, in Juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.4.1992 - 14 S 802/90 -, in Juris).
64 
Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch die Regelung des § 10 KTS i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 KAG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift enthält eine verwaltungsakzessorische Strafbewehrung einer Nichtbefolgung der in §§ 7, 9 KTS niedergelegten Verpflichtungen mit der Möglichkeit, eine Geldbuße bis zu 10.000 EUR zu verhängen (§ 8 Abs. 3 KAG), so dass sich die Klägerin bei Nichterfüllung ihrer in der Satzung statuierten Pflichten - unabhängig davon, ob ein Haftungsbescheid gegen sie ergeht - unmittelbar einer Ordnungswidrigkeit schuldig macht. Auch dieser Umstand begründet ein berechtigtes Interesse an alsbaldiger Feststellung.
65 
Greift die Kurtaxesatzung der Beklagten mithin unmittelbar in den Rechtskreis der Klägerin ein, bedarf es keiner Erörterung, ob bereits ein wirtschaftliches Interesse der Klägerin, das diese daran hat zu wissen, ob auf ihre Gäste zusätzliche Kosten zukommen, um ggf. durch eine Absenkung der Zimmerpreise hierauf zu reagieren und so die mögliche Abwanderung potentieller Gäste auf Nachbargemeinden zu verhindern, als Interesse i.S.d. § 43 VwGO anzusehen wäre.
66 
3. Schließlich ist die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) unzulässig.
67 
Gegen den Einzug der Kurtaxe mittels formlosen Schreibens kann die Klägerin anderweitigen Rechtsschutz durch Erhebung einer Anfechtungsklage nicht erlangen, da, wie die Beklagte zurecht ausführt, in diesen Schreiben kein der Anfechtung zugänglicher Verwaltungsakt zu sehen ist.
68 
Die Klägerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, den - in der Satzung nicht vorgesehenen, bei Nichtabführung der Kurtaxe von Beklagtenseite aber bereits angekündigten - Erlass eines Haftungsbescheides abzuwarten und die gegen diesen Verwaltungsakt zulässigen Rechtsmittel (Widerspruch und Anfechtungsklage) zu erheben. Denn die Pflicht der Klägerin zur Meldung ihrer Gäste (§ 7 Abs. 1 KTS), zum Einzug und zur Abführung der sich nach Beitragsschuldner und Höhe bereits unmittelbar aus der Satzung (§§ 2, 3, 4 KTS) ergebenden Kurtaxe (§ 7 Abs. 1 S. 1 KTS) und zur Meldung von Personen, die sich weigern Kurtaxe zu entrichten (§ 7 Abs. 2 KTS), besteht, wie erörtert, bereits - bußgeldbewehrt - unmittelbar aufgrund der Satzung und bedarf nicht erst einer Aktualisierung und Konkretisierung durch Erlass eines Verwaltungsaktes; der Haftungsbescheid ist lediglich eine Grundlage für die Durchsetzung der Haftungsregelung in § 7 Abs. 1 S. 2 KTS.
69 
Dieser Sichtweise steht auch nicht der von der Beklagten angeführte Beschluss des BVerwG vom 2.4.1993 entgegen, denn diesem lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Wie sich aus dem erstinstanzlichen Urteil (VG Aachen, Urt. v. 16.4.1991 - 2 K 499/91 -) ergibt, wandte sich der Kläger des dortigen Verfahrens gegen eine Gebührensatzung der Stadt Münstereifel „über die Umlegung des Unterhaltungsaufwandes für fließende Gewässer“, auf deren Grundlage er durch Gebührenbescheide zur Zahlung von Gebühren für die Gewässerunterhaltung verpflichtet worden war. In jenem Fall ist es unbestritten, dass der Gebührenschuldner ausreichenden Rechtsschutz dadurch erhält, dass er Anfechtungsklage gegen den Gebührenbescheid erhebt, der die abstrakte, in der Satzung niedergelegte Verpflichtung zur Leistung von Gebühren erst konkretisiert. Vorliegend bestehen dagegen bereits unmittelbar aufgrund der Satzung - und ohne dass es insoweit eines konkretisierenden Bescheides bedürfte - substantielle und bußgeldbewehrte Verpflichtungen (Meldung, Einziehung etc.) der Klägerin.
70 
Überdies zeigt nicht nur der Erlass formloser Zahlungsaufforderungen unter Verweis auf § 9 KTS, sondern auch das Schreiben der Gemeindekasse der Beklagten vom 31.3.2010, in dem die Zwangsvollstreckung angekündigt wurde, dass die Beklagte von einer rechtlich durchsetzbaren Zahlungspflicht der Klägerin bereits vor Erlass eines entsprechenden Haftungsbescheides ausgeht.
71 
Schließlich ist es der Klägerin auch nicht zumutbar, über ein - nach § 10 KTS i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 KAG auch ohne Erlass eines Haftungsbescheides zulässiges - Ordnungswidrigkeitenverfahren eine gerichtliche Klärung zu erreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.1.2010 - 8 C 19/09 -, in Juris).
III.
72 
Die Klage ist im Hinblick auf Klagantrag Ziff. 2 auch begründet.
73 
1. Die Kurtaxesatzung der Beklagten vom 5./20.11.2007 ist unwirksam und kann mithin für die Klägerin keine Verpflichtung zur Einziehung und Abführung der Kurtaxe begründen. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung lag dem Gemeinderat der Beklagten anlässlich seiner Beschlussfassung am 5.11.2007 über die Kurtaxesatzung keine ordnungsgemäße Kalkulation des Kurtaxesatzes vor.
74 
a) Über die Höhe des Gebührensatzes hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen zu beschließen (vgl. zum Folgenden VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31.5.2010 - 2 S 2423/08 -, in Juris; Urt. v. 20.1.2010 - 2 S 1171/09 -, in Juris). Voraussetzung für eine sachgerechte Ausübung dieses Ermessens ist eine Gebührenkalkulation, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze hervorgeht. Diese wird ermittelt, indem die gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung auf die potentiellen Benutzer nach Maßgabe des in der Satzung vorgesehenen Gebührenmaßstabs verteilt werden, wobei die voraussichtlichen Kosten sowie der voraussichtliche Umfang der Benutzung oder Leistung geschätzt werden müssen. Die Gebührensatzobergrenze ist danach das Ergebnis eines Rechenvorgangs, bei dem die voraussichtlichen gebührenfähigen Gesamtkosten durch die Summe der voraussichtlichen maßstabsbezogenen Benutzungs- oder Leistungseinheiten geteilt werden. Ist dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Gebührensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Gebührensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausüben konnte.
75 
b) Diese Rechtsprechung gilt allerdings seit der Neufassung des KAG BW vom 17.3.2005 vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG. Diese neu ins KAG BW eingeführte Regelung erklärt Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze für unbeachtlich, sofern sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Die Ergänzung des KAG BW ist zu sehen als eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (etwa im Urt. v. 11.12.1997 - 2 S 3247/96 -, in Juris), wonach unter Hinweis auf den Ermessensspielraum des Gemeinderates Satzungen, die etwa Mängel in der Kalkulation - etwa infolge Berücksichtigung nicht ansatzfähiger Kosten - enthielten, regelmäßig und unabhängig von der Höhe dieser Kosten und ihren Auswirkungen auf den Abgabensatz für ungültig erklärt wurden (vgl. zu den Motiven LT-Drs. 13/3966 v. 25.1.2005; vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 678a). Da, so die Gesetzesbegründung, in der Regel solche „Kostenüberdeckungen“ keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf die Höhe des Abgabensatzes haben, soll nunmehr die gerichtliche Kontrolle von Abgabensätzen gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG vereinfacht werden und ein Fehler in der Beitragskalkulation immer dann unbeachtlich sein, wenn er nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung von nicht mehr als 5% führt.
76 
Aus der Gesetzesbegründung, die auf die bisherige Rechtsprechung des VGH Bad.-Württ. Bezug nimmt und deutlich macht, dass durch Einfügung von § 2 Abs. 2 S. 1 KAG nur eine „sachlich gebotene Vereinfachung der gerichtlichen Kontrolle“ erreicht, jene aber nicht auf eine reine Ergebniskontrolle reduziert werden soll, ergibt sich deutlich, dass nach wie vor dem Gemeinderat bei seiner Beschlussfassung eine Kalkulation zugrunde liegen muss (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.1.2010 - S 1171/09 -, in Juris; Urt. v. 23.3.2006 - 2 S 2842/04 -, in Juris; VG Karlsruhe, Urt. v. 23.4.2009 - 2 K 417/07 -, in Juris; Gössl/Reiff, KAG BW, § 2 Ziff. 1.5.2.2) und dass diese Kalkulation für einen kundigen, mit dem Sachverhalt vertrauten kommunalen Mandatsträger transparent, verständlich, nachvollziehbar und in sich schlüssig sein muss (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.1.2010 - S 1171/09 -, in Juris; Urt. v. 23.3.2006 - 2 S 2842/04 -, in Juris; vgl. auch Faiß, KAG BW, § 2 Rn. 18: es muss aus ihr die kostendeckende Abgabenobergrenze hervorgehen), so dass sich aus ihr der Entscheidungsinhalt des Gemeinderats nachvollziehen lässt (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 675).
77 
Für den Bereich der Kurtaxe ist daher für eine ordnungsgemäße Beitragskalkulation nach wie vor zu fordern, dass sich ihr die Höhe der umlagefähigen Ausgaben und die kalkulierte Zahl an Übernachtungen und sich daraus errechnend der maximal mögliche Kurtaxebetrag ergeben. Auf diese Minimalanforderungen kann weder im Hinblick darauf, dass die Kurtaxe regelmäßig nur einen Teil der kurtaxefähigen Kosten abdeckt mit der Folge, dass insoweit möglicherweise eine nur überschlägige Berechnung des Beitrags ausreichend ist, noch unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 2 S. 1 KAG verzichtet werden.
78 
Liegt eine solche Kalkulation dem Gemeinderat vor, sind einzelne Mängel in der Kalkulation - wie unrichtig angesetzte Kosten oder die fehlende Berücksichtigung von Kostenabzügen - entgegen der früheren VGH-Rechtsprechung gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG nur dann beachtlich, wenn die darauf beruhende Kostenüberdeckung - was in der Praxis nicht der Regelfall sein dürfte - mehr als geringfügig ist.
79 
c) Wie sich aus den vorgelegten Unterlagen wie auch den Erläuterungen der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2010 ergibt, lag dem Gemeinderat der Beklagten in seiner Sitzung am 5.11.2007 keine ordnungsgemäße Kalkulationsgrundlage für die Entscheidung über den Kurtaxesatz vor.
80 
(1) In seiner öffentlichen Sitzung am 5.11.2007, in der unter TOP 10 die Kurtaxesatzung beschlossen wurde, lag dem Gemeinderat ausweislich der Sitzungsvorlage vom 31.10.2007 nur der Satzungsentwurf selbst vor; vorbereitende erläuternde Unterlagen waren nicht Gegenstand der Sitzung. Wie sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt und auch vom Bürgermeister der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, wurden die für die Berechnung des Kurtaxesatzes i.H.v. 1,50 EUR wesentlichen Grundlagen und konkreten Zahlen, wie sie sich aus den über Monate erfolgten Überlegungen schlussendlich herauskristallisiert haben, in dieser Gemeinderatssitzung auch nicht mündlich dargelegt.
81 
(2) Zwar wurden den Gemeinderäten im Laufe der Diskussion - Überlegungen zur Einführung einer Kurtaxe hatte es bei der Beklagten bereits im Frühjahr 2006 gegeben - nach Aussage der Beklagten immer wieder Unterlagen zugänglich gemacht, die einzelne für die Einführung einer Kurtaxe wichtige Aspekte betrafen, so etwa der von M. erstellte „Business- und Wirtschaftsplan zum Destinationskonzept der Tourismusgemeinde R.“, eine Diskussionsvorlage, die den kalkulierten Aufwand für das Gästecardsystem der TGR darstellt (318.680 EUR, wobei ein Posten i.H.v. 104.800 EUR handschriftlich gestrichen wurde), eine Übersicht „Wie müssen die Leistungen [Tourismusgeschäftsfelder] mit welchen %-Anteilen finanziert werden“, eine mit „Nettoaufwand Tourismusbetrieb“ überschriebene Tabelle, die für mehrere Tourismusgeschäftsfelder in R. saldierte Ergebnisse Erlöse / Aufwand aufführt mit einer Finanzierungslast Gemeindesaldo i.H.v. 296.316 EUR, ein „Aufwandsfluss nach Beteiligten“, eine von M. erstellte „Veränderungsbilanz der Sparte Tourismusförderung“ sowie eine Kurtaxkalkulation von M., die das mögliche Kurtaxvolumen, ausgehend von einer Kurtaxhöhe von 1,50 EUR, anhand prognostizierter Übernachtungszahlen auf 819.513 EUR bemisst.
82 
Die Beklagte stellt in ihrem Schriftsatz vom 15.10.2010 im Rahmen des Klageverfahrens auf Grundlage der „dabei ermittelten Zahlen“ eine Rechnung auf, die zu Gesamtausgaben in Höhe von 587.000 EUR kommt, wovon 296.000 EUR entfallen seien auf Kosten für die Tourist-Info, 106.000 EUR auf die Kosten für die Gästekarte, 105.000 EUR auf zusätzliche Personalkosten und 80.000 EUR auf Anlagen der Gemeinde. Dem hätten geschätzte Einnahmen in Höhe von 400.000 EUR gegenübergestanden, woraus sich ein maximaler Kurtaxesatz von 2,20 EUR errechnet habe.
83 
(3) Diese Berechnung ist anhand der vorgelegten Unterlagen jedoch nicht nachvollziehbar; mit Ausnahme der für die Tourist-Info angesetzten Kosten i.H.v. 296.000 EUR weichen alle Ausgabenvolumina von den der Kammer vorliegenden, im Vorfeld der Beschlussfassung erstellten und möglicherweise dem Gemeinderat zur Verfügung gestellten schriftlichen Zahlenwerken deutlich ab bzw. sind jenen überhaupt nicht zu entnehmen. Dieser Umstand ist auch nicht verwunderlich, weil es einem Diskussionsprozess immanent ist, dass anfängliche Überlegungen durch spätere bessere Erkenntnis überholt werden. Besonders deutlich wird dies etwa an den prognostizierten Kosten für das Gästecardsystem; wie der Bürgermeister der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläuterte, hätten die zunächst prognostizierten Kosten i.H.v. 314.000 EUR, wie sie der „Diskussionsvorlage“ zu entnehmen sind, zu einer nicht mehr vermittelbaren Höhe der Kurtaxe geführt, weshalb man in der Folge die Gästecard so abgeändert habe, dass sie letztlich nur noch mit 106.000 EUR zu Buche geschlagen habe. Gerade aber wenn einer Entscheidung ein derartiger längerer Prozess vorausgeht, ist es nicht ausreichend, dass die nunmehr von der Beklagten genannten Zahlen möglicherweise in den dem 5.11.2007 vorangegangenen Sitzungen des Gemeinderates in irgendeiner Form Gegenstand der Erörterung waren. Vielmehr ist es für die letztlich zu fällende Entscheidung des Gemeinderates in diesem Falle unerlässlich, dass vor der Abstimmung am 5.11.2007, die den Endpunkt der Diskussion markiert, die Ergebnisse des Diskussionsprozesses zusammengefasst werden und so dem Gemeinderat transparent und nachvollziehbar dargelegt wird, wie das Ergebnis - hier die Höhe des Kurtaxesatzes von 1,50 EUR - letztendlich zustande gekommen ist. Es wäre daher zumindest zu verlangen gewesen, dass dem Gemeinderat vor der Beschlussfassung die zwei für die Berechnung der Kurtaxe wesentlichen Parameter - Höhe der kurtaxefähigen Nettoausgaben ggf. unter Nennung der wesentlichen Ausgabenfelder und Anzahl der prognostizierten Übernachtungen - und hieraus sich errechnend der maximale Kurtaxesatz dargelegt worden wären. Daran aber fehlte es auch nach Aussage des Bürgermeisters der Beklagten.
84 
d) Fehlt es aber bereits an einer Kalkulation, die die wesentlichen für eine Entscheidung über den Kurtaxesatz erforderlichen Parameter enthält, ist der Beschluss des Gemeinderates ungeachtet dessen unwirksam, dass zwischenzeitlich Kalkulationen des Kurtaxesatzes für die Jahre 2009/10 vorliegen, die den Mindestanforderungen genügen dürften und durch die ein Kurtaxesatz von 1,50 EUR gedeckt wäre. Dies gilt auch nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 S. 1 KAG. Denn die Neufassung des § 2 Abs. 2 KAG hat nicht etwa zur Konsequenz, dass nunmehr die Rechtsprechung einiger anderer Oberverwaltungsgerichte Anwendung findet, wonach eine - von der Willensbildung des Ortsgesetzgebers als gedeckt anzusehende - Kalkulationsgrundlage auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden kann (so etwa OVG Schleswig, Urt. v. 4.10.1995 - 2 L 197/94 -, in Juris; vgl. auch die Nachweise in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 11 Rn. 17). Vielmehr macht der Umstand, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung § 2 Abs. 2 S. 1 KAG, wie bereits erläutert, keine gänzliche Abkehr von der seinerzeitigen VGH-Rechtsprechung bezweckte, sondern lediglich eine sachgerechte Vereinfachung der gerichtlichen Kontrolle herbeiführen wollte, deutlich, dass auch unter der Geltung von § 2 Abs. 2 S. 1 KAG eine nachvollziehbare Kalkulationsgrundlage des Gebühren- oder Beitragssatzes bereits anlässlich der Beschlussfassung durch den Gemeinderat vorgelegen haben muss und ein Nachschieben der Kalkulation nicht möglich ist.
85 
Dies zugrunde gelegt, vermag auch ein förmlicher Gemeinderatsbeschluss wie derjenige der Beklagten vom 7.12.2009, mit dem der Satz der Kurtaxe von 1,50 EUR für das Folgejahr aufgrund einer wohl ordnungsgemäßen Kalkulationsgrundlage beschlossen wurde, der - unwirksamen - Satzung nicht nachträglich Wirksamkeit zu verleihen, wären hierfür doch eine erneute Abstimmung über die Satzung als Ganzes sowie eine Veröffentlichung dieses Beschlusses gemäß den für Satzungen geltenden Vorschriften der Gemeindeordnung erforderlich.
86 
2. Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten sei, ohne dass es hierauf im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblich ankäme, darauf hingewiesen, dass die Kammer im Gegensatz zur Klägerin keine prinzipielle Bedenken gegen die Einführung einer Kurtaxe durch die Beklagte hat; auch dürfte - bei überschlägiger Betrachtung und ohne dass die Kammer diesbezüglich die Details überprüft hätte - ein Kurtaxesatz von 1,50 EUR grundsätzlich nicht zu beanstanden sein.
87 
a) Die Kammer vermag sich zunächst dem Einwand der Klägerin nicht anzuschließen, es habe an einer Ermessensausübung der Beklagten dahingehend gefehlt, ob in R. eine Kurtaxe oder eine Fremdenverkehrsabgabe eingeführt werde, was, wie die Klägerin vorträgt, vor allem im Hinblick auf die besondere Situation durch den E-Park R. erforderlich gewesen wäre.
88 
Zwar enthält § 78 Abs. 2 GemO eine Rangfolge der Deckungsmittel, die grundsätzlich bindend ist. Innerhalb der einzelnen Gruppen - sonstige Einnahmen, spezielle Leistungsentgelte, Steuern, Kreditaufnahmen - gibt es jedoch keine bestimmte, von der Kommune bei der Entscheidung über ihre Finanzierungsmittel zu beachtende Reihenfolge. Nachdem Kurtaxe wie Fremdenverkehrsbeitrag jeweils Abgaben besonderer Art darstellen und insoweit jeweils der zweiten Gruppe an Deckungsmitteln zuzuordnen sind, besteht zwischen diesen beiden Finanzierungsinstrumenten keine Rangfolge. Die Gemeinde ist frei in ihrer Entscheidung, ob und zu welchen Anteilen sie von den gesetzlichen Finanzierungsmöglichkeiten Gebrauch machen will (OVG Lüneburg, Urt. v. 13.11.1990 - 9 K 11/89 -, in Juris; Gössl/Reif, KAG BW, § 44 Ziff. 1.4; ähnlich Faiß, KAG BW, § 43 Rn. 7); sofern es überhaupt nachvollziehbare Gründe für die Einführung eines bestimmten Finanzierungsmittels gibt, ist nicht entscheidend, ob für die Einführung etwa einer anderen Abgabe mindestens ebenso gute Gründe gesprochen hätten. Selbst wenn man diesbezüglich fordern wollte, dass sich die Gemeinde sich dessen bewusst sein müsse, dass es hinsichtlich ihrer für Erholungszwecke bestehenden Einrichtungen und Veranstaltungen möglicherweise unterschiedliche Finanzierungsinstrumente gibt, und wenn man diesbezüglich, wie es die Klägerin tut, weiter fordern wollte, die Gemeinde müsse eine (bewusste) Ermessensentscheidung für das eine oder andere Instrument treffen, ist die vorliegende Satzung nicht zu beanstanden. Denn wie sich aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen ergibt, war die Frage, ob in R. ein Kurbeitrag oder ein Fremdenverkehrsbeitrag eingeführt werden sollte und welche Vor- bzw. Nachteile mit dem jeweiligen Beitrag verbunden wären, Gegenstand eines Vortrags vor dem Gemeinderat; die Annahme, dass über diese Fragestellung anschließend auch im Gemeinderat diskutiert wurde, ist mehr als lebensnah. Die Entscheidung des Gemeinderats, aufgrund der positiven Effekte des E-Parks auch für die Übernachtungsbetriebe in R. eine Kurtaxe einzuführen, überschreitet den im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie bestehenden weiten Ermessensspielraum der Beklagten im Hinblick auf die Frage, welche Personenkreise sie zur Finanzierung ihrer tourismusbezogenen Aufwendungen heranzieht, nicht.
89 
b) Auch mit ihrem Einwand, es fehle in der Gemeinde an kurtaxefähigen Einrichtungen, hat die Klägerin keinen Erfolg.
90 
Kurtaxefähig sind nach § 43 KAG solche öffentlichen Einrichtungen, die Kur- und/oder Erholungszwecken gewidmet sind, wobei ausreichend ist, wenn diese Einrichtungen diese Zwecke fördern, also der Erhaltung, Förderung oder Wiederherstellung der körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit dienen; umfasst sind etwa auch Kur- und Wanderwege, unterhaltende Veranstaltungen, Freizeitanlagen oder Spiel- und Sporteinrichtungen (vgl. Gössl/Reiff, KAG BW, § 43 Ziff. 2).
91 
Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass diese Einrichtungen erst nach Einführung der Kurtaxe hergestellt werden; vielmehr sind, wie sich aus dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 S. 1 KAG - „Herstellung und Unterhaltung“ - ergibt, auch die laufenden sächlichen und personellen Mittel, die etwa für Betrieb, Betreuung oder Instandsetzung bereits bestehender Kur- und Erholungseinrichtungen eingesetzt werden, beitragsfähig. Auch müssen die diesbezüglichen Ausgaben nicht, wie die Klägerin offenbar meint, infolge der Einführung der Kurtaxe gestiegen sein; auch etwa in der Vergangenheit schon angefallene, bislang nicht durch Abgaben refinanzierte Personalkosten für eine Tourist-Information sind selbstverständlich, wenn sie weiter anfallen, künftig im Rahmen der gesetzlichen Regelungen in die kurtaxefähigen Aufwendungen einzubeziehen.
92 
Ebenso wenig ist der Kreis kurtaxefähiger Einrichtungen auf solche beschränkt, die ausschließlich für Besucher bestehen; selbst Einrichtungen der allgemeinen Infrastruktur können - anteilig - in die Erhebung der Kurtaxe einbezogen werden, wenn diese Einrichtungen im Hinblick auf die Kur- und Erholungsfunktion errichtet und betrieben bzw. im Hinblick auf die Kurgäste größer errichtet oder mit zusätzlichen Angeboten ausgestattet werden (vgl. Gössl/Reiff, KAG BW, § 43 Ziff. 2).
93 
Vor diesem Hintergrund kann der Kurtaxesatz der Beklagten von 1,50 EUR nach überschlägiger Betrachtung der für die Jahre 2009/10 als Vorbereitung der Gemeinderatssitzung vom 7.12.2009 erstellten Unterlagen nicht beanstandet werden. Selbst wenn der eine oder andere Einwand der Klägerin etwa im Hinblick auf die Nutzbarkeit der Wassertretanlage (mit 1.400 EUR in die Kalkulation Kurtaxe 2010 eingestellt) oder die Funktionsfähigkeit von W-Lan (eingestellt mit 10.000 EUR) zutreffend sein sollte, so ist doch im Hinblick darauf, dass bei einem Kurtaxesatz von 1,50 EUR fast 200.000 EUR der von der Gemeinde als kurtaxefähig veranschlagten Ausgaben ungedeckt bleiben, kein Anhaltspunkt dafür gegeben, der Kurtaxesatz sei auch im Lichte von § 2 Abs. 2 S. 1 KTS rechtswidrig.
94 
Schließlich ist das Argument der Klägerin, die Beklagte sei durch ihr Leitbild für die touristische Entwicklung gebunden und dürfe die Kurtaxe nur für dort vorgesehene Maßnahmen verwenden, nicht nachvollziehbar; dies gilt unabhängig davon, dass sich unter dieses Leitbild unterschiedlichste Ausgaben (vgl. etwa die dort genannten Punkte „Weiterentwicklung des Ortsbildes“, „Förderung für Sporteinrichtungen, Unterhaltungs- und Vergnügungsbetriebe, die der Gästebindung dienen“, „Entwicklung von kulturellen Veranstaltungen“, „Anpassung der räumlichen Erschließungs- und Ordnungsmaßnahmen an die Tourismus- und Verkehrsplanung“ etc.) fassen lassen .
95 
c) Auch der allgemeine Hinweis der Klägerin auf ein Urteil des VG Kassel (v. 9.7.2009 - 6 K 1435/07.KS -), dessen Erwägungen im Hinblick auf die Ungültigkeit der dort inzident überprüften Kurtaxesatzung auch vorliegend zum Tragen kämen, ist nicht zielführend. Denn die dortige Kurtaxesatzung hatte ersichtlich einen anderen Wortlaut, wurde dort doch in § 10 Abs. 7 bestimmt, der Eigenbetriebkönne den Wohnungsgeber zur Einziehung und Ablieferung des Kurbeitrags verpflichten, was das VG Kassel im Hinblick darauf, dass bereits in der Satzung der Kreis der Abgabepflichtigen abschließend genannt sein müsse, für unzulässig erachtete. Welche Relevanz diese Aussagen des VG Kassel für das vorliegende Verfahren haben sollten, erschließt sich der Kammer nicht.
96 
d) Nicht gehört werden kann Klägerin schließlich mit ihrem pauschalen Einwand, der E-Park zahle aufgrund der Ablösevereinbarung deutlich zu wenig Kurtaxe, so dass das Prinzip der Abgabengerechtigkeit zu ihren Lasten verletzt sei.
97 
Zwar ist der Klägerin insoweit Recht zu geben, als die in § 8 KTS vorgesehene Möglichkeit der Ablösung der Kurtaxe, die mit § 43 Abs. Abs. 3 Nr. 4 KAG in Einklang steht, lediglich der Verwaltungsvereinfachung dienen soll und nicht zu einer Minderung der Abgabenschuld führen darf.
98 
In Rahmen einer Feststellungsklage kann die Klägerin sich allerdings bereits dem Grunde nach nicht mit Erfolg auf den behaupteten Verstoß gegen das Prinzip der Abgabengerechtigkeit infolge fehlerhafter Anwendung der Satzung durch die Beklagte berufen. In diesem Zusammenhang kommt es vielmehr alleine darauf an, ob die Kurtaxesatzung selbst rechtmäßig ist. Nachdem die Klägerin weder die in den Kalkulationen für 2009/10 von der Beklagten zugrunde gelegten Übernachtungszahlen im Gemeindegebiet insgesamt (ohne Differenzierung danach, ob die Übernachtungen innerhalb oder außerhalb des E-Parkgeländes erfolgen) in Zweifel zieht noch Anhaltspunkte dafür bestehen, die Beklagte habe in den Kalkulationen für 2009/10 Mindereinnahmen, die aus - unterstellt - zu geringen Kurtaxezahlungen des E-Parks resultieren, als Minus in die nächstjährige Kurtaxekalkulation eingestellt, wäre die Satzung selbst dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Park tatsächlich zu wenig Kurtaxe zahlen sollte. Im Übrigen stellt die Klägerin die Behauptung von bewusst zu niedrig berechneten Kurtaxezahlungen durch den E-Park ohne jeden Beleg auf; insbesondere ihr Argument, die behaupteten Übernachtungszahlen im Park müssten weitaus höhere Kurtaxebeiträge generieren, dürfte im Hinblick auf die Befreiungsregelung in § 4 Abs. 1 a) KTS nicht stichhaltig sein.
99 
Nur der Ergänzung halber sei angemerkt, dass erst recht nicht das von der Klägerin behauptete Vorgehen des Parks , die Kurtaxe bei seinen Zimmerpreisen nicht getrennt auszuweisen (unabhängig davon, ob dies dem Park zum Vorwurf gemacht werden könnte), oder die behauptete fehlende Meldung seiner Übernachtungsgäste die Rechtsunwirksamkeit der Satzung begründen könnte.
III.
100 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Der Klagantrag Ziff. 1, der auf isolierte Feststellung der Unwirksamkeit der Satzung und somit auf ein anderes Klageziel als der Klagantrag Ziff. 2 gerichtet ist, wird mit ¼ gewichtet.
101 
Es besteht kein Grund, die Berufung zuzulassen (vgl. §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
I.
52 
In ihrem Klagantrag Ziff. 1 - Feststellung der Nichtigkeit der Kurtaxesatzung der Beklagten vom 5.11.2007, ausgefertigt am 20.11.2007 - KTS - ist die Klage bereits unzulässig.
53 
Die Klägerin hat diesen Klagantrag ausdrücklich als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht - und nicht als Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, für den der Verwaltungsgerichtshof zuständig gewesen wäre - stellen wollen, so dass eine Verweisung des Rechtsstreits nicht in Betracht kommt.
54 
Eine derartige Feststellungsklage ist jedoch unzulässig.
55 
Mit der Feststellungsklage kann nach § 43 Abs. 1 VwGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn das Begehren der Klägerin zielt unmittelbar auf die Entscheidung der Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Kurtaxesatzung ab. Diese Frage betrifft aber kein konkretes streitiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO (OVG Bremen, Urt. v. 28.3.2000 - 1 A 314/09 -, in Juris; VGH München, Urt. v. 26.3.2001 - 9 B 96.1129 -, in Juris; Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 8g, 14; Fehling/Kastner, VwGO, § 43 Rn. 13); sie kann nur im Wege der Normenkontrolle nach § 47 VwGO, nicht aber mittels Feststellungklage gemäß § 43 VwGO geklärt werden (BVerwG, Beschl. v. 2.4.1993 - 7 B 38/93 -, in Juris; VGH München, Urt. v. 26.3.2001 - 9 B 96.1129 -, in Juris).
56 
Aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des VG Kassel (v. 9.7.2009 - 6 K 1345/07.KS) ergibt sich nichts anderes, da dort keine Feststellungsklage auf Nichtigerklärung der Satzung, sondern eine Anfechtungsklage gegen einen Bescheid erhoben worden war, mit dem die Beklagte den Kläger des dortigen Verfahrens zur Einziehung und Ablieferung des Kurbeitrags verpflichtet hatte. Dass im Zusammenhang mit einer Anfechtungsklage das Verwaltungsgericht inzident über die (Un-)Gültigkeit von Satzungsbestimmungen zu entscheiden hat, soweit dies für den Ausgang des Rechtsstreits von Relevanz ist, ist unbestritten, lässt jedoch keinen Rückschluss darauf zu, das Verwaltungsgericht könne mit Inter-omnes-Wirkung auch über die (Un-)Gültigkeit untergesetzlicher Normen entscheiden. Dies ist nicht der Fall.
II.
57 
Der zweite Klagantrag - Feststellung einer fehlenden Verpflichtung der Klägerin zur Einziehung und Abführung von Kurtaxe - ist dagegen gemäß § 43 VwGO zulässig.
58 
1. Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein (vgl. zum Folgenden BVerwG, Urt. v. 28.1.2010 - 8 C 19/09 -, m.w.N.; Urt. v. 23.1.1992 - 3 C 50.89 -; Urt. v. 20.11.2003 - 3 C 44.02 -; jew. in Juris). Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Rechtliche Beziehungen eines Beteiligten zu einem andern haben sich erst dann zu einem bestimmten konkretisierten Rechtsverhältnis verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist. Zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses muss ein Meinungsstreit bestehen, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt.
59 
Der Anwendungsbereich einer Feststellungsklage ist grundsätzlich insbesondere dann eröffnet, wenn der Betroffene durch eine seines Erachtens rechtswidrige und nichtige Norm zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet wird; in diesem Fall besteht die Möglichkeit, im Rahmen des § 43 VwGO feststellen zu lassen, dass er das Recht hat, dieses Verhalten zu unterlassen (Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 8a).
60 
Mit dem Antrag festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, entsprechend der Kurtaxesatzung - wie von der Beklagten gegenüber der Klägerin wiederholt gefordert - Kurbeiträge einzuziehen und an die Beklagte abzuführen, macht die Klägerin das Nichtbestehen bestimmter konkreter Pflichten gegenüber der Beklagten geltend. Dass in diesem Zusammenhang inzidenter auch über die (Un-)Gültigkeit der belastenden Norm entschieden wird und dass hierüber ggf. auch durch Normenkontrolle hätte entschieden werden können, stellt den Rechtsschutz durch Feststellungsklage nicht in Frage (Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 8, 31; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 43 Rn. 25; Fehling/Kastner, VwGO, § 43 Rn. 13,16). Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nämlich nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt. Von einer "Umgehung" des § 47 VwGO kann nur dann die Rede sein, wenn mit einem auf eine andere Klageart gestützten Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm oder einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines ungewissen künftigen Sachverhalts erreicht werden soll; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen theoretisch zu lösen. In diesen Fällen wäre der Kläger tatsächlich auf die Normenkontrolle nach § 47 VwGO zu verweisen. Anders liegt es dagegen, wenn - wie vorliegend - die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm als - wenn auch streitentscheidende - Vorfrage aufgeworfen wird; in diesem Fall ist der Anwendungsbereich der Feststellungsklage prinzipiell eröffnet (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.1.2010 - 8 C 19/09 -, m.w.N.; Urt. v. 28.6.2000 - 11 C 13.99 -; Urt. v. 9.12.1982 - 5 C 103/81 -; BVerfG, Beschl. v. 17.1.2006 - 1 BvR 541/02 u.a. -; jew. in Juris). Im Übrigen spricht auch das Verhalten der Beklagten dafür, dass diese davon ausgeht, bereits aufgrund der Satzung habe die Klägerin als Inhaberin eines Beherbergungsbetriebes ihr gegenüber konkrete Verpflichtungen, folglich bestehe ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Klägerin; andernfalls wäre es nicht zu erklären, dass sie die Klägerin in der Widerspruchsentscheidung vom 21.12.2009 auf „ihre gemäß § 9 KTS bestehende Pflicht zum Einzug und zur Abführung der Kurtaxe“ hinweist und anschließend durch formlose Schreiben - und nicht etwa durch Bescheid - die Abführung der Kurtaxebeiträge fordert.
61 
Der Anwendungsbereich des § 43 VwGO ist daher grundsätzlich eröffnet.
62 
2. Ferner hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse an alsbaldiger Feststellung. Ein berechtigtes Interesse in diesem Sinne schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 26.1.1996 - 8 C 19/94 -, m.w.N., in Juris). Zur Vermeidung der Popularklage ist allerdings § 42 Abs. 2 VwGO über die Klagebefugnis auf die Feststellungsklage entsprechend anzuwenden, so dass auch eine auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO nur zulässig ist, wenn es dem Kläger dabei um die Verwirklichung seiner Rechte geht, sei es, dass er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist, sei es, dass von dem Rechtsverhältnis immerhin eigene Rechte des Klägers abhängen (st. Rspr, vgl. nur BVerwG, Urt. v. 29.6.1995 - 2 C 32/94 -, m.w.N., in Juris).
63 
Die Klägerin kann ein eigenes Interesse geltend machen an der Feststellung, durch die Bestimmungen der gemeindlichen Kurtaxesatzung nicht verpflichtet zu werden. Denn die Sichtweise der Beklagten, die Klägerin als Inhaberin eines Beherbergungsbetriebes stehe außerhalb des durch die Satzungsbestimmungen begründeten Rechtsverhältnisses zwischen ihren Gästen und der Beklagten und fungiere lediglich als „Inkassostelle“, wird dem durch die Kurtaxesatzung getroffenen Regelungskonstrukt nicht gerecht. Dass die Kurtaxesatzung unmittelbar in den Rechtskreis der Klägerin eingreift, ergibt sich vielmehr ohne weiteres aus §§ 7, 9 Abs. 1, 2 KTS, die sich unmittelbar an die Inhaber von Beherbergungsbetrieben richten und diese zu bestimmten Handlungen (Meldung von kurtaxepflichtigen Personen, Einziehung der Kurtaxe und deren Abführung an die Gemeinde) verpflichten. Auch die Beklagte geht - wenn auch in anderem Zusammenhang - davon aus, unmittelbar aus der Satzung ergebe sich eine Einziehungs- und Abführungspflicht der Zimmeranbieter, und nur unter dieser Prämisse ist ihr Vorgehen - Einzug der Kurtaxe per formlosem Schreiben - verständlich. Aber auch für die Regelungen über den Kreis der kurtaxpflichtigen Personen und die Höhe der Kurtaxe (§§ 3, 4 KTS) gilt, dass diese in den Rechtskreis der Inhaber von Beherbergungsbetrieben eingreifen. Dort wird zwar den Vermietern keine originäre Beitragspflicht auferlegt. Sie haften jedoch gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KTS neben den Abgabepflichtigen - und nicht nur subsidiär - als Gesamtschuldner für die Zahlung der Kurtaxe und werden deshalb gleich diesen durch die Regelungen in der Satzung in eigenen Rechten betroffen (vgl. (zu § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO) VGH München, Urt. v. 12.2.2004 - 5 N 02.1674 -, in Juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.4.1992 - 14 S 802/90 -, in Juris).
64 
Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch die Regelung des § 10 KTS i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 KAG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift enthält eine verwaltungsakzessorische Strafbewehrung einer Nichtbefolgung der in §§ 7, 9 KTS niedergelegten Verpflichtungen mit der Möglichkeit, eine Geldbuße bis zu 10.000 EUR zu verhängen (§ 8 Abs. 3 KAG), so dass sich die Klägerin bei Nichterfüllung ihrer in der Satzung statuierten Pflichten - unabhängig davon, ob ein Haftungsbescheid gegen sie ergeht - unmittelbar einer Ordnungswidrigkeit schuldig macht. Auch dieser Umstand begründet ein berechtigtes Interesse an alsbaldiger Feststellung.
65 
Greift die Kurtaxesatzung der Beklagten mithin unmittelbar in den Rechtskreis der Klägerin ein, bedarf es keiner Erörterung, ob bereits ein wirtschaftliches Interesse der Klägerin, das diese daran hat zu wissen, ob auf ihre Gäste zusätzliche Kosten zukommen, um ggf. durch eine Absenkung der Zimmerpreise hierauf zu reagieren und so die mögliche Abwanderung potentieller Gäste auf Nachbargemeinden zu verhindern, als Interesse i.S.d. § 43 VwGO anzusehen wäre.
66 
3. Schließlich ist die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) unzulässig.
67 
Gegen den Einzug der Kurtaxe mittels formlosen Schreibens kann die Klägerin anderweitigen Rechtsschutz durch Erhebung einer Anfechtungsklage nicht erlangen, da, wie die Beklagte zurecht ausführt, in diesen Schreiben kein der Anfechtung zugänglicher Verwaltungsakt zu sehen ist.
68 
Die Klägerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, den - in der Satzung nicht vorgesehenen, bei Nichtabführung der Kurtaxe von Beklagtenseite aber bereits angekündigten - Erlass eines Haftungsbescheides abzuwarten und die gegen diesen Verwaltungsakt zulässigen Rechtsmittel (Widerspruch und Anfechtungsklage) zu erheben. Denn die Pflicht der Klägerin zur Meldung ihrer Gäste (§ 7 Abs. 1 KTS), zum Einzug und zur Abführung der sich nach Beitragsschuldner und Höhe bereits unmittelbar aus der Satzung (§§ 2, 3, 4 KTS) ergebenden Kurtaxe (§ 7 Abs. 1 S. 1 KTS) und zur Meldung von Personen, die sich weigern Kurtaxe zu entrichten (§ 7 Abs. 2 KTS), besteht, wie erörtert, bereits - bußgeldbewehrt - unmittelbar aufgrund der Satzung und bedarf nicht erst einer Aktualisierung und Konkretisierung durch Erlass eines Verwaltungsaktes; der Haftungsbescheid ist lediglich eine Grundlage für die Durchsetzung der Haftungsregelung in § 7 Abs. 1 S. 2 KTS.
69 
Dieser Sichtweise steht auch nicht der von der Beklagten angeführte Beschluss des BVerwG vom 2.4.1993 entgegen, denn diesem lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Wie sich aus dem erstinstanzlichen Urteil (VG Aachen, Urt. v. 16.4.1991 - 2 K 499/91 -) ergibt, wandte sich der Kläger des dortigen Verfahrens gegen eine Gebührensatzung der Stadt Münstereifel „über die Umlegung des Unterhaltungsaufwandes für fließende Gewässer“, auf deren Grundlage er durch Gebührenbescheide zur Zahlung von Gebühren für die Gewässerunterhaltung verpflichtet worden war. In jenem Fall ist es unbestritten, dass der Gebührenschuldner ausreichenden Rechtsschutz dadurch erhält, dass er Anfechtungsklage gegen den Gebührenbescheid erhebt, der die abstrakte, in der Satzung niedergelegte Verpflichtung zur Leistung von Gebühren erst konkretisiert. Vorliegend bestehen dagegen bereits unmittelbar aufgrund der Satzung - und ohne dass es insoweit eines konkretisierenden Bescheides bedürfte - substantielle und bußgeldbewehrte Verpflichtungen (Meldung, Einziehung etc.) der Klägerin.
70 
Überdies zeigt nicht nur der Erlass formloser Zahlungsaufforderungen unter Verweis auf § 9 KTS, sondern auch das Schreiben der Gemeindekasse der Beklagten vom 31.3.2010, in dem die Zwangsvollstreckung angekündigt wurde, dass die Beklagte von einer rechtlich durchsetzbaren Zahlungspflicht der Klägerin bereits vor Erlass eines entsprechenden Haftungsbescheides ausgeht.
71 
Schließlich ist es der Klägerin auch nicht zumutbar, über ein - nach § 10 KTS i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 KAG auch ohne Erlass eines Haftungsbescheides zulässiges - Ordnungswidrigkeitenverfahren eine gerichtliche Klärung zu erreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.1.2010 - 8 C 19/09 -, in Juris).
III.
72 
Die Klage ist im Hinblick auf Klagantrag Ziff. 2 auch begründet.
73 
1. Die Kurtaxesatzung der Beklagten vom 5./20.11.2007 ist unwirksam und kann mithin für die Klägerin keine Verpflichtung zur Einziehung und Abführung der Kurtaxe begründen. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung lag dem Gemeinderat der Beklagten anlässlich seiner Beschlussfassung am 5.11.2007 über die Kurtaxesatzung keine ordnungsgemäße Kalkulation des Kurtaxesatzes vor.
74 
a) Über die Höhe des Gebührensatzes hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen zu beschließen (vgl. zum Folgenden VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31.5.2010 - 2 S 2423/08 -, in Juris; Urt. v. 20.1.2010 - 2 S 1171/09 -, in Juris). Voraussetzung für eine sachgerechte Ausübung dieses Ermessens ist eine Gebührenkalkulation, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze hervorgeht. Diese wird ermittelt, indem die gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung auf die potentiellen Benutzer nach Maßgabe des in der Satzung vorgesehenen Gebührenmaßstabs verteilt werden, wobei die voraussichtlichen Kosten sowie der voraussichtliche Umfang der Benutzung oder Leistung geschätzt werden müssen. Die Gebührensatzobergrenze ist danach das Ergebnis eines Rechenvorgangs, bei dem die voraussichtlichen gebührenfähigen Gesamtkosten durch die Summe der voraussichtlichen maßstabsbezogenen Benutzungs- oder Leistungseinheiten geteilt werden. Ist dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Gebührensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Gebührensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausüben konnte.
75 
b) Diese Rechtsprechung gilt allerdings seit der Neufassung des KAG BW vom 17.3.2005 vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG. Diese neu ins KAG BW eingeführte Regelung erklärt Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze für unbeachtlich, sofern sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Die Ergänzung des KAG BW ist zu sehen als eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (etwa im Urt. v. 11.12.1997 - 2 S 3247/96 -, in Juris), wonach unter Hinweis auf den Ermessensspielraum des Gemeinderates Satzungen, die etwa Mängel in der Kalkulation - etwa infolge Berücksichtigung nicht ansatzfähiger Kosten - enthielten, regelmäßig und unabhängig von der Höhe dieser Kosten und ihren Auswirkungen auf den Abgabensatz für ungültig erklärt wurden (vgl. zu den Motiven LT-Drs. 13/3966 v. 25.1.2005; vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 678a). Da, so die Gesetzesbegründung, in der Regel solche „Kostenüberdeckungen“ keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf die Höhe des Abgabensatzes haben, soll nunmehr die gerichtliche Kontrolle von Abgabensätzen gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG vereinfacht werden und ein Fehler in der Beitragskalkulation immer dann unbeachtlich sein, wenn er nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung von nicht mehr als 5% führt.
76 
Aus der Gesetzesbegründung, die auf die bisherige Rechtsprechung des VGH Bad.-Württ. Bezug nimmt und deutlich macht, dass durch Einfügung von § 2 Abs. 2 S. 1 KAG nur eine „sachlich gebotene Vereinfachung der gerichtlichen Kontrolle“ erreicht, jene aber nicht auf eine reine Ergebniskontrolle reduziert werden soll, ergibt sich deutlich, dass nach wie vor dem Gemeinderat bei seiner Beschlussfassung eine Kalkulation zugrunde liegen muss (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.1.2010 - S 1171/09 -, in Juris; Urt. v. 23.3.2006 - 2 S 2842/04 -, in Juris; VG Karlsruhe, Urt. v. 23.4.2009 - 2 K 417/07 -, in Juris; Gössl/Reiff, KAG BW, § 2 Ziff. 1.5.2.2) und dass diese Kalkulation für einen kundigen, mit dem Sachverhalt vertrauten kommunalen Mandatsträger transparent, verständlich, nachvollziehbar und in sich schlüssig sein muss (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.1.2010 - S 1171/09 -, in Juris; Urt. v. 23.3.2006 - 2 S 2842/04 -, in Juris; vgl. auch Faiß, KAG BW, § 2 Rn. 18: es muss aus ihr die kostendeckende Abgabenobergrenze hervorgehen), so dass sich aus ihr der Entscheidungsinhalt des Gemeinderats nachvollziehen lässt (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 675).
77 
Für den Bereich der Kurtaxe ist daher für eine ordnungsgemäße Beitragskalkulation nach wie vor zu fordern, dass sich ihr die Höhe der umlagefähigen Ausgaben und die kalkulierte Zahl an Übernachtungen und sich daraus errechnend der maximal mögliche Kurtaxebetrag ergeben. Auf diese Minimalanforderungen kann weder im Hinblick darauf, dass die Kurtaxe regelmäßig nur einen Teil der kurtaxefähigen Kosten abdeckt mit der Folge, dass insoweit möglicherweise eine nur überschlägige Berechnung des Beitrags ausreichend ist, noch unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 2 S. 1 KAG verzichtet werden.
78 
Liegt eine solche Kalkulation dem Gemeinderat vor, sind einzelne Mängel in der Kalkulation - wie unrichtig angesetzte Kosten oder die fehlende Berücksichtigung von Kostenabzügen - entgegen der früheren VGH-Rechtsprechung gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG nur dann beachtlich, wenn die darauf beruhende Kostenüberdeckung - was in der Praxis nicht der Regelfall sein dürfte - mehr als geringfügig ist.
79 
c) Wie sich aus den vorgelegten Unterlagen wie auch den Erläuterungen der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2010 ergibt, lag dem Gemeinderat der Beklagten in seiner Sitzung am 5.11.2007 keine ordnungsgemäße Kalkulationsgrundlage für die Entscheidung über den Kurtaxesatz vor.
80 
(1) In seiner öffentlichen Sitzung am 5.11.2007, in der unter TOP 10 die Kurtaxesatzung beschlossen wurde, lag dem Gemeinderat ausweislich der Sitzungsvorlage vom 31.10.2007 nur der Satzungsentwurf selbst vor; vorbereitende erläuternde Unterlagen waren nicht Gegenstand der Sitzung. Wie sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt und auch vom Bürgermeister der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, wurden die für die Berechnung des Kurtaxesatzes i.H.v. 1,50 EUR wesentlichen Grundlagen und konkreten Zahlen, wie sie sich aus den über Monate erfolgten Überlegungen schlussendlich herauskristallisiert haben, in dieser Gemeinderatssitzung auch nicht mündlich dargelegt.
81 
(2) Zwar wurden den Gemeinderäten im Laufe der Diskussion - Überlegungen zur Einführung einer Kurtaxe hatte es bei der Beklagten bereits im Frühjahr 2006 gegeben - nach Aussage der Beklagten immer wieder Unterlagen zugänglich gemacht, die einzelne für die Einführung einer Kurtaxe wichtige Aspekte betrafen, so etwa der von M. erstellte „Business- und Wirtschaftsplan zum Destinationskonzept der Tourismusgemeinde R.“, eine Diskussionsvorlage, die den kalkulierten Aufwand für das Gästecardsystem der TGR darstellt (318.680 EUR, wobei ein Posten i.H.v. 104.800 EUR handschriftlich gestrichen wurde), eine Übersicht „Wie müssen die Leistungen [Tourismusgeschäftsfelder] mit welchen %-Anteilen finanziert werden“, eine mit „Nettoaufwand Tourismusbetrieb“ überschriebene Tabelle, die für mehrere Tourismusgeschäftsfelder in R. saldierte Ergebnisse Erlöse / Aufwand aufführt mit einer Finanzierungslast Gemeindesaldo i.H.v. 296.316 EUR, ein „Aufwandsfluss nach Beteiligten“, eine von M. erstellte „Veränderungsbilanz der Sparte Tourismusförderung“ sowie eine Kurtaxkalkulation von M., die das mögliche Kurtaxvolumen, ausgehend von einer Kurtaxhöhe von 1,50 EUR, anhand prognostizierter Übernachtungszahlen auf 819.513 EUR bemisst.
82 
Die Beklagte stellt in ihrem Schriftsatz vom 15.10.2010 im Rahmen des Klageverfahrens auf Grundlage der „dabei ermittelten Zahlen“ eine Rechnung auf, die zu Gesamtausgaben in Höhe von 587.000 EUR kommt, wovon 296.000 EUR entfallen seien auf Kosten für die Tourist-Info, 106.000 EUR auf die Kosten für die Gästekarte, 105.000 EUR auf zusätzliche Personalkosten und 80.000 EUR auf Anlagen der Gemeinde. Dem hätten geschätzte Einnahmen in Höhe von 400.000 EUR gegenübergestanden, woraus sich ein maximaler Kurtaxesatz von 2,20 EUR errechnet habe.
83 
(3) Diese Berechnung ist anhand der vorgelegten Unterlagen jedoch nicht nachvollziehbar; mit Ausnahme der für die Tourist-Info angesetzten Kosten i.H.v. 296.000 EUR weichen alle Ausgabenvolumina von den der Kammer vorliegenden, im Vorfeld der Beschlussfassung erstellten und möglicherweise dem Gemeinderat zur Verfügung gestellten schriftlichen Zahlenwerken deutlich ab bzw. sind jenen überhaupt nicht zu entnehmen. Dieser Umstand ist auch nicht verwunderlich, weil es einem Diskussionsprozess immanent ist, dass anfängliche Überlegungen durch spätere bessere Erkenntnis überholt werden. Besonders deutlich wird dies etwa an den prognostizierten Kosten für das Gästecardsystem; wie der Bürgermeister der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläuterte, hätten die zunächst prognostizierten Kosten i.H.v. 314.000 EUR, wie sie der „Diskussionsvorlage“ zu entnehmen sind, zu einer nicht mehr vermittelbaren Höhe der Kurtaxe geführt, weshalb man in der Folge die Gästecard so abgeändert habe, dass sie letztlich nur noch mit 106.000 EUR zu Buche geschlagen habe. Gerade aber wenn einer Entscheidung ein derartiger längerer Prozess vorausgeht, ist es nicht ausreichend, dass die nunmehr von der Beklagten genannten Zahlen möglicherweise in den dem 5.11.2007 vorangegangenen Sitzungen des Gemeinderates in irgendeiner Form Gegenstand der Erörterung waren. Vielmehr ist es für die letztlich zu fällende Entscheidung des Gemeinderates in diesem Falle unerlässlich, dass vor der Abstimmung am 5.11.2007, die den Endpunkt der Diskussion markiert, die Ergebnisse des Diskussionsprozesses zusammengefasst werden und so dem Gemeinderat transparent und nachvollziehbar dargelegt wird, wie das Ergebnis - hier die Höhe des Kurtaxesatzes von 1,50 EUR - letztendlich zustande gekommen ist. Es wäre daher zumindest zu verlangen gewesen, dass dem Gemeinderat vor der Beschlussfassung die zwei für die Berechnung der Kurtaxe wesentlichen Parameter - Höhe der kurtaxefähigen Nettoausgaben ggf. unter Nennung der wesentlichen Ausgabenfelder und Anzahl der prognostizierten Übernachtungen - und hieraus sich errechnend der maximale Kurtaxesatz dargelegt worden wären. Daran aber fehlte es auch nach Aussage des Bürgermeisters der Beklagten.
84 
d) Fehlt es aber bereits an einer Kalkulation, die die wesentlichen für eine Entscheidung über den Kurtaxesatz erforderlichen Parameter enthält, ist der Beschluss des Gemeinderates ungeachtet dessen unwirksam, dass zwischenzeitlich Kalkulationen des Kurtaxesatzes für die Jahre 2009/10 vorliegen, die den Mindestanforderungen genügen dürften und durch die ein Kurtaxesatz von 1,50 EUR gedeckt wäre. Dies gilt auch nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 S. 1 KAG. Denn die Neufassung des § 2 Abs. 2 KAG hat nicht etwa zur Konsequenz, dass nunmehr die Rechtsprechung einiger anderer Oberverwaltungsgerichte Anwendung findet, wonach eine - von der Willensbildung des Ortsgesetzgebers als gedeckt anzusehende - Kalkulationsgrundlage auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden kann (so etwa OVG Schleswig, Urt. v. 4.10.1995 - 2 L 197/94 -, in Juris; vgl. auch die Nachweise in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 11 Rn. 17). Vielmehr macht der Umstand, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung § 2 Abs. 2 S. 1 KAG, wie bereits erläutert, keine gänzliche Abkehr von der seinerzeitigen VGH-Rechtsprechung bezweckte, sondern lediglich eine sachgerechte Vereinfachung der gerichtlichen Kontrolle herbeiführen wollte, deutlich, dass auch unter der Geltung von § 2 Abs. 2 S. 1 KAG eine nachvollziehbare Kalkulationsgrundlage des Gebühren- oder Beitragssatzes bereits anlässlich der Beschlussfassung durch den Gemeinderat vorgelegen haben muss und ein Nachschieben der Kalkulation nicht möglich ist.
85 
Dies zugrunde gelegt, vermag auch ein förmlicher Gemeinderatsbeschluss wie derjenige der Beklagten vom 7.12.2009, mit dem der Satz der Kurtaxe von 1,50 EUR für das Folgejahr aufgrund einer wohl ordnungsgemäßen Kalkulationsgrundlage beschlossen wurde, der - unwirksamen - Satzung nicht nachträglich Wirksamkeit zu verleihen, wären hierfür doch eine erneute Abstimmung über die Satzung als Ganzes sowie eine Veröffentlichung dieses Beschlusses gemäß den für Satzungen geltenden Vorschriften der Gemeindeordnung erforderlich.
86 
2. Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten sei, ohne dass es hierauf im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblich ankäme, darauf hingewiesen, dass die Kammer im Gegensatz zur Klägerin keine prinzipielle Bedenken gegen die Einführung einer Kurtaxe durch die Beklagte hat; auch dürfte - bei überschlägiger Betrachtung und ohne dass die Kammer diesbezüglich die Details überprüft hätte - ein Kurtaxesatz von 1,50 EUR grundsätzlich nicht zu beanstanden sein.
87 
a) Die Kammer vermag sich zunächst dem Einwand der Klägerin nicht anzuschließen, es habe an einer Ermessensausübung der Beklagten dahingehend gefehlt, ob in R. eine Kurtaxe oder eine Fremdenverkehrsabgabe eingeführt werde, was, wie die Klägerin vorträgt, vor allem im Hinblick auf die besondere Situation durch den E-Park R. erforderlich gewesen wäre.
88 
Zwar enthält § 78 Abs. 2 GemO eine Rangfolge der Deckungsmittel, die grundsätzlich bindend ist. Innerhalb der einzelnen Gruppen - sonstige Einnahmen, spezielle Leistungsentgelte, Steuern, Kreditaufnahmen - gibt es jedoch keine bestimmte, von der Kommune bei der Entscheidung über ihre Finanzierungsmittel zu beachtende Reihenfolge. Nachdem Kurtaxe wie Fremdenverkehrsbeitrag jeweils Abgaben besonderer Art darstellen und insoweit jeweils der zweiten Gruppe an Deckungsmitteln zuzuordnen sind, besteht zwischen diesen beiden Finanzierungsinstrumenten keine Rangfolge. Die Gemeinde ist frei in ihrer Entscheidung, ob und zu welchen Anteilen sie von den gesetzlichen Finanzierungsmöglichkeiten Gebrauch machen will (OVG Lüneburg, Urt. v. 13.11.1990 - 9 K 11/89 -, in Juris; Gössl/Reif, KAG BW, § 44 Ziff. 1.4; ähnlich Faiß, KAG BW, § 43 Rn. 7); sofern es überhaupt nachvollziehbare Gründe für die Einführung eines bestimmten Finanzierungsmittels gibt, ist nicht entscheidend, ob für die Einführung etwa einer anderen Abgabe mindestens ebenso gute Gründe gesprochen hätten. Selbst wenn man diesbezüglich fordern wollte, dass sich die Gemeinde sich dessen bewusst sein müsse, dass es hinsichtlich ihrer für Erholungszwecke bestehenden Einrichtungen und Veranstaltungen möglicherweise unterschiedliche Finanzierungsinstrumente gibt, und wenn man diesbezüglich, wie es die Klägerin tut, weiter fordern wollte, die Gemeinde müsse eine (bewusste) Ermessensentscheidung für das eine oder andere Instrument treffen, ist die vorliegende Satzung nicht zu beanstanden. Denn wie sich aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen ergibt, war die Frage, ob in R. ein Kurbeitrag oder ein Fremdenverkehrsbeitrag eingeführt werden sollte und welche Vor- bzw. Nachteile mit dem jeweiligen Beitrag verbunden wären, Gegenstand eines Vortrags vor dem Gemeinderat; die Annahme, dass über diese Fragestellung anschließend auch im Gemeinderat diskutiert wurde, ist mehr als lebensnah. Die Entscheidung des Gemeinderats, aufgrund der positiven Effekte des E-Parks auch für die Übernachtungsbetriebe in R. eine Kurtaxe einzuführen, überschreitet den im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie bestehenden weiten Ermessensspielraum der Beklagten im Hinblick auf die Frage, welche Personenkreise sie zur Finanzierung ihrer tourismusbezogenen Aufwendungen heranzieht, nicht.
89 
b) Auch mit ihrem Einwand, es fehle in der Gemeinde an kurtaxefähigen Einrichtungen, hat die Klägerin keinen Erfolg.
90 
Kurtaxefähig sind nach § 43 KAG solche öffentlichen Einrichtungen, die Kur- und/oder Erholungszwecken gewidmet sind, wobei ausreichend ist, wenn diese Einrichtungen diese Zwecke fördern, also der Erhaltung, Förderung oder Wiederherstellung der körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit dienen; umfasst sind etwa auch Kur- und Wanderwege, unterhaltende Veranstaltungen, Freizeitanlagen oder Spiel- und Sporteinrichtungen (vgl. Gössl/Reiff, KAG BW, § 43 Ziff. 2).
91 
Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass diese Einrichtungen erst nach Einführung der Kurtaxe hergestellt werden; vielmehr sind, wie sich aus dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 S. 1 KAG - „Herstellung und Unterhaltung“ - ergibt, auch die laufenden sächlichen und personellen Mittel, die etwa für Betrieb, Betreuung oder Instandsetzung bereits bestehender Kur- und Erholungseinrichtungen eingesetzt werden, beitragsfähig. Auch müssen die diesbezüglichen Ausgaben nicht, wie die Klägerin offenbar meint, infolge der Einführung der Kurtaxe gestiegen sein; auch etwa in der Vergangenheit schon angefallene, bislang nicht durch Abgaben refinanzierte Personalkosten für eine Tourist-Information sind selbstverständlich, wenn sie weiter anfallen, künftig im Rahmen der gesetzlichen Regelungen in die kurtaxefähigen Aufwendungen einzubeziehen.
92 
Ebenso wenig ist der Kreis kurtaxefähiger Einrichtungen auf solche beschränkt, die ausschließlich für Besucher bestehen; selbst Einrichtungen der allgemeinen Infrastruktur können - anteilig - in die Erhebung der Kurtaxe einbezogen werden, wenn diese Einrichtungen im Hinblick auf die Kur- und Erholungsfunktion errichtet und betrieben bzw. im Hinblick auf die Kurgäste größer errichtet oder mit zusätzlichen Angeboten ausgestattet werden (vgl. Gössl/Reiff, KAG BW, § 43 Ziff. 2).
93 
Vor diesem Hintergrund kann der Kurtaxesatz der Beklagten von 1,50 EUR nach überschlägiger Betrachtung der für die Jahre 2009/10 als Vorbereitung der Gemeinderatssitzung vom 7.12.2009 erstellten Unterlagen nicht beanstandet werden. Selbst wenn der eine oder andere Einwand der Klägerin etwa im Hinblick auf die Nutzbarkeit der Wassertretanlage (mit 1.400 EUR in die Kalkulation Kurtaxe 2010 eingestellt) oder die Funktionsfähigkeit von W-Lan (eingestellt mit 10.000 EUR) zutreffend sein sollte, so ist doch im Hinblick darauf, dass bei einem Kurtaxesatz von 1,50 EUR fast 200.000 EUR der von der Gemeinde als kurtaxefähig veranschlagten Ausgaben ungedeckt bleiben, kein Anhaltspunkt dafür gegeben, der Kurtaxesatz sei auch im Lichte von § 2 Abs. 2 S. 1 KTS rechtswidrig.
94 
Schließlich ist das Argument der Klägerin, die Beklagte sei durch ihr Leitbild für die touristische Entwicklung gebunden und dürfe die Kurtaxe nur für dort vorgesehene Maßnahmen verwenden, nicht nachvollziehbar; dies gilt unabhängig davon, dass sich unter dieses Leitbild unterschiedlichste Ausgaben (vgl. etwa die dort genannten Punkte „Weiterentwicklung des Ortsbildes“, „Förderung für Sporteinrichtungen, Unterhaltungs- und Vergnügungsbetriebe, die der Gästebindung dienen“, „Entwicklung von kulturellen Veranstaltungen“, „Anpassung der räumlichen Erschließungs- und Ordnungsmaßnahmen an die Tourismus- und Verkehrsplanung“ etc.) fassen lassen .
95 
c) Auch der allgemeine Hinweis der Klägerin auf ein Urteil des VG Kassel (v. 9.7.2009 - 6 K 1435/07.KS -), dessen Erwägungen im Hinblick auf die Ungültigkeit der dort inzident überprüften Kurtaxesatzung auch vorliegend zum Tragen kämen, ist nicht zielführend. Denn die dortige Kurtaxesatzung hatte ersichtlich einen anderen Wortlaut, wurde dort doch in § 10 Abs. 7 bestimmt, der Eigenbetriebkönne den Wohnungsgeber zur Einziehung und Ablieferung des Kurbeitrags verpflichten, was das VG Kassel im Hinblick darauf, dass bereits in der Satzung der Kreis der Abgabepflichtigen abschließend genannt sein müsse, für unzulässig erachtete. Welche Relevanz diese Aussagen des VG Kassel für das vorliegende Verfahren haben sollten, erschließt sich der Kammer nicht.
96 
d) Nicht gehört werden kann Klägerin schließlich mit ihrem pauschalen Einwand, der E-Park zahle aufgrund der Ablösevereinbarung deutlich zu wenig Kurtaxe, so dass das Prinzip der Abgabengerechtigkeit zu ihren Lasten verletzt sei.
97 
Zwar ist der Klägerin insoweit Recht zu geben, als die in § 8 KTS vorgesehene Möglichkeit der Ablösung der Kurtaxe, die mit § 43 Abs. Abs. 3 Nr. 4 KAG in Einklang steht, lediglich der Verwaltungsvereinfachung dienen soll und nicht zu einer Minderung der Abgabenschuld führen darf.
98 
In Rahmen einer Feststellungsklage kann die Klägerin sich allerdings bereits dem Grunde nach nicht mit Erfolg auf den behaupteten Verstoß gegen das Prinzip der Abgabengerechtigkeit infolge fehlerhafter Anwendung der Satzung durch die Beklagte berufen. In diesem Zusammenhang kommt es vielmehr alleine darauf an, ob die Kurtaxesatzung selbst rechtmäßig ist. Nachdem die Klägerin weder die in den Kalkulationen für 2009/10 von der Beklagten zugrunde gelegten Übernachtungszahlen im Gemeindegebiet insgesamt (ohne Differenzierung danach, ob die Übernachtungen innerhalb oder außerhalb des E-Parkgeländes erfolgen) in Zweifel zieht noch Anhaltspunkte dafür bestehen, die Beklagte habe in den Kalkulationen für 2009/10 Mindereinnahmen, die aus - unterstellt - zu geringen Kurtaxezahlungen des E-Parks resultieren, als Minus in die nächstjährige Kurtaxekalkulation eingestellt, wäre die Satzung selbst dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Park tatsächlich zu wenig Kurtaxe zahlen sollte. Im Übrigen stellt die Klägerin die Behauptung von bewusst zu niedrig berechneten Kurtaxezahlungen durch den E-Park ohne jeden Beleg auf; insbesondere ihr Argument, die behaupteten Übernachtungszahlen im Park müssten weitaus höhere Kurtaxebeiträge generieren, dürfte im Hinblick auf die Befreiungsregelung in § 4 Abs. 1 a) KTS nicht stichhaltig sein.
99 
Nur der Ergänzung halber sei angemerkt, dass erst recht nicht das von der Klägerin behauptete Vorgehen des Parks , die Kurtaxe bei seinen Zimmerpreisen nicht getrennt auszuweisen (unabhängig davon, ob dies dem Park zum Vorwurf gemacht werden könnte), oder die behauptete fehlende Meldung seiner Übernachtungsgäste die Rechtsunwirksamkeit der Satzung begründen könnte.
III.
100 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Der Klagantrag Ziff. 1, der auf isolierte Feststellung der Unwirksamkeit der Satzung und somit auf ein anderes Klageziel als der Klagantrag Ziff. 2 gerichtet ist, wird mit ¼ gewichtet.
101 
Es besteht kein Grund, die Berufung zuzulassen (vgl. §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 VwGO).

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 47


(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit 1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 de

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

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(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4, Arbeitgeber der Briefdienstleistungsbranche und Mitglieder des am 11. September 2007 gegründeten Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste e.V., und der Kläger zu 2, ein Arbeitgeberverband derselben Branche, wenden sich mit ihren Feststellungsklagen gegen die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 (Bundesanzeiger 2007, Nr. 242, S. 8410). Mit dieser bis zum 30. April 2010 befristeten Verordnung regelt die Beklagte, dass näher bezeichnete Rechtsnormen des Tarifvertrages über Mindestlöhne für den Bereich Briefdienstleistungen, der zwischen dem im August 2007 gegründeten Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossen wurde, auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anwendbar sind, die unter seinen Geltungsbereich fallen. Danach beträgt der Bruttomindestlohn mit Wirkung vom 1. Dezember 2007 für Briefzusteller unabhängig vom zeitlichen und/oder mengenmäßigen Anteil an der Gesamttätigkeit je nach Bundesland 9,00 € bzw. 9,80 € und für die übrigen Arbeitnehmer der Branche 8,00 € bzw. 8,40 €.

2

Am 11. September 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Postdienste e.V., dem die Deutsche Post AG angehört, und die Gewerkschaft ver.di beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Aufnahme der Branche Postdienstleistungen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zugleich die Allgemeinverbindlicherklärung eines an diesem Tag geschlossenen Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne in der Branche Postdienste. Er sollte für alle Betriebe gelten, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an der Gesamttätigkeit des Betriebes. Ein Verfahren nach § 5 TVG wurde nicht betrieben. Das Bundesministerium leitete ein Verfahren zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Arbeitnehmer-Entsendegesetz ein. Im Bundesanzeiger vom 8. November 2007 wurden der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für die Branche Postdienste und der Entwurf einer Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Briefdienstleistungen bekannt gemacht, verbunden mit der Gewährung einer Frist zur schriftlichen Stellungnahme von drei Wochen. Im gleichzeitig durchgeführten Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes war insbesondere die Reichweite des einzubeziehenden Bereichs umstritten.

3

Nach einer Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 durch Protokollnotizen Anfang November 2007 hoben die Tarifvertragsparteien ihren Tarifvertrag am 29. November 2007 unter Ausschluss von Nachwirkungen auf und schlossen am selben Tag den nunmehr von der Verordnung erfassten Tarifvertrag. Zugleich beantragten sie beim Bundesminister für Arbeit und Soziales die Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages. Den daraufhin angepassten Verordnungsentwurf leitete das Bundesministerium nur denjenigen, die sich auf die Bekanntmachung vom 8. November 2007 geäußert hatten, mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. Dezember 2007 zu. Eine neue Bekanntmachung hielt es für unnötig.

4

Die beigeladene, im Oktober 2007 gegründete Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste schloss am 11. Dezember 2007 mit dem Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. einen Tarifvertrag für das Bundesgebiet. Er betrifft Unternehmen, die Mehrwertbriefdienstleistungen anbieten, die von der Universaldienstleistung trennbar sind, besondere Leistungsmerkmale aufweisen und qualitativ höherwertig sind. Nach § 3 des Tarifvertrages beträgt der Bruttomindestlohn für Mehrwertbriefdienstleistungen mit Wirkung vom 1. Januar 2008 je nach Bundesland 6,50 € oder 7,50 €. Weiter schloss die Beigeladene am 12. Dezember 2007 mit dem Kläger zu 2 einen Tarifvertrag für alle tarifgebundenen Betriebe, die als wesentliche betriebliche Tätigkeit näher definierte Postdienstleistungen, insbesondere die gewerbsmäßige Beförderung von adressierten schriftlichen Mitteilungen bis zu 2 kg zwischen Absender und Empfänger, erbringen. Er gilt deutschlandweit. Der ab dem 1. Januar 2008 vereinbarte Bruttomindestlohn liegt ebenfalls unter den in der streitigen Verordnung bestimmten Beträgen.

5

Am 14. Dezember 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. und die Beigeladene beim Bundesministerium den von ihnen geschlossenen Tarifvertrag zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Mehrwertbriefdienstleistungen vom 11. Dezember 2007 für allgemeinverbindlich zu erklären.

6

Am 14. Dezember 2007 beschloss der Bundestag das am 28. Dezember 2007 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Dessen Art. 1 fügte in § 1 Abs. 1 Satz 4 dieses Gesetzes die Wörter "und für Tarifverträge für Briefdienstleistungen, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend gewerbs- und geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördert" ein.

7

Am 19. Dezember 2007 stimmte die Bundesregierung unter der Bedingung des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes dem Erlass der streitigen Verordnung zu.

8

Am 28. Dezember 2007 unterzeichnete der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Verordnung, die am Tag darauf im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde.

9

Im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht machten die Kläger u.a. geltend, die Verordnung verletze ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sei formell rechtswidrig, weil die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der seinerzeit geltenden Fassung - AEntG a.F. - gebotene Beteiligung der Betroffenen fehlerhaft verlaufen sei. Die Verordnung sei außerdem materiell rechtswidrig. Sie sei nicht von ihrer Ermächtigungsgrundlage gedeckt, die nur eine Erstreckung eines Tarifvertrages auf nicht anderweitig Tarifgebundene ermögliche und eine Entsendeproblematik voraussetze. Der Verordnungsgeber missbrauche seine Verordnungsmacht zu wettbewerblichen Zwecken.

10

Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag der Kläger festgestellt, die Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen verletze den Kläger zu 2 in seinem Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie die übrigen Klägerinnen in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG.

11

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Klagen seien bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Es fehle an einem konkreten Rechtsverhältnis. Der Kläger zu 2 sei als Arbeitgeberverband nicht einmal Normadressat der Verordnung. Diese begründe zwar für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unmittelbar Pflichten, aber nicht für die Beklagte. Die Rechtsverordnung sei überdies rechtmäßig. Insbesondere sei sie von der Ermächtigung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz gedeckt. Die darin verwendete Formulierung, es könne bestimmt werden, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrages auf "nicht tarifgebundene" Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung fänden, sei bei einem weiten Verständnis, wonach auch anderweitig tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer von der Rechtsverordnung erfasst würden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieses Verständnis habe die Beklagte bisher allen Mindestlohnverordnungen zugrunde gelegt.

12

Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsverfahren das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgewiesen. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten - hinsichtlich des Klägers zu 2 - zurückgewiesen. Hinsichtlich der Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien die Sachurteilsvoraussetzungen einer Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO nicht erfüllt. Zwar seien die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 kraft Verordnung unmittelbar verpflichtet, ihren Arbeitnehmern den im Tarifvertrag vom 29. November 2007 bestimmten Mindestlohn zu gewähren. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten begründe dies jedoch kein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Der Zulässigkeit stehe zudem die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) entgegen, die rechtswegübergreifend zu verstehen sei. Die Rechtmäßigkeit der Verordnung könne inzident im arbeitsgerichtlichen Verfahren geklärt werden. Die Feststellungsklage des Klägers zu 2 sei dagegen zulässig. Zwar begründe die Rechtsverordnung für ihn keine unmittelbaren Pflichten. Sie betreffe ihn aber in seinen satzungsmäßigen Aufgaben als Arbeitgeberverband, zu denen auch der Abschluss von Tarifverträgen gehöre. Dem Kläger zu 2 werde durch die Rechtsverordnung die Möglichkeit genommen, im Geltungsbereich des Tarifvertrages für seine Mitglieder abweichende Tarifverträge abzuschließen. Damit werde der Kläger zu 2 in seiner grundrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit als Arbeitgeberkoalition eingeschränkt. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG schütze auch die Koalition selbst in ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Die Klage des Klägers zu 2 sei auch begründet. Der Erlass der Verordnung verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Überdies verstoße die Verordnung gegen den Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 80 Abs. 1 GG, weil die in der Verordnung zitierte gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG es nur zulasse, dass alle unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden und nicht bereits anderweitig tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von deren Geltungserstreckung erfasst würden. Die Verordnung greife auch deshalb unzulässig in verfassungsmäßige Rechte des Klägers zu 2 ein, weil die Beklagte bei ihrem Erlass die in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG geregelten Beteiligungsrechte missachtet haben. Die Anfang November eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme durch die erfolgte Veröffentlichung im Bundesanzeiger habe den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Die Aufhebung des alten und der Abschluss eines neuen Tarifvertrages hätten die Einleitung eines neuen Verfahrens mit erneuter Beteiligung erforderlich gemacht.

13

Gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts haben die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

14

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 rügen, dass das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht von der Unzulässigkeit ihrer Klage ausgegangen sei. In Übereinstimmung mit dem Kläger zu 2 machen sie geltend, die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechtspositionen.

15

Die Klägerin zu 1 beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufzuheben, soweit es die Klage der Klägerin und Berufungsbeklagten zu 1 abgewiesen hat, und die Berufung der Beklagten auch insoweit zurückzuweisen.

16

Die Klägerinnen zu 3 und 4 beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

17

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 abzuändern, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und die Klage des Klägers zu 2 abzuweisen und die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zurückzuweisen.

18

Der Kläger zu 2 beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

19

Die Beklagte hält die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 für unzulässig und die Klage des Klägers zu 2 für unbegründet. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten bestehe kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, weil die streitige Verordnung vom 28. Dezember 2007 die Rechtsbeziehungen zwischen Normgeber und Normadressaten nicht unmittelbar gestalte. Dessen ungeachtet sei eine Feststellungsklage auch subsidiär. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 hätten die Möglichkeit, die Verordnung vom 28. Dezember 2007 in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht oder, soweit Überwachungs- und Sanktionsmaßnahmen in Betracht kämen, vor dem Finanzgericht inzident überprüfen zu lassen.

20

Die Klage des Klägers zu 2 sei unbegründet. Die Verordnung vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtmäßig, insbesondere sei die Einholung einer erneuten Stellungnahme der von der Verordnung betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 nicht mehr erforderlich gewesen.

Entscheidungsgründe

21

Die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben Erfolg. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung von § 43 VwGO, in dem es zu Unrecht annimmt, die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien mangels eines feststellbaren Rechtsverhältnisses zwischen Normgeber und Normadressat und wegen der Subsidiarität der Feststellungsklagen unzulässig (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Die Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Deshalb führen die Revisionen insoweit zur Aufhebung des Urteils (1.). Die Revision der Beklagten erweist sich nicht als begründet. Das Oberverwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellungsklage des Klägers zu 2 zulässig ist (2.). Auch seine Annahme, der Kläger zu 2 sei wegen Missachtung des in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens in seinen Rechten verletzt, ist frei von Rechtsfehlern. Die Missachtung des Beteiligungsverfahrens verletzt in gleicher Weise auch die Rechte der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 (3.).

22

1. Die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 sind zulässig.

23

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

24

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (Urteile vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <329 f.> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30 S. 87 f., vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264> = Buchholz 454.9 MietpreisR Nr. 15 S. 2 f. und vom 20. November 2003 - BVerwG 3 C 44.02 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 37). Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss "in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig" sein (Urteile vom 13. Oktober 1971 - BVerwG 6 C 57.66 - BVerwGE 38, 346 m.w.N. = Buchholz 232 § 123 BBG Nr. 8 und vom 30. Mai 1985 - BVerwG 3 C 53.84 - BVerwGE 71, 318 = Buchholz 418.32 AMG Nr. 13; Beschluss vom 12. November 1987 - BVerwG 3 B 20.87 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 97). Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (Urteil vom 23. Januar 1992 a.a.O. S. 330 bzw. S. 88). Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Darauf beschränkt sich das Klagebegehren bei sinngemäßer Auslegung nach § 88 VwGO jedoch nicht.

25

aa) Der Antrag der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 festzustellen, dass die Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt, richtet sich nicht auf die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Norm, so dass § 47 VwGO gegenüber dem Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keine Sperrwirkung entfaltet. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt (Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355 <363> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 238). Von einer "Umgehung" des § 47 VwGO kann nur dann die Rede sein, wenn mit einem auf eine andere Klageart gestützten Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm oder einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines ungewissen künftigen Sachverhalts erreicht werden soll; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen theoretisch zu lösen (Urteil vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 78). Anders liegt es dagegen, wenn - wie vorliegend - die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm als - wenn auch streitentscheidende - Vorfrage aufgeworfen wird (Urteile vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - a.a.O. und vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <278> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1; so auch BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 541/02 u.a. - BVerfGE 115, 81 <95 f.>). Mit dem Feststellungsbegehren werden subjektive Rechtspositionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 geltend gemacht, um Einschränkungen der tarifautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes abzuwehren.

26

bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts besteht zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten ein feststellungsfähiges konkretes streitiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Es ergibt sich aus der Anwendung der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 3a AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3140) und der den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 verbürgten Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG. Streitig ist, ob der zuständige Minister der Beklagten formell- und materiellrechtlich gegenüber den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 befugt war, auf der Grundlage des § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (a.F.) die streitige Rechtsverordnung zu erlassen, und ob die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nach wie vor berechtigt sind, ihre Arbeitnehmer zu niedrigeren Löhnen zu beschäftigen, als es den im Verordnungsweg erstreckten Mindestlohnregelungen entspricht. Das Vorbringen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, wegen eingegangener anderweitiger Tarifbindung würden sie von der Erstreckungsregelung in der Rechtsverordnung nicht erfasst, lässt sich als ein Geltendmachen des "Nichtbestehens" eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO deuten.

27

Ein im Verhältnis zur Beklagten feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil das Recht der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, die Zahlung des Mindestlohns zu verweigern, nicht gegenüber der Beklagten, sondern nur gegenüber ihren Arbeitnehmern bestünde. Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und ihren Arbeitnehmern schließt das gleichzeitige Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten als Verordnungsgeberin nicht aus. Beide Rechtsverhältnisse sind von einander abzugrenzen, weil sie auf der Anwendung unterschiedlicher Rechtsnormen beruhen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zu ihren Arbeitnehmern richtet sich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen des Privatrechts sowie - bei wirksamer Erstreckung - der tariflichen Mindestlohnvereinbarung. Das streitige Rechtsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten beurteilt sich hingegen nach § 1 Abs. 3a Satz 1 und 2 AEntG a.F. und den Grundrechtspositionen, in deren Schutzbereich die tarif- oder privatautonome Vereinbarung von Arbeitsentgelten fällt. Wegen des von den Klägerinnen zu 3 und 4 zwischenzeitlich abgeschlossenen Mantel-/Haustarifvertrages vom 23. April 2008 und der Bindung der Klägerin zu 1, die Mitglied im Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste ist, an den Tarifvertrag vom 11. Dezember 2007 kommt eine Verletzung ihrer positiven, ihnen als Arbeitgebern zustehenden Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG in Betracht. Jedenfalls ist ihre Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berührt, weil die Erstreckung von Mindestlohntarifregelungen das Recht des Arbeitgebers einschränkt, die Arbeitsbedingungen privatautonom zu gestalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Dezember 2004 - 1 BvR 2283/03, 2504/03 und 2582/03 - NZA 2005, 153 <155>).

28

cc) Die Annahme eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses scheitert vorliegend auch nicht daran, dass eine Feststellungsklage des Normadressaten unmittelbar gegen den Normgeber im Regelfall ausscheidet. Da nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist und Art. 83 GG ebenso grundsätzlich bestimmt, dass die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, d.h. sie verwaltungsmäßig umsetzen, eröffnet sich im Regelfall ein Rechtsverhältnis zwischen Normadressaten und Normanwender, nicht hingegen zwischen Normadressaten und Normgeber, weil Letzterer an der Umsetzung der Norm gegenüber dem Adressaten nicht beteiligt ist (Urteil vom 23. August 2007 - BVerwG 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 <204> = Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 5). Das schließt jedoch nicht aus, über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinaus - wenn etwa das Recht des Betroffenen auf Gleichbehandlung den Erlass oder die Änderung einer Rechtsnorm gebietet (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 4. Juli 2002 - BVerwG 2 C 13.01 - Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2 und vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93) - eine Feststellungsklage gegen den Normgeber auch für zulässig zu halten, wenn mangels administrativen Vollzugs kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Normanwender und Normadressat begründet, die Rechtsbeeinträchtigung bereits unmittelbar durch die Norm bewirkt wird und effektiver Rechtsschutz nur im Rechtsverhältnis zwischen Normgeber und Normadressat gewährt werden kann.

29

Dass eine Norm "self-excuting" ist, d.h. dass sich aus ihr unmittelbar Rechte und Pflichten ergeben, begründet jedoch noch kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Normgeber, soweit dort noch Verwaltungsvollzug möglich ist (vgl. Urteil vom 23. August 2007 a.a.O. S. 205). Auch bei solchen Normen können sich normbetroffene Personen und eine die Norm vollziehende Behörde gegenüberstehen, die die Regelungen konkretisiert oder individualisiert und Anordnungen für den Einzelfall aufgrund gesetzlicher Befugnisse trifft. In solchen Fällen muss die Feststellung eines konkreten streitigen Rechtsverhältnisses zwischen Normadressat und Normanwender geklärt werden und nicht eine Rechtsbeziehung zum Normgeber.

30

Eine Feststellungsklage gegen den Normgeber kommt mithin nur dann in Betracht, wenn die Rechtsverordnung unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist (vgl. etwa Urteil vom 1. März 1967 - BVerwG 4 C 74.66 - BVerwGE 26, 251 <253> = Buchholz 445.4 § 23 WHG Nr. 2; Beschluss vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 7 VR 1.02 - Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 2; Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <279> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1, vom 26. November 2003 - BVerwG 9 C 6.02 - BVerwGE 119, 245 <249> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 2 und vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <155 f.> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3). Das ist hier der Fall. Aus der Erstreckung tarifvertraglicher Regelungen durch § 1 BriefArbbV ergeben sich unmittelbar Pflichten der von ihrem Anwendungsbereich erfassten Arbeitgeber. Eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Maßnahmen des Verwaltungsvollzugs ist nicht vorgesehen.

31

Nach dem Wortlaut des § 1 BriefArbbV führt die Erstreckung der Rechtsnormen des zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrages vom 29. November 2007 dazu, dass dessen Regelungen auf alle nicht bereits an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzuwenden sind. Sie gelten damit kraft Tariferstreckung durch Rechtsverordnung, indem sie die betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den persönlichen Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages einbeziehen. Die Betroffenen unterliegen damit der Bindung an die Regelungen des Tarifvertrages ebenso wie die Tarifvertragsparteien. Nach § 4 Abs. 1 TVG verdrängen tarifvertragliche Regelungen in ihrem Geltungsbereich grundsätzlich entgegenstehende arbeitsvertragliche Abreden, ohne dass es dazu einer Umsetzung oder anderer Maßnahmen bedarf (Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl. 2004, § 4 Rn. 21). Bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs tarifvertraglicher Regelungen nach § 1 Abs. 3a AEntG tritt die unmittelbare Gestaltungswirkung jedenfalls bei Arbeitsverhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein, die bisher keiner Tarifbindung unterlagen. Auch bei Arbeitsverhältnissen, auf die unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen Anwendung finden können, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass die Rechtsverordnung eine Verpflichtung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Zahlung des Mindestlohns begründet. Auch die Beklagte geht davon aus, dass durch die unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung eine anderweitige Tarifbindung verdrängt wird.

32

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Fälle der Tarifkonkurrenz, d.h. der Bindung beider Arbeitsvertragsparteien an konkurrierende Tarifverträge, grundsätzlich nach den Regeln der sog. Tarifspezialität zu lösen. Zur Anwendung kommt der speziellere Tarifvertrag, der dem betreffenden Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am nächsten steht. Das gilt auch bei einer Tarifkonkurrenz zwischen einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag nach § 5 TVG und einem nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag und für die Fälle der Tarifpluralität, also der Bindung eines Arbeitgebers an mehrere Tarifverträge (BAG, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 10 AZR 113/02 - AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; a.A. LAG Frankfurt/Main, Urteil vom 14. Juli 2003 - 16 Sa 530/02 - DB 2004, 1786). Der Vorrang des spezielleren Tarifvertrages gilt allerdings dann nicht, wenn der speziellere Tarifvertrag ohne Tarifbindung des Arbeitgebers lediglich einzelvertraglich vereinbart worden ist (BAG, Urteile vom 22. September 1993 - 10 AZR 207/92 - AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz und vom 4. Dezember 2002 a.a.O.).

33

Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 und 3 AEntG a.F. werden Tarifkonkurrenzen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch nach dem Günstigkeitsprinzip gelöst. Die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung verdrängt die ungünstigere, unabhängig davon, ob der betreffende Tarifvertrag aufgrund vertraglicher Bindung nach § 3 TVG oder aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung anzuwenden ist (BAG, Urteile vom 20. Juli 2004 - 9 ARZ 343/03 - BAGE 111, 247 und vom 18. Oktober 2006 - 10 AZR 576/05 - BAGE 120, 1). Wird die Tarifkonkurrenz auch bei einer Erstreckung tariflicher Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung nach dem Günstigkeitsprinzip aufgelöst, ergibt sich für alle Arbeitgeber, die nicht bereits aufgrund anderweitiger Tarifbindung zur Zahlung des Mindestlohnes verpflichtet sind, diese Pflicht aus der unmittelbaren Einbeziehung in den Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages.

34

Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sieht wegen der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der durch die Rechtsverordnung erstreckten Tarifnormen keine Umsetzungs- bzw. Vollzugsakte vor, sondern beschränkt sich darauf, Verstöße mit Sanktionen zu bewehren (vgl. § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 4 AEntG a.F. i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 OWiG zur Zuständigkeit der Bundesbehörden; § 5 Abs. 1 und 2 AEntG a.F.). Eine Verfolgung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit ist jedoch nicht geeignet, zwischen den Klägerinnen und der Beklagten ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zu begründen. Ein solches Rechtsverhältnis besteht ausschließlich zur Beklagten als Normgeberin, die die Pflichtenregelung durch die Bekanntgabe im Bundesanzeiger ausgelöst hat und die sie wieder aufheben könnte (Beschluss vom 19. Dezember 2002 a.a.O.).

35

Diese Annahme steht nicht im Widerspruch zur nicht entscheidungstragenden Erwägung im Urteil des 7. Senats vom 23. August 2007 (a.a.O.), dass es über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinausgehend keiner weiteren "atypischen Feststellungsklagen" gegen den Normgeber bedürfe. Diese Formulierung ist nicht dahingehend zu verstehen, dass ein konkretes Rechtsverhältnis zum Normgeber in allen anderen Fällen begrifflich ausgeschlossen wäre, sondern erklärt sich daraus, dass regelmäßig, wie im seinerzeit zu entscheidenden Fall, die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Norm im Rahmen der gegen die Vollzugsbehörde gerichteten Feststellungsklage als inzident zu prüfende Vorfrage geklärt werden kann. So wurde damals die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gegen den Normgeber mit Blick auf die Befugnis in § 21 KrW-/AbfG zum Vollzug der Verpackungsverordnung verneint. Mit der Frage, ob bei Fehlen des Verwaltungsvollzugs eine Feststellungsklage gegen den Normgeber in Betracht kommt, setzt sich die Entscheidung des 7. Senats nicht auseinander.

36

Für die Annahme eines streitigen Rechtsverhältnisses genügt es, dass die Möglichkeit der Verdrängung einer anderweitigen Tarifbindung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 durch eine unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung besteht, deren Beachtung von der Beklagten eingefordert wird. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Feststellungsklage muss weder abschließend geklärt werden, ob bei einer Tariferstreckung nach § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG a.F. das Günstigkeitsprinzip anzuwenden ist, noch, ob sich die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unter Hinweis auf den Grundsatz der Spezialität auf einen betriebsnäheren Tarifvertrag berufen können, der ihre Verpflichtung zur Zahlung eines erstreckten Mindestlohnes entfallen lässt. Fragen zur Wirksamkeit der von den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgeschlossenen Tarifverträge sind daher ebenfalls unerheblich.

37

b) Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben auch ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung. Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art ein. Unabhängig von den Sanktionen, die den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 drohen, falls sie den festgesetzten Bruttomindestlohn ihren Arbeitnehmern nicht bezahlen, ergibt sich ein wirtschaftliches Interesse der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 schon daraus, dass sie wegen der finanziellen Belastung möglichst frühzeitig wissen wollen, ob sie verpflichtet sind, den festgesetzten Bruttomindestlohn zu zahlen. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 können daneben auch geltend machen, dass sie durch die Erstreckungswirkung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und/oder von Art. 9 Abs. 3 GG ist jedenfalls möglich.

38

c) Zu Unrecht hat das Oberverwaltungsgericht eine Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO bejaht und angenommen, eine mögliche Klärung des Rechtsstreits sei in einem arbeitsgerichtlichen Prozess aus prozessökonomischen Gründen vorrangig.

39

Wegen des fehlenden Verwaltungsvollzugs können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keinen Rechtsschutz durch eine verwaltungsgerichtliche Gestaltungsklage im Wege der Anfechtung erlangen. Auch eine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage scheidet aus.

40

Eine Subsidiarität gegenüber Rechtsbehelfen zu den Arbeits- oder Finanzgerichten ist nicht gegeben. Ebenso wenig können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 darauf verwiesen werden, vorrangig in einem Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz eine Klärung der aufgeworfenen Fragen herbeizuführen. Das Berufungsgericht wird im angegriffenen Urteil der Zielsetzung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht gerecht. Diese Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (Urteil vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93). Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 3 C 8.95 - Buchholz 418.61 Tierkörperbeseitigungsgesetz Nr. 12). Wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtswege gilt diese Zielsetzung "rechtswegübergreifend", d.h. etwa auch dann, wenn die mit der Feststellungsklage konkurrierende Klage vor dem Zivilgericht zu erheben ist (Urteile vom 18. Oktober 1985 - BVerwG 4 C 21.80 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 28 = BVerwGE 72, 172 und vom 12. Juli 2000 - BVerwG 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 <308 f.> = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133). Eine Subsidiarität ist jedoch zu verneinen, wenn die Feststellungsklage - wie hier - effektiveren Rechtsschutz bietet (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <156> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3).

41

Die Feststellungsklage ist nicht subsidiär gegenüber der Möglichkeit, sich gegen Leistungsklagen der Arbeitnehmer auf Lohnzahlung vor den Arbeitsgerichten zu wehren und in diesen Verfahren eine inzidente Kontrolle der BriefArbbV herbeizuführen. Zum einen legt der Wortlaut des § 43 Abs. 2 VwGO nahe, dass die Subsidiarität die Möglichkeit anderweitiger aktiver Geltendmachung eigener Rechte, und nicht nur eine Verteidigungsmöglichkeit oder eine mögliche Beteiligung als Dritter voraussetzt. Im Übrigen würde die Stellung als Beklagte im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nicht davor schützen, von der zuständigen Behörde vor Ergehen eines rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts über die Lohnklage mit Sanktionen wegen der Nichtgewährung des Mindestlohns belangt zu werden.

42

Es ist für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 auch nicht zumutbar, über ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eine gerichtliche Klärung zu erreichen (Urteil vom 13. Januar 1969 - BVerwG 1 C 86.64 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 31 = BVerwGE 31, 177). § 5 Abs. 3 AEntG a.F. erlaubt eine Ahndung mit bis zu 500 000 €. Dass die Beklagte ihre Behörden angewiesen hat, während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Sanktionen zu verhängen und sich auf Ermittlungen zu beschränken, bedeutet keinen Verzicht, sondern nur einen zeitlichen Aufschub. Da die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 Klarheit haben wollen, ob sie verpflichtet sind, allen bei ihnen beschäftigten Mitarbeitern den Bruttomindestlohn zu zahlen, geht es ihnen auch nicht lediglich darum, vorbeugenden Rechtsschutz gegenüber etwaigen späteren Bußgeldverfahren zu erlangen (Urteile vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207 <213> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 16 und vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <331> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30).

43

Soweit nach § 23 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. April 2009 (BGBl I S. 818), der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet ist, handelt es sich um Rechtsbehelfe gegen Prüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen sowie gegen datenschutzrechtlich relevantes Handeln der Finanzbehörden im Zuge der Verfolgung von Verstößen gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Unterlassungsklagen dagegen stellen keinen effektiven Rechtsschutz hinsichtlich der Klärung der geltend gemachten Rechtsverletzungen durch die Verordnung dar, der einer Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO vorgeht.

44

2. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage des Klägers zu 2 im Ergebnis zu Recht bejaht.

45

a) Auch zwischen dem Kläger zu 2 und der Beklagten besteht ein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Gegenstand des Streits zwischen diesen Beteiligten ist die Anwendung des § 1 Abs. 3a AEntG und der darauf gestützten BriefArbbV auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Betätigung des Klägers zu 2 als Arbeitgeberverband (Koalition). Streitig ist, ob § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG zur Tariferstreckung gegenüber anderweitig tarifgebundenen Arbeitgebern ermächtigt mit der Folge, dass vom Kläger zu 2 wirksam abgeschlossene oder noch abzuschließende Tarifverträge bei Anwendung des Günstigkeitsprinzips verdrängt würden, und ob dem Kläger zu 2 wegen eines mittelbaren Eingriffs in sein Recht auf koalitionsgemäße Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG ein Abwehrrecht gegen die Geltungserstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen nach § 1 BriefArbbV zusteht, obwohl die Verordnung nur für seine Mitglieder, und nicht für ihn selbst unmittelbar Rechte und Pflichten begründet.

46

Für das Vorliegen eines im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO streitigen konkreten Rechtsverhältnisses ist es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht erforderlich, abschließend zu klären, ob die zwischen den Beteiligten streitige Befugnis zum Erlass der Verordnung und das geltend gemachte Abwehrrecht tatsächlich bestehen.

47

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zwischen ihr und dem Kläger zu 2 weder voraus, dass die umstrittene Verordnung den Arbeitgeberverband unmittelbar verpflichtet, noch, dass sie ihm den Abschluss den Mindestlohn unterschreitender Tarifverträge verbietet. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit kann auch mittelbaren Beeinträchtigungen der koalitionsgemäßen Betätigung entgegengehalten werden.

48

Art. 9 Abs. 3 GG schützt die Koalition selbst in ihrem Bestand, in ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen (BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 u.a. - BVerfGE 50, 290 <373 f.>; Beschlüsse vom 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212 <224>, vom 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93, 1 BvR 897/95 - BVerfGE 100, 271 <282> und vom 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293 <304>). Der Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigungen beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (Beschluss vom 27. April 1999 a.a.O. m.w.N.) und umfasst insbesondere auch die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht. Das Aushandeln von Tarifverträgen ist ein wesentlicher Zweck der Koalitionen (BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 268 <283> m.w.N.). Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (BVerfG, Beschlüsse vom 24. April 1996 a.a.O., vom 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - BVerfGE 93, 353 <358> und vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - NJW 2007, 51 <53>). Die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben für geeignet halten, bleiben unter dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen überlassen (BVerfG, Beschluss vom 28. April 1976 - 1 BvR 71/73 - BVerfGE 42, 133 <138>; Urteil vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 u.a. - BVerfGE 92, 365 <393>). Allerdings schützt Art. 9 Abs. 3 GG einen Arbeitgeberverband nicht gegen ein tarifpolitisches Konkurrenzverhältnis, selbst wenn dieses den Verlust von Verbandsmitgliedern zur Folge haben kann (Beschlüsse vom 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322 <352> m.w.N. und vom 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 - BVerfGE 55, 7 <24>). Die Koalitionsfreiheit schützt aber vor staatlicher Einflussnahme auf das Konkurrenzverhältnis.

49

Solche für den Kläger zu 2 als Arbeitgeberverband nachteiligen mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit ergeben sich bei Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips aus der Verdrängungswirkung der erstreckten tariflichen Mindestlohnvereinbarung gegenüber den Mindestlohn unterbietenden, bereits abgeschlossenen oder noch abzuschließenden Tarifverträgen im selben Geltungsbereich. Auf die Frage, ob der vom Kläger zu 2 bereits abgeschlossene Tarifvertrag wirksam ist, und auf die in diesem Zusammenhang erhobenen, arbeitsgerichtlich noch nicht rechtskräftig geklärten Bedenken gegen die Tariffähigkeit und Gegnerfreiheit der Beigeladenen kommt es für die Geltendmachung einer mittelbaren Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit nicht an. Auch wenn die Verdrängungswirkung sich noch nicht aktualisiert haben sollte, verschlechtert sie bereits jetzt die Verhandlungsposition der Arbeitgeberverbände, die nicht am Abschluss des erstreckten Tarifvertrages beteiligt waren. Die Erstreckung der Geltung tariflich vereinbarter Mindestarbeitsbedingungen auf anderweitig Tarifgebundene beeinträchtigt die Verhandlungs- und Wettbewerbsposition der nicht am Tarifvertragsschluss beteiligten Koalitionen jedenfalls insoweit, als sie mit einer Verdrängung ihrer - auch künftigen - Tarifabreden rechnen müssen. Aufgrund der durch die Rechtsverordnung erfolgten Erstreckung des Tarifvertrages vom 29. November 2007 kann der Kläger zu 2 seine durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten tarif- und sozialpolitischen Zielvorstellungen beim angestrebten Abschluss anderweitiger Tarifverträge mit von der Allgemeinverbindlicherklärung abweichendem Inhalt nur noch im beschränkten Maße verwirklichen. Seine koalitionsspezifische Verhandlungsposition wird durch den Erlass der Rechtsverordnung damit beeinträchtigt. Für ihn verschlechtern sich die Möglichkeiten, unbehindert von den Rechtswirkungen der Tariferstreckung mit Arbeitnehmerkoalitionen Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, die seinen tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und denjenigen seiner Mitgliedsunternehmen entsprechen.

50

Die Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit kann im Einzelfall durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein, ist aber jedenfalls rechtfertigungsbedürftig. Das reicht für das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO aus.

51

Dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2000 - 1 BvR 948/00 - (GewArch 2000, 381 f.) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Denn weder er selbst noch die darin in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verhalten sich zur Frage, ob in einer Erstreckung tarifvertraglicher Normen auf einen Arbeitgeberverband eine rechtfertigungsbedürftige mittelbare Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit liegen kann.

52

b) Das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse des Klägers zu 2 an der baldigen Feststellung liegt vor. Der Kläger zu 2 ist mittelbar eingeschränkt, seine tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele zu verfolgen und entsprechend diesen Zielvorstellungen für seine Mitgliedsunternehmen von dem durch Rechtsverordnung erstreckten Tarifvertrag abweichende Arbeitsbedingungen auszuhandeln und abzuschließen. Er hat ein geschütztes wirtschaftliches und ideelles Interesse daran, die Rechtmäßigkeit seiner Einschränkung gerichtlich durch Feststellungsklage überprüfen zu lassen und kann eine mögliche Verletzung seiner Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG geltend machen.

53

c) Die vom Kläger zu 2 erhobene Feststellungsklage ist auch nicht unzulässig, weil sie gegenüber einer Klage vor den Arbeitsgerichten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG) subsidiär wäre. Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem TVG oder über das Bestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Für solche sog. Verbandsklagen ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Dabei handelt es sich um eine "quasi-Normenkontrolle" (Reinecke, in: Däubler, Kommentar zum Tarifvertragsgesetz, 2. Aufl. 2006, § 9 Rn. 3) der Tarifvertragsparteien, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben. Der Kläger zu 2 scheidet als Partei eines Verfahrens nach § 9 TVG gegen den Tarifvertrag vom 29. November 2007 von vornherein aus, weil er an dessen Abschluss nicht beteiligt war.

54

Der Kläger zu 2 kann auch nicht auf den Abschluss eines eigenen Tarifvertrages verwiesen werden, um dann gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG dessen Gültigkeit im Wege der Verbandsklage abklären zu lassen. Mit einer solchen Klage kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages, jedoch nicht geklärt werden, ob ein Tarifvertrag nach den Regelungen der Tarifkonkurrenz oder aus anderen Gründen gegenüber anderen Tarifverträgen zurücktritt (Franzen, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2010, § 9 TVG Rn. 7). Sie könnte den Kläger zu 2 jedenfalls vor den hier in Betracht zu ziehenden mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit, die von der Rechtsverordnung ausgehen, nicht schützen.

55

3. Gegen die selbstständig tragende Annahme des Berufungsgerichts, dass beim Erlass der Rechtsverordnung zur Erstreckung der tariflichen Mindestlohnregelungen das vorgeschriebene Verfahren nicht beachtet worden ist und dass die wegen der Evidenz des Verfahrensfehlers rechtswidrige Verordnung den Kläger zu 2 in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt, ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.

56

a) Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die BriefArbbV den Kläger zu 2 in seinen Rechten verletzt, weil die Beklagte beim Erlass der Rechtsverordnung das gesetzlich in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebene Verfahren missachtet hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem dort geregelten Beteiligungsgebot komme wegen des Fehlens sonstiger materiellrechtlicher Anforderungen an den Erlass der Rechtsverordnung einerseits und der handgreiflichen Betroffenheit der Arbeitgeberseite im grundrechtlich geschützten Bereich andererseits wesentliche Bedeutung für die Abwägung der für und wider den Erlass der Rechtsverordnung streitenden Erwägungen zu, ist nicht zu beanstanden. Der Senat teilt die Auffassung, dass zwischen den normativen Regelungen des Tarifvertrages und dem Beteiligungsrecht ein unmittelbarer Bezug dergestalt besteht, dass sich die Gelegenheit zur Stellungnahme der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die konkrete Tarifvertragsvereinbarung beziehen muss und nicht allgemein auf ein "Projekt", das in einer Branche Mindestarbeitsbedingungen mit dem Instrumentarium des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes festlegen will.

57

b) Gemäß § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor Erlass der Rechtsverordnung den in den Geltungsbereich der vorgesehenen Rechtsverordnung fallenden Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. nicht dahingehend zu interpretieren, dass es ausreicht, den zu Beteiligenden auch in dem Fall Gelegenheit zur Stellungnahme nur zum ursprünglichen Entwurf der Rechtsverordnung zu geben, wenn dieser im weiteren Verlauf des Verfahrens wesentlich in seinem Inhalt verändert wird. Die gegenteilige Annahme der Beklagten lässt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung, noch aus ihrem Sinn und Zweck und ihrer Systematik herleiten.

58

Bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. ergibt sich, dass das Recht zur Stellungnahme auf den konkreten Tarifvertrag bezogen ist, dessen Rechtsnormen durch Rechtsverordnung auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt werden sollen. Zu beteiligen sind nicht nur diejenigen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die unter den Anwendungsbereich der Rechtsverordnung fallen, sondern auch die Parteien des Tarifvertrages, dessen Regelungen erstreckt werden sollen. Damit besteht zwischen den Rechtsnormen des konkreten, zu erstreckenden Tarifvertrages und dem Recht zur Stellungnahme eine unmittelbare Beziehung, die das Oberverwaltungsgericht zutreffend mit "handgreiflicher Betroffenheit" jedenfalls im grundrechtlich geschützten Bereich umschrieben hat. Existiert der ursprüngliche Tarifvertrag nicht mehr und wird ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, so bedarf es grundsätzlich auch eines hierauf bezogenen neuen Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung und einer erneuten Beteiligung im Sinne des Gesetzes.

59

Auch der erkennbare Zweck des Rechts zur Stellungnahme spricht für eine erneute Beteiligung im vorliegenden Fall. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. dient nicht nur der Information des zuständigen Ministeriums, sondern soll den Betroffenen die Möglichkeit einräumen, ihre Rechte geltend zu machen. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gewährt den betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages das Recht zur Stellungnahme, weil sich die Geltungserstreckung eines Tarifvertrages per Rechtsverordnung unmittelbar gestaltend auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse auswirkt. Betroffen sind grundrechtlich geschützte Positionen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da die Freiheit zur privatautonomen Gestaltung der Arbeitsverhältnisse eingeschränkt wird. Die damit einhergehende finanzielle Belastung der Arbeitgeber durch die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns kann je nach Wirtschaftslage und Kostenstruktur eines betroffenen Unternehmens unter Umständen auch zu betriebsbedingten Kündigungen führen und so mittelbar die freie Berufsausübung der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Die Beteiligung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. soll gewährleisten, dass der Verordnungsgeber diese Gesichtspunkte und die Interessen aller Betroffenen in das Verordnungsverfahren einbezieht, um in einem späteren Abwägungsvorgang die widerstreitenden Interessen zu gewichten und zu werten (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 4. Dezember 1998, BTDrucks 14/151 S. 32 f.). Wegen der eingeschränkten Kontrolldichte bei der Prüfung gesetzgeberischer Einschätzungen und Zielsetzungen im Bereich des Arbeits- und Wirtschaftsrechts ist die vom Gesetz eingeräumte Gelegenheit zur Geltendmachung eigener Rechte vor Inkrafttreten der Regelung von besonderer Bedeutung. Da die Verordnung unmittelbare Gestaltungswirkung hat und ein administrativer Vollzug nicht vorgesehen ist, können die Betroffenen auch nicht auf ein Verwaltungsverfahren verwiesen werden, um dort rechtliches Gehör nach Maßgabe der Vorschriften des VwVfG zu erlangen. Ihre rechtlichen Interessen können sie nur im Rahmen der Beteiligung vor Erlass der Verordnung zu Gehör bringen.

60

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Vergleich mit dem Konsultations- und Konsolidierungsverfahren, das von der Bundesnetzagentur im Marktregulierungsverfahren (vgl. §§ 9 f. TKG) durchzuführen ist, zu keinem anderen Ergebnis, weil dieses Verfahren anderen Zwecken dient. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - (BVerwGE 131, 41 <59 f.>) dazu ausgeführt: "Bei der Konsultation geht es nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie um die Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Regulierungsadressaten ..., sondern um die Herstellung umfassender Transparenz gegenüber der interessierten Fachöffentlichkeit." Daher bezieht die Konsultation neben den Antragstellern und den Adressaten gemäß § 12 Abs. 1 TKG auch nur "interessierte" Dritte mit ein, und ist das Konsultationsergebnis nach § 5 TKG zu veröffentlichen.

61

Der von der Beklagten vorgenommene Vergleich mit Anhörungspflichten aus dem Bereich planerischer oder planungsähnlicher Verwaltungsentscheidungen führt zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung. Vielmehr sieht § 73 VwVfG, der das Anhörungsverfahren für den Bereich der Planfeststellung regelt, ebenfalls eine erneute Anhörung für den Fall der Planänderung vor (vgl. § 73 Abs. 8 VwVfG).

62

Auch aus § 28 Abs. 1 VwVfG folgt nicht, dass eine einmalige Anhörung in allen Verwaltungsverfahren auch im Falle nachträglich erfolgter wesentlicher Änderungen des Anhörungsgegenstandes ausreichend ist, um dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs zu genügen. § 28 VwVfG gilt überdies ausschließlich für Verwaltungsverfahren, die in den Erlass eines Verwaltungsakts münden und ist auf die Beteiligung in einem Normerlassverfahren weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. § 1 Abs. 3a AEntG a.F. ist insofern lex specialis.

63

Für die Notwendigkeit einer erneuten Beteiligung vor Erlass der Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a AEntG für den Fall einer wesentlichen Änderung des ursprünglichen Tarifvertrages, dessen Erklärung als allgemeinverbindlich zunächst beantragt worden war, spricht auch die Gesetzessystematik. Mit § 1 Abs. 3a AEntG a.F. sollte im Interesse einer wirksamen Durchführung des Gesetzes die bislang ausschließliche Anknüpfung an allgemeinverbindliche Tarifverträge um eine Ermächtigung zur Tariferstreckung durch Rechtsverordnung ergänzt werden. In Bezug auf die Verbindlichkeit der einzuhaltenden Arbeitsbedingungen sollte sich hieraus kein Unterschied ergeben (BTDrucks 14/45 S. 17, 25, 26). § 5 Abs. 1 und 2 TVG stellt sowohl hinsichtlich der am Verfahren zu Beteiligenden als auch bezüglich der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages höhere Anforderungen als das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Nach § 5 Abs. 1 TVG ist neben dem Antrag einer Tarifvertragspartei und dem Einverständnis des Ausschusses, der aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, für die Allgemeinverbindlicherklärung erforderlich, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 v.H. der unter den Geltungsbereich des zu erstreckenden Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen (Grundsatz der Repräsentativität) und dass die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Ferner sieht § 5 Abs. 2 TVG unter anderem vor, dass vor der Entscheidung über den Antrag den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen würden, sowie den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben ist. Dagegen ist nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. weder ein Ausschuss aus Interessenvertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beteiligen noch ist dessen Einvernehmen vor dem Erlass der Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erforderlich. Auch das Erfordernis des sog. 50 %-Quorums und des öffentlichen Interesses im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG sind dem Wortlaut des § 1 Abs. 3a AEntG a.F. nicht zu entnehmen. Er verlangt für den Erlass einer Rechtsverordnung lediglich einen Antrag einer Tarifvertragspartei auf Allgemeinverbindlicherklärung. Dieser Verzicht auf die Abstimmung mit einem Ausschuss, der mit den jeweiligen Interessenvertretern besetzt ist, und der Verzicht auf inhaltliche Vorgaben für den Erlass einer erstreckenden Rechtsverordnung verleihen dem in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG vorgesehenen Recht auf Stellungnahme - gleichsam als Ausgleich für die Reduzierung der formellen und materiellen Anforderungen - ein besonderes Gewicht. Die Beteiligung Betroffener dient dem Schutz ihrer Rechte (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. November 1994 - 2 BvB 1/93 - BVerfGE 91, 262). Soll das Beteiligungsrecht mit Blick auf die in Rede stehenden Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG nicht "leer" laufen, gebührt ihm im Normerlassverfahren besondere Aufmerksamkeit und Beachtung. Es stellt keinen "unnötigen Formalismus" dar, auf einer erneuten Beteiligung zu bestehen, wenn der Tarifvertrag, zu dem die Betroffenen Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme erhalten haben, durch einen neuen, hinsichtlich des Geltungsbereichs oder der zu erstreckenden Regelungen abweichenden Tarifvertrag ersetzt wird. Dies setzt ein neues Verfahren in Gang.

64

c) Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Mitteilung der Tarifvertragsparteien über den Abschluss eines neuen Tarifvertrages mit Schreiben vom 29. November 2007 ein neuer Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung zu entnehmen ist, der eine erneute Stellungnahme erforderlich machte. Die Formulierung des Schreibens, die Tarifvertragsparteien hielten an ihrem Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 "fest" und beantragen "nunmehr" die Allgemeinverbindlicherklärung "unter Einschluss der am 29. November 2007 erfolgten Änderung", ändert nichts daran, dass der Tarifvertrag vom 11. September 2007 nebst Protokollnotiz vom 9. November 2007 von den Tarifvertragsparteien am 29. November 2007 "unter Ausschluss von Nachwirkungen" aufgehoben und durch den neuen Tarifvertrag vom 29. November 2007 ersetzt wurde (vgl. BA 3 Bl. 389). Dabei handelte es sich nicht lediglich um die "Änderung" eines früheren Tarifvertrages, der in den ursprünglichen Antrag mit einbezogen wurde, sondern um einen neuen Tarifvertrag, der den Antrag vom 11. September 2007 gegenstandslos und einen neuen Antrag mit neuer Beteiligungspflicht erforderlich machte.

65

Die erneute schriftliche Stellungnahme der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie der Tarifvertragsparteien zum neuen Entwurf der Rechtsverordnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich dessen Regelungsinhalt gegenüber dem vorhergehenden Entwurf nicht wesentlich geändert hätte. Ursprünglich sollten vom Tarifvertrag vom 11. September 2007 "alle Betriebe, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an ihrer Gesamttätigkeit des Betriebes" von dessen Geltungsbereich erfasst werden. Demgegenüber sieht der Tarifvertrag vom 29. November 2007 vor: "Der Tarifvertrag gilt für die Branche Briefdienstleistungen. Dies sind alle Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern."

66

Mit der Änderung vom 29. November 2007 sollte sichergestellt werden, dass das "50 %-Quorum" erfüllt ist, das nach Einschätzung der Beklagten ursprünglich für erforderlich gehalten wurde, um eine Erstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen zu rechtfertigen (UA S. 5). Betroffene, die deshalb bei der ersten Anhörung meinen konnten, es genüge auf den aus ihrer Sicht bestehenden Mangel der Repräsentativität hinzuweisen, mussten nunmehr Gelegenheit erhalten, auch zum Inhalt der Rechtsnormen des zu erstreckenden Tarifvertrages Stellung zu beziehen. Der Einwand des Beklagten, der neue Entwurf der Rechtsverordnung bedeute gegenüber dem ursprünglichen Entwurf lediglich ein "Minus" trifft nicht zu, vielmehr hat er qualitativ andere Wirkungen für die Rechtspositionen der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch den geänderten Tarifvertrag ist ein Teil des ursprünglichen Adressatenkreises gänzlich von der Erstreckungswirkung der Rechtsverordnung ausgenommen worden, während Betriebe und selbstständige Betriebsteile, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, vom Geltungsbereich des neuen Tarifvertrages nach wie vor erfasst werden. Darin liegt eine grundrechtsrelevante rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung, die eine (erneute) Beteiligung der Adressaten der neuen Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderlich machte. Die verfassungsrechtliche Relevanz der Einschränkung des Geltungsbereichs ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten bereits aus der ungleichen rechtlichen Behandlung zweier Gruppen von Briefdienstleistern und nicht erst aus den möglichen, durch Marktanalysen zu ermittelnden wirtschaftlichen Folgen der Ungleichbehandlung. Gerade auch zur Frage, ob durch die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrages auf Unternehmen eines bestimmten Zuschnitts eine Veränderung der Wettbewerbssituation eintritt, müssen die unmittelbar Betroffenen nach § 1 Abs. 3a AEntG vorab Stellung nehmen können.

67

d) Die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderliche Stellungnahme zum geänderten Entwurf der Rechtsverordnung wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, gegen die die Revisionen keine Einwendungen erhoben haben (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht ermöglicht. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist unterblieben (vgl. UA S. 5, 38 f.).

68

Das Verordnungserlassverfahren leidet damit an einem Verfahrensmangel, der evident ist (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 1 BvR 337/92 - BVerfGE 91, 148). Das Beteiligungsrecht ist im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der Arbeitgeber und deren Koalitionen so gewichtig und bedeutsam, dass durch seine Nichtbeachtung das Rechtsetzungsverfahren an einem erheblichen Mangel leidet, der die BriefArbbV unwirksam macht.

69

Auf die weiteren Rechtsfragen kommt es nicht an, weil bereits die Verletzung der Beteiligungsrechte zum Erfolg der Klagen führte.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4, Arbeitgeber der Briefdienstleistungsbranche und Mitglieder des am 11. September 2007 gegründeten Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste e.V., und der Kläger zu 2, ein Arbeitgeberverband derselben Branche, wenden sich mit ihren Feststellungsklagen gegen die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 (Bundesanzeiger 2007, Nr. 242, S. 8410). Mit dieser bis zum 30. April 2010 befristeten Verordnung regelt die Beklagte, dass näher bezeichnete Rechtsnormen des Tarifvertrages über Mindestlöhne für den Bereich Briefdienstleistungen, der zwischen dem im August 2007 gegründeten Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossen wurde, auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anwendbar sind, die unter seinen Geltungsbereich fallen. Danach beträgt der Bruttomindestlohn mit Wirkung vom 1. Dezember 2007 für Briefzusteller unabhängig vom zeitlichen und/oder mengenmäßigen Anteil an der Gesamttätigkeit je nach Bundesland 9,00 € bzw. 9,80 € und für die übrigen Arbeitnehmer der Branche 8,00 € bzw. 8,40 €.

2

Am 11. September 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Postdienste e.V., dem die Deutsche Post AG angehört, und die Gewerkschaft ver.di beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Aufnahme der Branche Postdienstleistungen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zugleich die Allgemeinverbindlicherklärung eines an diesem Tag geschlossenen Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne in der Branche Postdienste. Er sollte für alle Betriebe gelten, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an der Gesamttätigkeit des Betriebes. Ein Verfahren nach § 5 TVG wurde nicht betrieben. Das Bundesministerium leitete ein Verfahren zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Arbeitnehmer-Entsendegesetz ein. Im Bundesanzeiger vom 8. November 2007 wurden der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für die Branche Postdienste und der Entwurf einer Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Briefdienstleistungen bekannt gemacht, verbunden mit der Gewährung einer Frist zur schriftlichen Stellungnahme von drei Wochen. Im gleichzeitig durchgeführten Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes war insbesondere die Reichweite des einzubeziehenden Bereichs umstritten.

3

Nach einer Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 durch Protokollnotizen Anfang November 2007 hoben die Tarifvertragsparteien ihren Tarifvertrag am 29. November 2007 unter Ausschluss von Nachwirkungen auf und schlossen am selben Tag den nunmehr von der Verordnung erfassten Tarifvertrag. Zugleich beantragten sie beim Bundesminister für Arbeit und Soziales die Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages. Den daraufhin angepassten Verordnungsentwurf leitete das Bundesministerium nur denjenigen, die sich auf die Bekanntmachung vom 8. November 2007 geäußert hatten, mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. Dezember 2007 zu. Eine neue Bekanntmachung hielt es für unnötig.

4

Die beigeladene, im Oktober 2007 gegründete Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste schloss am 11. Dezember 2007 mit dem Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. einen Tarifvertrag für das Bundesgebiet. Er betrifft Unternehmen, die Mehrwertbriefdienstleistungen anbieten, die von der Universaldienstleistung trennbar sind, besondere Leistungsmerkmale aufweisen und qualitativ höherwertig sind. Nach § 3 des Tarifvertrages beträgt der Bruttomindestlohn für Mehrwertbriefdienstleistungen mit Wirkung vom 1. Januar 2008 je nach Bundesland 6,50 € oder 7,50 €. Weiter schloss die Beigeladene am 12. Dezember 2007 mit dem Kläger zu 2 einen Tarifvertrag für alle tarifgebundenen Betriebe, die als wesentliche betriebliche Tätigkeit näher definierte Postdienstleistungen, insbesondere die gewerbsmäßige Beförderung von adressierten schriftlichen Mitteilungen bis zu 2 kg zwischen Absender und Empfänger, erbringen. Er gilt deutschlandweit. Der ab dem 1. Januar 2008 vereinbarte Bruttomindestlohn liegt ebenfalls unter den in der streitigen Verordnung bestimmten Beträgen.

5

Am 14. Dezember 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. und die Beigeladene beim Bundesministerium den von ihnen geschlossenen Tarifvertrag zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Mehrwertbriefdienstleistungen vom 11. Dezember 2007 für allgemeinverbindlich zu erklären.

6

Am 14. Dezember 2007 beschloss der Bundestag das am 28. Dezember 2007 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Dessen Art. 1 fügte in § 1 Abs. 1 Satz 4 dieses Gesetzes die Wörter "und für Tarifverträge für Briefdienstleistungen, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend gewerbs- und geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördert" ein.

7

Am 19. Dezember 2007 stimmte die Bundesregierung unter der Bedingung des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes dem Erlass der streitigen Verordnung zu.

8

Am 28. Dezember 2007 unterzeichnete der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Verordnung, die am Tag darauf im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde.

9

Im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht machten die Kläger u.a. geltend, die Verordnung verletze ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sei formell rechtswidrig, weil die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der seinerzeit geltenden Fassung - AEntG a.F. - gebotene Beteiligung der Betroffenen fehlerhaft verlaufen sei. Die Verordnung sei außerdem materiell rechtswidrig. Sie sei nicht von ihrer Ermächtigungsgrundlage gedeckt, die nur eine Erstreckung eines Tarifvertrages auf nicht anderweitig Tarifgebundene ermögliche und eine Entsendeproblematik voraussetze. Der Verordnungsgeber missbrauche seine Verordnungsmacht zu wettbewerblichen Zwecken.

10

Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag der Kläger festgestellt, die Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen verletze den Kläger zu 2 in seinem Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie die übrigen Klägerinnen in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG.

11

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Klagen seien bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Es fehle an einem konkreten Rechtsverhältnis. Der Kläger zu 2 sei als Arbeitgeberverband nicht einmal Normadressat der Verordnung. Diese begründe zwar für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unmittelbar Pflichten, aber nicht für die Beklagte. Die Rechtsverordnung sei überdies rechtmäßig. Insbesondere sei sie von der Ermächtigung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz gedeckt. Die darin verwendete Formulierung, es könne bestimmt werden, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrages auf "nicht tarifgebundene" Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung fänden, sei bei einem weiten Verständnis, wonach auch anderweitig tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer von der Rechtsverordnung erfasst würden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieses Verständnis habe die Beklagte bisher allen Mindestlohnverordnungen zugrunde gelegt.

12

Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsverfahren das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgewiesen. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten - hinsichtlich des Klägers zu 2 - zurückgewiesen. Hinsichtlich der Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien die Sachurteilsvoraussetzungen einer Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO nicht erfüllt. Zwar seien die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 kraft Verordnung unmittelbar verpflichtet, ihren Arbeitnehmern den im Tarifvertrag vom 29. November 2007 bestimmten Mindestlohn zu gewähren. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten begründe dies jedoch kein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Der Zulässigkeit stehe zudem die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) entgegen, die rechtswegübergreifend zu verstehen sei. Die Rechtmäßigkeit der Verordnung könne inzident im arbeitsgerichtlichen Verfahren geklärt werden. Die Feststellungsklage des Klägers zu 2 sei dagegen zulässig. Zwar begründe die Rechtsverordnung für ihn keine unmittelbaren Pflichten. Sie betreffe ihn aber in seinen satzungsmäßigen Aufgaben als Arbeitgeberverband, zu denen auch der Abschluss von Tarifverträgen gehöre. Dem Kläger zu 2 werde durch die Rechtsverordnung die Möglichkeit genommen, im Geltungsbereich des Tarifvertrages für seine Mitglieder abweichende Tarifverträge abzuschließen. Damit werde der Kläger zu 2 in seiner grundrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit als Arbeitgeberkoalition eingeschränkt. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG schütze auch die Koalition selbst in ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Die Klage des Klägers zu 2 sei auch begründet. Der Erlass der Verordnung verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Überdies verstoße die Verordnung gegen den Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 80 Abs. 1 GG, weil die in der Verordnung zitierte gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG es nur zulasse, dass alle unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden und nicht bereits anderweitig tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von deren Geltungserstreckung erfasst würden. Die Verordnung greife auch deshalb unzulässig in verfassungsmäßige Rechte des Klägers zu 2 ein, weil die Beklagte bei ihrem Erlass die in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG geregelten Beteiligungsrechte missachtet haben. Die Anfang November eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme durch die erfolgte Veröffentlichung im Bundesanzeiger habe den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Die Aufhebung des alten und der Abschluss eines neuen Tarifvertrages hätten die Einleitung eines neuen Verfahrens mit erneuter Beteiligung erforderlich gemacht.

13

Gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts haben die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

14

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 rügen, dass das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht von der Unzulässigkeit ihrer Klage ausgegangen sei. In Übereinstimmung mit dem Kläger zu 2 machen sie geltend, die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechtspositionen.

15

Die Klägerin zu 1 beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufzuheben, soweit es die Klage der Klägerin und Berufungsbeklagten zu 1 abgewiesen hat, und die Berufung der Beklagten auch insoweit zurückzuweisen.

16

Die Klägerinnen zu 3 und 4 beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

17

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 abzuändern, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und die Klage des Klägers zu 2 abzuweisen und die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zurückzuweisen.

18

Der Kläger zu 2 beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

19

Die Beklagte hält die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 für unzulässig und die Klage des Klägers zu 2 für unbegründet. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten bestehe kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, weil die streitige Verordnung vom 28. Dezember 2007 die Rechtsbeziehungen zwischen Normgeber und Normadressaten nicht unmittelbar gestalte. Dessen ungeachtet sei eine Feststellungsklage auch subsidiär. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 hätten die Möglichkeit, die Verordnung vom 28. Dezember 2007 in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht oder, soweit Überwachungs- und Sanktionsmaßnahmen in Betracht kämen, vor dem Finanzgericht inzident überprüfen zu lassen.

20

Die Klage des Klägers zu 2 sei unbegründet. Die Verordnung vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtmäßig, insbesondere sei die Einholung einer erneuten Stellungnahme der von der Verordnung betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 nicht mehr erforderlich gewesen.

Entscheidungsgründe

21

Die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben Erfolg. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung von § 43 VwGO, in dem es zu Unrecht annimmt, die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien mangels eines feststellbaren Rechtsverhältnisses zwischen Normgeber und Normadressat und wegen der Subsidiarität der Feststellungsklagen unzulässig (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Die Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Deshalb führen die Revisionen insoweit zur Aufhebung des Urteils (1.). Die Revision der Beklagten erweist sich nicht als begründet. Das Oberverwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellungsklage des Klägers zu 2 zulässig ist (2.). Auch seine Annahme, der Kläger zu 2 sei wegen Missachtung des in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens in seinen Rechten verletzt, ist frei von Rechtsfehlern. Die Missachtung des Beteiligungsverfahrens verletzt in gleicher Weise auch die Rechte der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 (3.).

22

1. Die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 sind zulässig.

23

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

24

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (Urteile vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <329 f.> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30 S. 87 f., vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264> = Buchholz 454.9 MietpreisR Nr. 15 S. 2 f. und vom 20. November 2003 - BVerwG 3 C 44.02 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 37). Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss "in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig" sein (Urteile vom 13. Oktober 1971 - BVerwG 6 C 57.66 - BVerwGE 38, 346 m.w.N. = Buchholz 232 § 123 BBG Nr. 8 und vom 30. Mai 1985 - BVerwG 3 C 53.84 - BVerwGE 71, 318 = Buchholz 418.32 AMG Nr. 13; Beschluss vom 12. November 1987 - BVerwG 3 B 20.87 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 97). Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (Urteil vom 23. Januar 1992 a.a.O. S. 330 bzw. S. 88). Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Darauf beschränkt sich das Klagebegehren bei sinngemäßer Auslegung nach § 88 VwGO jedoch nicht.

25

aa) Der Antrag der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 festzustellen, dass die Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt, richtet sich nicht auf die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Norm, so dass § 47 VwGO gegenüber dem Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keine Sperrwirkung entfaltet. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt (Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355 <363> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 238). Von einer "Umgehung" des § 47 VwGO kann nur dann die Rede sein, wenn mit einem auf eine andere Klageart gestützten Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm oder einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines ungewissen künftigen Sachverhalts erreicht werden soll; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen theoretisch zu lösen (Urteil vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 78). Anders liegt es dagegen, wenn - wie vorliegend - die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm als - wenn auch streitentscheidende - Vorfrage aufgeworfen wird (Urteile vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - a.a.O. und vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <278> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1; so auch BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 541/02 u.a. - BVerfGE 115, 81 <95 f.>). Mit dem Feststellungsbegehren werden subjektive Rechtspositionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 geltend gemacht, um Einschränkungen der tarifautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes abzuwehren.

26

bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts besteht zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten ein feststellungsfähiges konkretes streitiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Es ergibt sich aus der Anwendung der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 3a AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3140) und der den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 verbürgten Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG. Streitig ist, ob der zuständige Minister der Beklagten formell- und materiellrechtlich gegenüber den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 befugt war, auf der Grundlage des § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (a.F.) die streitige Rechtsverordnung zu erlassen, und ob die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nach wie vor berechtigt sind, ihre Arbeitnehmer zu niedrigeren Löhnen zu beschäftigen, als es den im Verordnungsweg erstreckten Mindestlohnregelungen entspricht. Das Vorbringen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, wegen eingegangener anderweitiger Tarifbindung würden sie von der Erstreckungsregelung in der Rechtsverordnung nicht erfasst, lässt sich als ein Geltendmachen des "Nichtbestehens" eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO deuten.

27

Ein im Verhältnis zur Beklagten feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil das Recht der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, die Zahlung des Mindestlohns zu verweigern, nicht gegenüber der Beklagten, sondern nur gegenüber ihren Arbeitnehmern bestünde. Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und ihren Arbeitnehmern schließt das gleichzeitige Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten als Verordnungsgeberin nicht aus. Beide Rechtsverhältnisse sind von einander abzugrenzen, weil sie auf der Anwendung unterschiedlicher Rechtsnormen beruhen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zu ihren Arbeitnehmern richtet sich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen des Privatrechts sowie - bei wirksamer Erstreckung - der tariflichen Mindestlohnvereinbarung. Das streitige Rechtsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten beurteilt sich hingegen nach § 1 Abs. 3a Satz 1 und 2 AEntG a.F. und den Grundrechtspositionen, in deren Schutzbereich die tarif- oder privatautonome Vereinbarung von Arbeitsentgelten fällt. Wegen des von den Klägerinnen zu 3 und 4 zwischenzeitlich abgeschlossenen Mantel-/Haustarifvertrages vom 23. April 2008 und der Bindung der Klägerin zu 1, die Mitglied im Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste ist, an den Tarifvertrag vom 11. Dezember 2007 kommt eine Verletzung ihrer positiven, ihnen als Arbeitgebern zustehenden Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG in Betracht. Jedenfalls ist ihre Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berührt, weil die Erstreckung von Mindestlohntarifregelungen das Recht des Arbeitgebers einschränkt, die Arbeitsbedingungen privatautonom zu gestalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Dezember 2004 - 1 BvR 2283/03, 2504/03 und 2582/03 - NZA 2005, 153 <155>).

28

cc) Die Annahme eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses scheitert vorliegend auch nicht daran, dass eine Feststellungsklage des Normadressaten unmittelbar gegen den Normgeber im Regelfall ausscheidet. Da nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist und Art. 83 GG ebenso grundsätzlich bestimmt, dass die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, d.h. sie verwaltungsmäßig umsetzen, eröffnet sich im Regelfall ein Rechtsverhältnis zwischen Normadressaten und Normanwender, nicht hingegen zwischen Normadressaten und Normgeber, weil Letzterer an der Umsetzung der Norm gegenüber dem Adressaten nicht beteiligt ist (Urteil vom 23. August 2007 - BVerwG 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 <204> = Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 5). Das schließt jedoch nicht aus, über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinaus - wenn etwa das Recht des Betroffenen auf Gleichbehandlung den Erlass oder die Änderung einer Rechtsnorm gebietet (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 4. Juli 2002 - BVerwG 2 C 13.01 - Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2 und vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93) - eine Feststellungsklage gegen den Normgeber auch für zulässig zu halten, wenn mangels administrativen Vollzugs kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Normanwender und Normadressat begründet, die Rechtsbeeinträchtigung bereits unmittelbar durch die Norm bewirkt wird und effektiver Rechtsschutz nur im Rechtsverhältnis zwischen Normgeber und Normadressat gewährt werden kann.

29

Dass eine Norm "self-excuting" ist, d.h. dass sich aus ihr unmittelbar Rechte und Pflichten ergeben, begründet jedoch noch kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Normgeber, soweit dort noch Verwaltungsvollzug möglich ist (vgl. Urteil vom 23. August 2007 a.a.O. S. 205). Auch bei solchen Normen können sich normbetroffene Personen und eine die Norm vollziehende Behörde gegenüberstehen, die die Regelungen konkretisiert oder individualisiert und Anordnungen für den Einzelfall aufgrund gesetzlicher Befugnisse trifft. In solchen Fällen muss die Feststellung eines konkreten streitigen Rechtsverhältnisses zwischen Normadressat und Normanwender geklärt werden und nicht eine Rechtsbeziehung zum Normgeber.

30

Eine Feststellungsklage gegen den Normgeber kommt mithin nur dann in Betracht, wenn die Rechtsverordnung unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist (vgl. etwa Urteil vom 1. März 1967 - BVerwG 4 C 74.66 - BVerwGE 26, 251 <253> = Buchholz 445.4 § 23 WHG Nr. 2; Beschluss vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 7 VR 1.02 - Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 2; Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <279> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1, vom 26. November 2003 - BVerwG 9 C 6.02 - BVerwGE 119, 245 <249> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 2 und vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <155 f.> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3). Das ist hier der Fall. Aus der Erstreckung tarifvertraglicher Regelungen durch § 1 BriefArbbV ergeben sich unmittelbar Pflichten der von ihrem Anwendungsbereich erfassten Arbeitgeber. Eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Maßnahmen des Verwaltungsvollzugs ist nicht vorgesehen.

31

Nach dem Wortlaut des § 1 BriefArbbV führt die Erstreckung der Rechtsnormen des zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrages vom 29. November 2007 dazu, dass dessen Regelungen auf alle nicht bereits an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzuwenden sind. Sie gelten damit kraft Tariferstreckung durch Rechtsverordnung, indem sie die betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den persönlichen Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages einbeziehen. Die Betroffenen unterliegen damit der Bindung an die Regelungen des Tarifvertrages ebenso wie die Tarifvertragsparteien. Nach § 4 Abs. 1 TVG verdrängen tarifvertragliche Regelungen in ihrem Geltungsbereich grundsätzlich entgegenstehende arbeitsvertragliche Abreden, ohne dass es dazu einer Umsetzung oder anderer Maßnahmen bedarf (Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl. 2004, § 4 Rn. 21). Bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs tarifvertraglicher Regelungen nach § 1 Abs. 3a AEntG tritt die unmittelbare Gestaltungswirkung jedenfalls bei Arbeitsverhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein, die bisher keiner Tarifbindung unterlagen. Auch bei Arbeitsverhältnissen, auf die unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen Anwendung finden können, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass die Rechtsverordnung eine Verpflichtung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Zahlung des Mindestlohns begründet. Auch die Beklagte geht davon aus, dass durch die unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung eine anderweitige Tarifbindung verdrängt wird.

32

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Fälle der Tarifkonkurrenz, d.h. der Bindung beider Arbeitsvertragsparteien an konkurrierende Tarifverträge, grundsätzlich nach den Regeln der sog. Tarifspezialität zu lösen. Zur Anwendung kommt der speziellere Tarifvertrag, der dem betreffenden Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am nächsten steht. Das gilt auch bei einer Tarifkonkurrenz zwischen einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag nach § 5 TVG und einem nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag und für die Fälle der Tarifpluralität, also der Bindung eines Arbeitgebers an mehrere Tarifverträge (BAG, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 10 AZR 113/02 - AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; a.A. LAG Frankfurt/Main, Urteil vom 14. Juli 2003 - 16 Sa 530/02 - DB 2004, 1786). Der Vorrang des spezielleren Tarifvertrages gilt allerdings dann nicht, wenn der speziellere Tarifvertrag ohne Tarifbindung des Arbeitgebers lediglich einzelvertraglich vereinbart worden ist (BAG, Urteile vom 22. September 1993 - 10 AZR 207/92 - AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz und vom 4. Dezember 2002 a.a.O.).

33

Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 und 3 AEntG a.F. werden Tarifkonkurrenzen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch nach dem Günstigkeitsprinzip gelöst. Die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung verdrängt die ungünstigere, unabhängig davon, ob der betreffende Tarifvertrag aufgrund vertraglicher Bindung nach § 3 TVG oder aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung anzuwenden ist (BAG, Urteile vom 20. Juli 2004 - 9 ARZ 343/03 - BAGE 111, 247 und vom 18. Oktober 2006 - 10 AZR 576/05 - BAGE 120, 1). Wird die Tarifkonkurrenz auch bei einer Erstreckung tariflicher Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung nach dem Günstigkeitsprinzip aufgelöst, ergibt sich für alle Arbeitgeber, die nicht bereits aufgrund anderweitiger Tarifbindung zur Zahlung des Mindestlohnes verpflichtet sind, diese Pflicht aus der unmittelbaren Einbeziehung in den Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages.

34

Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sieht wegen der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der durch die Rechtsverordnung erstreckten Tarifnormen keine Umsetzungs- bzw. Vollzugsakte vor, sondern beschränkt sich darauf, Verstöße mit Sanktionen zu bewehren (vgl. § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 4 AEntG a.F. i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 OWiG zur Zuständigkeit der Bundesbehörden; § 5 Abs. 1 und 2 AEntG a.F.). Eine Verfolgung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit ist jedoch nicht geeignet, zwischen den Klägerinnen und der Beklagten ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zu begründen. Ein solches Rechtsverhältnis besteht ausschließlich zur Beklagten als Normgeberin, die die Pflichtenregelung durch die Bekanntgabe im Bundesanzeiger ausgelöst hat und die sie wieder aufheben könnte (Beschluss vom 19. Dezember 2002 a.a.O.).

35

Diese Annahme steht nicht im Widerspruch zur nicht entscheidungstragenden Erwägung im Urteil des 7. Senats vom 23. August 2007 (a.a.O.), dass es über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinausgehend keiner weiteren "atypischen Feststellungsklagen" gegen den Normgeber bedürfe. Diese Formulierung ist nicht dahingehend zu verstehen, dass ein konkretes Rechtsverhältnis zum Normgeber in allen anderen Fällen begrifflich ausgeschlossen wäre, sondern erklärt sich daraus, dass regelmäßig, wie im seinerzeit zu entscheidenden Fall, die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Norm im Rahmen der gegen die Vollzugsbehörde gerichteten Feststellungsklage als inzident zu prüfende Vorfrage geklärt werden kann. So wurde damals die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gegen den Normgeber mit Blick auf die Befugnis in § 21 KrW-/AbfG zum Vollzug der Verpackungsverordnung verneint. Mit der Frage, ob bei Fehlen des Verwaltungsvollzugs eine Feststellungsklage gegen den Normgeber in Betracht kommt, setzt sich die Entscheidung des 7. Senats nicht auseinander.

36

Für die Annahme eines streitigen Rechtsverhältnisses genügt es, dass die Möglichkeit der Verdrängung einer anderweitigen Tarifbindung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 durch eine unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung besteht, deren Beachtung von der Beklagten eingefordert wird. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Feststellungsklage muss weder abschließend geklärt werden, ob bei einer Tariferstreckung nach § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG a.F. das Günstigkeitsprinzip anzuwenden ist, noch, ob sich die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unter Hinweis auf den Grundsatz der Spezialität auf einen betriebsnäheren Tarifvertrag berufen können, der ihre Verpflichtung zur Zahlung eines erstreckten Mindestlohnes entfallen lässt. Fragen zur Wirksamkeit der von den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgeschlossenen Tarifverträge sind daher ebenfalls unerheblich.

37

b) Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben auch ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung. Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art ein. Unabhängig von den Sanktionen, die den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 drohen, falls sie den festgesetzten Bruttomindestlohn ihren Arbeitnehmern nicht bezahlen, ergibt sich ein wirtschaftliches Interesse der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 schon daraus, dass sie wegen der finanziellen Belastung möglichst frühzeitig wissen wollen, ob sie verpflichtet sind, den festgesetzten Bruttomindestlohn zu zahlen. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 können daneben auch geltend machen, dass sie durch die Erstreckungswirkung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und/oder von Art. 9 Abs. 3 GG ist jedenfalls möglich.

38

c) Zu Unrecht hat das Oberverwaltungsgericht eine Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO bejaht und angenommen, eine mögliche Klärung des Rechtsstreits sei in einem arbeitsgerichtlichen Prozess aus prozessökonomischen Gründen vorrangig.

39

Wegen des fehlenden Verwaltungsvollzugs können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keinen Rechtsschutz durch eine verwaltungsgerichtliche Gestaltungsklage im Wege der Anfechtung erlangen. Auch eine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage scheidet aus.

40

Eine Subsidiarität gegenüber Rechtsbehelfen zu den Arbeits- oder Finanzgerichten ist nicht gegeben. Ebenso wenig können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 darauf verwiesen werden, vorrangig in einem Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz eine Klärung der aufgeworfenen Fragen herbeizuführen. Das Berufungsgericht wird im angegriffenen Urteil der Zielsetzung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht gerecht. Diese Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (Urteil vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93). Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 3 C 8.95 - Buchholz 418.61 Tierkörperbeseitigungsgesetz Nr. 12). Wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtswege gilt diese Zielsetzung "rechtswegübergreifend", d.h. etwa auch dann, wenn die mit der Feststellungsklage konkurrierende Klage vor dem Zivilgericht zu erheben ist (Urteile vom 18. Oktober 1985 - BVerwG 4 C 21.80 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 28 = BVerwGE 72, 172 und vom 12. Juli 2000 - BVerwG 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 <308 f.> = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133). Eine Subsidiarität ist jedoch zu verneinen, wenn die Feststellungsklage - wie hier - effektiveren Rechtsschutz bietet (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <156> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3).

41

Die Feststellungsklage ist nicht subsidiär gegenüber der Möglichkeit, sich gegen Leistungsklagen der Arbeitnehmer auf Lohnzahlung vor den Arbeitsgerichten zu wehren und in diesen Verfahren eine inzidente Kontrolle der BriefArbbV herbeizuführen. Zum einen legt der Wortlaut des § 43 Abs. 2 VwGO nahe, dass die Subsidiarität die Möglichkeit anderweitiger aktiver Geltendmachung eigener Rechte, und nicht nur eine Verteidigungsmöglichkeit oder eine mögliche Beteiligung als Dritter voraussetzt. Im Übrigen würde die Stellung als Beklagte im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nicht davor schützen, von der zuständigen Behörde vor Ergehen eines rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts über die Lohnklage mit Sanktionen wegen der Nichtgewährung des Mindestlohns belangt zu werden.

42

Es ist für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 auch nicht zumutbar, über ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eine gerichtliche Klärung zu erreichen (Urteil vom 13. Januar 1969 - BVerwG 1 C 86.64 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 31 = BVerwGE 31, 177). § 5 Abs. 3 AEntG a.F. erlaubt eine Ahndung mit bis zu 500 000 €. Dass die Beklagte ihre Behörden angewiesen hat, während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Sanktionen zu verhängen und sich auf Ermittlungen zu beschränken, bedeutet keinen Verzicht, sondern nur einen zeitlichen Aufschub. Da die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 Klarheit haben wollen, ob sie verpflichtet sind, allen bei ihnen beschäftigten Mitarbeitern den Bruttomindestlohn zu zahlen, geht es ihnen auch nicht lediglich darum, vorbeugenden Rechtsschutz gegenüber etwaigen späteren Bußgeldverfahren zu erlangen (Urteile vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207 <213> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 16 und vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <331> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30).

43

Soweit nach § 23 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. April 2009 (BGBl I S. 818), der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet ist, handelt es sich um Rechtsbehelfe gegen Prüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen sowie gegen datenschutzrechtlich relevantes Handeln der Finanzbehörden im Zuge der Verfolgung von Verstößen gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Unterlassungsklagen dagegen stellen keinen effektiven Rechtsschutz hinsichtlich der Klärung der geltend gemachten Rechtsverletzungen durch die Verordnung dar, der einer Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO vorgeht.

44

2. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage des Klägers zu 2 im Ergebnis zu Recht bejaht.

45

a) Auch zwischen dem Kläger zu 2 und der Beklagten besteht ein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Gegenstand des Streits zwischen diesen Beteiligten ist die Anwendung des § 1 Abs. 3a AEntG und der darauf gestützten BriefArbbV auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Betätigung des Klägers zu 2 als Arbeitgeberverband (Koalition). Streitig ist, ob § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG zur Tariferstreckung gegenüber anderweitig tarifgebundenen Arbeitgebern ermächtigt mit der Folge, dass vom Kläger zu 2 wirksam abgeschlossene oder noch abzuschließende Tarifverträge bei Anwendung des Günstigkeitsprinzips verdrängt würden, und ob dem Kläger zu 2 wegen eines mittelbaren Eingriffs in sein Recht auf koalitionsgemäße Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG ein Abwehrrecht gegen die Geltungserstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen nach § 1 BriefArbbV zusteht, obwohl die Verordnung nur für seine Mitglieder, und nicht für ihn selbst unmittelbar Rechte und Pflichten begründet.

46

Für das Vorliegen eines im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO streitigen konkreten Rechtsverhältnisses ist es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht erforderlich, abschließend zu klären, ob die zwischen den Beteiligten streitige Befugnis zum Erlass der Verordnung und das geltend gemachte Abwehrrecht tatsächlich bestehen.

47

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zwischen ihr und dem Kläger zu 2 weder voraus, dass die umstrittene Verordnung den Arbeitgeberverband unmittelbar verpflichtet, noch, dass sie ihm den Abschluss den Mindestlohn unterschreitender Tarifverträge verbietet. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit kann auch mittelbaren Beeinträchtigungen der koalitionsgemäßen Betätigung entgegengehalten werden.

48

Art. 9 Abs. 3 GG schützt die Koalition selbst in ihrem Bestand, in ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen (BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 u.a. - BVerfGE 50, 290 <373 f.>; Beschlüsse vom 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212 <224>, vom 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93, 1 BvR 897/95 - BVerfGE 100, 271 <282> und vom 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293 <304>). Der Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigungen beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (Beschluss vom 27. April 1999 a.a.O. m.w.N.) und umfasst insbesondere auch die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht. Das Aushandeln von Tarifverträgen ist ein wesentlicher Zweck der Koalitionen (BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 268 <283> m.w.N.). Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (BVerfG, Beschlüsse vom 24. April 1996 a.a.O., vom 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - BVerfGE 93, 353 <358> und vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - NJW 2007, 51 <53>). Die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben für geeignet halten, bleiben unter dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen überlassen (BVerfG, Beschluss vom 28. April 1976 - 1 BvR 71/73 - BVerfGE 42, 133 <138>; Urteil vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 u.a. - BVerfGE 92, 365 <393>). Allerdings schützt Art. 9 Abs. 3 GG einen Arbeitgeberverband nicht gegen ein tarifpolitisches Konkurrenzverhältnis, selbst wenn dieses den Verlust von Verbandsmitgliedern zur Folge haben kann (Beschlüsse vom 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322 <352> m.w.N. und vom 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 - BVerfGE 55, 7 <24>). Die Koalitionsfreiheit schützt aber vor staatlicher Einflussnahme auf das Konkurrenzverhältnis.

49

Solche für den Kläger zu 2 als Arbeitgeberverband nachteiligen mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit ergeben sich bei Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips aus der Verdrängungswirkung der erstreckten tariflichen Mindestlohnvereinbarung gegenüber den Mindestlohn unterbietenden, bereits abgeschlossenen oder noch abzuschließenden Tarifverträgen im selben Geltungsbereich. Auf die Frage, ob der vom Kläger zu 2 bereits abgeschlossene Tarifvertrag wirksam ist, und auf die in diesem Zusammenhang erhobenen, arbeitsgerichtlich noch nicht rechtskräftig geklärten Bedenken gegen die Tariffähigkeit und Gegnerfreiheit der Beigeladenen kommt es für die Geltendmachung einer mittelbaren Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit nicht an. Auch wenn die Verdrängungswirkung sich noch nicht aktualisiert haben sollte, verschlechtert sie bereits jetzt die Verhandlungsposition der Arbeitgeberverbände, die nicht am Abschluss des erstreckten Tarifvertrages beteiligt waren. Die Erstreckung der Geltung tariflich vereinbarter Mindestarbeitsbedingungen auf anderweitig Tarifgebundene beeinträchtigt die Verhandlungs- und Wettbewerbsposition der nicht am Tarifvertragsschluss beteiligten Koalitionen jedenfalls insoweit, als sie mit einer Verdrängung ihrer - auch künftigen - Tarifabreden rechnen müssen. Aufgrund der durch die Rechtsverordnung erfolgten Erstreckung des Tarifvertrages vom 29. November 2007 kann der Kläger zu 2 seine durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten tarif- und sozialpolitischen Zielvorstellungen beim angestrebten Abschluss anderweitiger Tarifverträge mit von der Allgemeinverbindlicherklärung abweichendem Inhalt nur noch im beschränkten Maße verwirklichen. Seine koalitionsspezifische Verhandlungsposition wird durch den Erlass der Rechtsverordnung damit beeinträchtigt. Für ihn verschlechtern sich die Möglichkeiten, unbehindert von den Rechtswirkungen der Tariferstreckung mit Arbeitnehmerkoalitionen Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, die seinen tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und denjenigen seiner Mitgliedsunternehmen entsprechen.

50

Die Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit kann im Einzelfall durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein, ist aber jedenfalls rechtfertigungsbedürftig. Das reicht für das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO aus.

51

Dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2000 - 1 BvR 948/00 - (GewArch 2000, 381 f.) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Denn weder er selbst noch die darin in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verhalten sich zur Frage, ob in einer Erstreckung tarifvertraglicher Normen auf einen Arbeitgeberverband eine rechtfertigungsbedürftige mittelbare Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit liegen kann.

52

b) Das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse des Klägers zu 2 an der baldigen Feststellung liegt vor. Der Kläger zu 2 ist mittelbar eingeschränkt, seine tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele zu verfolgen und entsprechend diesen Zielvorstellungen für seine Mitgliedsunternehmen von dem durch Rechtsverordnung erstreckten Tarifvertrag abweichende Arbeitsbedingungen auszuhandeln und abzuschließen. Er hat ein geschütztes wirtschaftliches und ideelles Interesse daran, die Rechtmäßigkeit seiner Einschränkung gerichtlich durch Feststellungsklage überprüfen zu lassen und kann eine mögliche Verletzung seiner Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG geltend machen.

53

c) Die vom Kläger zu 2 erhobene Feststellungsklage ist auch nicht unzulässig, weil sie gegenüber einer Klage vor den Arbeitsgerichten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG) subsidiär wäre. Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem TVG oder über das Bestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Für solche sog. Verbandsklagen ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Dabei handelt es sich um eine "quasi-Normenkontrolle" (Reinecke, in: Däubler, Kommentar zum Tarifvertragsgesetz, 2. Aufl. 2006, § 9 Rn. 3) der Tarifvertragsparteien, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben. Der Kläger zu 2 scheidet als Partei eines Verfahrens nach § 9 TVG gegen den Tarifvertrag vom 29. November 2007 von vornherein aus, weil er an dessen Abschluss nicht beteiligt war.

54

Der Kläger zu 2 kann auch nicht auf den Abschluss eines eigenen Tarifvertrages verwiesen werden, um dann gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG dessen Gültigkeit im Wege der Verbandsklage abklären zu lassen. Mit einer solchen Klage kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages, jedoch nicht geklärt werden, ob ein Tarifvertrag nach den Regelungen der Tarifkonkurrenz oder aus anderen Gründen gegenüber anderen Tarifverträgen zurücktritt (Franzen, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2010, § 9 TVG Rn. 7). Sie könnte den Kläger zu 2 jedenfalls vor den hier in Betracht zu ziehenden mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit, die von der Rechtsverordnung ausgehen, nicht schützen.

55

3. Gegen die selbstständig tragende Annahme des Berufungsgerichts, dass beim Erlass der Rechtsverordnung zur Erstreckung der tariflichen Mindestlohnregelungen das vorgeschriebene Verfahren nicht beachtet worden ist und dass die wegen der Evidenz des Verfahrensfehlers rechtswidrige Verordnung den Kläger zu 2 in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt, ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.

56

a) Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die BriefArbbV den Kläger zu 2 in seinen Rechten verletzt, weil die Beklagte beim Erlass der Rechtsverordnung das gesetzlich in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebene Verfahren missachtet hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem dort geregelten Beteiligungsgebot komme wegen des Fehlens sonstiger materiellrechtlicher Anforderungen an den Erlass der Rechtsverordnung einerseits und der handgreiflichen Betroffenheit der Arbeitgeberseite im grundrechtlich geschützten Bereich andererseits wesentliche Bedeutung für die Abwägung der für und wider den Erlass der Rechtsverordnung streitenden Erwägungen zu, ist nicht zu beanstanden. Der Senat teilt die Auffassung, dass zwischen den normativen Regelungen des Tarifvertrages und dem Beteiligungsrecht ein unmittelbarer Bezug dergestalt besteht, dass sich die Gelegenheit zur Stellungnahme der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die konkrete Tarifvertragsvereinbarung beziehen muss und nicht allgemein auf ein "Projekt", das in einer Branche Mindestarbeitsbedingungen mit dem Instrumentarium des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes festlegen will.

57

b) Gemäß § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor Erlass der Rechtsverordnung den in den Geltungsbereich der vorgesehenen Rechtsverordnung fallenden Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. nicht dahingehend zu interpretieren, dass es ausreicht, den zu Beteiligenden auch in dem Fall Gelegenheit zur Stellungnahme nur zum ursprünglichen Entwurf der Rechtsverordnung zu geben, wenn dieser im weiteren Verlauf des Verfahrens wesentlich in seinem Inhalt verändert wird. Die gegenteilige Annahme der Beklagten lässt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung, noch aus ihrem Sinn und Zweck und ihrer Systematik herleiten.

58

Bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. ergibt sich, dass das Recht zur Stellungnahme auf den konkreten Tarifvertrag bezogen ist, dessen Rechtsnormen durch Rechtsverordnung auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt werden sollen. Zu beteiligen sind nicht nur diejenigen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die unter den Anwendungsbereich der Rechtsverordnung fallen, sondern auch die Parteien des Tarifvertrages, dessen Regelungen erstreckt werden sollen. Damit besteht zwischen den Rechtsnormen des konkreten, zu erstreckenden Tarifvertrages und dem Recht zur Stellungnahme eine unmittelbare Beziehung, die das Oberverwaltungsgericht zutreffend mit "handgreiflicher Betroffenheit" jedenfalls im grundrechtlich geschützten Bereich umschrieben hat. Existiert der ursprüngliche Tarifvertrag nicht mehr und wird ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, so bedarf es grundsätzlich auch eines hierauf bezogenen neuen Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung und einer erneuten Beteiligung im Sinne des Gesetzes.

59

Auch der erkennbare Zweck des Rechts zur Stellungnahme spricht für eine erneute Beteiligung im vorliegenden Fall. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. dient nicht nur der Information des zuständigen Ministeriums, sondern soll den Betroffenen die Möglichkeit einräumen, ihre Rechte geltend zu machen. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gewährt den betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages das Recht zur Stellungnahme, weil sich die Geltungserstreckung eines Tarifvertrages per Rechtsverordnung unmittelbar gestaltend auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse auswirkt. Betroffen sind grundrechtlich geschützte Positionen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da die Freiheit zur privatautonomen Gestaltung der Arbeitsverhältnisse eingeschränkt wird. Die damit einhergehende finanzielle Belastung der Arbeitgeber durch die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns kann je nach Wirtschaftslage und Kostenstruktur eines betroffenen Unternehmens unter Umständen auch zu betriebsbedingten Kündigungen führen und so mittelbar die freie Berufsausübung der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Die Beteiligung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. soll gewährleisten, dass der Verordnungsgeber diese Gesichtspunkte und die Interessen aller Betroffenen in das Verordnungsverfahren einbezieht, um in einem späteren Abwägungsvorgang die widerstreitenden Interessen zu gewichten und zu werten (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 4. Dezember 1998, BTDrucks 14/151 S. 32 f.). Wegen der eingeschränkten Kontrolldichte bei der Prüfung gesetzgeberischer Einschätzungen und Zielsetzungen im Bereich des Arbeits- und Wirtschaftsrechts ist die vom Gesetz eingeräumte Gelegenheit zur Geltendmachung eigener Rechte vor Inkrafttreten der Regelung von besonderer Bedeutung. Da die Verordnung unmittelbare Gestaltungswirkung hat und ein administrativer Vollzug nicht vorgesehen ist, können die Betroffenen auch nicht auf ein Verwaltungsverfahren verwiesen werden, um dort rechtliches Gehör nach Maßgabe der Vorschriften des VwVfG zu erlangen. Ihre rechtlichen Interessen können sie nur im Rahmen der Beteiligung vor Erlass der Verordnung zu Gehör bringen.

60

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Vergleich mit dem Konsultations- und Konsolidierungsverfahren, das von der Bundesnetzagentur im Marktregulierungsverfahren (vgl. §§ 9 f. TKG) durchzuführen ist, zu keinem anderen Ergebnis, weil dieses Verfahren anderen Zwecken dient. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - (BVerwGE 131, 41 <59 f.>) dazu ausgeführt: "Bei der Konsultation geht es nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie um die Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Regulierungsadressaten ..., sondern um die Herstellung umfassender Transparenz gegenüber der interessierten Fachöffentlichkeit." Daher bezieht die Konsultation neben den Antragstellern und den Adressaten gemäß § 12 Abs. 1 TKG auch nur "interessierte" Dritte mit ein, und ist das Konsultationsergebnis nach § 5 TKG zu veröffentlichen.

61

Der von der Beklagten vorgenommene Vergleich mit Anhörungspflichten aus dem Bereich planerischer oder planungsähnlicher Verwaltungsentscheidungen führt zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung. Vielmehr sieht § 73 VwVfG, der das Anhörungsverfahren für den Bereich der Planfeststellung regelt, ebenfalls eine erneute Anhörung für den Fall der Planänderung vor (vgl. § 73 Abs. 8 VwVfG).

62

Auch aus § 28 Abs. 1 VwVfG folgt nicht, dass eine einmalige Anhörung in allen Verwaltungsverfahren auch im Falle nachträglich erfolgter wesentlicher Änderungen des Anhörungsgegenstandes ausreichend ist, um dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs zu genügen. § 28 VwVfG gilt überdies ausschließlich für Verwaltungsverfahren, die in den Erlass eines Verwaltungsakts münden und ist auf die Beteiligung in einem Normerlassverfahren weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. § 1 Abs. 3a AEntG a.F. ist insofern lex specialis.

63

Für die Notwendigkeit einer erneuten Beteiligung vor Erlass der Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a AEntG für den Fall einer wesentlichen Änderung des ursprünglichen Tarifvertrages, dessen Erklärung als allgemeinverbindlich zunächst beantragt worden war, spricht auch die Gesetzessystematik. Mit § 1 Abs. 3a AEntG a.F. sollte im Interesse einer wirksamen Durchführung des Gesetzes die bislang ausschließliche Anknüpfung an allgemeinverbindliche Tarifverträge um eine Ermächtigung zur Tariferstreckung durch Rechtsverordnung ergänzt werden. In Bezug auf die Verbindlichkeit der einzuhaltenden Arbeitsbedingungen sollte sich hieraus kein Unterschied ergeben (BTDrucks 14/45 S. 17, 25, 26). § 5 Abs. 1 und 2 TVG stellt sowohl hinsichtlich der am Verfahren zu Beteiligenden als auch bezüglich der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages höhere Anforderungen als das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Nach § 5 Abs. 1 TVG ist neben dem Antrag einer Tarifvertragspartei und dem Einverständnis des Ausschusses, der aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, für die Allgemeinverbindlicherklärung erforderlich, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 v.H. der unter den Geltungsbereich des zu erstreckenden Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen (Grundsatz der Repräsentativität) und dass die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Ferner sieht § 5 Abs. 2 TVG unter anderem vor, dass vor der Entscheidung über den Antrag den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen würden, sowie den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben ist. Dagegen ist nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. weder ein Ausschuss aus Interessenvertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beteiligen noch ist dessen Einvernehmen vor dem Erlass der Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erforderlich. Auch das Erfordernis des sog. 50 %-Quorums und des öffentlichen Interesses im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG sind dem Wortlaut des § 1 Abs. 3a AEntG a.F. nicht zu entnehmen. Er verlangt für den Erlass einer Rechtsverordnung lediglich einen Antrag einer Tarifvertragspartei auf Allgemeinverbindlicherklärung. Dieser Verzicht auf die Abstimmung mit einem Ausschuss, der mit den jeweiligen Interessenvertretern besetzt ist, und der Verzicht auf inhaltliche Vorgaben für den Erlass einer erstreckenden Rechtsverordnung verleihen dem in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG vorgesehenen Recht auf Stellungnahme - gleichsam als Ausgleich für die Reduzierung der formellen und materiellen Anforderungen - ein besonderes Gewicht. Die Beteiligung Betroffener dient dem Schutz ihrer Rechte (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. November 1994 - 2 BvB 1/93 - BVerfGE 91, 262). Soll das Beteiligungsrecht mit Blick auf die in Rede stehenden Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG nicht "leer" laufen, gebührt ihm im Normerlassverfahren besondere Aufmerksamkeit und Beachtung. Es stellt keinen "unnötigen Formalismus" dar, auf einer erneuten Beteiligung zu bestehen, wenn der Tarifvertrag, zu dem die Betroffenen Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme erhalten haben, durch einen neuen, hinsichtlich des Geltungsbereichs oder der zu erstreckenden Regelungen abweichenden Tarifvertrag ersetzt wird. Dies setzt ein neues Verfahren in Gang.

64

c) Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Mitteilung der Tarifvertragsparteien über den Abschluss eines neuen Tarifvertrages mit Schreiben vom 29. November 2007 ein neuer Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung zu entnehmen ist, der eine erneute Stellungnahme erforderlich machte. Die Formulierung des Schreibens, die Tarifvertragsparteien hielten an ihrem Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 "fest" und beantragen "nunmehr" die Allgemeinverbindlicherklärung "unter Einschluss der am 29. November 2007 erfolgten Änderung", ändert nichts daran, dass der Tarifvertrag vom 11. September 2007 nebst Protokollnotiz vom 9. November 2007 von den Tarifvertragsparteien am 29. November 2007 "unter Ausschluss von Nachwirkungen" aufgehoben und durch den neuen Tarifvertrag vom 29. November 2007 ersetzt wurde (vgl. BA 3 Bl. 389). Dabei handelte es sich nicht lediglich um die "Änderung" eines früheren Tarifvertrages, der in den ursprünglichen Antrag mit einbezogen wurde, sondern um einen neuen Tarifvertrag, der den Antrag vom 11. September 2007 gegenstandslos und einen neuen Antrag mit neuer Beteiligungspflicht erforderlich machte.

65

Die erneute schriftliche Stellungnahme der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie der Tarifvertragsparteien zum neuen Entwurf der Rechtsverordnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich dessen Regelungsinhalt gegenüber dem vorhergehenden Entwurf nicht wesentlich geändert hätte. Ursprünglich sollten vom Tarifvertrag vom 11. September 2007 "alle Betriebe, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an ihrer Gesamttätigkeit des Betriebes" von dessen Geltungsbereich erfasst werden. Demgegenüber sieht der Tarifvertrag vom 29. November 2007 vor: "Der Tarifvertrag gilt für die Branche Briefdienstleistungen. Dies sind alle Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern."

66

Mit der Änderung vom 29. November 2007 sollte sichergestellt werden, dass das "50 %-Quorum" erfüllt ist, das nach Einschätzung der Beklagten ursprünglich für erforderlich gehalten wurde, um eine Erstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen zu rechtfertigen (UA S. 5). Betroffene, die deshalb bei der ersten Anhörung meinen konnten, es genüge auf den aus ihrer Sicht bestehenden Mangel der Repräsentativität hinzuweisen, mussten nunmehr Gelegenheit erhalten, auch zum Inhalt der Rechtsnormen des zu erstreckenden Tarifvertrages Stellung zu beziehen. Der Einwand des Beklagten, der neue Entwurf der Rechtsverordnung bedeute gegenüber dem ursprünglichen Entwurf lediglich ein "Minus" trifft nicht zu, vielmehr hat er qualitativ andere Wirkungen für die Rechtspositionen der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch den geänderten Tarifvertrag ist ein Teil des ursprünglichen Adressatenkreises gänzlich von der Erstreckungswirkung der Rechtsverordnung ausgenommen worden, während Betriebe und selbstständige Betriebsteile, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, vom Geltungsbereich des neuen Tarifvertrages nach wie vor erfasst werden. Darin liegt eine grundrechtsrelevante rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung, die eine (erneute) Beteiligung der Adressaten der neuen Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderlich machte. Die verfassungsrechtliche Relevanz der Einschränkung des Geltungsbereichs ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten bereits aus der ungleichen rechtlichen Behandlung zweier Gruppen von Briefdienstleistern und nicht erst aus den möglichen, durch Marktanalysen zu ermittelnden wirtschaftlichen Folgen der Ungleichbehandlung. Gerade auch zur Frage, ob durch die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrages auf Unternehmen eines bestimmten Zuschnitts eine Veränderung der Wettbewerbssituation eintritt, müssen die unmittelbar Betroffenen nach § 1 Abs. 3a AEntG vorab Stellung nehmen können.

67

d) Die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderliche Stellungnahme zum geänderten Entwurf der Rechtsverordnung wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, gegen die die Revisionen keine Einwendungen erhoben haben (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht ermöglicht. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist unterblieben (vgl. UA S. 5, 38 f.).

68

Das Verordnungserlassverfahren leidet damit an einem Verfahrensmangel, der evident ist (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 1 BvR 337/92 - BVerfGE 91, 148). Das Beteiligungsrecht ist im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der Arbeitgeber und deren Koalitionen so gewichtig und bedeutsam, dass durch seine Nichtbeachtung das Rechtsetzungsverfahren an einem erheblichen Mangel leidet, der die BriefArbbV unwirksam macht.

69

Auf die weiteren Rechtsfragen kommt es nicht an, weil bereits die Verletzung der Beteiligungsrechte zum Erfolg der Klagen führte.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4, Arbeitgeber der Briefdienstleistungsbranche und Mitglieder des am 11. September 2007 gegründeten Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste e.V., und der Kläger zu 2, ein Arbeitgeberverband derselben Branche, wenden sich mit ihren Feststellungsklagen gegen die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 (Bundesanzeiger 2007, Nr. 242, S. 8410). Mit dieser bis zum 30. April 2010 befristeten Verordnung regelt die Beklagte, dass näher bezeichnete Rechtsnormen des Tarifvertrages über Mindestlöhne für den Bereich Briefdienstleistungen, der zwischen dem im August 2007 gegründeten Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossen wurde, auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anwendbar sind, die unter seinen Geltungsbereich fallen. Danach beträgt der Bruttomindestlohn mit Wirkung vom 1. Dezember 2007 für Briefzusteller unabhängig vom zeitlichen und/oder mengenmäßigen Anteil an der Gesamttätigkeit je nach Bundesland 9,00 € bzw. 9,80 € und für die übrigen Arbeitnehmer der Branche 8,00 € bzw. 8,40 €.

2

Am 11. September 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Postdienste e.V., dem die Deutsche Post AG angehört, und die Gewerkschaft ver.di beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Aufnahme der Branche Postdienstleistungen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zugleich die Allgemeinverbindlicherklärung eines an diesem Tag geschlossenen Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne in der Branche Postdienste. Er sollte für alle Betriebe gelten, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an der Gesamttätigkeit des Betriebes. Ein Verfahren nach § 5 TVG wurde nicht betrieben. Das Bundesministerium leitete ein Verfahren zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Arbeitnehmer-Entsendegesetz ein. Im Bundesanzeiger vom 8. November 2007 wurden der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für die Branche Postdienste und der Entwurf einer Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Briefdienstleistungen bekannt gemacht, verbunden mit der Gewährung einer Frist zur schriftlichen Stellungnahme von drei Wochen. Im gleichzeitig durchgeführten Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes war insbesondere die Reichweite des einzubeziehenden Bereichs umstritten.

3

Nach einer Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 durch Protokollnotizen Anfang November 2007 hoben die Tarifvertragsparteien ihren Tarifvertrag am 29. November 2007 unter Ausschluss von Nachwirkungen auf und schlossen am selben Tag den nunmehr von der Verordnung erfassten Tarifvertrag. Zugleich beantragten sie beim Bundesminister für Arbeit und Soziales die Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages. Den daraufhin angepassten Verordnungsentwurf leitete das Bundesministerium nur denjenigen, die sich auf die Bekanntmachung vom 8. November 2007 geäußert hatten, mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. Dezember 2007 zu. Eine neue Bekanntmachung hielt es für unnötig.

4

Die beigeladene, im Oktober 2007 gegründete Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste schloss am 11. Dezember 2007 mit dem Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. einen Tarifvertrag für das Bundesgebiet. Er betrifft Unternehmen, die Mehrwertbriefdienstleistungen anbieten, die von der Universaldienstleistung trennbar sind, besondere Leistungsmerkmale aufweisen und qualitativ höherwertig sind. Nach § 3 des Tarifvertrages beträgt der Bruttomindestlohn für Mehrwertbriefdienstleistungen mit Wirkung vom 1. Januar 2008 je nach Bundesland 6,50 € oder 7,50 €. Weiter schloss die Beigeladene am 12. Dezember 2007 mit dem Kläger zu 2 einen Tarifvertrag für alle tarifgebundenen Betriebe, die als wesentliche betriebliche Tätigkeit näher definierte Postdienstleistungen, insbesondere die gewerbsmäßige Beförderung von adressierten schriftlichen Mitteilungen bis zu 2 kg zwischen Absender und Empfänger, erbringen. Er gilt deutschlandweit. Der ab dem 1. Januar 2008 vereinbarte Bruttomindestlohn liegt ebenfalls unter den in der streitigen Verordnung bestimmten Beträgen.

5

Am 14. Dezember 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. und die Beigeladene beim Bundesministerium den von ihnen geschlossenen Tarifvertrag zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Mehrwertbriefdienstleistungen vom 11. Dezember 2007 für allgemeinverbindlich zu erklären.

6

Am 14. Dezember 2007 beschloss der Bundestag das am 28. Dezember 2007 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Dessen Art. 1 fügte in § 1 Abs. 1 Satz 4 dieses Gesetzes die Wörter "und für Tarifverträge für Briefdienstleistungen, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend gewerbs- und geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördert" ein.

7

Am 19. Dezember 2007 stimmte die Bundesregierung unter der Bedingung des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes dem Erlass der streitigen Verordnung zu.

8

Am 28. Dezember 2007 unterzeichnete der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Verordnung, die am Tag darauf im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde.

9

Im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht machten die Kläger u.a. geltend, die Verordnung verletze ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sei formell rechtswidrig, weil die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der seinerzeit geltenden Fassung - AEntG a.F. - gebotene Beteiligung der Betroffenen fehlerhaft verlaufen sei. Die Verordnung sei außerdem materiell rechtswidrig. Sie sei nicht von ihrer Ermächtigungsgrundlage gedeckt, die nur eine Erstreckung eines Tarifvertrages auf nicht anderweitig Tarifgebundene ermögliche und eine Entsendeproblematik voraussetze. Der Verordnungsgeber missbrauche seine Verordnungsmacht zu wettbewerblichen Zwecken.

10

Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag der Kläger festgestellt, die Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen verletze den Kläger zu 2 in seinem Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie die übrigen Klägerinnen in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG.

11

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Klagen seien bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Es fehle an einem konkreten Rechtsverhältnis. Der Kläger zu 2 sei als Arbeitgeberverband nicht einmal Normadressat der Verordnung. Diese begründe zwar für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unmittelbar Pflichten, aber nicht für die Beklagte. Die Rechtsverordnung sei überdies rechtmäßig. Insbesondere sei sie von der Ermächtigung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz gedeckt. Die darin verwendete Formulierung, es könne bestimmt werden, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrages auf "nicht tarifgebundene" Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung fänden, sei bei einem weiten Verständnis, wonach auch anderweitig tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer von der Rechtsverordnung erfasst würden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieses Verständnis habe die Beklagte bisher allen Mindestlohnverordnungen zugrunde gelegt.

12

Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsverfahren das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgewiesen. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten - hinsichtlich des Klägers zu 2 - zurückgewiesen. Hinsichtlich der Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien die Sachurteilsvoraussetzungen einer Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO nicht erfüllt. Zwar seien die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 kraft Verordnung unmittelbar verpflichtet, ihren Arbeitnehmern den im Tarifvertrag vom 29. November 2007 bestimmten Mindestlohn zu gewähren. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten begründe dies jedoch kein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Der Zulässigkeit stehe zudem die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) entgegen, die rechtswegübergreifend zu verstehen sei. Die Rechtmäßigkeit der Verordnung könne inzident im arbeitsgerichtlichen Verfahren geklärt werden. Die Feststellungsklage des Klägers zu 2 sei dagegen zulässig. Zwar begründe die Rechtsverordnung für ihn keine unmittelbaren Pflichten. Sie betreffe ihn aber in seinen satzungsmäßigen Aufgaben als Arbeitgeberverband, zu denen auch der Abschluss von Tarifverträgen gehöre. Dem Kläger zu 2 werde durch die Rechtsverordnung die Möglichkeit genommen, im Geltungsbereich des Tarifvertrages für seine Mitglieder abweichende Tarifverträge abzuschließen. Damit werde der Kläger zu 2 in seiner grundrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit als Arbeitgeberkoalition eingeschränkt. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG schütze auch die Koalition selbst in ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Die Klage des Klägers zu 2 sei auch begründet. Der Erlass der Verordnung verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Überdies verstoße die Verordnung gegen den Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 80 Abs. 1 GG, weil die in der Verordnung zitierte gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG es nur zulasse, dass alle unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden und nicht bereits anderweitig tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von deren Geltungserstreckung erfasst würden. Die Verordnung greife auch deshalb unzulässig in verfassungsmäßige Rechte des Klägers zu 2 ein, weil die Beklagte bei ihrem Erlass die in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG geregelten Beteiligungsrechte missachtet haben. Die Anfang November eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme durch die erfolgte Veröffentlichung im Bundesanzeiger habe den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Die Aufhebung des alten und der Abschluss eines neuen Tarifvertrages hätten die Einleitung eines neuen Verfahrens mit erneuter Beteiligung erforderlich gemacht.

13

Gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts haben die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

14

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 rügen, dass das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht von der Unzulässigkeit ihrer Klage ausgegangen sei. In Übereinstimmung mit dem Kläger zu 2 machen sie geltend, die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechtspositionen.

15

Die Klägerin zu 1 beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufzuheben, soweit es die Klage der Klägerin und Berufungsbeklagten zu 1 abgewiesen hat, und die Berufung der Beklagten auch insoweit zurückzuweisen.

16

Die Klägerinnen zu 3 und 4 beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

17

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 abzuändern, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und die Klage des Klägers zu 2 abzuweisen und die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zurückzuweisen.

18

Der Kläger zu 2 beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

19

Die Beklagte hält die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 für unzulässig und die Klage des Klägers zu 2 für unbegründet. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten bestehe kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, weil die streitige Verordnung vom 28. Dezember 2007 die Rechtsbeziehungen zwischen Normgeber und Normadressaten nicht unmittelbar gestalte. Dessen ungeachtet sei eine Feststellungsklage auch subsidiär. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 hätten die Möglichkeit, die Verordnung vom 28. Dezember 2007 in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht oder, soweit Überwachungs- und Sanktionsmaßnahmen in Betracht kämen, vor dem Finanzgericht inzident überprüfen zu lassen.

20

Die Klage des Klägers zu 2 sei unbegründet. Die Verordnung vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtmäßig, insbesondere sei die Einholung einer erneuten Stellungnahme der von der Verordnung betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 nicht mehr erforderlich gewesen.

Entscheidungsgründe

21

Die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben Erfolg. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung von § 43 VwGO, in dem es zu Unrecht annimmt, die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien mangels eines feststellbaren Rechtsverhältnisses zwischen Normgeber und Normadressat und wegen der Subsidiarität der Feststellungsklagen unzulässig (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Die Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Deshalb führen die Revisionen insoweit zur Aufhebung des Urteils (1.). Die Revision der Beklagten erweist sich nicht als begründet. Das Oberverwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellungsklage des Klägers zu 2 zulässig ist (2.). Auch seine Annahme, der Kläger zu 2 sei wegen Missachtung des in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens in seinen Rechten verletzt, ist frei von Rechtsfehlern. Die Missachtung des Beteiligungsverfahrens verletzt in gleicher Weise auch die Rechte der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 (3.).

22

1. Die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 sind zulässig.

23

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

24

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (Urteile vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <329 f.> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30 S. 87 f., vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264> = Buchholz 454.9 MietpreisR Nr. 15 S. 2 f. und vom 20. November 2003 - BVerwG 3 C 44.02 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 37). Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss "in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig" sein (Urteile vom 13. Oktober 1971 - BVerwG 6 C 57.66 - BVerwGE 38, 346 m.w.N. = Buchholz 232 § 123 BBG Nr. 8 und vom 30. Mai 1985 - BVerwG 3 C 53.84 - BVerwGE 71, 318 = Buchholz 418.32 AMG Nr. 13; Beschluss vom 12. November 1987 - BVerwG 3 B 20.87 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 97). Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (Urteil vom 23. Januar 1992 a.a.O. S. 330 bzw. S. 88). Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Darauf beschränkt sich das Klagebegehren bei sinngemäßer Auslegung nach § 88 VwGO jedoch nicht.

25

aa) Der Antrag der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 festzustellen, dass die Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt, richtet sich nicht auf die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Norm, so dass § 47 VwGO gegenüber dem Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keine Sperrwirkung entfaltet. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt (Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355 <363> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 238). Von einer "Umgehung" des § 47 VwGO kann nur dann die Rede sein, wenn mit einem auf eine andere Klageart gestützten Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm oder einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines ungewissen künftigen Sachverhalts erreicht werden soll; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen theoretisch zu lösen (Urteil vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 78). Anders liegt es dagegen, wenn - wie vorliegend - die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm als - wenn auch streitentscheidende - Vorfrage aufgeworfen wird (Urteile vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - a.a.O. und vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <278> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1; so auch BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 541/02 u.a. - BVerfGE 115, 81 <95 f.>). Mit dem Feststellungsbegehren werden subjektive Rechtspositionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 geltend gemacht, um Einschränkungen der tarifautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes abzuwehren.

26

bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts besteht zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten ein feststellungsfähiges konkretes streitiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Es ergibt sich aus der Anwendung der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 3a AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3140) und der den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 verbürgten Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG. Streitig ist, ob der zuständige Minister der Beklagten formell- und materiellrechtlich gegenüber den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 befugt war, auf der Grundlage des § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (a.F.) die streitige Rechtsverordnung zu erlassen, und ob die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nach wie vor berechtigt sind, ihre Arbeitnehmer zu niedrigeren Löhnen zu beschäftigen, als es den im Verordnungsweg erstreckten Mindestlohnregelungen entspricht. Das Vorbringen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, wegen eingegangener anderweitiger Tarifbindung würden sie von der Erstreckungsregelung in der Rechtsverordnung nicht erfasst, lässt sich als ein Geltendmachen des "Nichtbestehens" eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO deuten.

27

Ein im Verhältnis zur Beklagten feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil das Recht der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, die Zahlung des Mindestlohns zu verweigern, nicht gegenüber der Beklagten, sondern nur gegenüber ihren Arbeitnehmern bestünde. Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und ihren Arbeitnehmern schließt das gleichzeitige Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten als Verordnungsgeberin nicht aus. Beide Rechtsverhältnisse sind von einander abzugrenzen, weil sie auf der Anwendung unterschiedlicher Rechtsnormen beruhen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zu ihren Arbeitnehmern richtet sich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen des Privatrechts sowie - bei wirksamer Erstreckung - der tariflichen Mindestlohnvereinbarung. Das streitige Rechtsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten beurteilt sich hingegen nach § 1 Abs. 3a Satz 1 und 2 AEntG a.F. und den Grundrechtspositionen, in deren Schutzbereich die tarif- oder privatautonome Vereinbarung von Arbeitsentgelten fällt. Wegen des von den Klägerinnen zu 3 und 4 zwischenzeitlich abgeschlossenen Mantel-/Haustarifvertrages vom 23. April 2008 und der Bindung der Klägerin zu 1, die Mitglied im Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste ist, an den Tarifvertrag vom 11. Dezember 2007 kommt eine Verletzung ihrer positiven, ihnen als Arbeitgebern zustehenden Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG in Betracht. Jedenfalls ist ihre Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berührt, weil die Erstreckung von Mindestlohntarifregelungen das Recht des Arbeitgebers einschränkt, die Arbeitsbedingungen privatautonom zu gestalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Dezember 2004 - 1 BvR 2283/03, 2504/03 und 2582/03 - NZA 2005, 153 <155>).

28

cc) Die Annahme eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses scheitert vorliegend auch nicht daran, dass eine Feststellungsklage des Normadressaten unmittelbar gegen den Normgeber im Regelfall ausscheidet. Da nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist und Art. 83 GG ebenso grundsätzlich bestimmt, dass die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, d.h. sie verwaltungsmäßig umsetzen, eröffnet sich im Regelfall ein Rechtsverhältnis zwischen Normadressaten und Normanwender, nicht hingegen zwischen Normadressaten und Normgeber, weil Letzterer an der Umsetzung der Norm gegenüber dem Adressaten nicht beteiligt ist (Urteil vom 23. August 2007 - BVerwG 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 <204> = Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 5). Das schließt jedoch nicht aus, über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinaus - wenn etwa das Recht des Betroffenen auf Gleichbehandlung den Erlass oder die Änderung einer Rechtsnorm gebietet (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 4. Juli 2002 - BVerwG 2 C 13.01 - Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2 und vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93) - eine Feststellungsklage gegen den Normgeber auch für zulässig zu halten, wenn mangels administrativen Vollzugs kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Normanwender und Normadressat begründet, die Rechtsbeeinträchtigung bereits unmittelbar durch die Norm bewirkt wird und effektiver Rechtsschutz nur im Rechtsverhältnis zwischen Normgeber und Normadressat gewährt werden kann.

29

Dass eine Norm "self-excuting" ist, d.h. dass sich aus ihr unmittelbar Rechte und Pflichten ergeben, begründet jedoch noch kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Normgeber, soweit dort noch Verwaltungsvollzug möglich ist (vgl. Urteil vom 23. August 2007 a.a.O. S. 205). Auch bei solchen Normen können sich normbetroffene Personen und eine die Norm vollziehende Behörde gegenüberstehen, die die Regelungen konkretisiert oder individualisiert und Anordnungen für den Einzelfall aufgrund gesetzlicher Befugnisse trifft. In solchen Fällen muss die Feststellung eines konkreten streitigen Rechtsverhältnisses zwischen Normadressat und Normanwender geklärt werden und nicht eine Rechtsbeziehung zum Normgeber.

30

Eine Feststellungsklage gegen den Normgeber kommt mithin nur dann in Betracht, wenn die Rechtsverordnung unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist (vgl. etwa Urteil vom 1. März 1967 - BVerwG 4 C 74.66 - BVerwGE 26, 251 <253> = Buchholz 445.4 § 23 WHG Nr. 2; Beschluss vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 7 VR 1.02 - Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 2; Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <279> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1, vom 26. November 2003 - BVerwG 9 C 6.02 - BVerwGE 119, 245 <249> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 2 und vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <155 f.> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3). Das ist hier der Fall. Aus der Erstreckung tarifvertraglicher Regelungen durch § 1 BriefArbbV ergeben sich unmittelbar Pflichten der von ihrem Anwendungsbereich erfassten Arbeitgeber. Eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Maßnahmen des Verwaltungsvollzugs ist nicht vorgesehen.

31

Nach dem Wortlaut des § 1 BriefArbbV führt die Erstreckung der Rechtsnormen des zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrages vom 29. November 2007 dazu, dass dessen Regelungen auf alle nicht bereits an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzuwenden sind. Sie gelten damit kraft Tariferstreckung durch Rechtsverordnung, indem sie die betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den persönlichen Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages einbeziehen. Die Betroffenen unterliegen damit der Bindung an die Regelungen des Tarifvertrages ebenso wie die Tarifvertragsparteien. Nach § 4 Abs. 1 TVG verdrängen tarifvertragliche Regelungen in ihrem Geltungsbereich grundsätzlich entgegenstehende arbeitsvertragliche Abreden, ohne dass es dazu einer Umsetzung oder anderer Maßnahmen bedarf (Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl. 2004, § 4 Rn. 21). Bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs tarifvertraglicher Regelungen nach § 1 Abs. 3a AEntG tritt die unmittelbare Gestaltungswirkung jedenfalls bei Arbeitsverhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein, die bisher keiner Tarifbindung unterlagen. Auch bei Arbeitsverhältnissen, auf die unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen Anwendung finden können, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass die Rechtsverordnung eine Verpflichtung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Zahlung des Mindestlohns begründet. Auch die Beklagte geht davon aus, dass durch die unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung eine anderweitige Tarifbindung verdrängt wird.

32

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Fälle der Tarifkonkurrenz, d.h. der Bindung beider Arbeitsvertragsparteien an konkurrierende Tarifverträge, grundsätzlich nach den Regeln der sog. Tarifspezialität zu lösen. Zur Anwendung kommt der speziellere Tarifvertrag, der dem betreffenden Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am nächsten steht. Das gilt auch bei einer Tarifkonkurrenz zwischen einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag nach § 5 TVG und einem nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag und für die Fälle der Tarifpluralität, also der Bindung eines Arbeitgebers an mehrere Tarifverträge (BAG, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 10 AZR 113/02 - AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; a.A. LAG Frankfurt/Main, Urteil vom 14. Juli 2003 - 16 Sa 530/02 - DB 2004, 1786). Der Vorrang des spezielleren Tarifvertrages gilt allerdings dann nicht, wenn der speziellere Tarifvertrag ohne Tarifbindung des Arbeitgebers lediglich einzelvertraglich vereinbart worden ist (BAG, Urteile vom 22. September 1993 - 10 AZR 207/92 - AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz und vom 4. Dezember 2002 a.a.O.).

33

Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 und 3 AEntG a.F. werden Tarifkonkurrenzen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch nach dem Günstigkeitsprinzip gelöst. Die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung verdrängt die ungünstigere, unabhängig davon, ob der betreffende Tarifvertrag aufgrund vertraglicher Bindung nach § 3 TVG oder aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung anzuwenden ist (BAG, Urteile vom 20. Juli 2004 - 9 ARZ 343/03 - BAGE 111, 247 und vom 18. Oktober 2006 - 10 AZR 576/05 - BAGE 120, 1). Wird die Tarifkonkurrenz auch bei einer Erstreckung tariflicher Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung nach dem Günstigkeitsprinzip aufgelöst, ergibt sich für alle Arbeitgeber, die nicht bereits aufgrund anderweitiger Tarifbindung zur Zahlung des Mindestlohnes verpflichtet sind, diese Pflicht aus der unmittelbaren Einbeziehung in den Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages.

34

Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sieht wegen der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der durch die Rechtsverordnung erstreckten Tarifnormen keine Umsetzungs- bzw. Vollzugsakte vor, sondern beschränkt sich darauf, Verstöße mit Sanktionen zu bewehren (vgl. § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 4 AEntG a.F. i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 OWiG zur Zuständigkeit der Bundesbehörden; § 5 Abs. 1 und 2 AEntG a.F.). Eine Verfolgung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit ist jedoch nicht geeignet, zwischen den Klägerinnen und der Beklagten ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zu begründen. Ein solches Rechtsverhältnis besteht ausschließlich zur Beklagten als Normgeberin, die die Pflichtenregelung durch die Bekanntgabe im Bundesanzeiger ausgelöst hat und die sie wieder aufheben könnte (Beschluss vom 19. Dezember 2002 a.a.O.).

35

Diese Annahme steht nicht im Widerspruch zur nicht entscheidungstragenden Erwägung im Urteil des 7. Senats vom 23. August 2007 (a.a.O.), dass es über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinausgehend keiner weiteren "atypischen Feststellungsklagen" gegen den Normgeber bedürfe. Diese Formulierung ist nicht dahingehend zu verstehen, dass ein konkretes Rechtsverhältnis zum Normgeber in allen anderen Fällen begrifflich ausgeschlossen wäre, sondern erklärt sich daraus, dass regelmäßig, wie im seinerzeit zu entscheidenden Fall, die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Norm im Rahmen der gegen die Vollzugsbehörde gerichteten Feststellungsklage als inzident zu prüfende Vorfrage geklärt werden kann. So wurde damals die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gegen den Normgeber mit Blick auf die Befugnis in § 21 KrW-/AbfG zum Vollzug der Verpackungsverordnung verneint. Mit der Frage, ob bei Fehlen des Verwaltungsvollzugs eine Feststellungsklage gegen den Normgeber in Betracht kommt, setzt sich die Entscheidung des 7. Senats nicht auseinander.

36

Für die Annahme eines streitigen Rechtsverhältnisses genügt es, dass die Möglichkeit der Verdrängung einer anderweitigen Tarifbindung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 durch eine unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung besteht, deren Beachtung von der Beklagten eingefordert wird. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Feststellungsklage muss weder abschließend geklärt werden, ob bei einer Tariferstreckung nach § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG a.F. das Günstigkeitsprinzip anzuwenden ist, noch, ob sich die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unter Hinweis auf den Grundsatz der Spezialität auf einen betriebsnäheren Tarifvertrag berufen können, der ihre Verpflichtung zur Zahlung eines erstreckten Mindestlohnes entfallen lässt. Fragen zur Wirksamkeit der von den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgeschlossenen Tarifverträge sind daher ebenfalls unerheblich.

37

b) Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben auch ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung. Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art ein. Unabhängig von den Sanktionen, die den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 drohen, falls sie den festgesetzten Bruttomindestlohn ihren Arbeitnehmern nicht bezahlen, ergibt sich ein wirtschaftliches Interesse der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 schon daraus, dass sie wegen der finanziellen Belastung möglichst frühzeitig wissen wollen, ob sie verpflichtet sind, den festgesetzten Bruttomindestlohn zu zahlen. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 können daneben auch geltend machen, dass sie durch die Erstreckungswirkung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und/oder von Art. 9 Abs. 3 GG ist jedenfalls möglich.

38

c) Zu Unrecht hat das Oberverwaltungsgericht eine Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO bejaht und angenommen, eine mögliche Klärung des Rechtsstreits sei in einem arbeitsgerichtlichen Prozess aus prozessökonomischen Gründen vorrangig.

39

Wegen des fehlenden Verwaltungsvollzugs können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keinen Rechtsschutz durch eine verwaltungsgerichtliche Gestaltungsklage im Wege der Anfechtung erlangen. Auch eine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage scheidet aus.

40

Eine Subsidiarität gegenüber Rechtsbehelfen zu den Arbeits- oder Finanzgerichten ist nicht gegeben. Ebenso wenig können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 darauf verwiesen werden, vorrangig in einem Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz eine Klärung der aufgeworfenen Fragen herbeizuführen. Das Berufungsgericht wird im angegriffenen Urteil der Zielsetzung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht gerecht. Diese Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (Urteil vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93). Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 3 C 8.95 - Buchholz 418.61 Tierkörperbeseitigungsgesetz Nr. 12). Wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtswege gilt diese Zielsetzung "rechtswegübergreifend", d.h. etwa auch dann, wenn die mit der Feststellungsklage konkurrierende Klage vor dem Zivilgericht zu erheben ist (Urteile vom 18. Oktober 1985 - BVerwG 4 C 21.80 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 28 = BVerwGE 72, 172 und vom 12. Juli 2000 - BVerwG 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 <308 f.> = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133). Eine Subsidiarität ist jedoch zu verneinen, wenn die Feststellungsklage - wie hier - effektiveren Rechtsschutz bietet (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <156> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3).

41

Die Feststellungsklage ist nicht subsidiär gegenüber der Möglichkeit, sich gegen Leistungsklagen der Arbeitnehmer auf Lohnzahlung vor den Arbeitsgerichten zu wehren und in diesen Verfahren eine inzidente Kontrolle der BriefArbbV herbeizuführen. Zum einen legt der Wortlaut des § 43 Abs. 2 VwGO nahe, dass die Subsidiarität die Möglichkeit anderweitiger aktiver Geltendmachung eigener Rechte, und nicht nur eine Verteidigungsmöglichkeit oder eine mögliche Beteiligung als Dritter voraussetzt. Im Übrigen würde die Stellung als Beklagte im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nicht davor schützen, von der zuständigen Behörde vor Ergehen eines rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts über die Lohnklage mit Sanktionen wegen der Nichtgewährung des Mindestlohns belangt zu werden.

42

Es ist für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 auch nicht zumutbar, über ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eine gerichtliche Klärung zu erreichen (Urteil vom 13. Januar 1969 - BVerwG 1 C 86.64 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 31 = BVerwGE 31, 177). § 5 Abs. 3 AEntG a.F. erlaubt eine Ahndung mit bis zu 500 000 €. Dass die Beklagte ihre Behörden angewiesen hat, während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Sanktionen zu verhängen und sich auf Ermittlungen zu beschränken, bedeutet keinen Verzicht, sondern nur einen zeitlichen Aufschub. Da die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 Klarheit haben wollen, ob sie verpflichtet sind, allen bei ihnen beschäftigten Mitarbeitern den Bruttomindestlohn zu zahlen, geht es ihnen auch nicht lediglich darum, vorbeugenden Rechtsschutz gegenüber etwaigen späteren Bußgeldverfahren zu erlangen (Urteile vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207 <213> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 16 und vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <331> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30).

43

Soweit nach § 23 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. April 2009 (BGBl I S. 818), der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet ist, handelt es sich um Rechtsbehelfe gegen Prüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen sowie gegen datenschutzrechtlich relevantes Handeln der Finanzbehörden im Zuge der Verfolgung von Verstößen gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Unterlassungsklagen dagegen stellen keinen effektiven Rechtsschutz hinsichtlich der Klärung der geltend gemachten Rechtsverletzungen durch die Verordnung dar, der einer Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO vorgeht.

44

2. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage des Klägers zu 2 im Ergebnis zu Recht bejaht.

45

a) Auch zwischen dem Kläger zu 2 und der Beklagten besteht ein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Gegenstand des Streits zwischen diesen Beteiligten ist die Anwendung des § 1 Abs. 3a AEntG und der darauf gestützten BriefArbbV auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Betätigung des Klägers zu 2 als Arbeitgeberverband (Koalition). Streitig ist, ob § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG zur Tariferstreckung gegenüber anderweitig tarifgebundenen Arbeitgebern ermächtigt mit der Folge, dass vom Kläger zu 2 wirksam abgeschlossene oder noch abzuschließende Tarifverträge bei Anwendung des Günstigkeitsprinzips verdrängt würden, und ob dem Kläger zu 2 wegen eines mittelbaren Eingriffs in sein Recht auf koalitionsgemäße Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG ein Abwehrrecht gegen die Geltungserstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen nach § 1 BriefArbbV zusteht, obwohl die Verordnung nur für seine Mitglieder, und nicht für ihn selbst unmittelbar Rechte und Pflichten begründet.

46

Für das Vorliegen eines im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO streitigen konkreten Rechtsverhältnisses ist es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht erforderlich, abschließend zu klären, ob die zwischen den Beteiligten streitige Befugnis zum Erlass der Verordnung und das geltend gemachte Abwehrrecht tatsächlich bestehen.

47

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zwischen ihr und dem Kläger zu 2 weder voraus, dass die umstrittene Verordnung den Arbeitgeberverband unmittelbar verpflichtet, noch, dass sie ihm den Abschluss den Mindestlohn unterschreitender Tarifverträge verbietet. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit kann auch mittelbaren Beeinträchtigungen der koalitionsgemäßen Betätigung entgegengehalten werden.

48

Art. 9 Abs. 3 GG schützt die Koalition selbst in ihrem Bestand, in ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen (BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 u.a. - BVerfGE 50, 290 <373 f.>; Beschlüsse vom 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212 <224>, vom 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93, 1 BvR 897/95 - BVerfGE 100, 271 <282> und vom 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293 <304>). Der Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigungen beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (Beschluss vom 27. April 1999 a.a.O. m.w.N.) und umfasst insbesondere auch die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht. Das Aushandeln von Tarifverträgen ist ein wesentlicher Zweck der Koalitionen (BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 268 <283> m.w.N.). Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (BVerfG, Beschlüsse vom 24. April 1996 a.a.O., vom 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - BVerfGE 93, 353 <358> und vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - NJW 2007, 51 <53>). Die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben für geeignet halten, bleiben unter dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen überlassen (BVerfG, Beschluss vom 28. April 1976 - 1 BvR 71/73 - BVerfGE 42, 133 <138>; Urteil vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 u.a. - BVerfGE 92, 365 <393>). Allerdings schützt Art. 9 Abs. 3 GG einen Arbeitgeberverband nicht gegen ein tarifpolitisches Konkurrenzverhältnis, selbst wenn dieses den Verlust von Verbandsmitgliedern zur Folge haben kann (Beschlüsse vom 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322 <352> m.w.N. und vom 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 - BVerfGE 55, 7 <24>). Die Koalitionsfreiheit schützt aber vor staatlicher Einflussnahme auf das Konkurrenzverhältnis.

49

Solche für den Kläger zu 2 als Arbeitgeberverband nachteiligen mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit ergeben sich bei Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips aus der Verdrängungswirkung der erstreckten tariflichen Mindestlohnvereinbarung gegenüber den Mindestlohn unterbietenden, bereits abgeschlossenen oder noch abzuschließenden Tarifverträgen im selben Geltungsbereich. Auf die Frage, ob der vom Kläger zu 2 bereits abgeschlossene Tarifvertrag wirksam ist, und auf die in diesem Zusammenhang erhobenen, arbeitsgerichtlich noch nicht rechtskräftig geklärten Bedenken gegen die Tariffähigkeit und Gegnerfreiheit der Beigeladenen kommt es für die Geltendmachung einer mittelbaren Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit nicht an. Auch wenn die Verdrängungswirkung sich noch nicht aktualisiert haben sollte, verschlechtert sie bereits jetzt die Verhandlungsposition der Arbeitgeberverbände, die nicht am Abschluss des erstreckten Tarifvertrages beteiligt waren. Die Erstreckung der Geltung tariflich vereinbarter Mindestarbeitsbedingungen auf anderweitig Tarifgebundene beeinträchtigt die Verhandlungs- und Wettbewerbsposition der nicht am Tarifvertragsschluss beteiligten Koalitionen jedenfalls insoweit, als sie mit einer Verdrängung ihrer - auch künftigen - Tarifabreden rechnen müssen. Aufgrund der durch die Rechtsverordnung erfolgten Erstreckung des Tarifvertrages vom 29. November 2007 kann der Kläger zu 2 seine durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten tarif- und sozialpolitischen Zielvorstellungen beim angestrebten Abschluss anderweitiger Tarifverträge mit von der Allgemeinverbindlicherklärung abweichendem Inhalt nur noch im beschränkten Maße verwirklichen. Seine koalitionsspezifische Verhandlungsposition wird durch den Erlass der Rechtsverordnung damit beeinträchtigt. Für ihn verschlechtern sich die Möglichkeiten, unbehindert von den Rechtswirkungen der Tariferstreckung mit Arbeitnehmerkoalitionen Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, die seinen tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und denjenigen seiner Mitgliedsunternehmen entsprechen.

50

Die Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit kann im Einzelfall durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein, ist aber jedenfalls rechtfertigungsbedürftig. Das reicht für das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO aus.

51

Dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2000 - 1 BvR 948/00 - (GewArch 2000, 381 f.) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Denn weder er selbst noch die darin in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verhalten sich zur Frage, ob in einer Erstreckung tarifvertraglicher Normen auf einen Arbeitgeberverband eine rechtfertigungsbedürftige mittelbare Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit liegen kann.

52

b) Das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse des Klägers zu 2 an der baldigen Feststellung liegt vor. Der Kläger zu 2 ist mittelbar eingeschränkt, seine tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele zu verfolgen und entsprechend diesen Zielvorstellungen für seine Mitgliedsunternehmen von dem durch Rechtsverordnung erstreckten Tarifvertrag abweichende Arbeitsbedingungen auszuhandeln und abzuschließen. Er hat ein geschütztes wirtschaftliches und ideelles Interesse daran, die Rechtmäßigkeit seiner Einschränkung gerichtlich durch Feststellungsklage überprüfen zu lassen und kann eine mögliche Verletzung seiner Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG geltend machen.

53

c) Die vom Kläger zu 2 erhobene Feststellungsklage ist auch nicht unzulässig, weil sie gegenüber einer Klage vor den Arbeitsgerichten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG) subsidiär wäre. Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem TVG oder über das Bestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Für solche sog. Verbandsklagen ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Dabei handelt es sich um eine "quasi-Normenkontrolle" (Reinecke, in: Däubler, Kommentar zum Tarifvertragsgesetz, 2. Aufl. 2006, § 9 Rn. 3) der Tarifvertragsparteien, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben. Der Kläger zu 2 scheidet als Partei eines Verfahrens nach § 9 TVG gegen den Tarifvertrag vom 29. November 2007 von vornherein aus, weil er an dessen Abschluss nicht beteiligt war.

54

Der Kläger zu 2 kann auch nicht auf den Abschluss eines eigenen Tarifvertrages verwiesen werden, um dann gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG dessen Gültigkeit im Wege der Verbandsklage abklären zu lassen. Mit einer solchen Klage kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages, jedoch nicht geklärt werden, ob ein Tarifvertrag nach den Regelungen der Tarifkonkurrenz oder aus anderen Gründen gegenüber anderen Tarifverträgen zurücktritt (Franzen, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2010, § 9 TVG Rn. 7). Sie könnte den Kläger zu 2 jedenfalls vor den hier in Betracht zu ziehenden mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit, die von der Rechtsverordnung ausgehen, nicht schützen.

55

3. Gegen die selbstständig tragende Annahme des Berufungsgerichts, dass beim Erlass der Rechtsverordnung zur Erstreckung der tariflichen Mindestlohnregelungen das vorgeschriebene Verfahren nicht beachtet worden ist und dass die wegen der Evidenz des Verfahrensfehlers rechtswidrige Verordnung den Kläger zu 2 in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt, ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.

56

a) Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die BriefArbbV den Kläger zu 2 in seinen Rechten verletzt, weil die Beklagte beim Erlass der Rechtsverordnung das gesetzlich in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebene Verfahren missachtet hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem dort geregelten Beteiligungsgebot komme wegen des Fehlens sonstiger materiellrechtlicher Anforderungen an den Erlass der Rechtsverordnung einerseits und der handgreiflichen Betroffenheit der Arbeitgeberseite im grundrechtlich geschützten Bereich andererseits wesentliche Bedeutung für die Abwägung der für und wider den Erlass der Rechtsverordnung streitenden Erwägungen zu, ist nicht zu beanstanden. Der Senat teilt die Auffassung, dass zwischen den normativen Regelungen des Tarifvertrages und dem Beteiligungsrecht ein unmittelbarer Bezug dergestalt besteht, dass sich die Gelegenheit zur Stellungnahme der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die konkrete Tarifvertragsvereinbarung beziehen muss und nicht allgemein auf ein "Projekt", das in einer Branche Mindestarbeitsbedingungen mit dem Instrumentarium des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes festlegen will.

57

b) Gemäß § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor Erlass der Rechtsverordnung den in den Geltungsbereich der vorgesehenen Rechtsverordnung fallenden Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. nicht dahingehend zu interpretieren, dass es ausreicht, den zu Beteiligenden auch in dem Fall Gelegenheit zur Stellungnahme nur zum ursprünglichen Entwurf der Rechtsverordnung zu geben, wenn dieser im weiteren Verlauf des Verfahrens wesentlich in seinem Inhalt verändert wird. Die gegenteilige Annahme der Beklagten lässt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung, noch aus ihrem Sinn und Zweck und ihrer Systematik herleiten.

58

Bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. ergibt sich, dass das Recht zur Stellungnahme auf den konkreten Tarifvertrag bezogen ist, dessen Rechtsnormen durch Rechtsverordnung auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt werden sollen. Zu beteiligen sind nicht nur diejenigen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die unter den Anwendungsbereich der Rechtsverordnung fallen, sondern auch die Parteien des Tarifvertrages, dessen Regelungen erstreckt werden sollen. Damit besteht zwischen den Rechtsnormen des konkreten, zu erstreckenden Tarifvertrages und dem Recht zur Stellungnahme eine unmittelbare Beziehung, die das Oberverwaltungsgericht zutreffend mit "handgreiflicher Betroffenheit" jedenfalls im grundrechtlich geschützten Bereich umschrieben hat. Existiert der ursprüngliche Tarifvertrag nicht mehr und wird ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, so bedarf es grundsätzlich auch eines hierauf bezogenen neuen Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung und einer erneuten Beteiligung im Sinne des Gesetzes.

59

Auch der erkennbare Zweck des Rechts zur Stellungnahme spricht für eine erneute Beteiligung im vorliegenden Fall. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. dient nicht nur der Information des zuständigen Ministeriums, sondern soll den Betroffenen die Möglichkeit einräumen, ihre Rechte geltend zu machen. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gewährt den betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages das Recht zur Stellungnahme, weil sich die Geltungserstreckung eines Tarifvertrages per Rechtsverordnung unmittelbar gestaltend auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse auswirkt. Betroffen sind grundrechtlich geschützte Positionen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da die Freiheit zur privatautonomen Gestaltung der Arbeitsverhältnisse eingeschränkt wird. Die damit einhergehende finanzielle Belastung der Arbeitgeber durch die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns kann je nach Wirtschaftslage und Kostenstruktur eines betroffenen Unternehmens unter Umständen auch zu betriebsbedingten Kündigungen führen und so mittelbar die freie Berufsausübung der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Die Beteiligung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. soll gewährleisten, dass der Verordnungsgeber diese Gesichtspunkte und die Interessen aller Betroffenen in das Verordnungsverfahren einbezieht, um in einem späteren Abwägungsvorgang die widerstreitenden Interessen zu gewichten und zu werten (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 4. Dezember 1998, BTDrucks 14/151 S. 32 f.). Wegen der eingeschränkten Kontrolldichte bei der Prüfung gesetzgeberischer Einschätzungen und Zielsetzungen im Bereich des Arbeits- und Wirtschaftsrechts ist die vom Gesetz eingeräumte Gelegenheit zur Geltendmachung eigener Rechte vor Inkrafttreten der Regelung von besonderer Bedeutung. Da die Verordnung unmittelbare Gestaltungswirkung hat und ein administrativer Vollzug nicht vorgesehen ist, können die Betroffenen auch nicht auf ein Verwaltungsverfahren verwiesen werden, um dort rechtliches Gehör nach Maßgabe der Vorschriften des VwVfG zu erlangen. Ihre rechtlichen Interessen können sie nur im Rahmen der Beteiligung vor Erlass der Verordnung zu Gehör bringen.

60

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Vergleich mit dem Konsultations- und Konsolidierungsverfahren, das von der Bundesnetzagentur im Marktregulierungsverfahren (vgl. §§ 9 f. TKG) durchzuführen ist, zu keinem anderen Ergebnis, weil dieses Verfahren anderen Zwecken dient. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - (BVerwGE 131, 41 <59 f.>) dazu ausgeführt: "Bei der Konsultation geht es nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie um die Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Regulierungsadressaten ..., sondern um die Herstellung umfassender Transparenz gegenüber der interessierten Fachöffentlichkeit." Daher bezieht die Konsultation neben den Antragstellern und den Adressaten gemäß § 12 Abs. 1 TKG auch nur "interessierte" Dritte mit ein, und ist das Konsultationsergebnis nach § 5 TKG zu veröffentlichen.

61

Der von der Beklagten vorgenommene Vergleich mit Anhörungspflichten aus dem Bereich planerischer oder planungsähnlicher Verwaltungsentscheidungen führt zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung. Vielmehr sieht § 73 VwVfG, der das Anhörungsverfahren für den Bereich der Planfeststellung regelt, ebenfalls eine erneute Anhörung für den Fall der Planänderung vor (vgl. § 73 Abs. 8 VwVfG).

62

Auch aus § 28 Abs. 1 VwVfG folgt nicht, dass eine einmalige Anhörung in allen Verwaltungsverfahren auch im Falle nachträglich erfolgter wesentlicher Änderungen des Anhörungsgegenstandes ausreichend ist, um dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs zu genügen. § 28 VwVfG gilt überdies ausschließlich für Verwaltungsverfahren, die in den Erlass eines Verwaltungsakts münden und ist auf die Beteiligung in einem Normerlassverfahren weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. § 1 Abs. 3a AEntG a.F. ist insofern lex specialis.

63

Für die Notwendigkeit einer erneuten Beteiligung vor Erlass der Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a AEntG für den Fall einer wesentlichen Änderung des ursprünglichen Tarifvertrages, dessen Erklärung als allgemeinverbindlich zunächst beantragt worden war, spricht auch die Gesetzessystematik. Mit § 1 Abs. 3a AEntG a.F. sollte im Interesse einer wirksamen Durchführung des Gesetzes die bislang ausschließliche Anknüpfung an allgemeinverbindliche Tarifverträge um eine Ermächtigung zur Tariferstreckung durch Rechtsverordnung ergänzt werden. In Bezug auf die Verbindlichkeit der einzuhaltenden Arbeitsbedingungen sollte sich hieraus kein Unterschied ergeben (BTDrucks 14/45 S. 17, 25, 26). § 5 Abs. 1 und 2 TVG stellt sowohl hinsichtlich der am Verfahren zu Beteiligenden als auch bezüglich der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages höhere Anforderungen als das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Nach § 5 Abs. 1 TVG ist neben dem Antrag einer Tarifvertragspartei und dem Einverständnis des Ausschusses, der aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, für die Allgemeinverbindlicherklärung erforderlich, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 v.H. der unter den Geltungsbereich des zu erstreckenden Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen (Grundsatz der Repräsentativität) und dass die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Ferner sieht § 5 Abs. 2 TVG unter anderem vor, dass vor der Entscheidung über den Antrag den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen würden, sowie den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben ist. Dagegen ist nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. weder ein Ausschuss aus Interessenvertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beteiligen noch ist dessen Einvernehmen vor dem Erlass der Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erforderlich. Auch das Erfordernis des sog. 50 %-Quorums und des öffentlichen Interesses im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG sind dem Wortlaut des § 1 Abs. 3a AEntG a.F. nicht zu entnehmen. Er verlangt für den Erlass einer Rechtsverordnung lediglich einen Antrag einer Tarifvertragspartei auf Allgemeinverbindlicherklärung. Dieser Verzicht auf die Abstimmung mit einem Ausschuss, der mit den jeweiligen Interessenvertretern besetzt ist, und der Verzicht auf inhaltliche Vorgaben für den Erlass einer erstreckenden Rechtsverordnung verleihen dem in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG vorgesehenen Recht auf Stellungnahme - gleichsam als Ausgleich für die Reduzierung der formellen und materiellen Anforderungen - ein besonderes Gewicht. Die Beteiligung Betroffener dient dem Schutz ihrer Rechte (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. November 1994 - 2 BvB 1/93 - BVerfGE 91, 262). Soll das Beteiligungsrecht mit Blick auf die in Rede stehenden Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG nicht "leer" laufen, gebührt ihm im Normerlassverfahren besondere Aufmerksamkeit und Beachtung. Es stellt keinen "unnötigen Formalismus" dar, auf einer erneuten Beteiligung zu bestehen, wenn der Tarifvertrag, zu dem die Betroffenen Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme erhalten haben, durch einen neuen, hinsichtlich des Geltungsbereichs oder der zu erstreckenden Regelungen abweichenden Tarifvertrag ersetzt wird. Dies setzt ein neues Verfahren in Gang.

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c) Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Mitteilung der Tarifvertragsparteien über den Abschluss eines neuen Tarifvertrages mit Schreiben vom 29. November 2007 ein neuer Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung zu entnehmen ist, der eine erneute Stellungnahme erforderlich machte. Die Formulierung des Schreibens, die Tarifvertragsparteien hielten an ihrem Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 "fest" und beantragen "nunmehr" die Allgemeinverbindlicherklärung "unter Einschluss der am 29. November 2007 erfolgten Änderung", ändert nichts daran, dass der Tarifvertrag vom 11. September 2007 nebst Protokollnotiz vom 9. November 2007 von den Tarifvertragsparteien am 29. November 2007 "unter Ausschluss von Nachwirkungen" aufgehoben und durch den neuen Tarifvertrag vom 29. November 2007 ersetzt wurde (vgl. BA 3 Bl. 389). Dabei handelte es sich nicht lediglich um die "Änderung" eines früheren Tarifvertrages, der in den ursprünglichen Antrag mit einbezogen wurde, sondern um einen neuen Tarifvertrag, der den Antrag vom 11. September 2007 gegenstandslos und einen neuen Antrag mit neuer Beteiligungspflicht erforderlich machte.

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Die erneute schriftliche Stellungnahme der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie der Tarifvertragsparteien zum neuen Entwurf der Rechtsverordnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich dessen Regelungsinhalt gegenüber dem vorhergehenden Entwurf nicht wesentlich geändert hätte. Ursprünglich sollten vom Tarifvertrag vom 11. September 2007 "alle Betriebe, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an ihrer Gesamttätigkeit des Betriebes" von dessen Geltungsbereich erfasst werden. Demgegenüber sieht der Tarifvertrag vom 29. November 2007 vor: "Der Tarifvertrag gilt für die Branche Briefdienstleistungen. Dies sind alle Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern."

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Mit der Änderung vom 29. November 2007 sollte sichergestellt werden, dass das "50 %-Quorum" erfüllt ist, das nach Einschätzung der Beklagten ursprünglich für erforderlich gehalten wurde, um eine Erstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen zu rechtfertigen (UA S. 5). Betroffene, die deshalb bei der ersten Anhörung meinen konnten, es genüge auf den aus ihrer Sicht bestehenden Mangel der Repräsentativität hinzuweisen, mussten nunmehr Gelegenheit erhalten, auch zum Inhalt der Rechtsnormen des zu erstreckenden Tarifvertrages Stellung zu beziehen. Der Einwand des Beklagten, der neue Entwurf der Rechtsverordnung bedeute gegenüber dem ursprünglichen Entwurf lediglich ein "Minus" trifft nicht zu, vielmehr hat er qualitativ andere Wirkungen für die Rechtspositionen der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch den geänderten Tarifvertrag ist ein Teil des ursprünglichen Adressatenkreises gänzlich von der Erstreckungswirkung der Rechtsverordnung ausgenommen worden, während Betriebe und selbstständige Betriebsteile, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, vom Geltungsbereich des neuen Tarifvertrages nach wie vor erfasst werden. Darin liegt eine grundrechtsrelevante rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung, die eine (erneute) Beteiligung der Adressaten der neuen Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderlich machte. Die verfassungsrechtliche Relevanz der Einschränkung des Geltungsbereichs ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten bereits aus der ungleichen rechtlichen Behandlung zweier Gruppen von Briefdienstleistern und nicht erst aus den möglichen, durch Marktanalysen zu ermittelnden wirtschaftlichen Folgen der Ungleichbehandlung. Gerade auch zur Frage, ob durch die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrages auf Unternehmen eines bestimmten Zuschnitts eine Veränderung der Wettbewerbssituation eintritt, müssen die unmittelbar Betroffenen nach § 1 Abs. 3a AEntG vorab Stellung nehmen können.

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d) Die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderliche Stellungnahme zum geänderten Entwurf der Rechtsverordnung wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, gegen die die Revisionen keine Einwendungen erhoben haben (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht ermöglicht. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist unterblieben (vgl. UA S. 5, 38 f.).

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Das Verordnungserlassverfahren leidet damit an einem Verfahrensmangel, der evident ist (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 1 BvR 337/92 - BVerfGE 91, 148). Das Beteiligungsrecht ist im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der Arbeitgeber und deren Koalitionen so gewichtig und bedeutsam, dass durch seine Nichtbeachtung das Rechtsetzungsverfahren an einem erheblichen Mangel leidet, der die BriefArbbV unwirksam macht.

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Auf die weiteren Rechtsfragen kommt es nicht an, weil bereits die Verletzung der Beteiligungsrechte zum Erfolg der Klagen führte.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. Juni 2008 - 4 K 1144/07 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Abfallgebühren.
Die Beklagte betreibt die zur Erfüllung ihrer Aufgaben als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträgerin im Sinne der §§ 15, 13 Abs. 1 KrW-/AbfG erforderlichen Einrichtungen und Anlagen als öffentliche Einrichtung. Zur Erfüllung eines wesentlichen Teils dieser Aufgaben bedient sie sich der - 1999 als 100-prozentige städtische Tochtergesellschaft gegründeten - Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg GmbH (ASF GmbH). An der GmbH ist seit 1.1.2002 die ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG zu 47 % beteiligt.
Mit einem am 22.12.1999 geschlossenen "Bewirtschaftungsrahmenvertrag" beauftragte die Beklagte die ASF GmbH mit den ihr obliegenden und bis dahin von einem städtischen Eigenbetrieb (Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Freiburg - EAF) erfüllten Aufgaben der Abfallentsorgung nach Maßgabe eines dem Vertrag beiliegenden Leistungskatalogs. Nach § 4 Abs. 5 des Vertrags ist der Leistungskatalog von der Beklagten erstmals zum 1.1.2006 für den Zeitraum 2006 bis 2010 und danach jeweils für die Dauer von fünf Jahren in Abstimmung mit der Gesellschaft fortzuschreiben. Für die in Auftrag gegebenen Leistungen hat die Beklagte ein mit der ASF GmbH für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum zu vereinbarendes, festes Jahresentgelt zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. § 13 Abs. 2 des Vertrags enthält dazu die folgenden näheren Bestimmungen:
"Ab dem 1.1.2002 werden die Parteien für die in §§ 1 und 2 beauftragten Leistungen für den Zeitraum bis zum 1.1.2005 und anschließend für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum … ein jährlich zu entrichtendes festes Entgelt zuzüglich Umsatzsteuer vereinbaren. … Das Entgelt ist in Anlehnung an marktübliche Preise festzulegen, soweit die Leistungen der Gesellschaft mit marktgängigen Leistungen vergleichbar sind und unter Berücksichtigung der tariflichen Leistungen der Gesellschaft an die Arbeitnehmer. Die maximale Höhe des Entgelts errechnet sich nach den für feste Preise geltenden Bestimmungen der VOPR 30/53 und der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach dieser Verordnung. Die Parteien vereinbaren für die Laufzeit dieses Vertrags einen kalkulatorischen Gewinn - im Sinne von Nr. 51 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach der VOPR 30/53 - von mindestens 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten. …"
In der den Bewirtschaftungsrahmenvertrag ergänzenden Vereinbarung vom 14.12.2005 legten die Beklagte und die ASF GmbH den Leistungskatalog für den Zeitraum 2006 bis 2010 sowie das jährliche Entgelt für die Durchführung der Aufgaben nach dem Leistungskatalog sowie dem Einzelvertrag über die Unterstützung des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und der kaufmännischer Buchführung nebst einer Preisrevisionsformel fest. Die ASF GmbH sicherte dabei zu, dass das Entgelt nach den für Selbstkostenpreise maßgeblichen Bestimmungen der VOPR 30/53 ermittelt worden sei bzw. das sich aus der Anwendung dieser Vorschriften ergebende Entgelt unterschritten werde (Art. 1 § 2 Abs. 3).
Der von der Beklagten zu entsorgende Restmüll wurde in der Vergangenheit auf der vom Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald betriebenen Deponie Eichelbuck abgelagert. Seit der Schließung der Deponie zum 31.5.2005 wird der gesamte Restmüll zu der von der MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG betriebenen Thermischen Restabfallbehandlungs- und Energieerzeugungsanlage Breisgau (TREA) gebracht und dort verbrannt. Mit der Entsorgung der von der Stadt in ihrem Auftrag oder aus ihrem Entsorgungsgebiet der TREA angelieferten Abfälle beauftragte die Beklagte am 16.5.2002 die Gesellschaft Abfallwirtschaft Breisgau mbH (GAB) als Dritte im Sinn des § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG. An der GAB sind die Beklagte mit 25,11 %, der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit 50,15 %, der - von den Landkreisen Emmendingen und Ortenaukreis gebildete - Zweckverband Abfallbehandlung Kahlenberg mit 20,10 %, die ASF GmbH mit 2,7 % und mit jeweils 0,32 % die Gemeinden Eschbach, Hartheim, Ballrechten-Dottingen sowie die Städte Heitersheim, Bad Krozingen und Neuenburg beteiligt. Die Beauftragung der GAB erfolgte (u. a.) nach Maßgabe eines zwischen der GAB als Auftraggeber und der MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG als Auftragnehmer am 17.5.2002 geschlossenen Entsorgungsvertrags.
Nach § 11 Abs. 1 der von der Beklagten und der GAB am 16.5.2002 geschlossenen und am 29.5.2006 geänderten Vereinbarung zahlt die Beklagte der GAB für die Entsorgung der Abfälle "den dieser vom Unternehmen nach § 22 Abs. 1, 6 des Entsorgungsvertrages unter Berücksichtigung einer eventuellen Preisanpassung nach § 15 oder § 24 des Entsorgungsvertrages in Rechnung gestellten Entsorgungspreis". § 21 Abs. 2 des Vertrags in seiner Fassung vom 29.5.2006 regelt die Vergütung der weiteren, zur Abwicklung des Entsorgungsvertrags erbrachten Leistungen der GAB.
Zur Deckung ihres Aufwands für die Entsorgung von Abfällen erhebt die Beklagte gemäß § 23 Abs. 1 ihrer Satzung über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen (Abfallwirtschaftssatzung - AbfWS) vom 15.11.2005 Benutzungsgebühren. Die Benutzungsgebühren für die Entsorgung der Abfälle aus privaten Haushaltungen bemessen sich gemäß § 27 Abs. 1 AbfWS nach der Anzahl der zu einem Haushalt gehörenden Personen zum Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld (Haushaltsgebühr) sowie nach der Anzahl und dem Volumen der verwendeten Abfallbehältnisse und der Häufigkeit der regelmäßigen Entleerung (Behältergebühr). Die Haushaltsgebühr beträgt jährlich bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif für Haushalte mit zwei Personen 97,56 EUR (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AbfWS). Die Behältergebühr für den Restabfallbehälter beträgt bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif und Verwendung eines 14-täglich entleerten 35 Liter Abfallbehältnisses jährlich 33,84 EUR (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 a AbfWS).
Der Kläger lebt in Freiburg in einem Zweipersonenhaushalt und nutzt eine 35 Liter-Restmülltonne mit 14-täglicher Leerung. Mit Bescheid vom 31.1.2006 setzte die Beklagte die vom Kläger für das Jahr 2006 zu entrichtenden Abfallgebühren dementsprechend auf 131,40 EUR fest. Der gegen diesen Bescheid am 11.2.2006 eingelegte Widerspruch des Klägers wurde von der Beklagten am 12.7.2007 zurückgewiesen.
10 
Der Kläger hat am 21.5.2007 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben und zuletzt beantragt, den Abfallgebührenbescheid der Beklagten vom 31.1.2006 sowie den Widerspruchsbescheid vom 12.7.2007 aufzuheben. Zur Begründung hat er geltend gemacht: Die Beklagte habe das seit dem 1.6.2005 geltende Verbot, unbehandelte Abfälle auf Deponien zu bringen, zum Anlass genommen, die Abfallgebühren für einen Privathaushalt wie den seinen um fast 60 % zu erhöhen. Da keine andere Stadt und kein Landkreis die Müllgebühren so erhöht habe wie die Beklagte, sei die Entscheidung für die vorgenommene Organisationsprivatisierung zu überprüfen. Der bis zum Jahre 2019 laufende Vertrag mit der ASF GmbH sei im Widerspruch zum Europarecht ohne vorherige Ausschreibung geschlossen worden. Weshalb die Kosten für die Recyclinghöfe in der aktuellen Gebührenkalkulation für die Jahre 2006 bis 2008 auf 1,936 Mill. EUR gestiegen seien, sei nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig seien die Logistikkosten der ASF GmbH für das Jahr 2006 in Höhe von 644.000 EUR erklärlich, zumal dieser Posten in den vergangenen Jahren 2003 bis 2005 lediglich 83.000 EUR betragen habe. Der vereinbarte Gewinnzuschlag beim Betreiberentgelt von 3 % sei zu hoch. Verstöße gegen das Kostendeckungsprinzip und das Gebot der Wirtschaftlichkeit seien auch bei dem Ansatz der Entsorgungskosten in der TREA festzustellen. Insoweit sei fraglich, weshalb im Landkreis Rastatt ein Preis von lediglich rund 147 EUR pro Tonne angesetzt werde, die Beklagte hingegen Gebühren in Höhe von 195 EUR pro Tonne Restmüll berechne. Das Logistikkonzept, insbesondere der Abfalltransport zur TREA, sei überdies umständlich und unwirtschaftlich. Nicht nachvollziehbar seien ferner die in die Kalkulation aufgenommenen Posten "Verwaltungskosten GAB" in Höhe von über 70.000 EUR jährlich sowie "Verwaltungsleistungen der Stadt", die von 417.551,94 EUR im Jahre 2004 auf 559.500 EUR im Jahre 2005 gestiegen seien. Gleiches gelte für den Posten "Umlage Verwaltung EAF", unter dem 196.575,15 EUR für das Jahr 2004, 244.115 EUR für das Jahr 2005 und 319.495,80 EUR für das Jahr 2006 berücksichtigt worden seien. Diese Erhöhung der Verwaltungskosten um 60 % innerhalb von zwei Jahren sei nicht begründet. Die Investitionsfolgekosten für den in die Carl-Mez-Straße verlegten Recyclinghof in Höhe von 35.000 EUR seien nicht erforderlich, da die Verlegung des Recyclinghofs nicht notwendig gewesen sei. Die Beklagte habe zu Unrecht eine Kostenunterdeckung in Höhe von 520.375,15 EUR pro Kalkulationsjahr berücksichtigt, da diese ihre Ursache darin habe, dass beim EAF gewaltige Gebührenrückstände in Höhe von mehr als 1.000.000 EUR aufgelaufen seien. Da die Beklagte die offenen Forderungen nicht beitreibe, komme dies einem Gebührenverzicht gleich. Die Beklagte sei zudem gemäß § 22 SGB II verpflichtet, bei nicht leistungsfähigen Bürgern die Abfallgebühren als "Leistungen für die Unterkunft" zu übernehmen. Ebenfalls bedenklich sei, dass der EAF aus seinen Mitteln der Beklagten Kredite gewähre. Bei der Kalkulation der Müllgebühren seien Gewinne als Einnahmen zu berücksichtigen. Dies gelte insbesondere für die Gewinnausschüttung der ASF GmbH in Höhe von jährlich 1.000.000 EUR, für die Gewinne der Betreibergesellschaft sowie den Erlös, den die Beklagte durch den Verkauf des Grundstücks in der Dreikönigstraße erzielt habe, auf dem sich der inzwischen in die Carl-Mez-Straße verlegte Recyclinghof befunden habe.
11 
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die vom Kläger gezogenen Schlussfolgerungen aus einem Vergleich mit anderen Stadt- und Landkreisen seien unzulässig, weil die Abfallwirtschaftssysteme der Stadt- und Landkreise erheblich variierten. Der vor der Kalkulation der Abfallgebühren in Auftrag gegebene abfallwirtschaftliche Vergleich von 14 Kommunen in Baden-Württemberg bestätige dies. Nach dem Ergebnis des Gutachtens weise keine der 13 Vergleichskommunen ein ähnlich breites und komfortables Gesamtangebot an abfallwirtschaftlichen Leistungen wie die Stadt Freiburg auf. Die 1999 getroffene Entscheidung für eine Organisationsprivatisierung sei auf der Grundlage eines Wirtschaftlichkeitvergleichs getroffen worden. Die Untersuchung der Büchl Consult GmbH habe ergeben, dass eine Teilprivatisierung bereits kurzfristig deutliche ökonomische Vorteile gegenüber einer Eigenbetriebslösung habe. In der Gebührenkalkulation seien neben den eigenen Aufwendungen der Stadt auch Aufwendungen für die Leistungen Dritter berücksichtigt worden. Das betreffe insbesondere die Vergütungen für die von der ASF GmbH sowie der GAB erbrachten Leistungen. Bei der Beauftragung der ASF GmbH im Jahre 1999 habe sich diese Gesellschaft zu 100 % in städtischer Hand befunden. Der Auftrag habe daher als sogenanntes Inhouse-Geschäft ohne Ausschreibung erteilt werden können. Das mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt sei nach Maßgabe des öffentlichen Preisrechts bestimmt worden. Die Konformität mit dem öffentlichen Preisrecht sei durch ein Testat einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nachgewiesen worden. Der dabei vereinbarte Gewinnzuschlag von 3 % sei zulässig. Die Kosten für die Müllverbrennung in der TREA seien in der Höhe angemessen. Die Grundlage für die Tragung dieser Kosten bildeten die öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen der Stadt und dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald sowie der Vertrag zwischen der Stadt und der GAB. Die Entsorgungspreise seien Marktpreise und von dem Landkreis im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ermittelt worden. Die Kosten für den Transport der Abfälle per Bahn zur TREA seien ebenfalls gebührenfähig. Die Stadt habe die Vor- und Nachteile von Bahntransport und Transport per LKW sorgfältig abgewogen. Die Entscheidung für den Bahntransport sei sachgerecht, weil diese Art des Transports umweltfreundlicher sei und die Frage der Wirtschaftlichkeit auch den Umweltgedanken erfasse. In der Kalkulation seien auch zu Recht der Aufwand des EAF und der anderer Dienststellen der Stadt berücksichtigt worden. Bei der Position "Umlage Verwaltung EAF" handele es sich um Gemeinkosten, die als Teil des Verwaltungsaufwands nach einem verursachergerechten Kostenschlüssel auf die einzelnen Veranlagungsbereiche verteilt worden seien. Zu der Erhöhung der Umlage sei es deshalb gekommen, weil sich durch den Wegfall des Deponiebetriebs die am Verursacheranteil orientierten Maßstäbe für die Umlage der Kosten verändert hätten. Gebührenunterdeckungen könnten gemäß § 14 Abs. 2 KAG in die Kalkulation eingestellt werden. In die Kostenunterdeckung aus dem Gebührenkalkulationszeitraum 2003 bis 2005 seien auch die Defizite in Höhe von insgesamt 304.357,26 EUR eingeflossen, die durch Gebührenausfälle entstanden seien. Die Gewinne der ASF GmbH müssten in der Gebührenkalkulation nicht kostenmindernd berücksichtigt werden, da das Stammkapital der ASF GmbH aus Mitteln des allgemeinen Haushaltes und nicht vom Gebührenhaushalt erbracht worden sei. Da der vereinbarte Gewinnzuschlag von 3 % abgabenrechtlich zulässig sei, seien die hieraus resultierenden Gewinne dem Unternehmen und den an diesen beteiligten Gesellschaftern zuzuordnen. An der Betreibergesellschaft sei die Stadt weder direkt noch indirekt beteiligt. Gewinne aus der Tätigkeit dieser Gesellschaft flössen ihr daher nicht zu. Auch Gewinne der GAB seien dem Gebührenhaushalt nicht zuzurechnen. Ein Zurechnungszusammenhang zum Gebührenhaushalt im Hinblick auf die Erwirtschaftung des Kostenaufwands, wie ihn die Rechtsprechung fordere, bestehe nicht. Etwaige Gewinne, die durch die Veräußerung des Recyclinghofs Dreikönigstraße entstanden seien, müssten nicht in der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden, da das Grundstück dem Eigenbetrieb Abfallwirtschaft nur für kurze Zeit vermögenstechnisch zugeordnet und vor der Veräußerung auf den allgemeinen Haushalt übertragen worden sei. Die Gebührenkalkulation begegne auch im Hinblick auf die Darlehensgewährung durch den EAF an den allgemeinen Haushalt keinen Bedenken. Der Zinsabschlag von 0,5 % rechtfertige sich aus der schnellen Verfügbarkeit der Finanzmittel infolge des Sonderkündigungsrechtes und der Unsicherheit für den Darlehensnehmer über den Fortbestand des Darlehens.
12 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20.6.2008 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Satzung der Beklagten sei formell und materiell wirksam. Sie verstoße insbesondere nicht gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 14 Abs. 1 S. 1 KAG. Das der Beklagten von der ASF GmbH in Rechnung gestellte Betreiberentgelt sei gebührenrechtlich ansatzfähig. Bei der GmbH handele es sich um eine von der Beklagten zu unterscheidende juristische Person des privaten Rechts. Ihre Leistungen seien daher Fremdleistungen. Kosten von Fremdleistungen dürften grundsätzlich als gebührenfähiger Aufwand in die Kalkulation eingestellt werden, soweit die Inanspruchnahmen des Dritten erforderlich und nicht mit überflüssigen Kosten verbunden sei. Anhaltspunkte dafür, dass ermessensfehlerhafte oder gar willkürliche Überlegungen für die Privatisierungsentscheidung der Beklagten maßgeblich gewesen seien, seien nicht vorhanden. Insbesondere habe die Beklagte ihrer Entscheidung zu Recht die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Büchl Consult GmbH vom 17.12.1998 zugrunde gelegt. Das in die Gebührenkalkulation eingestellte Betreiberentgelt der ASF GmbH unterliege auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil eine Ausschreibung vor dem Abschluss des Bewirtschaftungsrahmenvertrags unterblieben sei. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinie 92/50/EWG vom 18.6.1992 dürften im vorliegenden Fall nicht erfüllt gewesen sein. Dies könne jedoch dahinstehen, da das auf der Grundlage von Selbstkostenfestpreisen berechnete Betreiberentgelt den Vorgaben des öffentlichen Preisrechts entspreche und die Beklagte damit nachgewiesen habe, dass das mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt sich trotz fehlender Ausschreibung im Rahmen des Erforderlichen bewege. Die nach öffentlichem Preisrecht zulässige Verzinsung des Kapitals von bis zu 6,5% sei nicht zu beanstanden. Für den in das Betreiberentgelt eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag von 3 % der Nettoselbstkosten gelte unter Berücksichtigung der konkreten Vertragsgestaltung und des Unternehmerrisikos das Gleiche. Nicht zu rechtfertigen sei allerdings, dass die Beklagte ihren eine Eigenkapitalverzinsung und angemessene Abschreibungen übersteigenden Anteil am kalkulatorischen Gewinnzuschlag nicht als Einnahme und damit als Kostenminderung in die Gebührenkalkulation eingestellt habe. Dieser Fehler sei jedoch nach § 2 Abs. 2 S. 1 KAG als Mangel bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz unbeachtlich, weil er zu einer nur geringfügigen Kostenüberdeckung in Höhe von ca. 0,45 % geführt habe. Erforderlich und damit gebührenfähig seien ferner die in der Gebührenkalkulation angesetzten und durch öffentliche Ausschreibung ermittelten Entsorgungskosten der TREA und die Kosten für den Bahntransport. Die Verwaltungs- und Personalkosten außerhalb der ASF GmbH seien gemäß § 14 Abs. 3 KAG ebenfalls berücksichtigungsfähig. Dazu gehörten die Kosten, die der Beklagten durch Einsatz ihres Personals und eigener Sachmittel einschließlich der Verwaltungsleistungen von Querschnittsämtern für die öffentliche Einrichtung entstünden, die Umlagekosten der GAB sowie die Verwaltungskosten des EAF. Die Verlegung des Recyclinghofs von der Dreikönig- in die Carl-Mez-Straße stelle eine stadtplanerische und kommunalpolitische Entscheidung dar, die nicht über das Gebührenrecht korrigiert werden könne. Mit dem im Jahre 2002 vorgenommenen Verkauf eines Teils ihrer Gesellschaftsanteile habe die Beklagte keinen Erlös realisiert, der dem Gebührenzahler zustehe. Gleiches gelte für den Erlös durch den Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße. Soweit der Kläger außerdem der Auffassung sei, dem Gebührenhaushalt stehe insgesamt der von der ASF GmbH im Jahr 2005 an den allgemeinen Haushalt abgeführte Gewinn von ca. 1 Mill. EUR zu, verkenne er, dass sich dieser Betrag vor allem aus Gewinnen zusammensetzt, die die ASF GmbH im gewerblichen Bereich erwirtschaftet habe. Der von der Beklagten vorgenommene Kostenausgleich von drei Fünfteln der Kostenunterdeckung aus dem Gebührenkalkulationszeitraum 2003 bis 2005 entspreche § 14 Abs. 2 KAG. Wie die Beklagte dargelegt habe, hätten die Gebührenausfälle für die Jahre 2003 bis 2005 nur insgesamt 304.357,26 EUR betragen. Dass Gebührenausfälle vom Gebührenhaushalt und nicht vom allgemeinen städtischen Haushalt zu tragen seien, bedürfe keiner näheren Erläuterung.
13 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers. Zur Begründung macht der Kläger geltend: Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts verstoße die Satzung der Beklagten gegen § 14 Abs. 1 S. 1 KAG und sei deshalb nichtig. In der Absicht, auf einem dem Kostenüberschreitungsverbot unterliegenden Tätigkeitsfeld Gewinne zu erzielen, habe die Beklagte in einem ersten Schritt die ASF GmbH als 100%ige Tochter gegründet und mit dieser für die GmbH sehr vorteilhafte Verträge geschlossen. Danach habe sie knapp die Hälfte der Anteile an ein privates Unternehmen mit europaweiter Ausschreibung verkauft. Die Beklagte erziele dadurch einen dreifachen Profit, nämlich einerseits durch die jährlichen Gewinnausschüttungen, zweitens durch die Gewerbesteuer und drittens durch den Veräußerungserlös der Gesellschaftsanteile. Weil beim ersten Schritt das Interesse bestanden habe, für die ASF GmbH möglichst günstige Verträge zu schließen, sei auf eine den Wettbewerb eröffnende Ausschreibung verzichtet worden. Denn während sie die überhöhten Preise einfach - für sie selbst kostenneutral - auf Dritte, nämlich die Gebührenzahler, abgewälzt habe, habe sie mittelbar, nämlich als Anteilseignerin der ASF GmbH, von den Einnahmen profitiert. Um den Wert der später zu verkaufenden Geschäftsanteile zu erhöhen, sei auch die Laufzeit des Vertrages möglichst lange ausgestaltet worden. Bei dem zweiten Schritt liefen die ökonomischen Interessen der Beklagten dagegen parallel mit den vergaberechtlichen Vorgaben, weshalb die Beklagte bei der Veräußerung von 47 % der Geschäftsanteile ordnungsgemäß eine europaweite Ausschreibung vorgenommen habe. Bei der auf diese Weise gewährleisteten optimalen Vermarktung der Gesellschaftsanteile habe die Beklagte über 9.000.000 EUR erzielt und diese - am Gebührenzahler vorbei - in den allgemeinen Haushalt einfließen lassen. Die Beklagte erziele seither jährlich Millioneneinnahmen aus den Gewinnüberweisungen der ASF GmbH und der insoweit anfallenden Gewerbesteuer. Im Ergebnis habe die so bewirkte Ausschaltung des Wettbewerbs dazu geführt, dass die Abfallgebühren für das Jahr 2006 gegenüber dem Vorjahr um mehr als 50 % gestiegen seien, obwohl das Statistische Landesamt Baden-Württemberg für den Zeitraum 2002 bis 2008 eine durchschnittliche Reduktion der Müllgebühren um 10 % konstatiere. Bezeichnend sei auch die Tatsache, dass die privaten Mitgesellschafter der ASF GmbH für den benachbarten Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald die Müllentsorgung zu ca. zwei Drittel des von den Bürgern der Beklagten bezahlten Preises übernommen hätten. Der Verzicht auf eine Ausschreibung vor der Beauftragung der ASF GmbH sei zu Unrecht erfolgt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei zwar bei sogenannten Inhouse-Geschäften eine Ausschreibung nicht erforderlich, dies gelte jedoch nur vorbehaltlich des Vorliegens besonderer Umstände, wie sie hier gegeben seien. Jedenfalls bei vorsätzlichen Verstößen gegen das Europarecht könne die Rechtsfolge nur die Nichtigkeit der auf diesem Verstoß basierenden Verträge und damit die Rechtswidrigkeit der Gebührenkalkulation sowie die Nichtigkeit der Gebührensatzung sein. Beim Fehlen der erforderlichen Ausschreibung müsse jedenfalls auf andere geeignete Weise nachgewiesen werden, dass das vereinbarte Entgelt sich noch im Rahmen dessen bewege, was das kostenbezogene Erforderlichkeitsprinzip voraussetze. Dieser Nachweis könne im vorliegenden Fall nicht über das öffentliche Preisrecht geführt werden, da der Bewirtschaftungsrahmenvertrag vom 22.12.1989 und die auf seiner Basis geschlossenen Einzelleistungsverträge eklatant gegen das öffentliche Preisrecht verstießen. Nach der VO/PR Nr. 30/53 gelte der Grundsatz, dass bei der Vereinbarung von Preisen für Leistungen aufgrund öffentlicher Aufträge grundsätzlich Marktpreisen der Vorzug zu geben sei. Selbstkostenpreise dürften nur ausnahmsweise vereinbart werden, nämlich unter anderem dann, wenn sich keine Marktpreise ermitteln ließen. Das Verwaltungsgericht unterstelle zu Unrecht, dass keine Markt- oder Wettbewerbspreise existierten. Tatsächlich existiere im Bereich der Abfallentsorgung ein grundsätzlich funktionierender Markt. Anders als von der Beklagten vorgetragen und vom Verwaltungsgericht ohne nähere Überprüfung akzeptiert, sei die Kalkulation zudem nicht nach Selbstkosten vorgenommen worden. Vielmehr seien die zu erzielenden Gewinne zur Grundlage der Kalkulation genommen und dann, ausgehend vom Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile der ASF GmbH, in die Kalkulation eingestellt worden. Die Beklagte habe bei dem 2001 erfolgten Verkauf von 47 % des 1.738.400 EUR betragenden Stammkapitals der ASF GmbH einen Preis von 9.203.253 EUR erzielt. Dieser Preis entspreche einem Unternehmenswert von 19.581.456 EUR. Der vereinbarte Preis sei weit übersetzt. In Umsetzung der Zielvorgabe, eine maximale Gewinnausschüttung zu erreichen, habe die Beklagte mit der ASF GmbH systematisch die Gebühren angehoben. Die sogenannte Kalkulation von Selbstkostenpreisen sei damit in Wirklichkeit eine bloße Scheinveranstaltung. Das Verwaltungsgericht habe der Beklagten weiter zu Unrecht eine Verzinsung ihres Kapitals in Höhe von 6,5 % zugestanden, da das zu verzinsende Kapital aus den Gebühren erwirtschaftet worden sei und daher nicht der Beklagten, sondern den Gebührenzahlern zustehe. Der kalkulatorische Gewinn müsse zudem nach dem allgemeinen Zinsniveau bemessen werden, da es der Beklagten nicht gestattet sei, ihr Kapital zu Lasten des Gebührenzahlers mit einem höheren Zinssatz zu verzinsen, als sie ihn am freien Markt hätte erzielen können. Der Zinssatz von 6,5 % sei daher bei Weitem überhöht. Auch der kalkulatorische Gewinnzuschlag von 3 % sei nicht gerechtfertigt. Das Risiko erhöhter Müllmengen und damit erhöhter eigener Leistungen ohne entsprechendes zusätzliches Entgelt habe die ASF GmbH mit der Vereinbarung von Selbstkostenfestpreisen nicht auf sich genommen, da in dem konkreten Zeitraum eher die Gefahr ab- als die Gefahr zunehmender Müllmengen bestanden habe. Selbstkostenfestpreise seien in einer solchen Situation wirtschaftlich günstiger als Selbstkostenerstattungspreise. Der Bewirtschaftungsrahmenvertrag und die Einzelleistungsverträge sähen zudem großzügige Preisanpassungsklauseln für den Fall vor, dass sich die in die Kalkulation einfließenden Rahmenbedingungen einmal ändern sollten. Nicht haltbar sei auch die Anwendung des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG. Wer, wie die Beklagte, das Sozialrecht, das europäische Vergaberecht und das Preisrecht grundsätzlich und zumindest in den beiden letzten Fällen auch mit direktem Vorsatz missachte, könne nicht auf die Rechtswohltat der Geringfügigkeitsklausel hoffen. Abgesehen davon, dass die Kostenüberschreitungen weit höher ausfielen als die von der Rechtsprechung in Auslegung der Bestimmung zugestandenen 3 %, müsse gelten, dass bei bewusst oder schwer und offenkundig fehlerhaften Kostenansätzen die Gebührenkalkulation rechtswidrig und die darauf basierende Satzung hinfällig sei. Die Kalkulation sei auch ansonsten in vielerlei Hinsicht fehlerhaft. Die Beklagte habe an den unterschiedlichsten Stellen die Zahlen schöngerechnet, fingiert, manipuliert, verheimlicht, kostenträchtige Fremdpositionen in die Kalkulation einberechnet, gewinnbringende Positionen dagegen aus dem Gebührenhaushalt verschoben oder auf andere Weise getrickst. Die Beklagte gebe die Einnahmeausfälle zu Lasten des Gebührenhaushalts für den Zeitraum 2003 bis 2005 zu Unrecht nur mit 304.357,26 EUR an, da in den Bilanzen des EAF für 2003 ein Gebührenausfall von 1.049.000 EUR und für 2005 ein Gebührenausfall von 1.070.000 EUR genannt werde. Diese Ausfälle dürften nicht zu Lasten des Gebührenhaushalts gehen. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Unrecht eine Verpflichtung der Beklagten verneint, den Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße von ca. 1,0 Mill. EUR dem Gebührenhaushalt gut zu bringen. Im Einzelnen seien als kostenmindernd in die Gebührenkalkulation einzustellen gewesen: Der Gebührenausfall durch sozial Schwache, der Erlös des Verkaufs des Grundstücks Recyclinghof Dreikönigstraße, der Erlös der Veräußerung des Anlagevermögens und des Vertrages mit DSD, die Einbringung der Stammkapitalanlage von 1.738.400 EUR in die ASF GmbH sowie die Zinsen aus den aus der Deponierückstellung gewährten Darlehen. Die Beklagte lasse ferner außer Betracht, dass dem Gebührenhaushalt auch die bei der Selbstanlieferung auf dem Eichelbuck bzw. Betriebshof bezahlten Gebühren und die Aufwendungen für die Deponie zugehörig seien.
14 
Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20.6.2008 - 4 K 1144/07 - zu ändern und den Abfallgebührenbescheid der Beklagten vom 31.1.2006 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 12.7.2007 aufzuheben.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie erwidert: Der vom Institut der Deutschen Wirtschaft vorgenommene Vergleich der hundert größten Städte Deutschlands, in dem die Stadt unter den Stadtkreisen in Baden-Württemberg einen hervorragenden zweiten Platz belege und bundesweit im oberen Mittelfeld rangiere, zeige, dass die Stadt ein gutes Preisleistungsverhältnis biete. Dies gelte umso mehr, als der Umfang der Leistungen, die mit der Abfallgebühr abgegolten würden, weit überdurchschnittlich seien und viele Leistungen umfassten, die in anderen Stadt- und Landkreisen gesondert in Rechnung gestellt würden. Dies habe das Gutachten der Ingenieurgemeinschaft Witzenhausen GmbH vom März 2005 bestätigt. Dem Einrichtungsträger sei bei der Herstellung, Anschaffung und der Ausgestaltung einer öffentlichen Einrichtung ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum eingeräumt. Die Grenzen dieses Spielraums seien im vorliegenden Fall nicht überschritten. Die Stadt habe vor der Entscheidung über eine Organisationsprivatisierung deren Auswirkungen gutachterlich untersuchen lassen. Hierbei sei nachgewiesen worden, dass die Organisationsprivatisierung samt der Beauftragung einer Gesellschaft nicht zu Mehrkosten führe. Das Verwaltungsgericht habe die Frage der europaweiten Ausschreibung zu Recht als nicht rechtserheblich bewertet, weil das der ASF GmbH bezahlte Betreiberentgelt den Vorgaben des öffentlichen Preisrechts über Selbstkostenfestpreise entspreche. Der Nachweis hierüber sei mit dem Prüfbericht der Wirtschaftsprüfergesellschaft Graf Westfalen, Buch & Partner vom 12.08.2005 geführt worden. Das von der Stadt gewählte Verfahren stimme im Übrigen mit den Vorgaben des Vergaberechts überein. Bei der Beauftragung der ASF GmbH im Jahre 1999 habe sich die Gesellschaft zu 100 % in städtischer Hand befunden, weshalb der Auftrag ohne Ausschreibung habe erteilt werden können. Die Veräußerung eines Teils der Geschäftsanteile sei erst mit Wirkung zum 1.1.2002 erfolgt. Für die Leistungen der ASF GmbH seien im Voraus kalkulierte Selbstkostenfestpreise vereinbart worden. Selbstkostenfestpreise beinhalteten die mit einer Kalkulation verbundenen Risiken. Die in der Anlage zu der ersten ergänzenden Vereinbarung enthaltene Preisrevisionsformel begründe keine Nachberechnungsmöglichkeit, sondern biete lediglich für den langen Zeitraum der Entgeltfestlegung von fünf Jahren eine in Verträgen übliche Fortschreibung einzelner Parameter des Betreiberentgelts anhand der im Vorhinein festgelegten Indizes des Statistischen Bundesamts. Die zugrundegelegte Kapitalverzinsung von 6,5 % entspreche den Anforderungen des öffentlichen Preisrechts. Auch der Gewinnzuschlag von 3 % sei zu Recht in dieser Höhe berücksichtigt worden. Nach der Rechtsprechung zu Selbstkostenfestpreisen zählten kalkulatorische Gewinnzuschläge zum gebührenfähigen Aufwand und würden bis zu einer Höhe von 5 % anerkannt. Die Angemessenheit des Gewinnzuschlags von 3 % sei zudem sowohl durch die von der Stadt beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als auch durch das Gutachten der Wibera vom 3.6.2008 bestätigt worden. Das Betreiberentgelt nebst Gewinnzuschlag sei auch ohne Abführung eines Gewinnanteils gebührenfähig. Weil ausweislich des vorher eingeholten Gutachtens durch die Privatisierung keine Mehrkosten entstünden, der Gebührenhaushalt vielmehr durch die Privatisierung sogar Kostenvorteile habe, erziele die Stadt keine nach dem Kommunalabgabengesetz unzulässigen Gewinne. Der Verzicht auf eine Gewinnabführung stehe auch nicht in Widerspruch zum Gemeindewirtschaftsrecht. Eine Verpflichtung zur kostenmindernden Berücksichtigung von Gewinnanteilen aus der Beteiligung an einer beauftragten Gesellschaft würde die Gemeinde zudem unzulässig in ihrem Organisationsermessen und ihrer verfassungsrechtlich begründeten Selbstverwaltungsgarantie verletzen. Im Rahmen der in die Kalkulation einbezogenen Kostenunterdeckung hätten die Gebührenausfälle mitberücksichtigt werden können, da auch diese Ausfälle durch die öffentliche Einrichtung verursacht seien. Die Ausfälle, die von 604,39 EUR im Jahre 2003 über 138.739,08 EUR im Jahre 2004 auf 165.013,79 EUR im Jahre 2005 angestiegen seien, seien deshalb der öffentlichen Einrichtung und damit dem Gebührenhaushalt zuzurechnen. Bei der Veräußerung des Recyclinghofs Dreikönigstraße sei dem Gebührenhaushalt zu Recht lediglich der Buchwert zugerechnet worden, da das Grundstück zuvor aus der städtischen Vermögensrechnung herausgelöst worden sei. Dem Gebührenhaushalt könne und müsse nur das zugerechnet werden, was Gegenstand des Betriebs der öffentlichen Einrichtung "Abfallentsorgung" sei. Erlöse für Gegenstände, die zu dem vorgenannten Betriebszweig gehörten, seien entgegen der Behauptung des Klägers auf Basis der detaillierten Kostenrechnung auch ordnungsgemäß bewertet und dem Gebührenhaushalt gutgeschrieben worden. Die Erlöse aus den Tätigkeiten für die DSD GmbH stünden nicht dem Gebührenhaushalt zu, weil die Tätigkeiten nicht den Einrichtungsbetrieb "öffentliche Abfallentsorgung" beträfen, sondern im Auftrag der DSD GmbH oder anderen Systemen in deren Aufgabenkreis erfolgten. Demgemäß würden Erlöse, die von diesen Leistungserbringungen erlangt würden, in einem Betrieb gewerblicher Art gebucht. Die Vergabe von Darlehen an den städtischen Haushalt sei ordnungsgemäß. Die Zinspreisgestaltung sei unter Berücksichtigung einer vorher vorgenommenen Marktabfrage erfolgt. Die jederzeitige Rückforderbarkeit der Kredite, die sich der Einrichtungsträger habe vorbehalten müssen, um auf etwaige Ausnahmefälle im Rahmen der Rekultivierung der Deponie reagieren zu können, führe auch auf dem Kapitalmarkt zu Zinsabschlägen. Bei den Abfällen von Selbstanlieferern handle es sich um einen separaten Kalkulationskreis, der nur räumlich mit der im Streit stehenden Gebührenkalkulation verbunden worden sei. In die vorliegende Gebührenkalkulation seien nur die Kosten und Erlöse einzustellen, die auf den Betrieb der öffentlichen Einrichtung "Abfallentsorgung" entfielen. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht von der Unbeachtlichkeit der von ihm angenommenen Kostenüberdeckung ausgegangen. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Fehler zu einer geringfügigen Kostenüberschreitung führe, sei auf einen Vergleich der ordnungsgemäß zu kalkulierenden Kostenobergrenze mit der tatsächlich kalkulierten Kostenobergrenze abzustellen. Auf die Ursachen der Kostenüberschreitung komme es nicht an. Im Übrigen liege weder Willkür noch ein schwerer und offenkundiger Fehler vor.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Gebührenbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage danach zu Recht abgewiesen.
I.
21 
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die Satzung der Beklagten über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen (AbfWS) vom 15.11.2005, nach dessen § 23 die Beklagte zur Deckung ihres Aufwands für die Entsorgung von Abfällen Benutzungsgebühren erhebt. Die Benutzungsgebühren für die Entsorgung der Abfälle aus privaten Haushaltungen bemessen sich gemäß § 27 Abs. 1 AbfWS nach der Anzahl der zu einem Haushalt gehörenden Personen zum Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld (Haushaltsgebühr) sowie nach der Anzahl und dem Volumen der verwendeten Abfallbehältnisse und der Häufigkeit der regelmäßigen Entleerung (Behältergebühr). Die Haushaltsgebühr beträgt bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif für Haushalte mit zwei Personen jährlich 97,56 EUR, die Behältergebühr für den Restabfallbehälter bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif und Verwendung eines 14-täglich entleerten 35 Liter Abfallbehältnisses jährlich 33,84 EUR. Das entspricht den von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid für das Jahr 2006 verlangten Beträgen. Über die Berechnung der vom Kläger geschuldeten Abfallgebühren besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.
II.
22 
Die hier maßgeblichen gebührenrechtlichen Regelungen in der Satzung der Beklagten sind wirksam. Sie verstoßen entgegen der Ansicht des Klägers weder gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG noch gegen andere höherrangige Rechtsvorschriften.
23 
Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Die Gebühren dürfen höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung gedeckt werden (§ 14 Abs. 1 S. 1 KAG). Das gilt auch für die hier in Rede stehenden Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung. Aus § 18 KAG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die in dieser Vorschrift für die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung getroffenen ergänzenden Bestimmungen lassen die Geltung des § 14 Abs. 1 S. 1 KAG unberührt (vgl. zu der früheren Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 2005 VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - VBlBW 1996, 382).
24 
Über die Höhe des Gebührensatzes hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen zu beschließen. Voraussetzung für eine sachgerechte Ausübung dieses Ermessens ist eine Gebührenkalkulation, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze hervorgeht. Diese wird ermittelt, indem die gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung auf die potentiellen Benutzer nach Maßgabe des in der Satzung vorgesehenen Gebührenmaßstabs verteilt werden, wobei die voraussichtlichen Kosten sowie der voraussichtliche Umfang der Benutzung oder Leistung geschätzt werden müssen. Die Gebührensatzobergrenze ist danach das Ergebnis eines Rechenvorgangs, bei dem die voraussichtlichen gebührenfähigen Gesamtkosten durch die Summe der voraussichtlichen maßstabsbezogenen Benutzungs- oder Leistungseinheiten geteilt werden. Ist dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Gebührensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Gebührensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausüben konnte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa NK-Beschl. v. 7.2.2002 - 2 S 2643/01 - AbfallR 2003, 97). Das gilt allerdings nur vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG, der Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze für unbeachtlich erklärt, sofern sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen.
25 
Die gebührenrechtlichen Regelungen in der Satzung der Beklagten sind in Anwendung dieser Grundsätze nicht zu beanstanden. Die der Satzung zugrunde liegende, die Jahre 2006 bis 2008 umfassende Gebührenkalkulation enthält keine in einem wesentlichen Punkt fehlerhafte Kostenansätze. Die sich gegen die aus seiner Sicht zu Unrecht unterbliebene Berücksichtigung bestimmter von der Beklagten erzielter Einnahmen in der Gebührenkalkulation richtenden Einwendungen des Klägers greifen ebenfalls nicht durch.
26 
1. Die in die Kalkulation als "sonstiger Betriebsaufwand" eingestellten Beträge von 15.353.480,20 EUR (Zahl für 2006), 15.923.916,39 EUR (2007) bzw. 16.073.673,22 EUR (2008) bestehen im Wesentlichen aus dem der ASF GmbH zu bezahlenden Entgelt, mit dem die von der GmbH nach dem Bewirtschaftungsrahmenvertrag zu erbringenden Leistungen vergütet werden. Nach der bei den Kalkulationsakten der Beklagten befindlichen Aufstellung wurden dafür im Jahr 2006 14.693.580,23 EUR und in den beiden folgenden Jahren 15.276.951,21 EUR bzw. 15.415.958,87 EUR angesetzt. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers sind unbegründet. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist das der ASF GmbH zu bezahlende Entgelt in der von der Beklagten veranschlagten Höhe zu den gebührenfähigen Kosten zu rechnen.
27 
Zu den gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 KAG nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen und durch Gebühren zu deckenden Kosten gehören nach allgemeiner Meinung auch die dem Träger der Einrichtung durch die Beauftragung Dritter mit betriebsbedingten Leistungen entstehenden Kosten. Berücksichtigungsfähig sind danach auch Fremdleistungsentgelte, die auf vertraglichen Zahlungsverpflichtungen des Trägers der Einrichtung gegenüber solchen juristischen Personen bestehen, an denen er selbst beteiligt ist. Dies gilt unabhängig von dem Grad dieser Beteiligung (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 1.6.2007 - 9 A 372/06 - Juris; HessVGH, Beschl. v. 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135; OVG Greifswald, Urt. v. 25.2.1998 - 4 K 8/97 - KStZ 2000, 12).
28 
Die Kosten von Fremdleistungen sind allerdings - ebenso wie andere Kosten - nur insoweit als gebührenfähig anzuerkennen, als es sich um erforderliche Kosten handelt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219) wird der Umfang der als gebührenfähig anzusehenden Kosten allgemein durch den Grundsatz der Erforderlichkeit begrenzt. Grundlage dafür ist die Überlegung, dass eine sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung (§ 48 LKrO, § 77 Abs. 2 GemO) besonders dort geboten ist, wo das kommunale Handeln Gebührenpflichten auslöst (näher zur Herleitung dieses Gebots Brüning, KStZ 2010, 21). Der genannte Grundsatz betrifft außer der Angemessenheit der entstandenen Kosten (kostenbezogene Erforderlichkeit) auch die Erforderlichkeit der gebührenfähigen öffentlichen Einrichtung als solcher und die Art und Weise ihres Betriebs (einrichtungsbezogene Erforderlichkeit).
29 
a) Die Beklagte hat sich bis 1999 zur Erledigung der ihr obliegenden Aufgaben der Abfallentsorgung des Eigenbetriebs Abfallbeseitigung Freiburg (EAF) bedient. Im Rahmen der in diesem Jahr beschlossenen Organisationsprivatisierung hat sie die ASF GmbH als 100-prozentige städtische Tochtergesellschaft gegründet und anschließend mit einem wesentlichen Teil der bisher von dem Eigenbetrieb erledigten Aufgaben beauftragt. Diese Entscheidung bewegt sich innerhalb des der Beklagten bei der Organisation ihrer öffentlichen Einrichtung zustehenden Spielraums und ist deshalb nicht zu beanstanden.
30 
Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 22.10.1998, aaO) ist dem Träger einer öffentlichen Einrichtung bei deren Herstellung, Anschaffung und Ausgestaltung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zuzubilligen, da die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einer Maßnahme in aller Regel nicht allein von objektiv fassbaren und messbaren Faktoren, sondern auch von planerischen, prognostischen, finanzpolitischen und sonstigen auf Erwägungen der Zweckmäßigkeit beruhenden Gesichtspunkten abhängt. Die Verwaltungsgerichte haben insbesondere nicht zu prüfen, ob der Träger der öffentlichen Einrichtung mit den von ihm im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Einrichtung getroffenen Maßnahmen die zweckmäßigste Lösung gefunden hat. Was die Entscheidung der Beklagten betrifft, die zuvor gegründete ASF GmbH mit einem wesentlichen Teil der Aufgaben der Abfallentsorgung zu beauftragen, ist ferner davon auszugehen, dass öffentliche Aufgaben nicht zwingend im Rahmen öffentlich-rechtlicher Organisationsformen wahrgenommen werden müssen. Die Entscheidung einer kommunalen Körperschaft darüber, ob sie ihre Aufgaben in öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Handlungsformen erfüllt, ist vielmehr eine von ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrecht umfasste Organisationsentscheidung (BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 8 B 173.98 - NVwZ 1999, 653; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 128).
31 
§ 16 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG gestattet es dementsprechend den zur Abfallverwertung und Abfallbeseitigung verpflichteten öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern ausdrücklich, Dritte mit der Erfüllung ihrer Pflichten zu beauftragen. Die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern danach zustehende Organisationswahlfreiheit darf nicht mittelbar dadurch eingeschränkt werden, dass Mehrkosten, die aus der Beauftragung von privaten Dritten in steuerrechtlicher Hinsicht resultieren, für nicht gebührenfähig erklärt werden (BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998, aaO). Bevor der Entsorgungsträger Dritte beauftragt, hat er jedoch mit Blick auf seine Verpflichtung, die Ausgaben so niedrig wie möglich zu halten, zu prüfen, ob er die den Gegenstand des Auftrags bildenden Tätigkeiten nicht in eigener Regie kostengünstiger selbst vornehmen kann (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Stand Juli 2009, § 14 Rn. 7; Brüning, KStZ 2010, 21, 23).
32 
Die Beklagte hat dieser Forderung entsprochen und vor Gründung der ASF GmbH geprüft, ob sie die auf die GmbH zu übertragenden Aufgaben nicht in eigener Regie kostengünstiger erfüllen kann. Sie hat dazu eine Beratungsfirma mit einem Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen einem optimierten Eigenbetrieb und einer Betriebs-GmbH beauftragt. Die mit der Untersuchung beauftragte Büchl Consult GmbH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Teilprivatisierung bereits nach einer kurzen Anlaufzeit deutliche ökonomische Vorteile gegenüber einer Eigenbetriebslösung habe. Einwendungen gegen das von der Beklagten ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten werden vom Kläger nicht erhoben. Umstände, die die Eignung der Untersuchung in Frage stellten, sind auch für den Senat nicht zu erkennen.
33 
b) Das der ASF GmbH für die von ihr zu erbringenden Leistungen zu bezahlende Entgelt zählt hiervon ausgehend auch in der von der Beklagten veranschlagten Höhe zu den gebührenfähigen Kosten.
34 
aa) Der Senat lässt ebenso wie das Verwaltungsgericht offen, ob die Beklagte mit der ohne eine vorherige Ausschreibung erfolgten Beauftragung der ASF GmbH gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen hat.
35 
(1) Nach § 31 Abs. 1 GemHVO muss der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine beschränkte Ausschreibung oder eine freihändige Vergabe rechtfertigen. Die Gründe, die ausnahmsweise zu einer freihändigen Vergabe führen können, sind enumerativ in § 3 Nr. 4 der Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A) aufgezählt (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135). Nach § 3 Nr. 4 a VOL/A soll eine freihändige Vergabe nur stattfinden, wenn für die Leistung aus besonderen Gründen (z.B. besondere Erfahrung, Zuverlässigkeit der Einrichtung, bestimmte Ausführungen) nur ein Unternehmen in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall dürften besondere Umstände in diesem Sinn gegeben gewesen sein, da die ASF GmbH gerade zu dem Zweck gegründet wurde, ihr einen wesentlichen Teil der Aufgaben der Abfallbeseitigung und Stadtreinigung zu übertragen. Dieser Gesellschaftszweck wäre bei Beauftragung eines Dritten verfehlt worden. Im Übrigen bot die ASF GmbH aufgrund der von der Beklagten eingebrachten personellen, fachlichen und wirtschaftlichen Kapazitäten des bisherigen Eigenbetriebs, aber auch wegen der Einwirkungs- und Kontrollrechte, die der Beklagten infolge ihrer (zunächst) alleinigen Beteiligung an der Gesellschaft zustanden und auch nach Übertragung von 47 % der Gesellschaftsanteile auf einen privaten Investor weiterhin zustehen, die größtmögliche Gewähr für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung.
36 
(2) Eine Verpflichtung zur Ausschreibung könnte sich jedoch aus den §§ 97 ff. GWB in seiner Fassung durch das zum 1.1.1999 in Kraft getretene Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26.8.1998 ergeben, mit denen unter anderem die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18.6.1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in das nationale Recht umgesetzt worden ist (vgl. BT-Drs. 13/9340, S. 12).
37 
Nach § 97 Abs. 1 GWB beschaffen öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren. Die Vergabe solcher öffentlichen Aufträge hat grundsätzlich in einem "offenen Verfahren" zu erfolgen, d.h. in einem Verfahren, in dem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wird. Die Beklagte ist als Gebietskörperschaft ein "öffentlicher Auftraggeber" im Sinne von § 98 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Der von ihr mit der ASF GmbH geschlossene entgeltliche Vertrag über (u. a. ) die Sammlung von Abfällen ist jedenfalls im Grundsatz ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von § 99 Abs. 1 GWB. Der in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 92/50/EWG in ihrer seinerzeit gültigen Fassung festgelegte Schwellenwert von 200.000 ECU wird von dem Wert des Auftrags unzweifelhaft überschritten.
38 
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 12.6.2001 - X ZB 10/01 - BGHZ 148, 55; Urt. v. 3.7.2008 - I ZR 145/05 - BGHZ 177, 150) kommt es allerdings nicht zu einem öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB, wenn ein öffentlicher Auftraggeber eine GmbH mit Dienstleistungen betraut, der öffentliche Auftraggeber alleiniger Anteilseigner des Beauftragten ist, er über diesen eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt und der Beauftragte seine Tätigkeit im Wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichtet. Denn unter diesen Voraussetzungen werde der Sache nach kein anderer mit der Erbringung der Dienstleistung beauftragt; es kommt vielmehr zu einem sog "in-house"-Geschäft, bei dem die Dienstleistung von einer Stelle erbracht wird, die der öffentlichen Verwaltung bzw. dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen sei. Das steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 10.11.2005 - C-29/04 - NVwZ 2006, 70; Urt. v. 10.9.2009 - C-573/07 - NVwZ 2009, 1421), wonach in Fällen, in denen ein öffentlicher Auftraggeber mit einer von ihm rechtlich verschiedenen Einrichtung einen Vertrag schließt, eine Ausschreibung nicht erforderlich ist, wenn der öffentliche Auftraggeber über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen und diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der oder den öffentlichen Stellen verrichtet, die ihre Anteile innehaben.
39 
Bei einer - auch nur minderheitlichen - Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, sind diese Voraussetzungen aber nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs nicht gegeben, da in diesem Fall der öffentliche Auftraggeber über die Gesellschaft nicht eine ähnliche Kontrolle ausüben könne wie über seine eigenen Dienststellen. Hiervon ausgehend hat der Europäische Gerichtshof in einem Fall, in dem eine österreichische Gemeinde ihre sich aus dem Niederösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetz ergebenden gesetzlichen Verpflichtungen auf eine - von ihr vier Monate zuvor gegründete - GmbH übertragen und zwei Wochen später beschlossen hatte, 49 % der Anteile auf einen privaten Dritten zu übertragen, eine Ausschreibungspflicht bejaht (Urt. v. 10.11.2005, aaO). Zur Begründung hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, zwar sei die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, eine Ausschreibung vorzunehmen, aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich anhand der Bedingungen zu prüfen, die zum Zeitpunkt der Vergabe des fraglichen Auftrags vorlägen, doch erforderten es die besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache, später eingetretene Ereignisse zu berücksichtigen. Diese besonderen Umstände hat der Gerichtshof darin gesehen, dass die Abtretung von 49 % der Anteile der GmbH kurz nach dem Zeitpunkt erfolgte, zu dem dieser Gesellschaft das ausschließliche und unbefristete Recht zur Sammlung und Behandlung von Müll übertragen worden war. Darüber hinaus habe sie ihre operative Tätigkeit erst zu einem Zeitpunkt aufgenommen, als der private Dritte einen Teil ihrer Anteile übernommen habe. Damit stehe fest, dass es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handele, der über eine mehrere gesonderte Schritte umfassende künstliche Konstruktion, nämlich die Gründung einer GmbH, den Abschluss der Entsorgungsvereinbarung mit der GmbH und die Abtretung von 49 % ihrer Anteile an einen privaten Dritten, an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen vergeben worden sei, an dem ein privates Unternehmen 49 % der Anteile halte.
40 
Der hier zu beurteilende Sachverhalt hat mit dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall gemeinsam, dass die Beteiligung eines privaten Dritten an der zu gründenden und mit bestimmten Aufgaben der Abfallentsorgung zu betrauenden GmbH ein Teil des von dem öffentlichen Auftraggeber beschlossenen Privatisierungskonzepts gewesen ist. Die ASF GmbH hat allerdings ihre Tätigkeit nicht erst aufgenommen, nachdem die ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG 47 % der Anteile an der GmbH von der Beklagten übernommen hat. Auch fehlt es an dem engen zeitlichen Zusammenhang, der in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall gegeben war, da die Übernahme der Anteile durch den privaten Dritten erst mit Wirkung zum 1.1.2002 und somit zwei Jahre nach Abschluss des Bewirtschaftungsrahmenvertrags erfolgte. Der Senat neigt deshalb ebenso wie das Verwaltungsgericht dazu, das Bestehen einer Pflicht der Beklagten zur Ausschreibung vor der Beauftragung der ASF GmbH zu verneinen.
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bb) Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung, da aus einem Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften nicht für sich allein auf die fehlende Erforderlichkeit des aus dem Auftrag resultierenden finanziellen Aufwands geschlossen werden kann (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 19.2.2008 - 15 A 2568/05 - NVwZ-RR 2008, 442; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.2.2008 - 2 KN 3/06 - NordÖR 2008, 236; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 2.3.2004 - 9 LA 28/04 - NdsVBl 2004, 245; OVG Saarland, Urt. v. 25.5.2009 - 1 A 325/08 - Juris; Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 8 Rn. 350a). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend bemerkt, will § 14 KAG die Gebührenzahler allein davor schützen, durch die Veranschlagung von nicht erforderlichen Kosten überhöhte Gebühren zahlen zu müssen, aber nicht einen Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen sanktionieren. Was die Richtlinie 92/50/EWG betrifft, ist das um so weniger anzunehmen, als diese Richtlinie nur dem Schutz des freien Dienstleistungsverkehrs dient, indem sie die Diskriminierung ausländischer Dienstleistungsunternehmen verbietet. Ein Schutz der eventuellen Gebührenzahler ist dagegen nicht bezweckt. In Fällen, in denen vor der Vergabe eines Auftrags eine Ausschreibung stattgefunden hat, ist danach zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die aufgrund des Auftrags zu zahlenden Entgelte erforderlich sind. Daraus kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass immer dann, wenn keine Ausschreibung stattgefunden hat, die Kosten nicht erforderlich und damit nicht gebührenfähig sind (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.2.2008, aaO).
42 
Bei einem Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften muss der den Auftrag erteilende Abgabengläubiger allerdings nachweisen, dass die dabei zugrunde gelegten Preise sich noch im Rahmen dessen bewegen, was der kostenbezogene Erforderlichkeitsgrundsatz voraussetzt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 2.3.2004, aaO; Urt. vom 22.1.1999 - 9 L 1803/97 - Juris; Driehaus, aaO, § 8 Rn. 350a; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 196; Burgi, NVwZ 2001, 601, 607). In Übereinstimmung mit der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann dieser Nachweis als geführt angesehen werden, wenn der geschlossene Vertrag den Vorschriften des öffentlichen Preisrechts entspricht (ebenso OVG Niedersachsen, Urt. v. 22.1.1999, aaO; Urt. v. 24.6.1998 - 9 L 2722/96 - KStZ 1999, 172; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 738a; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 197). Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, ist das hier der Fall.
43 
(1) Nach dem von der Beklagten und der ASF GmbH am 22.12.1999 geschlossenen und am 14.12.2005 ergänzten Bewirtschaftungsrahmenvertrag hat die Beklagte für die in Auftrag gegebenen Leistungen ein mit der ASF GmbH für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum zu vereinbarendes, festes Jahresentgelt zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. Das Entgelt ist nach § 13 Abs. 2 des Vertrags unter Berücksichtigung der tariflichen Leistungen der Gesellschaft an die Arbeitnehmer und "in Anlehnung an marktübliche Preise festzulegen, soweit die Leistungen der Gesellschaft mit marktgängigen Leistungen vergleichbar sind". In § 13 Abs. 2 des Vertrags ist ferner bestimmt, dass sich die maximale Höhe des Entgelts "nach den für feste Preise geltenden Bestimmungen der VO PR 30/53 und der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach dieser Verordnung" errechnet.
44 
Nach der auf dem Preisgesetz vom 10.4.1948 beruhende Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21.11.1953 (BAnz. Nr. 244), zuletzt geändert durch Verordnung PR Nr. 1/89 vom 13.6.1989 (BGBl. I S. 1094) dürfen für Leistungen auf Grund öffentlicher Aufträge höhere Preise nicht gefordert, versprochen, vereinbart, angenommen oder gewährt werden, als nach den Bestimmungen dieser Verordnung zulässig ist (§ 1 Abs. 3 VO PR Nr. 30/53). Die Verordnung unterscheidet dabei zwischen Markt- und Selbstkostenpreisen. Für marktgängige Leistungen dürfen die im Verkehr üblichen preisrechtlich zulässigen Preise (Marktpreise) nicht überschritten werden (§ 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53). Selbstkostenpreise dürfen nur ausnahmsweise vereinbart werden, wenn keine gesetzlich geregelten Preise gelten, keine Marktpreise festgestellt werden können, eine Mangellage vorliegt oder der Wettbewerb auf der Anbieterseite beschränkt ist und hierdurch die Marktpreisbildung nicht unerheblich beeinflusst wird (§ 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53).
45 
Ob in dem von der Beklagten geschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrag eine Berechnung des der ASF GmbH zu bezahlenden Entgelts aufgrund von Selbstkosten vereinbart werden durfte, hängt danach davon ab, ob es sich bei den von der ASF GmbH zu erbringenden Leistungen um marktgängige Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 handelt, für die ein Marktpreis festgestellt werden kann. Das ist nicht der Fall, da die Kosten für die Abfallbeseitigung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland je nach den örtlichen Gegebenheiten erheblich differieren. Marktpreise lassen sich deshalb allenfalls für bestimmte Teilleistungen feststellen, nicht aber für die von der Beklagten im Rahmen ihrer öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung zu erbringenden Leistungen in ihrer Gesamtheit (vgl. zu dieser Frage OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 24.6.2008 - 9 A 373/06 - KStZ 2009, 12; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 16.2.2005 - 2 LB 109/03 - Juris Rn. 83; HessVGH, Beschl. v. 27.4.1999 - 5 N 3909/98 - NVwZ-RR 2000, 243; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197a). Für die Auftragsvergabe kamen allerdings außer der ASF GmbH auch noch andere Unternehmen in Betracht. Durch Ausschreibung oder die Aufforderung an mehrere Unternehmen, ein Angebot abzugeben, hätte daher ein besonderer Markt entstehen können. Wird es unterlassen, für individuelle Leistungen einen besonderen Markt zu schaffen, ist dies jedoch aus preisrechtlicher Sicht ohne Auswirkungen, weil eine wettbewerbliche Vergabe sich nicht nachholen lässt. Es bleibt deshalb in einem solchen Fall bei der Abrechnung nach Selbstkostenpreisen (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 16.2.2005 - 2 LB 109/03 - Juris; Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 7. Aufl., § 1 VO Pr Nr. 30/53 Rn. 110).
46 
(2) In der den Bewirtschaftungsrahmenvertrag ergänzenden Vereinbarung vom 14.12.2005 haben die Beklagte und die ASF GmbH den Leistungskatalog für den Zeitraum 2006 bis 2010 sowie das jährliche Entgelt für die Durchführung der Aufgaben nach diesem Katalog sowie dem "Einzelvertrag über die Unterstützung des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und der kaufmännischer Buchführung" nebst einer Preisrevisionsformel festgelegt. Die ASF GmbH hat dabei zugesichert, dass das Entgelt nach den für Selbstkostenpreise maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung PR 30/53 ermittelt worden ist bzw. das sich aus der Anwendung dieser Vorschriften ergebende Entgelt unterschritten wird (Art. 1 § 2 Abs. 3), wie das die Beklagte und die ASF GmbH in § 13 Abs. 2 des Bewirtschaftungsrahmenvertrags vereinbart haben. Nach dem Bericht der von der Beklagten mit der Prüfung der Preise beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BWS Graf Westphalen, Busch & Partner ("Prüfung der Selbstkostenfestpreise für die Geschäftsjahre 2006 bis 2010") entspricht diese Zusicherung den Tatsachen. In ihrem Bericht vom 12.8.2005 kommt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu dem Ergebnis, dass die Selbstkostenfestpreise für die Geschäftsjahre 2006 bis 2010 von der die ASF GmbH ordnungsgemäß aus ihrer Kostenrechnung abgeleitet und entsprechend den Grundsätzen der Verordnung PR 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen sowie den Leitsätzen für die Preisbildung aufgrund von Selbstkosten ermittelt worden seien.
47 
Die gegen diese Auffassung erhobenen Einwendungen des Klägers erweisen sich als nicht berechtigt.
48 
Bei der Festlegung des Entgelts haben die Beklagte und die ASF GmbH für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals kalkulatorische Zinsen in Höhe von 6,5 % angesetzt. Das ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu beanstanden. Nach den - einen Bestandteil der Verordnung PR 30/53 bildenden - Leitsätzen für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP) können für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals kalkulatorische Zinsen angesetzt werden, für die der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen einen Höchstsatz festsetzt. Mit der Verordnung PR 4/72 vom 17.4.1972 wurde dieser Höchstsatz auf 6,5 % festgelegt. Der von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Zinssatz hält sich damit innerhalb des durch das öffentliche Preisrecht vorgegebenen Rahmens. Der dagegen erhobene Einwand des Klägers, der Zinssatz dürfe nicht nach dem genannten Höchstsatz, sondern müsse nach dem allgemeinen Zinsniveau bemessen werden, da es der Beklagten nicht gestattet sei, ihr Kapital zu Lasten des Gebührenzahlers mit einem höheren Zinssatz zu verzinsen, als sie ihn am freien Markt hätte erzielen können, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach der ursprünglichen Fassung der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten waren die kalkulatorischen Zinsen mit einem Zinssatz anzusetzen, "der dem Diskontsatz der Bundesbank um einem vom der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen einen Höchstsatz festzusetzenden Zuschlag übersteigt". Die Bindung des kalkulatorischen Zinssatzes an den häufig wechselnden Diskontsatz wurde jedoch nicht als zweckmäßig angesehen, weshalb die Leitsätze in ihrer seit Ende 1954 geltenden Fassung bewusst auf einen Höchstsatz abstellen. Unterhalb dieses Höchstsatzes können daher Auftraggeber und Auftragnehmer den Zinssatz nach Belieben vereinbaren (Ebisch/Gottschalk, aaO, Nr. 43 LSP Rn. 15). Nach dem Prüfbericht der BWS vom 12.8.2005 (S. 14) liegt im Übrigen der vereinbarte Zinssatz von 6,5 % unter dem (seinerzeit geltenden) bankenüblichen Zinssatz für kurzfristiges Fremdkapital.
49 
Der im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Einwand des Klägers, dass die Verzinsung aus dem betriebsnotwendigen Kapital von 3.523.000 EUR und dem betriebsnotwendigen Sachanlagevermögen von 7.688.000 EUR, also insgesamt aus 11.211.000 EUR berechnet worden sei, obwohl das ausgewiesene Stammkapital der ASF GmbH nur 1.738.400 EUR betrage, greift ebenfalls nicht durch, da betriebsnotwendiges Kapital und Stammkapital nicht gleichgesetzt werden dürfen. Unter dem betriebsnotwendigen Kapital ist gemäß Nr. 44 LSP das betriebsnotwendige Vermögen zu verstehen, vermindert um die dem Unternehmen zinslos zur Verfügung gestellten Vorauszahlungen und Anzahlungen durch öffentliche Auftraggeber und solche Schuldbeträge, die dem Unternehmen im Rahmen des gewährten Zahlungsziels von Lieferanten zinsfrei zur Verfügung gestellt werden. Als Stammkapital bezeichnet man dagegen die bei einer GmbH von den Gesellschaftern zu erbringende Kapitaleinlage, d. h. das nominelle Eigenkapital. Der Begriff des Stammkapitals ist daher nicht identisch mit dem betriebswirtschaftlichen Begriff des Eigenkapitals der Gesellschaft, das schon bei der Gründung vom Stammkapital abweichen und sich danach ständig verändern kann (Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 9. Aufl., § 5 Rn. 9). Auf diesen Einwand ist der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mehr zurückgekommen.
50 
Preisrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Beklagte und die ASF GmbH in § 13 Abs. 2 des Bewirtschaftungsrahmenvertrags einen "kalkulatorischen Gewinn im Sinne von Nr. 51 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach der VO PR 30/53 von mindestens 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten" vereinbart haben. Nach Nr. 4 Abs. 3 LSP ist der Selbstkostenpreis im Sinne der Leitsätze "gleich der Summe der nach diesen Leitsätzen ermittelten, der Leistung zuzurechnenden Kosten zuzüglich des kalkulatorischen Gewinns". In Nr. 51 LSP ist dazu näher bestimmt, dass mit dem kalkulatorischen Gewinn das allgemeine Unternehmerwagnis und bei Vorliegen einer besonderen unternehmerischen Leistung in wirtschaftlicher, technischer oder organisatorischer Hinsicht ein Leistungsgewinn abgegolten wird, der der unternehmerischen Mehrleistung entsprechen soll. Bei der Preisermittlung kann daher zusätzlich ein kalkulatorischer Gewinn angesetzt werden, der üblicherweise nach einem Prozentsatz der Netto-Selbstkosten (Selbstkosten ohne Umsatzsteuer) berechnet wird. Die in der Praxis vereinbarte Höhe dieses Gewinns bewegt sich zwischen 2,5 % und 5 % (Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197e; Ebisch/Gottschalk, aaO, Nr. 52 LSP Rn. 7).
51 
Gegen den Ansatz eines kalkulatorischen Gewinns sowie gegen die von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Höhe dieses Zuschlags bestehen danach keinen Bedenken. Zwar ist der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 4.10.2001 - 9 A 2737/00 - (KStZ 2001, 13) der Meinung, dass bei einer vom Landkreis beherrschten Abfallentsorgungsgesellschaft nur 1 % des Umsatzes als Gewinnzuschlag angesetzt werden dürften, weil das allgemeine Unternehmerwagnis bei dieser Vertragsgestaltung nur gering sei. Das genannte Urteil ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da die Vertragspartner in dem vom OVG Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fall keine Selbstkostenfestpreise, sondern Selbstkostenerstattungspreise vereinbart hatten, d.h. Preise, die aufgrund der tatsächlich angefallenen Selbstkosten gemäß einer Nachkalkulation ermittelt werden. Das mit einer Vorkalkulation verbundene Risiko des Auftragnehmers, dass die tatsächlichen Kosten höher sind als in der Kalkulation angenommen, entfällt bei dieser Art der Preisgestaltung. Die im vorliegenden Fall erfolgte Vereinbarung von Selbstkostenpreisen bedeutet daher ein erhöhtes Risiko. Bei dieser Art der Vertragsgestaltung ist daher auch gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften in den durch das öffentliche Preisrecht gezogenen Grenzen ein normaler Gewinnzuschlag zuzubilligen, zumal andernfalls diese Art der Zusammenarbeit zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts und Privatunternehmen ("Public-Private-Partnership") erheblich erschwert oder sogar unmöglich gemacht würde (vgl. Wiesemann, NVwZ 2005, 391, 396).
52 
Die Laufzeit des zunächst vom 1.1.2000 bis zum 31.12.2019 abgeschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrags sowie die in der Ergänzungsvereinbarung des Bewirtschaftungsrahmenvertrags enthaltenen Preisrevisionsformel rechtfertigen keine andere Beurteilung. Nach der betreffenden Vereinbarung werden die Entgelte ab dem Jahre 2006 nachträglich anhand einer festgelegten Preisrevisionsformel an das tatsächliche Preisniveau eines jeden Jahres angeglichen, deren Basis die Indizes des Statistischen Bundesamts für verschiedene Kostengruppen (u.a. gewerbliche Erzeugnisse, Treibstoffe, Wohnung, Wasser, Strom) bilden. Die ASF GmbH ist damit zwar in dem vereinbarten Umfang gegen Preissteigerungen geschützt, nicht aber dagegen, dass es gegenüber den dem vereinbarten Leistungskatalog zugrunde liegenden Richtwerten zu Mehr- oder Minderleistungen kommt. Nach der Vorbemerkung zu dem Leistungskatalog sind die Beklagte und die ASF GmbH vielmehr übereingekommen, dass bei den in diesem Katalog definierten Leistungsarten grundsätzlich keine Mehr- oder Minderleistungen abgerechnet werden dürfen.
53 
2. Die vom Kläger ferner beanstandeten Kosten der Recyclinghöfe sind im Wesentlichen Teil des der ASF GmbH bezahlten Betreiberentgelts, da Betrieb und Unterhaltung der Recyclinghöfe nach dem Bewirtschaftungsrahmenvertrag Aufgabe der ASF GmbH ist. Das der ASF GmbH bezahlte und als Teil der Position "sonstiger Betriebsaufwand" in die Kalkulation aufgenommene Betreiberentgelt schließt daher die Kosten für den Betrieb der Recyclinghöfe ein. Die Kosten für die Schaffung der erforderlichen Infrastruktur sind dagegen über Abschreibungen in die Gebührenkalkulation eingeflossen. Die Kalkulation ist auch mit Blick auf diese Kosten nicht zu beanstanden.
54 
Die vom Kläger beanstandete Steigerung der Kosten für die Recyclinghöfe um 23 % von 1,57 Mio. EUR/Jahr auf 1,936 Mio. EUR/Jahr wird von der Beklagten in der Gemeinderats-Drs. G-05/141 mit der erwarteten Mengenzunahme und den erweiterten Öffnungszeiten erklärt. Die Beklagte hat dies in ihrem Schriftsatz vom 14.5.2010 näher erläutert. Die erwartete und nach ihrer Darstellung auch tatsächlich eingetretene Zunahme der bei den Recyclinghöfen angelieferten Abfälle steht danach mit der Schließung der Deponie und dem damit verbundenen Wegfall der dort bis dahin bestehenden Selbstanlieferungsmöglichkeit im Zusammenhang. Die Beklagte hat die vom Kläger kritisierte Zunahme der Kosten damit hinreichend plausibel gemacht.
55 
Gegen die in die Gebührenkalkulation aufgenommenen Kosten der Recyclinghöfe bestehen auch insoweit keine Bedenken, als es sich dabei um Investitionsfolgekosten handelt, die aus der am 10.11.2004 beschlossenen Verlegung des bisher im Stadtteil Wiehre befindlichen Recyclinghofs auf das Gelände des (ehemaligen) Güterbahnhofs Süd resultieren. Wie bereits angesprochen, steht dem Träger einer öffentlichen Einrichtung bei deren Herstellung, Anschaffung und Ausgestaltung ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Grenzen dieses Spielraums sind bei einer gebührenauslösenden Maßnahme erst dann überschritten, wenn der Einrichtungsträger keinerlei Erwägungen über deren Notwendigkeit angestellt hat, sich erkennbar von tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen hat leiten lassen oder die Entscheidung auf sachfremden Überlegungen beruht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Scholz, Die Kommunale Benutzungsgebühr, BWGZ 1989, 239 ff., 247). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Nach der Vorlage zu der Sitzung vom 10.11.2004 (Gemeinderats-Drs. G-04/123) hat sich die Beklagte zu der Verlegung des Recyclinghofs in erster Linie wegen der geplanten Neubebauung des Areals "Östlicher Wiehrebahnhof" entschlossen. Als weitere Gründe für die Verlegung werden genannt, dass der neue Recyclinghof die neuen Stadtteile Rieselfeld und Vauban optimal erschließe und auch für die Stadt- bzw. Ortsteile St. Georgen, Tiengen, Opfingen und Munzingen verkehrstechnisch günstiger als der alte Standort liege. Der neue Standort biete ferner im Unterschied zu dem alten Standort in der Wiehre ausreichend Platzverhältnisse, um u. a. einem Mehrbedarf an Containern durch neue gesetzliche Vorschriften gerecht zu werden. Der EAF erwarte außerdem mit der Eröffnung des neuen Standorts eine Entlastung des sehr stark frequentierten Recyclinghofs St. Gabriel. Diese Überlegungen sind weder sachfremd noch beruhen sie auf tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen.
56 
3. Die Gebührenkalkulation der Beklagten lässt auch insoweit keinen Fehler erkennen, als sie die Kosten für den Transport des Mülls zu der Thermischen Restabfallbehandlungs- und Energieerzeugungsanlage Breisgau (TREA) sowie die Kosten für die dort stattfindende Müllverbrennung umfasst.
57 
Die Beklagte betreibt keine eigene Restmüllbehandlungsanlage. Der von ihr zu entsorgende Restmüll wurde in der Vergangenheit auf der vom Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald betriebenen und zum 31.5.2005 geschlossenen Deponie Eichelbuck abgelagert. Seit der Schließung der Deponie wird der gesamte Restmüll zu der Ende 2004 in Betrieb genommenen TREA in Eschbach gebracht und dort verbrannt. Mit der Entsorgung der von der Stadt in ihrem Auftrag oder aus ihrem Entsorgungsgebiet an der TREA angelieferten Abfälle hat die Beklagte am 16.5.2002 die Gesellschaft Abfallwirtschaft Breisgau mbH (GAB) als Dritte im Sinn des § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG beauftragt. Die Vergabe des Auftrags erfolgte nach Maßgabe eines zwischen der GAB als Auftraggeber und der die TREA betreibenden MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG als Auftragnehmer am 17.5.2002 geschlossenen Vertrags "über die Entsorgung von Abfall aus dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, der Stadt Freiburg und dem Zweckverband Abfallbehandlung Kahlenberg". Nach § 11 Abs. 1 der Vereinbarung vom 16.5.2002 zahlt die Beklagte der GAB für die Entsorgung der Abfälle den dieser von der MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG "nach § 22 Abs. 1, 6 des Entsorgungsvertrages unter Berücksichtigung einer eventuellen Preisanpassung nach § 15 oder § 24 des Entsorgungsvertrages in Rechnung gestellten Entsorgungspreis", der - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - vom Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ermittelt worden ist.
58 
Der Transport zur TREA vollzieht sich in mehreren Schritten: Der eingesammelte Abfall wird zunächst per Müllfahrzeug zu dem Gelände der ehemaligen Deponie Eichelbuck gebracht und dort in spezielle Container umgeladen, die sowohl für Bahnwaggons als auch für LKW-Fahrgestelle geeignet sind. Die Transportbehälter werden anschließend per LKW zu einer Umladestation auf dem Grundstück Siemensstr. 16 gebracht und dort auf Bahnwaggons gesetzt. Von dort aus werden sie zu der ca. 30 km entfernten TREA gefahren. Mit dem Bahntransport hat die Beklagte am 29.5.2005 ebenfalls die GAB beauftragt, die sich dazu der Dienste der Unisped Spedition und Transport GmbH bedient. Nach dem darüber geschlossenen (Änderungs-) Vertrag vom 29.5.2006 hat die Beklagte der GAB dafür eine zusätzliche Vergütung zu bezahlen.
59 
Die Beklagte hat die ihr durch die Beauftragung der GAB entstehenden Kosten für die Müllverbrennung und den Bahntransport in die Gebührenkalkulation unter der Rubrik "bezogene Leistungen" eingestellt. Als erforderliche Kosten von Fremdleistungen sind auch diese Kosten trotz der Einwendungen des Klägers als gebührenfähig anzuerkennen. Unter den in Betracht kommenden Logistikvarianten hat sich der Gemeinderat der Beklagten in seiner Sitzung vom 18.5.2004 für das beschriebene, einen streckenweisen Bahntransport einschließende Verfahren entschieden. Das gewählte Verfahren ("Variante Bahn 1") wurde dabei mit einem Transport des Mülls zur Umladestation mit anschließendem Transport per LKW zur TREA ("Variante Straße 1") verglichen. Die Kosten eines reinen Straßentransports wurden dabei auf 3,73 Millionen EUR veranschlagt, die Kosten der Variante Bahn 1 mit 3,96 bzw. 4,00 Millionen EUR. Untersucht wurden außer den Kosten auch die ökologischen Faktoren. In der Sitzungsvorlage heißt es dazu, dass der Bahntransport bei einem Einsatz von Biodiesel zum Antrieb der von der SWEG eingesetzten Dieselloks zu einer Verringerung des CO 2 -Ausstoßes um 237 t/Jahr führe. Bei Stickoxiden und Rußpartikeln schneide dagegen der LKW-Transport etwas besser ab.
60 
Unter Abwägung der genannten Gesichtspunkte hat sich der Gemeinderat der Beklagten für die Variante Bahn 1 entschieden, für die sich zuvor auch der Abfallwirtschaftsausschuss des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald ausgesprochen hatte. Auch diese Entscheidung ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Die Logistik beim Transport des Abfalls zur TREA betrifft die Art und Weise des Betriebs der öffentlichen Einrichtung. Der Beklagten als Träger der Einrichtung ist deshalb auch insoweit ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum zuzubilligen, dessen Grenzen nur unter den bereits genannten Voraussetzungen überschritten sind. Die Entscheidung der Beklagten für einen teilweisen Bahntransport beruht weder auf sachfremden Überlegungen noch ist sie von tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen bestimmt worden. Die Entscheidung hält sich damit in den Grenzen des der Beklagten zukommenden Bewertungsspielraums.
61 
4. Die Gebührenkalkulation der Beklagten stößt auch insoweit auf keine Bedenken, als unter den Positionen "Verwaltungsleistungen der Stadt", "Umlage Verwaltung EAF" sowie "Umlagekosten GAB" die bei der Beklagten selbst, ihrem Eigenbetrieb sowie der GAB anfallenden Verwaltungskosten in die Kalkulation eingestellt wurden.
62 
a) Die in die Kalkulation eingestellten Beträge für Verwaltungsleistungen der Beklagten sind nach deren Erläuterungen Teil der Position "sonstiger Betriebsaufwand". Nach der Darstellung der Beklagten handelt es sich dabei um die Kosten der von ihren Ämtern und Dienststellen für den Betrieb der öffentlich-rechtlichen Einrichtung erbrachten Leistungen, die nicht in die Zuständigkeit des EAF fallen. Berücksichtigt worden seien Leistungen des Presse- und Informationsamts, des Amts für Statistik/Bürgeramt, des Kassenamts, des Personalamts, des Rechtsamts, des Hauptamts, der Kämmerei und des Umweltschutzamts.
63 
Gegen die Berücksichtigung dieser Kosten bestehen keine Bedenken. Wie § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KAG 2005 klarstellt, gehören zu den Kosten im Sinn des Abs. 1 Satz 1 auch die "Verwaltungskosten einschließlich Gemeinkosten". Der Gesetzgeber wollte damit verdeutlichen, dass neben den eigenen Verwaltungskosten (insbesondere Personal- und Sachkosten) auch die anteiligen Kosten der Querschnittsämter, der Leitung und der Gremien bei der Gebührenbemessung berücksichtigt werden können (LT-Drs. 13/3966, S. 47). Substantiierte Einwendungen gegen die Berechnung der danach als grundsätzlich gebührenfähig anzuerkennenden Verwaltungskosten der Beklagten hat der Kläger nicht erhoben.
64 
b) Bei den unter der Position "Umlage Verwaltung EAF" in die Kalkulation eingestellten Kosten handelt es sich nach der Darstellung der Beklagten um Aufwendungen des EAF im Rahmen der bei diesem verbliebenen hoheitlichen Aufgaben und andere Verwaltungsleistungen des EAF für den Betrieb der öffentlich-rechtlichen Einrichtung. Als Beispiele werden genannt: Controlling und Fortschreibung des Betreibervertrags, die gesamte Buchführung, Betreuung und Abwicklung der Leistungsbeziehungen zur GAB, Bearbeitung von Widersprüchen und sonstigen Rechtsbehelfen, Öffentlichkeitsarbeit. Die vom Kläger kritisierte Steigerung dieser Kosten wird von der Beklagte mit der zwischenzeitlich erfolgten Schließung der Deponie erklärt, die zu einer Veränderung der am Verursacheranteil orientierten Verteilungsmaßstäbe für die Umlage der Kosten geführt habe. Der Senat erachtet auch diese Erklärung, zu der sich der Kläger nicht näher geäußert hat, als hinreichend plausibel.
65 
c) Für die in die Kalkulation aufgenommenen "Umlagekosten GAB" gilt im Ergebnis das Gleiche. Nach den Erläuterungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 14.5.2010 handelt es sich dabei um die bei der GAB anfallenden Personal- und Sachkosten, die erforderlich seien, um die Entsorgung der Abfälle in der TREA zu gewährleisten, den Vertrag zu überwachen und fortzuschreiben sowie die Logistik und den Bahntransport zu konzipieren und zu organisieren. Die Erstattung dieser in der Kalkulation auf jährlich 72.000 EUR veranschlagten Kosten hat ihre Grundlage in § 21 Abs. 2 des von der Beklagten mit der GAB geschlossenen Vertrags vom 16.5.2002/29.5.2006, wonach die Beklagte die Leistungen, die von der GAB zur Abwicklung des Entsorgungsvertrags erbracht werden, nach einem bestimmten Schlüssel zu vergüten hat.
66 
5. Die Gebührenkalkulation der Beklagten ist ferner nicht deshalb zu beanstanden, weil die Beklagte in die Kalkulation eine sich aus dem vorangegangenen Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 ergebende Kostenunterdeckung von insgesamt 1.561.125,64 EUR oder jährlich 520.375,15 EUR eingestellt hat.
67 
Die gesamte im Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 entstandene Kostenunterdeckung wird von der Beklagten mit 2.602.000 EUR angenommen und in erster Linie mit dem Rückgang der Abfallmengen im Bereich der hausmüllartigen Gewerbeabfälle erklärt. In die Berechnung der Kostenunterdeckung seien aber auch Defizite eingeflossen, die durch Gebührenausfälle entstanden seien, weil Gebührenforderungen gegenüber einzelnen Gebührenschuldnern nicht hätten realisiert werden können. Nach der Auffassung des Senats ist das zu Unrecht geschehen (unten a). Für die Kalkulation der Beklagten ergeben sich daraus jedoch keine weiteren Konsequenzen, da die Beklagte nur einen Teil der Kostenunterdeckung aus dem vorangegangenen Kalkulationszeitraum in die Kalkulation eingestellt hat (unten b).
68 
a) Das Verwaltungsgericht hat die Einbeziehung der Gebührenausfälle bei der Berechnung der im vorangegangenen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckung nicht beanstandet und zur Begründung ausgeführt, es bedürfe keiner näheren Erläuterung, dass Gebührenausfälle vom Gebührenhaushalt und nicht vom allgemeinen städtischen Haushalt zu tragen seien. Das steht im Widerspruch zu der im Urteil des Senats vom 31.8.1989 - 2 S 2805/87 - (VBlBW 1990, 103, 108) geäußerten Auffassung, wonach Gebührenausfälle, die aufgrund von Zahlungsunfähigkeit oder gewährten Gebührenerlassen entstehen, nicht von den übrigen Gebührenzahlern, sondern aus den allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen sind (ebenso OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.2.2000 - 2 K 20/97 - NordÖR 2000, 304; OVG Brandenburg, Urt. v. 22.2.2002 - 2 D 78.00.NE - KStZ 2003, 233; Schulte/ Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 182). Daran ist festzuhalten. Die Frage, ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, den auf die Abfallgebühren entfallenden Teil der von ihr gemäß § 22 SGB II bzw. § 29 SGB XII zu erbringenden "Leistungen für die Unterkunft" direkt an den EAF auszubezahlen, sowie die sich gegebenenfalls anschließende Frage, ob und inwieweit die Gebührenausfälle dadurch hätten vermieden werden können, bedürfen danach keiner Beantwortung.
69 
Zur Feststellung einer Kostenunter- oder Kostenüberdeckung bedarf es gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 KAG eines Vergleichs der (ansatzfähigen) Gesamtkosten der öffentlichen Einrichtung mit dem "Gebührenaufkommen". Was unter Gebührenaufkommen zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher erläutert. Vom reinen Wortsinn her können damit sowohl die vom Träger der öffentlichen Einrichtung veranlagten Gebühren als auch (nur) die von ihm tatsächlich vereinnahmten Gebühren gemeint sein. Dem Wesen einer Gebühr entsprechend ist der Begriff jedoch in dem zuerst genannten Sinn zu verstehen.
70 
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 a KAG in Verbindung mit § 227 AO können Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. § 3 Abs. 1 Nr. 6 b KAG in Verbindung mit § 261 AO gestattet es ferner, Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis niederzuschlagen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zu dem Betrag stehen. Das veranlagte und das tatsächlich erzielte Gebührenaufkommen werden deshalb regelmäßig nicht miteinander übereinstimmen. In der Nichtbeitreibbarkeit eines bestimmten Teils der veranlagten Gebühren ist daher mit der Beklagten ein typisches und letztlich auch nicht zu vermeidendes Risiko zu sehen, das mit dem Betrieb der öffentlichen Einrichtung verbunden ist. Diese Überlegung rechtfertigt es jedoch nicht, dieses Risiko nicht dem allgemeinen städtischen Haushalt, sondern den übrigen Gebührenpflichtigen aufzuerlegen.
71 
Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (BVerfG, Beschl. v. 6.2.1979 - 2 BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217, 226). Aus dem der Benutzungsgebühr eigentümlichen Austauschverhältnis, in dem sich Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen, folgt, dass die Gebührenschuldner nur mit Kosten belasten werden dürfen, die mit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in dem erforderlichen engen Sachzusammenhang stehen. Soweit es um Kosten geht, die daraus herrühren, dass die von einem Teil der Gebührenpflichtigen geschuldeten Gebühren nicht beigetrieben werden können, fehlt es an diesem Zusammenhang, da grundsätzlich kein Gebührenpflichtiger verpflichtet ist, für die persönliche Schuld anderer einzustehen. Das Risiko der Nichtbeitreibbarkeit einer Forderung hat daher nicht die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen, sondern der Einrichtungsträger als Forderungsinhaber zu tragen (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.2.2000, aaO; OVG Brandenburg, Urt. v. 22.2.2002, aaO).
72 
b) Die im Zeitraum 2003 bis 2005 entstandenen Gebührenausfälle durch Erlass, Niederschlagung etc. werden von der Beklagten mit 304.357,26 EUR beziffert. Der Senat sieht keinen Anlass, an dieser durch eine detaillierte Aufstellung der einzelnen im Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 entstandenen Fehl- und Überschussbeträge (Anlage B 54) belegten Angabe der Beklagten zu zweifeln. Entgegen der Ansicht des Klägers wird die Richtigkeit der von der Beklagten genannten Zahl insbesondere nicht durch die Bilanzen des EAF in Frage gestellt. Der Kläger glaubt den Bilanzen des EAF für die Jahre 2003 bis 2005 entnehmen zu können, dass es in diesen Jahren zu Gebührenausfällen von ca. 3,2 Millionen EUR gekommen ist. Die von ihm genannten Zahlen geben jedoch tatsächlich die Summe der zum Bilanzstichtag offenen Forderungen des EAF gegenüber den Gebührenzahlern wieder und nicht die Summe der in dem jeweiligen Jahr entstandenen Gebührenausfälle. Der vom Kläger aus diesen Zahlen gezogene Schluss ist daher offensichtlich verfehlt.
73 
Der Senat geht somit davon aus, dass die im Zeitraum 2003 bis 2005 durch Erlass, Niederschlagung etc. zu verzeichnenden Gebührenausfälle von der Beklagten korrekt mit 304.357,26 EUR beziffert werden. Die zu Unrecht erfolgte Einbeziehung der Gebührenausfälle bei der Berechnung der im vorangegangenen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckung ist danach für die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zur Überprüfung stehende Kalkulation der Abfallgebühren für den Zeitraum 2006 bis 2008 ohne Bedeutung, da die Beklagte von der nach ihrer Berechnung insgesamt 2.602.000 EUR betragenden Kostenunterdeckung nur einen Teilbetrag von 1.561.125,64 EUR in die Kalkulation eingestellt hat.
74 
6. Als weitgehend unbegründet erweisen sich schließlich auch die Einwendungen des Klägers, die sich gegen die aus seiner Sicht zu Unrecht unterbliebene Berücksichtigung bestimmter von der Beklagten erzielter Einnahmen in der Gebührenkalkulation richten.
75 
Die Frage, ob und inwieweit Einnahmen, die mit dem Betrieb einer öffentlichen Einrichtung verbunden sind, bei der Gebührenkalkulation durch Verrechnung mit den durch den Betrieb verursachten Kosten zu berücksichtigen sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Die in § 14 Abs. 1 KAG getroffene Aussage, wonach die Gebühren höchstens so bemessen werden dürfen, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung gedeckt werden, betrifft nur die Kosten der Einrichtung. Ansatzfähig sind nach dieser Vorschrift nur die betriebsbedingten Kosten, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.1.2000 - 2 S 1621/97 - NVwZ-RR 2000, 710; Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 3246/94 - VBlBW 1996, 382). Es ist daher systemgerecht, von den ansatzfähigen Kosten im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung etwaige Einnahmen nur dann abzuziehen, wenn sie ebenfalls in einem ausreichend engen Zusammenhang mit der durch die Einrichtung vorgesehenen Leistungserbringung stehen oder ihrer Erzielung Kosten der Einrichtung zugrunde liegen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.11.2006 - 9 A 1029/04 - KStZ 2007, 194). Eine Verpflichtung der Beklagten, den bei dem Verkauf des Anlagevermögens des EAF an die ASF GmbH erzielten Erlös in die Kalkulation einzustellen, besteht danach entgegen der Ansicht des Klägers nicht (unten a). Das Gleiche gilt für den Erlös durch den Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße, die mit den aus der Deponierückstellung gewährten Darlehen verbundenen Zinseinnahmen, die bei der Selbstanlieferung auf dem früheren Deponiegelände oder einem der Recyclinghöfe vereinnahmten Gebühren sowie die Einnahmen aus Gewerbesteuern (unten b bis e). Anders zu beurteilen ist allein der auf die Beklagte entfallende Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag, den die Beklagte bei der Gebührenkalkulation zu Unrecht außer Betracht gelassen hat. Dieser Mangel bei der Beschlussfassung über die Gebührensätze ist jedoch gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG als unbeachtlich anzusehen und führt daher nicht zur Unwirksamkeit der Abfallwirtschaftssatzung der Beklagten (unten f).
76 
a) Die Beklagte hat nach der Gründung der ASF GmbH das Anlagevermögen des EAF mit Wirkung zum 31.12.1999 zum Restbuchwert an die neu gegründete GmbH verkauft. Der Verkaufserlös wurde im Vermögenshaushalt der Stadt vereinnahmt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das zu Recht geschehen, da die Beklagte mit der Veräußerung des Anlagevermögens keinen Erlös realisiert hat, der den Gebührenzahlern zusteht. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, den Erlös als Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen. Darauf, dass dieser Erlös ohnehin nicht in dem hier allein zu betrachtenden Kalkulationszeitraum angefallen ist, kommt es daher nicht an.
77 
Bei dem Anlagevermögen des EAF handelt es sich nach Ansicht des Klägers um "Kapital" des Gebührenzahlers. Das trifft nicht zu. Nach dem von § 14 Abs. 1 KAG für maßgebend erklärten betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff sind Kosten in Geld ausgedrückter Verbrauch von wirtschaftlichen Gütern und Dienstleistungen innerhalb einer bestimmten Rechnungsperiode, soweit sie für die betriebliche Leistungserstellung anfallen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.2.1989 - 2 S 2279/87 - VBlBW 1989, 462; Faiß/Giebler/Lang/Notheis/ Schmid, Kommunales Wirtschaftsrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl., Rn. 795). Zu diesen Kosten gehören die laufenden Unterhaltungskosten sowie die sogenannten kalkulatorischen Kosten im Sinne von § 14 Abs. 3 KAG. Die Kosten für die Anschaffung oder Herstellung der öffentlichen Einrichtung stellen dagegen als solche keinen Wertverzehr in der laufenden Rechnungsperiode dar, sondern sind, wie sich aus § 14 Abs. 3 S. 1 KAG ergibt, im Wege angemessener Abschreibungen auf die Jahre zu verteilen, in denen die Einrichtung voraussichtlich genutzt wird. Mit den in der Vergangenheit erbrachten Leistungen für Abschreibungen auf die zum Anlagevermögen des EAF gehörenden und mit den Mitteln des allgemeinen Haushalts beschafften Gegenstände wird dementsprechend nur der sich aus deren Nutzung ergebende Wertverzehr ausgeglichen. Die Gebührenschuldner haben damit aber nicht einen Anteil am Anlagevermögen erworben. Ein Verkauf des Anlagevermögens an einen Dritten ist daher gebührenrechtlich ohne Bedeutung (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 24.6.2008 - 9 A 373/06 - KStZ 2009, 12 und 1.6.2007 - 9 A 372/06 - Juris; HessVGH, Beschl. vom 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 199).
78 
b) Eine Verpflichtung der Beklagten, den nach der Ansicht des Klägers bei dem Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße erzielten "Veräußerungsgewinn" bei der Gebührenbedarfsberechnung zu berücksichtigen, ist dementsprechend ebenfalls zu verneinen. Dabei ist über das eben Ausgeführte hinaus darauf hinzuweisen, dass Grundstücke keinem Wertverzehr unterliegen und deshalb keinen Abschreibungsbedarf auslösen. Der Kauf und Verkauf von Grundstücken, auf denen sich Teile einer öffentlichen Einrichtung befinden, ist daher unabhängig von ihrer haushaltsrechtlichen Zuordnung gebührenrechtlich neutral. Die vom Gemeinderat der Beklagten am 10.11.2004 beschlossene Verlegung des bisher auf dem Grundstück Dreikönigstraße befindlichen Recyclinghof auf das Grundstück Carl-Mez-Str. 52 hat dementsprechend in der Gebührenkalkulation der Beklagten nur insoweit einen Niederschlag gefunden, als die aus dem errechneten Investitionsbedarf resultierenden jährlichen Abschreibungen als Teil der Position "Abschreibungen auf Sacheinlagen" in die Kalkulation eingestellt wurden.
79 
c) Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten hat der EAF der Beklagten in der Vergangenheit mehrfach Darlehen aus den Rückstellungen gewährt, die für die Stilllegung und Rekultivierung der Deponie Eichelbuck gebildet wurden. Was die hier allein zu prüfende Gebührenkalkulation der Beklagten für den Zeitraum 2006 bis 2008 betrifft, ist auch dieser Vorgang ohne Bedeutung.
80 
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 b KAG sind bei der Bemessung der Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung auch die Zuführung zu Rücklagen oder Rückstellungen für die vorhersehbaren späteren Kosten der Stilllegung und der Nachsorge zu berücksichtigen. Die für die Stilllegung und Rekultivierung der Deponie Eichelbuck gebildeten Rückstellungen wurden dementsprechend von den Gebührenschuldnern finanziert. Die aus der Vergabe der Darlehen resultierenden Zinserträge stehen gleichwohl nicht dem Gebührenhaushalt zu, sondern sind den Rückstellungen zuzuführen, wie dies nach der Darstellung der Beklagten auch tatsächlich geschehen ist. Auf die Frage, ob der von der Beklagten mit dem EAF vereinbarte Zinssatz als angemessen anzusehen ist, kommt es deshalb im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht an, da die Vereinbarung nur Auswirkungen auf die Höhe der den Rückstellungen zuzuführenden Zinserträge hat. Ein Zusammenhang mit der der Satzung der Beklagten zugrunde liegenden Gebührenkalkulation besteht dagegen nicht.
81 
d) Mit der 1999 erfolgten Übertragung des Betriebsvermögens des EAF auf die ASF GmbH wurden die vom EAF mit der DSD GmbH geschlossenen Verträge von der ASF GmbH übernommen. In der Gemeinderatsdrucksache G-01/053 wird dazu ausgeführt, dass für die "Unternehmenssparte DSD" des EAF ein Ertragswert von 4.757.600 DM ermittelt worden sei, der von der ASF GmbH der Stadt zu erstatten sei. Unter Berücksichtigung eines steuerrechtlichen Verlustvortrags in Höhe von 3.548.243 DM ergebe sich hieraus ein der Körperschafts- bzw. Gewerbesteuer unterliegender Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.209.357 DM, der dem städtischen Haushalt zurückgeführt werde. Auch hiergegen bestehen entgegen der Ansicht des Klägers keine Bedenken.
82 
Nach § 6 Abs. 1 der - auf § 24 KrW-/AbfG beruhenden Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) - sind Hersteller und Vertreiber, die unter diese Verordnung fallende Verkaufsverpackungen erstmals in den Verkehr bringen, verpflichtet, sich zur Gewährleistung der flächendeckenden Rücknahme dieser Verkaufsverpackungen an einem oder mehreren Systemen nach § 6 Abs. 3 VerpackV zu beteiligen, das im Einzugsgebiet des verpflichteten Vertreibers flächendeckend und unentgeltlich die regelmäßige Abholung gebrauchter, restentleerter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe in ausreichender Weise zu gewährleisten hat. Gemäß § 5 Abs. 2 AbfWS sind die von dieser Vorschrift erfassten Abfälle von der städtischen Abfallentsorgung ausgeschlossen. Die Einsammlung und Verwertung dieser Abfälle ist dementsprechend kein Teil der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung, sondern erfolgt mittels eines unabhängig davon bestehenden zweiten (dualen) Entsorgungssystems. Die gemäß §§ 23 ff. AbfWS erhobenen Benutzungsgebühren sind dementsprechend keine Gegenleistung für die Einsammlung und Verwertung der genannten Abfälle. Die Finanzierung des dualen Systems erfolgt vielmehr in der Weise, dass die DSD GmbH es Herstellern gegen Zahlung eines Lizenzentgelts gestattet, diejenigen Produkte, deren Verpackungen über das duale System eingesammelt werden, mit dem sogenannten "Grünen Punkt" zu kennzeichnen. Diese Kosten werden über den Verkaufspreis der Waren an die Verbraucher anteilig weitergegeben (Queitsch, UPR 1995, 246). Ein Grund, der die Beklagte verpflichtet hätte, den durch die Übertragung der mit der DSD GmbH geschlossenen Verträge erzielten Veräußerungsgewinn dem Gebührenhaushalt zugute zu bringen, ist danach nicht zu erkennen.
83 
d) Zu dem Einwand des Klägers, dass dem Gebührenhaushalt auch die bei der Selbstanlieferung auf dem Eichelbuck bzw. dem Betriebshof bezahlten Gebühren zugehörig seien, hat die Beklagte geäußert, dass sämtliche Kosten und Einnahmen, die auf die Selbstanlieferung entfielen, gesondert berechnet worden seien, um zu gewährleisten, dass die Schuldner der Abfallgebühren nur mit den Kosten belastet würden, die für die Entsorgung des Hausmülls entstünden. Auch dieses Vorgehen begegnet keinen Bedenken, da sich die Berechtigung zur Selbstanlieferung gemäß § 22 AbfWS auf die Abfälle beschränkt, die nach § 5 Abs. 4 AbfWS vom Einsammeln und Befördern (Holsystem) ausgeschlossen sind. Wie sich aus § 3 Abs. 2 des von der Beklagten mit der GAB geschlossenen Vertrags ergibt, fallen die betreffenden Abfälle auch nicht unter diesen Vertrag, da die Beklagte danach nur verpflichtet ist, der GAB die Abfälle zu übergeben, die ihr im Rahmen der öffentlichen Abfallabfuhr überlassen worden sind und die sie der Beseitigung zuführt. Das der GAB bezahlte Entgelt stellt dementsprechend keine Gegenleistung für die Beseitigung und Verwertung dieser Abfälle dar. Die Beklagte hat deshalb bei der Gebührenkalkulation zu Recht zwischen Gebühren für die Entsorgung der von ihr eingesammelten Abfällen (§ 29 AbfWS) und Gebühren für die Benutzung der Umschlagstation Eichelbuck sowie der Annahmestellen durch Selbstanlieferer (§ 30 AbfWS) getrennt.
84 
e) Zu den nach seiner Ansicht rechtswidrig dem Gebührenhaushalt vorenthaltenen Einnahmen rechnet der Kläger offenbar auch die Einnahmen der Beklagten aus den von der ASF GmbH als Kapitalgesellschaft bezahlten Gewerbesteuern. Eine Verpflichtung zur Anrechnung dieser Steuern besteht jedoch nicht. Als kalkulierbare Steuer rechnet die Gewerbesteuer zu den Kosten im Sinne der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten und darf daher in das mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt eingerechnet werden. Als Teil dieses Entgelts darf die Gewerbesteuer auch auf die Gebührenschuldner umgelegt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 8 B 173.98 - NVwZ 1999, 653).
85 
f) Das Verwaltungsgericht hat dagegen zu Recht beanstandet, dass die Beklagte den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag nicht - gebührenmindernd - als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation eingestellt hat.
86 
aa) Der von der Beklagten und der ASF GmbH geschlossene Bewirtschaftungsrahmenvertrag sieht, wie oben erörtert, die Zahlung eines mit der ASF GmbH für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum zu vereinbarenden, festen Jahresentgelts für die von der GmbH erbrachten Leistungen vor, das einen kalkulatorischen Gewinn von 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten einschließt. Da die Beklagte an der ASF GmbH zu 53 % beteiligt ist, kommt der in dem vereinbarten Entgelt enthaltene Gewinnzuschlag auch ihr zugute. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht angenommen, dass die Beklagte den auf sie entfallenden Anteil an dem kalkulatorischen Gewinn als bei normalem Geschäftsverlauf im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation hätte einstellen müssen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts gilt das jedoch für den gesamten Anteil an diesem Gewinn nach Abzug der aus dem Gewinn zu zahlenden Steuern und nicht nur für den eine angemessene Verzinsung des Stammkapitals übersteigenden Teil.
87 
Der Beklagten ist es gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG gestattet, Dritte mit der Erfüllung der ihr als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger obliegenden Pflichten zu beauftragen. Die ihr dadurch entstehenden Kosten dürfen nach den bereits gemachten Ausführungen auf die Gebührenschuldner verteilt werden, soweit es sich um betriebsnotwendige Kosten handelt. Nach öffentlichem Preisrecht zulässige Gewinnzuschläge, die in dem von dem Dritten verlangten Entgelt enthalten sind, gehören zu den in diesem Sinn betriebsnotwendigen Kosten. Die Einschaltung eines - gewinnorientierten - Privatunternehmens darf jedoch für den Träger der öffentlichen Einrichtung nicht zum "Mittel der Erschließung illegaler Finanzquellen" werden. Das gilt insbesondere mit Blick auf die aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG folgende Verpflichtung, die Gebühren nur so zu bemessen, dass ihr Aufkommen die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung nicht übersteigt. Das sich aus dieser Vorschrift ergebende Verbot einer Gewinnerzielung ist daher auch in den Fällen zu beachten, in denen der Träger der öffentlichen Einrichtung sich zur Erfüllung seiner Aufgaben einer privatrechtlichen Gesellschaft bedient, an denen er selbst beteiligt ist. Die bei einer solchen Gesellschaft entstehenden Gewinne müssen daher, soweit sie auf die Beteiligung der Gemeinde entfallen, gebührenmindernd berücksichtigt werden (ebenso HessVGH, Beschl. v. 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 7.11.1996 - 4 K 11/96 - DVBl 1997, 1072 und 25.2.1998 - 4 K 8/97 - KStZ 2000, 12; Wiesemann, NVwZ 2005, 391, 396; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197f; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Stand Juli 2009, § 14 Rn. 7; Gössl/Reif, KAG für Baden-Württemberg, Stand September 2009, § 14 Anm. 4.1.2.2, S. 26 f.)
88 
Aus Art. 28 GG ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts anderes. Mit der sich aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG ergebenden Verpflichtung der Beklagten, den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen, ist weder ein unzulässiger Eingriff in die Organisationshoheit der Beklagten noch ein Eingriff in ihr verfassungsrechtlich gewährleistetes Selbstverwaltungsrecht verbunden. Die genannte Verpflichtung steht auch nicht in Widerspruch zu der oben anerkannten Berechtigung der Beklagten, in dem mit der ASF GmbH geschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrag einen kalkulatorischen Gewinn im Sinne von Nr. 51 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach der VO PR 30/53 zu vereinbaren, da sich diese Berechtigung sowie die hier in Rede stehende Verpflichtung der Beklagten, den auf sie entfallenden Anteil an diesem Zuschlag den Gebührenschuldner zugute zu bringen, auf verschiedenen Ebenen bewegen. Die Beteiligung der Beklagten an der ASF GmbH hat, vereinfacht ausgedrückt, in Verbindung mit dem in das vereinbarte Entgelt eingerechneten Gewinnzuschlag zur Konsequenz, dass der Beklagten ein Teil des der GmbH zu bezahlenden Entgelts wieder zurückfließt. Ob die Beklagte diesen Teil des Entgelts "behalten darf" oder ihn an die Gebührenschuldner weiter zu geben hat, regelt nicht das öffentliche Preisrecht, sondern das Abgabenrecht, das hierzu mit § 14 Abs. 1 S. 1 KAG eine eindeutige Aussage trifft.
89 
Bei dem auf die Beklagte entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten Gewinnzuschlag handelt es sich allerdings nur um eine Prognose der bei einem normalen Geschäftsverlauf im Kalkulationszeitraum zu erwartenden Einnahmen der Beklagten, die - worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - mit den tatsächlichen Gewinnen, die die Beklagte aus ihrer Beteiligung an der ASF GmbH im "gebührengebundenen Bereich" in den Jahren 2006 bis 2008 erzielt hat, nicht identisch zu sein braucht. Das steht jedoch der Verpflichtung der Beklagten, diesen Anteil als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen, ebenfalls nicht entgegen. Zur Lösung des damit verbundenen Problems steht vielmehr der in § 14 Abs. 2 S. 2 KAG geregelte Ausgleich von Kostenüber- und Kostenunterdeckungen zur Verfügung: Abweichungen zwischen erwarteten und tatsächlichen Einnahmen können, soweit sie zu Kostenunterdeckungen geführt haben, innerhalb des in dieser Vorschrift genannten Zeitraums in späteren Gebührenkalkulationen ausgeglichen werden. Soweit Abweichungen zwischen erwarteten und tatsächlichen Einnahmen umgekehrt zu Kostenüberdeckungen geführt haben, müssen sie innerhalb des gleichen Zeitraums in späteren Gebührenkalkulationen ausgeglichen werden.
90 
bb) Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze sind gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG unbeachtlich, wenn sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Die Nichtberücksichtigung des auf die Beklagte entfallenden Anteils an dem kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme hat danach nicht die Unwirksamkeit der von der Beklagten beschlossenen Gebührensätze zur Folge, da dieser Fehler nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung in Höhe von weniger als 0,75 % geführt hat.
91 
(1) Auf den vereinbarten Gewinnzuschlag von 3 % entfallen von den sich aus dem Bericht der Wirtschaftsprüfergesellschaft Graf Westfalen, Busch & Partner (Anlage 2) ergebenden Nettoselbstkosten (Selbstkosten ohne Mehrwertsteuer), die die Beklagte und die ASF GmbH - vorbehaltlich der sich aus der verabredeten Preisrevisionsformel ergebenden Anpassungen - als Entgelt für die Jahre 2006 bis 2008 vereinbart haben, Beträge von 365.605,30 EUR (2006), 367.884,38 EUR (2007) bzw. 371.261,17 EUR (2008). Auf die an der ASF GmbH zu 53 % beteiligte Beklagte entfallen davon 193.770,80 EUR (2006), 194.978,72 EUR (2007) bzw. 196.768,42 EUR (2008). Hiervon abzuziehen sind die aus dem Gewinn zu zahlenden Abgaben in Form von Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag (vgl. Brüning, aaO, § 6 Rn. 197f, S. 134). Nach Abzug von 20% Kapitalertragssteuer für die Jahre 2006 und 2007 bzw. einem Abzug von 25 % Kapitalertragssteuer für das Jahr 2008 (vgl. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in seiner seinerzeit geltenden Fassung) sowie Abzug des jeweils 5,5% betragenden Solidaritätszuschlags ergeben sich daraus Nettogewinne von 144.359,25 EUR (2006), 145.259,15 EUR (2007) bzw. 144.870,75 EUR (2008).
92 
Für eine Verringerung dieser Beträge um eine angemessene Verzinsung des auf die Beklagte entfallenden und auf den gebührengebundenen Bereich beschränkten Anteils am Stammkapital der ASF GmbH sieht der Senat anders als das Verwaltungsgericht keinen Grund, da das von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt außer einem kalkulatorischen Gewinn von 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten bereits kalkulatorische Zinsen in Höhe von 6,5 % für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals als Bestandteil der Selbstkosten einschließt. Der Hinweis der Beklagten, dass das Stammkapital nicht von den Gebührenschuldnern, sondern aus dem allgemeinen Haushalt finanziert worden sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch der Umstand, dass betriebsnotwendiges Kapital und Stammkapital verschiedene Begriffe sind, rechtfertigt es nicht, der Beklagten über die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals hinaus noch eine angemessene Verzinsung ihres Anteils an dem nur eine nominelle Größe darstellenden Stammkapital der ASF GmbH zuzusprechen.
93 
(2) Bezogen auf den gesamten für die Jahre 2006 bis 2008 angenommenen Gebührenbedarf von jeweils über 20 Millionen EUR pro Jahr hat die Nichtberücksichtigung des auf die Beklagte entfallenden Anteils am kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme danach zu einer als nur geringfügig anzusehenden Kostenüberdeckung in Höhe von weniger als 0,75 % geführt. Es handelt sich daher um einen gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG unbeachtlichen Mangel bei der Beschlussfassung über die Gebührensätze.
94 
Die Frage, ob diese Vorschrift auch in Fällen zur Anwendung kommt, in denen die Gebührenkalkulation auf offenkundig oder gar bewusst fehlerhaften Kostenansätzen beruht, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Vereinbarung eines einen kalkulatorischen Gewinnzuschlag enthaltenden Entgelts in einem von dem Träger einer öffentlichen Einrichtung mit einer GmbH geschlossenen (Fremdleistungs-)Vertrag den Einrichtungsträger verpflichtet, den auf ihn aufgrund seiner Beteiligung an der GmbH entfallenden Anteil an diesem Zuschlag gebührenmindernd in die Kalkulation einzustellen, hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht entschieden. Der Standpunkt der Beklagten, die preisrechtliche Zulässigkeit eines solchen Zuschlags lasse es zu, das vereinbarte Entgelt ungeschmälert in die Gebührenkalkulation einzustellen, kann auch nicht als offensichtlich unrichtig angesehen werden. Der Beklagten kann daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, sich bewusst oder grob fahrlässig über das geltende Recht hinweggesetzt zu haben.
95 
7. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen des Klägers sowie dem von ihm nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 4.6.2010 gestellten (weiteren) Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
96 
a) Mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten ersten Antrag stellt der Kläger seine Behauptung unter Beweis, dass die Beklagte bei der Veräußerung von 47 % ihrer Anteile an der ASF GmbH eine Absprache mit der ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG getroffen habe, wonach von der ASF GmbH Gewinne von ca. 4 Millionen EUR vor Steuern und ca. 2,5 bis 2,8 Millionen EUR nach Steuern durch Preisgestaltung der Betreiberentgelte zu erwirtschaften seien. Der Antrag ist bereits unzulässig, da Tatsachenbehauptungen, die von einer Partei ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt werden, eine gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung nicht auszulösen vermögen (BVerwG, Beschl. v. 2.7.1998 - 11 B 30.97 - NVwZ 1999, 656). Für die unter Beweis gestellte Behauptung muss vielmehr zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit sprechen. Daran fehlt es hier. Der Kläger stützt seine Behauptung in erster Linie auf das an die Beklagte gerichtete Schreiben der ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG vom 2.2.2005. In dem Schreiben hat sich die KG gegen die von der Beklagten zuvor vorgeschlagene Verringerung der von der ASF GmbH erbrachten Entsorgungsleistungen ausgesprochen und zur Begründung darauf hingewiesen, dass sie ihr Angebot zum Erwerb von 47 % der Anteile an der GmbH auf der Grundlage der Verdingungsunterlagen vom 17.5.2001 abgegeben habe. Ein weitgehende Einschränkung der bisher von der ASF GmbH erbrachten Dienstleistungen stelle diese Kalkulationsgrundlage in Frage. In dem Schreiben ist somit weder direkt noch indirekt von einer Gewinnzusage der Beklagten die Rede, geschweige denn von einer Gewinnzusage in der vom Kläger behaupteten Höhe. Das Schreiben vermag daher die vom Kläger aufgestellte Behauptung nicht zu stützen. Für die vom Kläger ferner vorgelegte Vorlage für die Dezernentenkonferenz vom 18.1.2005 gilt das Gleiche. Auch in der Vorlage wird nicht von einer Gewinnzusage gesprochen, sondern von einer "zu erwartenden Gewinnprognose", die zudem nicht mit der Gestaltung der Gebühren, sondern mit den Verträgen in Verbindung gebracht wird, die die ASF GmbH mit der DSD GmbH geschlossen hat.
97 
Die unter Beweis gestellte Tatsache ist davon abgesehen für die Rechtmäßigkeit der Abfallgebührensatzung der Beklagten unerheblich. Wie ausgeführt, ist die der Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation mit Ausnahme eines zu einer nur geringfügigen Kostenüberdeckung führenden und daher gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 KAG unbeachtlichen Fehlers nicht zu beanstanden. Die Kalkulation weist insbesondere keine überhöhten Kostenansätze auf. Das gilt auch für das mit der ASF GmbH vereinbarte und in die Kalkulation eingestellte Fremdleistungsentgelt. Auf die vom Kläger behauptete Zusage kommt es deshalb nicht an.
98 
b) Für die mit dem zweiten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Behauptung des Klägers, die Erhöhung der Gebühren um mehr als 50 % sei auf politische Einflussnahme der Beklagten zurückzuführen, gilt das Gleiche. Auch für diese Behauptung fehlt es im Übrigen an greifbaren Anhaltspunkten. Der Umstand, dass die ASF GmbH Ende 2004 auf der Grundlage der ihr seinerzeit zur Verfügung stehenden Informationen einen Gebührenmehrbedarf von nur 30 % angenommen hat, stellt einen solchen Anhaltspunkt nicht dar.
99 
c) Zu der ferner beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens, mit dem der Beweis geführt werden soll, dass der Gebührenkalkulation der Beklagten zur Erzielung der angestrebten hohen Gewinne überhöhte Annahmen zugrunde gelegt worden sind, besteht ebenfalls keine Veranlassung. Der Antrag ist in dieser Form inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, da der Kläger auch nicht ansatzweise dargelegt hat, welche der zahlreichen "Annahmen", auf denen die Gebührenkalkulation der Beklagten beruht, an dem von ihm behaupteten Mangel leiden sollen. Der Antrag ist deshalb in dieser Form ebenfalls unzulässig. Das gilt auch dann, wenn man den Antrag dahin versteht, dass mit den vom Kläger genannten "Annahmen" (nur) die von ihm in der Begründung seiner Berufung beanstandeten Positionen der Gebührenkalkulation gemeint sein sollen. Die vom Kläger gegen die Gebührenkalkulation erhobenen Einwendungen, zu denen der Senat bereits Stellung genommen hat, betreffen jeweils Rechtsfragen und sind damit der Beweiserhebung durch ein Sachverständigengutachten nicht zugänglich.
100 
d) Die mit dem zweiten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Behauptung, dass der auf die Beklagte entfallende Gewinnanteil an der ASF GmbH in den Jahren 2006 bis 2008 "im gebührengebundenen Bereich bereits, wie geplant, jeweils mehr als 50 % des Gewinns und mehr als 500.000 EUR jährlich" betragen habe, ist für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich. Nach den oben gemachten Ausführungen war die Beklagte verpflichtet, den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen. Auf die Frage, ob die tatsächlichen Gewinne, die die Beklagte aus ihrer Beteiligung an der ASF GmbH im "gebührengebundenen Bereich" in den Jahren 2006 bis 2008 erzielt hat, mit diesen Beträgen identisch sind, kommt es im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht an. Die Frage betrifft vielmehr den in § 14 Abs. 2 S. 2 KAG geregelten Ausgleich von Kostenüber- und Kostenunterdeckungen, worauf ebenfalls bereits hingewiesen wurde. Die Frage ist daher nur für die späteren Gebührenkalkulationen der Beklagten von Interesse. Der Senat sieht dementsprechend auch keine Veranlassung, dem nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 4.6.2010 gestellten Antrag des Klägers zu folgen und die Beklagte zur Vorlage der internen Kosten- und Leistungsrechnung der ASF GmbH zu verpflichten, mit der der Kläger ebenfalls den Beweis führen möchte, dass die Gewinne der ASF GmbH zu mehr als 50 % aus dem "gebührengebundenen Bereich" stammen.
101 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
102 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
103 
Beschluss
104 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 131,40 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
105 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
20 
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Gebührenbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage danach zu Recht abgewiesen.
I.
21 
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die Satzung der Beklagten über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen (AbfWS) vom 15.11.2005, nach dessen § 23 die Beklagte zur Deckung ihres Aufwands für die Entsorgung von Abfällen Benutzungsgebühren erhebt. Die Benutzungsgebühren für die Entsorgung der Abfälle aus privaten Haushaltungen bemessen sich gemäß § 27 Abs. 1 AbfWS nach der Anzahl der zu einem Haushalt gehörenden Personen zum Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld (Haushaltsgebühr) sowie nach der Anzahl und dem Volumen der verwendeten Abfallbehältnisse und der Häufigkeit der regelmäßigen Entleerung (Behältergebühr). Die Haushaltsgebühr beträgt bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif für Haushalte mit zwei Personen jährlich 97,56 EUR, die Behältergebühr für den Restabfallbehälter bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif und Verwendung eines 14-täglich entleerten 35 Liter Abfallbehältnisses jährlich 33,84 EUR. Das entspricht den von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid für das Jahr 2006 verlangten Beträgen. Über die Berechnung der vom Kläger geschuldeten Abfallgebühren besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.
II.
22 
Die hier maßgeblichen gebührenrechtlichen Regelungen in der Satzung der Beklagten sind wirksam. Sie verstoßen entgegen der Ansicht des Klägers weder gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG noch gegen andere höherrangige Rechtsvorschriften.
23 
Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Die Gebühren dürfen höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung gedeckt werden (§ 14 Abs. 1 S. 1 KAG). Das gilt auch für die hier in Rede stehenden Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung. Aus § 18 KAG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die in dieser Vorschrift für die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung getroffenen ergänzenden Bestimmungen lassen die Geltung des § 14 Abs. 1 S. 1 KAG unberührt (vgl. zu der früheren Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 2005 VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - VBlBW 1996, 382).
24 
Über die Höhe des Gebührensatzes hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen zu beschließen. Voraussetzung für eine sachgerechte Ausübung dieses Ermessens ist eine Gebührenkalkulation, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze hervorgeht. Diese wird ermittelt, indem die gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung auf die potentiellen Benutzer nach Maßgabe des in der Satzung vorgesehenen Gebührenmaßstabs verteilt werden, wobei die voraussichtlichen Kosten sowie der voraussichtliche Umfang der Benutzung oder Leistung geschätzt werden müssen. Die Gebührensatzobergrenze ist danach das Ergebnis eines Rechenvorgangs, bei dem die voraussichtlichen gebührenfähigen Gesamtkosten durch die Summe der voraussichtlichen maßstabsbezogenen Benutzungs- oder Leistungseinheiten geteilt werden. Ist dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Gebührensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Gebührensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausüben konnte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa NK-Beschl. v. 7.2.2002 - 2 S 2643/01 - AbfallR 2003, 97). Das gilt allerdings nur vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG, der Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze für unbeachtlich erklärt, sofern sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen.
25 
Die gebührenrechtlichen Regelungen in der Satzung der Beklagten sind in Anwendung dieser Grundsätze nicht zu beanstanden. Die der Satzung zugrunde liegende, die Jahre 2006 bis 2008 umfassende Gebührenkalkulation enthält keine in einem wesentlichen Punkt fehlerhafte Kostenansätze. Die sich gegen die aus seiner Sicht zu Unrecht unterbliebene Berücksichtigung bestimmter von der Beklagten erzielter Einnahmen in der Gebührenkalkulation richtenden Einwendungen des Klägers greifen ebenfalls nicht durch.
26 
1. Die in die Kalkulation als "sonstiger Betriebsaufwand" eingestellten Beträge von 15.353.480,20 EUR (Zahl für 2006), 15.923.916,39 EUR (2007) bzw. 16.073.673,22 EUR (2008) bestehen im Wesentlichen aus dem der ASF GmbH zu bezahlenden Entgelt, mit dem die von der GmbH nach dem Bewirtschaftungsrahmenvertrag zu erbringenden Leistungen vergütet werden. Nach der bei den Kalkulationsakten der Beklagten befindlichen Aufstellung wurden dafür im Jahr 2006 14.693.580,23 EUR und in den beiden folgenden Jahren 15.276.951,21 EUR bzw. 15.415.958,87 EUR angesetzt. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers sind unbegründet. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist das der ASF GmbH zu bezahlende Entgelt in der von der Beklagten veranschlagten Höhe zu den gebührenfähigen Kosten zu rechnen.
27 
Zu den gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 KAG nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen und durch Gebühren zu deckenden Kosten gehören nach allgemeiner Meinung auch die dem Träger der Einrichtung durch die Beauftragung Dritter mit betriebsbedingten Leistungen entstehenden Kosten. Berücksichtigungsfähig sind danach auch Fremdleistungsentgelte, die auf vertraglichen Zahlungsverpflichtungen des Trägers der Einrichtung gegenüber solchen juristischen Personen bestehen, an denen er selbst beteiligt ist. Dies gilt unabhängig von dem Grad dieser Beteiligung (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 1.6.2007 - 9 A 372/06 - Juris; HessVGH, Beschl. v. 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135; OVG Greifswald, Urt. v. 25.2.1998 - 4 K 8/97 - KStZ 2000, 12).
28 
Die Kosten von Fremdleistungen sind allerdings - ebenso wie andere Kosten - nur insoweit als gebührenfähig anzuerkennen, als es sich um erforderliche Kosten handelt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219) wird der Umfang der als gebührenfähig anzusehenden Kosten allgemein durch den Grundsatz der Erforderlichkeit begrenzt. Grundlage dafür ist die Überlegung, dass eine sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung (§ 48 LKrO, § 77 Abs. 2 GemO) besonders dort geboten ist, wo das kommunale Handeln Gebührenpflichten auslöst (näher zur Herleitung dieses Gebots Brüning, KStZ 2010, 21). Der genannte Grundsatz betrifft außer der Angemessenheit der entstandenen Kosten (kostenbezogene Erforderlichkeit) auch die Erforderlichkeit der gebührenfähigen öffentlichen Einrichtung als solcher und die Art und Weise ihres Betriebs (einrichtungsbezogene Erforderlichkeit).
29 
a) Die Beklagte hat sich bis 1999 zur Erledigung der ihr obliegenden Aufgaben der Abfallentsorgung des Eigenbetriebs Abfallbeseitigung Freiburg (EAF) bedient. Im Rahmen der in diesem Jahr beschlossenen Organisationsprivatisierung hat sie die ASF GmbH als 100-prozentige städtische Tochtergesellschaft gegründet und anschließend mit einem wesentlichen Teil der bisher von dem Eigenbetrieb erledigten Aufgaben beauftragt. Diese Entscheidung bewegt sich innerhalb des der Beklagten bei der Organisation ihrer öffentlichen Einrichtung zustehenden Spielraums und ist deshalb nicht zu beanstanden.
30 
Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 22.10.1998, aaO) ist dem Träger einer öffentlichen Einrichtung bei deren Herstellung, Anschaffung und Ausgestaltung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zuzubilligen, da die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einer Maßnahme in aller Regel nicht allein von objektiv fassbaren und messbaren Faktoren, sondern auch von planerischen, prognostischen, finanzpolitischen und sonstigen auf Erwägungen der Zweckmäßigkeit beruhenden Gesichtspunkten abhängt. Die Verwaltungsgerichte haben insbesondere nicht zu prüfen, ob der Träger der öffentlichen Einrichtung mit den von ihm im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Einrichtung getroffenen Maßnahmen die zweckmäßigste Lösung gefunden hat. Was die Entscheidung der Beklagten betrifft, die zuvor gegründete ASF GmbH mit einem wesentlichen Teil der Aufgaben der Abfallentsorgung zu beauftragen, ist ferner davon auszugehen, dass öffentliche Aufgaben nicht zwingend im Rahmen öffentlich-rechtlicher Organisationsformen wahrgenommen werden müssen. Die Entscheidung einer kommunalen Körperschaft darüber, ob sie ihre Aufgaben in öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Handlungsformen erfüllt, ist vielmehr eine von ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrecht umfasste Organisationsentscheidung (BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 8 B 173.98 - NVwZ 1999, 653; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 128).
31 
§ 16 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG gestattet es dementsprechend den zur Abfallverwertung und Abfallbeseitigung verpflichteten öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern ausdrücklich, Dritte mit der Erfüllung ihrer Pflichten zu beauftragen. Die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern danach zustehende Organisationswahlfreiheit darf nicht mittelbar dadurch eingeschränkt werden, dass Mehrkosten, die aus der Beauftragung von privaten Dritten in steuerrechtlicher Hinsicht resultieren, für nicht gebührenfähig erklärt werden (BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998, aaO). Bevor der Entsorgungsträger Dritte beauftragt, hat er jedoch mit Blick auf seine Verpflichtung, die Ausgaben so niedrig wie möglich zu halten, zu prüfen, ob er die den Gegenstand des Auftrags bildenden Tätigkeiten nicht in eigener Regie kostengünstiger selbst vornehmen kann (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Stand Juli 2009, § 14 Rn. 7; Brüning, KStZ 2010, 21, 23).
32 
Die Beklagte hat dieser Forderung entsprochen und vor Gründung der ASF GmbH geprüft, ob sie die auf die GmbH zu übertragenden Aufgaben nicht in eigener Regie kostengünstiger erfüllen kann. Sie hat dazu eine Beratungsfirma mit einem Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen einem optimierten Eigenbetrieb und einer Betriebs-GmbH beauftragt. Die mit der Untersuchung beauftragte Büchl Consult GmbH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Teilprivatisierung bereits nach einer kurzen Anlaufzeit deutliche ökonomische Vorteile gegenüber einer Eigenbetriebslösung habe. Einwendungen gegen das von der Beklagten ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten werden vom Kläger nicht erhoben. Umstände, die die Eignung der Untersuchung in Frage stellten, sind auch für den Senat nicht zu erkennen.
33 
b) Das der ASF GmbH für die von ihr zu erbringenden Leistungen zu bezahlende Entgelt zählt hiervon ausgehend auch in der von der Beklagten veranschlagten Höhe zu den gebührenfähigen Kosten.
34 
aa) Der Senat lässt ebenso wie das Verwaltungsgericht offen, ob die Beklagte mit der ohne eine vorherige Ausschreibung erfolgten Beauftragung der ASF GmbH gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen hat.
35 
(1) Nach § 31 Abs. 1 GemHVO muss der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine beschränkte Ausschreibung oder eine freihändige Vergabe rechtfertigen. Die Gründe, die ausnahmsweise zu einer freihändigen Vergabe führen können, sind enumerativ in § 3 Nr. 4 der Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A) aufgezählt (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135). Nach § 3 Nr. 4 a VOL/A soll eine freihändige Vergabe nur stattfinden, wenn für die Leistung aus besonderen Gründen (z.B. besondere Erfahrung, Zuverlässigkeit der Einrichtung, bestimmte Ausführungen) nur ein Unternehmen in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall dürften besondere Umstände in diesem Sinn gegeben gewesen sein, da die ASF GmbH gerade zu dem Zweck gegründet wurde, ihr einen wesentlichen Teil der Aufgaben der Abfallbeseitigung und Stadtreinigung zu übertragen. Dieser Gesellschaftszweck wäre bei Beauftragung eines Dritten verfehlt worden. Im Übrigen bot die ASF GmbH aufgrund der von der Beklagten eingebrachten personellen, fachlichen und wirtschaftlichen Kapazitäten des bisherigen Eigenbetriebs, aber auch wegen der Einwirkungs- und Kontrollrechte, die der Beklagten infolge ihrer (zunächst) alleinigen Beteiligung an der Gesellschaft zustanden und auch nach Übertragung von 47 % der Gesellschaftsanteile auf einen privaten Investor weiterhin zustehen, die größtmögliche Gewähr für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung.
36 
(2) Eine Verpflichtung zur Ausschreibung könnte sich jedoch aus den §§ 97 ff. GWB in seiner Fassung durch das zum 1.1.1999 in Kraft getretene Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26.8.1998 ergeben, mit denen unter anderem die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18.6.1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in das nationale Recht umgesetzt worden ist (vgl. BT-Drs. 13/9340, S. 12).
37 
Nach § 97 Abs. 1 GWB beschaffen öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren. Die Vergabe solcher öffentlichen Aufträge hat grundsätzlich in einem "offenen Verfahren" zu erfolgen, d.h. in einem Verfahren, in dem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wird. Die Beklagte ist als Gebietskörperschaft ein "öffentlicher Auftraggeber" im Sinne von § 98 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Der von ihr mit der ASF GmbH geschlossene entgeltliche Vertrag über (u. a. ) die Sammlung von Abfällen ist jedenfalls im Grundsatz ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von § 99 Abs. 1 GWB. Der in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 92/50/EWG in ihrer seinerzeit gültigen Fassung festgelegte Schwellenwert von 200.000 ECU wird von dem Wert des Auftrags unzweifelhaft überschritten.
38 
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 12.6.2001 - X ZB 10/01 - BGHZ 148, 55; Urt. v. 3.7.2008 - I ZR 145/05 - BGHZ 177, 150) kommt es allerdings nicht zu einem öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB, wenn ein öffentlicher Auftraggeber eine GmbH mit Dienstleistungen betraut, der öffentliche Auftraggeber alleiniger Anteilseigner des Beauftragten ist, er über diesen eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt und der Beauftragte seine Tätigkeit im Wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichtet. Denn unter diesen Voraussetzungen werde der Sache nach kein anderer mit der Erbringung der Dienstleistung beauftragt; es kommt vielmehr zu einem sog "in-house"-Geschäft, bei dem die Dienstleistung von einer Stelle erbracht wird, die der öffentlichen Verwaltung bzw. dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen sei. Das steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 10.11.2005 - C-29/04 - NVwZ 2006, 70; Urt. v. 10.9.2009 - C-573/07 - NVwZ 2009, 1421), wonach in Fällen, in denen ein öffentlicher Auftraggeber mit einer von ihm rechtlich verschiedenen Einrichtung einen Vertrag schließt, eine Ausschreibung nicht erforderlich ist, wenn der öffentliche Auftraggeber über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen und diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der oder den öffentlichen Stellen verrichtet, die ihre Anteile innehaben.
39 
Bei einer - auch nur minderheitlichen - Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, sind diese Voraussetzungen aber nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs nicht gegeben, da in diesem Fall der öffentliche Auftraggeber über die Gesellschaft nicht eine ähnliche Kontrolle ausüben könne wie über seine eigenen Dienststellen. Hiervon ausgehend hat der Europäische Gerichtshof in einem Fall, in dem eine österreichische Gemeinde ihre sich aus dem Niederösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetz ergebenden gesetzlichen Verpflichtungen auf eine - von ihr vier Monate zuvor gegründete - GmbH übertragen und zwei Wochen später beschlossen hatte, 49 % der Anteile auf einen privaten Dritten zu übertragen, eine Ausschreibungspflicht bejaht (Urt. v. 10.11.2005, aaO). Zur Begründung hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, zwar sei die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, eine Ausschreibung vorzunehmen, aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich anhand der Bedingungen zu prüfen, die zum Zeitpunkt der Vergabe des fraglichen Auftrags vorlägen, doch erforderten es die besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache, später eingetretene Ereignisse zu berücksichtigen. Diese besonderen Umstände hat der Gerichtshof darin gesehen, dass die Abtretung von 49 % der Anteile der GmbH kurz nach dem Zeitpunkt erfolgte, zu dem dieser Gesellschaft das ausschließliche und unbefristete Recht zur Sammlung und Behandlung von Müll übertragen worden war. Darüber hinaus habe sie ihre operative Tätigkeit erst zu einem Zeitpunkt aufgenommen, als der private Dritte einen Teil ihrer Anteile übernommen habe. Damit stehe fest, dass es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handele, der über eine mehrere gesonderte Schritte umfassende künstliche Konstruktion, nämlich die Gründung einer GmbH, den Abschluss der Entsorgungsvereinbarung mit der GmbH und die Abtretung von 49 % ihrer Anteile an einen privaten Dritten, an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen vergeben worden sei, an dem ein privates Unternehmen 49 % der Anteile halte.
40 
Der hier zu beurteilende Sachverhalt hat mit dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall gemeinsam, dass die Beteiligung eines privaten Dritten an der zu gründenden und mit bestimmten Aufgaben der Abfallentsorgung zu betrauenden GmbH ein Teil des von dem öffentlichen Auftraggeber beschlossenen Privatisierungskonzepts gewesen ist. Die ASF GmbH hat allerdings ihre Tätigkeit nicht erst aufgenommen, nachdem die ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG 47 % der Anteile an der GmbH von der Beklagten übernommen hat. Auch fehlt es an dem engen zeitlichen Zusammenhang, der in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall gegeben war, da die Übernahme der Anteile durch den privaten Dritten erst mit Wirkung zum 1.1.2002 und somit zwei Jahre nach Abschluss des Bewirtschaftungsrahmenvertrags erfolgte. Der Senat neigt deshalb ebenso wie das Verwaltungsgericht dazu, das Bestehen einer Pflicht der Beklagten zur Ausschreibung vor der Beauftragung der ASF GmbH zu verneinen.
41 
bb) Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung, da aus einem Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften nicht für sich allein auf die fehlende Erforderlichkeit des aus dem Auftrag resultierenden finanziellen Aufwands geschlossen werden kann (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 19.2.2008 - 15 A 2568/05 - NVwZ-RR 2008, 442; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.2.2008 - 2 KN 3/06 - NordÖR 2008, 236; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 2.3.2004 - 9 LA 28/04 - NdsVBl 2004, 245; OVG Saarland, Urt. v. 25.5.2009 - 1 A 325/08 - Juris; Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 8 Rn. 350a). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend bemerkt, will § 14 KAG die Gebührenzahler allein davor schützen, durch die Veranschlagung von nicht erforderlichen Kosten überhöhte Gebühren zahlen zu müssen, aber nicht einen Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen sanktionieren. Was die Richtlinie 92/50/EWG betrifft, ist das um so weniger anzunehmen, als diese Richtlinie nur dem Schutz des freien Dienstleistungsverkehrs dient, indem sie die Diskriminierung ausländischer Dienstleistungsunternehmen verbietet. Ein Schutz der eventuellen Gebührenzahler ist dagegen nicht bezweckt. In Fällen, in denen vor der Vergabe eines Auftrags eine Ausschreibung stattgefunden hat, ist danach zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die aufgrund des Auftrags zu zahlenden Entgelte erforderlich sind. Daraus kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass immer dann, wenn keine Ausschreibung stattgefunden hat, die Kosten nicht erforderlich und damit nicht gebührenfähig sind (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.2.2008, aaO).
42 
Bei einem Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften muss der den Auftrag erteilende Abgabengläubiger allerdings nachweisen, dass die dabei zugrunde gelegten Preise sich noch im Rahmen dessen bewegen, was der kostenbezogene Erforderlichkeitsgrundsatz voraussetzt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 2.3.2004, aaO; Urt. vom 22.1.1999 - 9 L 1803/97 - Juris; Driehaus, aaO, § 8 Rn. 350a; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 196; Burgi, NVwZ 2001, 601, 607). In Übereinstimmung mit der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann dieser Nachweis als geführt angesehen werden, wenn der geschlossene Vertrag den Vorschriften des öffentlichen Preisrechts entspricht (ebenso OVG Niedersachsen, Urt. v. 22.1.1999, aaO; Urt. v. 24.6.1998 - 9 L 2722/96 - KStZ 1999, 172; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 738a; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 197). Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, ist das hier der Fall.
43 
(1) Nach dem von der Beklagten und der ASF GmbH am 22.12.1999 geschlossenen und am 14.12.2005 ergänzten Bewirtschaftungsrahmenvertrag hat die Beklagte für die in Auftrag gegebenen Leistungen ein mit der ASF GmbH für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum zu vereinbarendes, festes Jahresentgelt zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. Das Entgelt ist nach § 13 Abs. 2 des Vertrags unter Berücksichtigung der tariflichen Leistungen der Gesellschaft an die Arbeitnehmer und "in Anlehnung an marktübliche Preise festzulegen, soweit die Leistungen der Gesellschaft mit marktgängigen Leistungen vergleichbar sind". In § 13 Abs. 2 des Vertrags ist ferner bestimmt, dass sich die maximale Höhe des Entgelts "nach den für feste Preise geltenden Bestimmungen der VO PR 30/53 und der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach dieser Verordnung" errechnet.
44 
Nach der auf dem Preisgesetz vom 10.4.1948 beruhende Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21.11.1953 (BAnz. Nr. 244), zuletzt geändert durch Verordnung PR Nr. 1/89 vom 13.6.1989 (BGBl. I S. 1094) dürfen für Leistungen auf Grund öffentlicher Aufträge höhere Preise nicht gefordert, versprochen, vereinbart, angenommen oder gewährt werden, als nach den Bestimmungen dieser Verordnung zulässig ist (§ 1 Abs. 3 VO PR Nr. 30/53). Die Verordnung unterscheidet dabei zwischen Markt- und Selbstkostenpreisen. Für marktgängige Leistungen dürfen die im Verkehr üblichen preisrechtlich zulässigen Preise (Marktpreise) nicht überschritten werden (§ 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53). Selbstkostenpreise dürfen nur ausnahmsweise vereinbart werden, wenn keine gesetzlich geregelten Preise gelten, keine Marktpreise festgestellt werden können, eine Mangellage vorliegt oder der Wettbewerb auf der Anbieterseite beschränkt ist und hierdurch die Marktpreisbildung nicht unerheblich beeinflusst wird (§ 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53).
45 
Ob in dem von der Beklagten geschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrag eine Berechnung des der ASF GmbH zu bezahlenden Entgelts aufgrund von Selbstkosten vereinbart werden durfte, hängt danach davon ab, ob es sich bei den von der ASF GmbH zu erbringenden Leistungen um marktgängige Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 handelt, für die ein Marktpreis festgestellt werden kann. Das ist nicht der Fall, da die Kosten für die Abfallbeseitigung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland je nach den örtlichen Gegebenheiten erheblich differieren. Marktpreise lassen sich deshalb allenfalls für bestimmte Teilleistungen feststellen, nicht aber für die von der Beklagten im Rahmen ihrer öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung zu erbringenden Leistungen in ihrer Gesamtheit (vgl. zu dieser Frage OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 24.6.2008 - 9 A 373/06 - KStZ 2009, 12; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 16.2.2005 - 2 LB 109/03 - Juris Rn. 83; HessVGH, Beschl. v. 27.4.1999 - 5 N 3909/98 - NVwZ-RR 2000, 243; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197a). Für die Auftragsvergabe kamen allerdings außer der ASF GmbH auch noch andere Unternehmen in Betracht. Durch Ausschreibung oder die Aufforderung an mehrere Unternehmen, ein Angebot abzugeben, hätte daher ein besonderer Markt entstehen können. Wird es unterlassen, für individuelle Leistungen einen besonderen Markt zu schaffen, ist dies jedoch aus preisrechtlicher Sicht ohne Auswirkungen, weil eine wettbewerbliche Vergabe sich nicht nachholen lässt. Es bleibt deshalb in einem solchen Fall bei der Abrechnung nach Selbstkostenpreisen (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 16.2.2005 - 2 LB 109/03 - Juris; Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 7. Aufl., § 1 VO Pr Nr. 30/53 Rn. 110).
46 
(2) In der den Bewirtschaftungsrahmenvertrag ergänzenden Vereinbarung vom 14.12.2005 haben die Beklagte und die ASF GmbH den Leistungskatalog für den Zeitraum 2006 bis 2010 sowie das jährliche Entgelt für die Durchführung der Aufgaben nach diesem Katalog sowie dem "Einzelvertrag über die Unterstützung des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und der kaufmännischer Buchführung" nebst einer Preisrevisionsformel festgelegt. Die ASF GmbH hat dabei zugesichert, dass das Entgelt nach den für Selbstkostenpreise maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung PR 30/53 ermittelt worden ist bzw. das sich aus der Anwendung dieser Vorschriften ergebende Entgelt unterschritten wird (Art. 1 § 2 Abs. 3), wie das die Beklagte und die ASF GmbH in § 13 Abs. 2 des Bewirtschaftungsrahmenvertrags vereinbart haben. Nach dem Bericht der von der Beklagten mit der Prüfung der Preise beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BWS Graf Westphalen, Busch & Partner ("Prüfung der Selbstkostenfestpreise für die Geschäftsjahre 2006 bis 2010") entspricht diese Zusicherung den Tatsachen. In ihrem Bericht vom 12.8.2005 kommt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu dem Ergebnis, dass die Selbstkostenfestpreise für die Geschäftsjahre 2006 bis 2010 von der die ASF GmbH ordnungsgemäß aus ihrer Kostenrechnung abgeleitet und entsprechend den Grundsätzen der Verordnung PR 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen sowie den Leitsätzen für die Preisbildung aufgrund von Selbstkosten ermittelt worden seien.
47 
Die gegen diese Auffassung erhobenen Einwendungen des Klägers erweisen sich als nicht berechtigt.
48 
Bei der Festlegung des Entgelts haben die Beklagte und die ASF GmbH für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals kalkulatorische Zinsen in Höhe von 6,5 % angesetzt. Das ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu beanstanden. Nach den - einen Bestandteil der Verordnung PR 30/53 bildenden - Leitsätzen für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP) können für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals kalkulatorische Zinsen angesetzt werden, für die der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen einen Höchstsatz festsetzt. Mit der Verordnung PR 4/72 vom 17.4.1972 wurde dieser Höchstsatz auf 6,5 % festgelegt. Der von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Zinssatz hält sich damit innerhalb des durch das öffentliche Preisrecht vorgegebenen Rahmens. Der dagegen erhobene Einwand des Klägers, der Zinssatz dürfe nicht nach dem genannten Höchstsatz, sondern müsse nach dem allgemeinen Zinsniveau bemessen werden, da es der Beklagten nicht gestattet sei, ihr Kapital zu Lasten des Gebührenzahlers mit einem höheren Zinssatz zu verzinsen, als sie ihn am freien Markt hätte erzielen können, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach der ursprünglichen Fassung der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten waren die kalkulatorischen Zinsen mit einem Zinssatz anzusetzen, "der dem Diskontsatz der Bundesbank um einem vom der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen einen Höchstsatz festzusetzenden Zuschlag übersteigt". Die Bindung des kalkulatorischen Zinssatzes an den häufig wechselnden Diskontsatz wurde jedoch nicht als zweckmäßig angesehen, weshalb die Leitsätze in ihrer seit Ende 1954 geltenden Fassung bewusst auf einen Höchstsatz abstellen. Unterhalb dieses Höchstsatzes können daher Auftraggeber und Auftragnehmer den Zinssatz nach Belieben vereinbaren (Ebisch/Gottschalk, aaO, Nr. 43 LSP Rn. 15). Nach dem Prüfbericht der BWS vom 12.8.2005 (S. 14) liegt im Übrigen der vereinbarte Zinssatz von 6,5 % unter dem (seinerzeit geltenden) bankenüblichen Zinssatz für kurzfristiges Fremdkapital.
49 
Der im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Einwand des Klägers, dass die Verzinsung aus dem betriebsnotwendigen Kapital von 3.523.000 EUR und dem betriebsnotwendigen Sachanlagevermögen von 7.688.000 EUR, also insgesamt aus 11.211.000 EUR berechnet worden sei, obwohl das ausgewiesene Stammkapital der ASF GmbH nur 1.738.400 EUR betrage, greift ebenfalls nicht durch, da betriebsnotwendiges Kapital und Stammkapital nicht gleichgesetzt werden dürfen. Unter dem betriebsnotwendigen Kapital ist gemäß Nr. 44 LSP das betriebsnotwendige Vermögen zu verstehen, vermindert um die dem Unternehmen zinslos zur Verfügung gestellten Vorauszahlungen und Anzahlungen durch öffentliche Auftraggeber und solche Schuldbeträge, die dem Unternehmen im Rahmen des gewährten Zahlungsziels von Lieferanten zinsfrei zur Verfügung gestellt werden. Als Stammkapital bezeichnet man dagegen die bei einer GmbH von den Gesellschaftern zu erbringende Kapitaleinlage, d. h. das nominelle Eigenkapital. Der Begriff des Stammkapitals ist daher nicht identisch mit dem betriebswirtschaftlichen Begriff des Eigenkapitals der Gesellschaft, das schon bei der Gründung vom Stammkapital abweichen und sich danach ständig verändern kann (Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 9. Aufl., § 5 Rn. 9). Auf diesen Einwand ist der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mehr zurückgekommen.
50 
Preisrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Beklagte und die ASF GmbH in § 13 Abs. 2 des Bewirtschaftungsrahmenvertrags einen "kalkulatorischen Gewinn im Sinne von Nr. 51 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach der VO PR 30/53 von mindestens 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten" vereinbart haben. Nach Nr. 4 Abs. 3 LSP ist der Selbstkostenpreis im Sinne der Leitsätze "gleich der Summe der nach diesen Leitsätzen ermittelten, der Leistung zuzurechnenden Kosten zuzüglich des kalkulatorischen Gewinns". In Nr. 51 LSP ist dazu näher bestimmt, dass mit dem kalkulatorischen Gewinn das allgemeine Unternehmerwagnis und bei Vorliegen einer besonderen unternehmerischen Leistung in wirtschaftlicher, technischer oder organisatorischer Hinsicht ein Leistungsgewinn abgegolten wird, der der unternehmerischen Mehrleistung entsprechen soll. Bei der Preisermittlung kann daher zusätzlich ein kalkulatorischer Gewinn angesetzt werden, der üblicherweise nach einem Prozentsatz der Netto-Selbstkosten (Selbstkosten ohne Umsatzsteuer) berechnet wird. Die in der Praxis vereinbarte Höhe dieses Gewinns bewegt sich zwischen 2,5 % und 5 % (Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197e; Ebisch/Gottschalk, aaO, Nr. 52 LSP Rn. 7).
51 
Gegen den Ansatz eines kalkulatorischen Gewinns sowie gegen die von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Höhe dieses Zuschlags bestehen danach keinen Bedenken. Zwar ist der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 4.10.2001 - 9 A 2737/00 - (KStZ 2001, 13) der Meinung, dass bei einer vom Landkreis beherrschten Abfallentsorgungsgesellschaft nur 1 % des Umsatzes als Gewinnzuschlag angesetzt werden dürften, weil das allgemeine Unternehmerwagnis bei dieser Vertragsgestaltung nur gering sei. Das genannte Urteil ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da die Vertragspartner in dem vom OVG Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fall keine Selbstkostenfestpreise, sondern Selbstkostenerstattungspreise vereinbart hatten, d.h. Preise, die aufgrund der tatsächlich angefallenen Selbstkosten gemäß einer Nachkalkulation ermittelt werden. Das mit einer Vorkalkulation verbundene Risiko des Auftragnehmers, dass die tatsächlichen Kosten höher sind als in der Kalkulation angenommen, entfällt bei dieser Art der Preisgestaltung. Die im vorliegenden Fall erfolgte Vereinbarung von Selbstkostenpreisen bedeutet daher ein erhöhtes Risiko. Bei dieser Art der Vertragsgestaltung ist daher auch gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften in den durch das öffentliche Preisrecht gezogenen Grenzen ein normaler Gewinnzuschlag zuzubilligen, zumal andernfalls diese Art der Zusammenarbeit zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts und Privatunternehmen ("Public-Private-Partnership") erheblich erschwert oder sogar unmöglich gemacht würde (vgl. Wiesemann, NVwZ 2005, 391, 396).
52 
Die Laufzeit des zunächst vom 1.1.2000 bis zum 31.12.2019 abgeschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrags sowie die in der Ergänzungsvereinbarung des Bewirtschaftungsrahmenvertrags enthaltenen Preisrevisionsformel rechtfertigen keine andere Beurteilung. Nach der betreffenden Vereinbarung werden die Entgelte ab dem Jahre 2006 nachträglich anhand einer festgelegten Preisrevisionsformel an das tatsächliche Preisniveau eines jeden Jahres angeglichen, deren Basis die Indizes des Statistischen Bundesamts für verschiedene Kostengruppen (u.a. gewerbliche Erzeugnisse, Treibstoffe, Wohnung, Wasser, Strom) bilden. Die ASF GmbH ist damit zwar in dem vereinbarten Umfang gegen Preissteigerungen geschützt, nicht aber dagegen, dass es gegenüber den dem vereinbarten Leistungskatalog zugrunde liegenden Richtwerten zu Mehr- oder Minderleistungen kommt. Nach der Vorbemerkung zu dem Leistungskatalog sind die Beklagte und die ASF GmbH vielmehr übereingekommen, dass bei den in diesem Katalog definierten Leistungsarten grundsätzlich keine Mehr- oder Minderleistungen abgerechnet werden dürfen.
53 
2. Die vom Kläger ferner beanstandeten Kosten der Recyclinghöfe sind im Wesentlichen Teil des der ASF GmbH bezahlten Betreiberentgelts, da Betrieb und Unterhaltung der Recyclinghöfe nach dem Bewirtschaftungsrahmenvertrag Aufgabe der ASF GmbH ist. Das der ASF GmbH bezahlte und als Teil der Position "sonstiger Betriebsaufwand" in die Kalkulation aufgenommene Betreiberentgelt schließt daher die Kosten für den Betrieb der Recyclinghöfe ein. Die Kosten für die Schaffung der erforderlichen Infrastruktur sind dagegen über Abschreibungen in die Gebührenkalkulation eingeflossen. Die Kalkulation ist auch mit Blick auf diese Kosten nicht zu beanstanden.
54 
Die vom Kläger beanstandete Steigerung der Kosten für die Recyclinghöfe um 23 % von 1,57 Mio. EUR/Jahr auf 1,936 Mio. EUR/Jahr wird von der Beklagten in der Gemeinderats-Drs. G-05/141 mit der erwarteten Mengenzunahme und den erweiterten Öffnungszeiten erklärt. Die Beklagte hat dies in ihrem Schriftsatz vom 14.5.2010 näher erläutert. Die erwartete und nach ihrer Darstellung auch tatsächlich eingetretene Zunahme der bei den Recyclinghöfen angelieferten Abfälle steht danach mit der Schließung der Deponie und dem damit verbundenen Wegfall der dort bis dahin bestehenden Selbstanlieferungsmöglichkeit im Zusammenhang. Die Beklagte hat die vom Kläger kritisierte Zunahme der Kosten damit hinreichend plausibel gemacht.
55 
Gegen die in die Gebührenkalkulation aufgenommenen Kosten der Recyclinghöfe bestehen auch insoweit keine Bedenken, als es sich dabei um Investitionsfolgekosten handelt, die aus der am 10.11.2004 beschlossenen Verlegung des bisher im Stadtteil Wiehre befindlichen Recyclinghofs auf das Gelände des (ehemaligen) Güterbahnhofs Süd resultieren. Wie bereits angesprochen, steht dem Träger einer öffentlichen Einrichtung bei deren Herstellung, Anschaffung und Ausgestaltung ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Grenzen dieses Spielraums sind bei einer gebührenauslösenden Maßnahme erst dann überschritten, wenn der Einrichtungsträger keinerlei Erwägungen über deren Notwendigkeit angestellt hat, sich erkennbar von tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen hat leiten lassen oder die Entscheidung auf sachfremden Überlegungen beruht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Scholz, Die Kommunale Benutzungsgebühr, BWGZ 1989, 239 ff., 247). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Nach der Vorlage zu der Sitzung vom 10.11.2004 (Gemeinderats-Drs. G-04/123) hat sich die Beklagte zu der Verlegung des Recyclinghofs in erster Linie wegen der geplanten Neubebauung des Areals "Östlicher Wiehrebahnhof" entschlossen. Als weitere Gründe für die Verlegung werden genannt, dass der neue Recyclinghof die neuen Stadtteile Rieselfeld und Vauban optimal erschließe und auch für die Stadt- bzw. Ortsteile St. Georgen, Tiengen, Opfingen und Munzingen verkehrstechnisch günstiger als der alte Standort liege. Der neue Standort biete ferner im Unterschied zu dem alten Standort in der Wiehre ausreichend Platzverhältnisse, um u. a. einem Mehrbedarf an Containern durch neue gesetzliche Vorschriften gerecht zu werden. Der EAF erwarte außerdem mit der Eröffnung des neuen Standorts eine Entlastung des sehr stark frequentierten Recyclinghofs St. Gabriel. Diese Überlegungen sind weder sachfremd noch beruhen sie auf tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen.
56 
3. Die Gebührenkalkulation der Beklagten lässt auch insoweit keinen Fehler erkennen, als sie die Kosten für den Transport des Mülls zu der Thermischen Restabfallbehandlungs- und Energieerzeugungsanlage Breisgau (TREA) sowie die Kosten für die dort stattfindende Müllverbrennung umfasst.
57 
Die Beklagte betreibt keine eigene Restmüllbehandlungsanlage. Der von ihr zu entsorgende Restmüll wurde in der Vergangenheit auf der vom Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald betriebenen und zum 31.5.2005 geschlossenen Deponie Eichelbuck abgelagert. Seit der Schließung der Deponie wird der gesamte Restmüll zu der Ende 2004 in Betrieb genommenen TREA in Eschbach gebracht und dort verbrannt. Mit der Entsorgung der von der Stadt in ihrem Auftrag oder aus ihrem Entsorgungsgebiet an der TREA angelieferten Abfälle hat die Beklagte am 16.5.2002 die Gesellschaft Abfallwirtschaft Breisgau mbH (GAB) als Dritte im Sinn des § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG beauftragt. Die Vergabe des Auftrags erfolgte nach Maßgabe eines zwischen der GAB als Auftraggeber und der die TREA betreibenden MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG als Auftragnehmer am 17.5.2002 geschlossenen Vertrags "über die Entsorgung von Abfall aus dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, der Stadt Freiburg und dem Zweckverband Abfallbehandlung Kahlenberg". Nach § 11 Abs. 1 der Vereinbarung vom 16.5.2002 zahlt die Beklagte der GAB für die Entsorgung der Abfälle den dieser von der MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG "nach § 22 Abs. 1, 6 des Entsorgungsvertrages unter Berücksichtigung einer eventuellen Preisanpassung nach § 15 oder § 24 des Entsorgungsvertrages in Rechnung gestellten Entsorgungspreis", der - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - vom Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ermittelt worden ist.
58 
Der Transport zur TREA vollzieht sich in mehreren Schritten: Der eingesammelte Abfall wird zunächst per Müllfahrzeug zu dem Gelände der ehemaligen Deponie Eichelbuck gebracht und dort in spezielle Container umgeladen, die sowohl für Bahnwaggons als auch für LKW-Fahrgestelle geeignet sind. Die Transportbehälter werden anschließend per LKW zu einer Umladestation auf dem Grundstück Siemensstr. 16 gebracht und dort auf Bahnwaggons gesetzt. Von dort aus werden sie zu der ca. 30 km entfernten TREA gefahren. Mit dem Bahntransport hat die Beklagte am 29.5.2005 ebenfalls die GAB beauftragt, die sich dazu der Dienste der Unisped Spedition und Transport GmbH bedient. Nach dem darüber geschlossenen (Änderungs-) Vertrag vom 29.5.2006 hat die Beklagte der GAB dafür eine zusätzliche Vergütung zu bezahlen.
59 
Die Beklagte hat die ihr durch die Beauftragung der GAB entstehenden Kosten für die Müllverbrennung und den Bahntransport in die Gebührenkalkulation unter der Rubrik "bezogene Leistungen" eingestellt. Als erforderliche Kosten von Fremdleistungen sind auch diese Kosten trotz der Einwendungen des Klägers als gebührenfähig anzuerkennen. Unter den in Betracht kommenden Logistikvarianten hat sich der Gemeinderat der Beklagten in seiner Sitzung vom 18.5.2004 für das beschriebene, einen streckenweisen Bahntransport einschließende Verfahren entschieden. Das gewählte Verfahren ("Variante Bahn 1") wurde dabei mit einem Transport des Mülls zur Umladestation mit anschließendem Transport per LKW zur TREA ("Variante Straße 1") verglichen. Die Kosten eines reinen Straßentransports wurden dabei auf 3,73 Millionen EUR veranschlagt, die Kosten der Variante Bahn 1 mit 3,96 bzw. 4,00 Millionen EUR. Untersucht wurden außer den Kosten auch die ökologischen Faktoren. In der Sitzungsvorlage heißt es dazu, dass der Bahntransport bei einem Einsatz von Biodiesel zum Antrieb der von der SWEG eingesetzten Dieselloks zu einer Verringerung des CO 2 -Ausstoßes um 237 t/Jahr führe. Bei Stickoxiden und Rußpartikeln schneide dagegen der LKW-Transport etwas besser ab.
60 
Unter Abwägung der genannten Gesichtspunkte hat sich der Gemeinderat der Beklagten für die Variante Bahn 1 entschieden, für die sich zuvor auch der Abfallwirtschaftsausschuss des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald ausgesprochen hatte. Auch diese Entscheidung ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Die Logistik beim Transport des Abfalls zur TREA betrifft die Art und Weise des Betriebs der öffentlichen Einrichtung. Der Beklagten als Träger der Einrichtung ist deshalb auch insoweit ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum zuzubilligen, dessen Grenzen nur unter den bereits genannten Voraussetzungen überschritten sind. Die Entscheidung der Beklagten für einen teilweisen Bahntransport beruht weder auf sachfremden Überlegungen noch ist sie von tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen bestimmt worden. Die Entscheidung hält sich damit in den Grenzen des der Beklagten zukommenden Bewertungsspielraums.
61 
4. Die Gebührenkalkulation der Beklagten stößt auch insoweit auf keine Bedenken, als unter den Positionen "Verwaltungsleistungen der Stadt", "Umlage Verwaltung EAF" sowie "Umlagekosten GAB" die bei der Beklagten selbst, ihrem Eigenbetrieb sowie der GAB anfallenden Verwaltungskosten in die Kalkulation eingestellt wurden.
62 
a) Die in die Kalkulation eingestellten Beträge für Verwaltungsleistungen der Beklagten sind nach deren Erläuterungen Teil der Position "sonstiger Betriebsaufwand". Nach der Darstellung der Beklagten handelt es sich dabei um die Kosten der von ihren Ämtern und Dienststellen für den Betrieb der öffentlich-rechtlichen Einrichtung erbrachten Leistungen, die nicht in die Zuständigkeit des EAF fallen. Berücksichtigt worden seien Leistungen des Presse- und Informationsamts, des Amts für Statistik/Bürgeramt, des Kassenamts, des Personalamts, des Rechtsamts, des Hauptamts, der Kämmerei und des Umweltschutzamts.
63 
Gegen die Berücksichtigung dieser Kosten bestehen keine Bedenken. Wie § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KAG 2005 klarstellt, gehören zu den Kosten im Sinn des Abs. 1 Satz 1 auch die "Verwaltungskosten einschließlich Gemeinkosten". Der Gesetzgeber wollte damit verdeutlichen, dass neben den eigenen Verwaltungskosten (insbesondere Personal- und Sachkosten) auch die anteiligen Kosten der Querschnittsämter, der Leitung und der Gremien bei der Gebührenbemessung berücksichtigt werden können (LT-Drs. 13/3966, S. 47). Substantiierte Einwendungen gegen die Berechnung der danach als grundsätzlich gebührenfähig anzuerkennenden Verwaltungskosten der Beklagten hat der Kläger nicht erhoben.
64 
b) Bei den unter der Position "Umlage Verwaltung EAF" in die Kalkulation eingestellten Kosten handelt es sich nach der Darstellung der Beklagten um Aufwendungen des EAF im Rahmen der bei diesem verbliebenen hoheitlichen Aufgaben und andere Verwaltungsleistungen des EAF für den Betrieb der öffentlich-rechtlichen Einrichtung. Als Beispiele werden genannt: Controlling und Fortschreibung des Betreibervertrags, die gesamte Buchführung, Betreuung und Abwicklung der Leistungsbeziehungen zur GAB, Bearbeitung von Widersprüchen und sonstigen Rechtsbehelfen, Öffentlichkeitsarbeit. Die vom Kläger kritisierte Steigerung dieser Kosten wird von der Beklagte mit der zwischenzeitlich erfolgten Schließung der Deponie erklärt, die zu einer Veränderung der am Verursacheranteil orientierten Verteilungsmaßstäbe für die Umlage der Kosten geführt habe. Der Senat erachtet auch diese Erklärung, zu der sich der Kläger nicht näher geäußert hat, als hinreichend plausibel.
65 
c) Für die in die Kalkulation aufgenommenen "Umlagekosten GAB" gilt im Ergebnis das Gleiche. Nach den Erläuterungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 14.5.2010 handelt es sich dabei um die bei der GAB anfallenden Personal- und Sachkosten, die erforderlich seien, um die Entsorgung der Abfälle in der TREA zu gewährleisten, den Vertrag zu überwachen und fortzuschreiben sowie die Logistik und den Bahntransport zu konzipieren und zu organisieren. Die Erstattung dieser in der Kalkulation auf jährlich 72.000 EUR veranschlagten Kosten hat ihre Grundlage in § 21 Abs. 2 des von der Beklagten mit der GAB geschlossenen Vertrags vom 16.5.2002/29.5.2006, wonach die Beklagte die Leistungen, die von der GAB zur Abwicklung des Entsorgungsvertrags erbracht werden, nach einem bestimmten Schlüssel zu vergüten hat.
66 
5. Die Gebührenkalkulation der Beklagten ist ferner nicht deshalb zu beanstanden, weil die Beklagte in die Kalkulation eine sich aus dem vorangegangenen Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 ergebende Kostenunterdeckung von insgesamt 1.561.125,64 EUR oder jährlich 520.375,15 EUR eingestellt hat.
67 
Die gesamte im Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 entstandene Kostenunterdeckung wird von der Beklagten mit 2.602.000 EUR angenommen und in erster Linie mit dem Rückgang der Abfallmengen im Bereich der hausmüllartigen Gewerbeabfälle erklärt. In die Berechnung der Kostenunterdeckung seien aber auch Defizite eingeflossen, die durch Gebührenausfälle entstanden seien, weil Gebührenforderungen gegenüber einzelnen Gebührenschuldnern nicht hätten realisiert werden können. Nach der Auffassung des Senats ist das zu Unrecht geschehen (unten a). Für die Kalkulation der Beklagten ergeben sich daraus jedoch keine weiteren Konsequenzen, da die Beklagte nur einen Teil der Kostenunterdeckung aus dem vorangegangenen Kalkulationszeitraum in die Kalkulation eingestellt hat (unten b).
68 
a) Das Verwaltungsgericht hat die Einbeziehung der Gebührenausfälle bei der Berechnung der im vorangegangenen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckung nicht beanstandet und zur Begründung ausgeführt, es bedürfe keiner näheren Erläuterung, dass Gebührenausfälle vom Gebührenhaushalt und nicht vom allgemeinen städtischen Haushalt zu tragen seien. Das steht im Widerspruch zu der im Urteil des Senats vom 31.8.1989 - 2 S 2805/87 - (VBlBW 1990, 103, 108) geäußerten Auffassung, wonach Gebührenausfälle, die aufgrund von Zahlungsunfähigkeit oder gewährten Gebührenerlassen entstehen, nicht von den übrigen Gebührenzahlern, sondern aus den allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen sind (ebenso OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.2.2000 - 2 K 20/97 - NordÖR 2000, 304; OVG Brandenburg, Urt. v. 22.2.2002 - 2 D 78.00.NE - KStZ 2003, 233; Schulte/ Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 182). Daran ist festzuhalten. Die Frage, ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, den auf die Abfallgebühren entfallenden Teil der von ihr gemäß § 22 SGB II bzw. § 29 SGB XII zu erbringenden "Leistungen für die Unterkunft" direkt an den EAF auszubezahlen, sowie die sich gegebenenfalls anschließende Frage, ob und inwieweit die Gebührenausfälle dadurch hätten vermieden werden können, bedürfen danach keiner Beantwortung.
69 
Zur Feststellung einer Kostenunter- oder Kostenüberdeckung bedarf es gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 KAG eines Vergleichs der (ansatzfähigen) Gesamtkosten der öffentlichen Einrichtung mit dem "Gebührenaufkommen". Was unter Gebührenaufkommen zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher erläutert. Vom reinen Wortsinn her können damit sowohl die vom Träger der öffentlichen Einrichtung veranlagten Gebühren als auch (nur) die von ihm tatsächlich vereinnahmten Gebühren gemeint sein. Dem Wesen einer Gebühr entsprechend ist der Begriff jedoch in dem zuerst genannten Sinn zu verstehen.
70 
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 a KAG in Verbindung mit § 227 AO können Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. § 3 Abs. 1 Nr. 6 b KAG in Verbindung mit § 261 AO gestattet es ferner, Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis niederzuschlagen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zu dem Betrag stehen. Das veranlagte und das tatsächlich erzielte Gebührenaufkommen werden deshalb regelmäßig nicht miteinander übereinstimmen. In der Nichtbeitreibbarkeit eines bestimmten Teils der veranlagten Gebühren ist daher mit der Beklagten ein typisches und letztlich auch nicht zu vermeidendes Risiko zu sehen, das mit dem Betrieb der öffentlichen Einrichtung verbunden ist. Diese Überlegung rechtfertigt es jedoch nicht, dieses Risiko nicht dem allgemeinen städtischen Haushalt, sondern den übrigen Gebührenpflichtigen aufzuerlegen.
71 
Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (BVerfG, Beschl. v. 6.2.1979 - 2 BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217, 226). Aus dem der Benutzungsgebühr eigentümlichen Austauschverhältnis, in dem sich Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen, folgt, dass die Gebührenschuldner nur mit Kosten belasten werden dürfen, die mit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in dem erforderlichen engen Sachzusammenhang stehen. Soweit es um Kosten geht, die daraus herrühren, dass die von einem Teil der Gebührenpflichtigen geschuldeten Gebühren nicht beigetrieben werden können, fehlt es an diesem Zusammenhang, da grundsätzlich kein Gebührenpflichtiger verpflichtet ist, für die persönliche Schuld anderer einzustehen. Das Risiko der Nichtbeitreibbarkeit einer Forderung hat daher nicht die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen, sondern der Einrichtungsträger als Forderungsinhaber zu tragen (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.2.2000, aaO; OVG Brandenburg, Urt. v. 22.2.2002, aaO).
72 
b) Die im Zeitraum 2003 bis 2005 entstandenen Gebührenausfälle durch Erlass, Niederschlagung etc. werden von der Beklagten mit 304.357,26 EUR beziffert. Der Senat sieht keinen Anlass, an dieser durch eine detaillierte Aufstellung der einzelnen im Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 entstandenen Fehl- und Überschussbeträge (Anlage B 54) belegten Angabe der Beklagten zu zweifeln. Entgegen der Ansicht des Klägers wird die Richtigkeit der von der Beklagten genannten Zahl insbesondere nicht durch die Bilanzen des EAF in Frage gestellt. Der Kläger glaubt den Bilanzen des EAF für die Jahre 2003 bis 2005 entnehmen zu können, dass es in diesen Jahren zu Gebührenausfällen von ca. 3,2 Millionen EUR gekommen ist. Die von ihm genannten Zahlen geben jedoch tatsächlich die Summe der zum Bilanzstichtag offenen Forderungen des EAF gegenüber den Gebührenzahlern wieder und nicht die Summe der in dem jeweiligen Jahr entstandenen Gebührenausfälle. Der vom Kläger aus diesen Zahlen gezogene Schluss ist daher offensichtlich verfehlt.
73 
Der Senat geht somit davon aus, dass die im Zeitraum 2003 bis 2005 durch Erlass, Niederschlagung etc. zu verzeichnenden Gebührenausfälle von der Beklagten korrekt mit 304.357,26 EUR beziffert werden. Die zu Unrecht erfolgte Einbeziehung der Gebührenausfälle bei der Berechnung der im vorangegangenen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckung ist danach für die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zur Überprüfung stehende Kalkulation der Abfallgebühren für den Zeitraum 2006 bis 2008 ohne Bedeutung, da die Beklagte von der nach ihrer Berechnung insgesamt 2.602.000 EUR betragenden Kostenunterdeckung nur einen Teilbetrag von 1.561.125,64 EUR in die Kalkulation eingestellt hat.
74 
6. Als weitgehend unbegründet erweisen sich schließlich auch die Einwendungen des Klägers, die sich gegen die aus seiner Sicht zu Unrecht unterbliebene Berücksichtigung bestimmter von der Beklagten erzielter Einnahmen in der Gebührenkalkulation richten.
75 
Die Frage, ob und inwieweit Einnahmen, die mit dem Betrieb einer öffentlichen Einrichtung verbunden sind, bei der Gebührenkalkulation durch Verrechnung mit den durch den Betrieb verursachten Kosten zu berücksichtigen sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Die in § 14 Abs. 1 KAG getroffene Aussage, wonach die Gebühren höchstens so bemessen werden dürfen, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung gedeckt werden, betrifft nur die Kosten der Einrichtung. Ansatzfähig sind nach dieser Vorschrift nur die betriebsbedingten Kosten, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.1.2000 - 2 S 1621/97 - NVwZ-RR 2000, 710; Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 3246/94 - VBlBW 1996, 382). Es ist daher systemgerecht, von den ansatzfähigen Kosten im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung etwaige Einnahmen nur dann abzuziehen, wenn sie ebenfalls in einem ausreichend engen Zusammenhang mit der durch die Einrichtung vorgesehenen Leistungserbringung stehen oder ihrer Erzielung Kosten der Einrichtung zugrunde liegen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.11.2006 - 9 A 1029/04 - KStZ 2007, 194). Eine Verpflichtung der Beklagten, den bei dem Verkauf des Anlagevermögens des EAF an die ASF GmbH erzielten Erlös in die Kalkulation einzustellen, besteht danach entgegen der Ansicht des Klägers nicht (unten a). Das Gleiche gilt für den Erlös durch den Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße, die mit den aus der Deponierückstellung gewährten Darlehen verbundenen Zinseinnahmen, die bei der Selbstanlieferung auf dem früheren Deponiegelände oder einem der Recyclinghöfe vereinnahmten Gebühren sowie die Einnahmen aus Gewerbesteuern (unten b bis e). Anders zu beurteilen ist allein der auf die Beklagte entfallende Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag, den die Beklagte bei der Gebührenkalkulation zu Unrecht außer Betracht gelassen hat. Dieser Mangel bei der Beschlussfassung über die Gebührensätze ist jedoch gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG als unbeachtlich anzusehen und führt daher nicht zur Unwirksamkeit der Abfallwirtschaftssatzung der Beklagten (unten f).
76 
a) Die Beklagte hat nach der Gründung der ASF GmbH das Anlagevermögen des EAF mit Wirkung zum 31.12.1999 zum Restbuchwert an die neu gegründete GmbH verkauft. Der Verkaufserlös wurde im Vermögenshaushalt der Stadt vereinnahmt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das zu Recht geschehen, da die Beklagte mit der Veräußerung des Anlagevermögens keinen Erlös realisiert hat, der den Gebührenzahlern zusteht. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, den Erlös als Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen. Darauf, dass dieser Erlös ohnehin nicht in dem hier allein zu betrachtenden Kalkulationszeitraum angefallen ist, kommt es daher nicht an.
77 
Bei dem Anlagevermögen des EAF handelt es sich nach Ansicht des Klägers um "Kapital" des Gebührenzahlers. Das trifft nicht zu. Nach dem von § 14 Abs. 1 KAG für maßgebend erklärten betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff sind Kosten in Geld ausgedrückter Verbrauch von wirtschaftlichen Gütern und Dienstleistungen innerhalb einer bestimmten Rechnungsperiode, soweit sie für die betriebliche Leistungserstellung anfallen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.2.1989 - 2 S 2279/87 - VBlBW 1989, 462; Faiß/Giebler/Lang/Notheis/ Schmid, Kommunales Wirtschaftsrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl., Rn. 795). Zu diesen Kosten gehören die laufenden Unterhaltungskosten sowie die sogenannten kalkulatorischen Kosten im Sinne von § 14 Abs. 3 KAG. Die Kosten für die Anschaffung oder Herstellung der öffentlichen Einrichtung stellen dagegen als solche keinen Wertverzehr in der laufenden Rechnungsperiode dar, sondern sind, wie sich aus § 14 Abs. 3 S. 1 KAG ergibt, im Wege angemessener Abschreibungen auf die Jahre zu verteilen, in denen die Einrichtung voraussichtlich genutzt wird. Mit den in der Vergangenheit erbrachten Leistungen für Abschreibungen auf die zum Anlagevermögen des EAF gehörenden und mit den Mitteln des allgemeinen Haushalts beschafften Gegenstände wird dementsprechend nur der sich aus deren Nutzung ergebende Wertverzehr ausgeglichen. Die Gebührenschuldner haben damit aber nicht einen Anteil am Anlagevermögen erworben. Ein Verkauf des Anlagevermögens an einen Dritten ist daher gebührenrechtlich ohne Bedeutung (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 24.6.2008 - 9 A 373/06 - KStZ 2009, 12 und 1.6.2007 - 9 A 372/06 - Juris; HessVGH, Beschl. vom 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 199).
78 
b) Eine Verpflichtung der Beklagten, den nach der Ansicht des Klägers bei dem Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße erzielten "Veräußerungsgewinn" bei der Gebührenbedarfsberechnung zu berücksichtigen, ist dementsprechend ebenfalls zu verneinen. Dabei ist über das eben Ausgeführte hinaus darauf hinzuweisen, dass Grundstücke keinem Wertverzehr unterliegen und deshalb keinen Abschreibungsbedarf auslösen. Der Kauf und Verkauf von Grundstücken, auf denen sich Teile einer öffentlichen Einrichtung befinden, ist daher unabhängig von ihrer haushaltsrechtlichen Zuordnung gebührenrechtlich neutral. Die vom Gemeinderat der Beklagten am 10.11.2004 beschlossene Verlegung des bisher auf dem Grundstück Dreikönigstraße befindlichen Recyclinghof auf das Grundstück Carl-Mez-Str. 52 hat dementsprechend in der Gebührenkalkulation der Beklagten nur insoweit einen Niederschlag gefunden, als die aus dem errechneten Investitionsbedarf resultierenden jährlichen Abschreibungen als Teil der Position "Abschreibungen auf Sacheinlagen" in die Kalkulation eingestellt wurden.
79 
c) Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten hat der EAF der Beklagten in der Vergangenheit mehrfach Darlehen aus den Rückstellungen gewährt, die für die Stilllegung und Rekultivierung der Deponie Eichelbuck gebildet wurden. Was die hier allein zu prüfende Gebührenkalkulation der Beklagten für den Zeitraum 2006 bis 2008 betrifft, ist auch dieser Vorgang ohne Bedeutung.
80 
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 b KAG sind bei der Bemessung der Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung auch die Zuführung zu Rücklagen oder Rückstellungen für die vorhersehbaren späteren Kosten der Stilllegung und der Nachsorge zu berücksichtigen. Die für die Stilllegung und Rekultivierung der Deponie Eichelbuck gebildeten Rückstellungen wurden dementsprechend von den Gebührenschuldnern finanziert. Die aus der Vergabe der Darlehen resultierenden Zinserträge stehen gleichwohl nicht dem Gebührenhaushalt zu, sondern sind den Rückstellungen zuzuführen, wie dies nach der Darstellung der Beklagten auch tatsächlich geschehen ist. Auf die Frage, ob der von der Beklagten mit dem EAF vereinbarte Zinssatz als angemessen anzusehen ist, kommt es deshalb im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht an, da die Vereinbarung nur Auswirkungen auf die Höhe der den Rückstellungen zuzuführenden Zinserträge hat. Ein Zusammenhang mit der der Satzung der Beklagten zugrunde liegenden Gebührenkalkulation besteht dagegen nicht.
81 
d) Mit der 1999 erfolgten Übertragung des Betriebsvermögens des EAF auf die ASF GmbH wurden die vom EAF mit der DSD GmbH geschlossenen Verträge von der ASF GmbH übernommen. In der Gemeinderatsdrucksache G-01/053 wird dazu ausgeführt, dass für die "Unternehmenssparte DSD" des EAF ein Ertragswert von 4.757.600 DM ermittelt worden sei, der von der ASF GmbH der Stadt zu erstatten sei. Unter Berücksichtigung eines steuerrechtlichen Verlustvortrags in Höhe von 3.548.243 DM ergebe sich hieraus ein der Körperschafts- bzw. Gewerbesteuer unterliegender Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.209.357 DM, der dem städtischen Haushalt zurückgeführt werde. Auch hiergegen bestehen entgegen der Ansicht des Klägers keine Bedenken.
82 
Nach § 6 Abs. 1 der - auf § 24 KrW-/AbfG beruhenden Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) - sind Hersteller und Vertreiber, die unter diese Verordnung fallende Verkaufsverpackungen erstmals in den Verkehr bringen, verpflichtet, sich zur Gewährleistung der flächendeckenden Rücknahme dieser Verkaufsverpackungen an einem oder mehreren Systemen nach § 6 Abs. 3 VerpackV zu beteiligen, das im Einzugsgebiet des verpflichteten Vertreibers flächendeckend und unentgeltlich die regelmäßige Abholung gebrauchter, restentleerter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe in ausreichender Weise zu gewährleisten hat. Gemäß § 5 Abs. 2 AbfWS sind die von dieser Vorschrift erfassten Abfälle von der städtischen Abfallentsorgung ausgeschlossen. Die Einsammlung und Verwertung dieser Abfälle ist dementsprechend kein Teil der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung, sondern erfolgt mittels eines unabhängig davon bestehenden zweiten (dualen) Entsorgungssystems. Die gemäß §§ 23 ff. AbfWS erhobenen Benutzungsgebühren sind dementsprechend keine Gegenleistung für die Einsammlung und Verwertung der genannten Abfälle. Die Finanzierung des dualen Systems erfolgt vielmehr in der Weise, dass die DSD GmbH es Herstellern gegen Zahlung eines Lizenzentgelts gestattet, diejenigen Produkte, deren Verpackungen über das duale System eingesammelt werden, mit dem sogenannten "Grünen Punkt" zu kennzeichnen. Diese Kosten werden über den Verkaufspreis der Waren an die Verbraucher anteilig weitergegeben (Queitsch, UPR 1995, 246). Ein Grund, der die Beklagte verpflichtet hätte, den durch die Übertragung der mit der DSD GmbH geschlossenen Verträge erzielten Veräußerungsgewinn dem Gebührenhaushalt zugute zu bringen, ist danach nicht zu erkennen.
83 
d) Zu dem Einwand des Klägers, dass dem Gebührenhaushalt auch die bei der Selbstanlieferung auf dem Eichelbuck bzw. dem Betriebshof bezahlten Gebühren zugehörig seien, hat die Beklagte geäußert, dass sämtliche Kosten und Einnahmen, die auf die Selbstanlieferung entfielen, gesondert berechnet worden seien, um zu gewährleisten, dass die Schuldner der Abfallgebühren nur mit den Kosten belastet würden, die für die Entsorgung des Hausmülls entstünden. Auch dieses Vorgehen begegnet keinen Bedenken, da sich die Berechtigung zur Selbstanlieferung gemäß § 22 AbfWS auf die Abfälle beschränkt, die nach § 5 Abs. 4 AbfWS vom Einsammeln und Befördern (Holsystem) ausgeschlossen sind. Wie sich aus § 3 Abs. 2 des von der Beklagten mit der GAB geschlossenen Vertrags ergibt, fallen die betreffenden Abfälle auch nicht unter diesen Vertrag, da die Beklagte danach nur verpflichtet ist, der GAB die Abfälle zu übergeben, die ihr im Rahmen der öffentlichen Abfallabfuhr überlassen worden sind und die sie der Beseitigung zuführt. Das der GAB bezahlte Entgelt stellt dementsprechend keine Gegenleistung für die Beseitigung und Verwertung dieser Abfälle dar. Die Beklagte hat deshalb bei der Gebührenkalkulation zu Recht zwischen Gebühren für die Entsorgung der von ihr eingesammelten Abfällen (§ 29 AbfWS) und Gebühren für die Benutzung der Umschlagstation Eichelbuck sowie der Annahmestellen durch Selbstanlieferer (§ 30 AbfWS) getrennt.
84 
e) Zu den nach seiner Ansicht rechtswidrig dem Gebührenhaushalt vorenthaltenen Einnahmen rechnet der Kläger offenbar auch die Einnahmen der Beklagten aus den von der ASF GmbH als Kapitalgesellschaft bezahlten Gewerbesteuern. Eine Verpflichtung zur Anrechnung dieser Steuern besteht jedoch nicht. Als kalkulierbare Steuer rechnet die Gewerbesteuer zu den Kosten im Sinne der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten und darf daher in das mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt eingerechnet werden. Als Teil dieses Entgelts darf die Gewerbesteuer auch auf die Gebührenschuldner umgelegt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 8 B 173.98 - NVwZ 1999, 653).
85 
f) Das Verwaltungsgericht hat dagegen zu Recht beanstandet, dass die Beklagte den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag nicht - gebührenmindernd - als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation eingestellt hat.
86 
aa) Der von der Beklagten und der ASF GmbH geschlossene Bewirtschaftungsrahmenvertrag sieht, wie oben erörtert, die Zahlung eines mit der ASF GmbH für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum zu vereinbarenden, festen Jahresentgelts für die von der GmbH erbrachten Leistungen vor, das einen kalkulatorischen Gewinn von 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten einschließt. Da die Beklagte an der ASF GmbH zu 53 % beteiligt ist, kommt der in dem vereinbarten Entgelt enthaltene Gewinnzuschlag auch ihr zugute. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht angenommen, dass die Beklagte den auf sie entfallenden Anteil an dem kalkulatorischen Gewinn als bei normalem Geschäftsverlauf im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation hätte einstellen müssen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts gilt das jedoch für den gesamten Anteil an diesem Gewinn nach Abzug der aus dem Gewinn zu zahlenden Steuern und nicht nur für den eine angemessene Verzinsung des Stammkapitals übersteigenden Teil.
87 
Der Beklagten ist es gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG gestattet, Dritte mit der Erfüllung der ihr als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger obliegenden Pflichten zu beauftragen. Die ihr dadurch entstehenden Kosten dürfen nach den bereits gemachten Ausführungen auf die Gebührenschuldner verteilt werden, soweit es sich um betriebsnotwendige Kosten handelt. Nach öffentlichem Preisrecht zulässige Gewinnzuschläge, die in dem von dem Dritten verlangten Entgelt enthalten sind, gehören zu den in diesem Sinn betriebsnotwendigen Kosten. Die Einschaltung eines - gewinnorientierten - Privatunternehmens darf jedoch für den Träger der öffentlichen Einrichtung nicht zum "Mittel der Erschließung illegaler Finanzquellen" werden. Das gilt insbesondere mit Blick auf die aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG folgende Verpflichtung, die Gebühren nur so zu bemessen, dass ihr Aufkommen die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung nicht übersteigt. Das sich aus dieser Vorschrift ergebende Verbot einer Gewinnerzielung ist daher auch in den Fällen zu beachten, in denen der Träger der öffentlichen Einrichtung sich zur Erfüllung seiner Aufgaben einer privatrechtlichen Gesellschaft bedient, an denen er selbst beteiligt ist. Die bei einer solchen Gesellschaft entstehenden Gewinne müssen daher, soweit sie auf die Beteiligung der Gemeinde entfallen, gebührenmindernd berücksichtigt werden (ebenso HessVGH, Beschl. v. 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 7.11.1996 - 4 K 11/96 - DVBl 1997, 1072 und 25.2.1998 - 4 K 8/97 - KStZ 2000, 12; Wiesemann, NVwZ 2005, 391, 396; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197f; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Stand Juli 2009, § 14 Rn. 7; Gössl/Reif, KAG für Baden-Württemberg, Stand September 2009, § 14 Anm. 4.1.2.2, S. 26 f.)
88 
Aus Art. 28 GG ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts anderes. Mit der sich aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG ergebenden Verpflichtung der Beklagten, den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen, ist weder ein unzulässiger Eingriff in die Organisationshoheit der Beklagten noch ein Eingriff in ihr verfassungsrechtlich gewährleistetes Selbstverwaltungsrecht verbunden. Die genannte Verpflichtung steht auch nicht in Widerspruch zu der oben anerkannten Berechtigung der Beklagten, in dem mit der ASF GmbH geschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrag einen kalkulatorischen Gewinn im Sinne von Nr. 51 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach der VO PR 30/53 zu vereinbaren, da sich diese Berechtigung sowie die hier in Rede stehende Verpflichtung der Beklagten, den auf sie entfallenden Anteil an diesem Zuschlag den Gebührenschuldner zugute zu bringen, auf verschiedenen Ebenen bewegen. Die Beteiligung der Beklagten an der ASF GmbH hat, vereinfacht ausgedrückt, in Verbindung mit dem in das vereinbarte Entgelt eingerechneten Gewinnzuschlag zur Konsequenz, dass der Beklagten ein Teil des der GmbH zu bezahlenden Entgelts wieder zurückfließt. Ob die Beklagte diesen Teil des Entgelts "behalten darf" oder ihn an die Gebührenschuldner weiter zu geben hat, regelt nicht das öffentliche Preisrecht, sondern das Abgabenrecht, das hierzu mit § 14 Abs. 1 S. 1 KAG eine eindeutige Aussage trifft.
89 
Bei dem auf die Beklagte entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten Gewinnzuschlag handelt es sich allerdings nur um eine Prognose der bei einem normalen Geschäftsverlauf im Kalkulationszeitraum zu erwartenden Einnahmen der Beklagten, die - worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - mit den tatsächlichen Gewinnen, die die Beklagte aus ihrer Beteiligung an der ASF GmbH im "gebührengebundenen Bereich" in den Jahren 2006 bis 2008 erzielt hat, nicht identisch zu sein braucht. Das steht jedoch der Verpflichtung der Beklagten, diesen Anteil als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen, ebenfalls nicht entgegen. Zur Lösung des damit verbundenen Problems steht vielmehr der in § 14 Abs. 2 S. 2 KAG geregelte Ausgleich von Kostenüber- und Kostenunterdeckungen zur Verfügung: Abweichungen zwischen erwarteten und tatsächlichen Einnahmen können, soweit sie zu Kostenunterdeckungen geführt haben, innerhalb des in dieser Vorschrift genannten Zeitraums in späteren Gebührenkalkulationen ausgeglichen werden. Soweit Abweichungen zwischen erwarteten und tatsächlichen Einnahmen umgekehrt zu Kostenüberdeckungen geführt haben, müssen sie innerhalb des gleichen Zeitraums in späteren Gebührenkalkulationen ausgeglichen werden.
90 
bb) Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze sind gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG unbeachtlich, wenn sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Die Nichtberücksichtigung des auf die Beklagte entfallenden Anteils an dem kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme hat danach nicht die Unwirksamkeit der von der Beklagten beschlossenen Gebührensätze zur Folge, da dieser Fehler nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung in Höhe von weniger als 0,75 % geführt hat.
91 
(1) Auf den vereinbarten Gewinnzuschlag von 3 % entfallen von den sich aus dem Bericht der Wirtschaftsprüfergesellschaft Graf Westfalen, Busch & Partner (Anlage 2) ergebenden Nettoselbstkosten (Selbstkosten ohne Mehrwertsteuer), die die Beklagte und die ASF GmbH - vorbehaltlich der sich aus der verabredeten Preisrevisionsformel ergebenden Anpassungen - als Entgelt für die Jahre 2006 bis 2008 vereinbart haben, Beträge von 365.605,30 EUR (2006), 367.884,38 EUR (2007) bzw. 371.261,17 EUR (2008). Auf die an der ASF GmbH zu 53 % beteiligte Beklagte entfallen davon 193.770,80 EUR (2006), 194.978,72 EUR (2007) bzw. 196.768,42 EUR (2008). Hiervon abzuziehen sind die aus dem Gewinn zu zahlenden Abgaben in Form von Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag (vgl. Brüning, aaO, § 6 Rn. 197f, S. 134). Nach Abzug von 20% Kapitalertragssteuer für die Jahre 2006 und 2007 bzw. einem Abzug von 25 % Kapitalertragssteuer für das Jahr 2008 (vgl. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in seiner seinerzeit geltenden Fassung) sowie Abzug des jeweils 5,5% betragenden Solidaritätszuschlags ergeben sich daraus Nettogewinne von 144.359,25 EUR (2006), 145.259,15 EUR (2007) bzw. 144.870,75 EUR (2008).
92 
Für eine Verringerung dieser Beträge um eine angemessene Verzinsung des auf die Beklagte entfallenden und auf den gebührengebundenen Bereich beschränkten Anteils am Stammkapital der ASF GmbH sieht der Senat anders als das Verwaltungsgericht keinen Grund, da das von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt außer einem kalkulatorischen Gewinn von 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten bereits kalkulatorische Zinsen in Höhe von 6,5 % für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals als Bestandteil der Selbstkosten einschließt. Der Hinweis der Beklagten, dass das Stammkapital nicht von den Gebührenschuldnern, sondern aus dem allgemeinen Haushalt finanziert worden sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch der Umstand, dass betriebsnotwendiges Kapital und Stammkapital verschiedene Begriffe sind, rechtfertigt es nicht, der Beklagten über die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals hinaus noch eine angemessene Verzinsung ihres Anteils an dem nur eine nominelle Größe darstellenden Stammkapital der ASF GmbH zuzusprechen.
93 
(2) Bezogen auf den gesamten für die Jahre 2006 bis 2008 angenommenen Gebührenbedarf von jeweils über 20 Millionen EUR pro Jahr hat die Nichtberücksichtigung des auf die Beklagte entfallenden Anteils am kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme danach zu einer als nur geringfügig anzusehenden Kostenüberdeckung in Höhe von weniger als 0,75 % geführt. Es handelt sich daher um einen gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG unbeachtlichen Mangel bei der Beschlussfassung über die Gebührensätze.
94 
Die Frage, ob diese Vorschrift auch in Fällen zur Anwendung kommt, in denen die Gebührenkalkulation auf offenkundig oder gar bewusst fehlerhaften Kostenansätzen beruht, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Vereinbarung eines einen kalkulatorischen Gewinnzuschlag enthaltenden Entgelts in einem von dem Träger einer öffentlichen Einrichtung mit einer GmbH geschlossenen (Fremdleistungs-)Vertrag den Einrichtungsträger verpflichtet, den auf ihn aufgrund seiner Beteiligung an der GmbH entfallenden Anteil an diesem Zuschlag gebührenmindernd in die Kalkulation einzustellen, hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht entschieden. Der Standpunkt der Beklagten, die preisrechtliche Zulässigkeit eines solchen Zuschlags lasse es zu, das vereinbarte Entgelt ungeschmälert in die Gebührenkalkulation einzustellen, kann auch nicht als offensichtlich unrichtig angesehen werden. Der Beklagten kann daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, sich bewusst oder grob fahrlässig über das geltende Recht hinweggesetzt zu haben.
95 
7. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen des Klägers sowie dem von ihm nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 4.6.2010 gestellten (weiteren) Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
96 
a) Mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten ersten Antrag stellt der Kläger seine Behauptung unter Beweis, dass die Beklagte bei der Veräußerung von 47 % ihrer Anteile an der ASF GmbH eine Absprache mit der ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG getroffen habe, wonach von der ASF GmbH Gewinne von ca. 4 Millionen EUR vor Steuern und ca. 2,5 bis 2,8 Millionen EUR nach Steuern durch Preisgestaltung der Betreiberentgelte zu erwirtschaften seien. Der Antrag ist bereits unzulässig, da Tatsachenbehauptungen, die von einer Partei ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt werden, eine gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung nicht auszulösen vermögen (BVerwG, Beschl. v. 2.7.1998 - 11 B 30.97 - NVwZ 1999, 656). Für die unter Beweis gestellte Behauptung muss vielmehr zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit sprechen. Daran fehlt es hier. Der Kläger stützt seine Behauptung in erster Linie auf das an die Beklagte gerichtete Schreiben der ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG vom 2.2.2005. In dem Schreiben hat sich die KG gegen die von der Beklagten zuvor vorgeschlagene Verringerung der von der ASF GmbH erbrachten Entsorgungsleistungen ausgesprochen und zur Begründung darauf hingewiesen, dass sie ihr Angebot zum Erwerb von 47 % der Anteile an der GmbH auf der Grundlage der Verdingungsunterlagen vom 17.5.2001 abgegeben habe. Ein weitgehende Einschränkung der bisher von der ASF GmbH erbrachten Dienstleistungen stelle diese Kalkulationsgrundlage in Frage. In dem Schreiben ist somit weder direkt noch indirekt von einer Gewinnzusage der Beklagten die Rede, geschweige denn von einer Gewinnzusage in der vom Kläger behaupteten Höhe. Das Schreiben vermag daher die vom Kläger aufgestellte Behauptung nicht zu stützen. Für die vom Kläger ferner vorgelegte Vorlage für die Dezernentenkonferenz vom 18.1.2005 gilt das Gleiche. Auch in der Vorlage wird nicht von einer Gewinnzusage gesprochen, sondern von einer "zu erwartenden Gewinnprognose", die zudem nicht mit der Gestaltung der Gebühren, sondern mit den Verträgen in Verbindung gebracht wird, die die ASF GmbH mit der DSD GmbH geschlossen hat.
97 
Die unter Beweis gestellte Tatsache ist davon abgesehen für die Rechtmäßigkeit der Abfallgebührensatzung der Beklagten unerheblich. Wie ausgeführt, ist die der Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation mit Ausnahme eines zu einer nur geringfügigen Kostenüberdeckung führenden und daher gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 KAG unbeachtlichen Fehlers nicht zu beanstanden. Die Kalkulation weist insbesondere keine überhöhten Kostenansätze auf. Das gilt auch für das mit der ASF GmbH vereinbarte und in die Kalkulation eingestellte Fremdleistungsentgelt. Auf die vom Kläger behauptete Zusage kommt es deshalb nicht an.
98 
b) Für die mit dem zweiten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Behauptung des Klägers, die Erhöhung der Gebühren um mehr als 50 % sei auf politische Einflussnahme der Beklagten zurückzuführen, gilt das Gleiche. Auch für diese Behauptung fehlt es im Übrigen an greifbaren Anhaltspunkten. Der Umstand, dass die ASF GmbH Ende 2004 auf der Grundlage der ihr seinerzeit zur Verfügung stehenden Informationen einen Gebührenmehrbedarf von nur 30 % angenommen hat, stellt einen solchen Anhaltspunkt nicht dar.
99 
c) Zu der ferner beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens, mit dem der Beweis geführt werden soll, dass der Gebührenkalkulation der Beklagten zur Erzielung der angestrebten hohen Gewinne überhöhte Annahmen zugrunde gelegt worden sind, besteht ebenfalls keine Veranlassung. Der Antrag ist in dieser Form inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, da der Kläger auch nicht ansatzweise dargelegt hat, welche der zahlreichen "Annahmen", auf denen die Gebührenkalkulation der Beklagten beruht, an dem von ihm behaupteten Mangel leiden sollen. Der Antrag ist deshalb in dieser Form ebenfalls unzulässig. Das gilt auch dann, wenn man den Antrag dahin versteht, dass mit den vom Kläger genannten "Annahmen" (nur) die von ihm in der Begründung seiner Berufung beanstandeten Positionen der Gebührenkalkulation gemeint sein sollen. Die vom Kläger gegen die Gebührenkalkulation erhobenen Einwendungen, zu denen der Senat bereits Stellung genommen hat, betreffen jeweils Rechtsfragen und sind damit der Beweiserhebung durch ein Sachverständigengutachten nicht zugänglich.
100 
d) Die mit dem zweiten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Behauptung, dass der auf die Beklagte entfallende Gewinnanteil an der ASF GmbH in den Jahren 2006 bis 2008 "im gebührengebundenen Bereich bereits, wie geplant, jeweils mehr als 50 % des Gewinns und mehr als 500.000 EUR jährlich" betragen habe, ist für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich. Nach den oben gemachten Ausführungen war die Beklagte verpflichtet, den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen. Auf die Frage, ob die tatsächlichen Gewinne, die die Beklagte aus ihrer Beteiligung an der ASF GmbH im "gebührengebundenen Bereich" in den Jahren 2006 bis 2008 erzielt hat, mit diesen Beträgen identisch sind, kommt es im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht an. Die Frage betrifft vielmehr den in § 14 Abs. 2 S. 2 KAG geregelten Ausgleich von Kostenüber- und Kostenunterdeckungen, worauf ebenfalls bereits hingewiesen wurde. Die Frage ist daher nur für die späteren Gebührenkalkulationen der Beklagten von Interesse. Der Senat sieht dementsprechend auch keine Veranlassung, dem nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 4.6.2010 gestellten Antrag des Klägers zu folgen und die Beklagte zur Vorlage der internen Kosten- und Leistungsrechnung der ASF GmbH zu verpflichten, mit der der Kläger ebenfalls den Beweis führen möchte, dass die Gewinne der ASF GmbH zu mehr als 50 % aus dem "gebührengebundenen Bereich" stammen.
101 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
102 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
103 
Beschluss
104 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 131,40 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
105 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. April 2009 - 2 K 4176/07 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Niederschlagswassergebühren.
Die Beklagte betreibt zur Beseitigung des in ihrem Gebiet anfallenden Abwassers Abwasseranlagen in Form eines Eigenbetriebs (Eigenbetrieb Stadtentwässerung Pforzheim - ESP) geführte öffentliche Einrichtung und erhebt für die Benutzung dieser Anlagen nach Maßgabe ihrer Satzung über die Gebührenerhebung für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen (Abwassergebührensatzung - AbwGebS) eine laufende Benutzungsgebühr.
Die Abwassergebühren wurden ursprünglich nach dem (einheitlichen) Frischwassermaßstab berechnet. Am 17.10.2006 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine neue, rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft tretende Abwassergebührensatzung, nach deren § 2 die Abwassergebühren getrennt für die auf den Grundstücken anfallende Schmutzwassermenge (Schmutzwassergebühr) und für die an den Kanal angeschlossenen gebührenrelevanten versiegelten Flächen (Niederschlagswassergebühr) erhoben werden. Die Schmutzwassergebühr beträgt gemäß § 7 Abs. 1 AbwGebS je Kubikmeter Schmutzwasser 1,86 EUR, die Niederschlagswassergebühr gemäß § 7 Abs. 3 AbwGebS je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr 0,92 EUR. Über die Entstehung und die Fälligkeit der Gebühren trifft § 11 AbwGebS folgende Regelung:
(1) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren entsteht mit dem Tag, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist.
(2) Die Gebühren werden zwei Wochen nach Bekanntgabe des Gebührenbescheides fällig. …
(3) …
Die Klägerin ist Eigentümerin des im Gebiet der Beklagten gelegenen Grundstücks Flst.Nr. ... (... ...), dessen versiegelte Fläche von der Beklagten mit 934 m 2 angenommen wird. Mit Bescheid vom 11.1.2007 setzte die Beklagte auf dieser Grundlage die für das Grundstück für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 zu bezahlenden Niederschlagswassergebühren auf 849,86 EUR fest.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 15.1.2007 Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Satzung vom 17.10.2006 sei rechtswidrig. Die Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip in Form des Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Des Weiteren habe die Beklagte im Rahmen des Verfahrens zur Aufstellung der Satzung jegliche Transparenz vermissen lassen. Im Rahmen der Flächenermittlung seien erhebliche Versäumnisse unterlaufen. Die der Satzung zugrunde liegende Kalkulation der Abwassergebühren sei nicht transparent und nicht vollständig. Insbesondere dürfe es nicht zum Nachteil der Gebührenschuldner führen, dass der Eigenbetrieb Stadtentwässerung vollständig über Fremdkapital finanziert werde. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, dass die Gebührenkalkulation, die für das Jahr 2007 gefertigt worden sei, maßgebliche Aussagen für das Jahr 2006 treffen könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch am 6.11.2007 mit der Begründung zurück, die Abwassergebührensatzung sei rechtmäßig. Die Satzung verstoße insbesondere nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Veranlagungsfläche sei ordnungsgemäß ermittelt worden. Die Stadt habe im Rahmen des ihr zustehenden Ermessensspielraums entschieden, den Entwässerungsbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm zur teilweisen Finanzierung des Anlagevermögens ein verzinsliches Trägerdarlehen zu gewähren. Das Darlehen habe damit Eigenkapital ersetzenden Charakter. Die hierauf entfallenden Zinsen stellten einen Ausgleich für die ansonsten zulässigerweise zu berücksichtigenden Eigenkapitalzinsen dar. Die Zinshöhe von 5,34 % im Jahre 2006 sei angemessen. Es entspreche der Erfahrung, dass sich die gebührenrelevante Abwassermenge gegenüber der Prognose allenfalls noch geringfügig verändere. Deshalb habe für die Jahre 2006 und 2007 von den gleichen Mengen wie für 2005 ausgegangen werden dürfen.
Die Klägerin hat am 7.12.2007 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben mit dem Antrag, die Bescheide der Beklagten vom 11.1. und 6.11.2007 aufzuheben. Zur Begründung hat sie zunächst ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend hat sie ausgeführt, es sei bereits fraglich, ob die Beklagte die Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf den Eigenbetrieb Stadtentwässerung habe übertragen dürfen. Jedenfalls sei äußerst zweifelhaft sei, ob die Betriebskosten, die durch den Eigenbetrieb selbst verursacht würden, in die Gebührenkalkulation eingestellt werden dürften. Dadurch, dass der Eigenbetrieb Stadtentwässerung ausgegliedert und nicht mit Eigenkapital ausgestattet worden sei, seien Fremdfinanzierungskosten künstlich geschaffen worden, um den Gebührensatz höher ausgestalten zu können. Jedenfalls seien die zusätzlich geschaffenen Fremdfinanzierungskosten nicht erforderlich.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die Einwohner seien bereits seit langer Zeit durch Informationsschreiben, umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit und begleitende Presseberichterstattung darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, eine gesplittete Abwassergebühr einzuführen. Sie hätten somit spätestens zum 1.1.2006 mit deren Einführung rechnen müssen. Die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen werde durch die neue Satzung nicht ungünstiger gestellt. Ein Verstoß gegen das Schlechterstellungsverbot liege somit nicht vor. Ein neu zu gründendes Unternehmen könne durch Kapital finanziert werden, das der Eigentümer dem Unternehmen zur Verfügung stelle oder das von Dritten als Kredit oder Zuschuss gegeben werde. Der Eigentümer könne dem Unternehmen neben dem Eigenkapital auch Darlehen gewähren. Dies gelte als Kreditaufnahme durch den Eigenbetrieb. Der Gebührenkalkulation liege ein durchschnittlicher kalkulatorischer Zins in Höhe von 5,4 % zugrunde, der aus den Echtzinsaufwendungen für Fremddarlehen, Kassenkrediten und Trägerdarlehen abzüglich nicht gebührenfähiger Bauzeitzinsen im Verhältnis zum Anlagevermögen ermittelt worden sei. Für die Berechnung des Straßenentwässerungskostenanteils sei auf die Globalberechnung zur Ermittlung des Abwasserbeitrags vom März 2002 zurückgegriffen worden. Für die Beschlussfassung über den Gebührensatz 2006 habe sie auf eine Gebührenkalkulation zurückgreifen dürfen, die für das Wirtschaftsjahr 2007 erstellt worden sei. § 11 Abs. 1 AbwGebS sei rechtmäßig. Da eine Gebühr erst mit der Inanspruchnahme, also der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei diese Vorschrift dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
10 
Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Gemeinderat der Beklagten am 16.12.2008 eine rückwirkend zum 1.1.2008 in Kraft tretende Änderung des § 11 AbwGebS beschlossen. § 11 Abs. 1 AbwGebS lautet in der neuen Fassung nunmehr wie folgt:
11 
Die Gebührenschuld entsteht jeweils mit dem Ende des Abrechnungszeitraums. Abrechnungszeitraum ist für die Erhebung der Gebühren der Zeitraum, für den der Wasserverbrauch zur Berechnung des Entgelts für die Wasserlieferung festgestellt wird. Für die Erhebung der Niederschlagswassergebühr gilt dies mit der Maßgabe, dass der erste Abrechnungszeitraum jedoch frühestens mit dem Tag beginnt, an dem befestigte Flächen an die Stadtentwässerungsanlagen angeschlossen sind.
12 
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23.4.2009 die Bescheide der Beklagten vom 11.1. und 6.11.2007 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Abwassergebührensatzung der Beklagten sei für den von dem angefochtenen Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr ungültig. Die Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld gehöre nach § 2 Abs. 1 S. 2 KAG zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer Satzung, soweit sie sich - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz ergebe. Bei Gebühren, die für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben würden, sei eine eindeutige satzungsmäßige Bestimmung des Zeitintervalls, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollten, erforderlich. Eine derartige Bestimmung enthalte die Abwassergebührensatzung für den hier betroffenen Zeitraum nicht. Hinsichtlich der Niederschlagswassergebühren könne man zwar möglicherweise aus dem Maßstab Quadratmeter anrechenbarerer versiegelter Fläche/Jahr schließen, dass Erhebungszeitraum das Kalenderjahr sein solle. Eine "eindeutige" Bestimmung enthalte die Satzung jedoch auch bei einer solchen Auslegung nicht. Hinsichtlich der Schmutzwassergebühr fehle es sogar an jeglichem Anhaltspunkt für den Erhebungszeitraum. Bei der Schmutzwassergebühr komme hinzu, dass die Höhe der Gebührenschuld zu dem nach der Abwassergebührensatzung maßgeblichen Entstehungszeitpunkt nicht berechenbar sei, da in diesem Zeitpunkt nicht feststehe, welche Wassermenge dem Grundstück aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführt werde. Der von der Beklagten für das Jahr 2006 beschlossene Gebührensatz sei außerdem unwirksam, da die dem Gemeinderat bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz vorliegende Gebührenkalkulation sich auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe. Die Beklagte habe nicht darzulegen vermocht, dass die Kalkulation auch uneingeschränkt aussagekräftige Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Ohnehin habe sich das Jahr 2006 bei der Beschlussfassung bereits dem Ende zugeneigt, so dass für dieses Jahr erhebliche Teile der Ausgaben bereits festgestanden und daher nicht mehr hätten prognostiziert werden müssen. Es liege zwar nahe, dass die Abwassermengen in den Jahren 2006 und 2007 nicht erheblich voneinander abwichen. Für die in der Gebührenkalkulation zu berücksichtigenden Ausgaben und Einnahmen lasse sich das jedoch nicht ohne weiteres annehmen. Ein Vergleich der ursprünglichen Gebührenkalkulation für das Jahr 2006 und der Gebührenkalkulation für das Jahr 2007 bestätige dies. Die Kosten der Abwasserbeseitigung in der Kalkulation für das Jahr 2007 von 23.722.400 EUR dürften der Sache nach den "bereinigten Aufwendungen aus 1.9." in der Kalkulation für das Jahr 2007 von 23.355.400 EUR entsprechen. Der Unterschied zwischen den beiden Beträgen von knapp 400.000 EUR könne kaum mehr als unerheblich bezeichnet werden. Zu derselben Gebührenobergrenze im Jahr 2007 sei die Beklagte des Weiteren nur gelangt, weil sie bei der Festsetzung des Gebührensatzes eine Unterdeckung in Höhe von 782.900 EUR einkalkuliert habe. Aus § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG ergeb sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts anderes. Der Bestimmung lasse sich nicht entnehmen, dass für die Kalkulation eines Gebührensatzes für ein Jahr auf die Gebührenkalkulation für das nachfolgende Jahr zurückgegriffen werden dürfe. Es sei ferner zweifelhaft, ob die Gebührenkalkulation für das Jahr 2007 den Anforderungen genüge, die an eine ordnungsgemäße Gebührenkalkulation zu stellen seien. Eine Kalkulation nach Kostenstellen biete dem Gemeinderat möglicherweise kein ausreichendes Bild von der Ermittlung des Gebührenbedarfs. So seien bei dieser Art der Kalkulation weder die Höhe der Abschreibungen noch die Zinsbelastung aufgrund des von der Beklagten ihrem Eigenbetrieb gewährten Trägerdarlehens ausgewiesen. Würde es darauf ankommen, so wäre auch der Frage nachzugehen, ob es sich bei den aufgrund des Trägerdarlehens anfallenden Zinsen um auf die Gebührenzahler abwälzbare Kosten handele.
13 
Gegen das Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Die Beklagte macht geltend, die Satzung vom 17.10.2006 enthalte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine gültige Entstehensregelung. Da die Gebührenhöhe vorab festgelegt worden sei, könne der Gebührenschuldner bereits bei der Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung die damit verbundene Gebühr erkennen. Die Bestimmung eines Erhebungszeitraums sei dafür nicht erforderlich. Von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls sei abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben würden, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Satzung werde deutlich, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Entwässerung und (kumulativ) mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe. Der für das Jahr 2006 beschlossene Gebührensatz sei wirksam. Die für das Jahr 2007 erstellte Gebührenkalkulation sei nur herangezogen worden, um die Aufteilung der Gebühren in Schmutzwasser- und Niederschlagswassergebühren vornehmen zu können. Der Gemeinderat habe zuvor für das Jahr 2006 unter Berücksichtigung der restlichen Überdeckung aus dem Jahr 2002 und einem Anteil der Unterdeckung aus 2004 einen Gebührensatz von 2,72 EUR/m 3 festgesetzt. Er sei dabei von einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m 3 und gebührenfähigen Gesamtkosten von 17.067.100 EUR ausgegangen, woraus sich eine zulässige Gebührenobergrenze von 2,79 EUR/m 3 ergeben habe. Bei der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr sei das sich aus dem beschlossenen Gebührensatz ergebende Gebührenaufkommen auf eine Schmutzwassergebühr von 1,86 EUR/m³ und eine Regenwassergebühr von 0,92 EUR/m² aufgeteilt worden. Aus welchen Gründen die von dem Verwaltungsgericht geforderte getrennte Ausweisung der Abschreibungen in der Gebührenkalkulation erforderlich sei, sei nicht ersichtlich. Die Gebührenkalkulation wähle einen anderen Ansatz, indem sie an einzelne "Kostenverursacher" anknüpfe. Dem Gemeinderat sei bewusst gewesen, dass in den einzelnen Beträgen Abschreibungen enthalten seien. Eine darüber hinausgehende Ausweisung sei nicht erforderlich. Im Übrigen hätten die auf S. 4 der Gebührenkalkulation genannten Anlagen dem Gemeinderat zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung gestanden. Der vereinbarte Zinssatz für das Trägerdarlehen von 6 % orientiere sich an der Zinsbelastung des städtischen Haushalts seit 1986 und bilde die durchschnittliche Zinsbelastung ab.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. April 2009 - 2 K 4176/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Akten der Beklagten sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Gebührenbescheid zu Recht aufgehoben. Die dem Gebührenbescheid zugrunde liegende und diesen stützenden Abwassergebührensatzung der Beklagten ist für den von dem Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr unwirksam (unten 1). Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den an sie zu stellenden Anforderungen genügt (unten 2).
21 
1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die - rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft getretene - Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, enthält diese Satzung keine ausreichende Regelung über die Entstehung der Gebühr und ist daher nichtig. Die am 16.12.2008 beschlossene Änderung der Satzung bleibt dabei außer Betracht, da die Änderung nach dem Willen der Beklagten erst am 1.1.2008 in Kraft treten soll und sich deshalb für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum (1.1. bis 27.12.2006) keine Gültigkeit beimisst.
22 
a) Nach § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Gebühren für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie andere Kommunalabgaben nur auf Grund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer solchen Satzung gehört gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 KAG eine Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld, soweit sich diese Rechtsfolge - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz herleiten lässt. Mit der Entstehung der Abgabenschuld kann die Abgabenforderung beim Abgabenpflichtigen geltend gemacht werden, sofern gesetzlich kein späterer Zeitpunkt für die Fälligkeit festgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit § 220 Abs. 2 AO). Mit der Entstehung der Abgabenschuld beginnt außerdem die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG in Verbindung mit § 170 AO). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 30.11.2000 - 2 S 2061/98 - BWGZ 2001, 269) muss sich deshalb beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung aus der Abgabensatzung mit hinreichender Klarheit ergeben, zu welchem Zeitpunkt die Abgabenschuld nach dem Willen des Satzungsgebers entstehen soll.
23 
An dieser Auffassung ist auch nach der Neufassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG durch das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005 festzuhalten. Die Vorschrift legt auch in ihrer Neufassung den unverzichtbaren Mindestinhalt einer Abgabensatzung fest. Der Umstand, dass der Gesetzgeber das von der Vorschrift bisher verwendete Wort "muss" durch ein "soll" ersetzt hat, ändert daran nichts. Die Änderung hat ihren Grund in der Einbeziehung des Erschließungsbeitragsrechts in das Kommunalabgabengesetz (vgl. LT-Drs. 13/3966, S. 40) und erklärt sich dadurch, dass in der auch für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen erforderlichen Satzung wegen der völlig unterschiedlichen Kosten der einzelnen Erschließungsanlagen ein Abgabensatz nicht bestimmt werden kann. Für den Erlass von Benutzungsgebührensatzungen ergeben sich aus der geänderten Fassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG keine Konsequenzen. Das "soll" in dieser Vorschrift ist vielmehr in diesen Fällen in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage weiterhin wie ein "muss" zu lesen.
24 
b) Den sich aus § 2 Abs. 1 S. 2 KAG ergebenden Anforderungen wird mit der Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006 nicht entsprochen.
25 
Entstehung und Fälligkeit der Gebührenschuld werden in § 11 AbwGebS geregelt. In seiner bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bestimmte Abs. 1 dieser Vorschrift, dass die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren mit dem Tag entsteht, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist. Diese Regelung ist, wie auch die Beklagte einräumt, unvollständig. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können Benutzungsgebühren nur für die (tatsächliche) Benutzung der öffentlichen Einrichtung erhoben werden, da erst dadurch das für eine solche Gebühr eigentümliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründet wird. Die bloße Möglichkeit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder der Umstand, dass durch die Einrichtung Vorteile geboten werden, reichen danach zur Gebührenerhebung nicht aus. Von der Beklagten wird dementsprechend vorgebracht, § 11 Abs. 1 AbwGebS bestimme, dass die Gebührenschuld frühestens mit dem Tag entstehe, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt sei. Da eine Gebühr aber erst mit der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei § 11 Abs. 1 AbwGebS dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
26 
Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung des § 11 Abs. 1 AbwGebS wird von dem Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in der Vorschrift allein genannten betriebsfähigen Herstellung des Anschlusses an die Entwässerung nur der frühestens mögliche Zeitpunkt für das Entstehen der Gebührenpflicht beschrieben wird und es im Übrigen für das Entstehen der Gebührenpflicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen ankommen soll, sind weder der Vorschrift selbst noch anderen Bestimmungen der Satzung zu entnehmen. Davon abgesehen bliebe auch bei einem solchen Verständnis der Vorschrift offen, für welchen Zeitraum durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung die Gebührenpflicht entstehen soll. Bei Gebühren, die - wie Abwassergebühren - nicht für eine nur einmalige Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist die Festlegung des Zeitintervalls erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen, da nur so die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung exakt angewendet werden können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben, muss deshalb die Satzung festlegen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum die Gebühr als entstanden gelten soll (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 7.11.1996 - 4 K 11/96 - KStZ 2000, 12; HessVGH, Beschl. v. 28.8.1986 - 5 TH 1870/86 - Juris; Lohmann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 661; Driehaus, aaO, § 2 Rn. 92).
27 
Eine solche Festlegung lässt sich der Satzung der Beklagten weder für die Schmutzwasser- noch für die Niederschlagswassergebühr entnehmen. Zwar heißt es in § 7 Abs. 3 AbwGebS, dass die Niederschlagswassergebühr 0,92 EUR je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr betrage. In § 4 Abs. 1 S. 4 AbwGebS ist ferner von einer "jährlichen" Niederschlagswassergebühr die Rede. Die Satzung könnte im Hinblick hierauf dahin verstanden werden, dass Erhebungszeitraum für die Niederschlagswassergebühr das Kalenderjahr sein und die Pflicht zur Bezahlung dieser Gebühr mit dem Ende des jeweiligen Kalenderjahrs entstehen soll, worauf auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zu sprechen gekommen ist. Gegen ein solches Verständnis der Satzung spricht jedoch zum einen die Regelung in § 11 Abs. 2 S. 2 AbwGebS, wonach "die Gebühren" - also sowohl die Schmutzwasser- als auch die Niederschlagswassergebühr - in der Regel zusammen mit den Frischwasserentgelten, berechnet und erhoben werden, und zum anderen die Regelung in § 10 Abs. 1 S. 1 AbwGebS, nach der Abschlagszahlungen (auch) auf die Niederschlagswassergebühr verlangt werden können, wenn "die Gebühr für mehrere Monate abgerechnet" wird. Die Höhe der Abschlagszahlungen wird nach § 10 Abs. 1 S. 2 AbwGebS anteilig berechnet entsprechend den anrechenbaren versiegelten Grundstücksflächen "im zuletzt abgerechneten Zeitraum". Diese Regelungen deuten darauf hin, dass die Beklagte sich auch bei der Erhebung der Niederschlagswassergebühren vorbehalten will, den Abrechnungszeitraum von Fall zu Fall zu bestimmen, was sich mit einer Regelung, die das Entstehen der Gebührenpflicht an das Ende des jeweiligen Kalenderjahrs knüpft, nicht verträgt.
28 
Wie die Berufungsbegründung zeigt, ist auch die Beklagte selbst der Meinung, dass in ihrer Satzung kein Erhebungszeitraum festgelegt sei. Nach den dazu gegebenen Erklärungen ist von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls vielmehr bewusst abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben werden sollten, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Die Beklagte hat dementsprechend die Klägerin nicht zu einer Niederschlagswassergebühr für das gesamte Jahr 2006, sondern nur für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 herangezogen.
29 
2. Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den sich aus § 14 Abs. 3 KAG ergebenden Anforderungen genügt.
30 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urt. v. 4.7.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540; NK-Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - NVwZ-RR 1996, 593) hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan die Höhe des Gebührensatzes innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation zu beschließen, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze der öffentlichen Einrichtung hervorgehen muss. Da weder § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch § 78 Abs. 2 GemO die Gemeinde verpflichten, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten durch Gebühren anzustreben, hat der Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz im Wege einer Ermessensentscheidung darüber zu befinden, welche gebührenfähigen Kosten in die Gebührenkalkulation eingestellt werden sollen. Außerdem ist ihm bei der Ermittlung der in den Gebührensatz einzustellenden Kostenfaktoren überall dort ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wo sich diese Kosten nicht rein rechnerisch, sondern nur im Wege von Schätzungen oder finanzpolitischen Bewertungen ermitteln lassen. Die Gebührenkalkulation dient somit nicht nur als Kontrollinstrument zur Überprüfung des letztlich beschlossenen Gebührensatzes, sondern auch dem Nachweis dafür, dass der Ortsgesetzgeber als Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Kostenermittlung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Ist dem Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz eine Gebührenkalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies - vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG - die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge.
31 
a) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, der vom Gemeinderat der Beklagten beschlossene Gebührensatz für das Jahr 2006 sei ungültig, da sich die der Beschlussfassung am 17.10.2006 zugrunde liegende Gebührenkalkulation auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe und nicht ersichtlich sei, dass diese Kalkulation auch uneingeschränkt verwertbare Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Dem vermag der Senat auf der Grundlage der ihm zugänglichen Informationen nicht zu folgen.
32 
Der Vorlage zu der Sitzung des Gemeinderats vom 17.10.2006 lag eine von dem Büro ... ... gefertigte Gebührenkalkulation für das "Wirtschaftsjahr 2007" bei. Die Gebührenkalkulation geht von einer im Jahr 2007 zu erwartenden Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ aus. Die "ansatzfähigen Kosten der Abwasserbeseitigung" werden für das gleiche Jahr - ohne die auf die Straßenflächen entfallenden Kosten - mit 17.374.902,03 EUR veranschlagt, von denen 11.794.509,49 EUR der Schmutzwasserbeseitigung und 5.580.392,54 EUR der Niederschlagswasserbeseitigung zugeordnet werden. Die Beklagte ist der Meinung, dass diese Zahlen wegen der hinreichend gleichen abwassertechnischen Verhältnisse nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könnten. Das ist nicht zu beanstanden. Die Prognose einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ auch für das Jahr 2006 steht in Übereinstimmung mit der für das gleiche Jahr vorgenommenen Prognose in der früheren Kalkulation, die der Satzung vom 13.12.2005 zugrunde lag, und bewegt sich im Rahmen der im Wirtschaftsplan des ESP für das Jahr 2006 genannten tatsächlichen Verbrauchsmengen, die in den Jahren 2002 bis 2005 zu verzeichnen waren. Die Prognose ist danach nicht zu bemängeln. Die in der Gebührenkalkulation ferner vorgenommene Kostenschätzung beruht auf einem "Kostenstellenbericht" vom 27.7.2006, der auf der Grundlage der bis dahin bekannten Zahlen eine Zusammenstellung der in der Zeit vom 1.1. bis 31.12.2007 zu erwartenden Kosten enthält. Gegen die Annahme der Beklagten, dass auch diese Schätzung nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könne, bestehen im Hinblick auf diese Grundlage der Schätzung ebenfalls keine Bedenken. Ihre Richtigkeit wird zudem dadurch bestätigt, dass nach der Darstellung der Beklagten die in den Jahren 2006 und 2007 tatsächlich entstandenen Kosten einander nahezu entsprochen haben. Dieser Darstellung ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
33 
b) Die dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegende Gebührenkalkulation ist jedoch deshalb als mangelhaft zu erachten, weil sie keinen Aufschluss über die Höhe der einzelnen Kostenarten gibt, aus denen sich die in die Kalkulation eingestellten Gesamtkosten zusammensetzen.
34 
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen die Gebühren höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen insgesamt ansatzfähigen Kosten (Gesamtkosten) der Einrichtung gedeckt werden. Die Betriebswirtschaftslehre kennt als Unterfall der Kostenrechnung die Kostenartenrechnung, die der systematischen Erfassung aller bei der Leistungserstellung entstehenden Kosten dient. Nach der Art der verbrauchten Produktionsfaktoren wird dabei zwischen Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen, Zinsen, Kosten für Dienstleistungen Dritter sowie Kosten für Steuern, Gebühren und Beiträge unterschieden (Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl., S. 1254 ff). Eine derartige Aufschlüsselung hat auch in der Gebührenkalkulation zu erfolgen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 42).
35 
Die Gebührenkalkulation hat die Aufgabe, die tatsächlichen Grundlagen für die rechtssatzmäßige Festsetzung des Gebührensatzes zur Verfügung zu stellen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss sie für den kundigen, mit dem Sachverhalt vertrauten kommunalen Mandatsträger transparent, verständlich, nachvollziehbar und in sich schlüssig sein (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.2.2004 - 12 A 10826/03.OVG - Juris). Auf eine Aufschlüsselung der in die Kalkulation eingestellten Kosten nach den einzelnen Kostenarten kann danach nicht verzichtet werden. Das hat jedenfalls für die gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 KAG zu den Kosten nach Absatz 1 Satz 1 gehörenden kalkulatorischen Kosten in Form einer angemessenen Verzinsung des Anlagekapitals sowie angemessener Abschreibungen zu gelten, über deren Höhe der Gemeinderat in den mit dem Begriff der Angemessenheit gezogenen rechtlichen Grenzen nach seinem Ermessen zu entscheiden hat.
36 
Dieser Forderung wird mit der dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegenden Gebührenkalkulation nicht genügt. Die in der Kalkulation genannten ansatzfähigen Gesamtkosten ergeben sich aus einer Addition der zuvor unter der Überschrift "eigentlicher Betriebsaufwand" aufgeführten Beträge, die einzelnen "Kostenstellen" der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung zugeordnet werden. Nach den von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen setzen sich diese Beträge aus den verschiedenen Kosten in Form von Personalkosten, Materialkosten, Kapitalkosten etc. zusammen, von denen den einzelnen Kostenstellen jeweils ein bestimmter Anteil zugewiesen wird. Wie diese Beträge sich im Einzelnen errechnen, geht jedoch aus der Kalkulation selbst nicht hervor. Über die Höhe der einzelnen Kostenarten, aus denen sich die angenommenen Gesamtkosten zusammensetzen, gibt die Kalkulation dementsprechend keinen Aufschluss.
37 
3. Ob die Satzung der Beklagten darüber hinaus an weiteren zu ihrer Nichtigkeit führenden Mängeln leidet, bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die von der Beklagten genannte große Zahl weiterer Verfahren, in denen über die Rechtmäßigkeit der Satzung gestritten wird, sowie die Möglichkeit, die aufgezeigten Fehler durch den Erlass einer neuen Gebührensatzung zu beheben, sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden Hinweisen veranlasst:
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat es als zweifelhaft bezeichnet, ob es sich bei den Zinsen, die der Eigenbetrieb aufgrund des ihm von der Beklagten gewährten Trägerdarlehens zu bezahlen hat, um betriebsbedingte Kosten handelt. Diese Bedenken dürften jedenfalls im Grundsatz unbegründet sein.
39 
Die Beklagte hat bei der im Jahre 2004 erfolgten Gründung des Eigenbetriebs Stadtentwässerung beschlossen, den Eigenbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm stattdessen ein - mit 6 % zu verzinsendes - Trägerdarlehen zu gewähren. Dieses Vorgehen dürfte nur bilanztechnische Gründe haben, aber keine Auswirkungen auf die Höhe der ansatzfähigen Gesamtkosten haben. Nach der bereits erwähnten Regelung in § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KAG gehört zu den ansatzfähigen Gesamtkosten die "angemessene Verzinsung des Anlagekapitals", d. h. eine angemessene Verzinsung der um Beiträge, Zuweisungen und Zuschüsse Dritter gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der Abschreibungen (vgl. § 14 Abs. 3 S. 2 KAG). Zinsbasis ist damit das in der Anlage noch gebundene Kapital, ohne dass es darauf ankommt, ob die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit Eigen- oder Fremdmitteln finanziert worden sind. Die Gewährung eines Eigenkapital ersetzenden Trägerdarlehens hat daher nicht, wie die Klägerin argwöhnt, das Produzieren "künstlicher" Kosten zur Folge.
40 
b) In der Gebührenkalkulation werden auf der Grundlage einer zu erwartenden Abwassermenge von jeweils 6,1 Mio. m³ und zu erwartenden Kosten von jeweils 17.374.902 EUR sowohl für das Jahr 2006 als auch für das Jahr 2007 kostendeckende Gebührensätze von 1,93 EUR/m 3 (Schmutzwassergebühr) und 0,99 EUR/m 2 (Niederschlagswassergebühr) errechnet (S.10). Im Hinblick auf das vorgegebene Ziel, dass die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr nicht zu einer Ausweitung des sich aus dem zuvor beschlossenen Gebührensatz ergebenden Gebühreneinnahmenvolumens führen solle, hat der Gemeinderat der Beklagten jedoch um 0,07 EUR/m 3 bzw. 0,07 EUR/m 2 niedrigere Gebührensätze beschlossen und damit - sowohl für 2006 als auch für 2007 - eine Unterdeckung von jeweils 782.900 EUR in Kauf genommen.
41 
Diese Entscheidung ist für sich genommen nicht zu beanstanden, da sich - wie bereits angesprochen - weder aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch aus § 78 Abs. 2 GemO eine Verpflichtung der Gemeinde ergibt, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten anzustreben. Nach Ziff. 2 des Beschlussvorschlags in der Sitzungsvorlage hatte der Gemeinderat der Beklagten jedoch die Vorstellung, dass die einkalkulierte Unterdeckung "mit künftigen Überdeckungen zu verrechnen oder in (künftige) Gebührenkalkulationen einzustellen sein" werde, d.h. in den folgenden Jahren ausgeglichen werden könne und auch tatsächlich ausgeglichen werden solle. Diese Vorstellung ist irrig, da Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat, in den Folgejahren nicht ausgeglichen werden können.
42 
Nach dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit dürfen die Gebührenpflichtigen nur mit Kosten belastet werden, die den Nutzungen der jeweiligen Rechnungsperiode entsprechen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 92 ff). § 14 Abs. 2 S. 2 KAG enthält eine Durchbrechung dieses Grundsatzes. In Fällen, in denen am Ende eines Kalkulationszeitraums das Gebührenaufkommen hinter den ansatzfähigen Gesamtkosten zurückbleibt, ist es den Gemeinden danach gestattet, die auf diese Weise entstandene Kostenunterdeckung innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen. Diesem Recht steht die sich ebenfalls aus § 14 Abs. 2 S. 2 Halbsatz KAG ergebende Verpflichtung gegenüber, Kostenüberdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums auszugleichen. Die Regelung berücksichtigt, dass die tatsächlichen Kosten, Erlöse und Mengen von den prognostisch ermittelten und der Kalkulation zugrunde gelegten Werten abweichen können und in aller Regel auch tatsächlich abweichen. § 14 Abs. 2 S. 2 KAG soll deshalb gewährleisten, dass das zunächst auf den jeweiligen Kalkulations- oder Bemessungszeitraum begrenzte Kostendeckungsprinzip auf mittlere Frist gesehen tatsächlich realisiert wird bzw. - soweit es um den Ausgleich von Kostenunterdeckungen geht - realisiert werden kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.2008 - 2 S 2559/05 - VBlBW 2008, 350). Ausgeglichen werden können danach aber nur Kostenunterdeckungen, die sich erst am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, nicht aber Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Quaas, NVwZ 2007, 757; Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 104)
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
44 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
45 
Beschluss
46 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 849,86 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
47 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
20 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Gebührenbescheid zu Recht aufgehoben. Die dem Gebührenbescheid zugrunde liegende und diesen stützenden Abwassergebührensatzung der Beklagten ist für den von dem Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr unwirksam (unten 1). Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den an sie zu stellenden Anforderungen genügt (unten 2).
21 
1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die - rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft getretene - Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, enthält diese Satzung keine ausreichende Regelung über die Entstehung der Gebühr und ist daher nichtig. Die am 16.12.2008 beschlossene Änderung der Satzung bleibt dabei außer Betracht, da die Änderung nach dem Willen der Beklagten erst am 1.1.2008 in Kraft treten soll und sich deshalb für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum (1.1. bis 27.12.2006) keine Gültigkeit beimisst.
22 
a) Nach § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Gebühren für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie andere Kommunalabgaben nur auf Grund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer solchen Satzung gehört gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 KAG eine Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld, soweit sich diese Rechtsfolge - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz herleiten lässt. Mit der Entstehung der Abgabenschuld kann die Abgabenforderung beim Abgabenpflichtigen geltend gemacht werden, sofern gesetzlich kein späterer Zeitpunkt für die Fälligkeit festgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit § 220 Abs. 2 AO). Mit der Entstehung der Abgabenschuld beginnt außerdem die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG in Verbindung mit § 170 AO). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 30.11.2000 - 2 S 2061/98 - BWGZ 2001, 269) muss sich deshalb beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung aus der Abgabensatzung mit hinreichender Klarheit ergeben, zu welchem Zeitpunkt die Abgabenschuld nach dem Willen des Satzungsgebers entstehen soll.
23 
An dieser Auffassung ist auch nach der Neufassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG durch das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005 festzuhalten. Die Vorschrift legt auch in ihrer Neufassung den unverzichtbaren Mindestinhalt einer Abgabensatzung fest. Der Umstand, dass der Gesetzgeber das von der Vorschrift bisher verwendete Wort "muss" durch ein "soll" ersetzt hat, ändert daran nichts. Die Änderung hat ihren Grund in der Einbeziehung des Erschließungsbeitragsrechts in das Kommunalabgabengesetz (vgl. LT-Drs. 13/3966, S. 40) und erklärt sich dadurch, dass in der auch für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen erforderlichen Satzung wegen der völlig unterschiedlichen Kosten der einzelnen Erschließungsanlagen ein Abgabensatz nicht bestimmt werden kann. Für den Erlass von Benutzungsgebührensatzungen ergeben sich aus der geänderten Fassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG keine Konsequenzen. Das "soll" in dieser Vorschrift ist vielmehr in diesen Fällen in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage weiterhin wie ein "muss" zu lesen.
24 
b) Den sich aus § 2 Abs. 1 S. 2 KAG ergebenden Anforderungen wird mit der Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006 nicht entsprochen.
25 
Entstehung und Fälligkeit der Gebührenschuld werden in § 11 AbwGebS geregelt. In seiner bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bestimmte Abs. 1 dieser Vorschrift, dass die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren mit dem Tag entsteht, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist. Diese Regelung ist, wie auch die Beklagte einräumt, unvollständig. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können Benutzungsgebühren nur für die (tatsächliche) Benutzung der öffentlichen Einrichtung erhoben werden, da erst dadurch das für eine solche Gebühr eigentümliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründet wird. Die bloße Möglichkeit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder der Umstand, dass durch die Einrichtung Vorteile geboten werden, reichen danach zur Gebührenerhebung nicht aus. Von der Beklagten wird dementsprechend vorgebracht, § 11 Abs. 1 AbwGebS bestimme, dass die Gebührenschuld frühestens mit dem Tag entstehe, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt sei. Da eine Gebühr aber erst mit der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei § 11 Abs. 1 AbwGebS dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
26 
Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung des § 11 Abs. 1 AbwGebS wird von dem Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in der Vorschrift allein genannten betriebsfähigen Herstellung des Anschlusses an die Entwässerung nur der frühestens mögliche Zeitpunkt für das Entstehen der Gebührenpflicht beschrieben wird und es im Übrigen für das Entstehen der Gebührenpflicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen ankommen soll, sind weder der Vorschrift selbst noch anderen Bestimmungen der Satzung zu entnehmen. Davon abgesehen bliebe auch bei einem solchen Verständnis der Vorschrift offen, für welchen Zeitraum durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung die Gebührenpflicht entstehen soll. Bei Gebühren, die - wie Abwassergebühren - nicht für eine nur einmalige Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist die Festlegung des Zeitintervalls erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen, da nur so die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung exakt angewendet werden können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben, muss deshalb die Satzung festlegen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum die Gebühr als entstanden gelten soll (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 7.11.1996 - 4 K 11/96 - KStZ 2000, 12; HessVGH, Beschl. v. 28.8.1986 - 5 TH 1870/86 - Juris; Lohmann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 661; Driehaus, aaO, § 2 Rn. 92).
27 
Eine solche Festlegung lässt sich der Satzung der Beklagten weder für die Schmutzwasser- noch für die Niederschlagswassergebühr entnehmen. Zwar heißt es in § 7 Abs. 3 AbwGebS, dass die Niederschlagswassergebühr 0,92 EUR je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr betrage. In § 4 Abs. 1 S. 4 AbwGebS ist ferner von einer "jährlichen" Niederschlagswassergebühr die Rede. Die Satzung könnte im Hinblick hierauf dahin verstanden werden, dass Erhebungszeitraum für die Niederschlagswassergebühr das Kalenderjahr sein und die Pflicht zur Bezahlung dieser Gebühr mit dem Ende des jeweiligen Kalenderjahrs entstehen soll, worauf auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zu sprechen gekommen ist. Gegen ein solches Verständnis der Satzung spricht jedoch zum einen die Regelung in § 11 Abs. 2 S. 2 AbwGebS, wonach "die Gebühren" - also sowohl die Schmutzwasser- als auch die Niederschlagswassergebühr - in der Regel zusammen mit den Frischwasserentgelten, berechnet und erhoben werden, und zum anderen die Regelung in § 10 Abs. 1 S. 1 AbwGebS, nach der Abschlagszahlungen (auch) auf die Niederschlagswassergebühr verlangt werden können, wenn "die Gebühr für mehrere Monate abgerechnet" wird. Die Höhe der Abschlagszahlungen wird nach § 10 Abs. 1 S. 2 AbwGebS anteilig berechnet entsprechend den anrechenbaren versiegelten Grundstücksflächen "im zuletzt abgerechneten Zeitraum". Diese Regelungen deuten darauf hin, dass die Beklagte sich auch bei der Erhebung der Niederschlagswassergebühren vorbehalten will, den Abrechnungszeitraum von Fall zu Fall zu bestimmen, was sich mit einer Regelung, die das Entstehen der Gebührenpflicht an das Ende des jeweiligen Kalenderjahrs knüpft, nicht verträgt.
28 
Wie die Berufungsbegründung zeigt, ist auch die Beklagte selbst der Meinung, dass in ihrer Satzung kein Erhebungszeitraum festgelegt sei. Nach den dazu gegebenen Erklärungen ist von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls vielmehr bewusst abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben werden sollten, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Die Beklagte hat dementsprechend die Klägerin nicht zu einer Niederschlagswassergebühr für das gesamte Jahr 2006, sondern nur für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 herangezogen.
29 
2. Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den sich aus § 14 Abs. 3 KAG ergebenden Anforderungen genügt.
30 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urt. v. 4.7.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540; NK-Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - NVwZ-RR 1996, 593) hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan die Höhe des Gebührensatzes innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation zu beschließen, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze der öffentlichen Einrichtung hervorgehen muss. Da weder § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch § 78 Abs. 2 GemO die Gemeinde verpflichten, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten durch Gebühren anzustreben, hat der Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz im Wege einer Ermessensentscheidung darüber zu befinden, welche gebührenfähigen Kosten in die Gebührenkalkulation eingestellt werden sollen. Außerdem ist ihm bei der Ermittlung der in den Gebührensatz einzustellenden Kostenfaktoren überall dort ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wo sich diese Kosten nicht rein rechnerisch, sondern nur im Wege von Schätzungen oder finanzpolitischen Bewertungen ermitteln lassen. Die Gebührenkalkulation dient somit nicht nur als Kontrollinstrument zur Überprüfung des letztlich beschlossenen Gebührensatzes, sondern auch dem Nachweis dafür, dass der Ortsgesetzgeber als Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Kostenermittlung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Ist dem Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz eine Gebührenkalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies - vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG - die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge.
31 
a) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, der vom Gemeinderat der Beklagten beschlossene Gebührensatz für das Jahr 2006 sei ungültig, da sich die der Beschlussfassung am 17.10.2006 zugrunde liegende Gebührenkalkulation auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe und nicht ersichtlich sei, dass diese Kalkulation auch uneingeschränkt verwertbare Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Dem vermag der Senat auf der Grundlage der ihm zugänglichen Informationen nicht zu folgen.
32 
Der Vorlage zu der Sitzung des Gemeinderats vom 17.10.2006 lag eine von dem Büro ... ... gefertigte Gebührenkalkulation für das "Wirtschaftsjahr 2007" bei. Die Gebührenkalkulation geht von einer im Jahr 2007 zu erwartenden Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ aus. Die "ansatzfähigen Kosten der Abwasserbeseitigung" werden für das gleiche Jahr - ohne die auf die Straßenflächen entfallenden Kosten - mit 17.374.902,03 EUR veranschlagt, von denen 11.794.509,49 EUR der Schmutzwasserbeseitigung und 5.580.392,54 EUR der Niederschlagswasserbeseitigung zugeordnet werden. Die Beklagte ist der Meinung, dass diese Zahlen wegen der hinreichend gleichen abwassertechnischen Verhältnisse nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könnten. Das ist nicht zu beanstanden. Die Prognose einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ auch für das Jahr 2006 steht in Übereinstimmung mit der für das gleiche Jahr vorgenommenen Prognose in der früheren Kalkulation, die der Satzung vom 13.12.2005 zugrunde lag, und bewegt sich im Rahmen der im Wirtschaftsplan des ESP für das Jahr 2006 genannten tatsächlichen Verbrauchsmengen, die in den Jahren 2002 bis 2005 zu verzeichnen waren. Die Prognose ist danach nicht zu bemängeln. Die in der Gebührenkalkulation ferner vorgenommene Kostenschätzung beruht auf einem "Kostenstellenbericht" vom 27.7.2006, der auf der Grundlage der bis dahin bekannten Zahlen eine Zusammenstellung der in der Zeit vom 1.1. bis 31.12.2007 zu erwartenden Kosten enthält. Gegen die Annahme der Beklagten, dass auch diese Schätzung nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könne, bestehen im Hinblick auf diese Grundlage der Schätzung ebenfalls keine Bedenken. Ihre Richtigkeit wird zudem dadurch bestätigt, dass nach der Darstellung der Beklagten die in den Jahren 2006 und 2007 tatsächlich entstandenen Kosten einander nahezu entsprochen haben. Dieser Darstellung ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
33 
b) Die dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegende Gebührenkalkulation ist jedoch deshalb als mangelhaft zu erachten, weil sie keinen Aufschluss über die Höhe der einzelnen Kostenarten gibt, aus denen sich die in die Kalkulation eingestellten Gesamtkosten zusammensetzen.
34 
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen die Gebühren höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen insgesamt ansatzfähigen Kosten (Gesamtkosten) der Einrichtung gedeckt werden. Die Betriebswirtschaftslehre kennt als Unterfall der Kostenrechnung die Kostenartenrechnung, die der systematischen Erfassung aller bei der Leistungserstellung entstehenden Kosten dient. Nach der Art der verbrauchten Produktionsfaktoren wird dabei zwischen Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen, Zinsen, Kosten für Dienstleistungen Dritter sowie Kosten für Steuern, Gebühren und Beiträge unterschieden (Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl., S. 1254 ff). Eine derartige Aufschlüsselung hat auch in der Gebührenkalkulation zu erfolgen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 42).
35 
Die Gebührenkalkulation hat die Aufgabe, die tatsächlichen Grundlagen für die rechtssatzmäßige Festsetzung des Gebührensatzes zur Verfügung zu stellen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss sie für den kundigen, mit dem Sachverhalt vertrauten kommunalen Mandatsträger transparent, verständlich, nachvollziehbar und in sich schlüssig sein (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.2.2004 - 12 A 10826/03.OVG - Juris). Auf eine Aufschlüsselung der in die Kalkulation eingestellten Kosten nach den einzelnen Kostenarten kann danach nicht verzichtet werden. Das hat jedenfalls für die gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 KAG zu den Kosten nach Absatz 1 Satz 1 gehörenden kalkulatorischen Kosten in Form einer angemessenen Verzinsung des Anlagekapitals sowie angemessener Abschreibungen zu gelten, über deren Höhe der Gemeinderat in den mit dem Begriff der Angemessenheit gezogenen rechtlichen Grenzen nach seinem Ermessen zu entscheiden hat.
36 
Dieser Forderung wird mit der dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegenden Gebührenkalkulation nicht genügt. Die in der Kalkulation genannten ansatzfähigen Gesamtkosten ergeben sich aus einer Addition der zuvor unter der Überschrift "eigentlicher Betriebsaufwand" aufgeführten Beträge, die einzelnen "Kostenstellen" der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung zugeordnet werden. Nach den von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen setzen sich diese Beträge aus den verschiedenen Kosten in Form von Personalkosten, Materialkosten, Kapitalkosten etc. zusammen, von denen den einzelnen Kostenstellen jeweils ein bestimmter Anteil zugewiesen wird. Wie diese Beträge sich im Einzelnen errechnen, geht jedoch aus der Kalkulation selbst nicht hervor. Über die Höhe der einzelnen Kostenarten, aus denen sich die angenommenen Gesamtkosten zusammensetzen, gibt die Kalkulation dementsprechend keinen Aufschluss.
37 
3. Ob die Satzung der Beklagten darüber hinaus an weiteren zu ihrer Nichtigkeit führenden Mängeln leidet, bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die von der Beklagten genannte große Zahl weiterer Verfahren, in denen über die Rechtmäßigkeit der Satzung gestritten wird, sowie die Möglichkeit, die aufgezeigten Fehler durch den Erlass einer neuen Gebührensatzung zu beheben, sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden Hinweisen veranlasst:
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat es als zweifelhaft bezeichnet, ob es sich bei den Zinsen, die der Eigenbetrieb aufgrund des ihm von der Beklagten gewährten Trägerdarlehens zu bezahlen hat, um betriebsbedingte Kosten handelt. Diese Bedenken dürften jedenfalls im Grundsatz unbegründet sein.
39 
Die Beklagte hat bei der im Jahre 2004 erfolgten Gründung des Eigenbetriebs Stadtentwässerung beschlossen, den Eigenbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm stattdessen ein - mit 6 % zu verzinsendes - Trägerdarlehen zu gewähren. Dieses Vorgehen dürfte nur bilanztechnische Gründe haben, aber keine Auswirkungen auf die Höhe der ansatzfähigen Gesamtkosten haben. Nach der bereits erwähnten Regelung in § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KAG gehört zu den ansatzfähigen Gesamtkosten die "angemessene Verzinsung des Anlagekapitals", d. h. eine angemessene Verzinsung der um Beiträge, Zuweisungen und Zuschüsse Dritter gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der Abschreibungen (vgl. § 14 Abs. 3 S. 2 KAG). Zinsbasis ist damit das in der Anlage noch gebundene Kapital, ohne dass es darauf ankommt, ob die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit Eigen- oder Fremdmitteln finanziert worden sind. Die Gewährung eines Eigenkapital ersetzenden Trägerdarlehens hat daher nicht, wie die Klägerin argwöhnt, das Produzieren "künstlicher" Kosten zur Folge.
40 
b) In der Gebührenkalkulation werden auf der Grundlage einer zu erwartenden Abwassermenge von jeweils 6,1 Mio. m³ und zu erwartenden Kosten von jeweils 17.374.902 EUR sowohl für das Jahr 2006 als auch für das Jahr 2007 kostendeckende Gebührensätze von 1,93 EUR/m 3 (Schmutzwassergebühr) und 0,99 EUR/m 2 (Niederschlagswassergebühr) errechnet (S.10). Im Hinblick auf das vorgegebene Ziel, dass die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr nicht zu einer Ausweitung des sich aus dem zuvor beschlossenen Gebührensatz ergebenden Gebühreneinnahmenvolumens führen solle, hat der Gemeinderat der Beklagten jedoch um 0,07 EUR/m 3 bzw. 0,07 EUR/m 2 niedrigere Gebührensätze beschlossen und damit - sowohl für 2006 als auch für 2007 - eine Unterdeckung von jeweils 782.900 EUR in Kauf genommen.
41 
Diese Entscheidung ist für sich genommen nicht zu beanstanden, da sich - wie bereits angesprochen - weder aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch aus § 78 Abs. 2 GemO eine Verpflichtung der Gemeinde ergibt, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten anzustreben. Nach Ziff. 2 des Beschlussvorschlags in der Sitzungsvorlage hatte der Gemeinderat der Beklagten jedoch die Vorstellung, dass die einkalkulierte Unterdeckung "mit künftigen Überdeckungen zu verrechnen oder in (künftige) Gebührenkalkulationen einzustellen sein" werde, d.h. in den folgenden Jahren ausgeglichen werden könne und auch tatsächlich ausgeglichen werden solle. Diese Vorstellung ist irrig, da Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat, in den Folgejahren nicht ausgeglichen werden können.
42 
Nach dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit dürfen die Gebührenpflichtigen nur mit Kosten belastet werden, die den Nutzungen der jeweiligen Rechnungsperiode entsprechen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 92 ff). § 14 Abs. 2 S. 2 KAG enthält eine Durchbrechung dieses Grundsatzes. In Fällen, in denen am Ende eines Kalkulationszeitraums das Gebührenaufkommen hinter den ansatzfähigen Gesamtkosten zurückbleibt, ist es den Gemeinden danach gestattet, die auf diese Weise entstandene Kostenunterdeckung innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen. Diesem Recht steht die sich ebenfalls aus § 14 Abs. 2 S. 2 Halbsatz KAG ergebende Verpflichtung gegenüber, Kostenüberdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums auszugleichen. Die Regelung berücksichtigt, dass die tatsächlichen Kosten, Erlöse und Mengen von den prognostisch ermittelten und der Kalkulation zugrunde gelegten Werten abweichen können und in aller Regel auch tatsächlich abweichen. § 14 Abs. 2 S. 2 KAG soll deshalb gewährleisten, dass das zunächst auf den jeweiligen Kalkulations- oder Bemessungszeitraum begrenzte Kostendeckungsprinzip auf mittlere Frist gesehen tatsächlich realisiert wird bzw. - soweit es um den Ausgleich von Kostenunterdeckungen geht - realisiert werden kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.2008 - 2 S 2559/05 - VBlBW 2008, 350). Ausgeglichen werden können danach aber nur Kostenunterdeckungen, die sich erst am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, nicht aber Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Quaas, NVwZ 2007, 757; Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 104)
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
44 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
45 
Beschluss
46 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 849,86 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
47 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrollklage gegen die Rechtswirksamkeit der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Abwasserbeiträgen vom 17.12.2002 in der Fassung der Änderungssatzung vom 17.2.2004 (in Kraft seit 14.3.2004).
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks im Gebiet der Antragsgegnerin. Sie wurde von dieser mit Bescheid vom 23.4.2004 zu einem Abwasserbeitrag herangezogen. Über die dagegen erhobenen Klage ist noch nicht entschieden.
Am 3.12.2004 hat die Antragstellerin gegen die genannte Satzung einen Normenkontrollantrag gestellt, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen vorträgt:
Die Satzung über die Erhebung von Abwasserbeiträgen vom 17.12.2002 (jetzt in der Fassung der Änderungssatzung vom 14.3.2004) sei unwirksam. Sie enthalte einen Beitragssatz, der doppelt so hoch sei wie der der Vorgängersatzung. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung der Betroffenen gegenüber solchen Eigentümern, die auf der früheren Grundlage veranlagt worden seien. Die der Satzung zu Grunde gelegte Globalberechnung sei schon deshalb zu beanstanden, weil die Satzung im Dezember 2002 beschlossen worden sei, die Globalberechnung aber den Sachstand in diesem Zeitpunkt nicht berücksichtige, da sie längere Zeit zuvor erstellt worden sei. Das in ihr ausgewiesene Anlagevermögen sei nicht nachvollziehbar dargelegt. Ob der Wert dieses Vermögens auf der Grundlage des Nominalwerts im Zeitpunkt der Herstellung oder auf anderer Grundlage ermittelt sei, werde nicht erkennbar. Besonders das im Klärbereich ausgewiesene Anlagevermögen umfasse Kosten, die nicht hätten berücksichtigt werden dürfen, wie etwa solche für Verwaltung und ein Kraftfahrzeug. Auch fehle ein Nachweis dazu, welche Anlagen bzw. Anlagenteile bei Erstellen der Globalberechnung noch im Bau gewesen seien. Die Zuschüsse seien nur pauschal und ohne die erforderliche Aufgliederung ausgewiesen, ebenso die Grundlagen für die Schätzung der künftigen Zuschüsse. Künftig entstehende Kosten seien angesetzt, obgleich sie in Wirklichkeit tatsächlich schon angefallen seien und beim bestehenden Anlagevermögen hätten eingestellt werden müssen. Die im Rahmen der Globalberechnung vom Gemeinderat geforderte Ermessensbetätigung fehle. Die Kostenzuordnung beim Straßenentwässerungsanteil sei nicht nachzuvollziehen. Unterschiedliche Entwässerungssysteme führten zu unterschiedlichen Ermittlungsmethoden bei der Berechnung des Straßenentwässerungsanteils. Dazu sei aber eine Entscheidung des Gemeinderats erforderlich, an der es hier fehle. Eine Vergleichsberechnung sei nicht erfolgt. Auch der zur Ermittlung des Straßenentwässerungskostenanteils angewendeten „Drei-Kanal-Methode“ sei eine Berechnung, die anhand repräsentativer Straßenzüge zu erstellen sei, nicht beigefügt. Die Globalberechnung enthalte nur den allgemeinen Hinweis auf die Berechnungen anhand von drei Gebieten für Mischwasserkanalisation und zwei Gebieten für Trennsystementwässerung. Die dafür herangezogenen Straßenzüge seien nicht benannt, so dass dem Gemeinderat eine Ermessensausübung nicht möglich gewesen sei.
Auch seien in diese Berechnung nicht alle maßgeblichen Flächen eingestellt worden. So hätten die in dem Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbands vom 11.11.1983 (im Folgenden: FlNPl 1983) ausgewiesenen Flächen ergänzt werden müssen durch die des Entwurfs des Flächennutzungsplans 2001 (FlNPl-E 2001), für den am 17.12.1993 der Aufstellungsbeschluss erfolgt sei und der Vorentwurf vom 30.11.2000 bis 21.12.2000 ausgelegen habe. Insbesondere gehe es um folgende Flächen: Im Lageplan Nr. 1 fehle die Fläche für ein Wohngebiet, das im FlNPl 1983 ausgewiesen sei. Im Lageplan Nr. 2 sei ein im FlNPl 1983 ausgewiesenes großflächiges Gartenhausgebiet nicht erfasst. Auch hätte nach dem FlNPl-E 2001 eine „gemischte Baufläche“ übernommen werden müssen. Im Lageplan Nr. 6 fehle die im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohnfläche. Gleiches gelte für den Lageplan Nr. 9; dort sei zudem auch ein im FlNPl 1983 und im FlNPl-E 2001 ausgewiesenes Gartenhausgebiet nicht aufgenommen. Im Lageplan Nr. 10 fehlten das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Gewerbegebiet und weitere dort ausgewiesene Wohngebiete. Auch das im FlNPl 1983 sowie im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohngebiet „Auf dem Berg“ sei in diesem Lageplan nicht bezeichnet. Der Lageplan Nr. 12 enthalte schließlich das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohngebiet im Bereich des Hohlwegs nicht.
Die Antragstellerin beantragt,
§ 11 der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Abwasserbeiträgen vom 17.12.2002 in der Fassung der Änderungssatzung vom 17.2.2004 für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
10 
Sie macht geltend, die von der Satzung betroffenen Grundstückseigentümer hätten kein schützenswertes Vertrauen darauf, dass die bisher maßgeblichen Beitragssätze unverändert blieben. Der frühe Stichtag für die Erfassung des Anlagevermögens in der Globalberechnung sei aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität erforderlich und auch ohne Auswirkungen auf den Umfang der Kosten, da sowohl das bestehende als auch das künftige Anlagevermögen zu erfassen sei. Eine Auswirkung auf die Höhe des Beitragssatzes habe dies nicht. Wegen des Umfangs der der Ermittlung des Anlagevermögens zu Grunde gelegten Rechnungen verbiete sich deren Aufführung im Einzelnen; auch so sei der Anlagenachweis nachvollziehbar dargelegt. Namentlich seien bei den Verwaltungskosten nicht solche für die „laufende“ Verwaltung eingestellt, sondern nur Einrichtungskosten, zu denen auch das betrieblich erforderliche Kraftfahrzeug gehöre. Die Zuschüsse seien richtig dargestellt. Auch habe der Gemeinderat bei der Festlegung des Straßenentwässerungsanteils Ermessen ausgeübt und für die unterschiedlichen Bereiche auch entsprechende Anteile jeweils festgelegt.
11 
Die Flächenseite der Globalberechnung sei letztlich nicht zu beanstanden. Die im Lageplan Nr. 1 mit dem Antrag als unberücksichtigt gerügten Flächen seien aufgenommen. Die im Lageplan Nr. 2 ursprünglich ausgewiesene Gartenhausfläche sei im FlNPl-E 2001 nicht mehr enthalten; diese Fläche werde ohnehin nicht von der Abwassereinrichtung erfasst. Zutreffend sei allerdings, dass die im Entwurf als gemischte Baufläche ausgewiesene Fläche nicht berücksichtigt sei; es gehe dabei um eine Fläche von 10.785 qm. Die im Lageplan Nr. 6 vermisste Fläche sei aufgenommen, aber als Gewerbegebiet ausgewiesen, was zu einer Mehrfläche von 7.518 qm gegenüber der Globalberechnung führe. Das Gartenhausgebiet im Bereich des Lageplans Nr. 9 werde nicht an die Entwässerungseinrichtung angeschlossen und sei daher zu Recht nicht erfasst; allerdings sei ein dort ausgewiesenes Wohngebiet nicht berücksichtigt, das eine Fläche von 27.288 qm umfasse. Das im Lageplan Nr. 10 nicht aufgeführte Gewerbegebiet Fläche (26.900 qm) sei ebenso wie das Wohngebiet (Fläche 4.517 qm) erst durch den FlNPl-E 2001 hinzugekommen. Gleiches gelte für das Wohngebiet im Lageplan Nr. 11. Dort sei zwar das weitere Wohngebiet „Am Berg“ zeichnerisch nicht richtig dargestellt, es sei aber in die Flächenermittlung der Globalberechnung eingestellt. Der Lageplan Nr. 12 enthalte das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohngebiet im Bereich des Hohlwegs allerdings nicht vollständig. Insoweit bestehe eine Flächendifferenz von 12.110 qm.
12 
Der Unterschied zwischen der Flächenermittlung der Globalberechnung und den jetzt dargestellten Flächen habe indes keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Beitragssatzes, da zum einen der FlNPl-E 2001 zwar beschlossen, aber noch nicht genehmigt sei und es daher ungewiss sei, wann er in Kraft treten könne, und zum anderen sich die bisher nicht erfasste Fläche von 140.422 qm im Vergleich zur Gesamtfläche von annähernd 25 Millionen qm als geringfügig erweise. Dies folge nicht zuletzt aus der Neuregelung des § 2 Abs. 2 KAG n.F., die auch auf die hier in Rede stehende Satzung anzuwenden sei.
13 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten der Antragsgegnerin vor. Auf diese und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Der Antrag ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
15 
Bei der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Abwasserbeiträgen vom 17.12.2002 (in der Fassung der Änderungssatzung vom 14.3.2004 - im Folgenden AbwS 2002 -) handelt es sich um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsnorm, für deren gerichtliche Prüfung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet und die Zuständigkeit des Senats gegeben ist (dazu § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO). Auch die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO festgesetzte Frist ist mit dem am 3.12.2004 gestellten Antrag eingehalten.
16 
Die Antragstellerin hat auch die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geforderte Antragsbefugnis. Mit dem Hinweis auf den Umstand, dass ihr gegenüber auf der Grundlage der genannten Satzung ein Beitragsbescheid ergangen ist, hat sie nachvollziehbar Tatsachen vorgetragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, sie werde durch die zur Prüfung gestellte Rechtsnorm in ihren subjektiven Rechten verletzt (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - 6 BN 1.05 - NVwZ-RR 2006, 36 f.; v. Albedyll in Bader, VwGO, 3. A., § 47 RdNr. 53 f.).
17 
Auch das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, nachdem der Abgabenbescheid angefochten und über die dagegen erhobene Klage noch nicht abschließend entschieden ist (vgl. dazu Ziekow in Soltan/Ziekow, VwGO, 1998, § 47 RdNr. 135a mN. in FN 5; ferner BVerwG, Urteil v. 23.4.2002 - 4 CN 3.01 - ZfBR 2002, 687).
18 
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. § 11 der Abwasserbeitragssatzung ist nicht wegen der mit dem Normenkontrollantrag vorgetragenen Gründe unwirksam. Auf diese Gründe darf sich der Senat bei der gerichtlichen Kontrolle der Rechtsnorm beschränken (zum Prüfungsumfang BVerwG, Beschl. v. 6.12.2000, UPR 2001, 152; aber auch BVerwG, Urteil v. 17.4.2002, BVerwGE 106, 188 = NVwZ 2002, 1123 - „Fingerspitzengefühl“).
19 
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Beitragskalkulation die Grundlage für den Beschluss des Gemeinderats über den Beitragssatz dar. Die dabei erforderlichen Ermessens- und Prognoseentscheidungen stehen nach dieser Rechtsprechung mit der Entscheidung des Gemeinderats über den Beitragssatz in untrennbarem Zusammenhang. Der Ortsgesetzgeber muss sich deshalb bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz die Globalberechnung in einer auch für das Gericht erkennbaren und nachvollziehbaren Weise zu eigen und damit zur Grundlage seines Satzungsbeschlusses machen. Ist nicht erkennbar und damit auch gerichtlich nicht nachprüfbar, ob und mit welcher Maßgabe im Einzelnen der Gemeinderat das ihm eingeräumte Ermessen bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz ausgeübt hat, so führte dies nach bisheriger Rechtsprechung des Senats regelmäßig zur Ungültigkeit der Festsetzung des Beitragssatzes (vgl. zusammenfassend das Urteil des Senats v. 2.10.1986, ESVGH 37, 29; ferner Urteil v. 20.9.1984, BWGZ 1985, 492 und ständig; zur „vermittelnden“ Kritik s. Birk, SächsStG 1998, 310 ff.; ferner Schoch NVwZ 1990, 801 ff., 808). An dieser Rechtsprechung ist mit Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 17.3.2005 (KAG in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005, GBl. S. 206 - KAG 2005 -) nicht mehr uneingeschränkt festzuhalten. Nach dessen § 2 Abs. 2 Satz 1 sind Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze unbeachtlich, wenn sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Satz 2 der Bestimmung, wonach § 4 Abs. 4 der Gemeindeordnung unberührt bleibt, verdeutlicht, dass in Satz 1 - anders als bei § 4 Abs. 4 GemO - materielle Mängel angesprochen sind. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 belegt aber auch, dass die Beschlussfassung über den Abgabensatz vom Gesetz vorausgesetzt wird, also nicht der Mangel des Beschlusses - bis zu seinem völligen Fehlen - sondern lediglich derjenige b e i der Beschlussfassung angesprochen ist. Der Beschluss zur Kalkulation des Gebührensatzes ist daher ebenso gefordert wie der zur „Globalberechnung“ des Beitragssatzes (zur Maßgeblichkeit des Beschlusses auch auf der Grundlage des allgemeinen Gemeinderechts vgl. Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 1997, § 8 RdNr. 675). Dies verdeutlicht auch die Begründung des Gesetzes, wonach ein wesentlicher Mangel nach der o.a. Rechtsprechung immer dann vorliege, wenn die Kalkulation nicht ansatzfähige Kosten enthalte. Auf die Höhe dieser Kosten - so LT-Drs. 13/3966, Begründung zu § 2 S. 41 - und auf die Auswirkungen auf den Abgabensatz komme es nicht an. In der Regel hätten solche „Kostenüberdeckungen“ keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf die Höhe des Abgabensatzes. Künftig sollten deshalb Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze unbeachtlich sein, die nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Geringfügig dürfe eine Kostenüberdeckung in diesem Sinne sein, wenn das prognostizierte Abgabenaufkommen die prognostizierten ansatzfähigen Kosten um nicht mehr als 5 Prozent übersteige. Auch der Gesetzgeber geht daher davon aus, dass die Beschlussfassung über den Abgabensatz nach wie vor gefordert ist.
20 
Auf einen in diesem Sinne beachtlichen Mangel bei der Beschlussfassung weist der Einwand der Normenkontrolle nicht hin, die frühere Abwasserbeitragssatzung der Antragsgegnerin habe einen geringeren Beitragssatz festgesetzt. Namentlich rechtfertigt er nicht die geltend gemachte Annahme, die auf der Grundlage der jetzt maßgeblichen Satzung erfolgte Heranziehung von Grundstückseigentümern verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn die Heranziehung erfolgt auf jeweils eigenständig berechneten Beitragssätzen und eigenständiger Satzungsgrundlage, denen schon die für die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes vorausgesetzte Vergleichbarkeit fehlt. Auch ist ein Vertrauen der jetzt betroffenen Grundstückseigentümer auf Beibehaltung eines bisher niedrigeren Beitragssatzes nicht schützenswert (dazu BayVGH, Beschl. v. 19.1.1998, NVwZ-RR 1999, 194), zumal die Vorgängersatzung unwirksam gewesen ist, weil ihr - unstreitig - eine Globalberechnung nicht zu Grunde gelegen hat.
21 
Der mit dem Antrag geltend gemachte Mangel an Klarheit und Transparenz der Globalberechnung wegen des Fehlens von Rechnungen zur Erfassung des Anlagevermögens ist nicht festzustellen. Die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit ergeben sich aus dem Zweck der Globalberechnung als Nachweis dafür, dass der Gemeinderat das ihm obliegende Ermessen ordnungsgemäß betätigt und ihm aufgegebene Schätzungen vorgenommen hat. Die Forderung, dazu müssten ihm auch die Einzelrechnungen des Anlagevermögens unterbreitet sein, wird davon nicht erfasst (vgl. im Einzelnen Scholz in Scholz/Sammet/Gössl, Recht und Praxis der Globalberechnung in Bad.-Württ., 1988, S. 22 m.w.N.). Berücksichtigt man die Vielschichtigkeit der Erfassung des Anlagevermögens, der erforderlichen Fortschreibung, Bewertung unter Einbeziehung von Abzugskapitalien u.ä., werden unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität die Nachvollziehbarkeit und eine Prüfungsmöglichkeit durch den Gemeinderat dadurch sichergestellt, dass dem einzelnen Gemeinderat auf Verlangen die über das Anlagevermögen gefertigten Unterlagen zugänglich gemacht werden und zu ihnen Auskunft gegeben wird (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil v. 14.12.1987, EKBW GemO § 34 E 7; ferner OVG MV, Urteil v. 2.6.2004 - 4 K 38/02 - juris - LSe DVBl. 2005, 64). Dass dem Gemeinderat ein solches Recht vorenthalten worden sein könnte, ist nicht erkennbar.
22 
Ohne Auswirkungen auf die Höhe des Beitrags bleibt der Umstand, dass das Anlagevermögen mit dem Ermittlungsstand 31.12.2001 eingestellt, die Globalberechnung im März 2002 (erst) erstellt und der Satzungsbeschluss am 17.12.2002 gefasst worden ist. Da auch das künftige Anlagevermögen in der Globalberechnung zu berücksichtigen ist (und auch hier eingestellt ist, s. etwa S. 15 ff. der Globalberechnung), es daher bei den Gesamtkosten einfließt, ist auszuschließen, dass Anlagevermögen bei den unterschiedlichen Sachständen dem Grunde nach unberücksichtigt bleibt. Dass insoweit Zinsansätze, die - so die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung - vor der endgültigen Herstellung des Anlagegegenstands nicht eingestellt werden, möglicherweise unberücksichtigt geblieben sein könnten, wäre in diesem Zusammenhang ohne weitergehende Auswirkungen auf den Beitragssatz und für den Beitragsschuldner im Übrigen auch nicht belastend.
23 
Die veranschlagten Kosten sind auch auf der Grundlage des Nominalwerts dargestellt, wie die Globalberechnung verdeutlicht (dazu die Erläuterungen zur Globalberechnung S. 2 unter Nr. 3). Dies entspricht der gesetzlichen Vorgabe in § 10 KAG a.F. (zum Erfordernis des nominellen Kostenbegriffs vgl. Senat, Urteil v. 17.11.1988 - 2 S 1324/86 - VBlBW 1989, 65). Nachvollziehbar dargelegt ist entgegen dem Antragsvorbringen auch die Schätzung künftiger Zuschüsse (dazu Teil C Anl. 4, S. 23 der Globalberechnung). Mit dem allgemeinen Hinweis, sie seien lediglich „pauschal“ ausgewiesen und es fehle die Angabe einer Grundlage für die zukünftigen Zuschüsse, wird die Nachvollziehbarkeit des Ansatzes nicht in Zweifel gezogen. Geht es um Schätzungen für die Zukunft, ist deren „Ungewissheit“ in Betracht zu ziehen und auch zu berücksichtigen, dass die Gemeinde hierbei einen gewissen Beurteilungsspielraum besitzt, der den lediglich pauschalen Ansatz rechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil v. 14.5.1990 - 2 S 1372/88 - BWGZ 1990, 655 = VBlBW 1991, 62) sind künftig zu erwartende Zuschüsse von den künftigen Investitionen abzusetzen. Darzulegen ist dabei auch, wenn Zuschüsse nicht mehr erwartet werden. Diesen Anforderungen entspricht die Globalberechnung. So werden bestehende und künftige Zuschüsse ausdrücklich ausgewiesen, letztere allerdings nur für den Bereich der Regenüberlaufbecken erwartet und auch betragsmäßig eingestellt, weil für den Entwässerungsbereich im Übrigen Zuschüsse nicht in Aussicht seien. Damit ist eine nachvollziehbare Übersicht über die Zuschüsse gegeben. Eine nähere Begründung der Höhe und des Grundes für die in die Globalberechnung eingestellten Zuschüsse ist nicht zu fordern (Senat, Urteil v. 15.11.1990 - 2 S 3022/89 - n.v.).
24 
Entgegen der mit dem Normenkontrollantrag geäußerten Ansicht ist auch die Festlegung des Straßenentwässerungskostenanteils nicht zu beanstanden. Weder fehlt es an der erforderlichen Ermessensbetätigung des Gemeinderats noch ist eine Vergleichsberechnung mit Blick auf die Entscheidung zur Ermittlung nach der sog. Zwei- oder der sog. Dreikanalmethode gefordert. Nicht zutreffend ist auch der Einwand, der angewendeten Drei-Kanal-Methode sei eine Berechnung nicht beigefügt, die anhand repräsentativer Straßenzüge zu ermitteln gewesen sei; mangels der Benennung der Straßenzüge sei auch eine sachgerechte Ermessensausübung nicht möglich gewesen.
25 
Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG a.F. bleibt bei den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Teilaufwand außer Betracht, der auf den Anschluss von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen entfällt (schon KAG 78 wie auch bereits KAG 64 forderten die Absetzung dieser Kosten: Senat, Urteil vom 14.5.1990 - 2 S 1372/88 - a.a.O.). Die Bestimmung steht im Zusammenhang mit § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, der allerdings nur Kosten solcher Einrichtungen erfasst, die dem Sammeln und Ab- bzw. Fortleiten des auf den Straßen anfallenden Niederschlagswassers dienen (nicht also deren Reinigung; vgl. BVerwG, Urteil v. 18.4.1986, BWGZ 1986. 396). Dementsprechend muss in einer Globalberechnung ein Straßenentwässerungsanteil auch bei der Reinigung von Abwässern berücksichtigt werden. Der auf die Straßenentwässerung entfallende Kostenanteil ist mangels genauer Ermittlung dabei zu schätzen. Schätzungsgrundlage hierfür sind entsprechende Vergleichsberechnungen, die auf einer sachgerechten Annahme beruhen. Einer konkreten Ermittlung des Straßenentwässerungskostenanteils bedarf es dann nicht, wenn dieser anhand gesicherter Erfahrungswerte geschätzt werden kann (so bereits Senat, Urteil vom 15.9.1988 - 2 S 1671/87 - u. st.).
26 
Sind - wie hier - unterschiedliche Entwässerungssysteme (Trenn- und Mischsystem) vorhanden, hat die Kostenzuordnung regelmäßig getrennt zu erfolgen. Dem wird die Globalberechnung hier gerecht. Dort wird ausdrücklich auf die unterschiedlichen Entwässerungssysteme abgestellt (Globalberechnung S. 4). Ob er sich für die Kostenzuordnung nach der Zwei- oder nach der Dreikanalmethode entscheidet, steht im Ermessen des Gemeinderats; eine Alternativberechnung ist hierfür nicht gefordert (so Beschluss des Senats vom 21.5.1990 - 2 S 3285/89 -). Ausreichend wäre auch ein Rückgriff auf eine allgemein anerkannte Schätzung (dazu Senat, Urteil v. 22.11.1990 - 2 S 696/89 - BWGZ 1991, 215). Auch auf das Auswahlermessen, das dem Gemeinderat bei der Entscheidung über die Berechnungsmethode zusteht, wird in der Globalberechnung hingewiesen (Globalberechnung a.a.O. und S. 10).
27 
Dass der angewendeten Drei-Kanal-Methode eine Berechnung anhand repräsentativer Straßenzüge (vgl. dazu Scholz a.a.O. S. 55; ferner Gössl, Abwasserbeitrag und Wasserversorgungsbeitrag nach dem KAG, 1994, S. 37) nicht beigefügt gewesen sei, ist nicht zutreffend. Zwar wird in der Globalberechnung selbst (lediglich) dargelegt, dass nach dem Drei-Kanal-Modell eine Berechnung des Straßenentwässerungskostenanteils anhand von drei Gebieten für die Mischwasserkanalisation und anhand von zwei Gebieten für den Regenwasserkanal des Trennsystems durchgeführt worden sei. Indes wird in der Beschlussvorlage vom 28.10.2002 auf eine „vorhandene“ Berechnung nach der Drei-Kanal-Modellberechnung abgestellt. Damit wird ersichtlich auf die Modellberechnung des Ingenieurbüros, das auch die Globalberechnung erstellt hat, Bezug genommen. Diese im Juli 2000 durchgeführte Berechnung weist namentlich fünf Gebiete aus, drei als Grundlage für das im Gebiet der Antragsgegnerin vorhandene Mischsystem, zwei für das weiter vorhandene Trennsystem. Sie sind „repräsentativ“, weil mit der Berechnung sowohl dem jeweiligen Gebietscharakter eines „innerörtlichen Kerngebiets mit verdichteter Bebauung“ und dem eines “Wohngebiets“ als auch dem eines „Gewerbegebiets“ Rechnung getragen wird.
28 
Mängel ergeben sich allerdings aus der Flächenermittlung der Globalberechnung, wie mit dem Antrag hervorgehoben wird. Die Antragsgegnerin räumt ein, dass die mit dem Antrag aufgezeigten Flächen teilweise nicht eingestellt und daher unberücksichtigt geblieben sind (zur Größenordnung noch unten).
29 
Die mit dem Antrag angeführten Flächen, die in die Globalberechnung nicht eingestellt sind, sind weitgehend solche, die im o.a. Entwurf des Flächennutzungsplans - FlNPl-E 2001 - ausgewiesen sind. Ob sie als lediglich im Entwurf eines solchen Plans ausgewiesene Flächen überhaupt bei der Beitragskalkulation zu berücksichtigen sind, ist zwischen den Beteiligten streitig und hängt von der Frage ab, welche Reichweite einer „Entwurfsplanung“ im Rahmen der Globalberechnung zukommt. Der Entwurf eines Flächennutzungsplans entfaltet keine dem Flächennutzungsplan selbst zukommende Wirkung (vgl. dazu Löhr in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl., § 5 RdNrn 1 ff., m.w.N.). Jener wird erst wirksam mit der Bekanntgabe seiner Genehmigung (§ 6 Abs. 5 Satz 2 BauGB), die hier noch nicht erteilt ist. Für die Globalberechnung ist der Stand der Entwurfsplanung jedoch von Bedeutung, wenn er im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gemeinderats über den Beitragssatz die Aussage erlaubt, die betroffenen Flächen seien - einer verbindlichen Planungsabsicht der Gemeinde entsprechend - im Zeitraum der Globalberechnung an die öffentliche Einrichtung anzuschließen. Dies ist hier der Fall. Der genannte Entwurf geht auf einen Beschluss des Gemeinderats zurück und verdeutlicht damit die von der Gemeinde geäußerte planerische Absicht zur künftigen, einen Anschluss fordernden Entwicklung des betroffenen Gemeindegebiets. Mit dieser Zweckrichtung war der Entwurf deshalb auch in der Globalberechnung zu berücksichtigen, ungeachtet dessen, dass der Flächennutzungsplan noch nicht genehmigt ist, außerdem fraglich ist, ob er „so“ auch genehmigt werden kann, und auch ungeachtet des jetzt vorgetragenen Umstands, dass die im Entwurf enthaltene Planung bereits wieder nach den neueren, allerdings nicht planungsgemäß festgelegten Vorstellungen der Gemeinde Änderungen erfahren soll. Letzterem dürfte ohnehin durch eine Änderung des Entwurfs oder eine Neuplanung - möglicherweise auch verbunden mit einer neuen Beitragskalkulation - Rechnung zu tragen sein. Auch der Planungszeitraum für Flächennutzungsplanentwurf und Globalberechnung ist hier weitgehend deckungsgleich. Demnach ist hinsichtlich solcher Teilflächen, die im Entwurf des Flächennutzungsplans ausgewiesen, in der Globalberechnung jedoch nicht eingestellt sind, davon auszugehen, dass die Flächenseite der Globalberechnung insoweit unvollständig und daher fehlerhaft ist.
30 
Nach dem Antragsvorbringen und den unwidersprochen gebliebenen - und auch nach den vorliegenden Plänen nachvollziehbaren - Angaben der Antragsgegnerin geht es um die nachfolgenden Nutzungsflächen.
31 
Im Lageplan Nr. 1 (Karte Nr. 4) wird das Fehlen von Flächen für ein Wohngebiet gerügt, das sowohl im FlNPl 83 als auch im FlNPl-E 2001 vorgesehen sei. Dies ist zwar zutreffend, diese Flächen erscheinen indes in der Flächenliste der Globalberechnung (S. 50) unter den Nrn. 429 bis 438 und sind daher in die Berechnung eingegangen.
32 
Im Lageplan Nr. 2 (Karte Nr. 2 und Nr. 5) fehlt zwar ein im FlNPl 83 ausgewiesenes großflächiges Gartenhausgebiet. Dies ist indes deshalb nicht zu beanstanden, weil eine Entwässerung des Gartenhausgebiets über die Entwässerungseinrichtungen der Antragsgegnerin nicht vorgesehen ist. Entsprechend ist dieses Gebiet auch nicht mehr im FlNPl-E 2001 vorgesehen, wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorträgt. Allerdings fehlt auch nach deren Angabe die Übernahme einer „gemischten Baufläche“ aus dem genannten Entwurf mit einer Nutzungsfläche von 10.785 qm.
33 
Dass im Lageplan Nr. 6 (Karten Nr. 7/8) die im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohnfläche fehlt, ist gleichfalls unschädlich. Diese Fläche ist als Gewerbefläche (Globalberechnung S. 78 unter DW 512) aufgenommen - entsprechend der planerischen Absicht der Antragsgegnerin. Ein Ermittlungsfehler lässt sich demnach nicht feststellen. Dies gilt auch mit Blick auf den Hinweis im Antrag, im Lageplan Nr. 9 (Karte: Anlage 4) fehle ein im FlNPl ausgewiesenes Gartenhausgebiet. Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass auch dieses Gartenhausgebiet nicht an die öffentliche Einrichtung angeschlossen wird und deshalb auch nicht in der Globalberechnung zu berücksichtigen war. Allerdings ist das gleichfalls dort ausgewiesene Wohngebiet nicht eingestellt, das eine Nutzungsfläche von 27.288 qm aufweist.
34 
Bestätigt findet sich die Annahme, im Lageplan Nr. 10 (Karte: Anlage 8) fehlten das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Gewerbegebiet und die mit dem Antrag angeführten beiden Wohngebiete. Auch sei das im FlNPl 1983 sowie im FlNPl-E ausgewiesene Wohngebiet „Auf dem Berg“ in diesem Lageplan nicht bezeichnet. Diesem Gewerbegebiet ist eine Nutzungsfläche von 26.900 qm zuzuordnen, den beiden Wohngebieten (4.517 qm und 26.380 qm) eine solche von insgesamt 30.897 qm.
35 
Das mit dem Antrag angeführte Wohngebiet „Auf dem Berg“ (Lageplan 11; Karte Anlage 9) ist zwar zeichnerisch nicht zutreffend erfasst, jedoch in der Flächenzusammenstellung der Globalberechnung berücksichtigt (dort S. 97, WÜ 96 bis 99).
36 
Schließlich trifft auch die Rüge teilweise zu, der Lageplan Nr. 12 enthalte das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohngebiet im Bereich des Hohlwegs nicht. In der Globalberechnung eingestellt ist dafür zwar eine Nutzungsfläche von 11.265 qm (S. 90, HW 72). Indes ist die weitere Nutzungsfläche von 12.110 qm unberücksichtigt geblieben, wie die Antragsgegnerin einräumt.
37 
Dass die Flächenermittlung wegen der fehlerhaft nicht berücksichtigten Nutzungsflächen dennoch nicht zu beanstanden sei, weil es unwahrscheinlich sei, dass ein Anschluss der im FlNPl-E 2001 ausgewiesen Bauflächen an die öffentliche Einrichtung auch innerhalb des Zeitraums bis 2014 uneingeschränkt erfolgen könne, ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht zutreffend. Denn die für die Globalberechnung maßgeblichen Flächen sind - wie dargelegt - die als anzuschließend geplanten, und zwar im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Beitragssatz. Daher bleibt auch der Einwand der Antragsgegnerin unbeachtlich, „zwischenzeitlich“ seien die Planungen für das Gewerbegebiet im Lageplan 10 (Karte Anlage 8) so weit fortgeschritten, dass es um 50 % reduziert werden könne. Mit Blick auf dieses Gewerbegebiet ist dementsprechend die Angabe der Antragsgegnerin zur Nutzungsfläche um die für dieses Gebiet angesetzte zu verdoppeln. Einzustellen in den „Fehlbetrag“ sind daher weitere 26.900 qm Nutzfläche. Festzuhalten ist somit nach allem, dass Nutzungsflächen in einer Größe von 134.880 qm fehlerhaft nicht berücksichtigt worden sind.
38 
Indes führt dieser Fehler der Globalberechnung nicht zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes. Denn er ist nach o.a. Bestimmung in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 als Mangel bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz unbeachtlich. Er führt - wenn überhaupt - allenfalls zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung.
39 
Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 ist im vorliegenden Verfahren anzuwenden. Denn nach § 49 Abs. 1 Satz 1 KAG 2005 gilt sie auch für Abgabensätze, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes beschlossen worden sind. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese gesetzliche Regelung bestehen nicht.
40 
Eine gesetzliche Regelung über die Rechtsfolge von (materiell-rechtlichen) Fehlern bei Rechtsnormen muss nicht regelmäßig in die Feststellung der Nichtigkeit derart fehlerhafter Normen münden.
41 
Die Verfassung enthält keine ausdrückliche Aussage zur zwingenden Nichtigkeit rechtswidriger Normen; als Folge anderer verfassungsrechtlicher Grundsätze - etwa der Gesetzesbindung der Richter oder des Rechtsstaatsprinzips - ist sie nicht gefordert. Sie ist auch kein Gebot der Logik (vgl. dazu Peine, NVwZ 1989, 637, 639; ferner Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O. Vorb. §§ 214-216, RdNr. 8: Berechtigung des Gesetzgebers zur Beschränkung des Nichtigkeitsdogmas bei städtebaulichen Satzungen; ferner Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 47, RdNrn. 127 ff., 129; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, 2001, § 214 RdNr. 146 - jeweils m.w.N.; allg. zum Nichtigkeitsdogma Sendler, DVBl. 2005, 659 ff.). Sie unterliegt daher als Fehlerfolge der gesetzgeberischen Entscheidung (vgl. auch BVerwG, Urteil v. 29.9.2004, DVBl. 2005, 255), die allerdings ihrerseits verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen muss. Ihnen widerspricht es nicht, wenn der Gesetzgeber nicht die Rechtswidrigkeit der fehlerhaften Norm beseitigt, sondern an diese Rechtswidrigkeit anknüpfend deren Folgen einschränkend regelt. Dabei ist auch die Beschränkung der richterlichen Kontrollbefugnis durch diese gesetzgeberische Regelung im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG als verfassungsrechtlich unbedenklich zu beurteilen (so für die vergleichbare Bestimmung in § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB bzw. § 115a BBauG BVerwG, Urteil v. 21.8.1981, BVerwGE 64, 33, 36 ff.). Die Bestimmung in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 mit der angeordneten Unbeachtlichkeitsfolge ist daher zulässig. Sie ist namentlich auch nicht mit Blick auf den (auch verfassungsrechtlich begründeten) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beanstanden, da sie sich auf die Unbeachtlichkeit lediglich „geringfügiger“ Kostenüberdeckungen beschränkt.
42 
Allerdings besitzt diese Fehlerfolgenregelung auch Rückwirkung, da § 49 Abs. 1 KAG 2005 die Anwendung von § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 auch auf Abgabensätze erstreckt, die vor In-Krafttreten dieser Bestimmung beschlossen worden sind.
43 
Die Tragweite dieser Regelung beschränkt sich - allgemeinen Grundsätzen über die Satzungsgeltung folgend - auf die Abgabensätze, die in jetzt noch geltenden Satzungen enthalten sind. Frühere Satzungen, die ihrerseits durch Änderungssatzungen nach dem Grundsatz „lex posterior derogat legi priori “ regelmäßig außer Kraft treten, werden von § 49 Abs. 1 KAG 2005 nicht erfasst. Auch ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Satzungsgeber eine Vorgängersatzung aufgehoben wissen will, wenn er eine frühere Satzung ersetzt oder eine neue Satzung beschließt (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil v. 10.8.1990 - 4 C 3.90 - NVwZ 1991, 673). Die danach noch „verbleibende“ Rückwirkung des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 auf Beschlüsse über Abgabensätze, die zwar vor In-Kraft-Treten des KAG 2005 (grundsätzlich) am 31.3.2005 (dazu Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des o.a. Gesetzes) gefasst worden sind, aber jetzt noch gelten, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
44 
Mit Blick auf das für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Rückwirkung von Gesetzen maßgebliche, aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Rechtsstaatsprinzip (dazu Herzog in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VII RdNr. 65) bedarf die Anordnung von Rechtsfolgen für die Vergangenheit besonderer Rechtfertigung (dazu BVerfGE 97, 67 f., m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte Rückwirkung) vor allem an den rechtsstaatlichen Grundsätzen, namentlich an Vertrauensschutz und Rechtssicherheit, zu messen (vgl. etwa BVerfGE 72, 200, 242 f.; 78, 249, 284 f. und st.), während die tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) weniger strengen Beschränkungen als die Rückbewirkung unterliegt und vorrangig an den Grundrechten zu messen ist (vgl. BVerfGE 83, 89, 109 f.; 97, 67, 79 ff. m. Anm. Rensmann JZ 1999, 168). Um Letztere geht es hier, da die Norm den Eintritt ihrer Rechtsfolge von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht und auf in der Vergangenheit begründete, auf Dauer angelegte und noch nicht abgeschlossene - bereits vor der Verkündung der Rechtsnorm „ins Werk gesetzte“ - Sachverhalte und Rechtsbeziehungen einwirkt (vgl. dazu etwa BVerfGE 72, 200, 241 f.; BVerfGE 79, 29, 45 f.). Durch die „Unbeachtlichkeitsfolge“ wird auch die Erwartung, die bisherige richterliche Kontrollbefugnis mit der Folge der „Nichtigkeitsfeststellung“ bleibe bestehen, enttäuscht.
45 
In Blick zu nehmen ist dabei namentlich der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, der mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang zu bringen ist (vgl. BVerfGE 92, 277, 344). Die dabei aufgeworfene Frage nach der Tragweite des Schutzes dieses Vertrauens ist daher zugleich auch eine solche nach der Verhältnismäßigkeit des rückwirkenden Grundrechtseingriffs (BVerfGE 95, 64, 86). Im Unterschied zur echten Rückwirkung ist bei der Rückanknüpfung das den rückwirkenden Eingriff rechtfertigende öffentliche Interesse nicht auf „zwingende Gründe des Gemeinwohls“ beschränkt, sondern umfasst jeden legitimen öffentlichen Zweck. Ist dieser gegeben, ist die Rückanknüpfung „grundsätzlich zulässig“ (so BVerfGE 95, 64, 86; 97, 271, 289); sie ist es auch dann, wenn das genannte Interesse das schutzwürdige Vertrauen des Betroffenen überwiegt (so etwa BVerfGE 88, 384, 406).
46 
Dass mit der Rückwirkungsanordnung - und nur sie ist Gegenstand der Betrachtung - ein legitimer Zweck verfolgt wird, erhellt die Gesetzesbegründung nicht, die zu § 49 Abs. 1 KAG 2005 lediglich den Normwortlaut wiedergibt (dazu LT-Drs. 13/3966, S. 65). Erkennbar wird aber der Zweck, bisher beschlossenes Satzungsrecht zu erhalten, und zwar in den Grenzen, wie sie in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 vorgegeben sind. Damit wird rückwirkend nicht auf den Rechtsschutz des Bürgers eingewirkt, sondern dessen Erfolg an (einschränkenden) materiell-rechtlichen Vorgaben ausgerichtet. Das Vertrauen darauf, auch bei schon vor In-Kraft-treten der rückwirkenden Norm ergangenen Satzungen die Nichtigkeitsfolge durch ein Rechtsmittel erreichen zu können, ist dem Grunde nach nicht schutzwürdig. Denn die Nichtigkeit tritt nicht auf Grund des gerichtlichen Ausspruchs ein, sondern ist allein Folge des materiellen Rechts (vgl. dazu Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. A., § 38 RdNr. 48). Dieses Vertrauen überwiegt daher auch dann nicht das öffentliche Interesse an einem „Satzungserhalt“ durch Rückanknüpfung, wenn das Rechtsschutzverfahren - wie hier - schon eingeleitet ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Verfahrensordnung eine dem Interesse des Betroffenen entsprechende, zumutbare „Lösung“ anbietet, wie etwa die Möglichkeit, als Folge der Rechtsänderung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären (vgl. § 161 Abs. 2 VwGO). Sie ist auch im Verfahren der Normenkontrolle (§ 47 VwGO) eröffnet (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 14. A. § 161 RdNr. 8 m.w.N.). Nach Auffassung des Senats ergibt die hier gebotene Abwägung ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an dem Aufrechterhalten von Satzungsbeschlüssen, die zwar vor In-Kraft-Treten des Gesetzes ergangen, gegenwärtig aber noch wirksam sind, gegenüber der Erwartung des Betroffenen, auch künftig unter allen Umständen die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit einer für fehlerhaft erachteten Abgabensatzung zu erlangen. Dass - unabhängig davon - sich das Vertrauen auch mit Blick auf die seit Jahren geführte Diskussion über die o.a. satzungsrechtlichen Fehlerfolgen verringert haben muss, wie dies in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden ist, dürfte zudem die Bedeutung der Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens mindern.
47 
Nach dem Wortlaut des danach auch im vorliegenden Fall maßgeblichen § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 soll ein solcher Mangel dann nicht zur Unwirksamkeit der satzungsrechtlichen Bestimmung über den Beitragssatz führen, wenn er zu einer nur geringfügigen Kostenüberdeckung führt. Offen kann im vorliegenden Fall bleiben, ob das Gesetz damit lediglich solche - wie dargelegt - materiellen Mängel erfasst, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über den Beitragssatz stehen, oder auch Mängel einschließt, die - wie etwa ein solcher bei der satzungsrechtlichen Bestimmung der dem Beitrag zu Grunde gelegten Einrichtung - nicht unmittelbar dieser Beschlussfassung zuzuordnen sind, sondern sich nur mittelbar auf den Beitragssatz auswirken (vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 29.9.2004, a.a.O.: Verstoß gegen Bestimmung des landesrechtlichen Einrichtungsbegriffs führt zu einem beachtlichen Rechtsfehler, dem nicht mit dem Einwand begegnet werden kann, der Beitrag sei unerheblich höher; ferner BVerwG, Urteil v. 17.4.2002, BVerwGE 116, 188: die „Ergebnis-Rechtsprechung“ gelte nur für den Bereich der Kostenkalkulation, nicht für sonstige Rechtsvorschriften der Beitragssatzung). Denn die hier in Rede stehende Fehlerhaftigkeit der Flächenermittlung ist jedenfalls unmittelbar dem Rechenvorgang über den Abgabensatz und damit der Beschlussfassung über den Beitragssatz zuzuordnen und damit ein „Mangel“ im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005.
48 
Dieser Mangel ist aber aus Rechtsgründen unbeachtlich, da er - wenn überhaupt - allenfalls zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führt. Mit dem Abstellen auf die Kostenüberdeckung gibt das Gesetz vor, dass es für deren Bestimmung auf den Vergleich der ordnungsgemäß zu kalkulierenden Kostenobergrenze mit der tatsächlich kalkulierten Kostenobergrenze ankommt (vgl. zur Differenzbetrachtung auch Birk, Die Unbeachtlichkeit von Fehlerfolgen in Abgabenkalkulationen, demn. in Heft 4 VBlBW 2006, 138 ff.). Wie für das „Verbot der Kostenüberdeckung (Kostendeckungsgrundsatz)“ ist daher darauf abzustellen, in welchem Umfang das Beitrags-(Abgaben)aufkommen die beitrags-(ansatzfähigen)fähigen Herstellungskosten übersteigt (vgl. Scholz, a.a.O., S. 9, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies kommt auch in der o.a. Gesetzesbegründung zum Ausdruck, wonach als geringfügig eine Kostenüberdeckung in diesem Sinne anzusehen sei, wenn das prognostizierte Abgabenaufkommen die prognostizierten ansatzfähigen Kosten um nicht mehr als 5 Prozent übersteige (LT-Drs. 13/3966, S. 42). Sind Mängel bei der Beschlussfassung über den Abgabensatz - namentlich solche auf der Kostenseite der Globalberechnung - von vornherein nicht geeignet, zu einer (beachtlichen) Kostenüberdeckung zu führen, so folgt aus § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005, dass sie bereits dem Grunde nach nicht zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses über den Beitragssatz führen können (dazu demn. Birk, a.a.O.).
49 
Ob die Kostendeckungsgrenze eingehalten oder lediglich geringfügig überschritten ist, richtet sich nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Abgabensatz. Nach diesem Zeitpunkt eintretende Umstände bleiben regelmäßig unberücksichtigt. Denn bei der Beschlussfassung durch den Gemeinderat sind mannigfaltige Prognose- und Ermessensentscheidungen zu treffen, die durch nachträgliche „Erkenntnisse“ nicht mehr beeinflusst werden. Namentlich Prognosen können sich im Nachhinein als fehlerhaft erweisen, ohne dass damit zugleich die Aussage zu verbinden wäre, sie seien auch bei ihrem Ergehen fehlerhaft gewesen (dazu bereits BVerwG, Urteil v. 7.7.1978, BVerwGE 56, 110 und Urteil v. 26.3.1981, BVerwGE 62, 86, 108). Zudem ist das Kostendeckungsprinzip „Veranschlagungsmaxime“ (vgl. dazu Senat, Urteil v. 27.1.2000 - 2 S 1621/97 - NVwZ-RR 2000, 710, 712), die weitgehend auf Vorausberechnungen beruht, wie sie sich zu Beginn eines Veranlagungszeitraums bzw. einer Rechnungsperiode darstellen. Auch dies führt in aller Regel dazu, bei der Feststellung, wie die ordnungsgemäße Kalkulation ausgefallen wäre, auf die für den Zeitpunkt der Beschlussfassung zutreffenden Ansätze abzustellen (s. dazu auch demnächst Birk a.a.O., mit Hinweis auf die Besonderheit bei § 20 Abs. 1 Satz 3 KAG 2005).
50 
Die mit Blick auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung vorzunehmende Betrachtung im vorliegenden Fall führt zu der Annahme, dass eine Kostenüberdeckung allenfalls geringfügig wäre. Die Überdeckung stellt sich (alternativ) wie folgt dar:
51 
Beitragsfähige Kosten: Beitragssatz x Nutzungsflächen Kostendeckung
286.449.278 11,52 (berechnet) 24.857.975 (alt) 286.363.872
11,00 (beschlossen) 24.857.975 273.437.725
11,52 24.992.855 (neu) 287.917.689
11,00 24.992.855 274.921.405
52 
Die fehlerhafte Flächenermittlung führt hier lediglich bei Zugrundelegen des „berechneten“ Abgabensatzes zu einer Kostenüberdeckung, die allerdings - da geringfügig - auch unbeachtlich wäre.
53 
„Geringfügig“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht etwa wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig ist. Diese darf durch Auslegung erreicht werden, die dem Rechtsbegriff die im jeweiligen Sachzusammenhang angemessene Regelungsdichte vermittelt und daher geeignet ist, eine willkürliche Handhabung auszuschließen (vgl. dazu etwa Reif, Erschließungsbeitragsrecht nach dem BauGB, 1999, 5.5.1.2, S. 263, m.w.N.). Der Sachzusammenhang ergibt sich aus Wortlaut, Stellung im Gesetz und dessen Zweck (dazu BVerwG, Urteil v. 17.7.1998, BVerwGE 107, 164 f.). Letzterer ist - wie dargelegt - auf einen „Satzungserhalt“ ausgerichtet ist (dazu die Amtliche Begründung LT-Drs. 13/3966, S. 40 f.). Ist - wie hier - die gesetzliche Regelung als Einschränkung der „Nichtigkeitsfolge“ und als Anordnung der Unbeachtlichkeit eines Satzungsfehlers nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen, ist zudem bei der (zweckgerichteten) Auslegung zu berücksichtigen, dass sich auch aus der Sicht des Betroffenen die Kostenüberdeckung als zumutbare Belastung, da nicht ins Gewicht fallend, darstellen muss.
54 
In der Rechtsprechung ist die Geringfügigkeitsgrenze für eine Kostenüberdeckung - auch bezogen auf den jeweiligen Sachbereich - unterschiedlich bestimmt worden. Für das Gebührenrecht wird die Grenze der Geringfügigkeit - bezogen auf den Gesamtaufwand - etwa mit 3 % angenommen (so OVG NW, Urteil vom 13.4.2005, NWVBl. 2006, 17, 20). Mit Blick auf Beiträge bezeichnet der Bayerische VGH (etwa Urteil v. 20.12.1991 - 23 B 90.3449 und 3451, VGHE 45, 20 f.) eine Überdeckung als „hinnehmbar“, wenn sie weniger als 10 % betrage. Diese Grenze zieht auch das OVG Nordrhein-Westfalen (vgl. etwa Urteil v. 2.6.1995, NVwZ-RR 1996, 697). Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) zum Ausdruck gebracht, dass er eine Kostenüberdeckung von 5 % für geringfügig hält. Der letztlich für § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 maßgebliche Umfang der Kostenüberdeckung, der die Annahme einer Geringfügigkeit noch erlaubt, muss im vorliegenden Fall aber nicht abschließend bestimmt werden. Denn die hier in Rede stehende Kostenüberdeckung erweist sich als offensichtlich geringfügig, da sie ersichtlich nicht ins Gewicht fällt, sie auch erkennbar unter der jeweils von der o.a. Rechtsprechung als geringfügig anerkannten Grenze und auch unter dem der Gesetzesbegründung zu Grunde gelegten Wert liegt. Sieht man den in der Globalberechnung angesetzten Betrag von 286.449.278 Euro als kostendeckend an, beträgt die Überdeckung allenfalls etwa 0,6 %. Sie ist in dieser Größenordnung jedenfalls geringfügig und hat im Übrigen auf den Beitragssatz keinen Einfluss, der rechnerisch Euro 11,456083 betragen würde, von der Antragsgegnerin aber ohnehin mit lediglich 11,00 Euro festgesetzt ist. Der Beitragssatz in § 11 AbwS 2002 ist nach allem nicht zu beanstanden.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Gründe

 
14 
Der Antrag ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
15 
Bei der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Abwasserbeiträgen vom 17.12.2002 (in der Fassung der Änderungssatzung vom 14.3.2004 - im Folgenden AbwS 2002 -) handelt es sich um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsnorm, für deren gerichtliche Prüfung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet und die Zuständigkeit des Senats gegeben ist (dazu § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO). Auch die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO festgesetzte Frist ist mit dem am 3.12.2004 gestellten Antrag eingehalten.
16 
Die Antragstellerin hat auch die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geforderte Antragsbefugnis. Mit dem Hinweis auf den Umstand, dass ihr gegenüber auf der Grundlage der genannten Satzung ein Beitragsbescheid ergangen ist, hat sie nachvollziehbar Tatsachen vorgetragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, sie werde durch die zur Prüfung gestellte Rechtsnorm in ihren subjektiven Rechten verletzt (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - 6 BN 1.05 - NVwZ-RR 2006, 36 f.; v. Albedyll in Bader, VwGO, 3. A., § 47 RdNr. 53 f.).
17 
Auch das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, nachdem der Abgabenbescheid angefochten und über die dagegen erhobene Klage noch nicht abschließend entschieden ist (vgl. dazu Ziekow in Soltan/Ziekow, VwGO, 1998, § 47 RdNr. 135a mN. in FN 5; ferner BVerwG, Urteil v. 23.4.2002 - 4 CN 3.01 - ZfBR 2002, 687).
18 
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. § 11 der Abwasserbeitragssatzung ist nicht wegen der mit dem Normenkontrollantrag vorgetragenen Gründe unwirksam. Auf diese Gründe darf sich der Senat bei der gerichtlichen Kontrolle der Rechtsnorm beschränken (zum Prüfungsumfang BVerwG, Beschl. v. 6.12.2000, UPR 2001, 152; aber auch BVerwG, Urteil v. 17.4.2002, BVerwGE 106, 188 = NVwZ 2002, 1123 - „Fingerspitzengefühl“).
19 
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Beitragskalkulation die Grundlage für den Beschluss des Gemeinderats über den Beitragssatz dar. Die dabei erforderlichen Ermessens- und Prognoseentscheidungen stehen nach dieser Rechtsprechung mit der Entscheidung des Gemeinderats über den Beitragssatz in untrennbarem Zusammenhang. Der Ortsgesetzgeber muss sich deshalb bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz die Globalberechnung in einer auch für das Gericht erkennbaren und nachvollziehbaren Weise zu eigen und damit zur Grundlage seines Satzungsbeschlusses machen. Ist nicht erkennbar und damit auch gerichtlich nicht nachprüfbar, ob und mit welcher Maßgabe im Einzelnen der Gemeinderat das ihm eingeräumte Ermessen bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz ausgeübt hat, so führte dies nach bisheriger Rechtsprechung des Senats regelmäßig zur Ungültigkeit der Festsetzung des Beitragssatzes (vgl. zusammenfassend das Urteil des Senats v. 2.10.1986, ESVGH 37, 29; ferner Urteil v. 20.9.1984, BWGZ 1985, 492 und ständig; zur „vermittelnden“ Kritik s. Birk, SächsStG 1998, 310 ff.; ferner Schoch NVwZ 1990, 801 ff., 808). An dieser Rechtsprechung ist mit Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 17.3.2005 (KAG in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005, GBl. S. 206 - KAG 2005 -) nicht mehr uneingeschränkt festzuhalten. Nach dessen § 2 Abs. 2 Satz 1 sind Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze unbeachtlich, wenn sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Satz 2 der Bestimmung, wonach § 4 Abs. 4 der Gemeindeordnung unberührt bleibt, verdeutlicht, dass in Satz 1 - anders als bei § 4 Abs. 4 GemO - materielle Mängel angesprochen sind. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 belegt aber auch, dass die Beschlussfassung über den Abgabensatz vom Gesetz vorausgesetzt wird, also nicht der Mangel des Beschlusses - bis zu seinem völligen Fehlen - sondern lediglich derjenige b e i der Beschlussfassung angesprochen ist. Der Beschluss zur Kalkulation des Gebührensatzes ist daher ebenso gefordert wie der zur „Globalberechnung“ des Beitragssatzes (zur Maßgeblichkeit des Beschlusses auch auf der Grundlage des allgemeinen Gemeinderechts vgl. Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 1997, § 8 RdNr. 675). Dies verdeutlicht auch die Begründung des Gesetzes, wonach ein wesentlicher Mangel nach der o.a. Rechtsprechung immer dann vorliege, wenn die Kalkulation nicht ansatzfähige Kosten enthalte. Auf die Höhe dieser Kosten - so LT-Drs. 13/3966, Begründung zu § 2 S. 41 - und auf die Auswirkungen auf den Abgabensatz komme es nicht an. In der Regel hätten solche „Kostenüberdeckungen“ keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf die Höhe des Abgabensatzes. Künftig sollten deshalb Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze unbeachtlich sein, die nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Geringfügig dürfe eine Kostenüberdeckung in diesem Sinne sein, wenn das prognostizierte Abgabenaufkommen die prognostizierten ansatzfähigen Kosten um nicht mehr als 5 Prozent übersteige. Auch der Gesetzgeber geht daher davon aus, dass die Beschlussfassung über den Abgabensatz nach wie vor gefordert ist.
20 
Auf einen in diesem Sinne beachtlichen Mangel bei der Beschlussfassung weist der Einwand der Normenkontrolle nicht hin, die frühere Abwasserbeitragssatzung der Antragsgegnerin habe einen geringeren Beitragssatz festgesetzt. Namentlich rechtfertigt er nicht die geltend gemachte Annahme, die auf der Grundlage der jetzt maßgeblichen Satzung erfolgte Heranziehung von Grundstückseigentümern verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn die Heranziehung erfolgt auf jeweils eigenständig berechneten Beitragssätzen und eigenständiger Satzungsgrundlage, denen schon die für die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes vorausgesetzte Vergleichbarkeit fehlt. Auch ist ein Vertrauen der jetzt betroffenen Grundstückseigentümer auf Beibehaltung eines bisher niedrigeren Beitragssatzes nicht schützenswert (dazu BayVGH, Beschl. v. 19.1.1998, NVwZ-RR 1999, 194), zumal die Vorgängersatzung unwirksam gewesen ist, weil ihr - unstreitig - eine Globalberechnung nicht zu Grunde gelegen hat.
21 
Der mit dem Antrag geltend gemachte Mangel an Klarheit und Transparenz der Globalberechnung wegen des Fehlens von Rechnungen zur Erfassung des Anlagevermögens ist nicht festzustellen. Die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit ergeben sich aus dem Zweck der Globalberechnung als Nachweis dafür, dass der Gemeinderat das ihm obliegende Ermessen ordnungsgemäß betätigt und ihm aufgegebene Schätzungen vorgenommen hat. Die Forderung, dazu müssten ihm auch die Einzelrechnungen des Anlagevermögens unterbreitet sein, wird davon nicht erfasst (vgl. im Einzelnen Scholz in Scholz/Sammet/Gössl, Recht und Praxis der Globalberechnung in Bad.-Württ., 1988, S. 22 m.w.N.). Berücksichtigt man die Vielschichtigkeit der Erfassung des Anlagevermögens, der erforderlichen Fortschreibung, Bewertung unter Einbeziehung von Abzugskapitalien u.ä., werden unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität die Nachvollziehbarkeit und eine Prüfungsmöglichkeit durch den Gemeinderat dadurch sichergestellt, dass dem einzelnen Gemeinderat auf Verlangen die über das Anlagevermögen gefertigten Unterlagen zugänglich gemacht werden und zu ihnen Auskunft gegeben wird (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil v. 14.12.1987, EKBW GemO § 34 E 7; ferner OVG MV, Urteil v. 2.6.2004 - 4 K 38/02 - juris - LSe DVBl. 2005, 64). Dass dem Gemeinderat ein solches Recht vorenthalten worden sein könnte, ist nicht erkennbar.
22 
Ohne Auswirkungen auf die Höhe des Beitrags bleibt der Umstand, dass das Anlagevermögen mit dem Ermittlungsstand 31.12.2001 eingestellt, die Globalberechnung im März 2002 (erst) erstellt und der Satzungsbeschluss am 17.12.2002 gefasst worden ist. Da auch das künftige Anlagevermögen in der Globalberechnung zu berücksichtigen ist (und auch hier eingestellt ist, s. etwa S. 15 ff. der Globalberechnung), es daher bei den Gesamtkosten einfließt, ist auszuschließen, dass Anlagevermögen bei den unterschiedlichen Sachständen dem Grunde nach unberücksichtigt bleibt. Dass insoweit Zinsansätze, die - so die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung - vor der endgültigen Herstellung des Anlagegegenstands nicht eingestellt werden, möglicherweise unberücksichtigt geblieben sein könnten, wäre in diesem Zusammenhang ohne weitergehende Auswirkungen auf den Beitragssatz und für den Beitragsschuldner im Übrigen auch nicht belastend.
23 
Die veranschlagten Kosten sind auch auf der Grundlage des Nominalwerts dargestellt, wie die Globalberechnung verdeutlicht (dazu die Erläuterungen zur Globalberechnung S. 2 unter Nr. 3). Dies entspricht der gesetzlichen Vorgabe in § 10 KAG a.F. (zum Erfordernis des nominellen Kostenbegriffs vgl. Senat, Urteil v. 17.11.1988 - 2 S 1324/86 - VBlBW 1989, 65). Nachvollziehbar dargelegt ist entgegen dem Antragsvorbringen auch die Schätzung künftiger Zuschüsse (dazu Teil C Anl. 4, S. 23 der Globalberechnung). Mit dem allgemeinen Hinweis, sie seien lediglich „pauschal“ ausgewiesen und es fehle die Angabe einer Grundlage für die zukünftigen Zuschüsse, wird die Nachvollziehbarkeit des Ansatzes nicht in Zweifel gezogen. Geht es um Schätzungen für die Zukunft, ist deren „Ungewissheit“ in Betracht zu ziehen und auch zu berücksichtigen, dass die Gemeinde hierbei einen gewissen Beurteilungsspielraum besitzt, der den lediglich pauschalen Ansatz rechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil v. 14.5.1990 - 2 S 1372/88 - BWGZ 1990, 655 = VBlBW 1991, 62) sind künftig zu erwartende Zuschüsse von den künftigen Investitionen abzusetzen. Darzulegen ist dabei auch, wenn Zuschüsse nicht mehr erwartet werden. Diesen Anforderungen entspricht die Globalberechnung. So werden bestehende und künftige Zuschüsse ausdrücklich ausgewiesen, letztere allerdings nur für den Bereich der Regenüberlaufbecken erwartet und auch betragsmäßig eingestellt, weil für den Entwässerungsbereich im Übrigen Zuschüsse nicht in Aussicht seien. Damit ist eine nachvollziehbare Übersicht über die Zuschüsse gegeben. Eine nähere Begründung der Höhe und des Grundes für die in die Globalberechnung eingestellten Zuschüsse ist nicht zu fordern (Senat, Urteil v. 15.11.1990 - 2 S 3022/89 - n.v.).
24 
Entgegen der mit dem Normenkontrollantrag geäußerten Ansicht ist auch die Festlegung des Straßenentwässerungskostenanteils nicht zu beanstanden. Weder fehlt es an der erforderlichen Ermessensbetätigung des Gemeinderats noch ist eine Vergleichsberechnung mit Blick auf die Entscheidung zur Ermittlung nach der sog. Zwei- oder der sog. Dreikanalmethode gefordert. Nicht zutreffend ist auch der Einwand, der angewendeten Drei-Kanal-Methode sei eine Berechnung nicht beigefügt, die anhand repräsentativer Straßenzüge zu ermitteln gewesen sei; mangels der Benennung der Straßenzüge sei auch eine sachgerechte Ermessensausübung nicht möglich gewesen.
25 
Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG a.F. bleibt bei den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Teilaufwand außer Betracht, der auf den Anschluss von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen entfällt (schon KAG 78 wie auch bereits KAG 64 forderten die Absetzung dieser Kosten: Senat, Urteil vom 14.5.1990 - 2 S 1372/88 - a.a.O.). Die Bestimmung steht im Zusammenhang mit § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, der allerdings nur Kosten solcher Einrichtungen erfasst, die dem Sammeln und Ab- bzw. Fortleiten des auf den Straßen anfallenden Niederschlagswassers dienen (nicht also deren Reinigung; vgl. BVerwG, Urteil v. 18.4.1986, BWGZ 1986. 396). Dementsprechend muss in einer Globalberechnung ein Straßenentwässerungsanteil auch bei der Reinigung von Abwässern berücksichtigt werden. Der auf die Straßenentwässerung entfallende Kostenanteil ist mangels genauer Ermittlung dabei zu schätzen. Schätzungsgrundlage hierfür sind entsprechende Vergleichsberechnungen, die auf einer sachgerechten Annahme beruhen. Einer konkreten Ermittlung des Straßenentwässerungskostenanteils bedarf es dann nicht, wenn dieser anhand gesicherter Erfahrungswerte geschätzt werden kann (so bereits Senat, Urteil vom 15.9.1988 - 2 S 1671/87 - u. st.).
26 
Sind - wie hier - unterschiedliche Entwässerungssysteme (Trenn- und Mischsystem) vorhanden, hat die Kostenzuordnung regelmäßig getrennt zu erfolgen. Dem wird die Globalberechnung hier gerecht. Dort wird ausdrücklich auf die unterschiedlichen Entwässerungssysteme abgestellt (Globalberechnung S. 4). Ob er sich für die Kostenzuordnung nach der Zwei- oder nach der Dreikanalmethode entscheidet, steht im Ermessen des Gemeinderats; eine Alternativberechnung ist hierfür nicht gefordert (so Beschluss des Senats vom 21.5.1990 - 2 S 3285/89 -). Ausreichend wäre auch ein Rückgriff auf eine allgemein anerkannte Schätzung (dazu Senat, Urteil v. 22.11.1990 - 2 S 696/89 - BWGZ 1991, 215). Auch auf das Auswahlermessen, das dem Gemeinderat bei der Entscheidung über die Berechnungsmethode zusteht, wird in der Globalberechnung hingewiesen (Globalberechnung a.a.O. und S. 10).
27 
Dass der angewendeten Drei-Kanal-Methode eine Berechnung anhand repräsentativer Straßenzüge (vgl. dazu Scholz a.a.O. S. 55; ferner Gössl, Abwasserbeitrag und Wasserversorgungsbeitrag nach dem KAG, 1994, S. 37) nicht beigefügt gewesen sei, ist nicht zutreffend. Zwar wird in der Globalberechnung selbst (lediglich) dargelegt, dass nach dem Drei-Kanal-Modell eine Berechnung des Straßenentwässerungskostenanteils anhand von drei Gebieten für die Mischwasserkanalisation und anhand von zwei Gebieten für den Regenwasserkanal des Trennsystems durchgeführt worden sei. Indes wird in der Beschlussvorlage vom 28.10.2002 auf eine „vorhandene“ Berechnung nach der Drei-Kanal-Modellberechnung abgestellt. Damit wird ersichtlich auf die Modellberechnung des Ingenieurbüros, das auch die Globalberechnung erstellt hat, Bezug genommen. Diese im Juli 2000 durchgeführte Berechnung weist namentlich fünf Gebiete aus, drei als Grundlage für das im Gebiet der Antragsgegnerin vorhandene Mischsystem, zwei für das weiter vorhandene Trennsystem. Sie sind „repräsentativ“, weil mit der Berechnung sowohl dem jeweiligen Gebietscharakter eines „innerörtlichen Kerngebiets mit verdichteter Bebauung“ und dem eines “Wohngebiets“ als auch dem eines „Gewerbegebiets“ Rechnung getragen wird.
28 
Mängel ergeben sich allerdings aus der Flächenermittlung der Globalberechnung, wie mit dem Antrag hervorgehoben wird. Die Antragsgegnerin räumt ein, dass die mit dem Antrag aufgezeigten Flächen teilweise nicht eingestellt und daher unberücksichtigt geblieben sind (zur Größenordnung noch unten).
29 
Die mit dem Antrag angeführten Flächen, die in die Globalberechnung nicht eingestellt sind, sind weitgehend solche, die im o.a. Entwurf des Flächennutzungsplans - FlNPl-E 2001 - ausgewiesen sind. Ob sie als lediglich im Entwurf eines solchen Plans ausgewiesene Flächen überhaupt bei der Beitragskalkulation zu berücksichtigen sind, ist zwischen den Beteiligten streitig und hängt von der Frage ab, welche Reichweite einer „Entwurfsplanung“ im Rahmen der Globalberechnung zukommt. Der Entwurf eines Flächennutzungsplans entfaltet keine dem Flächennutzungsplan selbst zukommende Wirkung (vgl. dazu Löhr in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl., § 5 RdNrn 1 ff., m.w.N.). Jener wird erst wirksam mit der Bekanntgabe seiner Genehmigung (§ 6 Abs. 5 Satz 2 BauGB), die hier noch nicht erteilt ist. Für die Globalberechnung ist der Stand der Entwurfsplanung jedoch von Bedeutung, wenn er im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gemeinderats über den Beitragssatz die Aussage erlaubt, die betroffenen Flächen seien - einer verbindlichen Planungsabsicht der Gemeinde entsprechend - im Zeitraum der Globalberechnung an die öffentliche Einrichtung anzuschließen. Dies ist hier der Fall. Der genannte Entwurf geht auf einen Beschluss des Gemeinderats zurück und verdeutlicht damit die von der Gemeinde geäußerte planerische Absicht zur künftigen, einen Anschluss fordernden Entwicklung des betroffenen Gemeindegebiets. Mit dieser Zweckrichtung war der Entwurf deshalb auch in der Globalberechnung zu berücksichtigen, ungeachtet dessen, dass der Flächennutzungsplan noch nicht genehmigt ist, außerdem fraglich ist, ob er „so“ auch genehmigt werden kann, und auch ungeachtet des jetzt vorgetragenen Umstands, dass die im Entwurf enthaltene Planung bereits wieder nach den neueren, allerdings nicht planungsgemäß festgelegten Vorstellungen der Gemeinde Änderungen erfahren soll. Letzterem dürfte ohnehin durch eine Änderung des Entwurfs oder eine Neuplanung - möglicherweise auch verbunden mit einer neuen Beitragskalkulation - Rechnung zu tragen sein. Auch der Planungszeitraum für Flächennutzungsplanentwurf und Globalberechnung ist hier weitgehend deckungsgleich. Demnach ist hinsichtlich solcher Teilflächen, die im Entwurf des Flächennutzungsplans ausgewiesen, in der Globalberechnung jedoch nicht eingestellt sind, davon auszugehen, dass die Flächenseite der Globalberechnung insoweit unvollständig und daher fehlerhaft ist.
30 
Nach dem Antragsvorbringen und den unwidersprochen gebliebenen - und auch nach den vorliegenden Plänen nachvollziehbaren - Angaben der Antragsgegnerin geht es um die nachfolgenden Nutzungsflächen.
31 
Im Lageplan Nr. 1 (Karte Nr. 4) wird das Fehlen von Flächen für ein Wohngebiet gerügt, das sowohl im FlNPl 83 als auch im FlNPl-E 2001 vorgesehen sei. Dies ist zwar zutreffend, diese Flächen erscheinen indes in der Flächenliste der Globalberechnung (S. 50) unter den Nrn. 429 bis 438 und sind daher in die Berechnung eingegangen.
32 
Im Lageplan Nr. 2 (Karte Nr. 2 und Nr. 5) fehlt zwar ein im FlNPl 83 ausgewiesenes großflächiges Gartenhausgebiet. Dies ist indes deshalb nicht zu beanstanden, weil eine Entwässerung des Gartenhausgebiets über die Entwässerungseinrichtungen der Antragsgegnerin nicht vorgesehen ist. Entsprechend ist dieses Gebiet auch nicht mehr im FlNPl-E 2001 vorgesehen, wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorträgt. Allerdings fehlt auch nach deren Angabe die Übernahme einer „gemischten Baufläche“ aus dem genannten Entwurf mit einer Nutzungsfläche von 10.785 qm.
33 
Dass im Lageplan Nr. 6 (Karten Nr. 7/8) die im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohnfläche fehlt, ist gleichfalls unschädlich. Diese Fläche ist als Gewerbefläche (Globalberechnung S. 78 unter DW 512) aufgenommen - entsprechend der planerischen Absicht der Antragsgegnerin. Ein Ermittlungsfehler lässt sich demnach nicht feststellen. Dies gilt auch mit Blick auf den Hinweis im Antrag, im Lageplan Nr. 9 (Karte: Anlage 4) fehle ein im FlNPl ausgewiesenes Gartenhausgebiet. Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass auch dieses Gartenhausgebiet nicht an die öffentliche Einrichtung angeschlossen wird und deshalb auch nicht in der Globalberechnung zu berücksichtigen war. Allerdings ist das gleichfalls dort ausgewiesene Wohngebiet nicht eingestellt, das eine Nutzungsfläche von 27.288 qm aufweist.
34 
Bestätigt findet sich die Annahme, im Lageplan Nr. 10 (Karte: Anlage 8) fehlten das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Gewerbegebiet und die mit dem Antrag angeführten beiden Wohngebiete. Auch sei das im FlNPl 1983 sowie im FlNPl-E ausgewiesene Wohngebiet „Auf dem Berg“ in diesem Lageplan nicht bezeichnet. Diesem Gewerbegebiet ist eine Nutzungsfläche von 26.900 qm zuzuordnen, den beiden Wohngebieten (4.517 qm und 26.380 qm) eine solche von insgesamt 30.897 qm.
35 
Das mit dem Antrag angeführte Wohngebiet „Auf dem Berg“ (Lageplan 11; Karte Anlage 9) ist zwar zeichnerisch nicht zutreffend erfasst, jedoch in der Flächenzusammenstellung der Globalberechnung berücksichtigt (dort S. 97, WÜ 96 bis 99).
36 
Schließlich trifft auch die Rüge teilweise zu, der Lageplan Nr. 12 enthalte das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohngebiet im Bereich des Hohlwegs nicht. In der Globalberechnung eingestellt ist dafür zwar eine Nutzungsfläche von 11.265 qm (S. 90, HW 72). Indes ist die weitere Nutzungsfläche von 12.110 qm unberücksichtigt geblieben, wie die Antragsgegnerin einräumt.
37 
Dass die Flächenermittlung wegen der fehlerhaft nicht berücksichtigten Nutzungsflächen dennoch nicht zu beanstanden sei, weil es unwahrscheinlich sei, dass ein Anschluss der im FlNPl-E 2001 ausgewiesen Bauflächen an die öffentliche Einrichtung auch innerhalb des Zeitraums bis 2014 uneingeschränkt erfolgen könne, ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht zutreffend. Denn die für die Globalberechnung maßgeblichen Flächen sind - wie dargelegt - die als anzuschließend geplanten, und zwar im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Beitragssatz. Daher bleibt auch der Einwand der Antragsgegnerin unbeachtlich, „zwischenzeitlich“ seien die Planungen für das Gewerbegebiet im Lageplan 10 (Karte Anlage 8) so weit fortgeschritten, dass es um 50 % reduziert werden könne. Mit Blick auf dieses Gewerbegebiet ist dementsprechend die Angabe der Antragsgegnerin zur Nutzungsfläche um die für dieses Gebiet angesetzte zu verdoppeln. Einzustellen in den „Fehlbetrag“ sind daher weitere 26.900 qm Nutzfläche. Festzuhalten ist somit nach allem, dass Nutzungsflächen in einer Größe von 134.880 qm fehlerhaft nicht berücksichtigt worden sind.
38 
Indes führt dieser Fehler der Globalberechnung nicht zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes. Denn er ist nach o.a. Bestimmung in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 als Mangel bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz unbeachtlich. Er führt - wenn überhaupt - allenfalls zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung.
39 
Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 ist im vorliegenden Verfahren anzuwenden. Denn nach § 49 Abs. 1 Satz 1 KAG 2005 gilt sie auch für Abgabensätze, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes beschlossen worden sind. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese gesetzliche Regelung bestehen nicht.
40 
Eine gesetzliche Regelung über die Rechtsfolge von (materiell-rechtlichen) Fehlern bei Rechtsnormen muss nicht regelmäßig in die Feststellung der Nichtigkeit derart fehlerhafter Normen münden.
41 
Die Verfassung enthält keine ausdrückliche Aussage zur zwingenden Nichtigkeit rechtswidriger Normen; als Folge anderer verfassungsrechtlicher Grundsätze - etwa der Gesetzesbindung der Richter oder des Rechtsstaatsprinzips - ist sie nicht gefordert. Sie ist auch kein Gebot der Logik (vgl. dazu Peine, NVwZ 1989, 637, 639; ferner Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O. Vorb. §§ 214-216, RdNr. 8: Berechtigung des Gesetzgebers zur Beschränkung des Nichtigkeitsdogmas bei städtebaulichen Satzungen; ferner Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 47, RdNrn. 127 ff., 129; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, 2001, § 214 RdNr. 146 - jeweils m.w.N.; allg. zum Nichtigkeitsdogma Sendler, DVBl. 2005, 659 ff.). Sie unterliegt daher als Fehlerfolge der gesetzgeberischen Entscheidung (vgl. auch BVerwG, Urteil v. 29.9.2004, DVBl. 2005, 255), die allerdings ihrerseits verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen muss. Ihnen widerspricht es nicht, wenn der Gesetzgeber nicht die Rechtswidrigkeit der fehlerhaften Norm beseitigt, sondern an diese Rechtswidrigkeit anknüpfend deren Folgen einschränkend regelt. Dabei ist auch die Beschränkung der richterlichen Kontrollbefugnis durch diese gesetzgeberische Regelung im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG als verfassungsrechtlich unbedenklich zu beurteilen (so für die vergleichbare Bestimmung in § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB bzw. § 115a BBauG BVerwG, Urteil v. 21.8.1981, BVerwGE 64, 33, 36 ff.). Die Bestimmung in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 mit der angeordneten Unbeachtlichkeitsfolge ist daher zulässig. Sie ist namentlich auch nicht mit Blick auf den (auch verfassungsrechtlich begründeten) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beanstanden, da sie sich auf die Unbeachtlichkeit lediglich „geringfügiger“ Kostenüberdeckungen beschränkt.
42 
Allerdings besitzt diese Fehlerfolgenregelung auch Rückwirkung, da § 49 Abs. 1 KAG 2005 die Anwendung von § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 auch auf Abgabensätze erstreckt, die vor In-Krafttreten dieser Bestimmung beschlossen worden sind.
43 
Die Tragweite dieser Regelung beschränkt sich - allgemeinen Grundsätzen über die Satzungsgeltung folgend - auf die Abgabensätze, die in jetzt noch geltenden Satzungen enthalten sind. Frühere Satzungen, die ihrerseits durch Änderungssatzungen nach dem Grundsatz „lex posterior derogat legi priori “ regelmäßig außer Kraft treten, werden von § 49 Abs. 1 KAG 2005 nicht erfasst. Auch ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Satzungsgeber eine Vorgängersatzung aufgehoben wissen will, wenn er eine frühere Satzung ersetzt oder eine neue Satzung beschließt (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil v. 10.8.1990 - 4 C 3.90 - NVwZ 1991, 673). Die danach noch „verbleibende“ Rückwirkung des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 auf Beschlüsse über Abgabensätze, die zwar vor In-Kraft-Treten des KAG 2005 (grundsätzlich) am 31.3.2005 (dazu Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des o.a. Gesetzes) gefasst worden sind, aber jetzt noch gelten, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
44 
Mit Blick auf das für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Rückwirkung von Gesetzen maßgebliche, aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Rechtsstaatsprinzip (dazu Herzog in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VII RdNr. 65) bedarf die Anordnung von Rechtsfolgen für die Vergangenheit besonderer Rechtfertigung (dazu BVerfGE 97, 67 f., m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte Rückwirkung) vor allem an den rechtsstaatlichen Grundsätzen, namentlich an Vertrauensschutz und Rechtssicherheit, zu messen (vgl. etwa BVerfGE 72, 200, 242 f.; 78, 249, 284 f. und st.), während die tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) weniger strengen Beschränkungen als die Rückbewirkung unterliegt und vorrangig an den Grundrechten zu messen ist (vgl. BVerfGE 83, 89, 109 f.; 97, 67, 79 ff. m. Anm. Rensmann JZ 1999, 168). Um Letztere geht es hier, da die Norm den Eintritt ihrer Rechtsfolge von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht und auf in der Vergangenheit begründete, auf Dauer angelegte und noch nicht abgeschlossene - bereits vor der Verkündung der Rechtsnorm „ins Werk gesetzte“ - Sachverhalte und Rechtsbeziehungen einwirkt (vgl. dazu etwa BVerfGE 72, 200, 241 f.; BVerfGE 79, 29, 45 f.). Durch die „Unbeachtlichkeitsfolge“ wird auch die Erwartung, die bisherige richterliche Kontrollbefugnis mit der Folge der „Nichtigkeitsfeststellung“ bleibe bestehen, enttäuscht.
45 
In Blick zu nehmen ist dabei namentlich der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, der mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang zu bringen ist (vgl. BVerfGE 92, 277, 344). Die dabei aufgeworfene Frage nach der Tragweite des Schutzes dieses Vertrauens ist daher zugleich auch eine solche nach der Verhältnismäßigkeit des rückwirkenden Grundrechtseingriffs (BVerfGE 95, 64, 86). Im Unterschied zur echten Rückwirkung ist bei der Rückanknüpfung das den rückwirkenden Eingriff rechtfertigende öffentliche Interesse nicht auf „zwingende Gründe des Gemeinwohls“ beschränkt, sondern umfasst jeden legitimen öffentlichen Zweck. Ist dieser gegeben, ist die Rückanknüpfung „grundsätzlich zulässig“ (so BVerfGE 95, 64, 86; 97, 271, 289); sie ist es auch dann, wenn das genannte Interesse das schutzwürdige Vertrauen des Betroffenen überwiegt (so etwa BVerfGE 88, 384, 406).
46 
Dass mit der Rückwirkungsanordnung - und nur sie ist Gegenstand der Betrachtung - ein legitimer Zweck verfolgt wird, erhellt die Gesetzesbegründung nicht, die zu § 49 Abs. 1 KAG 2005 lediglich den Normwortlaut wiedergibt (dazu LT-Drs. 13/3966, S. 65). Erkennbar wird aber der Zweck, bisher beschlossenes Satzungsrecht zu erhalten, und zwar in den Grenzen, wie sie in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 vorgegeben sind. Damit wird rückwirkend nicht auf den Rechtsschutz des Bürgers eingewirkt, sondern dessen Erfolg an (einschränkenden) materiell-rechtlichen Vorgaben ausgerichtet. Das Vertrauen darauf, auch bei schon vor In-Kraft-treten der rückwirkenden Norm ergangenen Satzungen die Nichtigkeitsfolge durch ein Rechtsmittel erreichen zu können, ist dem Grunde nach nicht schutzwürdig. Denn die Nichtigkeit tritt nicht auf Grund des gerichtlichen Ausspruchs ein, sondern ist allein Folge des materiellen Rechts (vgl. dazu Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. A., § 38 RdNr. 48). Dieses Vertrauen überwiegt daher auch dann nicht das öffentliche Interesse an einem „Satzungserhalt“ durch Rückanknüpfung, wenn das Rechtsschutzverfahren - wie hier - schon eingeleitet ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Verfahrensordnung eine dem Interesse des Betroffenen entsprechende, zumutbare „Lösung“ anbietet, wie etwa die Möglichkeit, als Folge der Rechtsänderung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären (vgl. § 161 Abs. 2 VwGO). Sie ist auch im Verfahren der Normenkontrolle (§ 47 VwGO) eröffnet (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 14. A. § 161 RdNr. 8 m.w.N.). Nach Auffassung des Senats ergibt die hier gebotene Abwägung ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an dem Aufrechterhalten von Satzungsbeschlüssen, die zwar vor In-Kraft-Treten des Gesetzes ergangen, gegenwärtig aber noch wirksam sind, gegenüber der Erwartung des Betroffenen, auch künftig unter allen Umständen die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit einer für fehlerhaft erachteten Abgabensatzung zu erlangen. Dass - unabhängig davon - sich das Vertrauen auch mit Blick auf die seit Jahren geführte Diskussion über die o.a. satzungsrechtlichen Fehlerfolgen verringert haben muss, wie dies in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden ist, dürfte zudem die Bedeutung der Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens mindern.
47 
Nach dem Wortlaut des danach auch im vorliegenden Fall maßgeblichen § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 soll ein solcher Mangel dann nicht zur Unwirksamkeit der satzungsrechtlichen Bestimmung über den Beitragssatz führen, wenn er zu einer nur geringfügigen Kostenüberdeckung führt. Offen kann im vorliegenden Fall bleiben, ob das Gesetz damit lediglich solche - wie dargelegt - materiellen Mängel erfasst, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über den Beitragssatz stehen, oder auch Mängel einschließt, die - wie etwa ein solcher bei der satzungsrechtlichen Bestimmung der dem Beitrag zu Grunde gelegten Einrichtung - nicht unmittelbar dieser Beschlussfassung zuzuordnen sind, sondern sich nur mittelbar auf den Beitragssatz auswirken (vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 29.9.2004, a.a.O.: Verstoß gegen Bestimmung des landesrechtlichen Einrichtungsbegriffs führt zu einem beachtlichen Rechtsfehler, dem nicht mit dem Einwand begegnet werden kann, der Beitrag sei unerheblich höher; ferner BVerwG, Urteil v. 17.4.2002, BVerwGE 116, 188: die „Ergebnis-Rechtsprechung“ gelte nur für den Bereich der Kostenkalkulation, nicht für sonstige Rechtsvorschriften der Beitragssatzung). Denn die hier in Rede stehende Fehlerhaftigkeit der Flächenermittlung ist jedenfalls unmittelbar dem Rechenvorgang über den Abgabensatz und damit der Beschlussfassung über den Beitragssatz zuzuordnen und damit ein „Mangel“ im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005.
48 
Dieser Mangel ist aber aus Rechtsgründen unbeachtlich, da er - wenn überhaupt - allenfalls zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führt. Mit dem Abstellen auf die Kostenüberdeckung gibt das Gesetz vor, dass es für deren Bestimmung auf den Vergleich der ordnungsgemäß zu kalkulierenden Kostenobergrenze mit der tatsächlich kalkulierten Kostenobergrenze ankommt (vgl. zur Differenzbetrachtung auch Birk, Die Unbeachtlichkeit von Fehlerfolgen in Abgabenkalkulationen, demn. in Heft 4 VBlBW 2006, 138 ff.). Wie für das „Verbot der Kostenüberdeckung (Kostendeckungsgrundsatz)“ ist daher darauf abzustellen, in welchem Umfang das Beitrags-(Abgaben)aufkommen die beitrags-(ansatzfähigen)fähigen Herstellungskosten übersteigt (vgl. Scholz, a.a.O., S. 9, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies kommt auch in der o.a. Gesetzesbegründung zum Ausdruck, wonach als geringfügig eine Kostenüberdeckung in diesem Sinne anzusehen sei, wenn das prognostizierte Abgabenaufkommen die prognostizierten ansatzfähigen Kosten um nicht mehr als 5 Prozent übersteige (LT-Drs. 13/3966, S. 42). Sind Mängel bei der Beschlussfassung über den Abgabensatz - namentlich solche auf der Kostenseite der Globalberechnung - von vornherein nicht geeignet, zu einer (beachtlichen) Kostenüberdeckung zu führen, so folgt aus § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005, dass sie bereits dem Grunde nach nicht zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses über den Beitragssatz führen können (dazu demn. Birk, a.a.O.).
49 
Ob die Kostendeckungsgrenze eingehalten oder lediglich geringfügig überschritten ist, richtet sich nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Abgabensatz. Nach diesem Zeitpunkt eintretende Umstände bleiben regelmäßig unberücksichtigt. Denn bei der Beschlussfassung durch den Gemeinderat sind mannigfaltige Prognose- und Ermessensentscheidungen zu treffen, die durch nachträgliche „Erkenntnisse“ nicht mehr beeinflusst werden. Namentlich Prognosen können sich im Nachhinein als fehlerhaft erweisen, ohne dass damit zugleich die Aussage zu verbinden wäre, sie seien auch bei ihrem Ergehen fehlerhaft gewesen (dazu bereits BVerwG, Urteil v. 7.7.1978, BVerwGE 56, 110 und Urteil v. 26.3.1981, BVerwGE 62, 86, 108). Zudem ist das Kostendeckungsprinzip „Veranschlagungsmaxime“ (vgl. dazu Senat, Urteil v. 27.1.2000 - 2 S 1621/97 - NVwZ-RR 2000, 710, 712), die weitgehend auf Vorausberechnungen beruht, wie sie sich zu Beginn eines Veranlagungszeitraums bzw. einer Rechnungsperiode darstellen. Auch dies führt in aller Regel dazu, bei der Feststellung, wie die ordnungsgemäße Kalkulation ausgefallen wäre, auf die für den Zeitpunkt der Beschlussfassung zutreffenden Ansätze abzustellen (s. dazu auch demnächst Birk a.a.O., mit Hinweis auf die Besonderheit bei § 20 Abs. 1 Satz 3 KAG 2005).
50 
Die mit Blick auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung vorzunehmende Betrachtung im vorliegenden Fall führt zu der Annahme, dass eine Kostenüberdeckung allenfalls geringfügig wäre. Die Überdeckung stellt sich (alternativ) wie folgt dar:
51 
Beitragsfähige Kosten: Beitragssatz x Nutzungsflächen Kostendeckung
286.449.278 11,52 (berechnet) 24.857.975 (alt) 286.363.872
11,00 (beschlossen) 24.857.975 273.437.725
11,52 24.992.855 (neu) 287.917.689
11,00 24.992.855 274.921.405
52 
Die fehlerhafte Flächenermittlung führt hier lediglich bei Zugrundelegen des „berechneten“ Abgabensatzes zu einer Kostenüberdeckung, die allerdings - da geringfügig - auch unbeachtlich wäre.
53 
„Geringfügig“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht etwa wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig ist. Diese darf durch Auslegung erreicht werden, die dem Rechtsbegriff die im jeweiligen Sachzusammenhang angemessene Regelungsdichte vermittelt und daher geeignet ist, eine willkürliche Handhabung auszuschließen (vgl. dazu etwa Reif, Erschließungsbeitragsrecht nach dem BauGB, 1999, 5.5.1.2, S. 263, m.w.N.). Der Sachzusammenhang ergibt sich aus Wortlaut, Stellung im Gesetz und dessen Zweck (dazu BVerwG, Urteil v. 17.7.1998, BVerwGE 107, 164 f.). Letzterer ist - wie dargelegt - auf einen „Satzungserhalt“ ausgerichtet ist (dazu die Amtliche Begründung LT-Drs. 13/3966, S. 40 f.). Ist - wie hier - die gesetzliche Regelung als Einschränkung der „Nichtigkeitsfolge“ und als Anordnung der Unbeachtlichkeit eines Satzungsfehlers nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen, ist zudem bei der (zweckgerichteten) Auslegung zu berücksichtigen, dass sich auch aus der Sicht des Betroffenen die Kostenüberdeckung als zumutbare Belastung, da nicht ins Gewicht fallend, darstellen muss.
54 
In der Rechtsprechung ist die Geringfügigkeitsgrenze für eine Kostenüberdeckung - auch bezogen auf den jeweiligen Sachbereich - unterschiedlich bestimmt worden. Für das Gebührenrecht wird die Grenze der Geringfügigkeit - bezogen auf den Gesamtaufwand - etwa mit 3 % angenommen (so OVG NW, Urteil vom 13.4.2005, NWVBl. 2006, 17, 20). Mit Blick auf Beiträge bezeichnet der Bayerische VGH (etwa Urteil v. 20.12.1991 - 23 B 90.3449 und 3451, VGHE 45, 20 f.) eine Überdeckung als „hinnehmbar“, wenn sie weniger als 10 % betrage. Diese Grenze zieht auch das OVG Nordrhein-Westfalen (vgl. etwa Urteil v. 2.6.1995, NVwZ-RR 1996, 697). Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) zum Ausdruck gebracht, dass er eine Kostenüberdeckung von 5 % für geringfügig hält. Der letztlich für § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 maßgebliche Umfang der Kostenüberdeckung, der die Annahme einer Geringfügigkeit noch erlaubt, muss im vorliegenden Fall aber nicht abschließend bestimmt werden. Denn die hier in Rede stehende Kostenüberdeckung erweist sich als offensichtlich geringfügig, da sie ersichtlich nicht ins Gewicht fällt, sie auch erkennbar unter der jeweils von der o.a. Rechtsprechung als geringfügig anerkannten Grenze und auch unter dem der Gesetzesbegründung zu Grunde gelegten Wert liegt. Sieht man den in der Globalberechnung angesetzten Betrag von 286.449.278 Euro als kostendeckend an, beträgt die Überdeckung allenfalls etwa 0,6 %. Sie ist in dieser Größenordnung jedenfalls geringfügig und hat im Übrigen auf den Beitragssatz keinen Einfluss, der rechnerisch Euro 11,456083 betragen würde, von der Antragsgegnerin aber ohnehin mit lediglich 11,00 Euro festgesetzt ist. Der Beitragssatz in § 11 AbwS 2002 ist nach allem nicht zu beanstanden.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Sonstige Literatur

 
57 
Rechtsmittelbelehrung
58 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
59 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
60 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
61 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
62 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
63 
Beschluss vom 23. März 2006
64 
Der Streitwert wird für das Normenkontrollverfahren auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
65 
Gründe
66 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Normenkontrollverfahren richtet sich nach § 52 Abs. 2 GKG n.F. (vgl. § 72 Satz 1 Nr. 1, 1. Hs. GKG n.F.). (so die st. Rspr. d. Senats).
67 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4, Arbeitgeber der Briefdienstleistungsbranche und Mitglieder des am 11. September 2007 gegründeten Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste e.V., und der Kläger zu 2, ein Arbeitgeberverband derselben Branche, wenden sich mit ihren Feststellungsklagen gegen die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 (Bundesanzeiger 2007, Nr. 242, S. 8410). Mit dieser bis zum 30. April 2010 befristeten Verordnung regelt die Beklagte, dass näher bezeichnete Rechtsnormen des Tarifvertrages über Mindestlöhne für den Bereich Briefdienstleistungen, der zwischen dem im August 2007 gegründeten Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossen wurde, auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anwendbar sind, die unter seinen Geltungsbereich fallen. Danach beträgt der Bruttomindestlohn mit Wirkung vom 1. Dezember 2007 für Briefzusteller unabhängig vom zeitlichen und/oder mengenmäßigen Anteil an der Gesamttätigkeit je nach Bundesland 9,00 € bzw. 9,80 € und für die übrigen Arbeitnehmer der Branche 8,00 € bzw. 8,40 €.

2

Am 11. September 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Postdienste e.V., dem die Deutsche Post AG angehört, und die Gewerkschaft ver.di beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Aufnahme der Branche Postdienstleistungen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zugleich die Allgemeinverbindlicherklärung eines an diesem Tag geschlossenen Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne in der Branche Postdienste. Er sollte für alle Betriebe gelten, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an der Gesamttätigkeit des Betriebes. Ein Verfahren nach § 5 TVG wurde nicht betrieben. Das Bundesministerium leitete ein Verfahren zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Arbeitnehmer-Entsendegesetz ein. Im Bundesanzeiger vom 8. November 2007 wurden der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für die Branche Postdienste und der Entwurf einer Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Briefdienstleistungen bekannt gemacht, verbunden mit der Gewährung einer Frist zur schriftlichen Stellungnahme von drei Wochen. Im gleichzeitig durchgeführten Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes war insbesondere die Reichweite des einzubeziehenden Bereichs umstritten.

3

Nach einer Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 durch Protokollnotizen Anfang November 2007 hoben die Tarifvertragsparteien ihren Tarifvertrag am 29. November 2007 unter Ausschluss von Nachwirkungen auf und schlossen am selben Tag den nunmehr von der Verordnung erfassten Tarifvertrag. Zugleich beantragten sie beim Bundesminister für Arbeit und Soziales die Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages. Den daraufhin angepassten Verordnungsentwurf leitete das Bundesministerium nur denjenigen, die sich auf die Bekanntmachung vom 8. November 2007 geäußert hatten, mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. Dezember 2007 zu. Eine neue Bekanntmachung hielt es für unnötig.

4

Die beigeladene, im Oktober 2007 gegründete Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste schloss am 11. Dezember 2007 mit dem Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. einen Tarifvertrag für das Bundesgebiet. Er betrifft Unternehmen, die Mehrwertbriefdienstleistungen anbieten, die von der Universaldienstleistung trennbar sind, besondere Leistungsmerkmale aufweisen und qualitativ höherwertig sind. Nach § 3 des Tarifvertrages beträgt der Bruttomindestlohn für Mehrwertbriefdienstleistungen mit Wirkung vom 1. Januar 2008 je nach Bundesland 6,50 € oder 7,50 €. Weiter schloss die Beigeladene am 12. Dezember 2007 mit dem Kläger zu 2 einen Tarifvertrag für alle tarifgebundenen Betriebe, die als wesentliche betriebliche Tätigkeit näher definierte Postdienstleistungen, insbesondere die gewerbsmäßige Beförderung von adressierten schriftlichen Mitteilungen bis zu 2 kg zwischen Absender und Empfänger, erbringen. Er gilt deutschlandweit. Der ab dem 1. Januar 2008 vereinbarte Bruttomindestlohn liegt ebenfalls unter den in der streitigen Verordnung bestimmten Beträgen.

5

Am 14. Dezember 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. und die Beigeladene beim Bundesministerium den von ihnen geschlossenen Tarifvertrag zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Mehrwertbriefdienstleistungen vom 11. Dezember 2007 für allgemeinverbindlich zu erklären.

6

Am 14. Dezember 2007 beschloss der Bundestag das am 28. Dezember 2007 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Dessen Art. 1 fügte in § 1 Abs. 1 Satz 4 dieses Gesetzes die Wörter "und für Tarifverträge für Briefdienstleistungen, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend gewerbs- und geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördert" ein.

7

Am 19. Dezember 2007 stimmte die Bundesregierung unter der Bedingung des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes dem Erlass der streitigen Verordnung zu.

8

Am 28. Dezember 2007 unterzeichnete der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Verordnung, die am Tag darauf im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde.

9

Im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht machten die Kläger u.a. geltend, die Verordnung verletze ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sei formell rechtswidrig, weil die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der seinerzeit geltenden Fassung - AEntG a.F. - gebotene Beteiligung der Betroffenen fehlerhaft verlaufen sei. Die Verordnung sei außerdem materiell rechtswidrig. Sie sei nicht von ihrer Ermächtigungsgrundlage gedeckt, die nur eine Erstreckung eines Tarifvertrages auf nicht anderweitig Tarifgebundene ermögliche und eine Entsendeproblematik voraussetze. Der Verordnungsgeber missbrauche seine Verordnungsmacht zu wettbewerblichen Zwecken.

10

Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag der Kläger festgestellt, die Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen verletze den Kläger zu 2 in seinem Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie die übrigen Klägerinnen in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG.

11

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Klagen seien bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Es fehle an einem konkreten Rechtsverhältnis. Der Kläger zu 2 sei als Arbeitgeberverband nicht einmal Normadressat der Verordnung. Diese begründe zwar für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unmittelbar Pflichten, aber nicht für die Beklagte. Die Rechtsverordnung sei überdies rechtmäßig. Insbesondere sei sie von der Ermächtigung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz gedeckt. Die darin verwendete Formulierung, es könne bestimmt werden, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrages auf "nicht tarifgebundene" Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung fänden, sei bei einem weiten Verständnis, wonach auch anderweitig tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer von der Rechtsverordnung erfasst würden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieses Verständnis habe die Beklagte bisher allen Mindestlohnverordnungen zugrunde gelegt.

12

Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsverfahren das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgewiesen. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten - hinsichtlich des Klägers zu 2 - zurückgewiesen. Hinsichtlich der Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien die Sachurteilsvoraussetzungen einer Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO nicht erfüllt. Zwar seien die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 kraft Verordnung unmittelbar verpflichtet, ihren Arbeitnehmern den im Tarifvertrag vom 29. November 2007 bestimmten Mindestlohn zu gewähren. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten begründe dies jedoch kein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Der Zulässigkeit stehe zudem die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) entgegen, die rechtswegübergreifend zu verstehen sei. Die Rechtmäßigkeit der Verordnung könne inzident im arbeitsgerichtlichen Verfahren geklärt werden. Die Feststellungsklage des Klägers zu 2 sei dagegen zulässig. Zwar begründe die Rechtsverordnung für ihn keine unmittelbaren Pflichten. Sie betreffe ihn aber in seinen satzungsmäßigen Aufgaben als Arbeitgeberverband, zu denen auch der Abschluss von Tarifverträgen gehöre. Dem Kläger zu 2 werde durch die Rechtsverordnung die Möglichkeit genommen, im Geltungsbereich des Tarifvertrages für seine Mitglieder abweichende Tarifverträge abzuschließen. Damit werde der Kläger zu 2 in seiner grundrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit als Arbeitgeberkoalition eingeschränkt. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG schütze auch die Koalition selbst in ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Die Klage des Klägers zu 2 sei auch begründet. Der Erlass der Verordnung verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Überdies verstoße die Verordnung gegen den Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 80 Abs. 1 GG, weil die in der Verordnung zitierte gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG es nur zulasse, dass alle unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden und nicht bereits anderweitig tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von deren Geltungserstreckung erfasst würden. Die Verordnung greife auch deshalb unzulässig in verfassungsmäßige Rechte des Klägers zu 2 ein, weil die Beklagte bei ihrem Erlass die in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG geregelten Beteiligungsrechte missachtet haben. Die Anfang November eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme durch die erfolgte Veröffentlichung im Bundesanzeiger habe den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Die Aufhebung des alten und der Abschluss eines neuen Tarifvertrages hätten die Einleitung eines neuen Verfahrens mit erneuter Beteiligung erforderlich gemacht.

13

Gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts haben die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

14

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 rügen, dass das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht von der Unzulässigkeit ihrer Klage ausgegangen sei. In Übereinstimmung mit dem Kläger zu 2 machen sie geltend, die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechtspositionen.

15

Die Klägerin zu 1 beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufzuheben, soweit es die Klage der Klägerin und Berufungsbeklagten zu 1 abgewiesen hat, und die Berufung der Beklagten auch insoweit zurückzuweisen.

16

Die Klägerinnen zu 3 und 4 beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

17

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 abzuändern, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und die Klage des Klägers zu 2 abzuweisen und die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zurückzuweisen.

18

Der Kläger zu 2 beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

19

Die Beklagte hält die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 für unzulässig und die Klage des Klägers zu 2 für unbegründet. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten bestehe kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, weil die streitige Verordnung vom 28. Dezember 2007 die Rechtsbeziehungen zwischen Normgeber und Normadressaten nicht unmittelbar gestalte. Dessen ungeachtet sei eine Feststellungsklage auch subsidiär. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 hätten die Möglichkeit, die Verordnung vom 28. Dezember 2007 in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht oder, soweit Überwachungs- und Sanktionsmaßnahmen in Betracht kämen, vor dem Finanzgericht inzident überprüfen zu lassen.

20

Die Klage des Klägers zu 2 sei unbegründet. Die Verordnung vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtmäßig, insbesondere sei die Einholung einer erneuten Stellungnahme der von der Verordnung betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 nicht mehr erforderlich gewesen.

Entscheidungsgründe

21

Die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben Erfolg. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung von § 43 VwGO, in dem es zu Unrecht annimmt, die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien mangels eines feststellbaren Rechtsverhältnisses zwischen Normgeber und Normadressat und wegen der Subsidiarität der Feststellungsklagen unzulässig (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Die Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Deshalb führen die Revisionen insoweit zur Aufhebung des Urteils (1.). Die Revision der Beklagten erweist sich nicht als begründet. Das Oberverwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellungsklage des Klägers zu 2 zulässig ist (2.). Auch seine Annahme, der Kläger zu 2 sei wegen Missachtung des in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens in seinen Rechten verletzt, ist frei von Rechtsfehlern. Die Missachtung des Beteiligungsverfahrens verletzt in gleicher Weise auch die Rechte der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 (3.).

22

1. Die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 sind zulässig.

23

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

24

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (Urteile vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <329 f.> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30 S. 87 f., vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264> = Buchholz 454.9 MietpreisR Nr. 15 S. 2 f. und vom 20. November 2003 - BVerwG 3 C 44.02 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 37). Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss "in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig" sein (Urteile vom 13. Oktober 1971 - BVerwG 6 C 57.66 - BVerwGE 38, 346 m.w.N. = Buchholz 232 § 123 BBG Nr. 8 und vom 30. Mai 1985 - BVerwG 3 C 53.84 - BVerwGE 71, 318 = Buchholz 418.32 AMG Nr. 13; Beschluss vom 12. November 1987 - BVerwG 3 B 20.87 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 97). Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (Urteil vom 23. Januar 1992 a.a.O. S. 330 bzw. S. 88). Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Darauf beschränkt sich das Klagebegehren bei sinngemäßer Auslegung nach § 88 VwGO jedoch nicht.

25

aa) Der Antrag der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 festzustellen, dass die Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt, richtet sich nicht auf die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Norm, so dass § 47 VwGO gegenüber dem Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keine Sperrwirkung entfaltet. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt (Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355 <363> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 238). Von einer "Umgehung" des § 47 VwGO kann nur dann die Rede sein, wenn mit einem auf eine andere Klageart gestützten Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm oder einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines ungewissen künftigen Sachverhalts erreicht werden soll; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen theoretisch zu lösen (Urteil vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 78). Anders liegt es dagegen, wenn - wie vorliegend - die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm als - wenn auch streitentscheidende - Vorfrage aufgeworfen wird (Urteile vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - a.a.O. und vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <278> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1; so auch BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 541/02 u.a. - BVerfGE 115, 81 <95 f.>). Mit dem Feststellungsbegehren werden subjektive Rechtspositionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 geltend gemacht, um Einschränkungen der tarifautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes abzuwehren.

26

bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts besteht zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten ein feststellungsfähiges konkretes streitiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Es ergibt sich aus der Anwendung der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 3a AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3140) und der den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 verbürgten Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG. Streitig ist, ob der zuständige Minister der Beklagten formell- und materiellrechtlich gegenüber den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 befugt war, auf der Grundlage des § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (a.F.) die streitige Rechtsverordnung zu erlassen, und ob die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nach wie vor berechtigt sind, ihre Arbeitnehmer zu niedrigeren Löhnen zu beschäftigen, als es den im Verordnungsweg erstreckten Mindestlohnregelungen entspricht. Das Vorbringen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, wegen eingegangener anderweitiger Tarifbindung würden sie von der Erstreckungsregelung in der Rechtsverordnung nicht erfasst, lässt sich als ein Geltendmachen des "Nichtbestehens" eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO deuten.

27

Ein im Verhältnis zur Beklagten feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil das Recht der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, die Zahlung des Mindestlohns zu verweigern, nicht gegenüber der Beklagten, sondern nur gegenüber ihren Arbeitnehmern bestünde. Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und ihren Arbeitnehmern schließt das gleichzeitige Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten als Verordnungsgeberin nicht aus. Beide Rechtsverhältnisse sind von einander abzugrenzen, weil sie auf der Anwendung unterschiedlicher Rechtsnormen beruhen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zu ihren Arbeitnehmern richtet sich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen des Privatrechts sowie - bei wirksamer Erstreckung - der tariflichen Mindestlohnvereinbarung. Das streitige Rechtsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten beurteilt sich hingegen nach § 1 Abs. 3a Satz 1 und 2 AEntG a.F. und den Grundrechtspositionen, in deren Schutzbereich die tarif- oder privatautonome Vereinbarung von Arbeitsentgelten fällt. Wegen des von den Klägerinnen zu 3 und 4 zwischenzeitlich abgeschlossenen Mantel-/Haustarifvertrages vom 23. April 2008 und der Bindung der Klägerin zu 1, die Mitglied im Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste ist, an den Tarifvertrag vom 11. Dezember 2007 kommt eine Verletzung ihrer positiven, ihnen als Arbeitgebern zustehenden Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG in Betracht. Jedenfalls ist ihre Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berührt, weil die Erstreckung von Mindestlohntarifregelungen das Recht des Arbeitgebers einschränkt, die Arbeitsbedingungen privatautonom zu gestalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Dezember 2004 - 1 BvR 2283/03, 2504/03 und 2582/03 - NZA 2005, 153 <155>).

28

cc) Die Annahme eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses scheitert vorliegend auch nicht daran, dass eine Feststellungsklage des Normadressaten unmittelbar gegen den Normgeber im Regelfall ausscheidet. Da nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist und Art. 83 GG ebenso grundsätzlich bestimmt, dass die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, d.h. sie verwaltungsmäßig umsetzen, eröffnet sich im Regelfall ein Rechtsverhältnis zwischen Normadressaten und Normanwender, nicht hingegen zwischen Normadressaten und Normgeber, weil Letzterer an der Umsetzung der Norm gegenüber dem Adressaten nicht beteiligt ist (Urteil vom 23. August 2007 - BVerwG 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 <204> = Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 5). Das schließt jedoch nicht aus, über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinaus - wenn etwa das Recht des Betroffenen auf Gleichbehandlung den Erlass oder die Änderung einer Rechtsnorm gebietet (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 4. Juli 2002 - BVerwG 2 C 13.01 - Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2 und vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93) - eine Feststellungsklage gegen den Normgeber auch für zulässig zu halten, wenn mangels administrativen Vollzugs kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Normanwender und Normadressat begründet, die Rechtsbeeinträchtigung bereits unmittelbar durch die Norm bewirkt wird und effektiver Rechtsschutz nur im Rechtsverhältnis zwischen Normgeber und Normadressat gewährt werden kann.

29

Dass eine Norm "self-excuting" ist, d.h. dass sich aus ihr unmittelbar Rechte und Pflichten ergeben, begründet jedoch noch kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Normgeber, soweit dort noch Verwaltungsvollzug möglich ist (vgl. Urteil vom 23. August 2007 a.a.O. S. 205). Auch bei solchen Normen können sich normbetroffene Personen und eine die Norm vollziehende Behörde gegenüberstehen, die die Regelungen konkretisiert oder individualisiert und Anordnungen für den Einzelfall aufgrund gesetzlicher Befugnisse trifft. In solchen Fällen muss die Feststellung eines konkreten streitigen Rechtsverhältnisses zwischen Normadressat und Normanwender geklärt werden und nicht eine Rechtsbeziehung zum Normgeber.

30

Eine Feststellungsklage gegen den Normgeber kommt mithin nur dann in Betracht, wenn die Rechtsverordnung unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist (vgl. etwa Urteil vom 1. März 1967 - BVerwG 4 C 74.66 - BVerwGE 26, 251 <253> = Buchholz 445.4 § 23 WHG Nr. 2; Beschluss vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 7 VR 1.02 - Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 2; Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <279> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1, vom 26. November 2003 - BVerwG 9 C 6.02 - BVerwGE 119, 245 <249> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 2 und vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <155 f.> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3). Das ist hier der Fall. Aus der Erstreckung tarifvertraglicher Regelungen durch § 1 BriefArbbV ergeben sich unmittelbar Pflichten der von ihrem Anwendungsbereich erfassten Arbeitgeber. Eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Maßnahmen des Verwaltungsvollzugs ist nicht vorgesehen.

31

Nach dem Wortlaut des § 1 BriefArbbV führt die Erstreckung der Rechtsnormen des zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrages vom 29. November 2007 dazu, dass dessen Regelungen auf alle nicht bereits an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzuwenden sind. Sie gelten damit kraft Tariferstreckung durch Rechtsverordnung, indem sie die betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den persönlichen Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages einbeziehen. Die Betroffenen unterliegen damit der Bindung an die Regelungen des Tarifvertrages ebenso wie die Tarifvertragsparteien. Nach § 4 Abs. 1 TVG verdrängen tarifvertragliche Regelungen in ihrem Geltungsbereich grundsätzlich entgegenstehende arbeitsvertragliche Abreden, ohne dass es dazu einer Umsetzung oder anderer Maßnahmen bedarf (Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl. 2004, § 4 Rn. 21). Bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs tarifvertraglicher Regelungen nach § 1 Abs. 3a AEntG tritt die unmittelbare Gestaltungswirkung jedenfalls bei Arbeitsverhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein, die bisher keiner Tarifbindung unterlagen. Auch bei Arbeitsverhältnissen, auf die unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen Anwendung finden können, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass die Rechtsverordnung eine Verpflichtung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Zahlung des Mindestlohns begründet. Auch die Beklagte geht davon aus, dass durch die unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung eine anderweitige Tarifbindung verdrängt wird.

32

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Fälle der Tarifkonkurrenz, d.h. der Bindung beider Arbeitsvertragsparteien an konkurrierende Tarifverträge, grundsätzlich nach den Regeln der sog. Tarifspezialität zu lösen. Zur Anwendung kommt der speziellere Tarifvertrag, der dem betreffenden Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am nächsten steht. Das gilt auch bei einer Tarifkonkurrenz zwischen einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag nach § 5 TVG und einem nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag und für die Fälle der Tarifpluralität, also der Bindung eines Arbeitgebers an mehrere Tarifverträge (BAG, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 10 AZR 113/02 - AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; a.A. LAG Frankfurt/Main, Urteil vom 14. Juli 2003 - 16 Sa 530/02 - DB 2004, 1786). Der Vorrang des spezielleren Tarifvertrages gilt allerdings dann nicht, wenn der speziellere Tarifvertrag ohne Tarifbindung des Arbeitgebers lediglich einzelvertraglich vereinbart worden ist (BAG, Urteile vom 22. September 1993 - 10 AZR 207/92 - AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz und vom 4. Dezember 2002 a.a.O.).

33

Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 und 3 AEntG a.F. werden Tarifkonkurrenzen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch nach dem Günstigkeitsprinzip gelöst. Die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung verdrängt die ungünstigere, unabhängig davon, ob der betreffende Tarifvertrag aufgrund vertraglicher Bindung nach § 3 TVG oder aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung anzuwenden ist (BAG, Urteile vom 20. Juli 2004 - 9 ARZ 343/03 - BAGE 111, 247 und vom 18. Oktober 2006 - 10 AZR 576/05 - BAGE 120, 1). Wird die Tarifkonkurrenz auch bei einer Erstreckung tariflicher Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung nach dem Günstigkeitsprinzip aufgelöst, ergibt sich für alle Arbeitgeber, die nicht bereits aufgrund anderweitiger Tarifbindung zur Zahlung des Mindestlohnes verpflichtet sind, diese Pflicht aus der unmittelbaren Einbeziehung in den Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages.

34

Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sieht wegen der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der durch die Rechtsverordnung erstreckten Tarifnormen keine Umsetzungs- bzw. Vollzugsakte vor, sondern beschränkt sich darauf, Verstöße mit Sanktionen zu bewehren (vgl. § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 4 AEntG a.F. i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 OWiG zur Zuständigkeit der Bundesbehörden; § 5 Abs. 1 und 2 AEntG a.F.). Eine Verfolgung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit ist jedoch nicht geeignet, zwischen den Klägerinnen und der Beklagten ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zu begründen. Ein solches Rechtsverhältnis besteht ausschließlich zur Beklagten als Normgeberin, die die Pflichtenregelung durch die Bekanntgabe im Bundesanzeiger ausgelöst hat und die sie wieder aufheben könnte (Beschluss vom 19. Dezember 2002 a.a.O.).

35

Diese Annahme steht nicht im Widerspruch zur nicht entscheidungstragenden Erwägung im Urteil des 7. Senats vom 23. August 2007 (a.a.O.), dass es über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinausgehend keiner weiteren "atypischen Feststellungsklagen" gegen den Normgeber bedürfe. Diese Formulierung ist nicht dahingehend zu verstehen, dass ein konkretes Rechtsverhältnis zum Normgeber in allen anderen Fällen begrifflich ausgeschlossen wäre, sondern erklärt sich daraus, dass regelmäßig, wie im seinerzeit zu entscheidenden Fall, die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Norm im Rahmen der gegen die Vollzugsbehörde gerichteten Feststellungsklage als inzident zu prüfende Vorfrage geklärt werden kann. So wurde damals die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gegen den Normgeber mit Blick auf die Befugnis in § 21 KrW-/AbfG zum Vollzug der Verpackungsverordnung verneint. Mit der Frage, ob bei Fehlen des Verwaltungsvollzugs eine Feststellungsklage gegen den Normgeber in Betracht kommt, setzt sich die Entscheidung des 7. Senats nicht auseinander.

36

Für die Annahme eines streitigen Rechtsverhältnisses genügt es, dass die Möglichkeit der Verdrängung einer anderweitigen Tarifbindung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 durch eine unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung besteht, deren Beachtung von der Beklagten eingefordert wird. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Feststellungsklage muss weder abschließend geklärt werden, ob bei einer Tariferstreckung nach § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG a.F. das Günstigkeitsprinzip anzuwenden ist, noch, ob sich die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unter Hinweis auf den Grundsatz der Spezialität auf einen betriebsnäheren Tarifvertrag berufen können, der ihre Verpflichtung zur Zahlung eines erstreckten Mindestlohnes entfallen lässt. Fragen zur Wirksamkeit der von den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgeschlossenen Tarifverträge sind daher ebenfalls unerheblich.

37

b) Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben auch ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung. Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art ein. Unabhängig von den Sanktionen, die den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 drohen, falls sie den festgesetzten Bruttomindestlohn ihren Arbeitnehmern nicht bezahlen, ergibt sich ein wirtschaftliches Interesse der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 schon daraus, dass sie wegen der finanziellen Belastung möglichst frühzeitig wissen wollen, ob sie verpflichtet sind, den festgesetzten Bruttomindestlohn zu zahlen. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 können daneben auch geltend machen, dass sie durch die Erstreckungswirkung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und/oder von Art. 9 Abs. 3 GG ist jedenfalls möglich.

38

c) Zu Unrecht hat das Oberverwaltungsgericht eine Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO bejaht und angenommen, eine mögliche Klärung des Rechtsstreits sei in einem arbeitsgerichtlichen Prozess aus prozessökonomischen Gründen vorrangig.

39

Wegen des fehlenden Verwaltungsvollzugs können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keinen Rechtsschutz durch eine verwaltungsgerichtliche Gestaltungsklage im Wege der Anfechtung erlangen. Auch eine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage scheidet aus.

40

Eine Subsidiarität gegenüber Rechtsbehelfen zu den Arbeits- oder Finanzgerichten ist nicht gegeben. Ebenso wenig können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 darauf verwiesen werden, vorrangig in einem Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz eine Klärung der aufgeworfenen Fragen herbeizuführen. Das Berufungsgericht wird im angegriffenen Urteil der Zielsetzung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht gerecht. Diese Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (Urteil vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93). Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 3 C 8.95 - Buchholz 418.61 Tierkörperbeseitigungsgesetz Nr. 12). Wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtswege gilt diese Zielsetzung "rechtswegübergreifend", d.h. etwa auch dann, wenn die mit der Feststellungsklage konkurrierende Klage vor dem Zivilgericht zu erheben ist (Urteile vom 18. Oktober 1985 - BVerwG 4 C 21.80 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 28 = BVerwGE 72, 172 und vom 12. Juli 2000 - BVerwG 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 <308 f.> = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133). Eine Subsidiarität ist jedoch zu verneinen, wenn die Feststellungsklage - wie hier - effektiveren Rechtsschutz bietet (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <156> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3).

41

Die Feststellungsklage ist nicht subsidiär gegenüber der Möglichkeit, sich gegen Leistungsklagen der Arbeitnehmer auf Lohnzahlung vor den Arbeitsgerichten zu wehren und in diesen Verfahren eine inzidente Kontrolle der BriefArbbV herbeizuführen. Zum einen legt der Wortlaut des § 43 Abs. 2 VwGO nahe, dass die Subsidiarität die Möglichkeit anderweitiger aktiver Geltendmachung eigener Rechte, und nicht nur eine Verteidigungsmöglichkeit oder eine mögliche Beteiligung als Dritter voraussetzt. Im Übrigen würde die Stellung als Beklagte im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nicht davor schützen, von der zuständigen Behörde vor Ergehen eines rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts über die Lohnklage mit Sanktionen wegen der Nichtgewährung des Mindestlohns belangt zu werden.

42

Es ist für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 auch nicht zumutbar, über ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eine gerichtliche Klärung zu erreichen (Urteil vom 13. Januar 1969 - BVerwG 1 C 86.64 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 31 = BVerwGE 31, 177). § 5 Abs. 3 AEntG a.F. erlaubt eine Ahndung mit bis zu 500 000 €. Dass die Beklagte ihre Behörden angewiesen hat, während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Sanktionen zu verhängen und sich auf Ermittlungen zu beschränken, bedeutet keinen Verzicht, sondern nur einen zeitlichen Aufschub. Da die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 Klarheit haben wollen, ob sie verpflichtet sind, allen bei ihnen beschäftigten Mitarbeitern den Bruttomindestlohn zu zahlen, geht es ihnen auch nicht lediglich darum, vorbeugenden Rechtsschutz gegenüber etwaigen späteren Bußgeldverfahren zu erlangen (Urteile vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207 <213> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 16 und vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <331> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30).

43

Soweit nach § 23 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. April 2009 (BGBl I S. 818), der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet ist, handelt es sich um Rechtsbehelfe gegen Prüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen sowie gegen datenschutzrechtlich relevantes Handeln der Finanzbehörden im Zuge der Verfolgung von Verstößen gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Unterlassungsklagen dagegen stellen keinen effektiven Rechtsschutz hinsichtlich der Klärung der geltend gemachten Rechtsverletzungen durch die Verordnung dar, der einer Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO vorgeht.

44

2. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage des Klägers zu 2 im Ergebnis zu Recht bejaht.

45

a) Auch zwischen dem Kläger zu 2 und der Beklagten besteht ein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Gegenstand des Streits zwischen diesen Beteiligten ist die Anwendung des § 1 Abs. 3a AEntG und der darauf gestützten BriefArbbV auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Betätigung des Klägers zu 2 als Arbeitgeberverband (Koalition). Streitig ist, ob § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG zur Tariferstreckung gegenüber anderweitig tarifgebundenen Arbeitgebern ermächtigt mit der Folge, dass vom Kläger zu 2 wirksam abgeschlossene oder noch abzuschließende Tarifverträge bei Anwendung des Günstigkeitsprinzips verdrängt würden, und ob dem Kläger zu 2 wegen eines mittelbaren Eingriffs in sein Recht auf koalitionsgemäße Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG ein Abwehrrecht gegen die Geltungserstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen nach § 1 BriefArbbV zusteht, obwohl die Verordnung nur für seine Mitglieder, und nicht für ihn selbst unmittelbar Rechte und Pflichten begründet.

46

Für das Vorliegen eines im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO streitigen konkreten Rechtsverhältnisses ist es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht erforderlich, abschließend zu klären, ob die zwischen den Beteiligten streitige Befugnis zum Erlass der Verordnung und das geltend gemachte Abwehrrecht tatsächlich bestehen.

47

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zwischen ihr und dem Kläger zu 2 weder voraus, dass die umstrittene Verordnung den Arbeitgeberverband unmittelbar verpflichtet, noch, dass sie ihm den Abschluss den Mindestlohn unterschreitender Tarifverträge verbietet. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit kann auch mittelbaren Beeinträchtigungen der koalitionsgemäßen Betätigung entgegengehalten werden.

48

Art. 9 Abs. 3 GG schützt die Koalition selbst in ihrem Bestand, in ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen (BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 u.a. - BVerfGE 50, 290 <373 f.>; Beschlüsse vom 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212 <224>, vom 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93, 1 BvR 897/95 - BVerfGE 100, 271 <282> und vom 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293 <304>). Der Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigungen beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (Beschluss vom 27. April 1999 a.a.O. m.w.N.) und umfasst insbesondere auch die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht. Das Aushandeln von Tarifverträgen ist ein wesentlicher Zweck der Koalitionen (BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 268 <283> m.w.N.). Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (BVerfG, Beschlüsse vom 24. April 1996 a.a.O., vom 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - BVerfGE 93, 353 <358> und vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - NJW 2007, 51 <53>). Die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben für geeignet halten, bleiben unter dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen überlassen (BVerfG, Beschluss vom 28. April 1976 - 1 BvR 71/73 - BVerfGE 42, 133 <138>; Urteil vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 u.a. - BVerfGE 92, 365 <393>). Allerdings schützt Art. 9 Abs. 3 GG einen Arbeitgeberverband nicht gegen ein tarifpolitisches Konkurrenzverhältnis, selbst wenn dieses den Verlust von Verbandsmitgliedern zur Folge haben kann (Beschlüsse vom 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322 <352> m.w.N. und vom 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 - BVerfGE 55, 7 <24>). Die Koalitionsfreiheit schützt aber vor staatlicher Einflussnahme auf das Konkurrenzverhältnis.

49

Solche für den Kläger zu 2 als Arbeitgeberverband nachteiligen mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit ergeben sich bei Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips aus der Verdrängungswirkung der erstreckten tariflichen Mindestlohnvereinbarung gegenüber den Mindestlohn unterbietenden, bereits abgeschlossenen oder noch abzuschließenden Tarifverträgen im selben Geltungsbereich. Auf die Frage, ob der vom Kläger zu 2 bereits abgeschlossene Tarifvertrag wirksam ist, und auf die in diesem Zusammenhang erhobenen, arbeitsgerichtlich noch nicht rechtskräftig geklärten Bedenken gegen die Tariffähigkeit und Gegnerfreiheit der Beigeladenen kommt es für die Geltendmachung einer mittelbaren Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit nicht an. Auch wenn die Verdrängungswirkung sich noch nicht aktualisiert haben sollte, verschlechtert sie bereits jetzt die Verhandlungsposition der Arbeitgeberverbände, die nicht am Abschluss des erstreckten Tarifvertrages beteiligt waren. Die Erstreckung der Geltung tariflich vereinbarter Mindestarbeitsbedingungen auf anderweitig Tarifgebundene beeinträchtigt die Verhandlungs- und Wettbewerbsposition der nicht am Tarifvertragsschluss beteiligten Koalitionen jedenfalls insoweit, als sie mit einer Verdrängung ihrer - auch künftigen - Tarifabreden rechnen müssen. Aufgrund der durch die Rechtsverordnung erfolgten Erstreckung des Tarifvertrages vom 29. November 2007 kann der Kläger zu 2 seine durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten tarif- und sozialpolitischen Zielvorstellungen beim angestrebten Abschluss anderweitiger Tarifverträge mit von der Allgemeinverbindlicherklärung abweichendem Inhalt nur noch im beschränkten Maße verwirklichen. Seine koalitionsspezifische Verhandlungsposition wird durch den Erlass der Rechtsverordnung damit beeinträchtigt. Für ihn verschlechtern sich die Möglichkeiten, unbehindert von den Rechtswirkungen der Tariferstreckung mit Arbeitnehmerkoalitionen Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, die seinen tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und denjenigen seiner Mitgliedsunternehmen entsprechen.

50

Die Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit kann im Einzelfall durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein, ist aber jedenfalls rechtfertigungsbedürftig. Das reicht für das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO aus.

51

Dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2000 - 1 BvR 948/00 - (GewArch 2000, 381 f.) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Denn weder er selbst noch die darin in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verhalten sich zur Frage, ob in einer Erstreckung tarifvertraglicher Normen auf einen Arbeitgeberverband eine rechtfertigungsbedürftige mittelbare Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit liegen kann.

52

b) Das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse des Klägers zu 2 an der baldigen Feststellung liegt vor. Der Kläger zu 2 ist mittelbar eingeschränkt, seine tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele zu verfolgen und entsprechend diesen Zielvorstellungen für seine Mitgliedsunternehmen von dem durch Rechtsverordnung erstreckten Tarifvertrag abweichende Arbeitsbedingungen auszuhandeln und abzuschließen. Er hat ein geschütztes wirtschaftliches und ideelles Interesse daran, die Rechtmäßigkeit seiner Einschränkung gerichtlich durch Feststellungsklage überprüfen zu lassen und kann eine mögliche Verletzung seiner Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG geltend machen.

53

c) Die vom Kläger zu 2 erhobene Feststellungsklage ist auch nicht unzulässig, weil sie gegenüber einer Klage vor den Arbeitsgerichten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG) subsidiär wäre. Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem TVG oder über das Bestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Für solche sog. Verbandsklagen ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Dabei handelt es sich um eine "quasi-Normenkontrolle" (Reinecke, in: Däubler, Kommentar zum Tarifvertragsgesetz, 2. Aufl. 2006, § 9 Rn. 3) der Tarifvertragsparteien, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben. Der Kläger zu 2 scheidet als Partei eines Verfahrens nach § 9 TVG gegen den Tarifvertrag vom 29. November 2007 von vornherein aus, weil er an dessen Abschluss nicht beteiligt war.

54

Der Kläger zu 2 kann auch nicht auf den Abschluss eines eigenen Tarifvertrages verwiesen werden, um dann gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG dessen Gültigkeit im Wege der Verbandsklage abklären zu lassen. Mit einer solchen Klage kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages, jedoch nicht geklärt werden, ob ein Tarifvertrag nach den Regelungen der Tarifkonkurrenz oder aus anderen Gründen gegenüber anderen Tarifverträgen zurücktritt (Franzen, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2010, § 9 TVG Rn. 7). Sie könnte den Kläger zu 2 jedenfalls vor den hier in Betracht zu ziehenden mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit, die von der Rechtsverordnung ausgehen, nicht schützen.

55

3. Gegen die selbstständig tragende Annahme des Berufungsgerichts, dass beim Erlass der Rechtsverordnung zur Erstreckung der tariflichen Mindestlohnregelungen das vorgeschriebene Verfahren nicht beachtet worden ist und dass die wegen der Evidenz des Verfahrensfehlers rechtswidrige Verordnung den Kläger zu 2 in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt, ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.

56

a) Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die BriefArbbV den Kläger zu 2 in seinen Rechten verletzt, weil die Beklagte beim Erlass der Rechtsverordnung das gesetzlich in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebene Verfahren missachtet hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem dort geregelten Beteiligungsgebot komme wegen des Fehlens sonstiger materiellrechtlicher Anforderungen an den Erlass der Rechtsverordnung einerseits und der handgreiflichen Betroffenheit der Arbeitgeberseite im grundrechtlich geschützten Bereich andererseits wesentliche Bedeutung für die Abwägung der für und wider den Erlass der Rechtsverordnung streitenden Erwägungen zu, ist nicht zu beanstanden. Der Senat teilt die Auffassung, dass zwischen den normativen Regelungen des Tarifvertrages und dem Beteiligungsrecht ein unmittelbarer Bezug dergestalt besteht, dass sich die Gelegenheit zur Stellungnahme der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die konkrete Tarifvertragsvereinbarung beziehen muss und nicht allgemein auf ein "Projekt", das in einer Branche Mindestarbeitsbedingungen mit dem Instrumentarium des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes festlegen will.

57

b) Gemäß § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor Erlass der Rechtsverordnung den in den Geltungsbereich der vorgesehenen Rechtsverordnung fallenden Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. nicht dahingehend zu interpretieren, dass es ausreicht, den zu Beteiligenden auch in dem Fall Gelegenheit zur Stellungnahme nur zum ursprünglichen Entwurf der Rechtsverordnung zu geben, wenn dieser im weiteren Verlauf des Verfahrens wesentlich in seinem Inhalt verändert wird. Die gegenteilige Annahme der Beklagten lässt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung, noch aus ihrem Sinn und Zweck und ihrer Systematik herleiten.

58

Bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. ergibt sich, dass das Recht zur Stellungnahme auf den konkreten Tarifvertrag bezogen ist, dessen Rechtsnormen durch Rechtsverordnung auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt werden sollen. Zu beteiligen sind nicht nur diejenigen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die unter den Anwendungsbereich der Rechtsverordnung fallen, sondern auch die Parteien des Tarifvertrages, dessen Regelungen erstreckt werden sollen. Damit besteht zwischen den Rechtsnormen des konkreten, zu erstreckenden Tarifvertrages und dem Recht zur Stellungnahme eine unmittelbare Beziehung, die das Oberverwaltungsgericht zutreffend mit "handgreiflicher Betroffenheit" jedenfalls im grundrechtlich geschützten Bereich umschrieben hat. Existiert der ursprüngliche Tarifvertrag nicht mehr und wird ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, so bedarf es grundsätzlich auch eines hierauf bezogenen neuen Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung und einer erneuten Beteiligung im Sinne des Gesetzes.

59

Auch der erkennbare Zweck des Rechts zur Stellungnahme spricht für eine erneute Beteiligung im vorliegenden Fall. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. dient nicht nur der Information des zuständigen Ministeriums, sondern soll den Betroffenen die Möglichkeit einräumen, ihre Rechte geltend zu machen. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gewährt den betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages das Recht zur Stellungnahme, weil sich die Geltungserstreckung eines Tarifvertrages per Rechtsverordnung unmittelbar gestaltend auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse auswirkt. Betroffen sind grundrechtlich geschützte Positionen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da die Freiheit zur privatautonomen Gestaltung der Arbeitsverhältnisse eingeschränkt wird. Die damit einhergehende finanzielle Belastung der Arbeitgeber durch die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns kann je nach Wirtschaftslage und Kostenstruktur eines betroffenen Unternehmens unter Umständen auch zu betriebsbedingten Kündigungen führen und so mittelbar die freie Berufsausübung der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Die Beteiligung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. soll gewährleisten, dass der Verordnungsgeber diese Gesichtspunkte und die Interessen aller Betroffenen in das Verordnungsverfahren einbezieht, um in einem späteren Abwägungsvorgang die widerstreitenden Interessen zu gewichten und zu werten (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 4. Dezember 1998, BTDrucks 14/151 S. 32 f.). Wegen der eingeschränkten Kontrolldichte bei der Prüfung gesetzgeberischer Einschätzungen und Zielsetzungen im Bereich des Arbeits- und Wirtschaftsrechts ist die vom Gesetz eingeräumte Gelegenheit zur Geltendmachung eigener Rechte vor Inkrafttreten der Regelung von besonderer Bedeutung. Da die Verordnung unmittelbare Gestaltungswirkung hat und ein administrativer Vollzug nicht vorgesehen ist, können die Betroffenen auch nicht auf ein Verwaltungsverfahren verwiesen werden, um dort rechtliches Gehör nach Maßgabe der Vorschriften des VwVfG zu erlangen. Ihre rechtlichen Interessen können sie nur im Rahmen der Beteiligung vor Erlass der Verordnung zu Gehör bringen.

60

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Vergleich mit dem Konsultations- und Konsolidierungsverfahren, das von der Bundesnetzagentur im Marktregulierungsverfahren (vgl. §§ 9 f. TKG) durchzuführen ist, zu keinem anderen Ergebnis, weil dieses Verfahren anderen Zwecken dient. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - (BVerwGE 131, 41 <59 f.>) dazu ausgeführt: "Bei der Konsultation geht es nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie um die Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Regulierungsadressaten ..., sondern um die Herstellung umfassender Transparenz gegenüber der interessierten Fachöffentlichkeit." Daher bezieht die Konsultation neben den Antragstellern und den Adressaten gemäß § 12 Abs. 1 TKG auch nur "interessierte" Dritte mit ein, und ist das Konsultationsergebnis nach § 5 TKG zu veröffentlichen.

61

Der von der Beklagten vorgenommene Vergleich mit Anhörungspflichten aus dem Bereich planerischer oder planungsähnlicher Verwaltungsentscheidungen führt zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung. Vielmehr sieht § 73 VwVfG, der das Anhörungsverfahren für den Bereich der Planfeststellung regelt, ebenfalls eine erneute Anhörung für den Fall der Planänderung vor (vgl. § 73 Abs. 8 VwVfG).

62

Auch aus § 28 Abs. 1 VwVfG folgt nicht, dass eine einmalige Anhörung in allen Verwaltungsverfahren auch im Falle nachträglich erfolgter wesentlicher Änderungen des Anhörungsgegenstandes ausreichend ist, um dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs zu genügen. § 28 VwVfG gilt überdies ausschließlich für Verwaltungsverfahren, die in den Erlass eines Verwaltungsakts münden und ist auf die Beteiligung in einem Normerlassverfahren weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. § 1 Abs. 3a AEntG a.F. ist insofern lex specialis.

63

Für die Notwendigkeit einer erneuten Beteiligung vor Erlass der Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a AEntG für den Fall einer wesentlichen Änderung des ursprünglichen Tarifvertrages, dessen Erklärung als allgemeinverbindlich zunächst beantragt worden war, spricht auch die Gesetzessystematik. Mit § 1 Abs. 3a AEntG a.F. sollte im Interesse einer wirksamen Durchführung des Gesetzes die bislang ausschließliche Anknüpfung an allgemeinverbindliche Tarifverträge um eine Ermächtigung zur Tariferstreckung durch Rechtsverordnung ergänzt werden. In Bezug auf die Verbindlichkeit der einzuhaltenden Arbeitsbedingungen sollte sich hieraus kein Unterschied ergeben (BTDrucks 14/45 S. 17, 25, 26). § 5 Abs. 1 und 2 TVG stellt sowohl hinsichtlich der am Verfahren zu Beteiligenden als auch bezüglich der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages höhere Anforderungen als das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Nach § 5 Abs. 1 TVG ist neben dem Antrag einer Tarifvertragspartei und dem Einverständnis des Ausschusses, der aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, für die Allgemeinverbindlicherklärung erforderlich, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 v.H. der unter den Geltungsbereich des zu erstreckenden Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen (Grundsatz der Repräsentativität) und dass die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Ferner sieht § 5 Abs. 2 TVG unter anderem vor, dass vor der Entscheidung über den Antrag den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen würden, sowie den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben ist. Dagegen ist nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. weder ein Ausschuss aus Interessenvertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beteiligen noch ist dessen Einvernehmen vor dem Erlass der Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erforderlich. Auch das Erfordernis des sog. 50 %-Quorums und des öffentlichen Interesses im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG sind dem Wortlaut des § 1 Abs. 3a AEntG a.F. nicht zu entnehmen. Er verlangt für den Erlass einer Rechtsverordnung lediglich einen Antrag einer Tarifvertragspartei auf Allgemeinverbindlicherklärung. Dieser Verzicht auf die Abstimmung mit einem Ausschuss, der mit den jeweiligen Interessenvertretern besetzt ist, und der Verzicht auf inhaltliche Vorgaben für den Erlass einer erstreckenden Rechtsverordnung verleihen dem in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG vorgesehenen Recht auf Stellungnahme - gleichsam als Ausgleich für die Reduzierung der formellen und materiellen Anforderungen - ein besonderes Gewicht. Die Beteiligung Betroffener dient dem Schutz ihrer Rechte (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. November 1994 - 2 BvB 1/93 - BVerfGE 91, 262). Soll das Beteiligungsrecht mit Blick auf die in Rede stehenden Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG nicht "leer" laufen, gebührt ihm im Normerlassverfahren besondere Aufmerksamkeit und Beachtung. Es stellt keinen "unnötigen Formalismus" dar, auf einer erneuten Beteiligung zu bestehen, wenn der Tarifvertrag, zu dem die Betroffenen Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme erhalten haben, durch einen neuen, hinsichtlich des Geltungsbereichs oder der zu erstreckenden Regelungen abweichenden Tarifvertrag ersetzt wird. Dies setzt ein neues Verfahren in Gang.

64

c) Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Mitteilung der Tarifvertragsparteien über den Abschluss eines neuen Tarifvertrages mit Schreiben vom 29. November 2007 ein neuer Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung zu entnehmen ist, der eine erneute Stellungnahme erforderlich machte. Die Formulierung des Schreibens, die Tarifvertragsparteien hielten an ihrem Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 "fest" und beantragen "nunmehr" die Allgemeinverbindlicherklärung "unter Einschluss der am 29. November 2007 erfolgten Änderung", ändert nichts daran, dass der Tarifvertrag vom 11. September 2007 nebst Protokollnotiz vom 9. November 2007 von den Tarifvertragsparteien am 29. November 2007 "unter Ausschluss von Nachwirkungen" aufgehoben und durch den neuen Tarifvertrag vom 29. November 2007 ersetzt wurde (vgl. BA 3 Bl. 389). Dabei handelte es sich nicht lediglich um die "Änderung" eines früheren Tarifvertrages, der in den ursprünglichen Antrag mit einbezogen wurde, sondern um einen neuen Tarifvertrag, der den Antrag vom 11. September 2007 gegenstandslos und einen neuen Antrag mit neuer Beteiligungspflicht erforderlich machte.

65

Die erneute schriftliche Stellungnahme der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie der Tarifvertragsparteien zum neuen Entwurf der Rechtsverordnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich dessen Regelungsinhalt gegenüber dem vorhergehenden Entwurf nicht wesentlich geändert hätte. Ursprünglich sollten vom Tarifvertrag vom 11. September 2007 "alle Betriebe, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an ihrer Gesamttätigkeit des Betriebes" von dessen Geltungsbereich erfasst werden. Demgegenüber sieht der Tarifvertrag vom 29. November 2007 vor: "Der Tarifvertrag gilt für die Branche Briefdienstleistungen. Dies sind alle Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern."

66

Mit der Änderung vom 29. November 2007 sollte sichergestellt werden, dass das "50 %-Quorum" erfüllt ist, das nach Einschätzung der Beklagten ursprünglich für erforderlich gehalten wurde, um eine Erstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen zu rechtfertigen (UA S. 5). Betroffene, die deshalb bei der ersten Anhörung meinen konnten, es genüge auf den aus ihrer Sicht bestehenden Mangel der Repräsentativität hinzuweisen, mussten nunmehr Gelegenheit erhalten, auch zum Inhalt der Rechtsnormen des zu erstreckenden Tarifvertrages Stellung zu beziehen. Der Einwand des Beklagten, der neue Entwurf der Rechtsverordnung bedeute gegenüber dem ursprünglichen Entwurf lediglich ein "Minus" trifft nicht zu, vielmehr hat er qualitativ andere Wirkungen für die Rechtspositionen der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch den geänderten Tarifvertrag ist ein Teil des ursprünglichen Adressatenkreises gänzlich von der Erstreckungswirkung der Rechtsverordnung ausgenommen worden, während Betriebe und selbstständige Betriebsteile, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, vom Geltungsbereich des neuen Tarifvertrages nach wie vor erfasst werden. Darin liegt eine grundrechtsrelevante rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung, die eine (erneute) Beteiligung der Adressaten der neuen Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderlich machte. Die verfassungsrechtliche Relevanz der Einschränkung des Geltungsbereichs ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten bereits aus der ungleichen rechtlichen Behandlung zweier Gruppen von Briefdienstleistern und nicht erst aus den möglichen, durch Marktanalysen zu ermittelnden wirtschaftlichen Folgen der Ungleichbehandlung. Gerade auch zur Frage, ob durch die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrages auf Unternehmen eines bestimmten Zuschnitts eine Veränderung der Wettbewerbssituation eintritt, müssen die unmittelbar Betroffenen nach § 1 Abs. 3a AEntG vorab Stellung nehmen können.

67

d) Die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderliche Stellungnahme zum geänderten Entwurf der Rechtsverordnung wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, gegen die die Revisionen keine Einwendungen erhoben haben (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht ermöglicht. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist unterblieben (vgl. UA S. 5, 38 f.).

68

Das Verordnungserlassverfahren leidet damit an einem Verfahrensmangel, der evident ist (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 1 BvR 337/92 - BVerfGE 91, 148). Das Beteiligungsrecht ist im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der Arbeitgeber und deren Koalitionen so gewichtig und bedeutsam, dass durch seine Nichtbeachtung das Rechtsetzungsverfahren an einem erheblichen Mangel leidet, der die BriefArbbV unwirksam macht.

69

Auf die weiteren Rechtsfragen kommt es nicht an, weil bereits die Verletzung der Beteiligungsrechte zum Erfolg der Klagen führte.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4, Arbeitgeber der Briefdienstleistungsbranche und Mitglieder des am 11. September 2007 gegründeten Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste e.V., und der Kläger zu 2, ein Arbeitgeberverband derselben Branche, wenden sich mit ihren Feststellungsklagen gegen die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 (Bundesanzeiger 2007, Nr. 242, S. 8410). Mit dieser bis zum 30. April 2010 befristeten Verordnung regelt die Beklagte, dass näher bezeichnete Rechtsnormen des Tarifvertrages über Mindestlöhne für den Bereich Briefdienstleistungen, der zwischen dem im August 2007 gegründeten Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossen wurde, auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anwendbar sind, die unter seinen Geltungsbereich fallen. Danach beträgt der Bruttomindestlohn mit Wirkung vom 1. Dezember 2007 für Briefzusteller unabhängig vom zeitlichen und/oder mengenmäßigen Anteil an der Gesamttätigkeit je nach Bundesland 9,00 € bzw. 9,80 € und für die übrigen Arbeitnehmer der Branche 8,00 € bzw. 8,40 €.

2

Am 11. September 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Postdienste e.V., dem die Deutsche Post AG angehört, und die Gewerkschaft ver.di beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Aufnahme der Branche Postdienstleistungen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zugleich die Allgemeinverbindlicherklärung eines an diesem Tag geschlossenen Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne in der Branche Postdienste. Er sollte für alle Betriebe gelten, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an der Gesamttätigkeit des Betriebes. Ein Verfahren nach § 5 TVG wurde nicht betrieben. Das Bundesministerium leitete ein Verfahren zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Arbeitnehmer-Entsendegesetz ein. Im Bundesanzeiger vom 8. November 2007 wurden der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für die Branche Postdienste und der Entwurf einer Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Briefdienstleistungen bekannt gemacht, verbunden mit der Gewährung einer Frist zur schriftlichen Stellungnahme von drei Wochen. Im gleichzeitig durchgeführten Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes war insbesondere die Reichweite des einzubeziehenden Bereichs umstritten.

3

Nach einer Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 durch Protokollnotizen Anfang November 2007 hoben die Tarifvertragsparteien ihren Tarifvertrag am 29. November 2007 unter Ausschluss von Nachwirkungen auf und schlossen am selben Tag den nunmehr von der Verordnung erfassten Tarifvertrag. Zugleich beantragten sie beim Bundesminister für Arbeit und Soziales die Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages. Den daraufhin angepassten Verordnungsentwurf leitete das Bundesministerium nur denjenigen, die sich auf die Bekanntmachung vom 8. November 2007 geäußert hatten, mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. Dezember 2007 zu. Eine neue Bekanntmachung hielt es für unnötig.

4

Die beigeladene, im Oktober 2007 gegründete Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste schloss am 11. Dezember 2007 mit dem Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. einen Tarifvertrag für das Bundesgebiet. Er betrifft Unternehmen, die Mehrwertbriefdienstleistungen anbieten, die von der Universaldienstleistung trennbar sind, besondere Leistungsmerkmale aufweisen und qualitativ höherwertig sind. Nach § 3 des Tarifvertrages beträgt der Bruttomindestlohn für Mehrwertbriefdienstleistungen mit Wirkung vom 1. Januar 2008 je nach Bundesland 6,50 € oder 7,50 €. Weiter schloss die Beigeladene am 12. Dezember 2007 mit dem Kläger zu 2 einen Tarifvertrag für alle tarifgebundenen Betriebe, die als wesentliche betriebliche Tätigkeit näher definierte Postdienstleistungen, insbesondere die gewerbsmäßige Beförderung von adressierten schriftlichen Mitteilungen bis zu 2 kg zwischen Absender und Empfänger, erbringen. Er gilt deutschlandweit. Der ab dem 1. Januar 2008 vereinbarte Bruttomindestlohn liegt ebenfalls unter den in der streitigen Verordnung bestimmten Beträgen.

5

Am 14. Dezember 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. und die Beigeladene beim Bundesministerium den von ihnen geschlossenen Tarifvertrag zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Mehrwertbriefdienstleistungen vom 11. Dezember 2007 für allgemeinverbindlich zu erklären.

6

Am 14. Dezember 2007 beschloss der Bundestag das am 28. Dezember 2007 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Dessen Art. 1 fügte in § 1 Abs. 1 Satz 4 dieses Gesetzes die Wörter "und für Tarifverträge für Briefdienstleistungen, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend gewerbs- und geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördert" ein.

7

Am 19. Dezember 2007 stimmte die Bundesregierung unter der Bedingung des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes dem Erlass der streitigen Verordnung zu.

8

Am 28. Dezember 2007 unterzeichnete der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Verordnung, die am Tag darauf im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde.

9

Im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht machten die Kläger u.a. geltend, die Verordnung verletze ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sei formell rechtswidrig, weil die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der seinerzeit geltenden Fassung - AEntG a.F. - gebotene Beteiligung der Betroffenen fehlerhaft verlaufen sei. Die Verordnung sei außerdem materiell rechtswidrig. Sie sei nicht von ihrer Ermächtigungsgrundlage gedeckt, die nur eine Erstreckung eines Tarifvertrages auf nicht anderweitig Tarifgebundene ermögliche und eine Entsendeproblematik voraussetze. Der Verordnungsgeber missbrauche seine Verordnungsmacht zu wettbewerblichen Zwecken.

10

Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag der Kläger festgestellt, die Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen verletze den Kläger zu 2 in seinem Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie die übrigen Klägerinnen in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG.

11

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Klagen seien bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Es fehle an einem konkreten Rechtsverhältnis. Der Kläger zu 2 sei als Arbeitgeberverband nicht einmal Normadressat der Verordnung. Diese begründe zwar für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unmittelbar Pflichten, aber nicht für die Beklagte. Die Rechtsverordnung sei überdies rechtmäßig. Insbesondere sei sie von der Ermächtigung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz gedeckt. Die darin verwendete Formulierung, es könne bestimmt werden, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrages auf "nicht tarifgebundene" Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung fänden, sei bei einem weiten Verständnis, wonach auch anderweitig tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer von der Rechtsverordnung erfasst würden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieses Verständnis habe die Beklagte bisher allen Mindestlohnverordnungen zugrunde gelegt.

12

Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsverfahren das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgewiesen. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten - hinsichtlich des Klägers zu 2 - zurückgewiesen. Hinsichtlich der Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien die Sachurteilsvoraussetzungen einer Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO nicht erfüllt. Zwar seien die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 kraft Verordnung unmittelbar verpflichtet, ihren Arbeitnehmern den im Tarifvertrag vom 29. November 2007 bestimmten Mindestlohn zu gewähren. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten begründe dies jedoch kein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Der Zulässigkeit stehe zudem die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) entgegen, die rechtswegübergreifend zu verstehen sei. Die Rechtmäßigkeit der Verordnung könne inzident im arbeitsgerichtlichen Verfahren geklärt werden. Die Feststellungsklage des Klägers zu 2 sei dagegen zulässig. Zwar begründe die Rechtsverordnung für ihn keine unmittelbaren Pflichten. Sie betreffe ihn aber in seinen satzungsmäßigen Aufgaben als Arbeitgeberverband, zu denen auch der Abschluss von Tarifverträgen gehöre. Dem Kläger zu 2 werde durch die Rechtsverordnung die Möglichkeit genommen, im Geltungsbereich des Tarifvertrages für seine Mitglieder abweichende Tarifverträge abzuschließen. Damit werde der Kläger zu 2 in seiner grundrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit als Arbeitgeberkoalition eingeschränkt. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG schütze auch die Koalition selbst in ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Die Klage des Klägers zu 2 sei auch begründet. Der Erlass der Verordnung verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Überdies verstoße die Verordnung gegen den Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 80 Abs. 1 GG, weil die in der Verordnung zitierte gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG es nur zulasse, dass alle unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden und nicht bereits anderweitig tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von deren Geltungserstreckung erfasst würden. Die Verordnung greife auch deshalb unzulässig in verfassungsmäßige Rechte des Klägers zu 2 ein, weil die Beklagte bei ihrem Erlass die in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG geregelten Beteiligungsrechte missachtet haben. Die Anfang November eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme durch die erfolgte Veröffentlichung im Bundesanzeiger habe den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Die Aufhebung des alten und der Abschluss eines neuen Tarifvertrages hätten die Einleitung eines neuen Verfahrens mit erneuter Beteiligung erforderlich gemacht.

13

Gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts haben die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

14

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 rügen, dass das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht von der Unzulässigkeit ihrer Klage ausgegangen sei. In Übereinstimmung mit dem Kläger zu 2 machen sie geltend, die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechtspositionen.

15

Die Klägerin zu 1 beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufzuheben, soweit es die Klage der Klägerin und Berufungsbeklagten zu 1 abgewiesen hat, und die Berufung der Beklagten auch insoweit zurückzuweisen.

16

Die Klägerinnen zu 3 und 4 beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

17

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 abzuändern, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und die Klage des Klägers zu 2 abzuweisen und die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zurückzuweisen.

18

Der Kläger zu 2 beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

19

Die Beklagte hält die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 für unzulässig und die Klage des Klägers zu 2 für unbegründet. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten bestehe kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, weil die streitige Verordnung vom 28. Dezember 2007 die Rechtsbeziehungen zwischen Normgeber und Normadressaten nicht unmittelbar gestalte. Dessen ungeachtet sei eine Feststellungsklage auch subsidiär. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 hätten die Möglichkeit, die Verordnung vom 28. Dezember 2007 in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht oder, soweit Überwachungs- und Sanktionsmaßnahmen in Betracht kämen, vor dem Finanzgericht inzident überprüfen zu lassen.

20

Die Klage des Klägers zu 2 sei unbegründet. Die Verordnung vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtmäßig, insbesondere sei die Einholung einer erneuten Stellungnahme der von der Verordnung betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 nicht mehr erforderlich gewesen.

Entscheidungsgründe

21

Die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben Erfolg. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung von § 43 VwGO, in dem es zu Unrecht annimmt, die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien mangels eines feststellbaren Rechtsverhältnisses zwischen Normgeber und Normadressat und wegen der Subsidiarität der Feststellungsklagen unzulässig (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Die Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Deshalb führen die Revisionen insoweit zur Aufhebung des Urteils (1.). Die Revision der Beklagten erweist sich nicht als begründet. Das Oberverwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellungsklage des Klägers zu 2 zulässig ist (2.). Auch seine Annahme, der Kläger zu 2 sei wegen Missachtung des in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens in seinen Rechten verletzt, ist frei von Rechtsfehlern. Die Missachtung des Beteiligungsverfahrens verletzt in gleicher Weise auch die Rechte der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 (3.).

22

1. Die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 sind zulässig.

23

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

24

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (Urteile vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <329 f.> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30 S. 87 f., vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264> = Buchholz 454.9 MietpreisR Nr. 15 S. 2 f. und vom 20. November 2003 - BVerwG 3 C 44.02 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 37). Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss "in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig" sein (Urteile vom 13. Oktober 1971 - BVerwG 6 C 57.66 - BVerwGE 38, 346 m.w.N. = Buchholz 232 § 123 BBG Nr. 8 und vom 30. Mai 1985 - BVerwG 3 C 53.84 - BVerwGE 71, 318 = Buchholz 418.32 AMG Nr. 13; Beschluss vom 12. November 1987 - BVerwG 3 B 20.87 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 97). Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (Urteil vom 23. Januar 1992 a.a.O. S. 330 bzw. S. 88). Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Darauf beschränkt sich das Klagebegehren bei sinngemäßer Auslegung nach § 88 VwGO jedoch nicht.

25

aa) Der Antrag der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 festzustellen, dass die Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt, richtet sich nicht auf die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Norm, so dass § 47 VwGO gegenüber dem Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keine Sperrwirkung entfaltet. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt (Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355 <363> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 238). Von einer "Umgehung" des § 47 VwGO kann nur dann die Rede sein, wenn mit einem auf eine andere Klageart gestützten Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm oder einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines ungewissen künftigen Sachverhalts erreicht werden soll; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen theoretisch zu lösen (Urteil vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 78). Anders liegt es dagegen, wenn - wie vorliegend - die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm als - wenn auch streitentscheidende - Vorfrage aufgeworfen wird (Urteile vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - a.a.O. und vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <278> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1; so auch BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 541/02 u.a. - BVerfGE 115, 81 <95 f.>). Mit dem Feststellungsbegehren werden subjektive Rechtspositionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 geltend gemacht, um Einschränkungen der tarifautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes abzuwehren.

26

bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts besteht zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten ein feststellungsfähiges konkretes streitiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Es ergibt sich aus der Anwendung der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 3a AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3140) und der den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 verbürgten Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG. Streitig ist, ob der zuständige Minister der Beklagten formell- und materiellrechtlich gegenüber den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 befugt war, auf der Grundlage des § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (a.F.) die streitige Rechtsverordnung zu erlassen, und ob die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nach wie vor berechtigt sind, ihre Arbeitnehmer zu niedrigeren Löhnen zu beschäftigen, als es den im Verordnungsweg erstreckten Mindestlohnregelungen entspricht. Das Vorbringen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, wegen eingegangener anderweitiger Tarifbindung würden sie von der Erstreckungsregelung in der Rechtsverordnung nicht erfasst, lässt sich als ein Geltendmachen des "Nichtbestehens" eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO deuten.

27

Ein im Verhältnis zur Beklagten feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil das Recht der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, die Zahlung des Mindestlohns zu verweigern, nicht gegenüber der Beklagten, sondern nur gegenüber ihren Arbeitnehmern bestünde. Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und ihren Arbeitnehmern schließt das gleichzeitige Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten als Verordnungsgeberin nicht aus. Beide Rechtsverhältnisse sind von einander abzugrenzen, weil sie auf der Anwendung unterschiedlicher Rechtsnormen beruhen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zu ihren Arbeitnehmern richtet sich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen des Privatrechts sowie - bei wirksamer Erstreckung - der tariflichen Mindestlohnvereinbarung. Das streitige Rechtsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten beurteilt sich hingegen nach § 1 Abs. 3a Satz 1 und 2 AEntG a.F. und den Grundrechtspositionen, in deren Schutzbereich die tarif- oder privatautonome Vereinbarung von Arbeitsentgelten fällt. Wegen des von den Klägerinnen zu 3 und 4 zwischenzeitlich abgeschlossenen Mantel-/Haustarifvertrages vom 23. April 2008 und der Bindung der Klägerin zu 1, die Mitglied im Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste ist, an den Tarifvertrag vom 11. Dezember 2007 kommt eine Verletzung ihrer positiven, ihnen als Arbeitgebern zustehenden Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG in Betracht. Jedenfalls ist ihre Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berührt, weil die Erstreckung von Mindestlohntarifregelungen das Recht des Arbeitgebers einschränkt, die Arbeitsbedingungen privatautonom zu gestalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Dezember 2004 - 1 BvR 2283/03, 2504/03 und 2582/03 - NZA 2005, 153 <155>).

28

cc) Die Annahme eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses scheitert vorliegend auch nicht daran, dass eine Feststellungsklage des Normadressaten unmittelbar gegen den Normgeber im Regelfall ausscheidet. Da nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist und Art. 83 GG ebenso grundsätzlich bestimmt, dass die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, d.h. sie verwaltungsmäßig umsetzen, eröffnet sich im Regelfall ein Rechtsverhältnis zwischen Normadressaten und Normanwender, nicht hingegen zwischen Normadressaten und Normgeber, weil Letzterer an der Umsetzung der Norm gegenüber dem Adressaten nicht beteiligt ist (Urteil vom 23. August 2007 - BVerwG 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 <204> = Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 5). Das schließt jedoch nicht aus, über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinaus - wenn etwa das Recht des Betroffenen auf Gleichbehandlung den Erlass oder die Änderung einer Rechtsnorm gebietet (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 4. Juli 2002 - BVerwG 2 C 13.01 - Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2 und vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93) - eine Feststellungsklage gegen den Normgeber auch für zulässig zu halten, wenn mangels administrativen Vollzugs kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Normanwender und Normadressat begründet, die Rechtsbeeinträchtigung bereits unmittelbar durch die Norm bewirkt wird und effektiver Rechtsschutz nur im Rechtsverhältnis zwischen Normgeber und Normadressat gewährt werden kann.

29

Dass eine Norm "self-excuting" ist, d.h. dass sich aus ihr unmittelbar Rechte und Pflichten ergeben, begründet jedoch noch kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Normgeber, soweit dort noch Verwaltungsvollzug möglich ist (vgl. Urteil vom 23. August 2007 a.a.O. S. 205). Auch bei solchen Normen können sich normbetroffene Personen und eine die Norm vollziehende Behörde gegenüberstehen, die die Regelungen konkretisiert oder individualisiert und Anordnungen für den Einzelfall aufgrund gesetzlicher Befugnisse trifft. In solchen Fällen muss die Feststellung eines konkreten streitigen Rechtsverhältnisses zwischen Normadressat und Normanwender geklärt werden und nicht eine Rechtsbeziehung zum Normgeber.

30

Eine Feststellungsklage gegen den Normgeber kommt mithin nur dann in Betracht, wenn die Rechtsverordnung unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist (vgl. etwa Urteil vom 1. März 1967 - BVerwG 4 C 74.66 - BVerwGE 26, 251 <253> = Buchholz 445.4 § 23 WHG Nr. 2; Beschluss vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 7 VR 1.02 - Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 2; Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <279> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1, vom 26. November 2003 - BVerwG 9 C 6.02 - BVerwGE 119, 245 <249> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 2 und vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <155 f.> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3). Das ist hier der Fall. Aus der Erstreckung tarifvertraglicher Regelungen durch § 1 BriefArbbV ergeben sich unmittelbar Pflichten der von ihrem Anwendungsbereich erfassten Arbeitgeber. Eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Maßnahmen des Verwaltungsvollzugs ist nicht vorgesehen.

31

Nach dem Wortlaut des § 1 BriefArbbV führt die Erstreckung der Rechtsnormen des zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrages vom 29. November 2007 dazu, dass dessen Regelungen auf alle nicht bereits an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzuwenden sind. Sie gelten damit kraft Tariferstreckung durch Rechtsverordnung, indem sie die betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den persönlichen Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages einbeziehen. Die Betroffenen unterliegen damit der Bindung an die Regelungen des Tarifvertrages ebenso wie die Tarifvertragsparteien. Nach § 4 Abs. 1 TVG verdrängen tarifvertragliche Regelungen in ihrem Geltungsbereich grundsätzlich entgegenstehende arbeitsvertragliche Abreden, ohne dass es dazu einer Umsetzung oder anderer Maßnahmen bedarf (Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl. 2004, § 4 Rn. 21). Bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs tarifvertraglicher Regelungen nach § 1 Abs. 3a AEntG tritt die unmittelbare Gestaltungswirkung jedenfalls bei Arbeitsverhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein, die bisher keiner Tarifbindung unterlagen. Auch bei Arbeitsverhältnissen, auf die unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen Anwendung finden können, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass die Rechtsverordnung eine Verpflichtung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Zahlung des Mindestlohns begründet. Auch die Beklagte geht davon aus, dass durch die unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung eine anderweitige Tarifbindung verdrängt wird.

32

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Fälle der Tarifkonkurrenz, d.h. der Bindung beider Arbeitsvertragsparteien an konkurrierende Tarifverträge, grundsätzlich nach den Regeln der sog. Tarifspezialität zu lösen. Zur Anwendung kommt der speziellere Tarifvertrag, der dem betreffenden Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am nächsten steht. Das gilt auch bei einer Tarifkonkurrenz zwischen einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag nach § 5 TVG und einem nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag und für die Fälle der Tarifpluralität, also der Bindung eines Arbeitgebers an mehrere Tarifverträge (BAG, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 10 AZR 113/02 - AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; a.A. LAG Frankfurt/Main, Urteil vom 14. Juli 2003 - 16 Sa 530/02 - DB 2004, 1786). Der Vorrang des spezielleren Tarifvertrages gilt allerdings dann nicht, wenn der speziellere Tarifvertrag ohne Tarifbindung des Arbeitgebers lediglich einzelvertraglich vereinbart worden ist (BAG, Urteile vom 22. September 1993 - 10 AZR 207/92 - AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz und vom 4. Dezember 2002 a.a.O.).

33

Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 und 3 AEntG a.F. werden Tarifkonkurrenzen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch nach dem Günstigkeitsprinzip gelöst. Die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung verdrängt die ungünstigere, unabhängig davon, ob der betreffende Tarifvertrag aufgrund vertraglicher Bindung nach § 3 TVG oder aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung anzuwenden ist (BAG, Urteile vom 20. Juli 2004 - 9 ARZ 343/03 - BAGE 111, 247 und vom 18. Oktober 2006 - 10 AZR 576/05 - BAGE 120, 1). Wird die Tarifkonkurrenz auch bei einer Erstreckung tariflicher Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung nach dem Günstigkeitsprinzip aufgelöst, ergibt sich für alle Arbeitgeber, die nicht bereits aufgrund anderweitiger Tarifbindung zur Zahlung des Mindestlohnes verpflichtet sind, diese Pflicht aus der unmittelbaren Einbeziehung in den Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages.

34

Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sieht wegen der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der durch die Rechtsverordnung erstreckten Tarifnormen keine Umsetzungs- bzw. Vollzugsakte vor, sondern beschränkt sich darauf, Verstöße mit Sanktionen zu bewehren (vgl. § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 4 AEntG a.F. i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 OWiG zur Zuständigkeit der Bundesbehörden; § 5 Abs. 1 und 2 AEntG a.F.). Eine Verfolgung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit ist jedoch nicht geeignet, zwischen den Klägerinnen und der Beklagten ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zu begründen. Ein solches Rechtsverhältnis besteht ausschließlich zur Beklagten als Normgeberin, die die Pflichtenregelung durch die Bekanntgabe im Bundesanzeiger ausgelöst hat und die sie wieder aufheben könnte (Beschluss vom 19. Dezember 2002 a.a.O.).

35

Diese Annahme steht nicht im Widerspruch zur nicht entscheidungstragenden Erwägung im Urteil des 7. Senats vom 23. August 2007 (a.a.O.), dass es über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinausgehend keiner weiteren "atypischen Feststellungsklagen" gegen den Normgeber bedürfe. Diese Formulierung ist nicht dahingehend zu verstehen, dass ein konkretes Rechtsverhältnis zum Normgeber in allen anderen Fällen begrifflich ausgeschlossen wäre, sondern erklärt sich daraus, dass regelmäßig, wie im seinerzeit zu entscheidenden Fall, die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Norm im Rahmen der gegen die Vollzugsbehörde gerichteten Feststellungsklage als inzident zu prüfende Vorfrage geklärt werden kann. So wurde damals die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gegen den Normgeber mit Blick auf die Befugnis in § 21 KrW-/AbfG zum Vollzug der Verpackungsverordnung verneint. Mit der Frage, ob bei Fehlen des Verwaltungsvollzugs eine Feststellungsklage gegen den Normgeber in Betracht kommt, setzt sich die Entscheidung des 7. Senats nicht auseinander.

36

Für die Annahme eines streitigen Rechtsverhältnisses genügt es, dass die Möglichkeit der Verdrängung einer anderweitigen Tarifbindung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 durch eine unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung besteht, deren Beachtung von der Beklagten eingefordert wird. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Feststellungsklage muss weder abschließend geklärt werden, ob bei einer Tariferstreckung nach § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG a.F. das Günstigkeitsprinzip anzuwenden ist, noch, ob sich die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unter Hinweis auf den Grundsatz der Spezialität auf einen betriebsnäheren Tarifvertrag berufen können, der ihre Verpflichtung zur Zahlung eines erstreckten Mindestlohnes entfallen lässt. Fragen zur Wirksamkeit der von den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgeschlossenen Tarifverträge sind daher ebenfalls unerheblich.

37

b) Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben auch ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung. Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art ein. Unabhängig von den Sanktionen, die den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 drohen, falls sie den festgesetzten Bruttomindestlohn ihren Arbeitnehmern nicht bezahlen, ergibt sich ein wirtschaftliches Interesse der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 schon daraus, dass sie wegen der finanziellen Belastung möglichst frühzeitig wissen wollen, ob sie verpflichtet sind, den festgesetzten Bruttomindestlohn zu zahlen. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 können daneben auch geltend machen, dass sie durch die Erstreckungswirkung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und/oder von Art. 9 Abs. 3 GG ist jedenfalls möglich.

38

c) Zu Unrecht hat das Oberverwaltungsgericht eine Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO bejaht und angenommen, eine mögliche Klärung des Rechtsstreits sei in einem arbeitsgerichtlichen Prozess aus prozessökonomischen Gründen vorrangig.

39

Wegen des fehlenden Verwaltungsvollzugs können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keinen Rechtsschutz durch eine verwaltungsgerichtliche Gestaltungsklage im Wege der Anfechtung erlangen. Auch eine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage scheidet aus.

40

Eine Subsidiarität gegenüber Rechtsbehelfen zu den Arbeits- oder Finanzgerichten ist nicht gegeben. Ebenso wenig können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 darauf verwiesen werden, vorrangig in einem Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz eine Klärung der aufgeworfenen Fragen herbeizuführen. Das Berufungsgericht wird im angegriffenen Urteil der Zielsetzung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht gerecht. Diese Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (Urteil vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93). Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 3 C 8.95 - Buchholz 418.61 Tierkörperbeseitigungsgesetz Nr. 12). Wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtswege gilt diese Zielsetzung "rechtswegübergreifend", d.h. etwa auch dann, wenn die mit der Feststellungsklage konkurrierende Klage vor dem Zivilgericht zu erheben ist (Urteile vom 18. Oktober 1985 - BVerwG 4 C 21.80 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 28 = BVerwGE 72, 172 und vom 12. Juli 2000 - BVerwG 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 <308 f.> = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133). Eine Subsidiarität ist jedoch zu verneinen, wenn die Feststellungsklage - wie hier - effektiveren Rechtsschutz bietet (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <156> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3).

41

Die Feststellungsklage ist nicht subsidiär gegenüber der Möglichkeit, sich gegen Leistungsklagen der Arbeitnehmer auf Lohnzahlung vor den Arbeitsgerichten zu wehren und in diesen Verfahren eine inzidente Kontrolle der BriefArbbV herbeizuführen. Zum einen legt der Wortlaut des § 43 Abs. 2 VwGO nahe, dass die Subsidiarität die Möglichkeit anderweitiger aktiver Geltendmachung eigener Rechte, und nicht nur eine Verteidigungsmöglichkeit oder eine mögliche Beteiligung als Dritter voraussetzt. Im Übrigen würde die Stellung als Beklagte im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nicht davor schützen, von der zuständigen Behörde vor Ergehen eines rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts über die Lohnklage mit Sanktionen wegen der Nichtgewährung des Mindestlohns belangt zu werden.

42

Es ist für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 auch nicht zumutbar, über ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eine gerichtliche Klärung zu erreichen (Urteil vom 13. Januar 1969 - BVerwG 1 C 86.64 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 31 = BVerwGE 31, 177). § 5 Abs. 3 AEntG a.F. erlaubt eine Ahndung mit bis zu 500 000 €. Dass die Beklagte ihre Behörden angewiesen hat, während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Sanktionen zu verhängen und sich auf Ermittlungen zu beschränken, bedeutet keinen Verzicht, sondern nur einen zeitlichen Aufschub. Da die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 Klarheit haben wollen, ob sie verpflichtet sind, allen bei ihnen beschäftigten Mitarbeitern den Bruttomindestlohn zu zahlen, geht es ihnen auch nicht lediglich darum, vorbeugenden Rechtsschutz gegenüber etwaigen späteren Bußgeldverfahren zu erlangen (Urteile vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207 <213> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 16 und vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <331> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30).

43

Soweit nach § 23 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. April 2009 (BGBl I S. 818), der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet ist, handelt es sich um Rechtsbehelfe gegen Prüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen sowie gegen datenschutzrechtlich relevantes Handeln der Finanzbehörden im Zuge der Verfolgung von Verstößen gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Unterlassungsklagen dagegen stellen keinen effektiven Rechtsschutz hinsichtlich der Klärung der geltend gemachten Rechtsverletzungen durch die Verordnung dar, der einer Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO vorgeht.

44

2. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage des Klägers zu 2 im Ergebnis zu Recht bejaht.

45

a) Auch zwischen dem Kläger zu 2 und der Beklagten besteht ein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Gegenstand des Streits zwischen diesen Beteiligten ist die Anwendung des § 1 Abs. 3a AEntG und der darauf gestützten BriefArbbV auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Betätigung des Klägers zu 2 als Arbeitgeberverband (Koalition). Streitig ist, ob § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG zur Tariferstreckung gegenüber anderweitig tarifgebundenen Arbeitgebern ermächtigt mit der Folge, dass vom Kläger zu 2 wirksam abgeschlossene oder noch abzuschließende Tarifverträge bei Anwendung des Günstigkeitsprinzips verdrängt würden, und ob dem Kläger zu 2 wegen eines mittelbaren Eingriffs in sein Recht auf koalitionsgemäße Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG ein Abwehrrecht gegen die Geltungserstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen nach § 1 BriefArbbV zusteht, obwohl die Verordnung nur für seine Mitglieder, und nicht für ihn selbst unmittelbar Rechte und Pflichten begründet.

46

Für das Vorliegen eines im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO streitigen konkreten Rechtsverhältnisses ist es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht erforderlich, abschließend zu klären, ob die zwischen den Beteiligten streitige Befugnis zum Erlass der Verordnung und das geltend gemachte Abwehrrecht tatsächlich bestehen.

47

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zwischen ihr und dem Kläger zu 2 weder voraus, dass die umstrittene Verordnung den Arbeitgeberverband unmittelbar verpflichtet, noch, dass sie ihm den Abschluss den Mindestlohn unterschreitender Tarifverträge verbietet. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit kann auch mittelbaren Beeinträchtigungen der koalitionsgemäßen Betätigung entgegengehalten werden.

48

Art. 9 Abs. 3 GG schützt die Koalition selbst in ihrem Bestand, in ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen (BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 u.a. - BVerfGE 50, 290 <373 f.>; Beschlüsse vom 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212 <224>, vom 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93, 1 BvR 897/95 - BVerfGE 100, 271 <282> und vom 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293 <304>). Der Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigungen beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (Beschluss vom 27. April 1999 a.a.O. m.w.N.) und umfasst insbesondere auch die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht. Das Aushandeln von Tarifverträgen ist ein wesentlicher Zweck der Koalitionen (BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 268 <283> m.w.N.). Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (BVerfG, Beschlüsse vom 24. April 1996 a.a.O., vom 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - BVerfGE 93, 353 <358> und vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - NJW 2007, 51 <53>). Die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben für geeignet halten, bleiben unter dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen überlassen (BVerfG, Beschluss vom 28. April 1976 - 1 BvR 71/73 - BVerfGE 42, 133 <138>; Urteil vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 u.a. - BVerfGE 92, 365 <393>). Allerdings schützt Art. 9 Abs. 3 GG einen Arbeitgeberverband nicht gegen ein tarifpolitisches Konkurrenzverhältnis, selbst wenn dieses den Verlust von Verbandsmitgliedern zur Folge haben kann (Beschlüsse vom 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322 <352> m.w.N. und vom 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 - BVerfGE 55, 7 <24>). Die Koalitionsfreiheit schützt aber vor staatlicher Einflussnahme auf das Konkurrenzverhältnis.

49

Solche für den Kläger zu 2 als Arbeitgeberverband nachteiligen mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit ergeben sich bei Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips aus der Verdrängungswirkung der erstreckten tariflichen Mindestlohnvereinbarung gegenüber den Mindestlohn unterbietenden, bereits abgeschlossenen oder noch abzuschließenden Tarifverträgen im selben Geltungsbereich. Auf die Frage, ob der vom Kläger zu 2 bereits abgeschlossene Tarifvertrag wirksam ist, und auf die in diesem Zusammenhang erhobenen, arbeitsgerichtlich noch nicht rechtskräftig geklärten Bedenken gegen die Tariffähigkeit und Gegnerfreiheit der Beigeladenen kommt es für die Geltendmachung einer mittelbaren Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit nicht an. Auch wenn die Verdrängungswirkung sich noch nicht aktualisiert haben sollte, verschlechtert sie bereits jetzt die Verhandlungsposition der Arbeitgeberverbände, die nicht am Abschluss des erstreckten Tarifvertrages beteiligt waren. Die Erstreckung der Geltung tariflich vereinbarter Mindestarbeitsbedingungen auf anderweitig Tarifgebundene beeinträchtigt die Verhandlungs- und Wettbewerbsposition der nicht am Tarifvertragsschluss beteiligten Koalitionen jedenfalls insoweit, als sie mit einer Verdrängung ihrer - auch künftigen - Tarifabreden rechnen müssen. Aufgrund der durch die Rechtsverordnung erfolgten Erstreckung des Tarifvertrages vom 29. November 2007 kann der Kläger zu 2 seine durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten tarif- und sozialpolitischen Zielvorstellungen beim angestrebten Abschluss anderweitiger Tarifverträge mit von der Allgemeinverbindlicherklärung abweichendem Inhalt nur noch im beschränkten Maße verwirklichen. Seine koalitionsspezifische Verhandlungsposition wird durch den Erlass der Rechtsverordnung damit beeinträchtigt. Für ihn verschlechtern sich die Möglichkeiten, unbehindert von den Rechtswirkungen der Tariferstreckung mit Arbeitnehmerkoalitionen Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, die seinen tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und denjenigen seiner Mitgliedsunternehmen entsprechen.

50

Die Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit kann im Einzelfall durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein, ist aber jedenfalls rechtfertigungsbedürftig. Das reicht für das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO aus.

51

Dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2000 - 1 BvR 948/00 - (GewArch 2000, 381 f.) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Denn weder er selbst noch die darin in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verhalten sich zur Frage, ob in einer Erstreckung tarifvertraglicher Normen auf einen Arbeitgeberverband eine rechtfertigungsbedürftige mittelbare Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit liegen kann.

52

b) Das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse des Klägers zu 2 an der baldigen Feststellung liegt vor. Der Kläger zu 2 ist mittelbar eingeschränkt, seine tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele zu verfolgen und entsprechend diesen Zielvorstellungen für seine Mitgliedsunternehmen von dem durch Rechtsverordnung erstreckten Tarifvertrag abweichende Arbeitsbedingungen auszuhandeln und abzuschließen. Er hat ein geschütztes wirtschaftliches und ideelles Interesse daran, die Rechtmäßigkeit seiner Einschränkung gerichtlich durch Feststellungsklage überprüfen zu lassen und kann eine mögliche Verletzung seiner Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG geltend machen.

53

c) Die vom Kläger zu 2 erhobene Feststellungsklage ist auch nicht unzulässig, weil sie gegenüber einer Klage vor den Arbeitsgerichten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG) subsidiär wäre. Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem TVG oder über das Bestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Für solche sog. Verbandsklagen ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Dabei handelt es sich um eine "quasi-Normenkontrolle" (Reinecke, in: Däubler, Kommentar zum Tarifvertragsgesetz, 2. Aufl. 2006, § 9 Rn. 3) der Tarifvertragsparteien, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben. Der Kläger zu 2 scheidet als Partei eines Verfahrens nach § 9 TVG gegen den Tarifvertrag vom 29. November 2007 von vornherein aus, weil er an dessen Abschluss nicht beteiligt war.

54

Der Kläger zu 2 kann auch nicht auf den Abschluss eines eigenen Tarifvertrages verwiesen werden, um dann gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG dessen Gültigkeit im Wege der Verbandsklage abklären zu lassen. Mit einer solchen Klage kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages, jedoch nicht geklärt werden, ob ein Tarifvertrag nach den Regelungen der Tarifkonkurrenz oder aus anderen Gründen gegenüber anderen Tarifverträgen zurücktritt (Franzen, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2010, § 9 TVG Rn. 7). Sie könnte den Kläger zu 2 jedenfalls vor den hier in Betracht zu ziehenden mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit, die von der Rechtsverordnung ausgehen, nicht schützen.

55

3. Gegen die selbstständig tragende Annahme des Berufungsgerichts, dass beim Erlass der Rechtsverordnung zur Erstreckung der tariflichen Mindestlohnregelungen das vorgeschriebene Verfahren nicht beachtet worden ist und dass die wegen der Evidenz des Verfahrensfehlers rechtswidrige Verordnung den Kläger zu 2 in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt, ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.

56

a) Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die BriefArbbV den Kläger zu 2 in seinen Rechten verletzt, weil die Beklagte beim Erlass der Rechtsverordnung das gesetzlich in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebene Verfahren missachtet hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem dort geregelten Beteiligungsgebot komme wegen des Fehlens sonstiger materiellrechtlicher Anforderungen an den Erlass der Rechtsverordnung einerseits und der handgreiflichen Betroffenheit der Arbeitgeberseite im grundrechtlich geschützten Bereich andererseits wesentliche Bedeutung für die Abwägung der für und wider den Erlass der Rechtsverordnung streitenden Erwägungen zu, ist nicht zu beanstanden. Der Senat teilt die Auffassung, dass zwischen den normativen Regelungen des Tarifvertrages und dem Beteiligungsrecht ein unmittelbarer Bezug dergestalt besteht, dass sich die Gelegenheit zur Stellungnahme der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die konkrete Tarifvertragsvereinbarung beziehen muss und nicht allgemein auf ein "Projekt", das in einer Branche Mindestarbeitsbedingungen mit dem Instrumentarium des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes festlegen will.

57

b) Gemäß § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor Erlass der Rechtsverordnung den in den Geltungsbereich der vorgesehenen Rechtsverordnung fallenden Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. nicht dahingehend zu interpretieren, dass es ausreicht, den zu Beteiligenden auch in dem Fall Gelegenheit zur Stellungnahme nur zum ursprünglichen Entwurf der Rechtsverordnung zu geben, wenn dieser im weiteren Verlauf des Verfahrens wesentlich in seinem Inhalt verändert wird. Die gegenteilige Annahme der Beklagten lässt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung, noch aus ihrem Sinn und Zweck und ihrer Systematik herleiten.

58

Bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. ergibt sich, dass das Recht zur Stellungnahme auf den konkreten Tarifvertrag bezogen ist, dessen Rechtsnormen durch Rechtsverordnung auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt werden sollen. Zu beteiligen sind nicht nur diejenigen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die unter den Anwendungsbereich der Rechtsverordnung fallen, sondern auch die Parteien des Tarifvertrages, dessen Regelungen erstreckt werden sollen. Damit besteht zwischen den Rechtsnormen des konkreten, zu erstreckenden Tarifvertrages und dem Recht zur Stellungnahme eine unmittelbare Beziehung, die das Oberverwaltungsgericht zutreffend mit "handgreiflicher Betroffenheit" jedenfalls im grundrechtlich geschützten Bereich umschrieben hat. Existiert der ursprüngliche Tarifvertrag nicht mehr und wird ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, so bedarf es grundsätzlich auch eines hierauf bezogenen neuen Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung und einer erneuten Beteiligung im Sinne des Gesetzes.

59

Auch der erkennbare Zweck des Rechts zur Stellungnahme spricht für eine erneute Beteiligung im vorliegenden Fall. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. dient nicht nur der Information des zuständigen Ministeriums, sondern soll den Betroffenen die Möglichkeit einräumen, ihre Rechte geltend zu machen. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gewährt den betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages das Recht zur Stellungnahme, weil sich die Geltungserstreckung eines Tarifvertrages per Rechtsverordnung unmittelbar gestaltend auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse auswirkt. Betroffen sind grundrechtlich geschützte Positionen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da die Freiheit zur privatautonomen Gestaltung der Arbeitsverhältnisse eingeschränkt wird. Die damit einhergehende finanzielle Belastung der Arbeitgeber durch die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns kann je nach Wirtschaftslage und Kostenstruktur eines betroffenen Unternehmens unter Umständen auch zu betriebsbedingten Kündigungen führen und so mittelbar die freie Berufsausübung der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Die Beteiligung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. soll gewährleisten, dass der Verordnungsgeber diese Gesichtspunkte und die Interessen aller Betroffenen in das Verordnungsverfahren einbezieht, um in einem späteren Abwägungsvorgang die widerstreitenden Interessen zu gewichten und zu werten (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 4. Dezember 1998, BTDrucks 14/151 S. 32 f.). Wegen der eingeschränkten Kontrolldichte bei der Prüfung gesetzgeberischer Einschätzungen und Zielsetzungen im Bereich des Arbeits- und Wirtschaftsrechts ist die vom Gesetz eingeräumte Gelegenheit zur Geltendmachung eigener Rechte vor Inkrafttreten der Regelung von besonderer Bedeutung. Da die Verordnung unmittelbare Gestaltungswirkung hat und ein administrativer Vollzug nicht vorgesehen ist, können die Betroffenen auch nicht auf ein Verwaltungsverfahren verwiesen werden, um dort rechtliches Gehör nach Maßgabe der Vorschriften des VwVfG zu erlangen. Ihre rechtlichen Interessen können sie nur im Rahmen der Beteiligung vor Erlass der Verordnung zu Gehör bringen.

60

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Vergleich mit dem Konsultations- und Konsolidierungsverfahren, das von der Bundesnetzagentur im Marktregulierungsverfahren (vgl. §§ 9 f. TKG) durchzuführen ist, zu keinem anderen Ergebnis, weil dieses Verfahren anderen Zwecken dient. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - (BVerwGE 131, 41 <59 f.>) dazu ausgeführt: "Bei der Konsultation geht es nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie um die Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Regulierungsadressaten ..., sondern um die Herstellung umfassender Transparenz gegenüber der interessierten Fachöffentlichkeit." Daher bezieht die Konsultation neben den Antragstellern und den Adressaten gemäß § 12 Abs. 1 TKG auch nur "interessierte" Dritte mit ein, und ist das Konsultationsergebnis nach § 5 TKG zu veröffentlichen.

61

Der von der Beklagten vorgenommene Vergleich mit Anhörungspflichten aus dem Bereich planerischer oder planungsähnlicher Verwaltungsentscheidungen führt zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung. Vielmehr sieht § 73 VwVfG, der das Anhörungsverfahren für den Bereich der Planfeststellung regelt, ebenfalls eine erneute Anhörung für den Fall der Planänderung vor (vgl. § 73 Abs. 8 VwVfG).

62

Auch aus § 28 Abs. 1 VwVfG folgt nicht, dass eine einmalige Anhörung in allen Verwaltungsverfahren auch im Falle nachträglich erfolgter wesentlicher Änderungen des Anhörungsgegenstandes ausreichend ist, um dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs zu genügen. § 28 VwVfG gilt überdies ausschließlich für Verwaltungsverfahren, die in den Erlass eines Verwaltungsakts münden und ist auf die Beteiligung in einem Normerlassverfahren weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. § 1 Abs. 3a AEntG a.F. ist insofern lex specialis.

63

Für die Notwendigkeit einer erneuten Beteiligung vor Erlass der Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a AEntG für den Fall einer wesentlichen Änderung des ursprünglichen Tarifvertrages, dessen Erklärung als allgemeinverbindlich zunächst beantragt worden war, spricht auch die Gesetzessystematik. Mit § 1 Abs. 3a AEntG a.F. sollte im Interesse einer wirksamen Durchführung des Gesetzes die bislang ausschließliche Anknüpfung an allgemeinverbindliche Tarifverträge um eine Ermächtigung zur Tariferstreckung durch Rechtsverordnung ergänzt werden. In Bezug auf die Verbindlichkeit der einzuhaltenden Arbeitsbedingungen sollte sich hieraus kein Unterschied ergeben (BTDrucks 14/45 S. 17, 25, 26). § 5 Abs. 1 und 2 TVG stellt sowohl hinsichtlich der am Verfahren zu Beteiligenden als auch bezüglich der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages höhere Anforderungen als das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Nach § 5 Abs. 1 TVG ist neben dem Antrag einer Tarifvertragspartei und dem Einverständnis des Ausschusses, der aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, für die Allgemeinverbindlicherklärung erforderlich, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 v.H. der unter den Geltungsbereich des zu erstreckenden Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen (Grundsatz der Repräsentativität) und dass die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Ferner sieht § 5 Abs. 2 TVG unter anderem vor, dass vor der Entscheidung über den Antrag den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen würden, sowie den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben ist. Dagegen ist nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. weder ein Ausschuss aus Interessenvertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beteiligen noch ist dessen Einvernehmen vor dem Erlass der Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erforderlich. Auch das Erfordernis des sog. 50 %-Quorums und des öffentlichen Interesses im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG sind dem Wortlaut des § 1 Abs. 3a AEntG a.F. nicht zu entnehmen. Er verlangt für den Erlass einer Rechtsverordnung lediglich einen Antrag einer Tarifvertragspartei auf Allgemeinverbindlicherklärung. Dieser Verzicht auf die Abstimmung mit einem Ausschuss, der mit den jeweiligen Interessenvertretern besetzt ist, und der Verzicht auf inhaltliche Vorgaben für den Erlass einer erstreckenden Rechtsverordnung verleihen dem in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG vorgesehenen Recht auf Stellungnahme - gleichsam als Ausgleich für die Reduzierung der formellen und materiellen Anforderungen - ein besonderes Gewicht. Die Beteiligung Betroffener dient dem Schutz ihrer Rechte (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. November 1994 - 2 BvB 1/93 - BVerfGE 91, 262). Soll das Beteiligungsrecht mit Blick auf die in Rede stehenden Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG nicht "leer" laufen, gebührt ihm im Normerlassverfahren besondere Aufmerksamkeit und Beachtung. Es stellt keinen "unnötigen Formalismus" dar, auf einer erneuten Beteiligung zu bestehen, wenn der Tarifvertrag, zu dem die Betroffenen Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme erhalten haben, durch einen neuen, hinsichtlich des Geltungsbereichs oder der zu erstreckenden Regelungen abweichenden Tarifvertrag ersetzt wird. Dies setzt ein neues Verfahren in Gang.

64

c) Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Mitteilung der Tarifvertragsparteien über den Abschluss eines neuen Tarifvertrages mit Schreiben vom 29. November 2007 ein neuer Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung zu entnehmen ist, der eine erneute Stellungnahme erforderlich machte. Die Formulierung des Schreibens, die Tarifvertragsparteien hielten an ihrem Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 "fest" und beantragen "nunmehr" die Allgemeinverbindlicherklärung "unter Einschluss der am 29. November 2007 erfolgten Änderung", ändert nichts daran, dass der Tarifvertrag vom 11. September 2007 nebst Protokollnotiz vom 9. November 2007 von den Tarifvertragsparteien am 29. November 2007 "unter Ausschluss von Nachwirkungen" aufgehoben und durch den neuen Tarifvertrag vom 29. November 2007 ersetzt wurde (vgl. BA 3 Bl. 389). Dabei handelte es sich nicht lediglich um die "Änderung" eines früheren Tarifvertrages, der in den ursprünglichen Antrag mit einbezogen wurde, sondern um einen neuen Tarifvertrag, der den Antrag vom 11. September 2007 gegenstandslos und einen neuen Antrag mit neuer Beteiligungspflicht erforderlich machte.

65

Die erneute schriftliche Stellungnahme der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie der Tarifvertragsparteien zum neuen Entwurf der Rechtsverordnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich dessen Regelungsinhalt gegenüber dem vorhergehenden Entwurf nicht wesentlich geändert hätte. Ursprünglich sollten vom Tarifvertrag vom 11. September 2007 "alle Betriebe, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an ihrer Gesamttätigkeit des Betriebes" von dessen Geltungsbereich erfasst werden. Demgegenüber sieht der Tarifvertrag vom 29. November 2007 vor: "Der Tarifvertrag gilt für die Branche Briefdienstleistungen. Dies sind alle Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern."

66

Mit der Änderung vom 29. November 2007 sollte sichergestellt werden, dass das "50 %-Quorum" erfüllt ist, das nach Einschätzung der Beklagten ursprünglich für erforderlich gehalten wurde, um eine Erstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen zu rechtfertigen (UA S. 5). Betroffene, die deshalb bei der ersten Anhörung meinen konnten, es genüge auf den aus ihrer Sicht bestehenden Mangel der Repräsentativität hinzuweisen, mussten nunmehr Gelegenheit erhalten, auch zum Inhalt der Rechtsnormen des zu erstreckenden Tarifvertrages Stellung zu beziehen. Der Einwand des Beklagten, der neue Entwurf der Rechtsverordnung bedeute gegenüber dem ursprünglichen Entwurf lediglich ein "Minus" trifft nicht zu, vielmehr hat er qualitativ andere Wirkungen für die Rechtspositionen der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch den geänderten Tarifvertrag ist ein Teil des ursprünglichen Adressatenkreises gänzlich von der Erstreckungswirkung der Rechtsverordnung ausgenommen worden, während Betriebe und selbstständige Betriebsteile, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, vom Geltungsbereich des neuen Tarifvertrages nach wie vor erfasst werden. Darin liegt eine grundrechtsrelevante rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung, die eine (erneute) Beteiligung der Adressaten der neuen Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderlich machte. Die verfassungsrechtliche Relevanz der Einschränkung des Geltungsbereichs ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten bereits aus der ungleichen rechtlichen Behandlung zweier Gruppen von Briefdienstleistern und nicht erst aus den möglichen, durch Marktanalysen zu ermittelnden wirtschaftlichen Folgen der Ungleichbehandlung. Gerade auch zur Frage, ob durch die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrages auf Unternehmen eines bestimmten Zuschnitts eine Veränderung der Wettbewerbssituation eintritt, müssen die unmittelbar Betroffenen nach § 1 Abs. 3a AEntG vorab Stellung nehmen können.

67

d) Die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderliche Stellungnahme zum geänderten Entwurf der Rechtsverordnung wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, gegen die die Revisionen keine Einwendungen erhoben haben (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht ermöglicht. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist unterblieben (vgl. UA S. 5, 38 f.).

68

Das Verordnungserlassverfahren leidet damit an einem Verfahrensmangel, der evident ist (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 1 BvR 337/92 - BVerfGE 91, 148). Das Beteiligungsrecht ist im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der Arbeitgeber und deren Koalitionen so gewichtig und bedeutsam, dass durch seine Nichtbeachtung das Rechtsetzungsverfahren an einem erheblichen Mangel leidet, der die BriefArbbV unwirksam macht.

69

Auf die weiteren Rechtsfragen kommt es nicht an, weil bereits die Verletzung der Beteiligungsrechte zum Erfolg der Klagen führte.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4, Arbeitgeber der Briefdienstleistungsbranche und Mitglieder des am 11. September 2007 gegründeten Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste e.V., und der Kläger zu 2, ein Arbeitgeberverband derselben Branche, wenden sich mit ihren Feststellungsklagen gegen die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 (Bundesanzeiger 2007, Nr. 242, S. 8410). Mit dieser bis zum 30. April 2010 befristeten Verordnung regelt die Beklagte, dass näher bezeichnete Rechtsnormen des Tarifvertrages über Mindestlöhne für den Bereich Briefdienstleistungen, der zwischen dem im August 2007 gegründeten Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossen wurde, auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anwendbar sind, die unter seinen Geltungsbereich fallen. Danach beträgt der Bruttomindestlohn mit Wirkung vom 1. Dezember 2007 für Briefzusteller unabhängig vom zeitlichen und/oder mengenmäßigen Anteil an der Gesamttätigkeit je nach Bundesland 9,00 € bzw. 9,80 € und für die übrigen Arbeitnehmer der Branche 8,00 € bzw. 8,40 €.

2

Am 11. September 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Postdienste e.V., dem die Deutsche Post AG angehört, und die Gewerkschaft ver.di beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Aufnahme der Branche Postdienstleistungen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zugleich die Allgemeinverbindlicherklärung eines an diesem Tag geschlossenen Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne in der Branche Postdienste. Er sollte für alle Betriebe gelten, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an der Gesamttätigkeit des Betriebes. Ein Verfahren nach § 5 TVG wurde nicht betrieben. Das Bundesministerium leitete ein Verfahren zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Arbeitnehmer-Entsendegesetz ein. Im Bundesanzeiger vom 8. November 2007 wurden der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für die Branche Postdienste und der Entwurf einer Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Briefdienstleistungen bekannt gemacht, verbunden mit der Gewährung einer Frist zur schriftlichen Stellungnahme von drei Wochen. Im gleichzeitig durchgeführten Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes war insbesondere die Reichweite des einzubeziehenden Bereichs umstritten.

3

Nach einer Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 durch Protokollnotizen Anfang November 2007 hoben die Tarifvertragsparteien ihren Tarifvertrag am 29. November 2007 unter Ausschluss von Nachwirkungen auf und schlossen am selben Tag den nunmehr von der Verordnung erfassten Tarifvertrag. Zugleich beantragten sie beim Bundesminister für Arbeit und Soziales die Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages. Den daraufhin angepassten Verordnungsentwurf leitete das Bundesministerium nur denjenigen, die sich auf die Bekanntmachung vom 8. November 2007 geäußert hatten, mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. Dezember 2007 zu. Eine neue Bekanntmachung hielt es für unnötig.

4

Die beigeladene, im Oktober 2007 gegründete Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste schloss am 11. Dezember 2007 mit dem Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. einen Tarifvertrag für das Bundesgebiet. Er betrifft Unternehmen, die Mehrwertbriefdienstleistungen anbieten, die von der Universaldienstleistung trennbar sind, besondere Leistungsmerkmale aufweisen und qualitativ höherwertig sind. Nach § 3 des Tarifvertrages beträgt der Bruttomindestlohn für Mehrwertbriefdienstleistungen mit Wirkung vom 1. Januar 2008 je nach Bundesland 6,50 € oder 7,50 €. Weiter schloss die Beigeladene am 12. Dezember 2007 mit dem Kläger zu 2 einen Tarifvertrag für alle tarifgebundenen Betriebe, die als wesentliche betriebliche Tätigkeit näher definierte Postdienstleistungen, insbesondere die gewerbsmäßige Beförderung von adressierten schriftlichen Mitteilungen bis zu 2 kg zwischen Absender und Empfänger, erbringen. Er gilt deutschlandweit. Der ab dem 1. Januar 2008 vereinbarte Bruttomindestlohn liegt ebenfalls unter den in der streitigen Verordnung bestimmten Beträgen.

5

Am 14. Dezember 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. und die Beigeladene beim Bundesministerium den von ihnen geschlossenen Tarifvertrag zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Mehrwertbriefdienstleistungen vom 11. Dezember 2007 für allgemeinverbindlich zu erklären.

6

Am 14. Dezember 2007 beschloss der Bundestag das am 28. Dezember 2007 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Dessen Art. 1 fügte in § 1 Abs. 1 Satz 4 dieses Gesetzes die Wörter "und für Tarifverträge für Briefdienstleistungen, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend gewerbs- und geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördert" ein.

7

Am 19. Dezember 2007 stimmte die Bundesregierung unter der Bedingung des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes dem Erlass der streitigen Verordnung zu.

8

Am 28. Dezember 2007 unterzeichnete der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Verordnung, die am Tag darauf im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde.

9

Im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht machten die Kläger u.a. geltend, die Verordnung verletze ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sei formell rechtswidrig, weil die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der seinerzeit geltenden Fassung - AEntG a.F. - gebotene Beteiligung der Betroffenen fehlerhaft verlaufen sei. Die Verordnung sei außerdem materiell rechtswidrig. Sie sei nicht von ihrer Ermächtigungsgrundlage gedeckt, die nur eine Erstreckung eines Tarifvertrages auf nicht anderweitig Tarifgebundene ermögliche und eine Entsendeproblematik voraussetze. Der Verordnungsgeber missbrauche seine Verordnungsmacht zu wettbewerblichen Zwecken.

10

Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag der Kläger festgestellt, die Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen verletze den Kläger zu 2 in seinem Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie die übrigen Klägerinnen in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG.

11

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Klagen seien bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Es fehle an einem konkreten Rechtsverhältnis. Der Kläger zu 2 sei als Arbeitgeberverband nicht einmal Normadressat der Verordnung. Diese begründe zwar für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unmittelbar Pflichten, aber nicht für die Beklagte. Die Rechtsverordnung sei überdies rechtmäßig. Insbesondere sei sie von der Ermächtigung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz gedeckt. Die darin verwendete Formulierung, es könne bestimmt werden, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrages auf "nicht tarifgebundene" Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung fänden, sei bei einem weiten Verständnis, wonach auch anderweitig tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer von der Rechtsverordnung erfasst würden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieses Verständnis habe die Beklagte bisher allen Mindestlohnverordnungen zugrunde gelegt.

12

Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsverfahren das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgewiesen. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten - hinsichtlich des Klägers zu 2 - zurückgewiesen. Hinsichtlich der Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien die Sachurteilsvoraussetzungen einer Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO nicht erfüllt. Zwar seien die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 kraft Verordnung unmittelbar verpflichtet, ihren Arbeitnehmern den im Tarifvertrag vom 29. November 2007 bestimmten Mindestlohn zu gewähren. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten begründe dies jedoch kein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Der Zulässigkeit stehe zudem die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) entgegen, die rechtswegübergreifend zu verstehen sei. Die Rechtmäßigkeit der Verordnung könne inzident im arbeitsgerichtlichen Verfahren geklärt werden. Die Feststellungsklage des Klägers zu 2 sei dagegen zulässig. Zwar begründe die Rechtsverordnung für ihn keine unmittelbaren Pflichten. Sie betreffe ihn aber in seinen satzungsmäßigen Aufgaben als Arbeitgeberverband, zu denen auch der Abschluss von Tarifverträgen gehöre. Dem Kläger zu 2 werde durch die Rechtsverordnung die Möglichkeit genommen, im Geltungsbereich des Tarifvertrages für seine Mitglieder abweichende Tarifverträge abzuschließen. Damit werde der Kläger zu 2 in seiner grundrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit als Arbeitgeberkoalition eingeschränkt. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG schütze auch die Koalition selbst in ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Die Klage des Klägers zu 2 sei auch begründet. Der Erlass der Verordnung verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Überdies verstoße die Verordnung gegen den Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 80 Abs. 1 GG, weil die in der Verordnung zitierte gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG es nur zulasse, dass alle unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden und nicht bereits anderweitig tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von deren Geltungserstreckung erfasst würden. Die Verordnung greife auch deshalb unzulässig in verfassungsmäßige Rechte des Klägers zu 2 ein, weil die Beklagte bei ihrem Erlass die in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG geregelten Beteiligungsrechte missachtet haben. Die Anfang November eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme durch die erfolgte Veröffentlichung im Bundesanzeiger habe den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Die Aufhebung des alten und der Abschluss eines neuen Tarifvertrages hätten die Einleitung eines neuen Verfahrens mit erneuter Beteiligung erforderlich gemacht.

13

Gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts haben die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

14

Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 rügen, dass das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht von der Unzulässigkeit ihrer Klage ausgegangen sei. In Übereinstimmung mit dem Kläger zu 2 machen sie geltend, die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechtspositionen.

15

Die Klägerin zu 1 beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufzuheben, soweit es die Klage der Klägerin und Berufungsbeklagten zu 1 abgewiesen hat, und die Berufung der Beklagten auch insoweit zurückzuweisen.

16

Die Klägerinnen zu 3 und 4 beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

17

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 abzuändern, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und die Klage des Klägers zu 2 abzuweisen und die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zurückzuweisen.

18

Der Kläger zu 2 beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

19

Die Beklagte hält die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 für unzulässig und die Klage des Klägers zu 2 für unbegründet. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten bestehe kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, weil die streitige Verordnung vom 28. Dezember 2007 die Rechtsbeziehungen zwischen Normgeber und Normadressaten nicht unmittelbar gestalte. Dessen ungeachtet sei eine Feststellungsklage auch subsidiär. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 hätten die Möglichkeit, die Verordnung vom 28. Dezember 2007 in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht oder, soweit Überwachungs- und Sanktionsmaßnahmen in Betracht kämen, vor dem Finanzgericht inzident überprüfen zu lassen.

20

Die Klage des Klägers zu 2 sei unbegründet. Die Verordnung vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtmäßig, insbesondere sei die Einholung einer erneuten Stellungnahme der von der Verordnung betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 nicht mehr erforderlich gewesen.

Entscheidungsgründe

21

Die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben Erfolg. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung von § 43 VwGO, in dem es zu Unrecht annimmt, die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien mangels eines feststellbaren Rechtsverhältnisses zwischen Normgeber und Normadressat und wegen der Subsidiarität der Feststellungsklagen unzulässig (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Die Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Deshalb führen die Revisionen insoweit zur Aufhebung des Urteils (1.). Die Revision der Beklagten erweist sich nicht als begründet. Das Oberverwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellungsklage des Klägers zu 2 zulässig ist (2.). Auch seine Annahme, der Kläger zu 2 sei wegen Missachtung des in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens in seinen Rechten verletzt, ist frei von Rechtsfehlern. Die Missachtung des Beteiligungsverfahrens verletzt in gleicher Weise auch die Rechte der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 (3.).

22

1. Die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 sind zulässig.

23

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

24

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (Urteile vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <329 f.> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30 S. 87 f., vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264> = Buchholz 454.9 MietpreisR Nr. 15 S. 2 f. und vom 20. November 2003 - BVerwG 3 C 44.02 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 37). Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss "in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig" sein (Urteile vom 13. Oktober 1971 - BVerwG 6 C 57.66 - BVerwGE 38, 346 m.w.N. = Buchholz 232 § 123 BBG Nr. 8 und vom 30. Mai 1985 - BVerwG 3 C 53.84 - BVerwGE 71, 318 = Buchholz 418.32 AMG Nr. 13; Beschluss vom 12. November 1987 - BVerwG 3 B 20.87 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 97). Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (Urteil vom 23. Januar 1992 a.a.O. S. 330 bzw. S. 88). Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Darauf beschränkt sich das Klagebegehren bei sinngemäßer Auslegung nach § 88 VwGO jedoch nicht.

25

aa) Der Antrag der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 festzustellen, dass die Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt, richtet sich nicht auf die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Norm, so dass § 47 VwGO gegenüber dem Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keine Sperrwirkung entfaltet. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt (Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355 <363> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 238). Von einer "Umgehung" des § 47 VwGO kann nur dann die Rede sein, wenn mit einem auf eine andere Klageart gestützten Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm oder einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines ungewissen künftigen Sachverhalts erreicht werden soll; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen theoretisch zu lösen (Urteil vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 78). Anders liegt es dagegen, wenn - wie vorliegend - die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm als - wenn auch streitentscheidende - Vorfrage aufgeworfen wird (Urteile vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - a.a.O. und vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <278> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1; so auch BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 541/02 u.a. - BVerfGE 115, 81 <95 f.>). Mit dem Feststellungsbegehren werden subjektive Rechtspositionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 geltend gemacht, um Einschränkungen der tarifautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes abzuwehren.

26

bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts besteht zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten ein feststellungsfähiges konkretes streitiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Es ergibt sich aus der Anwendung der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 3a AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3140) und der den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 verbürgten Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG. Streitig ist, ob der zuständige Minister der Beklagten formell- und materiellrechtlich gegenüber den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 befugt war, auf der Grundlage des § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (a.F.) die streitige Rechtsverordnung zu erlassen, und ob die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nach wie vor berechtigt sind, ihre Arbeitnehmer zu niedrigeren Löhnen zu beschäftigen, als es den im Verordnungsweg erstreckten Mindestlohnregelungen entspricht. Das Vorbringen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, wegen eingegangener anderweitiger Tarifbindung würden sie von der Erstreckungsregelung in der Rechtsverordnung nicht erfasst, lässt sich als ein Geltendmachen des "Nichtbestehens" eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO deuten.

27

Ein im Verhältnis zur Beklagten feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil das Recht der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, die Zahlung des Mindestlohns zu verweigern, nicht gegenüber der Beklagten, sondern nur gegenüber ihren Arbeitnehmern bestünde. Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und ihren Arbeitnehmern schließt das gleichzeitige Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten als Verordnungsgeberin nicht aus. Beide Rechtsverhältnisse sind von einander abzugrenzen, weil sie auf der Anwendung unterschiedlicher Rechtsnormen beruhen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zu ihren Arbeitnehmern richtet sich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen des Privatrechts sowie - bei wirksamer Erstreckung - der tariflichen Mindestlohnvereinbarung. Das streitige Rechtsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten beurteilt sich hingegen nach § 1 Abs. 3a Satz 1 und 2 AEntG a.F. und den Grundrechtspositionen, in deren Schutzbereich die tarif- oder privatautonome Vereinbarung von Arbeitsentgelten fällt. Wegen des von den Klägerinnen zu 3 und 4 zwischenzeitlich abgeschlossenen Mantel-/Haustarifvertrages vom 23. April 2008 und der Bindung der Klägerin zu 1, die Mitglied im Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste ist, an den Tarifvertrag vom 11. Dezember 2007 kommt eine Verletzung ihrer positiven, ihnen als Arbeitgebern zustehenden Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG in Betracht. Jedenfalls ist ihre Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berührt, weil die Erstreckung von Mindestlohntarifregelungen das Recht des Arbeitgebers einschränkt, die Arbeitsbedingungen privatautonom zu gestalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Dezember 2004 - 1 BvR 2283/03, 2504/03 und 2582/03 - NZA 2005, 153 <155>).

28

cc) Die Annahme eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses scheitert vorliegend auch nicht daran, dass eine Feststellungsklage des Normadressaten unmittelbar gegen den Normgeber im Regelfall ausscheidet. Da nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist und Art. 83 GG ebenso grundsätzlich bestimmt, dass die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, d.h. sie verwaltungsmäßig umsetzen, eröffnet sich im Regelfall ein Rechtsverhältnis zwischen Normadressaten und Normanwender, nicht hingegen zwischen Normadressaten und Normgeber, weil Letzterer an der Umsetzung der Norm gegenüber dem Adressaten nicht beteiligt ist (Urteil vom 23. August 2007 - BVerwG 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 <204> = Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 5). Das schließt jedoch nicht aus, über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinaus - wenn etwa das Recht des Betroffenen auf Gleichbehandlung den Erlass oder die Änderung einer Rechtsnorm gebietet (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 4. Juli 2002 - BVerwG 2 C 13.01 - Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2 und vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93) - eine Feststellungsklage gegen den Normgeber auch für zulässig zu halten, wenn mangels administrativen Vollzugs kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Normanwender und Normadressat begründet, die Rechtsbeeinträchtigung bereits unmittelbar durch die Norm bewirkt wird und effektiver Rechtsschutz nur im Rechtsverhältnis zwischen Normgeber und Normadressat gewährt werden kann.

29

Dass eine Norm "self-excuting" ist, d.h. dass sich aus ihr unmittelbar Rechte und Pflichten ergeben, begründet jedoch noch kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Normgeber, soweit dort noch Verwaltungsvollzug möglich ist (vgl. Urteil vom 23. August 2007 a.a.O. S. 205). Auch bei solchen Normen können sich normbetroffene Personen und eine die Norm vollziehende Behörde gegenüberstehen, die die Regelungen konkretisiert oder individualisiert und Anordnungen für den Einzelfall aufgrund gesetzlicher Befugnisse trifft. In solchen Fällen muss die Feststellung eines konkreten streitigen Rechtsverhältnisses zwischen Normadressat und Normanwender geklärt werden und nicht eine Rechtsbeziehung zum Normgeber.

30

Eine Feststellungsklage gegen den Normgeber kommt mithin nur dann in Betracht, wenn die Rechtsverordnung unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist (vgl. etwa Urteil vom 1. März 1967 - BVerwG 4 C 74.66 - BVerwGE 26, 251 <253> = Buchholz 445.4 § 23 WHG Nr. 2; Beschluss vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 7 VR 1.02 - Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 2; Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <279> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1, vom 26. November 2003 - BVerwG 9 C 6.02 - BVerwGE 119, 245 <249> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 2 und vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <155 f.> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3). Das ist hier der Fall. Aus der Erstreckung tarifvertraglicher Regelungen durch § 1 BriefArbbV ergeben sich unmittelbar Pflichten der von ihrem Anwendungsbereich erfassten Arbeitgeber. Eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Maßnahmen des Verwaltungsvollzugs ist nicht vorgesehen.

31

Nach dem Wortlaut des § 1 BriefArbbV führt die Erstreckung der Rechtsnormen des zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrages vom 29. November 2007 dazu, dass dessen Regelungen auf alle nicht bereits an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzuwenden sind. Sie gelten damit kraft Tariferstreckung durch Rechtsverordnung, indem sie die betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den persönlichen Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages einbeziehen. Die Betroffenen unterliegen damit der Bindung an die Regelungen des Tarifvertrages ebenso wie die Tarifvertragsparteien. Nach § 4 Abs. 1 TVG verdrängen tarifvertragliche Regelungen in ihrem Geltungsbereich grundsätzlich entgegenstehende arbeitsvertragliche Abreden, ohne dass es dazu einer Umsetzung oder anderer Maßnahmen bedarf (Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl. 2004, § 4 Rn. 21). Bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs tarifvertraglicher Regelungen nach § 1 Abs. 3a AEntG tritt die unmittelbare Gestaltungswirkung jedenfalls bei Arbeitsverhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein, die bisher keiner Tarifbindung unterlagen. Auch bei Arbeitsverhältnissen, auf die unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen Anwendung finden können, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass die Rechtsverordnung eine Verpflichtung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Zahlung des Mindestlohns begründet. Auch die Beklagte geht davon aus, dass durch die unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung eine anderweitige Tarifbindung verdrängt wird.

32

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Fälle der Tarifkonkurrenz, d.h. der Bindung beider Arbeitsvertragsparteien an konkurrierende Tarifverträge, grundsätzlich nach den Regeln der sog. Tarifspezialität zu lösen. Zur Anwendung kommt der speziellere Tarifvertrag, der dem betreffenden Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am nächsten steht. Das gilt auch bei einer Tarifkonkurrenz zwischen einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag nach § 5 TVG und einem nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag und für die Fälle der Tarifpluralität, also der Bindung eines Arbeitgebers an mehrere Tarifverträge (BAG, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 10 AZR 113/02 - AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; a.A. LAG Frankfurt/Main, Urteil vom 14. Juli 2003 - 16 Sa 530/02 - DB 2004, 1786). Der Vorrang des spezielleren Tarifvertrages gilt allerdings dann nicht, wenn der speziellere Tarifvertrag ohne Tarifbindung des Arbeitgebers lediglich einzelvertraglich vereinbart worden ist (BAG, Urteile vom 22. September 1993 - 10 AZR 207/92 - AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz und vom 4. Dezember 2002 a.a.O.).

33

Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 und 3 AEntG a.F. werden Tarifkonkurrenzen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch nach dem Günstigkeitsprinzip gelöst. Die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung verdrängt die ungünstigere, unabhängig davon, ob der betreffende Tarifvertrag aufgrund vertraglicher Bindung nach § 3 TVG oder aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung anzuwenden ist (BAG, Urteile vom 20. Juli 2004 - 9 ARZ 343/03 - BAGE 111, 247 und vom 18. Oktober 2006 - 10 AZR 576/05 - BAGE 120, 1). Wird die Tarifkonkurrenz auch bei einer Erstreckung tariflicher Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung nach dem Günstigkeitsprinzip aufgelöst, ergibt sich für alle Arbeitgeber, die nicht bereits aufgrund anderweitiger Tarifbindung zur Zahlung des Mindestlohnes verpflichtet sind, diese Pflicht aus der unmittelbaren Einbeziehung in den Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages.

34

Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sieht wegen der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der durch die Rechtsverordnung erstreckten Tarifnormen keine Umsetzungs- bzw. Vollzugsakte vor, sondern beschränkt sich darauf, Verstöße mit Sanktionen zu bewehren (vgl. § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 4 AEntG a.F. i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 OWiG zur Zuständigkeit der Bundesbehörden; § 5 Abs. 1 und 2 AEntG a.F.). Eine Verfolgung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit ist jedoch nicht geeignet, zwischen den Klägerinnen und der Beklagten ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zu begründen. Ein solches Rechtsverhältnis besteht ausschließlich zur Beklagten als Normgeberin, die die Pflichtenregelung durch die Bekanntgabe im Bundesanzeiger ausgelöst hat und die sie wieder aufheben könnte (Beschluss vom 19. Dezember 2002 a.a.O.).

35

Diese Annahme steht nicht im Widerspruch zur nicht entscheidungstragenden Erwägung im Urteil des 7. Senats vom 23. August 2007 (a.a.O.), dass es über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinausgehend keiner weiteren "atypischen Feststellungsklagen" gegen den Normgeber bedürfe. Diese Formulierung ist nicht dahingehend zu verstehen, dass ein konkretes Rechtsverhältnis zum Normgeber in allen anderen Fällen begrifflich ausgeschlossen wäre, sondern erklärt sich daraus, dass regelmäßig, wie im seinerzeit zu entscheidenden Fall, die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Norm im Rahmen der gegen die Vollzugsbehörde gerichteten Feststellungsklage als inzident zu prüfende Vorfrage geklärt werden kann. So wurde damals die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gegen den Normgeber mit Blick auf die Befugnis in § 21 KrW-/AbfG zum Vollzug der Verpackungsverordnung verneint. Mit der Frage, ob bei Fehlen des Verwaltungsvollzugs eine Feststellungsklage gegen den Normgeber in Betracht kommt, setzt sich die Entscheidung des 7. Senats nicht auseinander.

36

Für die Annahme eines streitigen Rechtsverhältnisses genügt es, dass die Möglichkeit der Verdrängung einer anderweitigen Tarifbindung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 durch eine unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung besteht, deren Beachtung von der Beklagten eingefordert wird. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Feststellungsklage muss weder abschließend geklärt werden, ob bei einer Tariferstreckung nach § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG a.F. das Günstigkeitsprinzip anzuwenden ist, noch, ob sich die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unter Hinweis auf den Grundsatz der Spezialität auf einen betriebsnäheren Tarifvertrag berufen können, der ihre Verpflichtung zur Zahlung eines erstreckten Mindestlohnes entfallen lässt. Fragen zur Wirksamkeit der von den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgeschlossenen Tarifverträge sind daher ebenfalls unerheblich.

37

b) Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben auch ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung. Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art ein. Unabhängig von den Sanktionen, die den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 drohen, falls sie den festgesetzten Bruttomindestlohn ihren Arbeitnehmern nicht bezahlen, ergibt sich ein wirtschaftliches Interesse der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 schon daraus, dass sie wegen der finanziellen Belastung möglichst frühzeitig wissen wollen, ob sie verpflichtet sind, den festgesetzten Bruttomindestlohn zu zahlen. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 können daneben auch geltend machen, dass sie durch die Erstreckungswirkung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und/oder von Art. 9 Abs. 3 GG ist jedenfalls möglich.

38

c) Zu Unrecht hat das Oberverwaltungsgericht eine Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO bejaht und angenommen, eine mögliche Klärung des Rechtsstreits sei in einem arbeitsgerichtlichen Prozess aus prozessökonomischen Gründen vorrangig.

39

Wegen des fehlenden Verwaltungsvollzugs können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keinen Rechtsschutz durch eine verwaltungsgerichtliche Gestaltungsklage im Wege der Anfechtung erlangen. Auch eine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage scheidet aus.

40

Eine Subsidiarität gegenüber Rechtsbehelfen zu den Arbeits- oder Finanzgerichten ist nicht gegeben. Ebenso wenig können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 darauf verwiesen werden, vorrangig in einem Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz eine Klärung der aufgeworfenen Fragen herbeizuführen. Das Berufungsgericht wird im angegriffenen Urteil der Zielsetzung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht gerecht. Diese Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (Urteil vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93). Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 3 C 8.95 - Buchholz 418.61 Tierkörperbeseitigungsgesetz Nr. 12). Wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtswege gilt diese Zielsetzung "rechtswegübergreifend", d.h. etwa auch dann, wenn die mit der Feststellungsklage konkurrierende Klage vor dem Zivilgericht zu erheben ist (Urteile vom 18. Oktober 1985 - BVerwG 4 C 21.80 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 28 = BVerwGE 72, 172 und vom 12. Juli 2000 - BVerwG 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 <308 f.> = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133). Eine Subsidiarität ist jedoch zu verneinen, wenn die Feststellungsklage - wie hier - effektiveren Rechtsschutz bietet (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <156> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3).

41

Die Feststellungsklage ist nicht subsidiär gegenüber der Möglichkeit, sich gegen Leistungsklagen der Arbeitnehmer auf Lohnzahlung vor den Arbeitsgerichten zu wehren und in diesen Verfahren eine inzidente Kontrolle der BriefArbbV herbeizuführen. Zum einen legt der Wortlaut des § 43 Abs. 2 VwGO nahe, dass die Subsidiarität die Möglichkeit anderweitiger aktiver Geltendmachung eigener Rechte, und nicht nur eine Verteidigungsmöglichkeit oder eine mögliche Beteiligung als Dritter voraussetzt. Im Übrigen würde die Stellung als Beklagte im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nicht davor schützen, von der zuständigen Behörde vor Ergehen eines rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts über die Lohnklage mit Sanktionen wegen der Nichtgewährung des Mindestlohns belangt zu werden.

42

Es ist für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 auch nicht zumutbar, über ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eine gerichtliche Klärung zu erreichen (Urteil vom 13. Januar 1969 - BVerwG 1 C 86.64 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 31 = BVerwGE 31, 177). § 5 Abs. 3 AEntG a.F. erlaubt eine Ahndung mit bis zu 500 000 €. Dass die Beklagte ihre Behörden angewiesen hat, während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Sanktionen zu verhängen und sich auf Ermittlungen zu beschränken, bedeutet keinen Verzicht, sondern nur einen zeitlichen Aufschub. Da die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 Klarheit haben wollen, ob sie verpflichtet sind, allen bei ihnen beschäftigten Mitarbeitern den Bruttomindestlohn zu zahlen, geht es ihnen auch nicht lediglich darum, vorbeugenden Rechtsschutz gegenüber etwaigen späteren Bußgeldverfahren zu erlangen (Urteile vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207 <213> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 16 und vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <331> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30).

43

Soweit nach § 23 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. April 2009 (BGBl I S. 818), der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet ist, handelt es sich um Rechtsbehelfe gegen Prüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen sowie gegen datenschutzrechtlich relevantes Handeln der Finanzbehörden im Zuge der Verfolgung von Verstößen gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Unterlassungsklagen dagegen stellen keinen effektiven Rechtsschutz hinsichtlich der Klärung der geltend gemachten Rechtsverletzungen durch die Verordnung dar, der einer Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO vorgeht.

44

2. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage des Klägers zu 2 im Ergebnis zu Recht bejaht.

45

a) Auch zwischen dem Kläger zu 2 und der Beklagten besteht ein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Gegenstand des Streits zwischen diesen Beteiligten ist die Anwendung des § 1 Abs. 3a AEntG und der darauf gestützten BriefArbbV auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Betätigung des Klägers zu 2 als Arbeitgeberverband (Koalition). Streitig ist, ob § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG zur Tariferstreckung gegenüber anderweitig tarifgebundenen Arbeitgebern ermächtigt mit der Folge, dass vom Kläger zu 2 wirksam abgeschlossene oder noch abzuschließende Tarifverträge bei Anwendung des Günstigkeitsprinzips verdrängt würden, und ob dem Kläger zu 2 wegen eines mittelbaren Eingriffs in sein Recht auf koalitionsgemäße Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG ein Abwehrrecht gegen die Geltungserstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen nach § 1 BriefArbbV zusteht, obwohl die Verordnung nur für seine Mitglieder, und nicht für ihn selbst unmittelbar Rechte und Pflichten begründet.

46

Für das Vorliegen eines im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO streitigen konkreten Rechtsverhältnisses ist es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht erforderlich, abschließend zu klären, ob die zwischen den Beteiligten streitige Befugnis zum Erlass der Verordnung und das geltend gemachte Abwehrrecht tatsächlich bestehen.

47

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zwischen ihr und dem Kläger zu 2 weder voraus, dass die umstrittene Verordnung den Arbeitgeberverband unmittelbar verpflichtet, noch, dass sie ihm den Abschluss den Mindestlohn unterschreitender Tarifverträge verbietet. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit kann auch mittelbaren Beeinträchtigungen der koalitionsgemäßen Betätigung entgegengehalten werden.

48

Art. 9 Abs. 3 GG schützt die Koalition selbst in ihrem Bestand, in ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen (BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 u.a. - BVerfGE 50, 290 <373 f.>; Beschlüsse vom 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212 <224>, vom 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93, 1 BvR 897/95 - BVerfGE 100, 271 <282> und vom 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293 <304>). Der Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigungen beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (Beschluss vom 27. April 1999 a.a.O. m.w.N.) und umfasst insbesondere auch die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht. Das Aushandeln von Tarifverträgen ist ein wesentlicher Zweck der Koalitionen (BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 268 <283> m.w.N.). Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (BVerfG, Beschlüsse vom 24. April 1996 a.a.O., vom 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - BVerfGE 93, 353 <358> und vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - NJW 2007, 51 <53>). Die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben für geeignet halten, bleiben unter dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen überlassen (BVerfG, Beschluss vom 28. April 1976 - 1 BvR 71/73 - BVerfGE 42, 133 <138>; Urteil vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 u.a. - BVerfGE 92, 365 <393>). Allerdings schützt Art. 9 Abs. 3 GG einen Arbeitgeberverband nicht gegen ein tarifpolitisches Konkurrenzverhältnis, selbst wenn dieses den Verlust von Verbandsmitgliedern zur Folge haben kann (Beschlüsse vom 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322 <352> m.w.N. und vom 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 - BVerfGE 55, 7 <24>). Die Koalitionsfreiheit schützt aber vor staatlicher Einflussnahme auf das Konkurrenzverhältnis.

49

Solche für den Kläger zu 2 als Arbeitgeberverband nachteiligen mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit ergeben sich bei Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips aus der Verdrängungswirkung der erstreckten tariflichen Mindestlohnvereinbarung gegenüber den Mindestlohn unterbietenden, bereits abgeschlossenen oder noch abzuschließenden Tarifverträgen im selben Geltungsbereich. Auf die Frage, ob der vom Kläger zu 2 bereits abgeschlossene Tarifvertrag wirksam ist, und auf die in diesem Zusammenhang erhobenen, arbeitsgerichtlich noch nicht rechtskräftig geklärten Bedenken gegen die Tariffähigkeit und Gegnerfreiheit der Beigeladenen kommt es für die Geltendmachung einer mittelbaren Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit nicht an. Auch wenn die Verdrängungswirkung sich noch nicht aktualisiert haben sollte, verschlechtert sie bereits jetzt die Verhandlungsposition der Arbeitgeberverbände, die nicht am Abschluss des erstreckten Tarifvertrages beteiligt waren. Die Erstreckung der Geltung tariflich vereinbarter Mindestarbeitsbedingungen auf anderweitig Tarifgebundene beeinträchtigt die Verhandlungs- und Wettbewerbsposition der nicht am Tarifvertragsschluss beteiligten Koalitionen jedenfalls insoweit, als sie mit einer Verdrängung ihrer - auch künftigen - Tarifabreden rechnen müssen. Aufgrund der durch die Rechtsverordnung erfolgten Erstreckung des Tarifvertrages vom 29. November 2007 kann der Kläger zu 2 seine durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten tarif- und sozialpolitischen Zielvorstellungen beim angestrebten Abschluss anderweitiger Tarifverträge mit von der Allgemeinverbindlicherklärung abweichendem Inhalt nur noch im beschränkten Maße verwirklichen. Seine koalitionsspezifische Verhandlungsposition wird durch den Erlass der Rechtsverordnung damit beeinträchtigt. Für ihn verschlechtern sich die Möglichkeiten, unbehindert von den Rechtswirkungen der Tariferstreckung mit Arbeitnehmerkoalitionen Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, die seinen tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und denjenigen seiner Mitgliedsunternehmen entsprechen.

50

Die Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit kann im Einzelfall durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein, ist aber jedenfalls rechtfertigungsbedürftig. Das reicht für das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO aus.

51

Dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2000 - 1 BvR 948/00 - (GewArch 2000, 381 f.) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Denn weder er selbst noch die darin in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verhalten sich zur Frage, ob in einer Erstreckung tarifvertraglicher Normen auf einen Arbeitgeberverband eine rechtfertigungsbedürftige mittelbare Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit liegen kann.

52

b) Das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse des Klägers zu 2 an der baldigen Feststellung liegt vor. Der Kläger zu 2 ist mittelbar eingeschränkt, seine tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele zu verfolgen und entsprechend diesen Zielvorstellungen für seine Mitgliedsunternehmen von dem durch Rechtsverordnung erstreckten Tarifvertrag abweichende Arbeitsbedingungen auszuhandeln und abzuschließen. Er hat ein geschütztes wirtschaftliches und ideelles Interesse daran, die Rechtmäßigkeit seiner Einschränkung gerichtlich durch Feststellungsklage überprüfen zu lassen und kann eine mögliche Verletzung seiner Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG geltend machen.

53

c) Die vom Kläger zu 2 erhobene Feststellungsklage ist auch nicht unzulässig, weil sie gegenüber einer Klage vor den Arbeitsgerichten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG) subsidiär wäre. Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem TVG oder über das Bestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Für solche sog. Verbandsklagen ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Dabei handelt es sich um eine "quasi-Normenkontrolle" (Reinecke, in: Däubler, Kommentar zum Tarifvertragsgesetz, 2. Aufl. 2006, § 9 Rn. 3) der Tarifvertragsparteien, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben. Der Kläger zu 2 scheidet als Partei eines Verfahrens nach § 9 TVG gegen den Tarifvertrag vom 29. November 2007 von vornherein aus, weil er an dessen Abschluss nicht beteiligt war.

54

Der Kläger zu 2 kann auch nicht auf den Abschluss eines eigenen Tarifvertrages verwiesen werden, um dann gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG dessen Gültigkeit im Wege der Verbandsklage abklären zu lassen. Mit einer solchen Klage kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages, jedoch nicht geklärt werden, ob ein Tarifvertrag nach den Regelungen der Tarifkonkurrenz oder aus anderen Gründen gegenüber anderen Tarifverträgen zurücktritt (Franzen, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2010, § 9 TVG Rn. 7). Sie könnte den Kläger zu 2 jedenfalls vor den hier in Betracht zu ziehenden mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit, die von der Rechtsverordnung ausgehen, nicht schützen.

55

3. Gegen die selbstständig tragende Annahme des Berufungsgerichts, dass beim Erlass der Rechtsverordnung zur Erstreckung der tariflichen Mindestlohnregelungen das vorgeschriebene Verfahren nicht beachtet worden ist und dass die wegen der Evidenz des Verfahrensfehlers rechtswidrige Verordnung den Kläger zu 2 in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt, ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.

56

a) Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die BriefArbbV den Kläger zu 2 in seinen Rechten verletzt, weil die Beklagte beim Erlass der Rechtsverordnung das gesetzlich in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebene Verfahren missachtet hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem dort geregelten Beteiligungsgebot komme wegen des Fehlens sonstiger materiellrechtlicher Anforderungen an den Erlass der Rechtsverordnung einerseits und der handgreiflichen Betroffenheit der Arbeitgeberseite im grundrechtlich geschützten Bereich andererseits wesentliche Bedeutung für die Abwägung der für und wider den Erlass der Rechtsverordnung streitenden Erwägungen zu, ist nicht zu beanstanden. Der Senat teilt die Auffassung, dass zwischen den normativen Regelungen des Tarifvertrages und dem Beteiligungsrecht ein unmittelbarer Bezug dergestalt besteht, dass sich die Gelegenheit zur Stellungnahme der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die konkrete Tarifvertragsvereinbarung beziehen muss und nicht allgemein auf ein "Projekt", das in einer Branche Mindestarbeitsbedingungen mit dem Instrumentarium des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes festlegen will.

57

b) Gemäß § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor Erlass der Rechtsverordnung den in den Geltungsbereich der vorgesehenen Rechtsverordnung fallenden Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. nicht dahingehend zu interpretieren, dass es ausreicht, den zu Beteiligenden auch in dem Fall Gelegenheit zur Stellungnahme nur zum ursprünglichen Entwurf der Rechtsverordnung zu geben, wenn dieser im weiteren Verlauf des Verfahrens wesentlich in seinem Inhalt verändert wird. Die gegenteilige Annahme der Beklagten lässt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung, noch aus ihrem Sinn und Zweck und ihrer Systematik herleiten.

58

Bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. ergibt sich, dass das Recht zur Stellungnahme auf den konkreten Tarifvertrag bezogen ist, dessen Rechtsnormen durch Rechtsverordnung auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt werden sollen. Zu beteiligen sind nicht nur diejenigen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die unter den Anwendungsbereich der Rechtsverordnung fallen, sondern auch die Parteien des Tarifvertrages, dessen Regelungen erstreckt werden sollen. Damit besteht zwischen den Rechtsnormen des konkreten, zu erstreckenden Tarifvertrages und dem Recht zur Stellungnahme eine unmittelbare Beziehung, die das Oberverwaltungsgericht zutreffend mit "handgreiflicher Betroffenheit" jedenfalls im grundrechtlich geschützten Bereich umschrieben hat. Existiert der ursprüngliche Tarifvertrag nicht mehr und wird ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, so bedarf es grundsätzlich auch eines hierauf bezogenen neuen Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung und einer erneuten Beteiligung im Sinne des Gesetzes.

59

Auch der erkennbare Zweck des Rechts zur Stellungnahme spricht für eine erneute Beteiligung im vorliegenden Fall. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. dient nicht nur der Information des zuständigen Ministeriums, sondern soll den Betroffenen die Möglichkeit einräumen, ihre Rechte geltend zu machen. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gewährt den betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages das Recht zur Stellungnahme, weil sich die Geltungserstreckung eines Tarifvertrages per Rechtsverordnung unmittelbar gestaltend auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse auswirkt. Betroffen sind grundrechtlich geschützte Positionen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da die Freiheit zur privatautonomen Gestaltung der Arbeitsverhältnisse eingeschränkt wird. Die damit einhergehende finanzielle Belastung der Arbeitgeber durch die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns kann je nach Wirtschaftslage und Kostenstruktur eines betroffenen Unternehmens unter Umständen auch zu betriebsbedingten Kündigungen führen und so mittelbar die freie Berufsausübung der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Die Beteiligung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. soll gewährleisten, dass der Verordnungsgeber diese Gesichtspunkte und die Interessen aller Betroffenen in das Verordnungsverfahren einbezieht, um in einem späteren Abwägungsvorgang die widerstreitenden Interessen zu gewichten und zu werten (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 4. Dezember 1998, BTDrucks 14/151 S. 32 f.). Wegen der eingeschränkten Kontrolldichte bei der Prüfung gesetzgeberischer Einschätzungen und Zielsetzungen im Bereich des Arbeits- und Wirtschaftsrechts ist die vom Gesetz eingeräumte Gelegenheit zur Geltendmachung eigener Rechte vor Inkrafttreten der Regelung von besonderer Bedeutung. Da die Verordnung unmittelbare Gestaltungswirkung hat und ein administrativer Vollzug nicht vorgesehen ist, können die Betroffenen auch nicht auf ein Verwaltungsverfahren verwiesen werden, um dort rechtliches Gehör nach Maßgabe der Vorschriften des VwVfG zu erlangen. Ihre rechtlichen Interessen können sie nur im Rahmen der Beteiligung vor Erlass der Verordnung zu Gehör bringen.

60

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Vergleich mit dem Konsultations- und Konsolidierungsverfahren, das von der Bundesnetzagentur im Marktregulierungsverfahren (vgl. §§ 9 f. TKG) durchzuführen ist, zu keinem anderen Ergebnis, weil dieses Verfahren anderen Zwecken dient. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - (BVerwGE 131, 41 <59 f.>) dazu ausgeführt: "Bei der Konsultation geht es nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie um die Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Regulierungsadressaten ..., sondern um die Herstellung umfassender Transparenz gegenüber der interessierten Fachöffentlichkeit." Daher bezieht die Konsultation neben den Antragstellern und den Adressaten gemäß § 12 Abs. 1 TKG auch nur "interessierte" Dritte mit ein, und ist das Konsultationsergebnis nach § 5 TKG zu veröffentlichen.

61

Der von der Beklagten vorgenommene Vergleich mit Anhörungspflichten aus dem Bereich planerischer oder planungsähnlicher Verwaltungsentscheidungen führt zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung. Vielmehr sieht § 73 VwVfG, der das Anhörungsverfahren für den Bereich der Planfeststellung regelt, ebenfalls eine erneute Anhörung für den Fall der Planänderung vor (vgl. § 73 Abs. 8 VwVfG).

62

Auch aus § 28 Abs. 1 VwVfG folgt nicht, dass eine einmalige Anhörung in allen Verwaltungsverfahren auch im Falle nachträglich erfolgter wesentlicher Änderungen des Anhörungsgegenstandes ausreichend ist, um dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs zu genügen. § 28 VwVfG gilt überdies ausschließlich für Verwaltungsverfahren, die in den Erlass eines Verwaltungsakts münden und ist auf die Beteiligung in einem Normerlassverfahren weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. § 1 Abs. 3a AEntG a.F. ist insofern lex specialis.

63

Für die Notwendigkeit einer erneuten Beteiligung vor Erlass der Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a AEntG für den Fall einer wesentlichen Änderung des ursprünglichen Tarifvertrages, dessen Erklärung als allgemeinverbindlich zunächst beantragt worden war, spricht auch die Gesetzessystematik. Mit § 1 Abs. 3a AEntG a.F. sollte im Interesse einer wirksamen Durchführung des Gesetzes die bislang ausschließliche Anknüpfung an allgemeinverbindliche Tarifverträge um eine Ermächtigung zur Tariferstreckung durch Rechtsverordnung ergänzt werden. In Bezug auf die Verbindlichkeit der einzuhaltenden Arbeitsbedingungen sollte sich hieraus kein Unterschied ergeben (BTDrucks 14/45 S. 17, 25, 26). § 5 Abs. 1 und 2 TVG stellt sowohl hinsichtlich der am Verfahren zu Beteiligenden als auch bezüglich der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages höhere Anforderungen als das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Nach § 5 Abs. 1 TVG ist neben dem Antrag einer Tarifvertragspartei und dem Einverständnis des Ausschusses, der aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, für die Allgemeinverbindlicherklärung erforderlich, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 v.H. der unter den Geltungsbereich des zu erstreckenden Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen (Grundsatz der Repräsentativität) und dass die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Ferner sieht § 5 Abs. 2 TVG unter anderem vor, dass vor der Entscheidung über den Antrag den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen würden, sowie den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben ist. Dagegen ist nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. weder ein Ausschuss aus Interessenvertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beteiligen noch ist dessen Einvernehmen vor dem Erlass der Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erforderlich. Auch das Erfordernis des sog. 50 %-Quorums und des öffentlichen Interesses im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG sind dem Wortlaut des § 1 Abs. 3a AEntG a.F. nicht zu entnehmen. Er verlangt für den Erlass einer Rechtsverordnung lediglich einen Antrag einer Tarifvertragspartei auf Allgemeinverbindlicherklärung. Dieser Verzicht auf die Abstimmung mit einem Ausschuss, der mit den jeweiligen Interessenvertretern besetzt ist, und der Verzicht auf inhaltliche Vorgaben für den Erlass einer erstreckenden Rechtsverordnung verleihen dem in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG vorgesehenen Recht auf Stellungnahme - gleichsam als Ausgleich für die Reduzierung der formellen und materiellen Anforderungen - ein besonderes Gewicht. Die Beteiligung Betroffener dient dem Schutz ihrer Rechte (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. November 1994 - 2 BvB 1/93 - BVerfGE 91, 262). Soll das Beteiligungsrecht mit Blick auf die in Rede stehenden Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG nicht "leer" laufen, gebührt ihm im Normerlassverfahren besondere Aufmerksamkeit und Beachtung. Es stellt keinen "unnötigen Formalismus" dar, auf einer erneuten Beteiligung zu bestehen, wenn der Tarifvertrag, zu dem die Betroffenen Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme erhalten haben, durch einen neuen, hinsichtlich des Geltungsbereichs oder der zu erstreckenden Regelungen abweichenden Tarifvertrag ersetzt wird. Dies setzt ein neues Verfahren in Gang.

64

c) Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Mitteilung der Tarifvertragsparteien über den Abschluss eines neuen Tarifvertrages mit Schreiben vom 29. November 2007 ein neuer Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung zu entnehmen ist, der eine erneute Stellungnahme erforderlich machte. Die Formulierung des Schreibens, die Tarifvertragsparteien hielten an ihrem Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 "fest" und beantragen "nunmehr" die Allgemeinverbindlicherklärung "unter Einschluss der am 29. November 2007 erfolgten Änderung", ändert nichts daran, dass der Tarifvertrag vom 11. September 2007 nebst Protokollnotiz vom 9. November 2007 von den Tarifvertragsparteien am 29. November 2007 "unter Ausschluss von Nachwirkungen" aufgehoben und durch den neuen Tarifvertrag vom 29. November 2007 ersetzt wurde (vgl. BA 3 Bl. 389). Dabei handelte es sich nicht lediglich um die "Änderung" eines früheren Tarifvertrages, der in den ursprünglichen Antrag mit einbezogen wurde, sondern um einen neuen Tarifvertrag, der den Antrag vom 11. September 2007 gegenstandslos und einen neuen Antrag mit neuer Beteiligungspflicht erforderlich machte.

65

Die erneute schriftliche Stellungnahme der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie der Tarifvertragsparteien zum neuen Entwurf der Rechtsverordnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich dessen Regelungsinhalt gegenüber dem vorhergehenden Entwurf nicht wesentlich geändert hätte. Ursprünglich sollten vom Tarifvertrag vom 11. September 2007 "alle Betriebe, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an ihrer Gesamttätigkeit des Betriebes" von dessen Geltungsbereich erfasst werden. Demgegenüber sieht der Tarifvertrag vom 29. November 2007 vor: "Der Tarifvertrag gilt für die Branche Briefdienstleistungen. Dies sind alle Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern."

66

Mit der Änderung vom 29. November 2007 sollte sichergestellt werden, dass das "50 %-Quorum" erfüllt ist, das nach Einschätzung der Beklagten ursprünglich für erforderlich gehalten wurde, um eine Erstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen zu rechtfertigen (UA S. 5). Betroffene, die deshalb bei der ersten Anhörung meinen konnten, es genüge auf den aus ihrer Sicht bestehenden Mangel der Repräsentativität hinzuweisen, mussten nunmehr Gelegenheit erhalten, auch zum Inhalt der Rechtsnormen des zu erstreckenden Tarifvertrages Stellung zu beziehen. Der Einwand des Beklagten, der neue Entwurf der Rechtsverordnung bedeute gegenüber dem ursprünglichen Entwurf lediglich ein "Minus" trifft nicht zu, vielmehr hat er qualitativ andere Wirkungen für die Rechtspositionen der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch den geänderten Tarifvertrag ist ein Teil des ursprünglichen Adressatenkreises gänzlich von der Erstreckungswirkung der Rechtsverordnung ausgenommen worden, während Betriebe und selbstständige Betriebsteile, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, vom Geltungsbereich des neuen Tarifvertrages nach wie vor erfasst werden. Darin liegt eine grundrechtsrelevante rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung, die eine (erneute) Beteiligung der Adressaten der neuen Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderlich machte. Die verfassungsrechtliche Relevanz der Einschränkung des Geltungsbereichs ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten bereits aus der ungleichen rechtlichen Behandlung zweier Gruppen von Briefdienstleistern und nicht erst aus den möglichen, durch Marktanalysen zu ermittelnden wirtschaftlichen Folgen der Ungleichbehandlung. Gerade auch zur Frage, ob durch die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrages auf Unternehmen eines bestimmten Zuschnitts eine Veränderung der Wettbewerbssituation eintritt, müssen die unmittelbar Betroffenen nach § 1 Abs. 3a AEntG vorab Stellung nehmen können.

67

d) Die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderliche Stellungnahme zum geänderten Entwurf der Rechtsverordnung wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, gegen die die Revisionen keine Einwendungen erhoben haben (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht ermöglicht. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist unterblieben (vgl. UA S. 5, 38 f.).

68

Das Verordnungserlassverfahren leidet damit an einem Verfahrensmangel, der evident ist (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 1 BvR 337/92 - BVerfGE 91, 148). Das Beteiligungsrecht ist im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der Arbeitgeber und deren Koalitionen so gewichtig und bedeutsam, dass durch seine Nichtbeachtung das Rechtsetzungsverfahren an einem erheblichen Mangel leidet, der die BriefArbbV unwirksam macht.

69

Auf die weiteren Rechtsfragen kommt es nicht an, weil bereits die Verletzung der Beteiligungsrechte zum Erfolg der Klagen führte.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. Juni 2008 - 4 K 1144/07 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Abfallgebühren.
Die Beklagte betreibt die zur Erfüllung ihrer Aufgaben als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträgerin im Sinne der §§ 15, 13 Abs. 1 KrW-/AbfG erforderlichen Einrichtungen und Anlagen als öffentliche Einrichtung. Zur Erfüllung eines wesentlichen Teils dieser Aufgaben bedient sie sich der - 1999 als 100-prozentige städtische Tochtergesellschaft gegründeten - Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg GmbH (ASF GmbH). An der GmbH ist seit 1.1.2002 die ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG zu 47 % beteiligt.
Mit einem am 22.12.1999 geschlossenen "Bewirtschaftungsrahmenvertrag" beauftragte die Beklagte die ASF GmbH mit den ihr obliegenden und bis dahin von einem städtischen Eigenbetrieb (Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Freiburg - EAF) erfüllten Aufgaben der Abfallentsorgung nach Maßgabe eines dem Vertrag beiliegenden Leistungskatalogs. Nach § 4 Abs. 5 des Vertrags ist der Leistungskatalog von der Beklagten erstmals zum 1.1.2006 für den Zeitraum 2006 bis 2010 und danach jeweils für die Dauer von fünf Jahren in Abstimmung mit der Gesellschaft fortzuschreiben. Für die in Auftrag gegebenen Leistungen hat die Beklagte ein mit der ASF GmbH für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum zu vereinbarendes, festes Jahresentgelt zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. § 13 Abs. 2 des Vertrags enthält dazu die folgenden näheren Bestimmungen:
"Ab dem 1.1.2002 werden die Parteien für die in §§ 1 und 2 beauftragten Leistungen für den Zeitraum bis zum 1.1.2005 und anschließend für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum … ein jährlich zu entrichtendes festes Entgelt zuzüglich Umsatzsteuer vereinbaren. … Das Entgelt ist in Anlehnung an marktübliche Preise festzulegen, soweit die Leistungen der Gesellschaft mit marktgängigen Leistungen vergleichbar sind und unter Berücksichtigung der tariflichen Leistungen der Gesellschaft an die Arbeitnehmer. Die maximale Höhe des Entgelts errechnet sich nach den für feste Preise geltenden Bestimmungen der VOPR 30/53 und der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach dieser Verordnung. Die Parteien vereinbaren für die Laufzeit dieses Vertrags einen kalkulatorischen Gewinn - im Sinne von Nr. 51 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach der VOPR 30/53 - von mindestens 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten. …"
In der den Bewirtschaftungsrahmenvertrag ergänzenden Vereinbarung vom 14.12.2005 legten die Beklagte und die ASF GmbH den Leistungskatalog für den Zeitraum 2006 bis 2010 sowie das jährliche Entgelt für die Durchführung der Aufgaben nach dem Leistungskatalog sowie dem Einzelvertrag über die Unterstützung des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und der kaufmännischer Buchführung nebst einer Preisrevisionsformel fest. Die ASF GmbH sicherte dabei zu, dass das Entgelt nach den für Selbstkostenpreise maßgeblichen Bestimmungen der VOPR 30/53 ermittelt worden sei bzw. das sich aus der Anwendung dieser Vorschriften ergebende Entgelt unterschritten werde (Art. 1 § 2 Abs. 3).
Der von der Beklagten zu entsorgende Restmüll wurde in der Vergangenheit auf der vom Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald betriebenen Deponie Eichelbuck abgelagert. Seit der Schließung der Deponie zum 31.5.2005 wird der gesamte Restmüll zu der von der MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG betriebenen Thermischen Restabfallbehandlungs- und Energieerzeugungsanlage Breisgau (TREA) gebracht und dort verbrannt. Mit der Entsorgung der von der Stadt in ihrem Auftrag oder aus ihrem Entsorgungsgebiet der TREA angelieferten Abfälle beauftragte die Beklagte am 16.5.2002 die Gesellschaft Abfallwirtschaft Breisgau mbH (GAB) als Dritte im Sinn des § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG. An der GAB sind die Beklagte mit 25,11 %, der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit 50,15 %, der - von den Landkreisen Emmendingen und Ortenaukreis gebildete - Zweckverband Abfallbehandlung Kahlenberg mit 20,10 %, die ASF GmbH mit 2,7 % und mit jeweils 0,32 % die Gemeinden Eschbach, Hartheim, Ballrechten-Dottingen sowie die Städte Heitersheim, Bad Krozingen und Neuenburg beteiligt. Die Beauftragung der GAB erfolgte (u. a.) nach Maßgabe eines zwischen der GAB als Auftraggeber und der MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG als Auftragnehmer am 17.5.2002 geschlossenen Entsorgungsvertrags.
Nach § 11 Abs. 1 der von der Beklagten und der GAB am 16.5.2002 geschlossenen und am 29.5.2006 geänderten Vereinbarung zahlt die Beklagte der GAB für die Entsorgung der Abfälle "den dieser vom Unternehmen nach § 22 Abs. 1, 6 des Entsorgungsvertrages unter Berücksichtigung einer eventuellen Preisanpassung nach § 15 oder § 24 des Entsorgungsvertrages in Rechnung gestellten Entsorgungspreis". § 21 Abs. 2 des Vertrags in seiner Fassung vom 29.5.2006 regelt die Vergütung der weiteren, zur Abwicklung des Entsorgungsvertrags erbrachten Leistungen der GAB.
Zur Deckung ihres Aufwands für die Entsorgung von Abfällen erhebt die Beklagte gemäß § 23 Abs. 1 ihrer Satzung über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen (Abfallwirtschaftssatzung - AbfWS) vom 15.11.2005 Benutzungsgebühren. Die Benutzungsgebühren für die Entsorgung der Abfälle aus privaten Haushaltungen bemessen sich gemäß § 27 Abs. 1 AbfWS nach der Anzahl der zu einem Haushalt gehörenden Personen zum Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld (Haushaltsgebühr) sowie nach der Anzahl und dem Volumen der verwendeten Abfallbehältnisse und der Häufigkeit der regelmäßigen Entleerung (Behältergebühr). Die Haushaltsgebühr beträgt jährlich bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif für Haushalte mit zwei Personen 97,56 EUR (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AbfWS). Die Behältergebühr für den Restabfallbehälter beträgt bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif und Verwendung eines 14-täglich entleerten 35 Liter Abfallbehältnisses jährlich 33,84 EUR (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 a AbfWS).
Der Kläger lebt in Freiburg in einem Zweipersonenhaushalt und nutzt eine 35 Liter-Restmülltonne mit 14-täglicher Leerung. Mit Bescheid vom 31.1.2006 setzte die Beklagte die vom Kläger für das Jahr 2006 zu entrichtenden Abfallgebühren dementsprechend auf 131,40 EUR fest. Der gegen diesen Bescheid am 11.2.2006 eingelegte Widerspruch des Klägers wurde von der Beklagten am 12.7.2007 zurückgewiesen.
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Der Kläger hat am 21.5.2007 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben und zuletzt beantragt, den Abfallgebührenbescheid der Beklagten vom 31.1.2006 sowie den Widerspruchsbescheid vom 12.7.2007 aufzuheben. Zur Begründung hat er geltend gemacht: Die Beklagte habe das seit dem 1.6.2005 geltende Verbot, unbehandelte Abfälle auf Deponien zu bringen, zum Anlass genommen, die Abfallgebühren für einen Privathaushalt wie den seinen um fast 60 % zu erhöhen. Da keine andere Stadt und kein Landkreis die Müllgebühren so erhöht habe wie die Beklagte, sei die Entscheidung für die vorgenommene Organisationsprivatisierung zu überprüfen. Der bis zum Jahre 2019 laufende Vertrag mit der ASF GmbH sei im Widerspruch zum Europarecht ohne vorherige Ausschreibung geschlossen worden. Weshalb die Kosten für die Recyclinghöfe in der aktuellen Gebührenkalkulation für die Jahre 2006 bis 2008 auf 1,936 Mill. EUR gestiegen seien, sei nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig seien die Logistikkosten der ASF GmbH für das Jahr 2006 in Höhe von 644.000 EUR erklärlich, zumal dieser Posten in den vergangenen Jahren 2003 bis 2005 lediglich 83.000 EUR betragen habe. Der vereinbarte Gewinnzuschlag beim Betreiberentgelt von 3 % sei zu hoch. Verstöße gegen das Kostendeckungsprinzip und das Gebot der Wirtschaftlichkeit seien auch bei dem Ansatz der Entsorgungskosten in der TREA festzustellen. Insoweit sei fraglich, weshalb im Landkreis Rastatt ein Preis von lediglich rund 147 EUR pro Tonne angesetzt werde, die Beklagte hingegen Gebühren in Höhe von 195 EUR pro Tonne Restmüll berechne. Das Logistikkonzept, insbesondere der Abfalltransport zur TREA, sei überdies umständlich und unwirtschaftlich. Nicht nachvollziehbar seien ferner die in die Kalkulation aufgenommenen Posten "Verwaltungskosten GAB" in Höhe von über 70.000 EUR jährlich sowie "Verwaltungsleistungen der Stadt", die von 417.551,94 EUR im Jahre 2004 auf 559.500 EUR im Jahre 2005 gestiegen seien. Gleiches gelte für den Posten "Umlage Verwaltung EAF", unter dem 196.575,15 EUR für das Jahr 2004, 244.115 EUR für das Jahr 2005 und 319.495,80 EUR für das Jahr 2006 berücksichtigt worden seien. Diese Erhöhung der Verwaltungskosten um 60 % innerhalb von zwei Jahren sei nicht begründet. Die Investitionsfolgekosten für den in die Carl-Mez-Straße verlegten Recyclinghof in Höhe von 35.000 EUR seien nicht erforderlich, da die Verlegung des Recyclinghofs nicht notwendig gewesen sei. Die Beklagte habe zu Unrecht eine Kostenunterdeckung in Höhe von 520.375,15 EUR pro Kalkulationsjahr berücksichtigt, da diese ihre Ursache darin habe, dass beim EAF gewaltige Gebührenrückstände in Höhe von mehr als 1.000.000 EUR aufgelaufen seien. Da die Beklagte die offenen Forderungen nicht beitreibe, komme dies einem Gebührenverzicht gleich. Die Beklagte sei zudem gemäß § 22 SGB II verpflichtet, bei nicht leistungsfähigen Bürgern die Abfallgebühren als "Leistungen für die Unterkunft" zu übernehmen. Ebenfalls bedenklich sei, dass der EAF aus seinen Mitteln der Beklagten Kredite gewähre. Bei der Kalkulation der Müllgebühren seien Gewinne als Einnahmen zu berücksichtigen. Dies gelte insbesondere für die Gewinnausschüttung der ASF GmbH in Höhe von jährlich 1.000.000 EUR, für die Gewinne der Betreibergesellschaft sowie den Erlös, den die Beklagte durch den Verkauf des Grundstücks in der Dreikönigstraße erzielt habe, auf dem sich der inzwischen in die Carl-Mez-Straße verlegte Recyclinghof befunden habe.
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Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die vom Kläger gezogenen Schlussfolgerungen aus einem Vergleich mit anderen Stadt- und Landkreisen seien unzulässig, weil die Abfallwirtschaftssysteme der Stadt- und Landkreise erheblich variierten. Der vor der Kalkulation der Abfallgebühren in Auftrag gegebene abfallwirtschaftliche Vergleich von 14 Kommunen in Baden-Württemberg bestätige dies. Nach dem Ergebnis des Gutachtens weise keine der 13 Vergleichskommunen ein ähnlich breites und komfortables Gesamtangebot an abfallwirtschaftlichen Leistungen wie die Stadt Freiburg auf. Die 1999 getroffene Entscheidung für eine Organisationsprivatisierung sei auf der Grundlage eines Wirtschaftlichkeitvergleichs getroffen worden. Die Untersuchung der Büchl Consult GmbH habe ergeben, dass eine Teilprivatisierung bereits kurzfristig deutliche ökonomische Vorteile gegenüber einer Eigenbetriebslösung habe. In der Gebührenkalkulation seien neben den eigenen Aufwendungen der Stadt auch Aufwendungen für die Leistungen Dritter berücksichtigt worden. Das betreffe insbesondere die Vergütungen für die von der ASF GmbH sowie der GAB erbrachten Leistungen. Bei der Beauftragung der ASF GmbH im Jahre 1999 habe sich diese Gesellschaft zu 100 % in städtischer Hand befunden. Der Auftrag habe daher als sogenanntes Inhouse-Geschäft ohne Ausschreibung erteilt werden können. Das mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt sei nach Maßgabe des öffentlichen Preisrechts bestimmt worden. Die Konformität mit dem öffentlichen Preisrecht sei durch ein Testat einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nachgewiesen worden. Der dabei vereinbarte Gewinnzuschlag von 3 % sei zulässig. Die Kosten für die Müllverbrennung in der TREA seien in der Höhe angemessen. Die Grundlage für die Tragung dieser Kosten bildeten die öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen der Stadt und dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald sowie der Vertrag zwischen der Stadt und der GAB. Die Entsorgungspreise seien Marktpreise und von dem Landkreis im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ermittelt worden. Die Kosten für den Transport der Abfälle per Bahn zur TREA seien ebenfalls gebührenfähig. Die Stadt habe die Vor- und Nachteile von Bahntransport und Transport per LKW sorgfältig abgewogen. Die Entscheidung für den Bahntransport sei sachgerecht, weil diese Art des Transports umweltfreundlicher sei und die Frage der Wirtschaftlichkeit auch den Umweltgedanken erfasse. In der Kalkulation seien auch zu Recht der Aufwand des EAF und der anderer Dienststellen der Stadt berücksichtigt worden. Bei der Position "Umlage Verwaltung EAF" handele es sich um Gemeinkosten, die als Teil des Verwaltungsaufwands nach einem verursachergerechten Kostenschlüssel auf die einzelnen Veranlagungsbereiche verteilt worden seien. Zu der Erhöhung der Umlage sei es deshalb gekommen, weil sich durch den Wegfall des Deponiebetriebs die am Verursacheranteil orientierten Maßstäbe für die Umlage der Kosten verändert hätten. Gebührenunterdeckungen könnten gemäß § 14 Abs. 2 KAG in die Kalkulation eingestellt werden. In die Kostenunterdeckung aus dem Gebührenkalkulationszeitraum 2003 bis 2005 seien auch die Defizite in Höhe von insgesamt 304.357,26 EUR eingeflossen, die durch Gebührenausfälle entstanden seien. Die Gewinne der ASF GmbH müssten in der Gebührenkalkulation nicht kostenmindernd berücksichtigt werden, da das Stammkapital der ASF GmbH aus Mitteln des allgemeinen Haushaltes und nicht vom Gebührenhaushalt erbracht worden sei. Da der vereinbarte Gewinnzuschlag von 3 % abgabenrechtlich zulässig sei, seien die hieraus resultierenden Gewinne dem Unternehmen und den an diesen beteiligten Gesellschaftern zuzuordnen. An der Betreibergesellschaft sei die Stadt weder direkt noch indirekt beteiligt. Gewinne aus der Tätigkeit dieser Gesellschaft flössen ihr daher nicht zu. Auch Gewinne der GAB seien dem Gebührenhaushalt nicht zuzurechnen. Ein Zurechnungszusammenhang zum Gebührenhaushalt im Hinblick auf die Erwirtschaftung des Kostenaufwands, wie ihn die Rechtsprechung fordere, bestehe nicht. Etwaige Gewinne, die durch die Veräußerung des Recyclinghofs Dreikönigstraße entstanden seien, müssten nicht in der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden, da das Grundstück dem Eigenbetrieb Abfallwirtschaft nur für kurze Zeit vermögenstechnisch zugeordnet und vor der Veräußerung auf den allgemeinen Haushalt übertragen worden sei. Die Gebührenkalkulation begegne auch im Hinblick auf die Darlehensgewährung durch den EAF an den allgemeinen Haushalt keinen Bedenken. Der Zinsabschlag von 0,5 % rechtfertige sich aus der schnellen Verfügbarkeit der Finanzmittel infolge des Sonderkündigungsrechtes und der Unsicherheit für den Darlehensnehmer über den Fortbestand des Darlehens.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20.6.2008 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Satzung der Beklagten sei formell und materiell wirksam. Sie verstoße insbesondere nicht gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 14 Abs. 1 S. 1 KAG. Das der Beklagten von der ASF GmbH in Rechnung gestellte Betreiberentgelt sei gebührenrechtlich ansatzfähig. Bei der GmbH handele es sich um eine von der Beklagten zu unterscheidende juristische Person des privaten Rechts. Ihre Leistungen seien daher Fremdleistungen. Kosten von Fremdleistungen dürften grundsätzlich als gebührenfähiger Aufwand in die Kalkulation eingestellt werden, soweit die Inanspruchnahmen des Dritten erforderlich und nicht mit überflüssigen Kosten verbunden sei. Anhaltspunkte dafür, dass ermessensfehlerhafte oder gar willkürliche Überlegungen für die Privatisierungsentscheidung der Beklagten maßgeblich gewesen seien, seien nicht vorhanden. Insbesondere habe die Beklagte ihrer Entscheidung zu Recht die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Büchl Consult GmbH vom 17.12.1998 zugrunde gelegt. Das in die Gebührenkalkulation eingestellte Betreiberentgelt der ASF GmbH unterliege auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil eine Ausschreibung vor dem Abschluss des Bewirtschaftungsrahmenvertrags unterblieben sei. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinie 92/50/EWG vom 18.6.1992 dürften im vorliegenden Fall nicht erfüllt gewesen sein. Dies könne jedoch dahinstehen, da das auf der Grundlage von Selbstkostenfestpreisen berechnete Betreiberentgelt den Vorgaben des öffentlichen Preisrechts entspreche und die Beklagte damit nachgewiesen habe, dass das mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt sich trotz fehlender Ausschreibung im Rahmen des Erforderlichen bewege. Die nach öffentlichem Preisrecht zulässige Verzinsung des Kapitals von bis zu 6,5% sei nicht zu beanstanden. Für den in das Betreiberentgelt eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag von 3 % der Nettoselbstkosten gelte unter Berücksichtigung der konkreten Vertragsgestaltung und des Unternehmerrisikos das Gleiche. Nicht zu rechtfertigen sei allerdings, dass die Beklagte ihren eine Eigenkapitalverzinsung und angemessene Abschreibungen übersteigenden Anteil am kalkulatorischen Gewinnzuschlag nicht als Einnahme und damit als Kostenminderung in die Gebührenkalkulation eingestellt habe. Dieser Fehler sei jedoch nach § 2 Abs. 2 S. 1 KAG als Mangel bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz unbeachtlich, weil er zu einer nur geringfügigen Kostenüberdeckung in Höhe von ca. 0,45 % geführt habe. Erforderlich und damit gebührenfähig seien ferner die in der Gebührenkalkulation angesetzten und durch öffentliche Ausschreibung ermittelten Entsorgungskosten der TREA und die Kosten für den Bahntransport. Die Verwaltungs- und Personalkosten außerhalb der ASF GmbH seien gemäß § 14 Abs. 3 KAG ebenfalls berücksichtigungsfähig. Dazu gehörten die Kosten, die der Beklagten durch Einsatz ihres Personals und eigener Sachmittel einschließlich der Verwaltungsleistungen von Querschnittsämtern für die öffentliche Einrichtung entstünden, die Umlagekosten der GAB sowie die Verwaltungskosten des EAF. Die Verlegung des Recyclinghofs von der Dreikönig- in die Carl-Mez-Straße stelle eine stadtplanerische und kommunalpolitische Entscheidung dar, die nicht über das Gebührenrecht korrigiert werden könne. Mit dem im Jahre 2002 vorgenommenen Verkauf eines Teils ihrer Gesellschaftsanteile habe die Beklagte keinen Erlös realisiert, der dem Gebührenzahler zustehe. Gleiches gelte für den Erlös durch den Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße. Soweit der Kläger außerdem der Auffassung sei, dem Gebührenhaushalt stehe insgesamt der von der ASF GmbH im Jahr 2005 an den allgemeinen Haushalt abgeführte Gewinn von ca. 1 Mill. EUR zu, verkenne er, dass sich dieser Betrag vor allem aus Gewinnen zusammensetzt, die die ASF GmbH im gewerblichen Bereich erwirtschaftet habe. Der von der Beklagten vorgenommene Kostenausgleich von drei Fünfteln der Kostenunterdeckung aus dem Gebührenkalkulationszeitraum 2003 bis 2005 entspreche § 14 Abs. 2 KAG. Wie die Beklagte dargelegt habe, hätten die Gebührenausfälle für die Jahre 2003 bis 2005 nur insgesamt 304.357,26 EUR betragen. Dass Gebührenausfälle vom Gebührenhaushalt und nicht vom allgemeinen städtischen Haushalt zu tragen seien, bedürfe keiner näheren Erläuterung.
13 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers. Zur Begründung macht der Kläger geltend: Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts verstoße die Satzung der Beklagten gegen § 14 Abs. 1 S. 1 KAG und sei deshalb nichtig. In der Absicht, auf einem dem Kostenüberschreitungsverbot unterliegenden Tätigkeitsfeld Gewinne zu erzielen, habe die Beklagte in einem ersten Schritt die ASF GmbH als 100%ige Tochter gegründet und mit dieser für die GmbH sehr vorteilhafte Verträge geschlossen. Danach habe sie knapp die Hälfte der Anteile an ein privates Unternehmen mit europaweiter Ausschreibung verkauft. Die Beklagte erziele dadurch einen dreifachen Profit, nämlich einerseits durch die jährlichen Gewinnausschüttungen, zweitens durch die Gewerbesteuer und drittens durch den Veräußerungserlös der Gesellschaftsanteile. Weil beim ersten Schritt das Interesse bestanden habe, für die ASF GmbH möglichst günstige Verträge zu schließen, sei auf eine den Wettbewerb eröffnende Ausschreibung verzichtet worden. Denn während sie die überhöhten Preise einfach - für sie selbst kostenneutral - auf Dritte, nämlich die Gebührenzahler, abgewälzt habe, habe sie mittelbar, nämlich als Anteilseignerin der ASF GmbH, von den Einnahmen profitiert. Um den Wert der später zu verkaufenden Geschäftsanteile zu erhöhen, sei auch die Laufzeit des Vertrages möglichst lange ausgestaltet worden. Bei dem zweiten Schritt liefen die ökonomischen Interessen der Beklagten dagegen parallel mit den vergaberechtlichen Vorgaben, weshalb die Beklagte bei der Veräußerung von 47 % der Geschäftsanteile ordnungsgemäß eine europaweite Ausschreibung vorgenommen habe. Bei der auf diese Weise gewährleisteten optimalen Vermarktung der Gesellschaftsanteile habe die Beklagte über 9.000.000 EUR erzielt und diese - am Gebührenzahler vorbei - in den allgemeinen Haushalt einfließen lassen. Die Beklagte erziele seither jährlich Millioneneinnahmen aus den Gewinnüberweisungen der ASF GmbH und der insoweit anfallenden Gewerbesteuer. Im Ergebnis habe die so bewirkte Ausschaltung des Wettbewerbs dazu geführt, dass die Abfallgebühren für das Jahr 2006 gegenüber dem Vorjahr um mehr als 50 % gestiegen seien, obwohl das Statistische Landesamt Baden-Württemberg für den Zeitraum 2002 bis 2008 eine durchschnittliche Reduktion der Müllgebühren um 10 % konstatiere. Bezeichnend sei auch die Tatsache, dass die privaten Mitgesellschafter der ASF GmbH für den benachbarten Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald die Müllentsorgung zu ca. zwei Drittel des von den Bürgern der Beklagten bezahlten Preises übernommen hätten. Der Verzicht auf eine Ausschreibung vor der Beauftragung der ASF GmbH sei zu Unrecht erfolgt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei zwar bei sogenannten Inhouse-Geschäften eine Ausschreibung nicht erforderlich, dies gelte jedoch nur vorbehaltlich des Vorliegens besonderer Umstände, wie sie hier gegeben seien. Jedenfalls bei vorsätzlichen Verstößen gegen das Europarecht könne die Rechtsfolge nur die Nichtigkeit der auf diesem Verstoß basierenden Verträge und damit die Rechtswidrigkeit der Gebührenkalkulation sowie die Nichtigkeit der Gebührensatzung sein. Beim Fehlen der erforderlichen Ausschreibung müsse jedenfalls auf andere geeignete Weise nachgewiesen werden, dass das vereinbarte Entgelt sich noch im Rahmen dessen bewege, was das kostenbezogene Erforderlichkeitsprinzip voraussetze. Dieser Nachweis könne im vorliegenden Fall nicht über das öffentliche Preisrecht geführt werden, da der Bewirtschaftungsrahmenvertrag vom 22.12.1989 und die auf seiner Basis geschlossenen Einzelleistungsverträge eklatant gegen das öffentliche Preisrecht verstießen. Nach der VO/PR Nr. 30/53 gelte der Grundsatz, dass bei der Vereinbarung von Preisen für Leistungen aufgrund öffentlicher Aufträge grundsätzlich Marktpreisen der Vorzug zu geben sei. Selbstkostenpreise dürften nur ausnahmsweise vereinbart werden, nämlich unter anderem dann, wenn sich keine Marktpreise ermitteln ließen. Das Verwaltungsgericht unterstelle zu Unrecht, dass keine Markt- oder Wettbewerbspreise existierten. Tatsächlich existiere im Bereich der Abfallentsorgung ein grundsätzlich funktionierender Markt. Anders als von der Beklagten vorgetragen und vom Verwaltungsgericht ohne nähere Überprüfung akzeptiert, sei die Kalkulation zudem nicht nach Selbstkosten vorgenommen worden. Vielmehr seien die zu erzielenden Gewinne zur Grundlage der Kalkulation genommen und dann, ausgehend vom Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile der ASF GmbH, in die Kalkulation eingestellt worden. Die Beklagte habe bei dem 2001 erfolgten Verkauf von 47 % des 1.738.400 EUR betragenden Stammkapitals der ASF GmbH einen Preis von 9.203.253 EUR erzielt. Dieser Preis entspreche einem Unternehmenswert von 19.581.456 EUR. Der vereinbarte Preis sei weit übersetzt. In Umsetzung der Zielvorgabe, eine maximale Gewinnausschüttung zu erreichen, habe die Beklagte mit der ASF GmbH systematisch die Gebühren angehoben. Die sogenannte Kalkulation von Selbstkostenpreisen sei damit in Wirklichkeit eine bloße Scheinveranstaltung. Das Verwaltungsgericht habe der Beklagten weiter zu Unrecht eine Verzinsung ihres Kapitals in Höhe von 6,5 % zugestanden, da das zu verzinsende Kapital aus den Gebühren erwirtschaftet worden sei und daher nicht der Beklagten, sondern den Gebührenzahlern zustehe. Der kalkulatorische Gewinn müsse zudem nach dem allgemeinen Zinsniveau bemessen werden, da es der Beklagten nicht gestattet sei, ihr Kapital zu Lasten des Gebührenzahlers mit einem höheren Zinssatz zu verzinsen, als sie ihn am freien Markt hätte erzielen können. Der Zinssatz von 6,5 % sei daher bei Weitem überhöht. Auch der kalkulatorische Gewinnzuschlag von 3 % sei nicht gerechtfertigt. Das Risiko erhöhter Müllmengen und damit erhöhter eigener Leistungen ohne entsprechendes zusätzliches Entgelt habe die ASF GmbH mit der Vereinbarung von Selbstkostenfestpreisen nicht auf sich genommen, da in dem konkreten Zeitraum eher die Gefahr ab- als die Gefahr zunehmender Müllmengen bestanden habe. Selbstkostenfestpreise seien in einer solchen Situation wirtschaftlich günstiger als Selbstkostenerstattungspreise. Der Bewirtschaftungsrahmenvertrag und die Einzelleistungsverträge sähen zudem großzügige Preisanpassungsklauseln für den Fall vor, dass sich die in die Kalkulation einfließenden Rahmenbedingungen einmal ändern sollten. Nicht haltbar sei auch die Anwendung des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG. Wer, wie die Beklagte, das Sozialrecht, das europäische Vergaberecht und das Preisrecht grundsätzlich und zumindest in den beiden letzten Fällen auch mit direktem Vorsatz missachte, könne nicht auf die Rechtswohltat der Geringfügigkeitsklausel hoffen. Abgesehen davon, dass die Kostenüberschreitungen weit höher ausfielen als die von der Rechtsprechung in Auslegung der Bestimmung zugestandenen 3 %, müsse gelten, dass bei bewusst oder schwer und offenkundig fehlerhaften Kostenansätzen die Gebührenkalkulation rechtswidrig und die darauf basierende Satzung hinfällig sei. Die Kalkulation sei auch ansonsten in vielerlei Hinsicht fehlerhaft. Die Beklagte habe an den unterschiedlichsten Stellen die Zahlen schöngerechnet, fingiert, manipuliert, verheimlicht, kostenträchtige Fremdpositionen in die Kalkulation einberechnet, gewinnbringende Positionen dagegen aus dem Gebührenhaushalt verschoben oder auf andere Weise getrickst. Die Beklagte gebe die Einnahmeausfälle zu Lasten des Gebührenhaushalts für den Zeitraum 2003 bis 2005 zu Unrecht nur mit 304.357,26 EUR an, da in den Bilanzen des EAF für 2003 ein Gebührenausfall von 1.049.000 EUR und für 2005 ein Gebührenausfall von 1.070.000 EUR genannt werde. Diese Ausfälle dürften nicht zu Lasten des Gebührenhaushalts gehen. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Unrecht eine Verpflichtung der Beklagten verneint, den Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße von ca. 1,0 Mill. EUR dem Gebührenhaushalt gut zu bringen. Im Einzelnen seien als kostenmindernd in die Gebührenkalkulation einzustellen gewesen: Der Gebührenausfall durch sozial Schwache, der Erlös des Verkaufs des Grundstücks Recyclinghof Dreikönigstraße, der Erlös der Veräußerung des Anlagevermögens und des Vertrages mit DSD, die Einbringung der Stammkapitalanlage von 1.738.400 EUR in die ASF GmbH sowie die Zinsen aus den aus der Deponierückstellung gewährten Darlehen. Die Beklagte lasse ferner außer Betracht, dass dem Gebührenhaushalt auch die bei der Selbstanlieferung auf dem Eichelbuck bzw. Betriebshof bezahlten Gebühren und die Aufwendungen für die Deponie zugehörig seien.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20.6.2008 - 4 K 1144/07 - zu ändern und den Abfallgebührenbescheid der Beklagten vom 31.1.2006 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 12.7.2007 aufzuheben.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie erwidert: Der vom Institut der Deutschen Wirtschaft vorgenommene Vergleich der hundert größten Städte Deutschlands, in dem die Stadt unter den Stadtkreisen in Baden-Württemberg einen hervorragenden zweiten Platz belege und bundesweit im oberen Mittelfeld rangiere, zeige, dass die Stadt ein gutes Preisleistungsverhältnis biete. Dies gelte umso mehr, als der Umfang der Leistungen, die mit der Abfallgebühr abgegolten würden, weit überdurchschnittlich seien und viele Leistungen umfassten, die in anderen Stadt- und Landkreisen gesondert in Rechnung gestellt würden. Dies habe das Gutachten der Ingenieurgemeinschaft Witzenhausen GmbH vom März 2005 bestätigt. Dem Einrichtungsträger sei bei der Herstellung, Anschaffung und der Ausgestaltung einer öffentlichen Einrichtung ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum eingeräumt. Die Grenzen dieses Spielraums seien im vorliegenden Fall nicht überschritten. Die Stadt habe vor der Entscheidung über eine Organisationsprivatisierung deren Auswirkungen gutachterlich untersuchen lassen. Hierbei sei nachgewiesen worden, dass die Organisationsprivatisierung samt der Beauftragung einer Gesellschaft nicht zu Mehrkosten führe. Das Verwaltungsgericht habe die Frage der europaweiten Ausschreibung zu Recht als nicht rechtserheblich bewertet, weil das der ASF GmbH bezahlte Betreiberentgelt den Vorgaben des öffentlichen Preisrechts über Selbstkostenfestpreise entspreche. Der Nachweis hierüber sei mit dem Prüfbericht der Wirtschaftsprüfergesellschaft Graf Westfalen, Buch & Partner vom 12.08.2005 geführt worden. Das von der Stadt gewählte Verfahren stimme im Übrigen mit den Vorgaben des Vergaberechts überein. Bei der Beauftragung der ASF GmbH im Jahre 1999 habe sich die Gesellschaft zu 100 % in städtischer Hand befunden, weshalb der Auftrag ohne Ausschreibung habe erteilt werden können. Die Veräußerung eines Teils der Geschäftsanteile sei erst mit Wirkung zum 1.1.2002 erfolgt. Für die Leistungen der ASF GmbH seien im Voraus kalkulierte Selbstkostenfestpreise vereinbart worden. Selbstkostenfestpreise beinhalteten die mit einer Kalkulation verbundenen Risiken. Die in der Anlage zu der ersten ergänzenden Vereinbarung enthaltene Preisrevisionsformel begründe keine Nachberechnungsmöglichkeit, sondern biete lediglich für den langen Zeitraum der Entgeltfestlegung von fünf Jahren eine in Verträgen übliche Fortschreibung einzelner Parameter des Betreiberentgelts anhand der im Vorhinein festgelegten Indizes des Statistischen Bundesamts. Die zugrundegelegte Kapitalverzinsung von 6,5 % entspreche den Anforderungen des öffentlichen Preisrechts. Auch der Gewinnzuschlag von 3 % sei zu Recht in dieser Höhe berücksichtigt worden. Nach der Rechtsprechung zu Selbstkostenfestpreisen zählten kalkulatorische Gewinnzuschläge zum gebührenfähigen Aufwand und würden bis zu einer Höhe von 5 % anerkannt. Die Angemessenheit des Gewinnzuschlags von 3 % sei zudem sowohl durch die von der Stadt beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als auch durch das Gutachten der Wibera vom 3.6.2008 bestätigt worden. Das Betreiberentgelt nebst Gewinnzuschlag sei auch ohne Abführung eines Gewinnanteils gebührenfähig. Weil ausweislich des vorher eingeholten Gutachtens durch die Privatisierung keine Mehrkosten entstünden, der Gebührenhaushalt vielmehr durch die Privatisierung sogar Kostenvorteile habe, erziele die Stadt keine nach dem Kommunalabgabengesetz unzulässigen Gewinne. Der Verzicht auf eine Gewinnabführung stehe auch nicht in Widerspruch zum Gemeindewirtschaftsrecht. Eine Verpflichtung zur kostenmindernden Berücksichtigung von Gewinnanteilen aus der Beteiligung an einer beauftragten Gesellschaft würde die Gemeinde zudem unzulässig in ihrem Organisationsermessen und ihrer verfassungsrechtlich begründeten Selbstverwaltungsgarantie verletzen. Im Rahmen der in die Kalkulation einbezogenen Kostenunterdeckung hätten die Gebührenausfälle mitberücksichtigt werden können, da auch diese Ausfälle durch die öffentliche Einrichtung verursacht seien. Die Ausfälle, die von 604,39 EUR im Jahre 2003 über 138.739,08 EUR im Jahre 2004 auf 165.013,79 EUR im Jahre 2005 angestiegen seien, seien deshalb der öffentlichen Einrichtung und damit dem Gebührenhaushalt zuzurechnen. Bei der Veräußerung des Recyclinghofs Dreikönigstraße sei dem Gebührenhaushalt zu Recht lediglich der Buchwert zugerechnet worden, da das Grundstück zuvor aus der städtischen Vermögensrechnung herausgelöst worden sei. Dem Gebührenhaushalt könne und müsse nur das zugerechnet werden, was Gegenstand des Betriebs der öffentlichen Einrichtung "Abfallentsorgung" sei. Erlöse für Gegenstände, die zu dem vorgenannten Betriebszweig gehörten, seien entgegen der Behauptung des Klägers auf Basis der detaillierten Kostenrechnung auch ordnungsgemäß bewertet und dem Gebührenhaushalt gutgeschrieben worden. Die Erlöse aus den Tätigkeiten für die DSD GmbH stünden nicht dem Gebührenhaushalt zu, weil die Tätigkeiten nicht den Einrichtungsbetrieb "öffentliche Abfallentsorgung" beträfen, sondern im Auftrag der DSD GmbH oder anderen Systemen in deren Aufgabenkreis erfolgten. Demgemäß würden Erlöse, die von diesen Leistungserbringungen erlangt würden, in einem Betrieb gewerblicher Art gebucht. Die Vergabe von Darlehen an den städtischen Haushalt sei ordnungsgemäß. Die Zinspreisgestaltung sei unter Berücksichtigung einer vorher vorgenommenen Marktabfrage erfolgt. Die jederzeitige Rückforderbarkeit der Kredite, die sich der Einrichtungsträger habe vorbehalten müssen, um auf etwaige Ausnahmefälle im Rahmen der Rekultivierung der Deponie reagieren zu können, führe auch auf dem Kapitalmarkt zu Zinsabschlägen. Bei den Abfällen von Selbstanlieferern handle es sich um einen separaten Kalkulationskreis, der nur räumlich mit der im Streit stehenden Gebührenkalkulation verbunden worden sei. In die vorliegende Gebührenkalkulation seien nur die Kosten und Erlöse einzustellen, die auf den Betrieb der öffentlichen Einrichtung "Abfallentsorgung" entfielen. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht von der Unbeachtlichkeit der von ihm angenommenen Kostenüberdeckung ausgegangen. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Fehler zu einer geringfügigen Kostenüberschreitung führe, sei auf einen Vergleich der ordnungsgemäß zu kalkulierenden Kostenobergrenze mit der tatsächlich kalkulierten Kostenobergrenze abzustellen. Auf die Ursachen der Kostenüberschreitung komme es nicht an. Im Übrigen liege weder Willkür noch ein schwerer und offenkundiger Fehler vor.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Gebührenbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage danach zu Recht abgewiesen.
I.
21 
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die Satzung der Beklagten über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen (AbfWS) vom 15.11.2005, nach dessen § 23 die Beklagte zur Deckung ihres Aufwands für die Entsorgung von Abfällen Benutzungsgebühren erhebt. Die Benutzungsgebühren für die Entsorgung der Abfälle aus privaten Haushaltungen bemessen sich gemäß § 27 Abs. 1 AbfWS nach der Anzahl der zu einem Haushalt gehörenden Personen zum Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld (Haushaltsgebühr) sowie nach der Anzahl und dem Volumen der verwendeten Abfallbehältnisse und der Häufigkeit der regelmäßigen Entleerung (Behältergebühr). Die Haushaltsgebühr beträgt bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif für Haushalte mit zwei Personen jährlich 97,56 EUR, die Behältergebühr für den Restabfallbehälter bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif und Verwendung eines 14-täglich entleerten 35 Liter Abfallbehältnisses jährlich 33,84 EUR. Das entspricht den von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid für das Jahr 2006 verlangten Beträgen. Über die Berechnung der vom Kläger geschuldeten Abfallgebühren besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.
II.
22 
Die hier maßgeblichen gebührenrechtlichen Regelungen in der Satzung der Beklagten sind wirksam. Sie verstoßen entgegen der Ansicht des Klägers weder gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG noch gegen andere höherrangige Rechtsvorschriften.
23 
Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Die Gebühren dürfen höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung gedeckt werden (§ 14 Abs. 1 S. 1 KAG). Das gilt auch für die hier in Rede stehenden Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung. Aus § 18 KAG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die in dieser Vorschrift für die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung getroffenen ergänzenden Bestimmungen lassen die Geltung des § 14 Abs. 1 S. 1 KAG unberührt (vgl. zu der früheren Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 2005 VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - VBlBW 1996, 382).
24 
Über die Höhe des Gebührensatzes hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen zu beschließen. Voraussetzung für eine sachgerechte Ausübung dieses Ermessens ist eine Gebührenkalkulation, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze hervorgeht. Diese wird ermittelt, indem die gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung auf die potentiellen Benutzer nach Maßgabe des in der Satzung vorgesehenen Gebührenmaßstabs verteilt werden, wobei die voraussichtlichen Kosten sowie der voraussichtliche Umfang der Benutzung oder Leistung geschätzt werden müssen. Die Gebührensatzobergrenze ist danach das Ergebnis eines Rechenvorgangs, bei dem die voraussichtlichen gebührenfähigen Gesamtkosten durch die Summe der voraussichtlichen maßstabsbezogenen Benutzungs- oder Leistungseinheiten geteilt werden. Ist dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Gebührensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Gebührensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausüben konnte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa NK-Beschl. v. 7.2.2002 - 2 S 2643/01 - AbfallR 2003, 97). Das gilt allerdings nur vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG, der Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze für unbeachtlich erklärt, sofern sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen.
25 
Die gebührenrechtlichen Regelungen in der Satzung der Beklagten sind in Anwendung dieser Grundsätze nicht zu beanstanden. Die der Satzung zugrunde liegende, die Jahre 2006 bis 2008 umfassende Gebührenkalkulation enthält keine in einem wesentlichen Punkt fehlerhafte Kostenansätze. Die sich gegen die aus seiner Sicht zu Unrecht unterbliebene Berücksichtigung bestimmter von der Beklagten erzielter Einnahmen in der Gebührenkalkulation richtenden Einwendungen des Klägers greifen ebenfalls nicht durch.
26 
1. Die in die Kalkulation als "sonstiger Betriebsaufwand" eingestellten Beträge von 15.353.480,20 EUR (Zahl für 2006), 15.923.916,39 EUR (2007) bzw. 16.073.673,22 EUR (2008) bestehen im Wesentlichen aus dem der ASF GmbH zu bezahlenden Entgelt, mit dem die von der GmbH nach dem Bewirtschaftungsrahmenvertrag zu erbringenden Leistungen vergütet werden. Nach der bei den Kalkulationsakten der Beklagten befindlichen Aufstellung wurden dafür im Jahr 2006 14.693.580,23 EUR und in den beiden folgenden Jahren 15.276.951,21 EUR bzw. 15.415.958,87 EUR angesetzt. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers sind unbegründet. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist das der ASF GmbH zu bezahlende Entgelt in der von der Beklagten veranschlagten Höhe zu den gebührenfähigen Kosten zu rechnen.
27 
Zu den gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 KAG nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen und durch Gebühren zu deckenden Kosten gehören nach allgemeiner Meinung auch die dem Träger der Einrichtung durch die Beauftragung Dritter mit betriebsbedingten Leistungen entstehenden Kosten. Berücksichtigungsfähig sind danach auch Fremdleistungsentgelte, die auf vertraglichen Zahlungsverpflichtungen des Trägers der Einrichtung gegenüber solchen juristischen Personen bestehen, an denen er selbst beteiligt ist. Dies gilt unabhängig von dem Grad dieser Beteiligung (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 1.6.2007 - 9 A 372/06 - Juris; HessVGH, Beschl. v. 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135; OVG Greifswald, Urt. v. 25.2.1998 - 4 K 8/97 - KStZ 2000, 12).
28 
Die Kosten von Fremdleistungen sind allerdings - ebenso wie andere Kosten - nur insoweit als gebührenfähig anzuerkennen, als es sich um erforderliche Kosten handelt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219) wird der Umfang der als gebührenfähig anzusehenden Kosten allgemein durch den Grundsatz der Erforderlichkeit begrenzt. Grundlage dafür ist die Überlegung, dass eine sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung (§ 48 LKrO, § 77 Abs. 2 GemO) besonders dort geboten ist, wo das kommunale Handeln Gebührenpflichten auslöst (näher zur Herleitung dieses Gebots Brüning, KStZ 2010, 21). Der genannte Grundsatz betrifft außer der Angemessenheit der entstandenen Kosten (kostenbezogene Erforderlichkeit) auch die Erforderlichkeit der gebührenfähigen öffentlichen Einrichtung als solcher und die Art und Weise ihres Betriebs (einrichtungsbezogene Erforderlichkeit).
29 
a) Die Beklagte hat sich bis 1999 zur Erledigung der ihr obliegenden Aufgaben der Abfallentsorgung des Eigenbetriebs Abfallbeseitigung Freiburg (EAF) bedient. Im Rahmen der in diesem Jahr beschlossenen Organisationsprivatisierung hat sie die ASF GmbH als 100-prozentige städtische Tochtergesellschaft gegründet und anschließend mit einem wesentlichen Teil der bisher von dem Eigenbetrieb erledigten Aufgaben beauftragt. Diese Entscheidung bewegt sich innerhalb des der Beklagten bei der Organisation ihrer öffentlichen Einrichtung zustehenden Spielraums und ist deshalb nicht zu beanstanden.
30 
Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 22.10.1998, aaO) ist dem Träger einer öffentlichen Einrichtung bei deren Herstellung, Anschaffung und Ausgestaltung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zuzubilligen, da die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einer Maßnahme in aller Regel nicht allein von objektiv fassbaren und messbaren Faktoren, sondern auch von planerischen, prognostischen, finanzpolitischen und sonstigen auf Erwägungen der Zweckmäßigkeit beruhenden Gesichtspunkten abhängt. Die Verwaltungsgerichte haben insbesondere nicht zu prüfen, ob der Träger der öffentlichen Einrichtung mit den von ihm im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Einrichtung getroffenen Maßnahmen die zweckmäßigste Lösung gefunden hat. Was die Entscheidung der Beklagten betrifft, die zuvor gegründete ASF GmbH mit einem wesentlichen Teil der Aufgaben der Abfallentsorgung zu beauftragen, ist ferner davon auszugehen, dass öffentliche Aufgaben nicht zwingend im Rahmen öffentlich-rechtlicher Organisationsformen wahrgenommen werden müssen. Die Entscheidung einer kommunalen Körperschaft darüber, ob sie ihre Aufgaben in öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Handlungsformen erfüllt, ist vielmehr eine von ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrecht umfasste Organisationsentscheidung (BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 8 B 173.98 - NVwZ 1999, 653; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 128).
31 
§ 16 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG gestattet es dementsprechend den zur Abfallverwertung und Abfallbeseitigung verpflichteten öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern ausdrücklich, Dritte mit der Erfüllung ihrer Pflichten zu beauftragen. Die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern danach zustehende Organisationswahlfreiheit darf nicht mittelbar dadurch eingeschränkt werden, dass Mehrkosten, die aus der Beauftragung von privaten Dritten in steuerrechtlicher Hinsicht resultieren, für nicht gebührenfähig erklärt werden (BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998, aaO). Bevor der Entsorgungsträger Dritte beauftragt, hat er jedoch mit Blick auf seine Verpflichtung, die Ausgaben so niedrig wie möglich zu halten, zu prüfen, ob er die den Gegenstand des Auftrags bildenden Tätigkeiten nicht in eigener Regie kostengünstiger selbst vornehmen kann (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Stand Juli 2009, § 14 Rn. 7; Brüning, KStZ 2010, 21, 23).
32 
Die Beklagte hat dieser Forderung entsprochen und vor Gründung der ASF GmbH geprüft, ob sie die auf die GmbH zu übertragenden Aufgaben nicht in eigener Regie kostengünstiger erfüllen kann. Sie hat dazu eine Beratungsfirma mit einem Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen einem optimierten Eigenbetrieb und einer Betriebs-GmbH beauftragt. Die mit der Untersuchung beauftragte Büchl Consult GmbH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Teilprivatisierung bereits nach einer kurzen Anlaufzeit deutliche ökonomische Vorteile gegenüber einer Eigenbetriebslösung habe. Einwendungen gegen das von der Beklagten ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten werden vom Kläger nicht erhoben. Umstände, die die Eignung der Untersuchung in Frage stellten, sind auch für den Senat nicht zu erkennen.
33 
b) Das der ASF GmbH für die von ihr zu erbringenden Leistungen zu bezahlende Entgelt zählt hiervon ausgehend auch in der von der Beklagten veranschlagten Höhe zu den gebührenfähigen Kosten.
34 
aa) Der Senat lässt ebenso wie das Verwaltungsgericht offen, ob die Beklagte mit der ohne eine vorherige Ausschreibung erfolgten Beauftragung der ASF GmbH gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen hat.
35 
(1) Nach § 31 Abs. 1 GemHVO muss der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine beschränkte Ausschreibung oder eine freihändige Vergabe rechtfertigen. Die Gründe, die ausnahmsweise zu einer freihändigen Vergabe führen können, sind enumerativ in § 3 Nr. 4 der Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A) aufgezählt (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135). Nach § 3 Nr. 4 a VOL/A soll eine freihändige Vergabe nur stattfinden, wenn für die Leistung aus besonderen Gründen (z.B. besondere Erfahrung, Zuverlässigkeit der Einrichtung, bestimmte Ausführungen) nur ein Unternehmen in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall dürften besondere Umstände in diesem Sinn gegeben gewesen sein, da die ASF GmbH gerade zu dem Zweck gegründet wurde, ihr einen wesentlichen Teil der Aufgaben der Abfallbeseitigung und Stadtreinigung zu übertragen. Dieser Gesellschaftszweck wäre bei Beauftragung eines Dritten verfehlt worden. Im Übrigen bot die ASF GmbH aufgrund der von der Beklagten eingebrachten personellen, fachlichen und wirtschaftlichen Kapazitäten des bisherigen Eigenbetriebs, aber auch wegen der Einwirkungs- und Kontrollrechte, die der Beklagten infolge ihrer (zunächst) alleinigen Beteiligung an der Gesellschaft zustanden und auch nach Übertragung von 47 % der Gesellschaftsanteile auf einen privaten Investor weiterhin zustehen, die größtmögliche Gewähr für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung.
36 
(2) Eine Verpflichtung zur Ausschreibung könnte sich jedoch aus den §§ 97 ff. GWB in seiner Fassung durch das zum 1.1.1999 in Kraft getretene Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26.8.1998 ergeben, mit denen unter anderem die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18.6.1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in das nationale Recht umgesetzt worden ist (vgl. BT-Drs. 13/9340, S. 12).
37 
Nach § 97 Abs. 1 GWB beschaffen öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren. Die Vergabe solcher öffentlichen Aufträge hat grundsätzlich in einem "offenen Verfahren" zu erfolgen, d.h. in einem Verfahren, in dem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wird. Die Beklagte ist als Gebietskörperschaft ein "öffentlicher Auftraggeber" im Sinne von § 98 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Der von ihr mit der ASF GmbH geschlossene entgeltliche Vertrag über (u. a. ) die Sammlung von Abfällen ist jedenfalls im Grundsatz ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von § 99 Abs. 1 GWB. Der in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 92/50/EWG in ihrer seinerzeit gültigen Fassung festgelegte Schwellenwert von 200.000 ECU wird von dem Wert des Auftrags unzweifelhaft überschritten.
38 
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 12.6.2001 - X ZB 10/01 - BGHZ 148, 55; Urt. v. 3.7.2008 - I ZR 145/05 - BGHZ 177, 150) kommt es allerdings nicht zu einem öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB, wenn ein öffentlicher Auftraggeber eine GmbH mit Dienstleistungen betraut, der öffentliche Auftraggeber alleiniger Anteilseigner des Beauftragten ist, er über diesen eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt und der Beauftragte seine Tätigkeit im Wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichtet. Denn unter diesen Voraussetzungen werde der Sache nach kein anderer mit der Erbringung der Dienstleistung beauftragt; es kommt vielmehr zu einem sog "in-house"-Geschäft, bei dem die Dienstleistung von einer Stelle erbracht wird, die der öffentlichen Verwaltung bzw. dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen sei. Das steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 10.11.2005 - C-29/04 - NVwZ 2006, 70; Urt. v. 10.9.2009 - C-573/07 - NVwZ 2009, 1421), wonach in Fällen, in denen ein öffentlicher Auftraggeber mit einer von ihm rechtlich verschiedenen Einrichtung einen Vertrag schließt, eine Ausschreibung nicht erforderlich ist, wenn der öffentliche Auftraggeber über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen und diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der oder den öffentlichen Stellen verrichtet, die ihre Anteile innehaben.
39 
Bei einer - auch nur minderheitlichen - Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, sind diese Voraussetzungen aber nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs nicht gegeben, da in diesem Fall der öffentliche Auftraggeber über die Gesellschaft nicht eine ähnliche Kontrolle ausüben könne wie über seine eigenen Dienststellen. Hiervon ausgehend hat der Europäische Gerichtshof in einem Fall, in dem eine österreichische Gemeinde ihre sich aus dem Niederösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetz ergebenden gesetzlichen Verpflichtungen auf eine - von ihr vier Monate zuvor gegründete - GmbH übertragen und zwei Wochen später beschlossen hatte, 49 % der Anteile auf einen privaten Dritten zu übertragen, eine Ausschreibungspflicht bejaht (Urt. v. 10.11.2005, aaO). Zur Begründung hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, zwar sei die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, eine Ausschreibung vorzunehmen, aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich anhand der Bedingungen zu prüfen, die zum Zeitpunkt der Vergabe des fraglichen Auftrags vorlägen, doch erforderten es die besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache, später eingetretene Ereignisse zu berücksichtigen. Diese besonderen Umstände hat der Gerichtshof darin gesehen, dass die Abtretung von 49 % der Anteile der GmbH kurz nach dem Zeitpunkt erfolgte, zu dem dieser Gesellschaft das ausschließliche und unbefristete Recht zur Sammlung und Behandlung von Müll übertragen worden war. Darüber hinaus habe sie ihre operative Tätigkeit erst zu einem Zeitpunkt aufgenommen, als der private Dritte einen Teil ihrer Anteile übernommen habe. Damit stehe fest, dass es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handele, der über eine mehrere gesonderte Schritte umfassende künstliche Konstruktion, nämlich die Gründung einer GmbH, den Abschluss der Entsorgungsvereinbarung mit der GmbH und die Abtretung von 49 % ihrer Anteile an einen privaten Dritten, an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen vergeben worden sei, an dem ein privates Unternehmen 49 % der Anteile halte.
40 
Der hier zu beurteilende Sachverhalt hat mit dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall gemeinsam, dass die Beteiligung eines privaten Dritten an der zu gründenden und mit bestimmten Aufgaben der Abfallentsorgung zu betrauenden GmbH ein Teil des von dem öffentlichen Auftraggeber beschlossenen Privatisierungskonzepts gewesen ist. Die ASF GmbH hat allerdings ihre Tätigkeit nicht erst aufgenommen, nachdem die ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG 47 % der Anteile an der GmbH von der Beklagten übernommen hat. Auch fehlt es an dem engen zeitlichen Zusammenhang, der in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall gegeben war, da die Übernahme der Anteile durch den privaten Dritten erst mit Wirkung zum 1.1.2002 und somit zwei Jahre nach Abschluss des Bewirtschaftungsrahmenvertrags erfolgte. Der Senat neigt deshalb ebenso wie das Verwaltungsgericht dazu, das Bestehen einer Pflicht der Beklagten zur Ausschreibung vor der Beauftragung der ASF GmbH zu verneinen.
41 
bb) Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung, da aus einem Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften nicht für sich allein auf die fehlende Erforderlichkeit des aus dem Auftrag resultierenden finanziellen Aufwands geschlossen werden kann (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 19.2.2008 - 15 A 2568/05 - NVwZ-RR 2008, 442; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.2.2008 - 2 KN 3/06 - NordÖR 2008, 236; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 2.3.2004 - 9 LA 28/04 - NdsVBl 2004, 245; OVG Saarland, Urt. v. 25.5.2009 - 1 A 325/08 - Juris; Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 8 Rn. 350a). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend bemerkt, will § 14 KAG die Gebührenzahler allein davor schützen, durch die Veranschlagung von nicht erforderlichen Kosten überhöhte Gebühren zahlen zu müssen, aber nicht einen Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen sanktionieren. Was die Richtlinie 92/50/EWG betrifft, ist das um so weniger anzunehmen, als diese Richtlinie nur dem Schutz des freien Dienstleistungsverkehrs dient, indem sie die Diskriminierung ausländischer Dienstleistungsunternehmen verbietet. Ein Schutz der eventuellen Gebührenzahler ist dagegen nicht bezweckt. In Fällen, in denen vor der Vergabe eines Auftrags eine Ausschreibung stattgefunden hat, ist danach zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die aufgrund des Auftrags zu zahlenden Entgelte erforderlich sind. Daraus kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass immer dann, wenn keine Ausschreibung stattgefunden hat, die Kosten nicht erforderlich und damit nicht gebührenfähig sind (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.2.2008, aaO).
42 
Bei einem Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften muss der den Auftrag erteilende Abgabengläubiger allerdings nachweisen, dass die dabei zugrunde gelegten Preise sich noch im Rahmen dessen bewegen, was der kostenbezogene Erforderlichkeitsgrundsatz voraussetzt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 2.3.2004, aaO; Urt. vom 22.1.1999 - 9 L 1803/97 - Juris; Driehaus, aaO, § 8 Rn. 350a; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 196; Burgi, NVwZ 2001, 601, 607). In Übereinstimmung mit der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann dieser Nachweis als geführt angesehen werden, wenn der geschlossene Vertrag den Vorschriften des öffentlichen Preisrechts entspricht (ebenso OVG Niedersachsen, Urt. v. 22.1.1999, aaO; Urt. v. 24.6.1998 - 9 L 2722/96 - KStZ 1999, 172; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 738a; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 197). Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, ist das hier der Fall.
43 
(1) Nach dem von der Beklagten und der ASF GmbH am 22.12.1999 geschlossenen und am 14.12.2005 ergänzten Bewirtschaftungsrahmenvertrag hat die Beklagte für die in Auftrag gegebenen Leistungen ein mit der ASF GmbH für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum zu vereinbarendes, festes Jahresentgelt zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. Das Entgelt ist nach § 13 Abs. 2 des Vertrags unter Berücksichtigung der tariflichen Leistungen der Gesellschaft an die Arbeitnehmer und "in Anlehnung an marktübliche Preise festzulegen, soweit die Leistungen der Gesellschaft mit marktgängigen Leistungen vergleichbar sind". In § 13 Abs. 2 des Vertrags ist ferner bestimmt, dass sich die maximale Höhe des Entgelts "nach den für feste Preise geltenden Bestimmungen der VO PR 30/53 und der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach dieser Verordnung" errechnet.
44 
Nach der auf dem Preisgesetz vom 10.4.1948 beruhende Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21.11.1953 (BAnz. Nr. 244), zuletzt geändert durch Verordnung PR Nr. 1/89 vom 13.6.1989 (BGBl. I S. 1094) dürfen für Leistungen auf Grund öffentlicher Aufträge höhere Preise nicht gefordert, versprochen, vereinbart, angenommen oder gewährt werden, als nach den Bestimmungen dieser Verordnung zulässig ist (§ 1 Abs. 3 VO PR Nr. 30/53). Die Verordnung unterscheidet dabei zwischen Markt- und Selbstkostenpreisen. Für marktgängige Leistungen dürfen die im Verkehr üblichen preisrechtlich zulässigen Preise (Marktpreise) nicht überschritten werden (§ 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53). Selbstkostenpreise dürfen nur ausnahmsweise vereinbart werden, wenn keine gesetzlich geregelten Preise gelten, keine Marktpreise festgestellt werden können, eine Mangellage vorliegt oder der Wettbewerb auf der Anbieterseite beschränkt ist und hierdurch die Marktpreisbildung nicht unerheblich beeinflusst wird (§ 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53).
45 
Ob in dem von der Beklagten geschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrag eine Berechnung des der ASF GmbH zu bezahlenden Entgelts aufgrund von Selbstkosten vereinbart werden durfte, hängt danach davon ab, ob es sich bei den von der ASF GmbH zu erbringenden Leistungen um marktgängige Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 handelt, für die ein Marktpreis festgestellt werden kann. Das ist nicht der Fall, da die Kosten für die Abfallbeseitigung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland je nach den örtlichen Gegebenheiten erheblich differieren. Marktpreise lassen sich deshalb allenfalls für bestimmte Teilleistungen feststellen, nicht aber für die von der Beklagten im Rahmen ihrer öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung zu erbringenden Leistungen in ihrer Gesamtheit (vgl. zu dieser Frage OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 24.6.2008 - 9 A 373/06 - KStZ 2009, 12; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 16.2.2005 - 2 LB 109/03 - Juris Rn. 83; HessVGH, Beschl. v. 27.4.1999 - 5 N 3909/98 - NVwZ-RR 2000, 243; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197a). Für die Auftragsvergabe kamen allerdings außer der ASF GmbH auch noch andere Unternehmen in Betracht. Durch Ausschreibung oder die Aufforderung an mehrere Unternehmen, ein Angebot abzugeben, hätte daher ein besonderer Markt entstehen können. Wird es unterlassen, für individuelle Leistungen einen besonderen Markt zu schaffen, ist dies jedoch aus preisrechtlicher Sicht ohne Auswirkungen, weil eine wettbewerbliche Vergabe sich nicht nachholen lässt. Es bleibt deshalb in einem solchen Fall bei der Abrechnung nach Selbstkostenpreisen (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 16.2.2005 - 2 LB 109/03 - Juris; Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 7. Aufl., § 1 VO Pr Nr. 30/53 Rn. 110).
46 
(2) In der den Bewirtschaftungsrahmenvertrag ergänzenden Vereinbarung vom 14.12.2005 haben die Beklagte und die ASF GmbH den Leistungskatalog für den Zeitraum 2006 bis 2010 sowie das jährliche Entgelt für die Durchführung der Aufgaben nach diesem Katalog sowie dem "Einzelvertrag über die Unterstützung des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und der kaufmännischer Buchführung" nebst einer Preisrevisionsformel festgelegt. Die ASF GmbH hat dabei zugesichert, dass das Entgelt nach den für Selbstkostenpreise maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung PR 30/53 ermittelt worden ist bzw. das sich aus der Anwendung dieser Vorschriften ergebende Entgelt unterschritten wird (Art. 1 § 2 Abs. 3), wie das die Beklagte und die ASF GmbH in § 13 Abs. 2 des Bewirtschaftungsrahmenvertrags vereinbart haben. Nach dem Bericht der von der Beklagten mit der Prüfung der Preise beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BWS Graf Westphalen, Busch & Partner ("Prüfung der Selbstkostenfestpreise für die Geschäftsjahre 2006 bis 2010") entspricht diese Zusicherung den Tatsachen. In ihrem Bericht vom 12.8.2005 kommt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu dem Ergebnis, dass die Selbstkostenfestpreise für die Geschäftsjahre 2006 bis 2010 von der die ASF GmbH ordnungsgemäß aus ihrer Kostenrechnung abgeleitet und entsprechend den Grundsätzen der Verordnung PR 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen sowie den Leitsätzen für die Preisbildung aufgrund von Selbstkosten ermittelt worden seien.
47 
Die gegen diese Auffassung erhobenen Einwendungen des Klägers erweisen sich als nicht berechtigt.
48 
Bei der Festlegung des Entgelts haben die Beklagte und die ASF GmbH für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals kalkulatorische Zinsen in Höhe von 6,5 % angesetzt. Das ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu beanstanden. Nach den - einen Bestandteil der Verordnung PR 30/53 bildenden - Leitsätzen für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP) können für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals kalkulatorische Zinsen angesetzt werden, für die der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen einen Höchstsatz festsetzt. Mit der Verordnung PR 4/72 vom 17.4.1972 wurde dieser Höchstsatz auf 6,5 % festgelegt. Der von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Zinssatz hält sich damit innerhalb des durch das öffentliche Preisrecht vorgegebenen Rahmens. Der dagegen erhobene Einwand des Klägers, der Zinssatz dürfe nicht nach dem genannten Höchstsatz, sondern müsse nach dem allgemeinen Zinsniveau bemessen werden, da es der Beklagten nicht gestattet sei, ihr Kapital zu Lasten des Gebührenzahlers mit einem höheren Zinssatz zu verzinsen, als sie ihn am freien Markt hätte erzielen können, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach der ursprünglichen Fassung der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten waren die kalkulatorischen Zinsen mit einem Zinssatz anzusetzen, "der dem Diskontsatz der Bundesbank um einem vom der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen einen Höchstsatz festzusetzenden Zuschlag übersteigt". Die Bindung des kalkulatorischen Zinssatzes an den häufig wechselnden Diskontsatz wurde jedoch nicht als zweckmäßig angesehen, weshalb die Leitsätze in ihrer seit Ende 1954 geltenden Fassung bewusst auf einen Höchstsatz abstellen. Unterhalb dieses Höchstsatzes können daher Auftraggeber und Auftragnehmer den Zinssatz nach Belieben vereinbaren (Ebisch/Gottschalk, aaO, Nr. 43 LSP Rn. 15). Nach dem Prüfbericht der BWS vom 12.8.2005 (S. 14) liegt im Übrigen der vereinbarte Zinssatz von 6,5 % unter dem (seinerzeit geltenden) bankenüblichen Zinssatz für kurzfristiges Fremdkapital.
49 
Der im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Einwand des Klägers, dass die Verzinsung aus dem betriebsnotwendigen Kapital von 3.523.000 EUR und dem betriebsnotwendigen Sachanlagevermögen von 7.688.000 EUR, also insgesamt aus 11.211.000 EUR berechnet worden sei, obwohl das ausgewiesene Stammkapital der ASF GmbH nur 1.738.400 EUR betrage, greift ebenfalls nicht durch, da betriebsnotwendiges Kapital und Stammkapital nicht gleichgesetzt werden dürfen. Unter dem betriebsnotwendigen Kapital ist gemäß Nr. 44 LSP das betriebsnotwendige Vermögen zu verstehen, vermindert um die dem Unternehmen zinslos zur Verfügung gestellten Vorauszahlungen und Anzahlungen durch öffentliche Auftraggeber und solche Schuldbeträge, die dem Unternehmen im Rahmen des gewährten Zahlungsziels von Lieferanten zinsfrei zur Verfügung gestellt werden. Als Stammkapital bezeichnet man dagegen die bei einer GmbH von den Gesellschaftern zu erbringende Kapitaleinlage, d. h. das nominelle Eigenkapital. Der Begriff des Stammkapitals ist daher nicht identisch mit dem betriebswirtschaftlichen Begriff des Eigenkapitals der Gesellschaft, das schon bei der Gründung vom Stammkapital abweichen und sich danach ständig verändern kann (Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 9. Aufl., § 5 Rn. 9). Auf diesen Einwand ist der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mehr zurückgekommen.
50 
Preisrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Beklagte und die ASF GmbH in § 13 Abs. 2 des Bewirtschaftungsrahmenvertrags einen "kalkulatorischen Gewinn im Sinne von Nr. 51 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach der VO PR 30/53 von mindestens 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten" vereinbart haben. Nach Nr. 4 Abs. 3 LSP ist der Selbstkostenpreis im Sinne der Leitsätze "gleich der Summe der nach diesen Leitsätzen ermittelten, der Leistung zuzurechnenden Kosten zuzüglich des kalkulatorischen Gewinns". In Nr. 51 LSP ist dazu näher bestimmt, dass mit dem kalkulatorischen Gewinn das allgemeine Unternehmerwagnis und bei Vorliegen einer besonderen unternehmerischen Leistung in wirtschaftlicher, technischer oder organisatorischer Hinsicht ein Leistungsgewinn abgegolten wird, der der unternehmerischen Mehrleistung entsprechen soll. Bei der Preisermittlung kann daher zusätzlich ein kalkulatorischer Gewinn angesetzt werden, der üblicherweise nach einem Prozentsatz der Netto-Selbstkosten (Selbstkosten ohne Umsatzsteuer) berechnet wird. Die in der Praxis vereinbarte Höhe dieses Gewinns bewegt sich zwischen 2,5 % und 5 % (Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197e; Ebisch/Gottschalk, aaO, Nr. 52 LSP Rn. 7).
51 
Gegen den Ansatz eines kalkulatorischen Gewinns sowie gegen die von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Höhe dieses Zuschlags bestehen danach keinen Bedenken. Zwar ist der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 4.10.2001 - 9 A 2737/00 - (KStZ 2001, 13) der Meinung, dass bei einer vom Landkreis beherrschten Abfallentsorgungsgesellschaft nur 1 % des Umsatzes als Gewinnzuschlag angesetzt werden dürften, weil das allgemeine Unternehmerwagnis bei dieser Vertragsgestaltung nur gering sei. Das genannte Urteil ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da die Vertragspartner in dem vom OVG Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fall keine Selbstkostenfestpreise, sondern Selbstkostenerstattungspreise vereinbart hatten, d.h. Preise, die aufgrund der tatsächlich angefallenen Selbstkosten gemäß einer Nachkalkulation ermittelt werden. Das mit einer Vorkalkulation verbundene Risiko des Auftragnehmers, dass die tatsächlichen Kosten höher sind als in der Kalkulation angenommen, entfällt bei dieser Art der Preisgestaltung. Die im vorliegenden Fall erfolgte Vereinbarung von Selbstkostenpreisen bedeutet daher ein erhöhtes Risiko. Bei dieser Art der Vertragsgestaltung ist daher auch gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften in den durch das öffentliche Preisrecht gezogenen Grenzen ein normaler Gewinnzuschlag zuzubilligen, zumal andernfalls diese Art der Zusammenarbeit zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts und Privatunternehmen ("Public-Private-Partnership") erheblich erschwert oder sogar unmöglich gemacht würde (vgl. Wiesemann, NVwZ 2005, 391, 396).
52 
Die Laufzeit des zunächst vom 1.1.2000 bis zum 31.12.2019 abgeschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrags sowie die in der Ergänzungsvereinbarung des Bewirtschaftungsrahmenvertrags enthaltenen Preisrevisionsformel rechtfertigen keine andere Beurteilung. Nach der betreffenden Vereinbarung werden die Entgelte ab dem Jahre 2006 nachträglich anhand einer festgelegten Preisrevisionsformel an das tatsächliche Preisniveau eines jeden Jahres angeglichen, deren Basis die Indizes des Statistischen Bundesamts für verschiedene Kostengruppen (u.a. gewerbliche Erzeugnisse, Treibstoffe, Wohnung, Wasser, Strom) bilden. Die ASF GmbH ist damit zwar in dem vereinbarten Umfang gegen Preissteigerungen geschützt, nicht aber dagegen, dass es gegenüber den dem vereinbarten Leistungskatalog zugrunde liegenden Richtwerten zu Mehr- oder Minderleistungen kommt. Nach der Vorbemerkung zu dem Leistungskatalog sind die Beklagte und die ASF GmbH vielmehr übereingekommen, dass bei den in diesem Katalog definierten Leistungsarten grundsätzlich keine Mehr- oder Minderleistungen abgerechnet werden dürfen.
53 
2. Die vom Kläger ferner beanstandeten Kosten der Recyclinghöfe sind im Wesentlichen Teil des der ASF GmbH bezahlten Betreiberentgelts, da Betrieb und Unterhaltung der Recyclinghöfe nach dem Bewirtschaftungsrahmenvertrag Aufgabe der ASF GmbH ist. Das der ASF GmbH bezahlte und als Teil der Position "sonstiger Betriebsaufwand" in die Kalkulation aufgenommene Betreiberentgelt schließt daher die Kosten für den Betrieb der Recyclinghöfe ein. Die Kosten für die Schaffung der erforderlichen Infrastruktur sind dagegen über Abschreibungen in die Gebührenkalkulation eingeflossen. Die Kalkulation ist auch mit Blick auf diese Kosten nicht zu beanstanden.
54 
Die vom Kläger beanstandete Steigerung der Kosten für die Recyclinghöfe um 23 % von 1,57 Mio. EUR/Jahr auf 1,936 Mio. EUR/Jahr wird von der Beklagten in der Gemeinderats-Drs. G-05/141 mit der erwarteten Mengenzunahme und den erweiterten Öffnungszeiten erklärt. Die Beklagte hat dies in ihrem Schriftsatz vom 14.5.2010 näher erläutert. Die erwartete und nach ihrer Darstellung auch tatsächlich eingetretene Zunahme der bei den Recyclinghöfen angelieferten Abfälle steht danach mit der Schließung der Deponie und dem damit verbundenen Wegfall der dort bis dahin bestehenden Selbstanlieferungsmöglichkeit im Zusammenhang. Die Beklagte hat die vom Kläger kritisierte Zunahme der Kosten damit hinreichend plausibel gemacht.
55 
Gegen die in die Gebührenkalkulation aufgenommenen Kosten der Recyclinghöfe bestehen auch insoweit keine Bedenken, als es sich dabei um Investitionsfolgekosten handelt, die aus der am 10.11.2004 beschlossenen Verlegung des bisher im Stadtteil Wiehre befindlichen Recyclinghofs auf das Gelände des (ehemaligen) Güterbahnhofs Süd resultieren. Wie bereits angesprochen, steht dem Träger einer öffentlichen Einrichtung bei deren Herstellung, Anschaffung und Ausgestaltung ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Grenzen dieses Spielraums sind bei einer gebührenauslösenden Maßnahme erst dann überschritten, wenn der Einrichtungsträger keinerlei Erwägungen über deren Notwendigkeit angestellt hat, sich erkennbar von tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen hat leiten lassen oder die Entscheidung auf sachfremden Überlegungen beruht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Scholz, Die Kommunale Benutzungsgebühr, BWGZ 1989, 239 ff., 247). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Nach der Vorlage zu der Sitzung vom 10.11.2004 (Gemeinderats-Drs. G-04/123) hat sich die Beklagte zu der Verlegung des Recyclinghofs in erster Linie wegen der geplanten Neubebauung des Areals "Östlicher Wiehrebahnhof" entschlossen. Als weitere Gründe für die Verlegung werden genannt, dass der neue Recyclinghof die neuen Stadtteile Rieselfeld und Vauban optimal erschließe und auch für die Stadt- bzw. Ortsteile St. Georgen, Tiengen, Opfingen und Munzingen verkehrstechnisch günstiger als der alte Standort liege. Der neue Standort biete ferner im Unterschied zu dem alten Standort in der Wiehre ausreichend Platzverhältnisse, um u. a. einem Mehrbedarf an Containern durch neue gesetzliche Vorschriften gerecht zu werden. Der EAF erwarte außerdem mit der Eröffnung des neuen Standorts eine Entlastung des sehr stark frequentierten Recyclinghofs St. Gabriel. Diese Überlegungen sind weder sachfremd noch beruhen sie auf tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen.
56 
3. Die Gebührenkalkulation der Beklagten lässt auch insoweit keinen Fehler erkennen, als sie die Kosten für den Transport des Mülls zu der Thermischen Restabfallbehandlungs- und Energieerzeugungsanlage Breisgau (TREA) sowie die Kosten für die dort stattfindende Müllverbrennung umfasst.
57 
Die Beklagte betreibt keine eigene Restmüllbehandlungsanlage. Der von ihr zu entsorgende Restmüll wurde in der Vergangenheit auf der vom Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald betriebenen und zum 31.5.2005 geschlossenen Deponie Eichelbuck abgelagert. Seit der Schließung der Deponie wird der gesamte Restmüll zu der Ende 2004 in Betrieb genommenen TREA in Eschbach gebracht und dort verbrannt. Mit der Entsorgung der von der Stadt in ihrem Auftrag oder aus ihrem Entsorgungsgebiet an der TREA angelieferten Abfälle hat die Beklagte am 16.5.2002 die Gesellschaft Abfallwirtschaft Breisgau mbH (GAB) als Dritte im Sinn des § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG beauftragt. Die Vergabe des Auftrags erfolgte nach Maßgabe eines zwischen der GAB als Auftraggeber und der die TREA betreibenden MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG als Auftragnehmer am 17.5.2002 geschlossenen Vertrags "über die Entsorgung von Abfall aus dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, der Stadt Freiburg und dem Zweckverband Abfallbehandlung Kahlenberg". Nach § 11 Abs. 1 der Vereinbarung vom 16.5.2002 zahlt die Beklagte der GAB für die Entsorgung der Abfälle den dieser von der MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG "nach § 22 Abs. 1, 6 des Entsorgungsvertrages unter Berücksichtigung einer eventuellen Preisanpassung nach § 15 oder § 24 des Entsorgungsvertrages in Rechnung gestellten Entsorgungspreis", der - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - vom Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ermittelt worden ist.
58 
Der Transport zur TREA vollzieht sich in mehreren Schritten: Der eingesammelte Abfall wird zunächst per Müllfahrzeug zu dem Gelände der ehemaligen Deponie Eichelbuck gebracht und dort in spezielle Container umgeladen, die sowohl für Bahnwaggons als auch für LKW-Fahrgestelle geeignet sind. Die Transportbehälter werden anschließend per LKW zu einer Umladestation auf dem Grundstück Siemensstr. 16 gebracht und dort auf Bahnwaggons gesetzt. Von dort aus werden sie zu der ca. 30 km entfernten TREA gefahren. Mit dem Bahntransport hat die Beklagte am 29.5.2005 ebenfalls die GAB beauftragt, die sich dazu der Dienste der Unisped Spedition und Transport GmbH bedient. Nach dem darüber geschlossenen (Änderungs-) Vertrag vom 29.5.2006 hat die Beklagte der GAB dafür eine zusätzliche Vergütung zu bezahlen.
59 
Die Beklagte hat die ihr durch die Beauftragung der GAB entstehenden Kosten für die Müllverbrennung und den Bahntransport in die Gebührenkalkulation unter der Rubrik "bezogene Leistungen" eingestellt. Als erforderliche Kosten von Fremdleistungen sind auch diese Kosten trotz der Einwendungen des Klägers als gebührenfähig anzuerkennen. Unter den in Betracht kommenden Logistikvarianten hat sich der Gemeinderat der Beklagten in seiner Sitzung vom 18.5.2004 für das beschriebene, einen streckenweisen Bahntransport einschließende Verfahren entschieden. Das gewählte Verfahren ("Variante Bahn 1") wurde dabei mit einem Transport des Mülls zur Umladestation mit anschließendem Transport per LKW zur TREA ("Variante Straße 1") verglichen. Die Kosten eines reinen Straßentransports wurden dabei auf 3,73 Millionen EUR veranschlagt, die Kosten der Variante Bahn 1 mit 3,96 bzw. 4,00 Millionen EUR. Untersucht wurden außer den Kosten auch die ökologischen Faktoren. In der Sitzungsvorlage heißt es dazu, dass der Bahntransport bei einem Einsatz von Biodiesel zum Antrieb der von der SWEG eingesetzten Dieselloks zu einer Verringerung des CO 2 -Ausstoßes um 237 t/Jahr führe. Bei Stickoxiden und Rußpartikeln schneide dagegen der LKW-Transport etwas besser ab.
60 
Unter Abwägung der genannten Gesichtspunkte hat sich der Gemeinderat der Beklagten für die Variante Bahn 1 entschieden, für die sich zuvor auch der Abfallwirtschaftsausschuss des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald ausgesprochen hatte. Auch diese Entscheidung ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Die Logistik beim Transport des Abfalls zur TREA betrifft die Art und Weise des Betriebs der öffentlichen Einrichtung. Der Beklagten als Träger der Einrichtung ist deshalb auch insoweit ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum zuzubilligen, dessen Grenzen nur unter den bereits genannten Voraussetzungen überschritten sind. Die Entscheidung der Beklagten für einen teilweisen Bahntransport beruht weder auf sachfremden Überlegungen noch ist sie von tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen bestimmt worden. Die Entscheidung hält sich damit in den Grenzen des der Beklagten zukommenden Bewertungsspielraums.
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4. Die Gebührenkalkulation der Beklagten stößt auch insoweit auf keine Bedenken, als unter den Positionen "Verwaltungsleistungen der Stadt", "Umlage Verwaltung EAF" sowie "Umlagekosten GAB" die bei der Beklagten selbst, ihrem Eigenbetrieb sowie der GAB anfallenden Verwaltungskosten in die Kalkulation eingestellt wurden.
62 
a) Die in die Kalkulation eingestellten Beträge für Verwaltungsleistungen der Beklagten sind nach deren Erläuterungen Teil der Position "sonstiger Betriebsaufwand". Nach der Darstellung der Beklagten handelt es sich dabei um die Kosten der von ihren Ämtern und Dienststellen für den Betrieb der öffentlich-rechtlichen Einrichtung erbrachten Leistungen, die nicht in die Zuständigkeit des EAF fallen. Berücksichtigt worden seien Leistungen des Presse- und Informationsamts, des Amts für Statistik/Bürgeramt, des Kassenamts, des Personalamts, des Rechtsamts, des Hauptamts, der Kämmerei und des Umweltschutzamts.
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Gegen die Berücksichtigung dieser Kosten bestehen keine Bedenken. Wie § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KAG 2005 klarstellt, gehören zu den Kosten im Sinn des Abs. 1 Satz 1 auch die "Verwaltungskosten einschließlich Gemeinkosten". Der Gesetzgeber wollte damit verdeutlichen, dass neben den eigenen Verwaltungskosten (insbesondere Personal- und Sachkosten) auch die anteiligen Kosten der Querschnittsämter, der Leitung und der Gremien bei der Gebührenbemessung berücksichtigt werden können (LT-Drs. 13/3966, S. 47). Substantiierte Einwendungen gegen die Berechnung der danach als grundsätzlich gebührenfähig anzuerkennenden Verwaltungskosten der Beklagten hat der Kläger nicht erhoben.
64 
b) Bei den unter der Position "Umlage Verwaltung EAF" in die Kalkulation eingestellten Kosten handelt es sich nach der Darstellung der Beklagten um Aufwendungen des EAF im Rahmen der bei diesem verbliebenen hoheitlichen Aufgaben und andere Verwaltungsleistungen des EAF für den Betrieb der öffentlich-rechtlichen Einrichtung. Als Beispiele werden genannt: Controlling und Fortschreibung des Betreibervertrags, die gesamte Buchführung, Betreuung und Abwicklung der Leistungsbeziehungen zur GAB, Bearbeitung von Widersprüchen und sonstigen Rechtsbehelfen, Öffentlichkeitsarbeit. Die vom Kläger kritisierte Steigerung dieser Kosten wird von der Beklagte mit der zwischenzeitlich erfolgten Schließung der Deponie erklärt, die zu einer Veränderung der am Verursacheranteil orientierten Verteilungsmaßstäbe für die Umlage der Kosten geführt habe. Der Senat erachtet auch diese Erklärung, zu der sich der Kläger nicht näher geäußert hat, als hinreichend plausibel.
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c) Für die in die Kalkulation aufgenommenen "Umlagekosten GAB" gilt im Ergebnis das Gleiche. Nach den Erläuterungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 14.5.2010 handelt es sich dabei um die bei der GAB anfallenden Personal- und Sachkosten, die erforderlich seien, um die Entsorgung der Abfälle in der TREA zu gewährleisten, den Vertrag zu überwachen und fortzuschreiben sowie die Logistik und den Bahntransport zu konzipieren und zu organisieren. Die Erstattung dieser in der Kalkulation auf jährlich 72.000 EUR veranschlagten Kosten hat ihre Grundlage in § 21 Abs. 2 des von der Beklagten mit der GAB geschlossenen Vertrags vom 16.5.2002/29.5.2006, wonach die Beklagte die Leistungen, die von der GAB zur Abwicklung des Entsorgungsvertrags erbracht werden, nach einem bestimmten Schlüssel zu vergüten hat.
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5. Die Gebührenkalkulation der Beklagten ist ferner nicht deshalb zu beanstanden, weil die Beklagte in die Kalkulation eine sich aus dem vorangegangenen Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 ergebende Kostenunterdeckung von insgesamt 1.561.125,64 EUR oder jährlich 520.375,15 EUR eingestellt hat.
67 
Die gesamte im Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 entstandene Kostenunterdeckung wird von der Beklagten mit 2.602.000 EUR angenommen und in erster Linie mit dem Rückgang der Abfallmengen im Bereich der hausmüllartigen Gewerbeabfälle erklärt. In die Berechnung der Kostenunterdeckung seien aber auch Defizite eingeflossen, die durch Gebührenausfälle entstanden seien, weil Gebührenforderungen gegenüber einzelnen Gebührenschuldnern nicht hätten realisiert werden können. Nach der Auffassung des Senats ist das zu Unrecht geschehen (unten a). Für die Kalkulation der Beklagten ergeben sich daraus jedoch keine weiteren Konsequenzen, da die Beklagte nur einen Teil der Kostenunterdeckung aus dem vorangegangenen Kalkulationszeitraum in die Kalkulation eingestellt hat (unten b).
68 
a) Das Verwaltungsgericht hat die Einbeziehung der Gebührenausfälle bei der Berechnung der im vorangegangenen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckung nicht beanstandet und zur Begründung ausgeführt, es bedürfe keiner näheren Erläuterung, dass Gebührenausfälle vom Gebührenhaushalt und nicht vom allgemeinen städtischen Haushalt zu tragen seien. Das steht im Widerspruch zu der im Urteil des Senats vom 31.8.1989 - 2 S 2805/87 - (VBlBW 1990, 103, 108) geäußerten Auffassung, wonach Gebührenausfälle, die aufgrund von Zahlungsunfähigkeit oder gewährten Gebührenerlassen entstehen, nicht von den übrigen Gebührenzahlern, sondern aus den allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen sind (ebenso OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.2.2000 - 2 K 20/97 - NordÖR 2000, 304; OVG Brandenburg, Urt. v. 22.2.2002 - 2 D 78.00.NE - KStZ 2003, 233; Schulte/ Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 182). Daran ist festzuhalten. Die Frage, ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, den auf die Abfallgebühren entfallenden Teil der von ihr gemäß § 22 SGB II bzw. § 29 SGB XII zu erbringenden "Leistungen für die Unterkunft" direkt an den EAF auszubezahlen, sowie die sich gegebenenfalls anschließende Frage, ob und inwieweit die Gebührenausfälle dadurch hätten vermieden werden können, bedürfen danach keiner Beantwortung.
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Zur Feststellung einer Kostenunter- oder Kostenüberdeckung bedarf es gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 KAG eines Vergleichs der (ansatzfähigen) Gesamtkosten der öffentlichen Einrichtung mit dem "Gebührenaufkommen". Was unter Gebührenaufkommen zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher erläutert. Vom reinen Wortsinn her können damit sowohl die vom Träger der öffentlichen Einrichtung veranlagten Gebühren als auch (nur) die von ihm tatsächlich vereinnahmten Gebühren gemeint sein. Dem Wesen einer Gebühr entsprechend ist der Begriff jedoch in dem zuerst genannten Sinn zu verstehen.
70 
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 a KAG in Verbindung mit § 227 AO können Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. § 3 Abs. 1 Nr. 6 b KAG in Verbindung mit § 261 AO gestattet es ferner, Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis niederzuschlagen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zu dem Betrag stehen. Das veranlagte und das tatsächlich erzielte Gebührenaufkommen werden deshalb regelmäßig nicht miteinander übereinstimmen. In der Nichtbeitreibbarkeit eines bestimmten Teils der veranlagten Gebühren ist daher mit der Beklagten ein typisches und letztlich auch nicht zu vermeidendes Risiko zu sehen, das mit dem Betrieb der öffentlichen Einrichtung verbunden ist. Diese Überlegung rechtfertigt es jedoch nicht, dieses Risiko nicht dem allgemeinen städtischen Haushalt, sondern den übrigen Gebührenpflichtigen aufzuerlegen.
71 
Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (BVerfG, Beschl. v. 6.2.1979 - 2 BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217, 226). Aus dem der Benutzungsgebühr eigentümlichen Austauschverhältnis, in dem sich Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen, folgt, dass die Gebührenschuldner nur mit Kosten belasten werden dürfen, die mit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in dem erforderlichen engen Sachzusammenhang stehen. Soweit es um Kosten geht, die daraus herrühren, dass die von einem Teil der Gebührenpflichtigen geschuldeten Gebühren nicht beigetrieben werden können, fehlt es an diesem Zusammenhang, da grundsätzlich kein Gebührenpflichtiger verpflichtet ist, für die persönliche Schuld anderer einzustehen. Das Risiko der Nichtbeitreibbarkeit einer Forderung hat daher nicht die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen, sondern der Einrichtungsträger als Forderungsinhaber zu tragen (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.2.2000, aaO; OVG Brandenburg, Urt. v. 22.2.2002, aaO).
72 
b) Die im Zeitraum 2003 bis 2005 entstandenen Gebührenausfälle durch Erlass, Niederschlagung etc. werden von der Beklagten mit 304.357,26 EUR beziffert. Der Senat sieht keinen Anlass, an dieser durch eine detaillierte Aufstellung der einzelnen im Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 entstandenen Fehl- und Überschussbeträge (Anlage B 54) belegten Angabe der Beklagten zu zweifeln. Entgegen der Ansicht des Klägers wird die Richtigkeit der von der Beklagten genannten Zahl insbesondere nicht durch die Bilanzen des EAF in Frage gestellt. Der Kläger glaubt den Bilanzen des EAF für die Jahre 2003 bis 2005 entnehmen zu können, dass es in diesen Jahren zu Gebührenausfällen von ca. 3,2 Millionen EUR gekommen ist. Die von ihm genannten Zahlen geben jedoch tatsächlich die Summe der zum Bilanzstichtag offenen Forderungen des EAF gegenüber den Gebührenzahlern wieder und nicht die Summe der in dem jeweiligen Jahr entstandenen Gebührenausfälle. Der vom Kläger aus diesen Zahlen gezogene Schluss ist daher offensichtlich verfehlt.
73 
Der Senat geht somit davon aus, dass die im Zeitraum 2003 bis 2005 durch Erlass, Niederschlagung etc. zu verzeichnenden Gebührenausfälle von der Beklagten korrekt mit 304.357,26 EUR beziffert werden. Die zu Unrecht erfolgte Einbeziehung der Gebührenausfälle bei der Berechnung der im vorangegangenen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckung ist danach für die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zur Überprüfung stehende Kalkulation der Abfallgebühren für den Zeitraum 2006 bis 2008 ohne Bedeutung, da die Beklagte von der nach ihrer Berechnung insgesamt 2.602.000 EUR betragenden Kostenunterdeckung nur einen Teilbetrag von 1.561.125,64 EUR in die Kalkulation eingestellt hat.
74 
6. Als weitgehend unbegründet erweisen sich schließlich auch die Einwendungen des Klägers, die sich gegen die aus seiner Sicht zu Unrecht unterbliebene Berücksichtigung bestimmter von der Beklagten erzielter Einnahmen in der Gebührenkalkulation richten.
75 
Die Frage, ob und inwieweit Einnahmen, die mit dem Betrieb einer öffentlichen Einrichtung verbunden sind, bei der Gebührenkalkulation durch Verrechnung mit den durch den Betrieb verursachten Kosten zu berücksichtigen sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Die in § 14 Abs. 1 KAG getroffene Aussage, wonach die Gebühren höchstens so bemessen werden dürfen, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung gedeckt werden, betrifft nur die Kosten der Einrichtung. Ansatzfähig sind nach dieser Vorschrift nur die betriebsbedingten Kosten, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.1.2000 - 2 S 1621/97 - NVwZ-RR 2000, 710; Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 3246/94 - VBlBW 1996, 382). Es ist daher systemgerecht, von den ansatzfähigen Kosten im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung etwaige Einnahmen nur dann abzuziehen, wenn sie ebenfalls in einem ausreichend engen Zusammenhang mit der durch die Einrichtung vorgesehenen Leistungserbringung stehen oder ihrer Erzielung Kosten der Einrichtung zugrunde liegen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.11.2006 - 9 A 1029/04 - KStZ 2007, 194). Eine Verpflichtung der Beklagten, den bei dem Verkauf des Anlagevermögens des EAF an die ASF GmbH erzielten Erlös in die Kalkulation einzustellen, besteht danach entgegen der Ansicht des Klägers nicht (unten a). Das Gleiche gilt für den Erlös durch den Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße, die mit den aus der Deponierückstellung gewährten Darlehen verbundenen Zinseinnahmen, die bei der Selbstanlieferung auf dem früheren Deponiegelände oder einem der Recyclinghöfe vereinnahmten Gebühren sowie die Einnahmen aus Gewerbesteuern (unten b bis e). Anders zu beurteilen ist allein der auf die Beklagte entfallende Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag, den die Beklagte bei der Gebührenkalkulation zu Unrecht außer Betracht gelassen hat. Dieser Mangel bei der Beschlussfassung über die Gebührensätze ist jedoch gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG als unbeachtlich anzusehen und führt daher nicht zur Unwirksamkeit der Abfallwirtschaftssatzung der Beklagten (unten f).
76 
a) Die Beklagte hat nach der Gründung der ASF GmbH das Anlagevermögen des EAF mit Wirkung zum 31.12.1999 zum Restbuchwert an die neu gegründete GmbH verkauft. Der Verkaufserlös wurde im Vermögenshaushalt der Stadt vereinnahmt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das zu Recht geschehen, da die Beklagte mit der Veräußerung des Anlagevermögens keinen Erlös realisiert hat, der den Gebührenzahlern zusteht. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, den Erlös als Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen. Darauf, dass dieser Erlös ohnehin nicht in dem hier allein zu betrachtenden Kalkulationszeitraum angefallen ist, kommt es daher nicht an.
77 
Bei dem Anlagevermögen des EAF handelt es sich nach Ansicht des Klägers um "Kapital" des Gebührenzahlers. Das trifft nicht zu. Nach dem von § 14 Abs. 1 KAG für maßgebend erklärten betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff sind Kosten in Geld ausgedrückter Verbrauch von wirtschaftlichen Gütern und Dienstleistungen innerhalb einer bestimmten Rechnungsperiode, soweit sie für die betriebliche Leistungserstellung anfallen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.2.1989 - 2 S 2279/87 - VBlBW 1989, 462; Faiß/Giebler/Lang/Notheis/ Schmid, Kommunales Wirtschaftsrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl., Rn. 795). Zu diesen Kosten gehören die laufenden Unterhaltungskosten sowie die sogenannten kalkulatorischen Kosten im Sinne von § 14 Abs. 3 KAG. Die Kosten für die Anschaffung oder Herstellung der öffentlichen Einrichtung stellen dagegen als solche keinen Wertverzehr in der laufenden Rechnungsperiode dar, sondern sind, wie sich aus § 14 Abs. 3 S. 1 KAG ergibt, im Wege angemessener Abschreibungen auf die Jahre zu verteilen, in denen die Einrichtung voraussichtlich genutzt wird. Mit den in der Vergangenheit erbrachten Leistungen für Abschreibungen auf die zum Anlagevermögen des EAF gehörenden und mit den Mitteln des allgemeinen Haushalts beschafften Gegenstände wird dementsprechend nur der sich aus deren Nutzung ergebende Wertverzehr ausgeglichen. Die Gebührenschuldner haben damit aber nicht einen Anteil am Anlagevermögen erworben. Ein Verkauf des Anlagevermögens an einen Dritten ist daher gebührenrechtlich ohne Bedeutung (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 24.6.2008 - 9 A 373/06 - KStZ 2009, 12 und 1.6.2007 - 9 A 372/06 - Juris; HessVGH, Beschl. vom 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 199).
78 
b) Eine Verpflichtung der Beklagten, den nach der Ansicht des Klägers bei dem Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße erzielten "Veräußerungsgewinn" bei der Gebührenbedarfsberechnung zu berücksichtigen, ist dementsprechend ebenfalls zu verneinen. Dabei ist über das eben Ausgeführte hinaus darauf hinzuweisen, dass Grundstücke keinem Wertverzehr unterliegen und deshalb keinen Abschreibungsbedarf auslösen. Der Kauf und Verkauf von Grundstücken, auf denen sich Teile einer öffentlichen Einrichtung befinden, ist daher unabhängig von ihrer haushaltsrechtlichen Zuordnung gebührenrechtlich neutral. Die vom Gemeinderat der Beklagten am 10.11.2004 beschlossene Verlegung des bisher auf dem Grundstück Dreikönigstraße befindlichen Recyclinghof auf das Grundstück Carl-Mez-Str. 52 hat dementsprechend in der Gebührenkalkulation der Beklagten nur insoweit einen Niederschlag gefunden, als die aus dem errechneten Investitionsbedarf resultierenden jährlichen Abschreibungen als Teil der Position "Abschreibungen auf Sacheinlagen" in die Kalkulation eingestellt wurden.
79 
c) Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten hat der EAF der Beklagten in der Vergangenheit mehrfach Darlehen aus den Rückstellungen gewährt, die für die Stilllegung und Rekultivierung der Deponie Eichelbuck gebildet wurden. Was die hier allein zu prüfende Gebührenkalkulation der Beklagten für den Zeitraum 2006 bis 2008 betrifft, ist auch dieser Vorgang ohne Bedeutung.
80 
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 b KAG sind bei der Bemessung der Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung auch die Zuführung zu Rücklagen oder Rückstellungen für die vorhersehbaren späteren Kosten der Stilllegung und der Nachsorge zu berücksichtigen. Die für die Stilllegung und Rekultivierung der Deponie Eichelbuck gebildeten Rückstellungen wurden dementsprechend von den Gebührenschuldnern finanziert. Die aus der Vergabe der Darlehen resultierenden Zinserträge stehen gleichwohl nicht dem Gebührenhaushalt zu, sondern sind den Rückstellungen zuzuführen, wie dies nach der Darstellung der Beklagten auch tatsächlich geschehen ist. Auf die Frage, ob der von der Beklagten mit dem EAF vereinbarte Zinssatz als angemessen anzusehen ist, kommt es deshalb im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht an, da die Vereinbarung nur Auswirkungen auf die Höhe der den Rückstellungen zuzuführenden Zinserträge hat. Ein Zusammenhang mit der der Satzung der Beklagten zugrunde liegenden Gebührenkalkulation besteht dagegen nicht.
81 
d) Mit der 1999 erfolgten Übertragung des Betriebsvermögens des EAF auf die ASF GmbH wurden die vom EAF mit der DSD GmbH geschlossenen Verträge von der ASF GmbH übernommen. In der Gemeinderatsdrucksache G-01/053 wird dazu ausgeführt, dass für die "Unternehmenssparte DSD" des EAF ein Ertragswert von 4.757.600 DM ermittelt worden sei, der von der ASF GmbH der Stadt zu erstatten sei. Unter Berücksichtigung eines steuerrechtlichen Verlustvortrags in Höhe von 3.548.243 DM ergebe sich hieraus ein der Körperschafts- bzw. Gewerbesteuer unterliegender Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.209.357 DM, der dem städtischen Haushalt zurückgeführt werde. Auch hiergegen bestehen entgegen der Ansicht des Klägers keine Bedenken.
82 
Nach § 6 Abs. 1 der - auf § 24 KrW-/AbfG beruhenden Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) - sind Hersteller und Vertreiber, die unter diese Verordnung fallende Verkaufsverpackungen erstmals in den Verkehr bringen, verpflichtet, sich zur Gewährleistung der flächendeckenden Rücknahme dieser Verkaufsverpackungen an einem oder mehreren Systemen nach § 6 Abs. 3 VerpackV zu beteiligen, das im Einzugsgebiet des verpflichteten Vertreibers flächendeckend und unentgeltlich die regelmäßige Abholung gebrauchter, restentleerter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe in ausreichender Weise zu gewährleisten hat. Gemäß § 5 Abs. 2 AbfWS sind die von dieser Vorschrift erfassten Abfälle von der städtischen Abfallentsorgung ausgeschlossen. Die Einsammlung und Verwertung dieser Abfälle ist dementsprechend kein Teil der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung, sondern erfolgt mittels eines unabhängig davon bestehenden zweiten (dualen) Entsorgungssystems. Die gemäß §§ 23 ff. AbfWS erhobenen Benutzungsgebühren sind dementsprechend keine Gegenleistung für die Einsammlung und Verwertung der genannten Abfälle. Die Finanzierung des dualen Systems erfolgt vielmehr in der Weise, dass die DSD GmbH es Herstellern gegen Zahlung eines Lizenzentgelts gestattet, diejenigen Produkte, deren Verpackungen über das duale System eingesammelt werden, mit dem sogenannten "Grünen Punkt" zu kennzeichnen. Diese Kosten werden über den Verkaufspreis der Waren an die Verbraucher anteilig weitergegeben (Queitsch, UPR 1995, 246). Ein Grund, der die Beklagte verpflichtet hätte, den durch die Übertragung der mit der DSD GmbH geschlossenen Verträge erzielten Veräußerungsgewinn dem Gebührenhaushalt zugute zu bringen, ist danach nicht zu erkennen.
83 
d) Zu dem Einwand des Klägers, dass dem Gebührenhaushalt auch die bei der Selbstanlieferung auf dem Eichelbuck bzw. dem Betriebshof bezahlten Gebühren zugehörig seien, hat die Beklagte geäußert, dass sämtliche Kosten und Einnahmen, die auf die Selbstanlieferung entfielen, gesondert berechnet worden seien, um zu gewährleisten, dass die Schuldner der Abfallgebühren nur mit den Kosten belastet würden, die für die Entsorgung des Hausmülls entstünden. Auch dieses Vorgehen begegnet keinen Bedenken, da sich die Berechtigung zur Selbstanlieferung gemäß § 22 AbfWS auf die Abfälle beschränkt, die nach § 5 Abs. 4 AbfWS vom Einsammeln und Befördern (Holsystem) ausgeschlossen sind. Wie sich aus § 3 Abs. 2 des von der Beklagten mit der GAB geschlossenen Vertrags ergibt, fallen die betreffenden Abfälle auch nicht unter diesen Vertrag, da die Beklagte danach nur verpflichtet ist, der GAB die Abfälle zu übergeben, die ihr im Rahmen der öffentlichen Abfallabfuhr überlassen worden sind und die sie der Beseitigung zuführt. Das der GAB bezahlte Entgelt stellt dementsprechend keine Gegenleistung für die Beseitigung und Verwertung dieser Abfälle dar. Die Beklagte hat deshalb bei der Gebührenkalkulation zu Recht zwischen Gebühren für die Entsorgung der von ihr eingesammelten Abfällen (§ 29 AbfWS) und Gebühren für die Benutzung der Umschlagstation Eichelbuck sowie der Annahmestellen durch Selbstanlieferer (§ 30 AbfWS) getrennt.
84 
e) Zu den nach seiner Ansicht rechtswidrig dem Gebührenhaushalt vorenthaltenen Einnahmen rechnet der Kläger offenbar auch die Einnahmen der Beklagten aus den von der ASF GmbH als Kapitalgesellschaft bezahlten Gewerbesteuern. Eine Verpflichtung zur Anrechnung dieser Steuern besteht jedoch nicht. Als kalkulierbare Steuer rechnet die Gewerbesteuer zu den Kosten im Sinne der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten und darf daher in das mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt eingerechnet werden. Als Teil dieses Entgelts darf die Gewerbesteuer auch auf die Gebührenschuldner umgelegt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 8 B 173.98 - NVwZ 1999, 653).
85 
f) Das Verwaltungsgericht hat dagegen zu Recht beanstandet, dass die Beklagte den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag nicht - gebührenmindernd - als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation eingestellt hat.
86 
aa) Der von der Beklagten und der ASF GmbH geschlossene Bewirtschaftungsrahmenvertrag sieht, wie oben erörtert, die Zahlung eines mit der ASF GmbH für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum zu vereinbarenden, festen Jahresentgelts für die von der GmbH erbrachten Leistungen vor, das einen kalkulatorischen Gewinn von 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten einschließt. Da die Beklagte an der ASF GmbH zu 53 % beteiligt ist, kommt der in dem vereinbarten Entgelt enthaltene Gewinnzuschlag auch ihr zugute. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht angenommen, dass die Beklagte den auf sie entfallenden Anteil an dem kalkulatorischen Gewinn als bei normalem Geschäftsverlauf im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation hätte einstellen müssen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts gilt das jedoch für den gesamten Anteil an diesem Gewinn nach Abzug der aus dem Gewinn zu zahlenden Steuern und nicht nur für den eine angemessene Verzinsung des Stammkapitals übersteigenden Teil.
87 
Der Beklagten ist es gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG gestattet, Dritte mit der Erfüllung der ihr als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger obliegenden Pflichten zu beauftragen. Die ihr dadurch entstehenden Kosten dürfen nach den bereits gemachten Ausführungen auf die Gebührenschuldner verteilt werden, soweit es sich um betriebsnotwendige Kosten handelt. Nach öffentlichem Preisrecht zulässige Gewinnzuschläge, die in dem von dem Dritten verlangten Entgelt enthalten sind, gehören zu den in diesem Sinn betriebsnotwendigen Kosten. Die Einschaltung eines - gewinnorientierten - Privatunternehmens darf jedoch für den Träger der öffentlichen Einrichtung nicht zum "Mittel der Erschließung illegaler Finanzquellen" werden. Das gilt insbesondere mit Blick auf die aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG folgende Verpflichtung, die Gebühren nur so zu bemessen, dass ihr Aufkommen die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung nicht übersteigt. Das sich aus dieser Vorschrift ergebende Verbot einer Gewinnerzielung ist daher auch in den Fällen zu beachten, in denen der Träger der öffentlichen Einrichtung sich zur Erfüllung seiner Aufgaben einer privatrechtlichen Gesellschaft bedient, an denen er selbst beteiligt ist. Die bei einer solchen Gesellschaft entstehenden Gewinne müssen daher, soweit sie auf die Beteiligung der Gemeinde entfallen, gebührenmindernd berücksichtigt werden (ebenso HessVGH, Beschl. v. 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 7.11.1996 - 4 K 11/96 - DVBl 1997, 1072 und 25.2.1998 - 4 K 8/97 - KStZ 2000, 12; Wiesemann, NVwZ 2005, 391, 396; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197f; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Stand Juli 2009, § 14 Rn. 7; Gössl/Reif, KAG für Baden-Württemberg, Stand September 2009, § 14 Anm. 4.1.2.2, S. 26 f.)
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Aus Art. 28 GG ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts anderes. Mit der sich aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG ergebenden Verpflichtung der Beklagten, den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen, ist weder ein unzulässiger Eingriff in die Organisationshoheit der Beklagten noch ein Eingriff in ihr verfassungsrechtlich gewährleistetes Selbstverwaltungsrecht verbunden. Die genannte Verpflichtung steht auch nicht in Widerspruch zu der oben anerkannten Berechtigung der Beklagten, in dem mit der ASF GmbH geschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrag einen kalkulatorischen Gewinn im Sinne von Nr. 51 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach der VO PR 30/53 zu vereinbaren, da sich diese Berechtigung sowie die hier in Rede stehende Verpflichtung der Beklagten, den auf sie entfallenden Anteil an diesem Zuschlag den Gebührenschuldner zugute zu bringen, auf verschiedenen Ebenen bewegen. Die Beteiligung der Beklagten an der ASF GmbH hat, vereinfacht ausgedrückt, in Verbindung mit dem in das vereinbarte Entgelt eingerechneten Gewinnzuschlag zur Konsequenz, dass der Beklagten ein Teil des der GmbH zu bezahlenden Entgelts wieder zurückfließt. Ob die Beklagte diesen Teil des Entgelts "behalten darf" oder ihn an die Gebührenschuldner weiter zu geben hat, regelt nicht das öffentliche Preisrecht, sondern das Abgabenrecht, das hierzu mit § 14 Abs. 1 S. 1 KAG eine eindeutige Aussage trifft.
89 
Bei dem auf die Beklagte entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten Gewinnzuschlag handelt es sich allerdings nur um eine Prognose der bei einem normalen Geschäftsverlauf im Kalkulationszeitraum zu erwartenden Einnahmen der Beklagten, die - worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - mit den tatsächlichen Gewinnen, die die Beklagte aus ihrer Beteiligung an der ASF GmbH im "gebührengebundenen Bereich" in den Jahren 2006 bis 2008 erzielt hat, nicht identisch zu sein braucht. Das steht jedoch der Verpflichtung der Beklagten, diesen Anteil als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen, ebenfalls nicht entgegen. Zur Lösung des damit verbundenen Problems steht vielmehr der in § 14 Abs. 2 S. 2 KAG geregelte Ausgleich von Kostenüber- und Kostenunterdeckungen zur Verfügung: Abweichungen zwischen erwarteten und tatsächlichen Einnahmen können, soweit sie zu Kostenunterdeckungen geführt haben, innerhalb des in dieser Vorschrift genannten Zeitraums in späteren Gebührenkalkulationen ausgeglichen werden. Soweit Abweichungen zwischen erwarteten und tatsächlichen Einnahmen umgekehrt zu Kostenüberdeckungen geführt haben, müssen sie innerhalb des gleichen Zeitraums in späteren Gebührenkalkulationen ausgeglichen werden.
90 
bb) Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze sind gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG unbeachtlich, wenn sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Die Nichtberücksichtigung des auf die Beklagte entfallenden Anteils an dem kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme hat danach nicht die Unwirksamkeit der von der Beklagten beschlossenen Gebührensätze zur Folge, da dieser Fehler nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung in Höhe von weniger als 0,75 % geführt hat.
91 
(1) Auf den vereinbarten Gewinnzuschlag von 3 % entfallen von den sich aus dem Bericht der Wirtschaftsprüfergesellschaft Graf Westfalen, Busch & Partner (Anlage 2) ergebenden Nettoselbstkosten (Selbstkosten ohne Mehrwertsteuer), die die Beklagte und die ASF GmbH - vorbehaltlich der sich aus der verabredeten Preisrevisionsformel ergebenden Anpassungen - als Entgelt für die Jahre 2006 bis 2008 vereinbart haben, Beträge von 365.605,30 EUR (2006), 367.884,38 EUR (2007) bzw. 371.261,17 EUR (2008). Auf die an der ASF GmbH zu 53 % beteiligte Beklagte entfallen davon 193.770,80 EUR (2006), 194.978,72 EUR (2007) bzw. 196.768,42 EUR (2008). Hiervon abzuziehen sind die aus dem Gewinn zu zahlenden Abgaben in Form von Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag (vgl. Brüning, aaO, § 6 Rn. 197f, S. 134). Nach Abzug von 20% Kapitalertragssteuer für die Jahre 2006 und 2007 bzw. einem Abzug von 25 % Kapitalertragssteuer für das Jahr 2008 (vgl. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in seiner seinerzeit geltenden Fassung) sowie Abzug des jeweils 5,5% betragenden Solidaritätszuschlags ergeben sich daraus Nettogewinne von 144.359,25 EUR (2006), 145.259,15 EUR (2007) bzw. 144.870,75 EUR (2008).
92 
Für eine Verringerung dieser Beträge um eine angemessene Verzinsung des auf die Beklagte entfallenden und auf den gebührengebundenen Bereich beschränkten Anteils am Stammkapital der ASF GmbH sieht der Senat anders als das Verwaltungsgericht keinen Grund, da das von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt außer einem kalkulatorischen Gewinn von 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten bereits kalkulatorische Zinsen in Höhe von 6,5 % für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals als Bestandteil der Selbstkosten einschließt. Der Hinweis der Beklagten, dass das Stammkapital nicht von den Gebührenschuldnern, sondern aus dem allgemeinen Haushalt finanziert worden sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch der Umstand, dass betriebsnotwendiges Kapital und Stammkapital verschiedene Begriffe sind, rechtfertigt es nicht, der Beklagten über die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals hinaus noch eine angemessene Verzinsung ihres Anteils an dem nur eine nominelle Größe darstellenden Stammkapital der ASF GmbH zuzusprechen.
93 
(2) Bezogen auf den gesamten für die Jahre 2006 bis 2008 angenommenen Gebührenbedarf von jeweils über 20 Millionen EUR pro Jahr hat die Nichtberücksichtigung des auf die Beklagte entfallenden Anteils am kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme danach zu einer als nur geringfügig anzusehenden Kostenüberdeckung in Höhe von weniger als 0,75 % geführt. Es handelt sich daher um einen gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG unbeachtlichen Mangel bei der Beschlussfassung über die Gebührensätze.
94 
Die Frage, ob diese Vorschrift auch in Fällen zur Anwendung kommt, in denen die Gebührenkalkulation auf offenkundig oder gar bewusst fehlerhaften Kostenansätzen beruht, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Vereinbarung eines einen kalkulatorischen Gewinnzuschlag enthaltenden Entgelts in einem von dem Träger einer öffentlichen Einrichtung mit einer GmbH geschlossenen (Fremdleistungs-)Vertrag den Einrichtungsträger verpflichtet, den auf ihn aufgrund seiner Beteiligung an der GmbH entfallenden Anteil an diesem Zuschlag gebührenmindernd in die Kalkulation einzustellen, hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht entschieden. Der Standpunkt der Beklagten, die preisrechtliche Zulässigkeit eines solchen Zuschlags lasse es zu, das vereinbarte Entgelt ungeschmälert in die Gebührenkalkulation einzustellen, kann auch nicht als offensichtlich unrichtig angesehen werden. Der Beklagten kann daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, sich bewusst oder grob fahrlässig über das geltende Recht hinweggesetzt zu haben.
95 
7. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen des Klägers sowie dem von ihm nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 4.6.2010 gestellten (weiteren) Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
96 
a) Mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten ersten Antrag stellt der Kläger seine Behauptung unter Beweis, dass die Beklagte bei der Veräußerung von 47 % ihrer Anteile an der ASF GmbH eine Absprache mit der ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG getroffen habe, wonach von der ASF GmbH Gewinne von ca. 4 Millionen EUR vor Steuern und ca. 2,5 bis 2,8 Millionen EUR nach Steuern durch Preisgestaltung der Betreiberentgelte zu erwirtschaften seien. Der Antrag ist bereits unzulässig, da Tatsachenbehauptungen, die von einer Partei ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt werden, eine gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung nicht auszulösen vermögen (BVerwG, Beschl. v. 2.7.1998 - 11 B 30.97 - NVwZ 1999, 656). Für die unter Beweis gestellte Behauptung muss vielmehr zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit sprechen. Daran fehlt es hier. Der Kläger stützt seine Behauptung in erster Linie auf das an die Beklagte gerichtete Schreiben der ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG vom 2.2.2005. In dem Schreiben hat sich die KG gegen die von der Beklagten zuvor vorgeschlagene Verringerung der von der ASF GmbH erbrachten Entsorgungsleistungen ausgesprochen und zur Begründung darauf hingewiesen, dass sie ihr Angebot zum Erwerb von 47 % der Anteile an der GmbH auf der Grundlage der Verdingungsunterlagen vom 17.5.2001 abgegeben habe. Ein weitgehende Einschränkung der bisher von der ASF GmbH erbrachten Dienstleistungen stelle diese Kalkulationsgrundlage in Frage. In dem Schreiben ist somit weder direkt noch indirekt von einer Gewinnzusage der Beklagten die Rede, geschweige denn von einer Gewinnzusage in der vom Kläger behaupteten Höhe. Das Schreiben vermag daher die vom Kläger aufgestellte Behauptung nicht zu stützen. Für die vom Kläger ferner vorgelegte Vorlage für die Dezernentenkonferenz vom 18.1.2005 gilt das Gleiche. Auch in der Vorlage wird nicht von einer Gewinnzusage gesprochen, sondern von einer "zu erwartenden Gewinnprognose", die zudem nicht mit der Gestaltung der Gebühren, sondern mit den Verträgen in Verbindung gebracht wird, die die ASF GmbH mit der DSD GmbH geschlossen hat.
97 
Die unter Beweis gestellte Tatsache ist davon abgesehen für die Rechtmäßigkeit der Abfallgebührensatzung der Beklagten unerheblich. Wie ausgeführt, ist die der Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation mit Ausnahme eines zu einer nur geringfügigen Kostenüberdeckung führenden und daher gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 KAG unbeachtlichen Fehlers nicht zu beanstanden. Die Kalkulation weist insbesondere keine überhöhten Kostenansätze auf. Das gilt auch für das mit der ASF GmbH vereinbarte und in die Kalkulation eingestellte Fremdleistungsentgelt. Auf die vom Kläger behauptete Zusage kommt es deshalb nicht an.
98 
b) Für die mit dem zweiten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Behauptung des Klägers, die Erhöhung der Gebühren um mehr als 50 % sei auf politische Einflussnahme der Beklagten zurückzuführen, gilt das Gleiche. Auch für diese Behauptung fehlt es im Übrigen an greifbaren Anhaltspunkten. Der Umstand, dass die ASF GmbH Ende 2004 auf der Grundlage der ihr seinerzeit zur Verfügung stehenden Informationen einen Gebührenmehrbedarf von nur 30 % angenommen hat, stellt einen solchen Anhaltspunkt nicht dar.
99 
c) Zu der ferner beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens, mit dem der Beweis geführt werden soll, dass der Gebührenkalkulation der Beklagten zur Erzielung der angestrebten hohen Gewinne überhöhte Annahmen zugrunde gelegt worden sind, besteht ebenfalls keine Veranlassung. Der Antrag ist in dieser Form inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, da der Kläger auch nicht ansatzweise dargelegt hat, welche der zahlreichen "Annahmen", auf denen die Gebührenkalkulation der Beklagten beruht, an dem von ihm behaupteten Mangel leiden sollen. Der Antrag ist deshalb in dieser Form ebenfalls unzulässig. Das gilt auch dann, wenn man den Antrag dahin versteht, dass mit den vom Kläger genannten "Annahmen" (nur) die von ihm in der Begründung seiner Berufung beanstandeten Positionen der Gebührenkalkulation gemeint sein sollen. Die vom Kläger gegen die Gebührenkalkulation erhobenen Einwendungen, zu denen der Senat bereits Stellung genommen hat, betreffen jeweils Rechtsfragen und sind damit der Beweiserhebung durch ein Sachverständigengutachten nicht zugänglich.
100 
d) Die mit dem zweiten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Behauptung, dass der auf die Beklagte entfallende Gewinnanteil an der ASF GmbH in den Jahren 2006 bis 2008 "im gebührengebundenen Bereich bereits, wie geplant, jeweils mehr als 50 % des Gewinns und mehr als 500.000 EUR jährlich" betragen habe, ist für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich. Nach den oben gemachten Ausführungen war die Beklagte verpflichtet, den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen. Auf die Frage, ob die tatsächlichen Gewinne, die die Beklagte aus ihrer Beteiligung an der ASF GmbH im "gebührengebundenen Bereich" in den Jahren 2006 bis 2008 erzielt hat, mit diesen Beträgen identisch sind, kommt es im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht an. Die Frage betrifft vielmehr den in § 14 Abs. 2 S. 2 KAG geregelten Ausgleich von Kostenüber- und Kostenunterdeckungen, worauf ebenfalls bereits hingewiesen wurde. Die Frage ist daher nur für die späteren Gebührenkalkulationen der Beklagten von Interesse. Der Senat sieht dementsprechend auch keine Veranlassung, dem nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 4.6.2010 gestellten Antrag des Klägers zu folgen und die Beklagte zur Vorlage der internen Kosten- und Leistungsrechnung der ASF GmbH zu verpflichten, mit der der Kläger ebenfalls den Beweis führen möchte, dass die Gewinne der ASF GmbH zu mehr als 50 % aus dem "gebührengebundenen Bereich" stammen.
101 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
102 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
103 
Beschluss
104 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 131,40 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
105 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
20 
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Gebührenbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage danach zu Recht abgewiesen.
I.
21 
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die Satzung der Beklagten über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen (AbfWS) vom 15.11.2005, nach dessen § 23 die Beklagte zur Deckung ihres Aufwands für die Entsorgung von Abfällen Benutzungsgebühren erhebt. Die Benutzungsgebühren für die Entsorgung der Abfälle aus privaten Haushaltungen bemessen sich gemäß § 27 Abs. 1 AbfWS nach der Anzahl der zu einem Haushalt gehörenden Personen zum Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld (Haushaltsgebühr) sowie nach der Anzahl und dem Volumen der verwendeten Abfallbehältnisse und der Häufigkeit der regelmäßigen Entleerung (Behältergebühr). Die Haushaltsgebühr beträgt bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif für Haushalte mit zwei Personen jährlich 97,56 EUR, die Behältergebühr für den Restabfallbehälter bei Veranlagung nach dem Haushaltstarif und Verwendung eines 14-täglich entleerten 35 Liter Abfallbehältnisses jährlich 33,84 EUR. Das entspricht den von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid für das Jahr 2006 verlangten Beträgen. Über die Berechnung der vom Kläger geschuldeten Abfallgebühren besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.
II.
22 
Die hier maßgeblichen gebührenrechtlichen Regelungen in der Satzung der Beklagten sind wirksam. Sie verstoßen entgegen der Ansicht des Klägers weder gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG noch gegen andere höherrangige Rechtsvorschriften.
23 
Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Die Gebühren dürfen höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung gedeckt werden (§ 14 Abs. 1 S. 1 KAG). Das gilt auch für die hier in Rede stehenden Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung. Aus § 18 KAG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die in dieser Vorschrift für die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung getroffenen ergänzenden Bestimmungen lassen die Geltung des § 14 Abs. 1 S. 1 KAG unberührt (vgl. zu der früheren Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 2005 VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - VBlBW 1996, 382).
24 
Über die Höhe des Gebührensatzes hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen zu beschließen. Voraussetzung für eine sachgerechte Ausübung dieses Ermessens ist eine Gebührenkalkulation, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze hervorgeht. Diese wird ermittelt, indem die gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung auf die potentiellen Benutzer nach Maßgabe des in der Satzung vorgesehenen Gebührenmaßstabs verteilt werden, wobei die voraussichtlichen Kosten sowie der voraussichtliche Umfang der Benutzung oder Leistung geschätzt werden müssen. Die Gebührensatzobergrenze ist danach das Ergebnis eines Rechenvorgangs, bei dem die voraussichtlichen gebührenfähigen Gesamtkosten durch die Summe der voraussichtlichen maßstabsbezogenen Benutzungs- oder Leistungseinheiten geteilt werden. Ist dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Gebührensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Gebührensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausüben konnte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa NK-Beschl. v. 7.2.2002 - 2 S 2643/01 - AbfallR 2003, 97). Das gilt allerdings nur vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG, der Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze für unbeachtlich erklärt, sofern sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen.
25 
Die gebührenrechtlichen Regelungen in der Satzung der Beklagten sind in Anwendung dieser Grundsätze nicht zu beanstanden. Die der Satzung zugrunde liegende, die Jahre 2006 bis 2008 umfassende Gebührenkalkulation enthält keine in einem wesentlichen Punkt fehlerhafte Kostenansätze. Die sich gegen die aus seiner Sicht zu Unrecht unterbliebene Berücksichtigung bestimmter von der Beklagten erzielter Einnahmen in der Gebührenkalkulation richtenden Einwendungen des Klägers greifen ebenfalls nicht durch.
26 
1. Die in die Kalkulation als "sonstiger Betriebsaufwand" eingestellten Beträge von 15.353.480,20 EUR (Zahl für 2006), 15.923.916,39 EUR (2007) bzw. 16.073.673,22 EUR (2008) bestehen im Wesentlichen aus dem der ASF GmbH zu bezahlenden Entgelt, mit dem die von der GmbH nach dem Bewirtschaftungsrahmenvertrag zu erbringenden Leistungen vergütet werden. Nach der bei den Kalkulationsakten der Beklagten befindlichen Aufstellung wurden dafür im Jahr 2006 14.693.580,23 EUR und in den beiden folgenden Jahren 15.276.951,21 EUR bzw. 15.415.958,87 EUR angesetzt. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers sind unbegründet. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist das der ASF GmbH zu bezahlende Entgelt in der von der Beklagten veranschlagten Höhe zu den gebührenfähigen Kosten zu rechnen.
27 
Zu den gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 KAG nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen und durch Gebühren zu deckenden Kosten gehören nach allgemeiner Meinung auch die dem Träger der Einrichtung durch die Beauftragung Dritter mit betriebsbedingten Leistungen entstehenden Kosten. Berücksichtigungsfähig sind danach auch Fremdleistungsentgelte, die auf vertraglichen Zahlungsverpflichtungen des Trägers der Einrichtung gegenüber solchen juristischen Personen bestehen, an denen er selbst beteiligt ist. Dies gilt unabhängig von dem Grad dieser Beteiligung (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 1.6.2007 - 9 A 372/06 - Juris; HessVGH, Beschl. v. 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135; OVG Greifswald, Urt. v. 25.2.1998 - 4 K 8/97 - KStZ 2000, 12).
28 
Die Kosten von Fremdleistungen sind allerdings - ebenso wie andere Kosten - nur insoweit als gebührenfähig anzuerkennen, als es sich um erforderliche Kosten handelt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219) wird der Umfang der als gebührenfähig anzusehenden Kosten allgemein durch den Grundsatz der Erforderlichkeit begrenzt. Grundlage dafür ist die Überlegung, dass eine sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung (§ 48 LKrO, § 77 Abs. 2 GemO) besonders dort geboten ist, wo das kommunale Handeln Gebührenpflichten auslöst (näher zur Herleitung dieses Gebots Brüning, KStZ 2010, 21). Der genannte Grundsatz betrifft außer der Angemessenheit der entstandenen Kosten (kostenbezogene Erforderlichkeit) auch die Erforderlichkeit der gebührenfähigen öffentlichen Einrichtung als solcher und die Art und Weise ihres Betriebs (einrichtungsbezogene Erforderlichkeit).
29 
a) Die Beklagte hat sich bis 1999 zur Erledigung der ihr obliegenden Aufgaben der Abfallentsorgung des Eigenbetriebs Abfallbeseitigung Freiburg (EAF) bedient. Im Rahmen der in diesem Jahr beschlossenen Organisationsprivatisierung hat sie die ASF GmbH als 100-prozentige städtische Tochtergesellschaft gegründet und anschließend mit einem wesentlichen Teil der bisher von dem Eigenbetrieb erledigten Aufgaben beauftragt. Diese Entscheidung bewegt sich innerhalb des der Beklagten bei der Organisation ihrer öffentlichen Einrichtung zustehenden Spielraums und ist deshalb nicht zu beanstanden.
30 
Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 22.10.1998, aaO) ist dem Träger einer öffentlichen Einrichtung bei deren Herstellung, Anschaffung und Ausgestaltung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zuzubilligen, da die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einer Maßnahme in aller Regel nicht allein von objektiv fassbaren und messbaren Faktoren, sondern auch von planerischen, prognostischen, finanzpolitischen und sonstigen auf Erwägungen der Zweckmäßigkeit beruhenden Gesichtspunkten abhängt. Die Verwaltungsgerichte haben insbesondere nicht zu prüfen, ob der Träger der öffentlichen Einrichtung mit den von ihm im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Einrichtung getroffenen Maßnahmen die zweckmäßigste Lösung gefunden hat. Was die Entscheidung der Beklagten betrifft, die zuvor gegründete ASF GmbH mit einem wesentlichen Teil der Aufgaben der Abfallentsorgung zu beauftragen, ist ferner davon auszugehen, dass öffentliche Aufgaben nicht zwingend im Rahmen öffentlich-rechtlicher Organisationsformen wahrgenommen werden müssen. Die Entscheidung einer kommunalen Körperschaft darüber, ob sie ihre Aufgaben in öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Handlungsformen erfüllt, ist vielmehr eine von ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrecht umfasste Organisationsentscheidung (BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 8 B 173.98 - NVwZ 1999, 653; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 128).
31 
§ 16 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG gestattet es dementsprechend den zur Abfallverwertung und Abfallbeseitigung verpflichteten öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern ausdrücklich, Dritte mit der Erfüllung ihrer Pflichten zu beauftragen. Die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern danach zustehende Organisationswahlfreiheit darf nicht mittelbar dadurch eingeschränkt werden, dass Mehrkosten, die aus der Beauftragung von privaten Dritten in steuerrechtlicher Hinsicht resultieren, für nicht gebührenfähig erklärt werden (BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998, aaO). Bevor der Entsorgungsträger Dritte beauftragt, hat er jedoch mit Blick auf seine Verpflichtung, die Ausgaben so niedrig wie möglich zu halten, zu prüfen, ob er die den Gegenstand des Auftrags bildenden Tätigkeiten nicht in eigener Regie kostengünstiger selbst vornehmen kann (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Stand Juli 2009, § 14 Rn. 7; Brüning, KStZ 2010, 21, 23).
32 
Die Beklagte hat dieser Forderung entsprochen und vor Gründung der ASF GmbH geprüft, ob sie die auf die GmbH zu übertragenden Aufgaben nicht in eigener Regie kostengünstiger erfüllen kann. Sie hat dazu eine Beratungsfirma mit einem Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen einem optimierten Eigenbetrieb und einer Betriebs-GmbH beauftragt. Die mit der Untersuchung beauftragte Büchl Consult GmbH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Teilprivatisierung bereits nach einer kurzen Anlaufzeit deutliche ökonomische Vorteile gegenüber einer Eigenbetriebslösung habe. Einwendungen gegen das von der Beklagten ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten werden vom Kläger nicht erhoben. Umstände, die die Eignung der Untersuchung in Frage stellten, sind auch für den Senat nicht zu erkennen.
33 
b) Das der ASF GmbH für die von ihr zu erbringenden Leistungen zu bezahlende Entgelt zählt hiervon ausgehend auch in der von der Beklagten veranschlagten Höhe zu den gebührenfähigen Kosten.
34 
aa) Der Senat lässt ebenso wie das Verwaltungsgericht offen, ob die Beklagte mit der ohne eine vorherige Ausschreibung erfolgten Beauftragung der ASF GmbH gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen hat.
35 
(1) Nach § 31 Abs. 1 GemHVO muss der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine beschränkte Ausschreibung oder eine freihändige Vergabe rechtfertigen. Die Gründe, die ausnahmsweise zu einer freihändigen Vergabe führen können, sind enumerativ in § 3 Nr. 4 der Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A) aufgezählt (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.6.1998 - 2 L 113/97 - KStZ 1999, 135). Nach § 3 Nr. 4 a VOL/A soll eine freihändige Vergabe nur stattfinden, wenn für die Leistung aus besonderen Gründen (z.B. besondere Erfahrung, Zuverlässigkeit der Einrichtung, bestimmte Ausführungen) nur ein Unternehmen in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall dürften besondere Umstände in diesem Sinn gegeben gewesen sein, da die ASF GmbH gerade zu dem Zweck gegründet wurde, ihr einen wesentlichen Teil der Aufgaben der Abfallbeseitigung und Stadtreinigung zu übertragen. Dieser Gesellschaftszweck wäre bei Beauftragung eines Dritten verfehlt worden. Im Übrigen bot die ASF GmbH aufgrund der von der Beklagten eingebrachten personellen, fachlichen und wirtschaftlichen Kapazitäten des bisherigen Eigenbetriebs, aber auch wegen der Einwirkungs- und Kontrollrechte, die der Beklagten infolge ihrer (zunächst) alleinigen Beteiligung an der Gesellschaft zustanden und auch nach Übertragung von 47 % der Gesellschaftsanteile auf einen privaten Investor weiterhin zustehen, die größtmögliche Gewähr für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung.
36 
(2) Eine Verpflichtung zur Ausschreibung könnte sich jedoch aus den §§ 97 ff. GWB in seiner Fassung durch das zum 1.1.1999 in Kraft getretene Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26.8.1998 ergeben, mit denen unter anderem die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18.6.1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in das nationale Recht umgesetzt worden ist (vgl. BT-Drs. 13/9340, S. 12).
37 
Nach § 97 Abs. 1 GWB beschaffen öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren. Die Vergabe solcher öffentlichen Aufträge hat grundsätzlich in einem "offenen Verfahren" zu erfolgen, d.h. in einem Verfahren, in dem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wird. Die Beklagte ist als Gebietskörperschaft ein "öffentlicher Auftraggeber" im Sinne von § 98 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Der von ihr mit der ASF GmbH geschlossene entgeltliche Vertrag über (u. a. ) die Sammlung von Abfällen ist jedenfalls im Grundsatz ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von § 99 Abs. 1 GWB. Der in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 92/50/EWG in ihrer seinerzeit gültigen Fassung festgelegte Schwellenwert von 200.000 ECU wird von dem Wert des Auftrags unzweifelhaft überschritten.
38 
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 12.6.2001 - X ZB 10/01 - BGHZ 148, 55; Urt. v. 3.7.2008 - I ZR 145/05 - BGHZ 177, 150) kommt es allerdings nicht zu einem öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB, wenn ein öffentlicher Auftraggeber eine GmbH mit Dienstleistungen betraut, der öffentliche Auftraggeber alleiniger Anteilseigner des Beauftragten ist, er über diesen eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt und der Beauftragte seine Tätigkeit im Wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichtet. Denn unter diesen Voraussetzungen werde der Sache nach kein anderer mit der Erbringung der Dienstleistung beauftragt; es kommt vielmehr zu einem sog "in-house"-Geschäft, bei dem die Dienstleistung von einer Stelle erbracht wird, die der öffentlichen Verwaltung bzw. dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen sei. Das steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 10.11.2005 - C-29/04 - NVwZ 2006, 70; Urt. v. 10.9.2009 - C-573/07 - NVwZ 2009, 1421), wonach in Fällen, in denen ein öffentlicher Auftraggeber mit einer von ihm rechtlich verschiedenen Einrichtung einen Vertrag schließt, eine Ausschreibung nicht erforderlich ist, wenn der öffentliche Auftraggeber über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen und diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der oder den öffentlichen Stellen verrichtet, die ihre Anteile innehaben.
39 
Bei einer - auch nur minderheitlichen - Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, sind diese Voraussetzungen aber nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs nicht gegeben, da in diesem Fall der öffentliche Auftraggeber über die Gesellschaft nicht eine ähnliche Kontrolle ausüben könne wie über seine eigenen Dienststellen. Hiervon ausgehend hat der Europäische Gerichtshof in einem Fall, in dem eine österreichische Gemeinde ihre sich aus dem Niederösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetz ergebenden gesetzlichen Verpflichtungen auf eine - von ihr vier Monate zuvor gegründete - GmbH übertragen und zwei Wochen später beschlossen hatte, 49 % der Anteile auf einen privaten Dritten zu übertragen, eine Ausschreibungspflicht bejaht (Urt. v. 10.11.2005, aaO). Zur Begründung hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, zwar sei die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, eine Ausschreibung vorzunehmen, aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich anhand der Bedingungen zu prüfen, die zum Zeitpunkt der Vergabe des fraglichen Auftrags vorlägen, doch erforderten es die besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache, später eingetretene Ereignisse zu berücksichtigen. Diese besonderen Umstände hat der Gerichtshof darin gesehen, dass die Abtretung von 49 % der Anteile der GmbH kurz nach dem Zeitpunkt erfolgte, zu dem dieser Gesellschaft das ausschließliche und unbefristete Recht zur Sammlung und Behandlung von Müll übertragen worden war. Darüber hinaus habe sie ihre operative Tätigkeit erst zu einem Zeitpunkt aufgenommen, als der private Dritte einen Teil ihrer Anteile übernommen habe. Damit stehe fest, dass es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handele, der über eine mehrere gesonderte Schritte umfassende künstliche Konstruktion, nämlich die Gründung einer GmbH, den Abschluss der Entsorgungsvereinbarung mit der GmbH und die Abtretung von 49 % ihrer Anteile an einen privaten Dritten, an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen vergeben worden sei, an dem ein privates Unternehmen 49 % der Anteile halte.
40 
Der hier zu beurteilende Sachverhalt hat mit dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall gemeinsam, dass die Beteiligung eines privaten Dritten an der zu gründenden und mit bestimmten Aufgaben der Abfallentsorgung zu betrauenden GmbH ein Teil des von dem öffentlichen Auftraggeber beschlossenen Privatisierungskonzepts gewesen ist. Die ASF GmbH hat allerdings ihre Tätigkeit nicht erst aufgenommen, nachdem die ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG 47 % der Anteile an der GmbH von der Beklagten übernommen hat. Auch fehlt es an dem engen zeitlichen Zusammenhang, der in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall gegeben war, da die Übernahme der Anteile durch den privaten Dritten erst mit Wirkung zum 1.1.2002 und somit zwei Jahre nach Abschluss des Bewirtschaftungsrahmenvertrags erfolgte. Der Senat neigt deshalb ebenso wie das Verwaltungsgericht dazu, das Bestehen einer Pflicht der Beklagten zur Ausschreibung vor der Beauftragung der ASF GmbH zu verneinen.
41 
bb) Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung, da aus einem Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften nicht für sich allein auf die fehlende Erforderlichkeit des aus dem Auftrag resultierenden finanziellen Aufwands geschlossen werden kann (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 19.2.2008 - 15 A 2568/05 - NVwZ-RR 2008, 442; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.2.2008 - 2 KN 3/06 - NordÖR 2008, 236; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 2.3.2004 - 9 LA 28/04 - NdsVBl 2004, 245; OVG Saarland, Urt. v. 25.5.2009 - 1 A 325/08 - Juris; Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 8 Rn. 350a). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend bemerkt, will § 14 KAG die Gebührenzahler allein davor schützen, durch die Veranschlagung von nicht erforderlichen Kosten überhöhte Gebühren zahlen zu müssen, aber nicht einen Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen sanktionieren. Was die Richtlinie 92/50/EWG betrifft, ist das um so weniger anzunehmen, als diese Richtlinie nur dem Schutz des freien Dienstleistungsverkehrs dient, indem sie die Diskriminierung ausländischer Dienstleistungsunternehmen verbietet. Ein Schutz der eventuellen Gebührenzahler ist dagegen nicht bezweckt. In Fällen, in denen vor der Vergabe eines Auftrags eine Ausschreibung stattgefunden hat, ist danach zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die aufgrund des Auftrags zu zahlenden Entgelte erforderlich sind. Daraus kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass immer dann, wenn keine Ausschreibung stattgefunden hat, die Kosten nicht erforderlich und damit nicht gebührenfähig sind (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.2.2008, aaO).
42 
Bei einem Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften muss der den Auftrag erteilende Abgabengläubiger allerdings nachweisen, dass die dabei zugrunde gelegten Preise sich noch im Rahmen dessen bewegen, was der kostenbezogene Erforderlichkeitsgrundsatz voraussetzt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 2.3.2004, aaO; Urt. vom 22.1.1999 - 9 L 1803/97 - Juris; Driehaus, aaO, § 8 Rn. 350a; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 196; Burgi, NVwZ 2001, 601, 607). In Übereinstimmung mit der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann dieser Nachweis als geführt angesehen werden, wenn der geschlossene Vertrag den Vorschriften des öffentlichen Preisrechts entspricht (ebenso OVG Niedersachsen, Urt. v. 22.1.1999, aaO; Urt. v. 24.6.1998 - 9 L 2722/96 - KStZ 1999, 172; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 738a; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 197). Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, ist das hier der Fall.
43 
(1) Nach dem von der Beklagten und der ASF GmbH am 22.12.1999 geschlossenen und am 14.12.2005 ergänzten Bewirtschaftungsrahmenvertrag hat die Beklagte für die in Auftrag gegebenen Leistungen ein mit der ASF GmbH für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum zu vereinbarendes, festes Jahresentgelt zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. Das Entgelt ist nach § 13 Abs. 2 des Vertrags unter Berücksichtigung der tariflichen Leistungen der Gesellschaft an die Arbeitnehmer und "in Anlehnung an marktübliche Preise festzulegen, soweit die Leistungen der Gesellschaft mit marktgängigen Leistungen vergleichbar sind". In § 13 Abs. 2 des Vertrags ist ferner bestimmt, dass sich die maximale Höhe des Entgelts "nach den für feste Preise geltenden Bestimmungen der VO PR 30/53 und der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach dieser Verordnung" errechnet.
44 
Nach der auf dem Preisgesetz vom 10.4.1948 beruhende Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21.11.1953 (BAnz. Nr. 244), zuletzt geändert durch Verordnung PR Nr. 1/89 vom 13.6.1989 (BGBl. I S. 1094) dürfen für Leistungen auf Grund öffentlicher Aufträge höhere Preise nicht gefordert, versprochen, vereinbart, angenommen oder gewährt werden, als nach den Bestimmungen dieser Verordnung zulässig ist (§ 1 Abs. 3 VO PR Nr. 30/53). Die Verordnung unterscheidet dabei zwischen Markt- und Selbstkostenpreisen. Für marktgängige Leistungen dürfen die im Verkehr üblichen preisrechtlich zulässigen Preise (Marktpreise) nicht überschritten werden (§ 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53). Selbstkostenpreise dürfen nur ausnahmsweise vereinbart werden, wenn keine gesetzlich geregelten Preise gelten, keine Marktpreise festgestellt werden können, eine Mangellage vorliegt oder der Wettbewerb auf der Anbieterseite beschränkt ist und hierdurch die Marktpreisbildung nicht unerheblich beeinflusst wird (§ 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53).
45 
Ob in dem von der Beklagten geschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrag eine Berechnung des der ASF GmbH zu bezahlenden Entgelts aufgrund von Selbstkosten vereinbart werden durfte, hängt danach davon ab, ob es sich bei den von der ASF GmbH zu erbringenden Leistungen um marktgängige Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 handelt, für die ein Marktpreis festgestellt werden kann. Das ist nicht der Fall, da die Kosten für die Abfallbeseitigung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland je nach den örtlichen Gegebenheiten erheblich differieren. Marktpreise lassen sich deshalb allenfalls für bestimmte Teilleistungen feststellen, nicht aber für die von der Beklagten im Rahmen ihrer öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung zu erbringenden Leistungen in ihrer Gesamtheit (vgl. zu dieser Frage OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 24.6.2008 - 9 A 373/06 - KStZ 2009, 12; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 16.2.2005 - 2 LB 109/03 - Juris Rn. 83; HessVGH, Beschl. v. 27.4.1999 - 5 N 3909/98 - NVwZ-RR 2000, 243; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197a). Für die Auftragsvergabe kamen allerdings außer der ASF GmbH auch noch andere Unternehmen in Betracht. Durch Ausschreibung oder die Aufforderung an mehrere Unternehmen, ein Angebot abzugeben, hätte daher ein besonderer Markt entstehen können. Wird es unterlassen, für individuelle Leistungen einen besonderen Markt zu schaffen, ist dies jedoch aus preisrechtlicher Sicht ohne Auswirkungen, weil eine wettbewerbliche Vergabe sich nicht nachholen lässt. Es bleibt deshalb in einem solchen Fall bei der Abrechnung nach Selbstkostenpreisen (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 16.2.2005 - 2 LB 109/03 - Juris; Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 7. Aufl., § 1 VO Pr Nr. 30/53 Rn. 110).
46 
(2) In der den Bewirtschaftungsrahmenvertrag ergänzenden Vereinbarung vom 14.12.2005 haben die Beklagte und die ASF GmbH den Leistungskatalog für den Zeitraum 2006 bis 2010 sowie das jährliche Entgelt für die Durchführung der Aufgaben nach diesem Katalog sowie dem "Einzelvertrag über die Unterstützung des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und der kaufmännischer Buchführung" nebst einer Preisrevisionsformel festgelegt. Die ASF GmbH hat dabei zugesichert, dass das Entgelt nach den für Selbstkostenpreise maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung PR 30/53 ermittelt worden ist bzw. das sich aus der Anwendung dieser Vorschriften ergebende Entgelt unterschritten wird (Art. 1 § 2 Abs. 3), wie das die Beklagte und die ASF GmbH in § 13 Abs. 2 des Bewirtschaftungsrahmenvertrags vereinbart haben. Nach dem Bericht der von der Beklagten mit der Prüfung der Preise beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BWS Graf Westphalen, Busch & Partner ("Prüfung der Selbstkostenfestpreise für die Geschäftsjahre 2006 bis 2010") entspricht diese Zusicherung den Tatsachen. In ihrem Bericht vom 12.8.2005 kommt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu dem Ergebnis, dass die Selbstkostenfestpreise für die Geschäftsjahre 2006 bis 2010 von der die ASF GmbH ordnungsgemäß aus ihrer Kostenrechnung abgeleitet und entsprechend den Grundsätzen der Verordnung PR 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen sowie den Leitsätzen für die Preisbildung aufgrund von Selbstkosten ermittelt worden seien.
47 
Die gegen diese Auffassung erhobenen Einwendungen des Klägers erweisen sich als nicht berechtigt.
48 
Bei der Festlegung des Entgelts haben die Beklagte und die ASF GmbH für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals kalkulatorische Zinsen in Höhe von 6,5 % angesetzt. Das ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu beanstanden. Nach den - einen Bestandteil der Verordnung PR 30/53 bildenden - Leitsätzen für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP) können für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals kalkulatorische Zinsen angesetzt werden, für die der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen einen Höchstsatz festsetzt. Mit der Verordnung PR 4/72 vom 17.4.1972 wurde dieser Höchstsatz auf 6,5 % festgelegt. Der von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Zinssatz hält sich damit innerhalb des durch das öffentliche Preisrecht vorgegebenen Rahmens. Der dagegen erhobene Einwand des Klägers, der Zinssatz dürfe nicht nach dem genannten Höchstsatz, sondern müsse nach dem allgemeinen Zinsniveau bemessen werden, da es der Beklagten nicht gestattet sei, ihr Kapital zu Lasten des Gebührenzahlers mit einem höheren Zinssatz zu verzinsen, als sie ihn am freien Markt hätte erzielen können, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach der ursprünglichen Fassung der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten waren die kalkulatorischen Zinsen mit einem Zinssatz anzusetzen, "der dem Diskontsatz der Bundesbank um einem vom der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen einen Höchstsatz festzusetzenden Zuschlag übersteigt". Die Bindung des kalkulatorischen Zinssatzes an den häufig wechselnden Diskontsatz wurde jedoch nicht als zweckmäßig angesehen, weshalb die Leitsätze in ihrer seit Ende 1954 geltenden Fassung bewusst auf einen Höchstsatz abstellen. Unterhalb dieses Höchstsatzes können daher Auftraggeber und Auftragnehmer den Zinssatz nach Belieben vereinbaren (Ebisch/Gottschalk, aaO, Nr. 43 LSP Rn. 15). Nach dem Prüfbericht der BWS vom 12.8.2005 (S. 14) liegt im Übrigen der vereinbarte Zinssatz von 6,5 % unter dem (seinerzeit geltenden) bankenüblichen Zinssatz für kurzfristiges Fremdkapital.
49 
Der im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Einwand des Klägers, dass die Verzinsung aus dem betriebsnotwendigen Kapital von 3.523.000 EUR und dem betriebsnotwendigen Sachanlagevermögen von 7.688.000 EUR, also insgesamt aus 11.211.000 EUR berechnet worden sei, obwohl das ausgewiesene Stammkapital der ASF GmbH nur 1.738.400 EUR betrage, greift ebenfalls nicht durch, da betriebsnotwendiges Kapital und Stammkapital nicht gleichgesetzt werden dürfen. Unter dem betriebsnotwendigen Kapital ist gemäß Nr. 44 LSP das betriebsnotwendige Vermögen zu verstehen, vermindert um die dem Unternehmen zinslos zur Verfügung gestellten Vorauszahlungen und Anzahlungen durch öffentliche Auftraggeber und solche Schuldbeträge, die dem Unternehmen im Rahmen des gewährten Zahlungsziels von Lieferanten zinsfrei zur Verfügung gestellt werden. Als Stammkapital bezeichnet man dagegen die bei einer GmbH von den Gesellschaftern zu erbringende Kapitaleinlage, d. h. das nominelle Eigenkapital. Der Begriff des Stammkapitals ist daher nicht identisch mit dem betriebswirtschaftlichen Begriff des Eigenkapitals der Gesellschaft, das schon bei der Gründung vom Stammkapital abweichen und sich danach ständig verändern kann (Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 9. Aufl., § 5 Rn. 9). Auf diesen Einwand ist der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mehr zurückgekommen.
50 
Preisrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Beklagte und die ASF GmbH in § 13 Abs. 2 des Bewirtschaftungsrahmenvertrags einen "kalkulatorischen Gewinn im Sinne von Nr. 51 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach der VO PR 30/53 von mindestens 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten" vereinbart haben. Nach Nr. 4 Abs. 3 LSP ist der Selbstkostenpreis im Sinne der Leitsätze "gleich der Summe der nach diesen Leitsätzen ermittelten, der Leistung zuzurechnenden Kosten zuzüglich des kalkulatorischen Gewinns". In Nr. 51 LSP ist dazu näher bestimmt, dass mit dem kalkulatorischen Gewinn das allgemeine Unternehmerwagnis und bei Vorliegen einer besonderen unternehmerischen Leistung in wirtschaftlicher, technischer oder organisatorischer Hinsicht ein Leistungsgewinn abgegolten wird, der der unternehmerischen Mehrleistung entsprechen soll. Bei der Preisermittlung kann daher zusätzlich ein kalkulatorischer Gewinn angesetzt werden, der üblicherweise nach einem Prozentsatz der Netto-Selbstkosten (Selbstkosten ohne Umsatzsteuer) berechnet wird. Die in der Praxis vereinbarte Höhe dieses Gewinns bewegt sich zwischen 2,5 % und 5 % (Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197e; Ebisch/Gottschalk, aaO, Nr. 52 LSP Rn. 7).
51 
Gegen den Ansatz eines kalkulatorischen Gewinns sowie gegen die von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Höhe dieses Zuschlags bestehen danach keinen Bedenken. Zwar ist der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 4.10.2001 - 9 A 2737/00 - (KStZ 2001, 13) der Meinung, dass bei einer vom Landkreis beherrschten Abfallentsorgungsgesellschaft nur 1 % des Umsatzes als Gewinnzuschlag angesetzt werden dürften, weil das allgemeine Unternehmerwagnis bei dieser Vertragsgestaltung nur gering sei. Das genannte Urteil ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da die Vertragspartner in dem vom OVG Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fall keine Selbstkostenfestpreise, sondern Selbstkostenerstattungspreise vereinbart hatten, d.h. Preise, die aufgrund der tatsächlich angefallenen Selbstkosten gemäß einer Nachkalkulation ermittelt werden. Das mit einer Vorkalkulation verbundene Risiko des Auftragnehmers, dass die tatsächlichen Kosten höher sind als in der Kalkulation angenommen, entfällt bei dieser Art der Preisgestaltung. Die im vorliegenden Fall erfolgte Vereinbarung von Selbstkostenpreisen bedeutet daher ein erhöhtes Risiko. Bei dieser Art der Vertragsgestaltung ist daher auch gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften in den durch das öffentliche Preisrecht gezogenen Grenzen ein normaler Gewinnzuschlag zuzubilligen, zumal andernfalls diese Art der Zusammenarbeit zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts und Privatunternehmen ("Public-Private-Partnership") erheblich erschwert oder sogar unmöglich gemacht würde (vgl. Wiesemann, NVwZ 2005, 391, 396).
52 
Die Laufzeit des zunächst vom 1.1.2000 bis zum 31.12.2019 abgeschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrags sowie die in der Ergänzungsvereinbarung des Bewirtschaftungsrahmenvertrags enthaltenen Preisrevisionsformel rechtfertigen keine andere Beurteilung. Nach der betreffenden Vereinbarung werden die Entgelte ab dem Jahre 2006 nachträglich anhand einer festgelegten Preisrevisionsformel an das tatsächliche Preisniveau eines jeden Jahres angeglichen, deren Basis die Indizes des Statistischen Bundesamts für verschiedene Kostengruppen (u.a. gewerbliche Erzeugnisse, Treibstoffe, Wohnung, Wasser, Strom) bilden. Die ASF GmbH ist damit zwar in dem vereinbarten Umfang gegen Preissteigerungen geschützt, nicht aber dagegen, dass es gegenüber den dem vereinbarten Leistungskatalog zugrunde liegenden Richtwerten zu Mehr- oder Minderleistungen kommt. Nach der Vorbemerkung zu dem Leistungskatalog sind die Beklagte und die ASF GmbH vielmehr übereingekommen, dass bei den in diesem Katalog definierten Leistungsarten grundsätzlich keine Mehr- oder Minderleistungen abgerechnet werden dürfen.
53 
2. Die vom Kläger ferner beanstandeten Kosten der Recyclinghöfe sind im Wesentlichen Teil des der ASF GmbH bezahlten Betreiberentgelts, da Betrieb und Unterhaltung der Recyclinghöfe nach dem Bewirtschaftungsrahmenvertrag Aufgabe der ASF GmbH ist. Das der ASF GmbH bezahlte und als Teil der Position "sonstiger Betriebsaufwand" in die Kalkulation aufgenommene Betreiberentgelt schließt daher die Kosten für den Betrieb der Recyclinghöfe ein. Die Kosten für die Schaffung der erforderlichen Infrastruktur sind dagegen über Abschreibungen in die Gebührenkalkulation eingeflossen. Die Kalkulation ist auch mit Blick auf diese Kosten nicht zu beanstanden.
54 
Die vom Kläger beanstandete Steigerung der Kosten für die Recyclinghöfe um 23 % von 1,57 Mio. EUR/Jahr auf 1,936 Mio. EUR/Jahr wird von der Beklagten in der Gemeinderats-Drs. G-05/141 mit der erwarteten Mengenzunahme und den erweiterten Öffnungszeiten erklärt. Die Beklagte hat dies in ihrem Schriftsatz vom 14.5.2010 näher erläutert. Die erwartete und nach ihrer Darstellung auch tatsächlich eingetretene Zunahme der bei den Recyclinghöfen angelieferten Abfälle steht danach mit der Schließung der Deponie und dem damit verbundenen Wegfall der dort bis dahin bestehenden Selbstanlieferungsmöglichkeit im Zusammenhang. Die Beklagte hat die vom Kläger kritisierte Zunahme der Kosten damit hinreichend plausibel gemacht.
55 
Gegen die in die Gebührenkalkulation aufgenommenen Kosten der Recyclinghöfe bestehen auch insoweit keine Bedenken, als es sich dabei um Investitionsfolgekosten handelt, die aus der am 10.11.2004 beschlossenen Verlegung des bisher im Stadtteil Wiehre befindlichen Recyclinghofs auf das Gelände des (ehemaligen) Güterbahnhofs Süd resultieren. Wie bereits angesprochen, steht dem Träger einer öffentlichen Einrichtung bei deren Herstellung, Anschaffung und Ausgestaltung ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Grenzen dieses Spielraums sind bei einer gebührenauslösenden Maßnahme erst dann überschritten, wenn der Einrichtungsträger keinerlei Erwägungen über deren Notwendigkeit angestellt hat, sich erkennbar von tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen hat leiten lassen oder die Entscheidung auf sachfremden Überlegungen beruht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Scholz, Die Kommunale Benutzungsgebühr, BWGZ 1989, 239 ff., 247). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Nach der Vorlage zu der Sitzung vom 10.11.2004 (Gemeinderats-Drs. G-04/123) hat sich die Beklagte zu der Verlegung des Recyclinghofs in erster Linie wegen der geplanten Neubebauung des Areals "Östlicher Wiehrebahnhof" entschlossen. Als weitere Gründe für die Verlegung werden genannt, dass der neue Recyclinghof die neuen Stadtteile Rieselfeld und Vauban optimal erschließe und auch für die Stadt- bzw. Ortsteile St. Georgen, Tiengen, Opfingen und Munzingen verkehrstechnisch günstiger als der alte Standort liege. Der neue Standort biete ferner im Unterschied zu dem alten Standort in der Wiehre ausreichend Platzverhältnisse, um u. a. einem Mehrbedarf an Containern durch neue gesetzliche Vorschriften gerecht zu werden. Der EAF erwarte außerdem mit der Eröffnung des neuen Standorts eine Entlastung des sehr stark frequentierten Recyclinghofs St. Gabriel. Diese Überlegungen sind weder sachfremd noch beruhen sie auf tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen.
56 
3. Die Gebührenkalkulation der Beklagten lässt auch insoweit keinen Fehler erkennen, als sie die Kosten für den Transport des Mülls zu der Thermischen Restabfallbehandlungs- und Energieerzeugungsanlage Breisgau (TREA) sowie die Kosten für die dort stattfindende Müllverbrennung umfasst.
57 
Die Beklagte betreibt keine eigene Restmüllbehandlungsanlage. Der von ihr zu entsorgende Restmüll wurde in der Vergangenheit auf der vom Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald betriebenen und zum 31.5.2005 geschlossenen Deponie Eichelbuck abgelagert. Seit der Schließung der Deponie wird der gesamte Restmüll zu der Ende 2004 in Betrieb genommenen TREA in Eschbach gebracht und dort verbrannt. Mit der Entsorgung der von der Stadt in ihrem Auftrag oder aus ihrem Entsorgungsgebiet an der TREA angelieferten Abfälle hat die Beklagte am 16.5.2002 die Gesellschaft Abfallwirtschaft Breisgau mbH (GAB) als Dritte im Sinn des § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG beauftragt. Die Vergabe des Auftrags erfolgte nach Maßgabe eines zwischen der GAB als Auftraggeber und der die TREA betreibenden MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG als Auftragnehmer am 17.5.2002 geschlossenen Vertrags "über die Entsorgung von Abfall aus dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, der Stadt Freiburg und dem Zweckverband Abfallbehandlung Kahlenberg". Nach § 11 Abs. 1 der Vereinbarung vom 16.5.2002 zahlt die Beklagte der GAB für die Entsorgung der Abfälle den dieser von der MVA TREA Breisgau GmbH & Co. KG "nach § 22 Abs. 1, 6 des Entsorgungsvertrages unter Berücksichtigung einer eventuellen Preisanpassung nach § 15 oder § 24 des Entsorgungsvertrages in Rechnung gestellten Entsorgungspreis", der - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - vom Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ermittelt worden ist.
58 
Der Transport zur TREA vollzieht sich in mehreren Schritten: Der eingesammelte Abfall wird zunächst per Müllfahrzeug zu dem Gelände der ehemaligen Deponie Eichelbuck gebracht und dort in spezielle Container umgeladen, die sowohl für Bahnwaggons als auch für LKW-Fahrgestelle geeignet sind. Die Transportbehälter werden anschließend per LKW zu einer Umladestation auf dem Grundstück Siemensstr. 16 gebracht und dort auf Bahnwaggons gesetzt. Von dort aus werden sie zu der ca. 30 km entfernten TREA gefahren. Mit dem Bahntransport hat die Beklagte am 29.5.2005 ebenfalls die GAB beauftragt, die sich dazu der Dienste der Unisped Spedition und Transport GmbH bedient. Nach dem darüber geschlossenen (Änderungs-) Vertrag vom 29.5.2006 hat die Beklagte der GAB dafür eine zusätzliche Vergütung zu bezahlen.
59 
Die Beklagte hat die ihr durch die Beauftragung der GAB entstehenden Kosten für die Müllverbrennung und den Bahntransport in die Gebührenkalkulation unter der Rubrik "bezogene Leistungen" eingestellt. Als erforderliche Kosten von Fremdleistungen sind auch diese Kosten trotz der Einwendungen des Klägers als gebührenfähig anzuerkennen. Unter den in Betracht kommenden Logistikvarianten hat sich der Gemeinderat der Beklagten in seiner Sitzung vom 18.5.2004 für das beschriebene, einen streckenweisen Bahntransport einschließende Verfahren entschieden. Das gewählte Verfahren ("Variante Bahn 1") wurde dabei mit einem Transport des Mülls zur Umladestation mit anschließendem Transport per LKW zur TREA ("Variante Straße 1") verglichen. Die Kosten eines reinen Straßentransports wurden dabei auf 3,73 Millionen EUR veranschlagt, die Kosten der Variante Bahn 1 mit 3,96 bzw. 4,00 Millionen EUR. Untersucht wurden außer den Kosten auch die ökologischen Faktoren. In der Sitzungsvorlage heißt es dazu, dass der Bahntransport bei einem Einsatz von Biodiesel zum Antrieb der von der SWEG eingesetzten Dieselloks zu einer Verringerung des CO 2 -Ausstoßes um 237 t/Jahr führe. Bei Stickoxiden und Rußpartikeln schneide dagegen der LKW-Transport etwas besser ab.
60 
Unter Abwägung der genannten Gesichtspunkte hat sich der Gemeinderat der Beklagten für die Variante Bahn 1 entschieden, für die sich zuvor auch der Abfallwirtschaftsausschuss des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald ausgesprochen hatte. Auch diese Entscheidung ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Die Logistik beim Transport des Abfalls zur TREA betrifft die Art und Weise des Betriebs der öffentlichen Einrichtung. Der Beklagten als Träger der Einrichtung ist deshalb auch insoweit ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum zuzubilligen, dessen Grenzen nur unter den bereits genannten Voraussetzungen überschritten sind. Die Entscheidung der Beklagten für einen teilweisen Bahntransport beruht weder auf sachfremden Überlegungen noch ist sie von tatsächlich oder rechtlich unhaltbaren Annahmen oder Prognosen bestimmt worden. Die Entscheidung hält sich damit in den Grenzen des der Beklagten zukommenden Bewertungsspielraums.
61 
4. Die Gebührenkalkulation der Beklagten stößt auch insoweit auf keine Bedenken, als unter den Positionen "Verwaltungsleistungen der Stadt", "Umlage Verwaltung EAF" sowie "Umlagekosten GAB" die bei der Beklagten selbst, ihrem Eigenbetrieb sowie der GAB anfallenden Verwaltungskosten in die Kalkulation eingestellt wurden.
62 
a) Die in die Kalkulation eingestellten Beträge für Verwaltungsleistungen der Beklagten sind nach deren Erläuterungen Teil der Position "sonstiger Betriebsaufwand". Nach der Darstellung der Beklagten handelt es sich dabei um die Kosten der von ihren Ämtern und Dienststellen für den Betrieb der öffentlich-rechtlichen Einrichtung erbrachten Leistungen, die nicht in die Zuständigkeit des EAF fallen. Berücksichtigt worden seien Leistungen des Presse- und Informationsamts, des Amts für Statistik/Bürgeramt, des Kassenamts, des Personalamts, des Rechtsamts, des Hauptamts, der Kämmerei und des Umweltschutzamts.
63 
Gegen die Berücksichtigung dieser Kosten bestehen keine Bedenken. Wie § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KAG 2005 klarstellt, gehören zu den Kosten im Sinn des Abs. 1 Satz 1 auch die "Verwaltungskosten einschließlich Gemeinkosten". Der Gesetzgeber wollte damit verdeutlichen, dass neben den eigenen Verwaltungskosten (insbesondere Personal- und Sachkosten) auch die anteiligen Kosten der Querschnittsämter, der Leitung und der Gremien bei der Gebührenbemessung berücksichtigt werden können (LT-Drs. 13/3966, S. 47). Substantiierte Einwendungen gegen die Berechnung der danach als grundsätzlich gebührenfähig anzuerkennenden Verwaltungskosten der Beklagten hat der Kläger nicht erhoben.
64 
b) Bei den unter der Position "Umlage Verwaltung EAF" in die Kalkulation eingestellten Kosten handelt es sich nach der Darstellung der Beklagten um Aufwendungen des EAF im Rahmen der bei diesem verbliebenen hoheitlichen Aufgaben und andere Verwaltungsleistungen des EAF für den Betrieb der öffentlich-rechtlichen Einrichtung. Als Beispiele werden genannt: Controlling und Fortschreibung des Betreibervertrags, die gesamte Buchführung, Betreuung und Abwicklung der Leistungsbeziehungen zur GAB, Bearbeitung von Widersprüchen und sonstigen Rechtsbehelfen, Öffentlichkeitsarbeit. Die vom Kläger kritisierte Steigerung dieser Kosten wird von der Beklagte mit der zwischenzeitlich erfolgten Schließung der Deponie erklärt, die zu einer Veränderung der am Verursacheranteil orientierten Verteilungsmaßstäbe für die Umlage der Kosten geführt habe. Der Senat erachtet auch diese Erklärung, zu der sich der Kläger nicht näher geäußert hat, als hinreichend plausibel.
65 
c) Für die in die Kalkulation aufgenommenen "Umlagekosten GAB" gilt im Ergebnis das Gleiche. Nach den Erläuterungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 14.5.2010 handelt es sich dabei um die bei der GAB anfallenden Personal- und Sachkosten, die erforderlich seien, um die Entsorgung der Abfälle in der TREA zu gewährleisten, den Vertrag zu überwachen und fortzuschreiben sowie die Logistik und den Bahntransport zu konzipieren und zu organisieren. Die Erstattung dieser in der Kalkulation auf jährlich 72.000 EUR veranschlagten Kosten hat ihre Grundlage in § 21 Abs. 2 des von der Beklagten mit der GAB geschlossenen Vertrags vom 16.5.2002/29.5.2006, wonach die Beklagte die Leistungen, die von der GAB zur Abwicklung des Entsorgungsvertrags erbracht werden, nach einem bestimmten Schlüssel zu vergüten hat.
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5. Die Gebührenkalkulation der Beklagten ist ferner nicht deshalb zu beanstanden, weil die Beklagte in die Kalkulation eine sich aus dem vorangegangenen Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 ergebende Kostenunterdeckung von insgesamt 1.561.125,64 EUR oder jährlich 520.375,15 EUR eingestellt hat.
67 
Die gesamte im Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 entstandene Kostenunterdeckung wird von der Beklagten mit 2.602.000 EUR angenommen und in erster Linie mit dem Rückgang der Abfallmengen im Bereich der hausmüllartigen Gewerbeabfälle erklärt. In die Berechnung der Kostenunterdeckung seien aber auch Defizite eingeflossen, die durch Gebührenausfälle entstanden seien, weil Gebührenforderungen gegenüber einzelnen Gebührenschuldnern nicht hätten realisiert werden können. Nach der Auffassung des Senats ist das zu Unrecht geschehen (unten a). Für die Kalkulation der Beklagten ergeben sich daraus jedoch keine weiteren Konsequenzen, da die Beklagte nur einen Teil der Kostenunterdeckung aus dem vorangegangenen Kalkulationszeitraum in die Kalkulation eingestellt hat (unten b).
68 
a) Das Verwaltungsgericht hat die Einbeziehung der Gebührenausfälle bei der Berechnung der im vorangegangenen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckung nicht beanstandet und zur Begründung ausgeführt, es bedürfe keiner näheren Erläuterung, dass Gebührenausfälle vom Gebührenhaushalt und nicht vom allgemeinen städtischen Haushalt zu tragen seien. Das steht im Widerspruch zu der im Urteil des Senats vom 31.8.1989 - 2 S 2805/87 - (VBlBW 1990, 103, 108) geäußerten Auffassung, wonach Gebührenausfälle, die aufgrund von Zahlungsunfähigkeit oder gewährten Gebührenerlassen entstehen, nicht von den übrigen Gebührenzahlern, sondern aus den allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen sind (ebenso OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.2.2000 - 2 K 20/97 - NordÖR 2000, 304; OVG Brandenburg, Urt. v. 22.2.2002 - 2 D 78.00.NE - KStZ 2003, 233; Schulte/ Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 182). Daran ist festzuhalten. Die Frage, ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, den auf die Abfallgebühren entfallenden Teil der von ihr gemäß § 22 SGB II bzw. § 29 SGB XII zu erbringenden "Leistungen für die Unterkunft" direkt an den EAF auszubezahlen, sowie die sich gegebenenfalls anschließende Frage, ob und inwieweit die Gebührenausfälle dadurch hätten vermieden werden können, bedürfen danach keiner Beantwortung.
69 
Zur Feststellung einer Kostenunter- oder Kostenüberdeckung bedarf es gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 KAG eines Vergleichs der (ansatzfähigen) Gesamtkosten der öffentlichen Einrichtung mit dem "Gebührenaufkommen". Was unter Gebührenaufkommen zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher erläutert. Vom reinen Wortsinn her können damit sowohl die vom Träger der öffentlichen Einrichtung veranlagten Gebühren als auch (nur) die von ihm tatsächlich vereinnahmten Gebühren gemeint sein. Dem Wesen einer Gebühr entsprechend ist der Begriff jedoch in dem zuerst genannten Sinn zu verstehen.
70 
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 a KAG in Verbindung mit § 227 AO können Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. § 3 Abs. 1 Nr. 6 b KAG in Verbindung mit § 261 AO gestattet es ferner, Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis niederzuschlagen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zu dem Betrag stehen. Das veranlagte und das tatsächlich erzielte Gebührenaufkommen werden deshalb regelmäßig nicht miteinander übereinstimmen. In der Nichtbeitreibbarkeit eines bestimmten Teils der veranlagten Gebühren ist daher mit der Beklagten ein typisches und letztlich auch nicht zu vermeidendes Risiko zu sehen, das mit dem Betrieb der öffentlichen Einrichtung verbunden ist. Diese Überlegung rechtfertigt es jedoch nicht, dieses Risiko nicht dem allgemeinen städtischen Haushalt, sondern den übrigen Gebührenpflichtigen aufzuerlegen.
71 
Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (BVerfG, Beschl. v. 6.2.1979 - 2 BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217, 226). Aus dem der Benutzungsgebühr eigentümlichen Austauschverhältnis, in dem sich Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen, folgt, dass die Gebührenschuldner nur mit Kosten belasten werden dürfen, die mit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in dem erforderlichen engen Sachzusammenhang stehen. Soweit es um Kosten geht, die daraus herrühren, dass die von einem Teil der Gebührenpflichtigen geschuldeten Gebühren nicht beigetrieben werden können, fehlt es an diesem Zusammenhang, da grundsätzlich kein Gebührenpflichtiger verpflichtet ist, für die persönliche Schuld anderer einzustehen. Das Risiko der Nichtbeitreibbarkeit einer Forderung hat daher nicht die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen, sondern der Einrichtungsträger als Forderungsinhaber zu tragen (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.2.2000, aaO; OVG Brandenburg, Urt. v. 22.2.2002, aaO).
72 
b) Die im Zeitraum 2003 bis 2005 entstandenen Gebührenausfälle durch Erlass, Niederschlagung etc. werden von der Beklagten mit 304.357,26 EUR beziffert. Der Senat sieht keinen Anlass, an dieser durch eine detaillierte Aufstellung der einzelnen im Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 entstandenen Fehl- und Überschussbeträge (Anlage B 54) belegten Angabe der Beklagten zu zweifeln. Entgegen der Ansicht des Klägers wird die Richtigkeit der von der Beklagten genannten Zahl insbesondere nicht durch die Bilanzen des EAF in Frage gestellt. Der Kläger glaubt den Bilanzen des EAF für die Jahre 2003 bis 2005 entnehmen zu können, dass es in diesen Jahren zu Gebührenausfällen von ca. 3,2 Millionen EUR gekommen ist. Die von ihm genannten Zahlen geben jedoch tatsächlich die Summe der zum Bilanzstichtag offenen Forderungen des EAF gegenüber den Gebührenzahlern wieder und nicht die Summe der in dem jeweiligen Jahr entstandenen Gebührenausfälle. Der vom Kläger aus diesen Zahlen gezogene Schluss ist daher offensichtlich verfehlt.
73 
Der Senat geht somit davon aus, dass die im Zeitraum 2003 bis 2005 durch Erlass, Niederschlagung etc. zu verzeichnenden Gebührenausfälle von der Beklagten korrekt mit 304.357,26 EUR beziffert werden. Die zu Unrecht erfolgte Einbeziehung der Gebührenausfälle bei der Berechnung der im vorangegangenen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckung ist danach für die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zur Überprüfung stehende Kalkulation der Abfallgebühren für den Zeitraum 2006 bis 2008 ohne Bedeutung, da die Beklagte von der nach ihrer Berechnung insgesamt 2.602.000 EUR betragenden Kostenunterdeckung nur einen Teilbetrag von 1.561.125,64 EUR in die Kalkulation eingestellt hat.
74 
6. Als weitgehend unbegründet erweisen sich schließlich auch die Einwendungen des Klägers, die sich gegen die aus seiner Sicht zu Unrecht unterbliebene Berücksichtigung bestimmter von der Beklagten erzielter Einnahmen in der Gebührenkalkulation richten.
75 
Die Frage, ob und inwieweit Einnahmen, die mit dem Betrieb einer öffentlichen Einrichtung verbunden sind, bei der Gebührenkalkulation durch Verrechnung mit den durch den Betrieb verursachten Kosten zu berücksichtigen sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Die in § 14 Abs. 1 KAG getroffene Aussage, wonach die Gebühren höchstens so bemessen werden dürfen, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung gedeckt werden, betrifft nur die Kosten der Einrichtung. Ansatzfähig sind nach dieser Vorschrift nur die betriebsbedingten Kosten, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.1.2000 - 2 S 1621/97 - NVwZ-RR 2000, 710; Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 3246/94 - VBlBW 1996, 382). Es ist daher systemgerecht, von den ansatzfähigen Kosten im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung etwaige Einnahmen nur dann abzuziehen, wenn sie ebenfalls in einem ausreichend engen Zusammenhang mit der durch die Einrichtung vorgesehenen Leistungserbringung stehen oder ihrer Erzielung Kosten der Einrichtung zugrunde liegen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.11.2006 - 9 A 1029/04 - KStZ 2007, 194). Eine Verpflichtung der Beklagten, den bei dem Verkauf des Anlagevermögens des EAF an die ASF GmbH erzielten Erlös in die Kalkulation einzustellen, besteht danach entgegen der Ansicht des Klägers nicht (unten a). Das Gleiche gilt für den Erlös durch den Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße, die mit den aus der Deponierückstellung gewährten Darlehen verbundenen Zinseinnahmen, die bei der Selbstanlieferung auf dem früheren Deponiegelände oder einem der Recyclinghöfe vereinnahmten Gebühren sowie die Einnahmen aus Gewerbesteuern (unten b bis e). Anders zu beurteilen ist allein der auf die Beklagte entfallende Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag, den die Beklagte bei der Gebührenkalkulation zu Unrecht außer Betracht gelassen hat. Dieser Mangel bei der Beschlussfassung über die Gebührensätze ist jedoch gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG als unbeachtlich anzusehen und führt daher nicht zur Unwirksamkeit der Abfallwirtschaftssatzung der Beklagten (unten f).
76 
a) Die Beklagte hat nach der Gründung der ASF GmbH das Anlagevermögen des EAF mit Wirkung zum 31.12.1999 zum Restbuchwert an die neu gegründete GmbH verkauft. Der Verkaufserlös wurde im Vermögenshaushalt der Stadt vereinnahmt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das zu Recht geschehen, da die Beklagte mit der Veräußerung des Anlagevermögens keinen Erlös realisiert hat, der den Gebührenzahlern zusteht. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, den Erlös als Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen. Darauf, dass dieser Erlös ohnehin nicht in dem hier allein zu betrachtenden Kalkulationszeitraum angefallen ist, kommt es daher nicht an.
77 
Bei dem Anlagevermögen des EAF handelt es sich nach Ansicht des Klägers um "Kapital" des Gebührenzahlers. Das trifft nicht zu. Nach dem von § 14 Abs. 1 KAG für maßgebend erklärten betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff sind Kosten in Geld ausgedrückter Verbrauch von wirtschaftlichen Gütern und Dienstleistungen innerhalb einer bestimmten Rechnungsperiode, soweit sie für die betriebliche Leistungserstellung anfallen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.2.1989 - 2 S 2279/87 - VBlBW 1989, 462; Faiß/Giebler/Lang/Notheis/ Schmid, Kommunales Wirtschaftsrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl., Rn. 795). Zu diesen Kosten gehören die laufenden Unterhaltungskosten sowie die sogenannten kalkulatorischen Kosten im Sinne von § 14 Abs. 3 KAG. Die Kosten für die Anschaffung oder Herstellung der öffentlichen Einrichtung stellen dagegen als solche keinen Wertverzehr in der laufenden Rechnungsperiode dar, sondern sind, wie sich aus § 14 Abs. 3 S. 1 KAG ergibt, im Wege angemessener Abschreibungen auf die Jahre zu verteilen, in denen die Einrichtung voraussichtlich genutzt wird. Mit den in der Vergangenheit erbrachten Leistungen für Abschreibungen auf die zum Anlagevermögen des EAF gehörenden und mit den Mitteln des allgemeinen Haushalts beschafften Gegenstände wird dementsprechend nur der sich aus deren Nutzung ergebende Wertverzehr ausgeglichen. Die Gebührenschuldner haben damit aber nicht einen Anteil am Anlagevermögen erworben. Ein Verkauf des Anlagevermögens an einen Dritten ist daher gebührenrechtlich ohne Bedeutung (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 24.6.2008 - 9 A 373/06 - KStZ 2009, 12 und 1.6.2007 - 9 A 372/06 - Juris; HessVGH, Beschl. vom 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 199).
78 
b) Eine Verpflichtung der Beklagten, den nach der Ansicht des Klägers bei dem Verkauf des Grundstücks Dreikönigstraße erzielten "Veräußerungsgewinn" bei der Gebührenbedarfsberechnung zu berücksichtigen, ist dementsprechend ebenfalls zu verneinen. Dabei ist über das eben Ausgeführte hinaus darauf hinzuweisen, dass Grundstücke keinem Wertverzehr unterliegen und deshalb keinen Abschreibungsbedarf auslösen. Der Kauf und Verkauf von Grundstücken, auf denen sich Teile einer öffentlichen Einrichtung befinden, ist daher unabhängig von ihrer haushaltsrechtlichen Zuordnung gebührenrechtlich neutral. Die vom Gemeinderat der Beklagten am 10.11.2004 beschlossene Verlegung des bisher auf dem Grundstück Dreikönigstraße befindlichen Recyclinghof auf das Grundstück Carl-Mez-Str. 52 hat dementsprechend in der Gebührenkalkulation der Beklagten nur insoweit einen Niederschlag gefunden, als die aus dem errechneten Investitionsbedarf resultierenden jährlichen Abschreibungen als Teil der Position "Abschreibungen auf Sacheinlagen" in die Kalkulation eingestellt wurden.
79 
c) Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten hat der EAF der Beklagten in der Vergangenheit mehrfach Darlehen aus den Rückstellungen gewährt, die für die Stilllegung und Rekultivierung der Deponie Eichelbuck gebildet wurden. Was die hier allein zu prüfende Gebührenkalkulation der Beklagten für den Zeitraum 2006 bis 2008 betrifft, ist auch dieser Vorgang ohne Bedeutung.
80 
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 b KAG sind bei der Bemessung der Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgung auch die Zuführung zu Rücklagen oder Rückstellungen für die vorhersehbaren späteren Kosten der Stilllegung und der Nachsorge zu berücksichtigen. Die für die Stilllegung und Rekultivierung der Deponie Eichelbuck gebildeten Rückstellungen wurden dementsprechend von den Gebührenschuldnern finanziert. Die aus der Vergabe der Darlehen resultierenden Zinserträge stehen gleichwohl nicht dem Gebührenhaushalt zu, sondern sind den Rückstellungen zuzuführen, wie dies nach der Darstellung der Beklagten auch tatsächlich geschehen ist. Auf die Frage, ob der von der Beklagten mit dem EAF vereinbarte Zinssatz als angemessen anzusehen ist, kommt es deshalb im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht an, da die Vereinbarung nur Auswirkungen auf die Höhe der den Rückstellungen zuzuführenden Zinserträge hat. Ein Zusammenhang mit der der Satzung der Beklagten zugrunde liegenden Gebührenkalkulation besteht dagegen nicht.
81 
d) Mit der 1999 erfolgten Übertragung des Betriebsvermögens des EAF auf die ASF GmbH wurden die vom EAF mit der DSD GmbH geschlossenen Verträge von der ASF GmbH übernommen. In der Gemeinderatsdrucksache G-01/053 wird dazu ausgeführt, dass für die "Unternehmenssparte DSD" des EAF ein Ertragswert von 4.757.600 DM ermittelt worden sei, der von der ASF GmbH der Stadt zu erstatten sei. Unter Berücksichtigung eines steuerrechtlichen Verlustvortrags in Höhe von 3.548.243 DM ergebe sich hieraus ein der Körperschafts- bzw. Gewerbesteuer unterliegender Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.209.357 DM, der dem städtischen Haushalt zurückgeführt werde. Auch hiergegen bestehen entgegen der Ansicht des Klägers keine Bedenken.
82 
Nach § 6 Abs. 1 der - auf § 24 KrW-/AbfG beruhenden Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) - sind Hersteller und Vertreiber, die unter diese Verordnung fallende Verkaufsverpackungen erstmals in den Verkehr bringen, verpflichtet, sich zur Gewährleistung der flächendeckenden Rücknahme dieser Verkaufsverpackungen an einem oder mehreren Systemen nach § 6 Abs. 3 VerpackV zu beteiligen, das im Einzugsgebiet des verpflichteten Vertreibers flächendeckend und unentgeltlich die regelmäßige Abholung gebrauchter, restentleerter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe in ausreichender Weise zu gewährleisten hat. Gemäß § 5 Abs. 2 AbfWS sind die von dieser Vorschrift erfassten Abfälle von der städtischen Abfallentsorgung ausgeschlossen. Die Einsammlung und Verwertung dieser Abfälle ist dementsprechend kein Teil der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung, sondern erfolgt mittels eines unabhängig davon bestehenden zweiten (dualen) Entsorgungssystems. Die gemäß §§ 23 ff. AbfWS erhobenen Benutzungsgebühren sind dementsprechend keine Gegenleistung für die Einsammlung und Verwertung der genannten Abfälle. Die Finanzierung des dualen Systems erfolgt vielmehr in der Weise, dass die DSD GmbH es Herstellern gegen Zahlung eines Lizenzentgelts gestattet, diejenigen Produkte, deren Verpackungen über das duale System eingesammelt werden, mit dem sogenannten "Grünen Punkt" zu kennzeichnen. Diese Kosten werden über den Verkaufspreis der Waren an die Verbraucher anteilig weitergegeben (Queitsch, UPR 1995, 246). Ein Grund, der die Beklagte verpflichtet hätte, den durch die Übertragung der mit der DSD GmbH geschlossenen Verträge erzielten Veräußerungsgewinn dem Gebührenhaushalt zugute zu bringen, ist danach nicht zu erkennen.
83 
d) Zu dem Einwand des Klägers, dass dem Gebührenhaushalt auch die bei der Selbstanlieferung auf dem Eichelbuck bzw. dem Betriebshof bezahlten Gebühren zugehörig seien, hat die Beklagte geäußert, dass sämtliche Kosten und Einnahmen, die auf die Selbstanlieferung entfielen, gesondert berechnet worden seien, um zu gewährleisten, dass die Schuldner der Abfallgebühren nur mit den Kosten belastet würden, die für die Entsorgung des Hausmülls entstünden. Auch dieses Vorgehen begegnet keinen Bedenken, da sich die Berechtigung zur Selbstanlieferung gemäß § 22 AbfWS auf die Abfälle beschränkt, die nach § 5 Abs. 4 AbfWS vom Einsammeln und Befördern (Holsystem) ausgeschlossen sind. Wie sich aus § 3 Abs. 2 des von der Beklagten mit der GAB geschlossenen Vertrags ergibt, fallen die betreffenden Abfälle auch nicht unter diesen Vertrag, da die Beklagte danach nur verpflichtet ist, der GAB die Abfälle zu übergeben, die ihr im Rahmen der öffentlichen Abfallabfuhr überlassen worden sind und die sie der Beseitigung zuführt. Das der GAB bezahlte Entgelt stellt dementsprechend keine Gegenleistung für die Beseitigung und Verwertung dieser Abfälle dar. Die Beklagte hat deshalb bei der Gebührenkalkulation zu Recht zwischen Gebühren für die Entsorgung der von ihr eingesammelten Abfällen (§ 29 AbfWS) und Gebühren für die Benutzung der Umschlagstation Eichelbuck sowie der Annahmestellen durch Selbstanlieferer (§ 30 AbfWS) getrennt.
84 
e) Zu den nach seiner Ansicht rechtswidrig dem Gebührenhaushalt vorenthaltenen Einnahmen rechnet der Kläger offenbar auch die Einnahmen der Beklagten aus den von der ASF GmbH als Kapitalgesellschaft bezahlten Gewerbesteuern. Eine Verpflichtung zur Anrechnung dieser Steuern besteht jedoch nicht. Als kalkulierbare Steuer rechnet die Gewerbesteuer zu den Kosten im Sinne der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten und darf daher in das mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt eingerechnet werden. Als Teil dieses Entgelts darf die Gewerbesteuer auch auf die Gebührenschuldner umgelegt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 8 B 173.98 - NVwZ 1999, 653).
85 
f) Das Verwaltungsgericht hat dagegen zu Recht beanstandet, dass die Beklagte den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag nicht - gebührenmindernd - als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation eingestellt hat.
86 
aa) Der von der Beklagten und der ASF GmbH geschlossene Bewirtschaftungsrahmenvertrag sieht, wie oben erörtert, die Zahlung eines mit der ASF GmbH für den jeweiligen Fortschreibungszeitraum zu vereinbarenden, festen Jahresentgelts für die von der GmbH erbrachten Leistungen vor, das einen kalkulatorischen Gewinn von 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten einschließt. Da die Beklagte an der ASF GmbH zu 53 % beteiligt ist, kommt der in dem vereinbarten Entgelt enthaltene Gewinnzuschlag auch ihr zugute. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht angenommen, dass die Beklagte den auf sie entfallenden Anteil an dem kalkulatorischen Gewinn als bei normalem Geschäftsverlauf im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation hätte einstellen müssen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts gilt das jedoch für den gesamten Anteil an diesem Gewinn nach Abzug der aus dem Gewinn zu zahlenden Steuern und nicht nur für den eine angemessene Verzinsung des Stammkapitals übersteigenden Teil.
87 
Der Beklagten ist es gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG gestattet, Dritte mit der Erfüllung der ihr als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger obliegenden Pflichten zu beauftragen. Die ihr dadurch entstehenden Kosten dürfen nach den bereits gemachten Ausführungen auf die Gebührenschuldner verteilt werden, soweit es sich um betriebsnotwendige Kosten handelt. Nach öffentlichem Preisrecht zulässige Gewinnzuschläge, die in dem von dem Dritten verlangten Entgelt enthalten sind, gehören zu den in diesem Sinn betriebsnotwendigen Kosten. Die Einschaltung eines - gewinnorientierten - Privatunternehmens darf jedoch für den Träger der öffentlichen Einrichtung nicht zum "Mittel der Erschließung illegaler Finanzquellen" werden. Das gilt insbesondere mit Blick auf die aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG folgende Verpflichtung, die Gebühren nur so zu bemessen, dass ihr Aufkommen die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung nicht übersteigt. Das sich aus dieser Vorschrift ergebende Verbot einer Gewinnerzielung ist daher auch in den Fällen zu beachten, in denen der Träger der öffentlichen Einrichtung sich zur Erfüllung seiner Aufgaben einer privatrechtlichen Gesellschaft bedient, an denen er selbst beteiligt ist. Die bei einer solchen Gesellschaft entstehenden Gewinne müssen daher, soweit sie auf die Beteiligung der Gemeinde entfallen, gebührenmindernd berücksichtigt werden (ebenso HessVGH, Beschl. v. 27.9.2006 - 5 N 358/04 - Juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 7.11.1996 - 4 K 11/96 - DVBl 1997, 1072 und 25.2.1998 - 4 K 8/97 - KStZ 2000, 12; Wiesemann, NVwZ 2005, 391, 396; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 197f; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Stand Juli 2009, § 14 Rn. 7; Gössl/Reif, KAG für Baden-Württemberg, Stand September 2009, § 14 Anm. 4.1.2.2, S. 26 f.)
88 
Aus Art. 28 GG ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts anderes. Mit der sich aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG ergebenden Verpflichtung der Beklagten, den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen, ist weder ein unzulässiger Eingriff in die Organisationshoheit der Beklagten noch ein Eingriff in ihr verfassungsrechtlich gewährleistetes Selbstverwaltungsrecht verbunden. Die genannte Verpflichtung steht auch nicht in Widerspruch zu der oben anerkannten Berechtigung der Beklagten, in dem mit der ASF GmbH geschlossenen Bewirtschaftungsrahmenvertrag einen kalkulatorischen Gewinn im Sinne von Nr. 51 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach der VO PR 30/53 zu vereinbaren, da sich diese Berechtigung sowie die hier in Rede stehende Verpflichtung der Beklagten, den auf sie entfallenden Anteil an diesem Zuschlag den Gebührenschuldner zugute zu bringen, auf verschiedenen Ebenen bewegen. Die Beteiligung der Beklagten an der ASF GmbH hat, vereinfacht ausgedrückt, in Verbindung mit dem in das vereinbarte Entgelt eingerechneten Gewinnzuschlag zur Konsequenz, dass der Beklagten ein Teil des der GmbH zu bezahlenden Entgelts wieder zurückfließt. Ob die Beklagte diesen Teil des Entgelts "behalten darf" oder ihn an die Gebührenschuldner weiter zu geben hat, regelt nicht das öffentliche Preisrecht, sondern das Abgabenrecht, das hierzu mit § 14 Abs. 1 S. 1 KAG eine eindeutige Aussage trifft.
89 
Bei dem auf die Beklagte entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten Gewinnzuschlag handelt es sich allerdings nur um eine Prognose der bei einem normalen Geschäftsverlauf im Kalkulationszeitraum zu erwartenden Einnahmen der Beklagten, die - worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - mit den tatsächlichen Gewinnen, die die Beklagte aus ihrer Beteiligung an der ASF GmbH im "gebührengebundenen Bereich" in den Jahren 2006 bis 2008 erzielt hat, nicht identisch zu sein braucht. Das steht jedoch der Verpflichtung der Beklagten, diesen Anteil als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen, ebenfalls nicht entgegen. Zur Lösung des damit verbundenen Problems steht vielmehr der in § 14 Abs. 2 S. 2 KAG geregelte Ausgleich von Kostenüber- und Kostenunterdeckungen zur Verfügung: Abweichungen zwischen erwarteten und tatsächlichen Einnahmen können, soweit sie zu Kostenunterdeckungen geführt haben, innerhalb des in dieser Vorschrift genannten Zeitraums in späteren Gebührenkalkulationen ausgeglichen werden. Soweit Abweichungen zwischen erwarteten und tatsächlichen Einnahmen umgekehrt zu Kostenüberdeckungen geführt haben, müssen sie innerhalb des gleichen Zeitraums in späteren Gebührenkalkulationen ausgeglichen werden.
90 
bb) Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze sind gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG unbeachtlich, wenn sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Die Nichtberücksichtigung des auf die Beklagte entfallenden Anteils an dem kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme hat danach nicht die Unwirksamkeit der von der Beklagten beschlossenen Gebührensätze zur Folge, da dieser Fehler nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung in Höhe von weniger als 0,75 % geführt hat.
91 
(1) Auf den vereinbarten Gewinnzuschlag von 3 % entfallen von den sich aus dem Bericht der Wirtschaftsprüfergesellschaft Graf Westfalen, Busch & Partner (Anlage 2) ergebenden Nettoselbstkosten (Selbstkosten ohne Mehrwertsteuer), die die Beklagte und die ASF GmbH - vorbehaltlich der sich aus der verabredeten Preisrevisionsformel ergebenden Anpassungen - als Entgelt für die Jahre 2006 bis 2008 vereinbart haben, Beträge von 365.605,30 EUR (2006), 367.884,38 EUR (2007) bzw. 371.261,17 EUR (2008). Auf die an der ASF GmbH zu 53 % beteiligte Beklagte entfallen davon 193.770,80 EUR (2006), 194.978,72 EUR (2007) bzw. 196.768,42 EUR (2008). Hiervon abzuziehen sind die aus dem Gewinn zu zahlenden Abgaben in Form von Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag (vgl. Brüning, aaO, § 6 Rn. 197f, S. 134). Nach Abzug von 20% Kapitalertragssteuer für die Jahre 2006 und 2007 bzw. einem Abzug von 25 % Kapitalertragssteuer für das Jahr 2008 (vgl. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in seiner seinerzeit geltenden Fassung) sowie Abzug des jeweils 5,5% betragenden Solidaritätszuschlags ergeben sich daraus Nettogewinne von 144.359,25 EUR (2006), 145.259,15 EUR (2007) bzw. 144.870,75 EUR (2008).
92 
Für eine Verringerung dieser Beträge um eine angemessene Verzinsung des auf die Beklagte entfallenden und auf den gebührengebundenen Bereich beschränkten Anteils am Stammkapital der ASF GmbH sieht der Senat anders als das Verwaltungsgericht keinen Grund, da das von der Beklagten mit der ASF GmbH vereinbarte Entgelt außer einem kalkulatorischen Gewinn von 3 % bezogen auf die Nettoselbstkosten bereits kalkulatorische Zinsen in Höhe von 6,5 % für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals als Bestandteil der Selbstkosten einschließt. Der Hinweis der Beklagten, dass das Stammkapital nicht von den Gebührenschuldnern, sondern aus dem allgemeinen Haushalt finanziert worden sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch der Umstand, dass betriebsnotwendiges Kapital und Stammkapital verschiedene Begriffe sind, rechtfertigt es nicht, der Beklagten über die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals hinaus noch eine angemessene Verzinsung ihres Anteils an dem nur eine nominelle Größe darstellenden Stammkapital der ASF GmbH zuzusprechen.
93 
(2) Bezogen auf den gesamten für die Jahre 2006 bis 2008 angenommenen Gebührenbedarf von jeweils über 20 Millionen EUR pro Jahr hat die Nichtberücksichtigung des auf die Beklagte entfallenden Anteils am kalkulatorischen Gewinnzuschlag als Einnahme danach zu einer als nur geringfügig anzusehenden Kostenüberdeckung in Höhe von weniger als 0,75 % geführt. Es handelt sich daher um einen gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG unbeachtlichen Mangel bei der Beschlussfassung über die Gebührensätze.
94 
Die Frage, ob diese Vorschrift auch in Fällen zur Anwendung kommt, in denen die Gebührenkalkulation auf offenkundig oder gar bewusst fehlerhaften Kostenansätzen beruht, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Vereinbarung eines einen kalkulatorischen Gewinnzuschlag enthaltenden Entgelts in einem von dem Träger einer öffentlichen Einrichtung mit einer GmbH geschlossenen (Fremdleistungs-)Vertrag den Einrichtungsträger verpflichtet, den auf ihn aufgrund seiner Beteiligung an der GmbH entfallenden Anteil an diesem Zuschlag gebührenmindernd in die Kalkulation einzustellen, hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht entschieden. Der Standpunkt der Beklagten, die preisrechtliche Zulässigkeit eines solchen Zuschlags lasse es zu, das vereinbarte Entgelt ungeschmälert in die Gebührenkalkulation einzustellen, kann auch nicht als offensichtlich unrichtig angesehen werden. Der Beklagten kann daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, sich bewusst oder grob fahrlässig über das geltende Recht hinweggesetzt zu haben.
95 
7. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen des Klägers sowie dem von ihm nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 4.6.2010 gestellten (weiteren) Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
96 
a) Mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten ersten Antrag stellt der Kläger seine Behauptung unter Beweis, dass die Beklagte bei der Veräußerung von 47 % ihrer Anteile an der ASF GmbH eine Absprache mit der ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG getroffen habe, wonach von der ASF GmbH Gewinne von ca. 4 Millionen EUR vor Steuern und ca. 2,5 bis 2,8 Millionen EUR nach Steuern durch Preisgestaltung der Betreiberentgelte zu erwirtschaften seien. Der Antrag ist bereits unzulässig, da Tatsachenbehauptungen, die von einer Partei ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt werden, eine gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung nicht auszulösen vermögen (BVerwG, Beschl. v. 2.7.1998 - 11 B 30.97 - NVwZ 1999, 656). Für die unter Beweis gestellte Behauptung muss vielmehr zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit sprechen. Daran fehlt es hier. Der Kläger stützt seine Behauptung in erster Linie auf das an die Beklagte gerichtete Schreiben der ... Beteiligungs-GmbH & Co. KG vom 2.2.2005. In dem Schreiben hat sich die KG gegen die von der Beklagten zuvor vorgeschlagene Verringerung der von der ASF GmbH erbrachten Entsorgungsleistungen ausgesprochen und zur Begründung darauf hingewiesen, dass sie ihr Angebot zum Erwerb von 47 % der Anteile an der GmbH auf der Grundlage der Verdingungsunterlagen vom 17.5.2001 abgegeben habe. Ein weitgehende Einschränkung der bisher von der ASF GmbH erbrachten Dienstleistungen stelle diese Kalkulationsgrundlage in Frage. In dem Schreiben ist somit weder direkt noch indirekt von einer Gewinnzusage der Beklagten die Rede, geschweige denn von einer Gewinnzusage in der vom Kläger behaupteten Höhe. Das Schreiben vermag daher die vom Kläger aufgestellte Behauptung nicht zu stützen. Für die vom Kläger ferner vorgelegte Vorlage für die Dezernentenkonferenz vom 18.1.2005 gilt das Gleiche. Auch in der Vorlage wird nicht von einer Gewinnzusage gesprochen, sondern von einer "zu erwartenden Gewinnprognose", die zudem nicht mit der Gestaltung der Gebühren, sondern mit den Verträgen in Verbindung gebracht wird, die die ASF GmbH mit der DSD GmbH geschlossen hat.
97 
Die unter Beweis gestellte Tatsache ist davon abgesehen für die Rechtmäßigkeit der Abfallgebührensatzung der Beklagten unerheblich. Wie ausgeführt, ist die der Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation mit Ausnahme eines zu einer nur geringfügigen Kostenüberdeckung führenden und daher gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 KAG unbeachtlichen Fehlers nicht zu beanstanden. Die Kalkulation weist insbesondere keine überhöhten Kostenansätze auf. Das gilt auch für das mit der ASF GmbH vereinbarte und in die Kalkulation eingestellte Fremdleistungsentgelt. Auf die vom Kläger behauptete Zusage kommt es deshalb nicht an.
98 
b) Für die mit dem zweiten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Behauptung des Klägers, die Erhöhung der Gebühren um mehr als 50 % sei auf politische Einflussnahme der Beklagten zurückzuführen, gilt das Gleiche. Auch für diese Behauptung fehlt es im Übrigen an greifbaren Anhaltspunkten. Der Umstand, dass die ASF GmbH Ende 2004 auf der Grundlage der ihr seinerzeit zur Verfügung stehenden Informationen einen Gebührenmehrbedarf von nur 30 % angenommen hat, stellt einen solchen Anhaltspunkt nicht dar.
99 
c) Zu der ferner beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens, mit dem der Beweis geführt werden soll, dass der Gebührenkalkulation der Beklagten zur Erzielung der angestrebten hohen Gewinne überhöhte Annahmen zugrunde gelegt worden sind, besteht ebenfalls keine Veranlassung. Der Antrag ist in dieser Form inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, da der Kläger auch nicht ansatzweise dargelegt hat, welche der zahlreichen "Annahmen", auf denen die Gebührenkalkulation der Beklagten beruht, an dem von ihm behaupteten Mangel leiden sollen. Der Antrag ist deshalb in dieser Form ebenfalls unzulässig. Das gilt auch dann, wenn man den Antrag dahin versteht, dass mit den vom Kläger genannten "Annahmen" (nur) die von ihm in der Begründung seiner Berufung beanstandeten Positionen der Gebührenkalkulation gemeint sein sollen. Die vom Kläger gegen die Gebührenkalkulation erhobenen Einwendungen, zu denen der Senat bereits Stellung genommen hat, betreffen jeweils Rechtsfragen und sind damit der Beweiserhebung durch ein Sachverständigengutachten nicht zugänglich.
100 
d) Die mit dem zweiten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Behauptung, dass der auf die Beklagte entfallende Gewinnanteil an der ASF GmbH in den Jahren 2006 bis 2008 "im gebührengebundenen Bereich bereits, wie geplant, jeweils mehr als 50 % des Gewinns und mehr als 500.000 EUR jährlich" betragen habe, ist für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich. Nach den oben gemachten Ausführungen war die Beklagte verpflichtet, den auf sie entfallenden Anteil an dem in das Betreiberentgelt der ASF GmbH eingerechneten kalkulatorischen Gewinnzuschlag als im Kalkulationszeitraum zu erwartende Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen. Auf die Frage, ob die tatsächlichen Gewinne, die die Beklagte aus ihrer Beteiligung an der ASF GmbH im "gebührengebundenen Bereich" in den Jahren 2006 bis 2008 erzielt hat, mit diesen Beträgen identisch sind, kommt es im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht an. Die Frage betrifft vielmehr den in § 14 Abs. 2 S. 2 KAG geregelten Ausgleich von Kostenüber- und Kostenunterdeckungen, worauf ebenfalls bereits hingewiesen wurde. Die Frage ist daher nur für die späteren Gebührenkalkulationen der Beklagten von Interesse. Der Senat sieht dementsprechend auch keine Veranlassung, dem nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 4.6.2010 gestellten Antrag des Klägers zu folgen und die Beklagte zur Vorlage der internen Kosten- und Leistungsrechnung der ASF GmbH zu verpflichten, mit der der Kläger ebenfalls den Beweis führen möchte, dass die Gewinne der ASF GmbH zu mehr als 50 % aus dem "gebührengebundenen Bereich" stammen.
101 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
102 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
103 
Beschluss
104 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 131,40 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
105 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. April 2009 - 2 K 4176/07 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Niederschlagswassergebühren.
Die Beklagte betreibt zur Beseitigung des in ihrem Gebiet anfallenden Abwassers Abwasseranlagen in Form eines Eigenbetriebs (Eigenbetrieb Stadtentwässerung Pforzheim - ESP) geführte öffentliche Einrichtung und erhebt für die Benutzung dieser Anlagen nach Maßgabe ihrer Satzung über die Gebührenerhebung für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen (Abwassergebührensatzung - AbwGebS) eine laufende Benutzungsgebühr.
Die Abwassergebühren wurden ursprünglich nach dem (einheitlichen) Frischwassermaßstab berechnet. Am 17.10.2006 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine neue, rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft tretende Abwassergebührensatzung, nach deren § 2 die Abwassergebühren getrennt für die auf den Grundstücken anfallende Schmutzwassermenge (Schmutzwassergebühr) und für die an den Kanal angeschlossenen gebührenrelevanten versiegelten Flächen (Niederschlagswassergebühr) erhoben werden. Die Schmutzwassergebühr beträgt gemäß § 7 Abs. 1 AbwGebS je Kubikmeter Schmutzwasser 1,86 EUR, die Niederschlagswassergebühr gemäß § 7 Abs. 3 AbwGebS je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr 0,92 EUR. Über die Entstehung und die Fälligkeit der Gebühren trifft § 11 AbwGebS folgende Regelung:
(1) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren entsteht mit dem Tag, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist.
(2) Die Gebühren werden zwei Wochen nach Bekanntgabe des Gebührenbescheides fällig. …
(3) …
Die Klägerin ist Eigentümerin des im Gebiet der Beklagten gelegenen Grundstücks Flst.Nr. ... (... ...), dessen versiegelte Fläche von der Beklagten mit 934 m 2 angenommen wird. Mit Bescheid vom 11.1.2007 setzte die Beklagte auf dieser Grundlage die für das Grundstück für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 zu bezahlenden Niederschlagswassergebühren auf 849,86 EUR fest.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 15.1.2007 Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Satzung vom 17.10.2006 sei rechtswidrig. Die Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip in Form des Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Des Weiteren habe die Beklagte im Rahmen des Verfahrens zur Aufstellung der Satzung jegliche Transparenz vermissen lassen. Im Rahmen der Flächenermittlung seien erhebliche Versäumnisse unterlaufen. Die der Satzung zugrunde liegende Kalkulation der Abwassergebühren sei nicht transparent und nicht vollständig. Insbesondere dürfe es nicht zum Nachteil der Gebührenschuldner führen, dass der Eigenbetrieb Stadtentwässerung vollständig über Fremdkapital finanziert werde. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, dass die Gebührenkalkulation, die für das Jahr 2007 gefertigt worden sei, maßgebliche Aussagen für das Jahr 2006 treffen könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch am 6.11.2007 mit der Begründung zurück, die Abwassergebührensatzung sei rechtmäßig. Die Satzung verstoße insbesondere nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Veranlagungsfläche sei ordnungsgemäß ermittelt worden. Die Stadt habe im Rahmen des ihr zustehenden Ermessensspielraums entschieden, den Entwässerungsbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm zur teilweisen Finanzierung des Anlagevermögens ein verzinsliches Trägerdarlehen zu gewähren. Das Darlehen habe damit Eigenkapital ersetzenden Charakter. Die hierauf entfallenden Zinsen stellten einen Ausgleich für die ansonsten zulässigerweise zu berücksichtigenden Eigenkapitalzinsen dar. Die Zinshöhe von 5,34 % im Jahre 2006 sei angemessen. Es entspreche der Erfahrung, dass sich die gebührenrelevante Abwassermenge gegenüber der Prognose allenfalls noch geringfügig verändere. Deshalb habe für die Jahre 2006 und 2007 von den gleichen Mengen wie für 2005 ausgegangen werden dürfen.
Die Klägerin hat am 7.12.2007 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben mit dem Antrag, die Bescheide der Beklagten vom 11.1. und 6.11.2007 aufzuheben. Zur Begründung hat sie zunächst ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend hat sie ausgeführt, es sei bereits fraglich, ob die Beklagte die Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf den Eigenbetrieb Stadtentwässerung habe übertragen dürfen. Jedenfalls sei äußerst zweifelhaft sei, ob die Betriebskosten, die durch den Eigenbetrieb selbst verursacht würden, in die Gebührenkalkulation eingestellt werden dürften. Dadurch, dass der Eigenbetrieb Stadtentwässerung ausgegliedert und nicht mit Eigenkapital ausgestattet worden sei, seien Fremdfinanzierungskosten künstlich geschaffen worden, um den Gebührensatz höher ausgestalten zu können. Jedenfalls seien die zusätzlich geschaffenen Fremdfinanzierungskosten nicht erforderlich.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die Einwohner seien bereits seit langer Zeit durch Informationsschreiben, umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit und begleitende Presseberichterstattung darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, eine gesplittete Abwassergebühr einzuführen. Sie hätten somit spätestens zum 1.1.2006 mit deren Einführung rechnen müssen. Die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen werde durch die neue Satzung nicht ungünstiger gestellt. Ein Verstoß gegen das Schlechterstellungsverbot liege somit nicht vor. Ein neu zu gründendes Unternehmen könne durch Kapital finanziert werden, das der Eigentümer dem Unternehmen zur Verfügung stelle oder das von Dritten als Kredit oder Zuschuss gegeben werde. Der Eigentümer könne dem Unternehmen neben dem Eigenkapital auch Darlehen gewähren. Dies gelte als Kreditaufnahme durch den Eigenbetrieb. Der Gebührenkalkulation liege ein durchschnittlicher kalkulatorischer Zins in Höhe von 5,4 % zugrunde, der aus den Echtzinsaufwendungen für Fremddarlehen, Kassenkrediten und Trägerdarlehen abzüglich nicht gebührenfähiger Bauzeitzinsen im Verhältnis zum Anlagevermögen ermittelt worden sei. Für die Berechnung des Straßenentwässerungskostenanteils sei auf die Globalberechnung zur Ermittlung des Abwasserbeitrags vom März 2002 zurückgegriffen worden. Für die Beschlussfassung über den Gebührensatz 2006 habe sie auf eine Gebührenkalkulation zurückgreifen dürfen, die für das Wirtschaftsjahr 2007 erstellt worden sei. § 11 Abs. 1 AbwGebS sei rechtmäßig. Da eine Gebühr erst mit der Inanspruchnahme, also der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei diese Vorschrift dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
10 
Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Gemeinderat der Beklagten am 16.12.2008 eine rückwirkend zum 1.1.2008 in Kraft tretende Änderung des § 11 AbwGebS beschlossen. § 11 Abs. 1 AbwGebS lautet in der neuen Fassung nunmehr wie folgt:
11 
Die Gebührenschuld entsteht jeweils mit dem Ende des Abrechnungszeitraums. Abrechnungszeitraum ist für die Erhebung der Gebühren der Zeitraum, für den der Wasserverbrauch zur Berechnung des Entgelts für die Wasserlieferung festgestellt wird. Für die Erhebung der Niederschlagswassergebühr gilt dies mit der Maßgabe, dass der erste Abrechnungszeitraum jedoch frühestens mit dem Tag beginnt, an dem befestigte Flächen an die Stadtentwässerungsanlagen angeschlossen sind.
12 
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23.4.2009 die Bescheide der Beklagten vom 11.1. und 6.11.2007 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Abwassergebührensatzung der Beklagten sei für den von dem angefochtenen Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr ungültig. Die Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld gehöre nach § 2 Abs. 1 S. 2 KAG zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer Satzung, soweit sie sich - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz ergebe. Bei Gebühren, die für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben würden, sei eine eindeutige satzungsmäßige Bestimmung des Zeitintervalls, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollten, erforderlich. Eine derartige Bestimmung enthalte die Abwassergebührensatzung für den hier betroffenen Zeitraum nicht. Hinsichtlich der Niederschlagswassergebühren könne man zwar möglicherweise aus dem Maßstab Quadratmeter anrechenbarerer versiegelter Fläche/Jahr schließen, dass Erhebungszeitraum das Kalenderjahr sein solle. Eine "eindeutige" Bestimmung enthalte die Satzung jedoch auch bei einer solchen Auslegung nicht. Hinsichtlich der Schmutzwassergebühr fehle es sogar an jeglichem Anhaltspunkt für den Erhebungszeitraum. Bei der Schmutzwassergebühr komme hinzu, dass die Höhe der Gebührenschuld zu dem nach der Abwassergebührensatzung maßgeblichen Entstehungszeitpunkt nicht berechenbar sei, da in diesem Zeitpunkt nicht feststehe, welche Wassermenge dem Grundstück aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführt werde. Der von der Beklagten für das Jahr 2006 beschlossene Gebührensatz sei außerdem unwirksam, da die dem Gemeinderat bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz vorliegende Gebührenkalkulation sich auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe. Die Beklagte habe nicht darzulegen vermocht, dass die Kalkulation auch uneingeschränkt aussagekräftige Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Ohnehin habe sich das Jahr 2006 bei der Beschlussfassung bereits dem Ende zugeneigt, so dass für dieses Jahr erhebliche Teile der Ausgaben bereits festgestanden und daher nicht mehr hätten prognostiziert werden müssen. Es liege zwar nahe, dass die Abwassermengen in den Jahren 2006 und 2007 nicht erheblich voneinander abwichen. Für die in der Gebührenkalkulation zu berücksichtigenden Ausgaben und Einnahmen lasse sich das jedoch nicht ohne weiteres annehmen. Ein Vergleich der ursprünglichen Gebührenkalkulation für das Jahr 2006 und der Gebührenkalkulation für das Jahr 2007 bestätige dies. Die Kosten der Abwasserbeseitigung in der Kalkulation für das Jahr 2007 von 23.722.400 EUR dürften der Sache nach den "bereinigten Aufwendungen aus 1.9." in der Kalkulation für das Jahr 2007 von 23.355.400 EUR entsprechen. Der Unterschied zwischen den beiden Beträgen von knapp 400.000 EUR könne kaum mehr als unerheblich bezeichnet werden. Zu derselben Gebührenobergrenze im Jahr 2007 sei die Beklagte des Weiteren nur gelangt, weil sie bei der Festsetzung des Gebührensatzes eine Unterdeckung in Höhe von 782.900 EUR einkalkuliert habe. Aus § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG ergeb sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts anderes. Der Bestimmung lasse sich nicht entnehmen, dass für die Kalkulation eines Gebührensatzes für ein Jahr auf die Gebührenkalkulation für das nachfolgende Jahr zurückgegriffen werden dürfe. Es sei ferner zweifelhaft, ob die Gebührenkalkulation für das Jahr 2007 den Anforderungen genüge, die an eine ordnungsgemäße Gebührenkalkulation zu stellen seien. Eine Kalkulation nach Kostenstellen biete dem Gemeinderat möglicherweise kein ausreichendes Bild von der Ermittlung des Gebührenbedarfs. So seien bei dieser Art der Kalkulation weder die Höhe der Abschreibungen noch die Zinsbelastung aufgrund des von der Beklagten ihrem Eigenbetrieb gewährten Trägerdarlehens ausgewiesen. Würde es darauf ankommen, so wäre auch der Frage nachzugehen, ob es sich bei den aufgrund des Trägerdarlehens anfallenden Zinsen um auf die Gebührenzahler abwälzbare Kosten handele.
13 
Gegen das Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Die Beklagte macht geltend, die Satzung vom 17.10.2006 enthalte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine gültige Entstehensregelung. Da die Gebührenhöhe vorab festgelegt worden sei, könne der Gebührenschuldner bereits bei der Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung die damit verbundene Gebühr erkennen. Die Bestimmung eines Erhebungszeitraums sei dafür nicht erforderlich. Von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls sei abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben würden, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Satzung werde deutlich, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Entwässerung und (kumulativ) mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe. Der für das Jahr 2006 beschlossene Gebührensatz sei wirksam. Die für das Jahr 2007 erstellte Gebührenkalkulation sei nur herangezogen worden, um die Aufteilung der Gebühren in Schmutzwasser- und Niederschlagswassergebühren vornehmen zu können. Der Gemeinderat habe zuvor für das Jahr 2006 unter Berücksichtigung der restlichen Überdeckung aus dem Jahr 2002 und einem Anteil der Unterdeckung aus 2004 einen Gebührensatz von 2,72 EUR/m 3 festgesetzt. Er sei dabei von einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m 3 und gebührenfähigen Gesamtkosten von 17.067.100 EUR ausgegangen, woraus sich eine zulässige Gebührenobergrenze von 2,79 EUR/m 3 ergeben habe. Bei der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr sei das sich aus dem beschlossenen Gebührensatz ergebende Gebührenaufkommen auf eine Schmutzwassergebühr von 1,86 EUR/m³ und eine Regenwassergebühr von 0,92 EUR/m² aufgeteilt worden. Aus welchen Gründen die von dem Verwaltungsgericht geforderte getrennte Ausweisung der Abschreibungen in der Gebührenkalkulation erforderlich sei, sei nicht ersichtlich. Die Gebührenkalkulation wähle einen anderen Ansatz, indem sie an einzelne "Kostenverursacher" anknüpfe. Dem Gemeinderat sei bewusst gewesen, dass in den einzelnen Beträgen Abschreibungen enthalten seien. Eine darüber hinausgehende Ausweisung sei nicht erforderlich. Im Übrigen hätten die auf S. 4 der Gebührenkalkulation genannten Anlagen dem Gemeinderat zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung gestanden. Der vereinbarte Zinssatz für das Trägerdarlehen von 6 % orientiere sich an der Zinsbelastung des städtischen Haushalts seit 1986 und bilde die durchschnittliche Zinsbelastung ab.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. April 2009 - 2 K 4176/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Akten der Beklagten sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Gebührenbescheid zu Recht aufgehoben. Die dem Gebührenbescheid zugrunde liegende und diesen stützenden Abwassergebührensatzung der Beklagten ist für den von dem Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr unwirksam (unten 1). Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den an sie zu stellenden Anforderungen genügt (unten 2).
21 
1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die - rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft getretene - Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, enthält diese Satzung keine ausreichende Regelung über die Entstehung der Gebühr und ist daher nichtig. Die am 16.12.2008 beschlossene Änderung der Satzung bleibt dabei außer Betracht, da die Änderung nach dem Willen der Beklagten erst am 1.1.2008 in Kraft treten soll und sich deshalb für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum (1.1. bis 27.12.2006) keine Gültigkeit beimisst.
22 
a) Nach § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Gebühren für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie andere Kommunalabgaben nur auf Grund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer solchen Satzung gehört gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 KAG eine Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld, soweit sich diese Rechtsfolge - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz herleiten lässt. Mit der Entstehung der Abgabenschuld kann die Abgabenforderung beim Abgabenpflichtigen geltend gemacht werden, sofern gesetzlich kein späterer Zeitpunkt für die Fälligkeit festgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit § 220 Abs. 2 AO). Mit der Entstehung der Abgabenschuld beginnt außerdem die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG in Verbindung mit § 170 AO). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 30.11.2000 - 2 S 2061/98 - BWGZ 2001, 269) muss sich deshalb beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung aus der Abgabensatzung mit hinreichender Klarheit ergeben, zu welchem Zeitpunkt die Abgabenschuld nach dem Willen des Satzungsgebers entstehen soll.
23 
An dieser Auffassung ist auch nach der Neufassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG durch das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005 festzuhalten. Die Vorschrift legt auch in ihrer Neufassung den unverzichtbaren Mindestinhalt einer Abgabensatzung fest. Der Umstand, dass der Gesetzgeber das von der Vorschrift bisher verwendete Wort "muss" durch ein "soll" ersetzt hat, ändert daran nichts. Die Änderung hat ihren Grund in der Einbeziehung des Erschließungsbeitragsrechts in das Kommunalabgabengesetz (vgl. LT-Drs. 13/3966, S. 40) und erklärt sich dadurch, dass in der auch für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen erforderlichen Satzung wegen der völlig unterschiedlichen Kosten der einzelnen Erschließungsanlagen ein Abgabensatz nicht bestimmt werden kann. Für den Erlass von Benutzungsgebührensatzungen ergeben sich aus der geänderten Fassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG keine Konsequenzen. Das "soll" in dieser Vorschrift ist vielmehr in diesen Fällen in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage weiterhin wie ein "muss" zu lesen.
24 
b) Den sich aus § 2 Abs. 1 S. 2 KAG ergebenden Anforderungen wird mit der Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006 nicht entsprochen.
25 
Entstehung und Fälligkeit der Gebührenschuld werden in § 11 AbwGebS geregelt. In seiner bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bestimmte Abs. 1 dieser Vorschrift, dass die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren mit dem Tag entsteht, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist. Diese Regelung ist, wie auch die Beklagte einräumt, unvollständig. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können Benutzungsgebühren nur für die (tatsächliche) Benutzung der öffentlichen Einrichtung erhoben werden, da erst dadurch das für eine solche Gebühr eigentümliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründet wird. Die bloße Möglichkeit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder der Umstand, dass durch die Einrichtung Vorteile geboten werden, reichen danach zur Gebührenerhebung nicht aus. Von der Beklagten wird dementsprechend vorgebracht, § 11 Abs. 1 AbwGebS bestimme, dass die Gebührenschuld frühestens mit dem Tag entstehe, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt sei. Da eine Gebühr aber erst mit der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei § 11 Abs. 1 AbwGebS dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
26 
Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung des § 11 Abs. 1 AbwGebS wird von dem Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in der Vorschrift allein genannten betriebsfähigen Herstellung des Anschlusses an die Entwässerung nur der frühestens mögliche Zeitpunkt für das Entstehen der Gebührenpflicht beschrieben wird und es im Übrigen für das Entstehen der Gebührenpflicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen ankommen soll, sind weder der Vorschrift selbst noch anderen Bestimmungen der Satzung zu entnehmen. Davon abgesehen bliebe auch bei einem solchen Verständnis der Vorschrift offen, für welchen Zeitraum durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung die Gebührenpflicht entstehen soll. Bei Gebühren, die - wie Abwassergebühren - nicht für eine nur einmalige Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist die Festlegung des Zeitintervalls erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen, da nur so die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung exakt angewendet werden können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben, muss deshalb die Satzung festlegen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum die Gebühr als entstanden gelten soll (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 7.11.1996 - 4 K 11/96 - KStZ 2000, 12; HessVGH, Beschl. v. 28.8.1986 - 5 TH 1870/86 - Juris; Lohmann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 661; Driehaus, aaO, § 2 Rn. 92).
27 
Eine solche Festlegung lässt sich der Satzung der Beklagten weder für die Schmutzwasser- noch für die Niederschlagswassergebühr entnehmen. Zwar heißt es in § 7 Abs. 3 AbwGebS, dass die Niederschlagswassergebühr 0,92 EUR je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr betrage. In § 4 Abs. 1 S. 4 AbwGebS ist ferner von einer "jährlichen" Niederschlagswassergebühr die Rede. Die Satzung könnte im Hinblick hierauf dahin verstanden werden, dass Erhebungszeitraum für die Niederschlagswassergebühr das Kalenderjahr sein und die Pflicht zur Bezahlung dieser Gebühr mit dem Ende des jeweiligen Kalenderjahrs entstehen soll, worauf auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zu sprechen gekommen ist. Gegen ein solches Verständnis der Satzung spricht jedoch zum einen die Regelung in § 11 Abs. 2 S. 2 AbwGebS, wonach "die Gebühren" - also sowohl die Schmutzwasser- als auch die Niederschlagswassergebühr - in der Regel zusammen mit den Frischwasserentgelten, berechnet und erhoben werden, und zum anderen die Regelung in § 10 Abs. 1 S. 1 AbwGebS, nach der Abschlagszahlungen (auch) auf die Niederschlagswassergebühr verlangt werden können, wenn "die Gebühr für mehrere Monate abgerechnet" wird. Die Höhe der Abschlagszahlungen wird nach § 10 Abs. 1 S. 2 AbwGebS anteilig berechnet entsprechend den anrechenbaren versiegelten Grundstücksflächen "im zuletzt abgerechneten Zeitraum". Diese Regelungen deuten darauf hin, dass die Beklagte sich auch bei der Erhebung der Niederschlagswassergebühren vorbehalten will, den Abrechnungszeitraum von Fall zu Fall zu bestimmen, was sich mit einer Regelung, die das Entstehen der Gebührenpflicht an das Ende des jeweiligen Kalenderjahrs knüpft, nicht verträgt.
28 
Wie die Berufungsbegründung zeigt, ist auch die Beklagte selbst der Meinung, dass in ihrer Satzung kein Erhebungszeitraum festgelegt sei. Nach den dazu gegebenen Erklärungen ist von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls vielmehr bewusst abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben werden sollten, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Die Beklagte hat dementsprechend die Klägerin nicht zu einer Niederschlagswassergebühr für das gesamte Jahr 2006, sondern nur für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 herangezogen.
29 
2. Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den sich aus § 14 Abs. 3 KAG ergebenden Anforderungen genügt.
30 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urt. v. 4.7.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540; NK-Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - NVwZ-RR 1996, 593) hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan die Höhe des Gebührensatzes innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation zu beschließen, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze der öffentlichen Einrichtung hervorgehen muss. Da weder § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch § 78 Abs. 2 GemO die Gemeinde verpflichten, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten durch Gebühren anzustreben, hat der Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz im Wege einer Ermessensentscheidung darüber zu befinden, welche gebührenfähigen Kosten in die Gebührenkalkulation eingestellt werden sollen. Außerdem ist ihm bei der Ermittlung der in den Gebührensatz einzustellenden Kostenfaktoren überall dort ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wo sich diese Kosten nicht rein rechnerisch, sondern nur im Wege von Schätzungen oder finanzpolitischen Bewertungen ermitteln lassen. Die Gebührenkalkulation dient somit nicht nur als Kontrollinstrument zur Überprüfung des letztlich beschlossenen Gebührensatzes, sondern auch dem Nachweis dafür, dass der Ortsgesetzgeber als Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Kostenermittlung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Ist dem Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz eine Gebührenkalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies - vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG - die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge.
31 
a) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, der vom Gemeinderat der Beklagten beschlossene Gebührensatz für das Jahr 2006 sei ungültig, da sich die der Beschlussfassung am 17.10.2006 zugrunde liegende Gebührenkalkulation auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe und nicht ersichtlich sei, dass diese Kalkulation auch uneingeschränkt verwertbare Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Dem vermag der Senat auf der Grundlage der ihm zugänglichen Informationen nicht zu folgen.
32 
Der Vorlage zu der Sitzung des Gemeinderats vom 17.10.2006 lag eine von dem Büro ... ... gefertigte Gebührenkalkulation für das "Wirtschaftsjahr 2007" bei. Die Gebührenkalkulation geht von einer im Jahr 2007 zu erwartenden Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ aus. Die "ansatzfähigen Kosten der Abwasserbeseitigung" werden für das gleiche Jahr - ohne die auf die Straßenflächen entfallenden Kosten - mit 17.374.902,03 EUR veranschlagt, von denen 11.794.509,49 EUR der Schmutzwasserbeseitigung und 5.580.392,54 EUR der Niederschlagswasserbeseitigung zugeordnet werden. Die Beklagte ist der Meinung, dass diese Zahlen wegen der hinreichend gleichen abwassertechnischen Verhältnisse nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könnten. Das ist nicht zu beanstanden. Die Prognose einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ auch für das Jahr 2006 steht in Übereinstimmung mit der für das gleiche Jahr vorgenommenen Prognose in der früheren Kalkulation, die der Satzung vom 13.12.2005 zugrunde lag, und bewegt sich im Rahmen der im Wirtschaftsplan des ESP für das Jahr 2006 genannten tatsächlichen Verbrauchsmengen, die in den Jahren 2002 bis 2005 zu verzeichnen waren. Die Prognose ist danach nicht zu bemängeln. Die in der Gebührenkalkulation ferner vorgenommene Kostenschätzung beruht auf einem "Kostenstellenbericht" vom 27.7.2006, der auf der Grundlage der bis dahin bekannten Zahlen eine Zusammenstellung der in der Zeit vom 1.1. bis 31.12.2007 zu erwartenden Kosten enthält. Gegen die Annahme der Beklagten, dass auch diese Schätzung nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könne, bestehen im Hinblick auf diese Grundlage der Schätzung ebenfalls keine Bedenken. Ihre Richtigkeit wird zudem dadurch bestätigt, dass nach der Darstellung der Beklagten die in den Jahren 2006 und 2007 tatsächlich entstandenen Kosten einander nahezu entsprochen haben. Dieser Darstellung ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
33 
b) Die dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegende Gebührenkalkulation ist jedoch deshalb als mangelhaft zu erachten, weil sie keinen Aufschluss über die Höhe der einzelnen Kostenarten gibt, aus denen sich die in die Kalkulation eingestellten Gesamtkosten zusammensetzen.
34 
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen die Gebühren höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen insgesamt ansatzfähigen Kosten (Gesamtkosten) der Einrichtung gedeckt werden. Die Betriebswirtschaftslehre kennt als Unterfall der Kostenrechnung die Kostenartenrechnung, die der systematischen Erfassung aller bei der Leistungserstellung entstehenden Kosten dient. Nach der Art der verbrauchten Produktionsfaktoren wird dabei zwischen Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen, Zinsen, Kosten für Dienstleistungen Dritter sowie Kosten für Steuern, Gebühren und Beiträge unterschieden (Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl., S. 1254 ff). Eine derartige Aufschlüsselung hat auch in der Gebührenkalkulation zu erfolgen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 42).
35 
Die Gebührenkalkulation hat die Aufgabe, die tatsächlichen Grundlagen für die rechtssatzmäßige Festsetzung des Gebührensatzes zur Verfügung zu stellen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss sie für den kundigen, mit dem Sachverhalt vertrauten kommunalen Mandatsträger transparent, verständlich, nachvollziehbar und in sich schlüssig sein (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.2.2004 - 12 A 10826/03.OVG - Juris). Auf eine Aufschlüsselung der in die Kalkulation eingestellten Kosten nach den einzelnen Kostenarten kann danach nicht verzichtet werden. Das hat jedenfalls für die gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 KAG zu den Kosten nach Absatz 1 Satz 1 gehörenden kalkulatorischen Kosten in Form einer angemessenen Verzinsung des Anlagekapitals sowie angemessener Abschreibungen zu gelten, über deren Höhe der Gemeinderat in den mit dem Begriff der Angemessenheit gezogenen rechtlichen Grenzen nach seinem Ermessen zu entscheiden hat.
36 
Dieser Forderung wird mit der dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegenden Gebührenkalkulation nicht genügt. Die in der Kalkulation genannten ansatzfähigen Gesamtkosten ergeben sich aus einer Addition der zuvor unter der Überschrift "eigentlicher Betriebsaufwand" aufgeführten Beträge, die einzelnen "Kostenstellen" der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung zugeordnet werden. Nach den von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen setzen sich diese Beträge aus den verschiedenen Kosten in Form von Personalkosten, Materialkosten, Kapitalkosten etc. zusammen, von denen den einzelnen Kostenstellen jeweils ein bestimmter Anteil zugewiesen wird. Wie diese Beträge sich im Einzelnen errechnen, geht jedoch aus der Kalkulation selbst nicht hervor. Über die Höhe der einzelnen Kostenarten, aus denen sich die angenommenen Gesamtkosten zusammensetzen, gibt die Kalkulation dementsprechend keinen Aufschluss.
37 
3. Ob die Satzung der Beklagten darüber hinaus an weiteren zu ihrer Nichtigkeit führenden Mängeln leidet, bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die von der Beklagten genannte große Zahl weiterer Verfahren, in denen über die Rechtmäßigkeit der Satzung gestritten wird, sowie die Möglichkeit, die aufgezeigten Fehler durch den Erlass einer neuen Gebührensatzung zu beheben, sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden Hinweisen veranlasst:
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat es als zweifelhaft bezeichnet, ob es sich bei den Zinsen, die der Eigenbetrieb aufgrund des ihm von der Beklagten gewährten Trägerdarlehens zu bezahlen hat, um betriebsbedingte Kosten handelt. Diese Bedenken dürften jedenfalls im Grundsatz unbegründet sein.
39 
Die Beklagte hat bei der im Jahre 2004 erfolgten Gründung des Eigenbetriebs Stadtentwässerung beschlossen, den Eigenbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm stattdessen ein - mit 6 % zu verzinsendes - Trägerdarlehen zu gewähren. Dieses Vorgehen dürfte nur bilanztechnische Gründe haben, aber keine Auswirkungen auf die Höhe der ansatzfähigen Gesamtkosten haben. Nach der bereits erwähnten Regelung in § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KAG gehört zu den ansatzfähigen Gesamtkosten die "angemessene Verzinsung des Anlagekapitals", d. h. eine angemessene Verzinsung der um Beiträge, Zuweisungen und Zuschüsse Dritter gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der Abschreibungen (vgl. § 14 Abs. 3 S. 2 KAG). Zinsbasis ist damit das in der Anlage noch gebundene Kapital, ohne dass es darauf ankommt, ob die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit Eigen- oder Fremdmitteln finanziert worden sind. Die Gewährung eines Eigenkapital ersetzenden Trägerdarlehens hat daher nicht, wie die Klägerin argwöhnt, das Produzieren "künstlicher" Kosten zur Folge.
40 
b) In der Gebührenkalkulation werden auf der Grundlage einer zu erwartenden Abwassermenge von jeweils 6,1 Mio. m³ und zu erwartenden Kosten von jeweils 17.374.902 EUR sowohl für das Jahr 2006 als auch für das Jahr 2007 kostendeckende Gebührensätze von 1,93 EUR/m 3 (Schmutzwassergebühr) und 0,99 EUR/m 2 (Niederschlagswassergebühr) errechnet (S.10). Im Hinblick auf das vorgegebene Ziel, dass die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr nicht zu einer Ausweitung des sich aus dem zuvor beschlossenen Gebührensatz ergebenden Gebühreneinnahmenvolumens führen solle, hat der Gemeinderat der Beklagten jedoch um 0,07 EUR/m 3 bzw. 0,07 EUR/m 2 niedrigere Gebührensätze beschlossen und damit - sowohl für 2006 als auch für 2007 - eine Unterdeckung von jeweils 782.900 EUR in Kauf genommen.
41 
Diese Entscheidung ist für sich genommen nicht zu beanstanden, da sich - wie bereits angesprochen - weder aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch aus § 78 Abs. 2 GemO eine Verpflichtung der Gemeinde ergibt, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten anzustreben. Nach Ziff. 2 des Beschlussvorschlags in der Sitzungsvorlage hatte der Gemeinderat der Beklagten jedoch die Vorstellung, dass die einkalkulierte Unterdeckung "mit künftigen Überdeckungen zu verrechnen oder in (künftige) Gebührenkalkulationen einzustellen sein" werde, d.h. in den folgenden Jahren ausgeglichen werden könne und auch tatsächlich ausgeglichen werden solle. Diese Vorstellung ist irrig, da Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat, in den Folgejahren nicht ausgeglichen werden können.
42 
Nach dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit dürfen die Gebührenpflichtigen nur mit Kosten belastet werden, die den Nutzungen der jeweiligen Rechnungsperiode entsprechen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 92 ff). § 14 Abs. 2 S. 2 KAG enthält eine Durchbrechung dieses Grundsatzes. In Fällen, in denen am Ende eines Kalkulationszeitraums das Gebührenaufkommen hinter den ansatzfähigen Gesamtkosten zurückbleibt, ist es den Gemeinden danach gestattet, die auf diese Weise entstandene Kostenunterdeckung innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen. Diesem Recht steht die sich ebenfalls aus § 14 Abs. 2 S. 2 Halbsatz KAG ergebende Verpflichtung gegenüber, Kostenüberdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums auszugleichen. Die Regelung berücksichtigt, dass die tatsächlichen Kosten, Erlöse und Mengen von den prognostisch ermittelten und der Kalkulation zugrunde gelegten Werten abweichen können und in aller Regel auch tatsächlich abweichen. § 14 Abs. 2 S. 2 KAG soll deshalb gewährleisten, dass das zunächst auf den jeweiligen Kalkulations- oder Bemessungszeitraum begrenzte Kostendeckungsprinzip auf mittlere Frist gesehen tatsächlich realisiert wird bzw. - soweit es um den Ausgleich von Kostenunterdeckungen geht - realisiert werden kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.2008 - 2 S 2559/05 - VBlBW 2008, 350). Ausgeglichen werden können danach aber nur Kostenunterdeckungen, die sich erst am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, nicht aber Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Quaas, NVwZ 2007, 757; Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 104)
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
44 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
45 
Beschluss
46 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 849,86 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
47 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
20 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Gebührenbescheid zu Recht aufgehoben. Die dem Gebührenbescheid zugrunde liegende und diesen stützenden Abwassergebührensatzung der Beklagten ist für den von dem Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr unwirksam (unten 1). Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den an sie zu stellenden Anforderungen genügt (unten 2).
21 
1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die - rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft getretene - Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, enthält diese Satzung keine ausreichende Regelung über die Entstehung der Gebühr und ist daher nichtig. Die am 16.12.2008 beschlossene Änderung der Satzung bleibt dabei außer Betracht, da die Änderung nach dem Willen der Beklagten erst am 1.1.2008 in Kraft treten soll und sich deshalb für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum (1.1. bis 27.12.2006) keine Gültigkeit beimisst.
22 
a) Nach § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Gebühren für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie andere Kommunalabgaben nur auf Grund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer solchen Satzung gehört gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 KAG eine Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld, soweit sich diese Rechtsfolge - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz herleiten lässt. Mit der Entstehung der Abgabenschuld kann die Abgabenforderung beim Abgabenpflichtigen geltend gemacht werden, sofern gesetzlich kein späterer Zeitpunkt für die Fälligkeit festgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit § 220 Abs. 2 AO). Mit der Entstehung der Abgabenschuld beginnt außerdem die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG in Verbindung mit § 170 AO). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 30.11.2000 - 2 S 2061/98 - BWGZ 2001, 269) muss sich deshalb beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung aus der Abgabensatzung mit hinreichender Klarheit ergeben, zu welchem Zeitpunkt die Abgabenschuld nach dem Willen des Satzungsgebers entstehen soll.
23 
An dieser Auffassung ist auch nach der Neufassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG durch das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005 festzuhalten. Die Vorschrift legt auch in ihrer Neufassung den unverzichtbaren Mindestinhalt einer Abgabensatzung fest. Der Umstand, dass der Gesetzgeber das von der Vorschrift bisher verwendete Wort "muss" durch ein "soll" ersetzt hat, ändert daran nichts. Die Änderung hat ihren Grund in der Einbeziehung des Erschließungsbeitragsrechts in das Kommunalabgabengesetz (vgl. LT-Drs. 13/3966, S. 40) und erklärt sich dadurch, dass in der auch für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen erforderlichen Satzung wegen der völlig unterschiedlichen Kosten der einzelnen Erschließungsanlagen ein Abgabensatz nicht bestimmt werden kann. Für den Erlass von Benutzungsgebührensatzungen ergeben sich aus der geänderten Fassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG keine Konsequenzen. Das "soll" in dieser Vorschrift ist vielmehr in diesen Fällen in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage weiterhin wie ein "muss" zu lesen.
24 
b) Den sich aus § 2 Abs. 1 S. 2 KAG ergebenden Anforderungen wird mit der Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006 nicht entsprochen.
25 
Entstehung und Fälligkeit der Gebührenschuld werden in § 11 AbwGebS geregelt. In seiner bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bestimmte Abs. 1 dieser Vorschrift, dass die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren mit dem Tag entsteht, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist. Diese Regelung ist, wie auch die Beklagte einräumt, unvollständig. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können Benutzungsgebühren nur für die (tatsächliche) Benutzung der öffentlichen Einrichtung erhoben werden, da erst dadurch das für eine solche Gebühr eigentümliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründet wird. Die bloße Möglichkeit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder der Umstand, dass durch die Einrichtung Vorteile geboten werden, reichen danach zur Gebührenerhebung nicht aus. Von der Beklagten wird dementsprechend vorgebracht, § 11 Abs. 1 AbwGebS bestimme, dass die Gebührenschuld frühestens mit dem Tag entstehe, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt sei. Da eine Gebühr aber erst mit der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei § 11 Abs. 1 AbwGebS dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
26 
Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung des § 11 Abs. 1 AbwGebS wird von dem Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in der Vorschrift allein genannten betriebsfähigen Herstellung des Anschlusses an die Entwässerung nur der frühestens mögliche Zeitpunkt für das Entstehen der Gebührenpflicht beschrieben wird und es im Übrigen für das Entstehen der Gebührenpflicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen ankommen soll, sind weder der Vorschrift selbst noch anderen Bestimmungen der Satzung zu entnehmen. Davon abgesehen bliebe auch bei einem solchen Verständnis der Vorschrift offen, für welchen Zeitraum durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung die Gebührenpflicht entstehen soll. Bei Gebühren, die - wie Abwassergebühren - nicht für eine nur einmalige Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist die Festlegung des Zeitintervalls erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen, da nur so die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung exakt angewendet werden können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben, muss deshalb die Satzung festlegen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum die Gebühr als entstanden gelten soll (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 7.11.1996 - 4 K 11/96 - KStZ 2000, 12; HessVGH, Beschl. v. 28.8.1986 - 5 TH 1870/86 - Juris; Lohmann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 661; Driehaus, aaO, § 2 Rn. 92).
27 
Eine solche Festlegung lässt sich der Satzung der Beklagten weder für die Schmutzwasser- noch für die Niederschlagswassergebühr entnehmen. Zwar heißt es in § 7 Abs. 3 AbwGebS, dass die Niederschlagswassergebühr 0,92 EUR je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr betrage. In § 4 Abs. 1 S. 4 AbwGebS ist ferner von einer "jährlichen" Niederschlagswassergebühr die Rede. Die Satzung könnte im Hinblick hierauf dahin verstanden werden, dass Erhebungszeitraum für die Niederschlagswassergebühr das Kalenderjahr sein und die Pflicht zur Bezahlung dieser Gebühr mit dem Ende des jeweiligen Kalenderjahrs entstehen soll, worauf auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zu sprechen gekommen ist. Gegen ein solches Verständnis der Satzung spricht jedoch zum einen die Regelung in § 11 Abs. 2 S. 2 AbwGebS, wonach "die Gebühren" - also sowohl die Schmutzwasser- als auch die Niederschlagswassergebühr - in der Regel zusammen mit den Frischwasserentgelten, berechnet und erhoben werden, und zum anderen die Regelung in § 10 Abs. 1 S. 1 AbwGebS, nach der Abschlagszahlungen (auch) auf die Niederschlagswassergebühr verlangt werden können, wenn "die Gebühr für mehrere Monate abgerechnet" wird. Die Höhe der Abschlagszahlungen wird nach § 10 Abs. 1 S. 2 AbwGebS anteilig berechnet entsprechend den anrechenbaren versiegelten Grundstücksflächen "im zuletzt abgerechneten Zeitraum". Diese Regelungen deuten darauf hin, dass die Beklagte sich auch bei der Erhebung der Niederschlagswassergebühren vorbehalten will, den Abrechnungszeitraum von Fall zu Fall zu bestimmen, was sich mit einer Regelung, die das Entstehen der Gebührenpflicht an das Ende des jeweiligen Kalenderjahrs knüpft, nicht verträgt.
28 
Wie die Berufungsbegründung zeigt, ist auch die Beklagte selbst der Meinung, dass in ihrer Satzung kein Erhebungszeitraum festgelegt sei. Nach den dazu gegebenen Erklärungen ist von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls vielmehr bewusst abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben werden sollten, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Die Beklagte hat dementsprechend die Klägerin nicht zu einer Niederschlagswassergebühr für das gesamte Jahr 2006, sondern nur für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 herangezogen.
29 
2. Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den sich aus § 14 Abs. 3 KAG ergebenden Anforderungen genügt.
30 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urt. v. 4.7.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540; NK-Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - NVwZ-RR 1996, 593) hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan die Höhe des Gebührensatzes innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation zu beschließen, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze der öffentlichen Einrichtung hervorgehen muss. Da weder § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch § 78 Abs. 2 GemO die Gemeinde verpflichten, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten durch Gebühren anzustreben, hat der Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz im Wege einer Ermessensentscheidung darüber zu befinden, welche gebührenfähigen Kosten in die Gebührenkalkulation eingestellt werden sollen. Außerdem ist ihm bei der Ermittlung der in den Gebührensatz einzustellenden Kostenfaktoren überall dort ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wo sich diese Kosten nicht rein rechnerisch, sondern nur im Wege von Schätzungen oder finanzpolitischen Bewertungen ermitteln lassen. Die Gebührenkalkulation dient somit nicht nur als Kontrollinstrument zur Überprüfung des letztlich beschlossenen Gebührensatzes, sondern auch dem Nachweis dafür, dass der Ortsgesetzgeber als Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Kostenermittlung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Ist dem Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz eine Gebührenkalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies - vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG - die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge.
31 
a) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, der vom Gemeinderat der Beklagten beschlossene Gebührensatz für das Jahr 2006 sei ungültig, da sich die der Beschlussfassung am 17.10.2006 zugrunde liegende Gebührenkalkulation auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe und nicht ersichtlich sei, dass diese Kalkulation auch uneingeschränkt verwertbare Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Dem vermag der Senat auf der Grundlage der ihm zugänglichen Informationen nicht zu folgen.
32 
Der Vorlage zu der Sitzung des Gemeinderats vom 17.10.2006 lag eine von dem Büro ... ... gefertigte Gebührenkalkulation für das "Wirtschaftsjahr 2007" bei. Die Gebührenkalkulation geht von einer im Jahr 2007 zu erwartenden Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ aus. Die "ansatzfähigen Kosten der Abwasserbeseitigung" werden für das gleiche Jahr - ohne die auf die Straßenflächen entfallenden Kosten - mit 17.374.902,03 EUR veranschlagt, von denen 11.794.509,49 EUR der Schmutzwasserbeseitigung und 5.580.392,54 EUR der Niederschlagswasserbeseitigung zugeordnet werden. Die Beklagte ist der Meinung, dass diese Zahlen wegen der hinreichend gleichen abwassertechnischen Verhältnisse nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könnten. Das ist nicht zu beanstanden. Die Prognose einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ auch für das Jahr 2006 steht in Übereinstimmung mit der für das gleiche Jahr vorgenommenen Prognose in der früheren Kalkulation, die der Satzung vom 13.12.2005 zugrunde lag, und bewegt sich im Rahmen der im Wirtschaftsplan des ESP für das Jahr 2006 genannten tatsächlichen Verbrauchsmengen, die in den Jahren 2002 bis 2005 zu verzeichnen waren. Die Prognose ist danach nicht zu bemängeln. Die in der Gebührenkalkulation ferner vorgenommene Kostenschätzung beruht auf einem "Kostenstellenbericht" vom 27.7.2006, der auf der Grundlage der bis dahin bekannten Zahlen eine Zusammenstellung der in der Zeit vom 1.1. bis 31.12.2007 zu erwartenden Kosten enthält. Gegen die Annahme der Beklagten, dass auch diese Schätzung nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könne, bestehen im Hinblick auf diese Grundlage der Schätzung ebenfalls keine Bedenken. Ihre Richtigkeit wird zudem dadurch bestätigt, dass nach der Darstellung der Beklagten die in den Jahren 2006 und 2007 tatsächlich entstandenen Kosten einander nahezu entsprochen haben. Dieser Darstellung ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
33 
b) Die dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegende Gebührenkalkulation ist jedoch deshalb als mangelhaft zu erachten, weil sie keinen Aufschluss über die Höhe der einzelnen Kostenarten gibt, aus denen sich die in die Kalkulation eingestellten Gesamtkosten zusammensetzen.
34 
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen die Gebühren höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen insgesamt ansatzfähigen Kosten (Gesamtkosten) der Einrichtung gedeckt werden. Die Betriebswirtschaftslehre kennt als Unterfall der Kostenrechnung die Kostenartenrechnung, die der systematischen Erfassung aller bei der Leistungserstellung entstehenden Kosten dient. Nach der Art der verbrauchten Produktionsfaktoren wird dabei zwischen Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen, Zinsen, Kosten für Dienstleistungen Dritter sowie Kosten für Steuern, Gebühren und Beiträge unterschieden (Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl., S. 1254 ff). Eine derartige Aufschlüsselung hat auch in der Gebührenkalkulation zu erfolgen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 42).
35 
Die Gebührenkalkulation hat die Aufgabe, die tatsächlichen Grundlagen für die rechtssatzmäßige Festsetzung des Gebührensatzes zur Verfügung zu stellen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss sie für den kundigen, mit dem Sachverhalt vertrauten kommunalen Mandatsträger transparent, verständlich, nachvollziehbar und in sich schlüssig sein (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.2.2004 - 12 A 10826/03.OVG - Juris). Auf eine Aufschlüsselung der in die Kalkulation eingestellten Kosten nach den einzelnen Kostenarten kann danach nicht verzichtet werden. Das hat jedenfalls für die gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 KAG zu den Kosten nach Absatz 1 Satz 1 gehörenden kalkulatorischen Kosten in Form einer angemessenen Verzinsung des Anlagekapitals sowie angemessener Abschreibungen zu gelten, über deren Höhe der Gemeinderat in den mit dem Begriff der Angemessenheit gezogenen rechtlichen Grenzen nach seinem Ermessen zu entscheiden hat.
36 
Dieser Forderung wird mit der dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegenden Gebührenkalkulation nicht genügt. Die in der Kalkulation genannten ansatzfähigen Gesamtkosten ergeben sich aus einer Addition der zuvor unter der Überschrift "eigentlicher Betriebsaufwand" aufgeführten Beträge, die einzelnen "Kostenstellen" der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung zugeordnet werden. Nach den von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen setzen sich diese Beträge aus den verschiedenen Kosten in Form von Personalkosten, Materialkosten, Kapitalkosten etc. zusammen, von denen den einzelnen Kostenstellen jeweils ein bestimmter Anteil zugewiesen wird. Wie diese Beträge sich im Einzelnen errechnen, geht jedoch aus der Kalkulation selbst nicht hervor. Über die Höhe der einzelnen Kostenarten, aus denen sich die angenommenen Gesamtkosten zusammensetzen, gibt die Kalkulation dementsprechend keinen Aufschluss.
37 
3. Ob die Satzung der Beklagten darüber hinaus an weiteren zu ihrer Nichtigkeit führenden Mängeln leidet, bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die von der Beklagten genannte große Zahl weiterer Verfahren, in denen über die Rechtmäßigkeit der Satzung gestritten wird, sowie die Möglichkeit, die aufgezeigten Fehler durch den Erlass einer neuen Gebührensatzung zu beheben, sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden Hinweisen veranlasst:
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat es als zweifelhaft bezeichnet, ob es sich bei den Zinsen, die der Eigenbetrieb aufgrund des ihm von der Beklagten gewährten Trägerdarlehens zu bezahlen hat, um betriebsbedingte Kosten handelt. Diese Bedenken dürften jedenfalls im Grundsatz unbegründet sein.
39 
Die Beklagte hat bei der im Jahre 2004 erfolgten Gründung des Eigenbetriebs Stadtentwässerung beschlossen, den Eigenbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm stattdessen ein - mit 6 % zu verzinsendes - Trägerdarlehen zu gewähren. Dieses Vorgehen dürfte nur bilanztechnische Gründe haben, aber keine Auswirkungen auf die Höhe der ansatzfähigen Gesamtkosten haben. Nach der bereits erwähnten Regelung in § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KAG gehört zu den ansatzfähigen Gesamtkosten die "angemessene Verzinsung des Anlagekapitals", d. h. eine angemessene Verzinsung der um Beiträge, Zuweisungen und Zuschüsse Dritter gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der Abschreibungen (vgl. § 14 Abs. 3 S. 2 KAG). Zinsbasis ist damit das in der Anlage noch gebundene Kapital, ohne dass es darauf ankommt, ob die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit Eigen- oder Fremdmitteln finanziert worden sind. Die Gewährung eines Eigenkapital ersetzenden Trägerdarlehens hat daher nicht, wie die Klägerin argwöhnt, das Produzieren "künstlicher" Kosten zur Folge.
40 
b) In der Gebührenkalkulation werden auf der Grundlage einer zu erwartenden Abwassermenge von jeweils 6,1 Mio. m³ und zu erwartenden Kosten von jeweils 17.374.902 EUR sowohl für das Jahr 2006 als auch für das Jahr 2007 kostendeckende Gebührensätze von 1,93 EUR/m 3 (Schmutzwassergebühr) und 0,99 EUR/m 2 (Niederschlagswassergebühr) errechnet (S.10). Im Hinblick auf das vorgegebene Ziel, dass die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr nicht zu einer Ausweitung des sich aus dem zuvor beschlossenen Gebührensatz ergebenden Gebühreneinnahmenvolumens führen solle, hat der Gemeinderat der Beklagten jedoch um 0,07 EUR/m 3 bzw. 0,07 EUR/m 2 niedrigere Gebührensätze beschlossen und damit - sowohl für 2006 als auch für 2007 - eine Unterdeckung von jeweils 782.900 EUR in Kauf genommen.
41 
Diese Entscheidung ist für sich genommen nicht zu beanstanden, da sich - wie bereits angesprochen - weder aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch aus § 78 Abs. 2 GemO eine Verpflichtung der Gemeinde ergibt, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten anzustreben. Nach Ziff. 2 des Beschlussvorschlags in der Sitzungsvorlage hatte der Gemeinderat der Beklagten jedoch die Vorstellung, dass die einkalkulierte Unterdeckung "mit künftigen Überdeckungen zu verrechnen oder in (künftige) Gebührenkalkulationen einzustellen sein" werde, d.h. in den folgenden Jahren ausgeglichen werden könne und auch tatsächlich ausgeglichen werden solle. Diese Vorstellung ist irrig, da Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat, in den Folgejahren nicht ausgeglichen werden können.
42 
Nach dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit dürfen die Gebührenpflichtigen nur mit Kosten belastet werden, die den Nutzungen der jeweiligen Rechnungsperiode entsprechen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 92 ff). § 14 Abs. 2 S. 2 KAG enthält eine Durchbrechung dieses Grundsatzes. In Fällen, in denen am Ende eines Kalkulationszeitraums das Gebührenaufkommen hinter den ansatzfähigen Gesamtkosten zurückbleibt, ist es den Gemeinden danach gestattet, die auf diese Weise entstandene Kostenunterdeckung innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen. Diesem Recht steht die sich ebenfalls aus § 14 Abs. 2 S. 2 Halbsatz KAG ergebende Verpflichtung gegenüber, Kostenüberdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums auszugleichen. Die Regelung berücksichtigt, dass die tatsächlichen Kosten, Erlöse und Mengen von den prognostisch ermittelten und der Kalkulation zugrunde gelegten Werten abweichen können und in aller Regel auch tatsächlich abweichen. § 14 Abs. 2 S. 2 KAG soll deshalb gewährleisten, dass das zunächst auf den jeweiligen Kalkulations- oder Bemessungszeitraum begrenzte Kostendeckungsprinzip auf mittlere Frist gesehen tatsächlich realisiert wird bzw. - soweit es um den Ausgleich von Kostenunterdeckungen geht - realisiert werden kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.2008 - 2 S 2559/05 - VBlBW 2008, 350). Ausgeglichen werden können danach aber nur Kostenunterdeckungen, die sich erst am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, nicht aber Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Quaas, NVwZ 2007, 757; Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 104)
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
44 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
45 
Beschluss
46 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 849,86 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
47 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrollklage gegen die Rechtswirksamkeit der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Abwasserbeiträgen vom 17.12.2002 in der Fassung der Änderungssatzung vom 17.2.2004 (in Kraft seit 14.3.2004).
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks im Gebiet der Antragsgegnerin. Sie wurde von dieser mit Bescheid vom 23.4.2004 zu einem Abwasserbeitrag herangezogen. Über die dagegen erhobenen Klage ist noch nicht entschieden.
Am 3.12.2004 hat die Antragstellerin gegen die genannte Satzung einen Normenkontrollantrag gestellt, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen vorträgt:
Die Satzung über die Erhebung von Abwasserbeiträgen vom 17.12.2002 (jetzt in der Fassung der Änderungssatzung vom 14.3.2004) sei unwirksam. Sie enthalte einen Beitragssatz, der doppelt so hoch sei wie der der Vorgängersatzung. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung der Betroffenen gegenüber solchen Eigentümern, die auf der früheren Grundlage veranlagt worden seien. Die der Satzung zu Grunde gelegte Globalberechnung sei schon deshalb zu beanstanden, weil die Satzung im Dezember 2002 beschlossen worden sei, die Globalberechnung aber den Sachstand in diesem Zeitpunkt nicht berücksichtige, da sie längere Zeit zuvor erstellt worden sei. Das in ihr ausgewiesene Anlagevermögen sei nicht nachvollziehbar dargelegt. Ob der Wert dieses Vermögens auf der Grundlage des Nominalwerts im Zeitpunkt der Herstellung oder auf anderer Grundlage ermittelt sei, werde nicht erkennbar. Besonders das im Klärbereich ausgewiesene Anlagevermögen umfasse Kosten, die nicht hätten berücksichtigt werden dürfen, wie etwa solche für Verwaltung und ein Kraftfahrzeug. Auch fehle ein Nachweis dazu, welche Anlagen bzw. Anlagenteile bei Erstellen der Globalberechnung noch im Bau gewesen seien. Die Zuschüsse seien nur pauschal und ohne die erforderliche Aufgliederung ausgewiesen, ebenso die Grundlagen für die Schätzung der künftigen Zuschüsse. Künftig entstehende Kosten seien angesetzt, obgleich sie in Wirklichkeit tatsächlich schon angefallen seien und beim bestehenden Anlagevermögen hätten eingestellt werden müssen. Die im Rahmen der Globalberechnung vom Gemeinderat geforderte Ermessensbetätigung fehle. Die Kostenzuordnung beim Straßenentwässerungsanteil sei nicht nachzuvollziehen. Unterschiedliche Entwässerungssysteme führten zu unterschiedlichen Ermittlungsmethoden bei der Berechnung des Straßenentwässerungsanteils. Dazu sei aber eine Entscheidung des Gemeinderats erforderlich, an der es hier fehle. Eine Vergleichsberechnung sei nicht erfolgt. Auch der zur Ermittlung des Straßenentwässerungskostenanteils angewendeten „Drei-Kanal-Methode“ sei eine Berechnung, die anhand repräsentativer Straßenzüge zu erstellen sei, nicht beigefügt. Die Globalberechnung enthalte nur den allgemeinen Hinweis auf die Berechnungen anhand von drei Gebieten für Mischwasserkanalisation und zwei Gebieten für Trennsystementwässerung. Die dafür herangezogenen Straßenzüge seien nicht benannt, so dass dem Gemeinderat eine Ermessensausübung nicht möglich gewesen sei.
Auch seien in diese Berechnung nicht alle maßgeblichen Flächen eingestellt worden. So hätten die in dem Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbands vom 11.11.1983 (im Folgenden: FlNPl 1983) ausgewiesenen Flächen ergänzt werden müssen durch die des Entwurfs des Flächennutzungsplans 2001 (FlNPl-E 2001), für den am 17.12.1993 der Aufstellungsbeschluss erfolgt sei und der Vorentwurf vom 30.11.2000 bis 21.12.2000 ausgelegen habe. Insbesondere gehe es um folgende Flächen: Im Lageplan Nr. 1 fehle die Fläche für ein Wohngebiet, das im FlNPl 1983 ausgewiesen sei. Im Lageplan Nr. 2 sei ein im FlNPl 1983 ausgewiesenes großflächiges Gartenhausgebiet nicht erfasst. Auch hätte nach dem FlNPl-E 2001 eine „gemischte Baufläche“ übernommen werden müssen. Im Lageplan Nr. 6 fehle die im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohnfläche. Gleiches gelte für den Lageplan Nr. 9; dort sei zudem auch ein im FlNPl 1983 und im FlNPl-E 2001 ausgewiesenes Gartenhausgebiet nicht aufgenommen. Im Lageplan Nr. 10 fehlten das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Gewerbegebiet und weitere dort ausgewiesene Wohngebiete. Auch das im FlNPl 1983 sowie im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohngebiet „Auf dem Berg“ sei in diesem Lageplan nicht bezeichnet. Der Lageplan Nr. 12 enthalte schließlich das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohngebiet im Bereich des Hohlwegs nicht.
Die Antragstellerin beantragt,
§ 11 der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Abwasserbeiträgen vom 17.12.2002 in der Fassung der Änderungssatzung vom 17.2.2004 für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
10 
Sie macht geltend, die von der Satzung betroffenen Grundstückseigentümer hätten kein schützenswertes Vertrauen darauf, dass die bisher maßgeblichen Beitragssätze unverändert blieben. Der frühe Stichtag für die Erfassung des Anlagevermögens in der Globalberechnung sei aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität erforderlich und auch ohne Auswirkungen auf den Umfang der Kosten, da sowohl das bestehende als auch das künftige Anlagevermögen zu erfassen sei. Eine Auswirkung auf die Höhe des Beitragssatzes habe dies nicht. Wegen des Umfangs der der Ermittlung des Anlagevermögens zu Grunde gelegten Rechnungen verbiete sich deren Aufführung im Einzelnen; auch so sei der Anlagenachweis nachvollziehbar dargelegt. Namentlich seien bei den Verwaltungskosten nicht solche für die „laufende“ Verwaltung eingestellt, sondern nur Einrichtungskosten, zu denen auch das betrieblich erforderliche Kraftfahrzeug gehöre. Die Zuschüsse seien richtig dargestellt. Auch habe der Gemeinderat bei der Festlegung des Straßenentwässerungsanteils Ermessen ausgeübt und für die unterschiedlichen Bereiche auch entsprechende Anteile jeweils festgelegt.
11 
Die Flächenseite der Globalberechnung sei letztlich nicht zu beanstanden. Die im Lageplan Nr. 1 mit dem Antrag als unberücksichtigt gerügten Flächen seien aufgenommen. Die im Lageplan Nr. 2 ursprünglich ausgewiesene Gartenhausfläche sei im FlNPl-E 2001 nicht mehr enthalten; diese Fläche werde ohnehin nicht von der Abwassereinrichtung erfasst. Zutreffend sei allerdings, dass die im Entwurf als gemischte Baufläche ausgewiesene Fläche nicht berücksichtigt sei; es gehe dabei um eine Fläche von 10.785 qm. Die im Lageplan Nr. 6 vermisste Fläche sei aufgenommen, aber als Gewerbegebiet ausgewiesen, was zu einer Mehrfläche von 7.518 qm gegenüber der Globalberechnung führe. Das Gartenhausgebiet im Bereich des Lageplans Nr. 9 werde nicht an die Entwässerungseinrichtung angeschlossen und sei daher zu Recht nicht erfasst; allerdings sei ein dort ausgewiesenes Wohngebiet nicht berücksichtigt, das eine Fläche von 27.288 qm umfasse. Das im Lageplan Nr. 10 nicht aufgeführte Gewerbegebiet Fläche (26.900 qm) sei ebenso wie das Wohngebiet (Fläche 4.517 qm) erst durch den FlNPl-E 2001 hinzugekommen. Gleiches gelte für das Wohngebiet im Lageplan Nr. 11. Dort sei zwar das weitere Wohngebiet „Am Berg“ zeichnerisch nicht richtig dargestellt, es sei aber in die Flächenermittlung der Globalberechnung eingestellt. Der Lageplan Nr. 12 enthalte das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohngebiet im Bereich des Hohlwegs allerdings nicht vollständig. Insoweit bestehe eine Flächendifferenz von 12.110 qm.
12 
Der Unterschied zwischen der Flächenermittlung der Globalberechnung und den jetzt dargestellten Flächen habe indes keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Beitragssatzes, da zum einen der FlNPl-E 2001 zwar beschlossen, aber noch nicht genehmigt sei und es daher ungewiss sei, wann er in Kraft treten könne, und zum anderen sich die bisher nicht erfasste Fläche von 140.422 qm im Vergleich zur Gesamtfläche von annähernd 25 Millionen qm als geringfügig erweise. Dies folge nicht zuletzt aus der Neuregelung des § 2 Abs. 2 KAG n.F., die auch auf die hier in Rede stehende Satzung anzuwenden sei.
13 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten der Antragsgegnerin vor. Auf diese und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Der Antrag ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
15 
Bei der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Abwasserbeiträgen vom 17.12.2002 (in der Fassung der Änderungssatzung vom 14.3.2004 - im Folgenden AbwS 2002 -) handelt es sich um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsnorm, für deren gerichtliche Prüfung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet und die Zuständigkeit des Senats gegeben ist (dazu § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO). Auch die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO festgesetzte Frist ist mit dem am 3.12.2004 gestellten Antrag eingehalten.
16 
Die Antragstellerin hat auch die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geforderte Antragsbefugnis. Mit dem Hinweis auf den Umstand, dass ihr gegenüber auf der Grundlage der genannten Satzung ein Beitragsbescheid ergangen ist, hat sie nachvollziehbar Tatsachen vorgetragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, sie werde durch die zur Prüfung gestellte Rechtsnorm in ihren subjektiven Rechten verletzt (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - 6 BN 1.05 - NVwZ-RR 2006, 36 f.; v. Albedyll in Bader, VwGO, 3. A., § 47 RdNr. 53 f.).
17 
Auch das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, nachdem der Abgabenbescheid angefochten und über die dagegen erhobene Klage noch nicht abschließend entschieden ist (vgl. dazu Ziekow in Soltan/Ziekow, VwGO, 1998, § 47 RdNr. 135a mN. in FN 5; ferner BVerwG, Urteil v. 23.4.2002 - 4 CN 3.01 - ZfBR 2002, 687).
18 
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. § 11 der Abwasserbeitragssatzung ist nicht wegen der mit dem Normenkontrollantrag vorgetragenen Gründe unwirksam. Auf diese Gründe darf sich der Senat bei der gerichtlichen Kontrolle der Rechtsnorm beschränken (zum Prüfungsumfang BVerwG, Beschl. v. 6.12.2000, UPR 2001, 152; aber auch BVerwG, Urteil v. 17.4.2002, BVerwGE 106, 188 = NVwZ 2002, 1123 - „Fingerspitzengefühl“).
19 
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Beitragskalkulation die Grundlage für den Beschluss des Gemeinderats über den Beitragssatz dar. Die dabei erforderlichen Ermessens- und Prognoseentscheidungen stehen nach dieser Rechtsprechung mit der Entscheidung des Gemeinderats über den Beitragssatz in untrennbarem Zusammenhang. Der Ortsgesetzgeber muss sich deshalb bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz die Globalberechnung in einer auch für das Gericht erkennbaren und nachvollziehbaren Weise zu eigen und damit zur Grundlage seines Satzungsbeschlusses machen. Ist nicht erkennbar und damit auch gerichtlich nicht nachprüfbar, ob und mit welcher Maßgabe im Einzelnen der Gemeinderat das ihm eingeräumte Ermessen bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz ausgeübt hat, so führte dies nach bisheriger Rechtsprechung des Senats regelmäßig zur Ungültigkeit der Festsetzung des Beitragssatzes (vgl. zusammenfassend das Urteil des Senats v. 2.10.1986, ESVGH 37, 29; ferner Urteil v. 20.9.1984, BWGZ 1985, 492 und ständig; zur „vermittelnden“ Kritik s. Birk, SächsStG 1998, 310 ff.; ferner Schoch NVwZ 1990, 801 ff., 808). An dieser Rechtsprechung ist mit Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 17.3.2005 (KAG in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005, GBl. S. 206 - KAG 2005 -) nicht mehr uneingeschränkt festzuhalten. Nach dessen § 2 Abs. 2 Satz 1 sind Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze unbeachtlich, wenn sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Satz 2 der Bestimmung, wonach § 4 Abs. 4 der Gemeindeordnung unberührt bleibt, verdeutlicht, dass in Satz 1 - anders als bei § 4 Abs. 4 GemO - materielle Mängel angesprochen sind. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 belegt aber auch, dass die Beschlussfassung über den Abgabensatz vom Gesetz vorausgesetzt wird, also nicht der Mangel des Beschlusses - bis zu seinem völligen Fehlen - sondern lediglich derjenige b e i der Beschlussfassung angesprochen ist. Der Beschluss zur Kalkulation des Gebührensatzes ist daher ebenso gefordert wie der zur „Globalberechnung“ des Beitragssatzes (zur Maßgeblichkeit des Beschlusses auch auf der Grundlage des allgemeinen Gemeinderechts vgl. Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 1997, § 8 RdNr. 675). Dies verdeutlicht auch die Begründung des Gesetzes, wonach ein wesentlicher Mangel nach der o.a. Rechtsprechung immer dann vorliege, wenn die Kalkulation nicht ansatzfähige Kosten enthalte. Auf die Höhe dieser Kosten - so LT-Drs. 13/3966, Begründung zu § 2 S. 41 - und auf die Auswirkungen auf den Abgabensatz komme es nicht an. In der Regel hätten solche „Kostenüberdeckungen“ keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf die Höhe des Abgabensatzes. Künftig sollten deshalb Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze unbeachtlich sein, die nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Geringfügig dürfe eine Kostenüberdeckung in diesem Sinne sein, wenn das prognostizierte Abgabenaufkommen die prognostizierten ansatzfähigen Kosten um nicht mehr als 5 Prozent übersteige. Auch der Gesetzgeber geht daher davon aus, dass die Beschlussfassung über den Abgabensatz nach wie vor gefordert ist.
20 
Auf einen in diesem Sinne beachtlichen Mangel bei der Beschlussfassung weist der Einwand der Normenkontrolle nicht hin, die frühere Abwasserbeitragssatzung der Antragsgegnerin habe einen geringeren Beitragssatz festgesetzt. Namentlich rechtfertigt er nicht die geltend gemachte Annahme, die auf der Grundlage der jetzt maßgeblichen Satzung erfolgte Heranziehung von Grundstückseigentümern verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn die Heranziehung erfolgt auf jeweils eigenständig berechneten Beitragssätzen und eigenständiger Satzungsgrundlage, denen schon die für die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes vorausgesetzte Vergleichbarkeit fehlt. Auch ist ein Vertrauen der jetzt betroffenen Grundstückseigentümer auf Beibehaltung eines bisher niedrigeren Beitragssatzes nicht schützenswert (dazu BayVGH, Beschl. v. 19.1.1998, NVwZ-RR 1999, 194), zumal die Vorgängersatzung unwirksam gewesen ist, weil ihr - unstreitig - eine Globalberechnung nicht zu Grunde gelegen hat.
21 
Der mit dem Antrag geltend gemachte Mangel an Klarheit und Transparenz der Globalberechnung wegen des Fehlens von Rechnungen zur Erfassung des Anlagevermögens ist nicht festzustellen. Die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit ergeben sich aus dem Zweck der Globalberechnung als Nachweis dafür, dass der Gemeinderat das ihm obliegende Ermessen ordnungsgemäß betätigt und ihm aufgegebene Schätzungen vorgenommen hat. Die Forderung, dazu müssten ihm auch die Einzelrechnungen des Anlagevermögens unterbreitet sein, wird davon nicht erfasst (vgl. im Einzelnen Scholz in Scholz/Sammet/Gössl, Recht und Praxis der Globalberechnung in Bad.-Württ., 1988, S. 22 m.w.N.). Berücksichtigt man die Vielschichtigkeit der Erfassung des Anlagevermögens, der erforderlichen Fortschreibung, Bewertung unter Einbeziehung von Abzugskapitalien u.ä., werden unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität die Nachvollziehbarkeit und eine Prüfungsmöglichkeit durch den Gemeinderat dadurch sichergestellt, dass dem einzelnen Gemeinderat auf Verlangen die über das Anlagevermögen gefertigten Unterlagen zugänglich gemacht werden und zu ihnen Auskunft gegeben wird (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil v. 14.12.1987, EKBW GemO § 34 E 7; ferner OVG MV, Urteil v. 2.6.2004 - 4 K 38/02 - juris - LSe DVBl. 2005, 64). Dass dem Gemeinderat ein solches Recht vorenthalten worden sein könnte, ist nicht erkennbar.
22 
Ohne Auswirkungen auf die Höhe des Beitrags bleibt der Umstand, dass das Anlagevermögen mit dem Ermittlungsstand 31.12.2001 eingestellt, die Globalberechnung im März 2002 (erst) erstellt und der Satzungsbeschluss am 17.12.2002 gefasst worden ist. Da auch das künftige Anlagevermögen in der Globalberechnung zu berücksichtigen ist (und auch hier eingestellt ist, s. etwa S. 15 ff. der Globalberechnung), es daher bei den Gesamtkosten einfließt, ist auszuschließen, dass Anlagevermögen bei den unterschiedlichen Sachständen dem Grunde nach unberücksichtigt bleibt. Dass insoweit Zinsansätze, die - so die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung - vor der endgültigen Herstellung des Anlagegegenstands nicht eingestellt werden, möglicherweise unberücksichtigt geblieben sein könnten, wäre in diesem Zusammenhang ohne weitergehende Auswirkungen auf den Beitragssatz und für den Beitragsschuldner im Übrigen auch nicht belastend.
23 
Die veranschlagten Kosten sind auch auf der Grundlage des Nominalwerts dargestellt, wie die Globalberechnung verdeutlicht (dazu die Erläuterungen zur Globalberechnung S. 2 unter Nr. 3). Dies entspricht der gesetzlichen Vorgabe in § 10 KAG a.F. (zum Erfordernis des nominellen Kostenbegriffs vgl. Senat, Urteil v. 17.11.1988 - 2 S 1324/86 - VBlBW 1989, 65). Nachvollziehbar dargelegt ist entgegen dem Antragsvorbringen auch die Schätzung künftiger Zuschüsse (dazu Teil C Anl. 4, S. 23 der Globalberechnung). Mit dem allgemeinen Hinweis, sie seien lediglich „pauschal“ ausgewiesen und es fehle die Angabe einer Grundlage für die zukünftigen Zuschüsse, wird die Nachvollziehbarkeit des Ansatzes nicht in Zweifel gezogen. Geht es um Schätzungen für die Zukunft, ist deren „Ungewissheit“ in Betracht zu ziehen und auch zu berücksichtigen, dass die Gemeinde hierbei einen gewissen Beurteilungsspielraum besitzt, der den lediglich pauschalen Ansatz rechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil v. 14.5.1990 - 2 S 1372/88 - BWGZ 1990, 655 = VBlBW 1991, 62) sind künftig zu erwartende Zuschüsse von den künftigen Investitionen abzusetzen. Darzulegen ist dabei auch, wenn Zuschüsse nicht mehr erwartet werden. Diesen Anforderungen entspricht die Globalberechnung. So werden bestehende und künftige Zuschüsse ausdrücklich ausgewiesen, letztere allerdings nur für den Bereich der Regenüberlaufbecken erwartet und auch betragsmäßig eingestellt, weil für den Entwässerungsbereich im Übrigen Zuschüsse nicht in Aussicht seien. Damit ist eine nachvollziehbare Übersicht über die Zuschüsse gegeben. Eine nähere Begründung der Höhe und des Grundes für die in die Globalberechnung eingestellten Zuschüsse ist nicht zu fordern (Senat, Urteil v. 15.11.1990 - 2 S 3022/89 - n.v.).
24 
Entgegen der mit dem Normenkontrollantrag geäußerten Ansicht ist auch die Festlegung des Straßenentwässerungskostenanteils nicht zu beanstanden. Weder fehlt es an der erforderlichen Ermessensbetätigung des Gemeinderats noch ist eine Vergleichsberechnung mit Blick auf die Entscheidung zur Ermittlung nach der sog. Zwei- oder der sog. Dreikanalmethode gefordert. Nicht zutreffend ist auch der Einwand, der angewendeten Drei-Kanal-Methode sei eine Berechnung nicht beigefügt, die anhand repräsentativer Straßenzüge zu ermitteln gewesen sei; mangels der Benennung der Straßenzüge sei auch eine sachgerechte Ermessensausübung nicht möglich gewesen.
25 
Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG a.F. bleibt bei den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Teilaufwand außer Betracht, der auf den Anschluss von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen entfällt (schon KAG 78 wie auch bereits KAG 64 forderten die Absetzung dieser Kosten: Senat, Urteil vom 14.5.1990 - 2 S 1372/88 - a.a.O.). Die Bestimmung steht im Zusammenhang mit § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, der allerdings nur Kosten solcher Einrichtungen erfasst, die dem Sammeln und Ab- bzw. Fortleiten des auf den Straßen anfallenden Niederschlagswassers dienen (nicht also deren Reinigung; vgl. BVerwG, Urteil v. 18.4.1986, BWGZ 1986. 396). Dementsprechend muss in einer Globalberechnung ein Straßenentwässerungsanteil auch bei der Reinigung von Abwässern berücksichtigt werden. Der auf die Straßenentwässerung entfallende Kostenanteil ist mangels genauer Ermittlung dabei zu schätzen. Schätzungsgrundlage hierfür sind entsprechende Vergleichsberechnungen, die auf einer sachgerechten Annahme beruhen. Einer konkreten Ermittlung des Straßenentwässerungskostenanteils bedarf es dann nicht, wenn dieser anhand gesicherter Erfahrungswerte geschätzt werden kann (so bereits Senat, Urteil vom 15.9.1988 - 2 S 1671/87 - u. st.).
26 
Sind - wie hier - unterschiedliche Entwässerungssysteme (Trenn- und Mischsystem) vorhanden, hat die Kostenzuordnung regelmäßig getrennt zu erfolgen. Dem wird die Globalberechnung hier gerecht. Dort wird ausdrücklich auf die unterschiedlichen Entwässerungssysteme abgestellt (Globalberechnung S. 4). Ob er sich für die Kostenzuordnung nach der Zwei- oder nach der Dreikanalmethode entscheidet, steht im Ermessen des Gemeinderats; eine Alternativberechnung ist hierfür nicht gefordert (so Beschluss des Senats vom 21.5.1990 - 2 S 3285/89 -). Ausreichend wäre auch ein Rückgriff auf eine allgemein anerkannte Schätzung (dazu Senat, Urteil v. 22.11.1990 - 2 S 696/89 - BWGZ 1991, 215). Auch auf das Auswahlermessen, das dem Gemeinderat bei der Entscheidung über die Berechnungsmethode zusteht, wird in der Globalberechnung hingewiesen (Globalberechnung a.a.O. und S. 10).
27 
Dass der angewendeten Drei-Kanal-Methode eine Berechnung anhand repräsentativer Straßenzüge (vgl. dazu Scholz a.a.O. S. 55; ferner Gössl, Abwasserbeitrag und Wasserversorgungsbeitrag nach dem KAG, 1994, S. 37) nicht beigefügt gewesen sei, ist nicht zutreffend. Zwar wird in der Globalberechnung selbst (lediglich) dargelegt, dass nach dem Drei-Kanal-Modell eine Berechnung des Straßenentwässerungskostenanteils anhand von drei Gebieten für die Mischwasserkanalisation und anhand von zwei Gebieten für den Regenwasserkanal des Trennsystems durchgeführt worden sei. Indes wird in der Beschlussvorlage vom 28.10.2002 auf eine „vorhandene“ Berechnung nach der Drei-Kanal-Modellberechnung abgestellt. Damit wird ersichtlich auf die Modellberechnung des Ingenieurbüros, das auch die Globalberechnung erstellt hat, Bezug genommen. Diese im Juli 2000 durchgeführte Berechnung weist namentlich fünf Gebiete aus, drei als Grundlage für das im Gebiet der Antragsgegnerin vorhandene Mischsystem, zwei für das weiter vorhandene Trennsystem. Sie sind „repräsentativ“, weil mit der Berechnung sowohl dem jeweiligen Gebietscharakter eines „innerörtlichen Kerngebiets mit verdichteter Bebauung“ und dem eines “Wohngebiets“ als auch dem eines „Gewerbegebiets“ Rechnung getragen wird.
28 
Mängel ergeben sich allerdings aus der Flächenermittlung der Globalberechnung, wie mit dem Antrag hervorgehoben wird. Die Antragsgegnerin räumt ein, dass die mit dem Antrag aufgezeigten Flächen teilweise nicht eingestellt und daher unberücksichtigt geblieben sind (zur Größenordnung noch unten).
29 
Die mit dem Antrag angeführten Flächen, die in die Globalberechnung nicht eingestellt sind, sind weitgehend solche, die im o.a. Entwurf des Flächennutzungsplans - FlNPl-E 2001 - ausgewiesen sind. Ob sie als lediglich im Entwurf eines solchen Plans ausgewiesene Flächen überhaupt bei der Beitragskalkulation zu berücksichtigen sind, ist zwischen den Beteiligten streitig und hängt von der Frage ab, welche Reichweite einer „Entwurfsplanung“ im Rahmen der Globalberechnung zukommt. Der Entwurf eines Flächennutzungsplans entfaltet keine dem Flächennutzungsplan selbst zukommende Wirkung (vgl. dazu Löhr in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl., § 5 RdNrn 1 ff., m.w.N.). Jener wird erst wirksam mit der Bekanntgabe seiner Genehmigung (§ 6 Abs. 5 Satz 2 BauGB), die hier noch nicht erteilt ist. Für die Globalberechnung ist der Stand der Entwurfsplanung jedoch von Bedeutung, wenn er im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gemeinderats über den Beitragssatz die Aussage erlaubt, die betroffenen Flächen seien - einer verbindlichen Planungsabsicht der Gemeinde entsprechend - im Zeitraum der Globalberechnung an die öffentliche Einrichtung anzuschließen. Dies ist hier der Fall. Der genannte Entwurf geht auf einen Beschluss des Gemeinderats zurück und verdeutlicht damit die von der Gemeinde geäußerte planerische Absicht zur künftigen, einen Anschluss fordernden Entwicklung des betroffenen Gemeindegebiets. Mit dieser Zweckrichtung war der Entwurf deshalb auch in der Globalberechnung zu berücksichtigen, ungeachtet dessen, dass der Flächennutzungsplan noch nicht genehmigt ist, außerdem fraglich ist, ob er „so“ auch genehmigt werden kann, und auch ungeachtet des jetzt vorgetragenen Umstands, dass die im Entwurf enthaltene Planung bereits wieder nach den neueren, allerdings nicht planungsgemäß festgelegten Vorstellungen der Gemeinde Änderungen erfahren soll. Letzterem dürfte ohnehin durch eine Änderung des Entwurfs oder eine Neuplanung - möglicherweise auch verbunden mit einer neuen Beitragskalkulation - Rechnung zu tragen sein. Auch der Planungszeitraum für Flächennutzungsplanentwurf und Globalberechnung ist hier weitgehend deckungsgleich. Demnach ist hinsichtlich solcher Teilflächen, die im Entwurf des Flächennutzungsplans ausgewiesen, in der Globalberechnung jedoch nicht eingestellt sind, davon auszugehen, dass die Flächenseite der Globalberechnung insoweit unvollständig und daher fehlerhaft ist.
30 
Nach dem Antragsvorbringen und den unwidersprochen gebliebenen - und auch nach den vorliegenden Plänen nachvollziehbaren - Angaben der Antragsgegnerin geht es um die nachfolgenden Nutzungsflächen.
31 
Im Lageplan Nr. 1 (Karte Nr. 4) wird das Fehlen von Flächen für ein Wohngebiet gerügt, das sowohl im FlNPl 83 als auch im FlNPl-E 2001 vorgesehen sei. Dies ist zwar zutreffend, diese Flächen erscheinen indes in der Flächenliste der Globalberechnung (S. 50) unter den Nrn. 429 bis 438 und sind daher in die Berechnung eingegangen.
32 
Im Lageplan Nr. 2 (Karte Nr. 2 und Nr. 5) fehlt zwar ein im FlNPl 83 ausgewiesenes großflächiges Gartenhausgebiet. Dies ist indes deshalb nicht zu beanstanden, weil eine Entwässerung des Gartenhausgebiets über die Entwässerungseinrichtungen der Antragsgegnerin nicht vorgesehen ist. Entsprechend ist dieses Gebiet auch nicht mehr im FlNPl-E 2001 vorgesehen, wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorträgt. Allerdings fehlt auch nach deren Angabe die Übernahme einer „gemischten Baufläche“ aus dem genannten Entwurf mit einer Nutzungsfläche von 10.785 qm.
33 
Dass im Lageplan Nr. 6 (Karten Nr. 7/8) die im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohnfläche fehlt, ist gleichfalls unschädlich. Diese Fläche ist als Gewerbefläche (Globalberechnung S. 78 unter DW 512) aufgenommen - entsprechend der planerischen Absicht der Antragsgegnerin. Ein Ermittlungsfehler lässt sich demnach nicht feststellen. Dies gilt auch mit Blick auf den Hinweis im Antrag, im Lageplan Nr. 9 (Karte: Anlage 4) fehle ein im FlNPl ausgewiesenes Gartenhausgebiet. Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass auch dieses Gartenhausgebiet nicht an die öffentliche Einrichtung angeschlossen wird und deshalb auch nicht in der Globalberechnung zu berücksichtigen war. Allerdings ist das gleichfalls dort ausgewiesene Wohngebiet nicht eingestellt, das eine Nutzungsfläche von 27.288 qm aufweist.
34 
Bestätigt findet sich die Annahme, im Lageplan Nr. 10 (Karte: Anlage 8) fehlten das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Gewerbegebiet und die mit dem Antrag angeführten beiden Wohngebiete. Auch sei das im FlNPl 1983 sowie im FlNPl-E ausgewiesene Wohngebiet „Auf dem Berg“ in diesem Lageplan nicht bezeichnet. Diesem Gewerbegebiet ist eine Nutzungsfläche von 26.900 qm zuzuordnen, den beiden Wohngebieten (4.517 qm und 26.380 qm) eine solche von insgesamt 30.897 qm.
35 
Das mit dem Antrag angeführte Wohngebiet „Auf dem Berg“ (Lageplan 11; Karte Anlage 9) ist zwar zeichnerisch nicht zutreffend erfasst, jedoch in der Flächenzusammenstellung der Globalberechnung berücksichtigt (dort S. 97, WÜ 96 bis 99).
36 
Schließlich trifft auch die Rüge teilweise zu, der Lageplan Nr. 12 enthalte das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohngebiet im Bereich des Hohlwegs nicht. In der Globalberechnung eingestellt ist dafür zwar eine Nutzungsfläche von 11.265 qm (S. 90, HW 72). Indes ist die weitere Nutzungsfläche von 12.110 qm unberücksichtigt geblieben, wie die Antragsgegnerin einräumt.
37 
Dass die Flächenermittlung wegen der fehlerhaft nicht berücksichtigten Nutzungsflächen dennoch nicht zu beanstanden sei, weil es unwahrscheinlich sei, dass ein Anschluss der im FlNPl-E 2001 ausgewiesen Bauflächen an die öffentliche Einrichtung auch innerhalb des Zeitraums bis 2014 uneingeschränkt erfolgen könne, ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht zutreffend. Denn die für die Globalberechnung maßgeblichen Flächen sind - wie dargelegt - die als anzuschließend geplanten, und zwar im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Beitragssatz. Daher bleibt auch der Einwand der Antragsgegnerin unbeachtlich, „zwischenzeitlich“ seien die Planungen für das Gewerbegebiet im Lageplan 10 (Karte Anlage 8) so weit fortgeschritten, dass es um 50 % reduziert werden könne. Mit Blick auf dieses Gewerbegebiet ist dementsprechend die Angabe der Antragsgegnerin zur Nutzungsfläche um die für dieses Gebiet angesetzte zu verdoppeln. Einzustellen in den „Fehlbetrag“ sind daher weitere 26.900 qm Nutzfläche. Festzuhalten ist somit nach allem, dass Nutzungsflächen in einer Größe von 134.880 qm fehlerhaft nicht berücksichtigt worden sind.
38 
Indes führt dieser Fehler der Globalberechnung nicht zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes. Denn er ist nach o.a. Bestimmung in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 als Mangel bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz unbeachtlich. Er führt - wenn überhaupt - allenfalls zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung.
39 
Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 ist im vorliegenden Verfahren anzuwenden. Denn nach § 49 Abs. 1 Satz 1 KAG 2005 gilt sie auch für Abgabensätze, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes beschlossen worden sind. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese gesetzliche Regelung bestehen nicht.
40 
Eine gesetzliche Regelung über die Rechtsfolge von (materiell-rechtlichen) Fehlern bei Rechtsnormen muss nicht regelmäßig in die Feststellung der Nichtigkeit derart fehlerhafter Normen münden.
41 
Die Verfassung enthält keine ausdrückliche Aussage zur zwingenden Nichtigkeit rechtswidriger Normen; als Folge anderer verfassungsrechtlicher Grundsätze - etwa der Gesetzesbindung der Richter oder des Rechtsstaatsprinzips - ist sie nicht gefordert. Sie ist auch kein Gebot der Logik (vgl. dazu Peine, NVwZ 1989, 637, 639; ferner Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O. Vorb. §§ 214-216, RdNr. 8: Berechtigung des Gesetzgebers zur Beschränkung des Nichtigkeitsdogmas bei städtebaulichen Satzungen; ferner Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 47, RdNrn. 127 ff., 129; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, 2001, § 214 RdNr. 146 - jeweils m.w.N.; allg. zum Nichtigkeitsdogma Sendler, DVBl. 2005, 659 ff.). Sie unterliegt daher als Fehlerfolge der gesetzgeberischen Entscheidung (vgl. auch BVerwG, Urteil v. 29.9.2004, DVBl. 2005, 255), die allerdings ihrerseits verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen muss. Ihnen widerspricht es nicht, wenn der Gesetzgeber nicht die Rechtswidrigkeit der fehlerhaften Norm beseitigt, sondern an diese Rechtswidrigkeit anknüpfend deren Folgen einschränkend regelt. Dabei ist auch die Beschränkung der richterlichen Kontrollbefugnis durch diese gesetzgeberische Regelung im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG als verfassungsrechtlich unbedenklich zu beurteilen (so für die vergleichbare Bestimmung in § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB bzw. § 115a BBauG BVerwG, Urteil v. 21.8.1981, BVerwGE 64, 33, 36 ff.). Die Bestimmung in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 mit der angeordneten Unbeachtlichkeitsfolge ist daher zulässig. Sie ist namentlich auch nicht mit Blick auf den (auch verfassungsrechtlich begründeten) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beanstanden, da sie sich auf die Unbeachtlichkeit lediglich „geringfügiger“ Kostenüberdeckungen beschränkt.
42 
Allerdings besitzt diese Fehlerfolgenregelung auch Rückwirkung, da § 49 Abs. 1 KAG 2005 die Anwendung von § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 auch auf Abgabensätze erstreckt, die vor In-Krafttreten dieser Bestimmung beschlossen worden sind.
43 
Die Tragweite dieser Regelung beschränkt sich - allgemeinen Grundsätzen über die Satzungsgeltung folgend - auf die Abgabensätze, die in jetzt noch geltenden Satzungen enthalten sind. Frühere Satzungen, die ihrerseits durch Änderungssatzungen nach dem Grundsatz „lex posterior derogat legi priori “ regelmäßig außer Kraft treten, werden von § 49 Abs. 1 KAG 2005 nicht erfasst. Auch ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Satzungsgeber eine Vorgängersatzung aufgehoben wissen will, wenn er eine frühere Satzung ersetzt oder eine neue Satzung beschließt (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil v. 10.8.1990 - 4 C 3.90 - NVwZ 1991, 673). Die danach noch „verbleibende“ Rückwirkung des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 auf Beschlüsse über Abgabensätze, die zwar vor In-Kraft-Treten des KAG 2005 (grundsätzlich) am 31.3.2005 (dazu Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des o.a. Gesetzes) gefasst worden sind, aber jetzt noch gelten, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
44 
Mit Blick auf das für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Rückwirkung von Gesetzen maßgebliche, aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Rechtsstaatsprinzip (dazu Herzog in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VII RdNr. 65) bedarf die Anordnung von Rechtsfolgen für die Vergangenheit besonderer Rechtfertigung (dazu BVerfGE 97, 67 f., m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte Rückwirkung) vor allem an den rechtsstaatlichen Grundsätzen, namentlich an Vertrauensschutz und Rechtssicherheit, zu messen (vgl. etwa BVerfGE 72, 200, 242 f.; 78, 249, 284 f. und st.), während die tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) weniger strengen Beschränkungen als die Rückbewirkung unterliegt und vorrangig an den Grundrechten zu messen ist (vgl. BVerfGE 83, 89, 109 f.; 97, 67, 79 ff. m. Anm. Rensmann JZ 1999, 168). Um Letztere geht es hier, da die Norm den Eintritt ihrer Rechtsfolge von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht und auf in der Vergangenheit begründete, auf Dauer angelegte und noch nicht abgeschlossene - bereits vor der Verkündung der Rechtsnorm „ins Werk gesetzte“ - Sachverhalte und Rechtsbeziehungen einwirkt (vgl. dazu etwa BVerfGE 72, 200, 241 f.; BVerfGE 79, 29, 45 f.). Durch die „Unbeachtlichkeitsfolge“ wird auch die Erwartung, die bisherige richterliche Kontrollbefugnis mit der Folge der „Nichtigkeitsfeststellung“ bleibe bestehen, enttäuscht.
45 
In Blick zu nehmen ist dabei namentlich der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, der mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang zu bringen ist (vgl. BVerfGE 92, 277, 344). Die dabei aufgeworfene Frage nach der Tragweite des Schutzes dieses Vertrauens ist daher zugleich auch eine solche nach der Verhältnismäßigkeit des rückwirkenden Grundrechtseingriffs (BVerfGE 95, 64, 86). Im Unterschied zur echten Rückwirkung ist bei der Rückanknüpfung das den rückwirkenden Eingriff rechtfertigende öffentliche Interesse nicht auf „zwingende Gründe des Gemeinwohls“ beschränkt, sondern umfasst jeden legitimen öffentlichen Zweck. Ist dieser gegeben, ist die Rückanknüpfung „grundsätzlich zulässig“ (so BVerfGE 95, 64, 86; 97, 271, 289); sie ist es auch dann, wenn das genannte Interesse das schutzwürdige Vertrauen des Betroffenen überwiegt (so etwa BVerfGE 88, 384, 406).
46 
Dass mit der Rückwirkungsanordnung - und nur sie ist Gegenstand der Betrachtung - ein legitimer Zweck verfolgt wird, erhellt die Gesetzesbegründung nicht, die zu § 49 Abs. 1 KAG 2005 lediglich den Normwortlaut wiedergibt (dazu LT-Drs. 13/3966, S. 65). Erkennbar wird aber der Zweck, bisher beschlossenes Satzungsrecht zu erhalten, und zwar in den Grenzen, wie sie in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 vorgegeben sind. Damit wird rückwirkend nicht auf den Rechtsschutz des Bürgers eingewirkt, sondern dessen Erfolg an (einschränkenden) materiell-rechtlichen Vorgaben ausgerichtet. Das Vertrauen darauf, auch bei schon vor In-Kraft-treten der rückwirkenden Norm ergangenen Satzungen die Nichtigkeitsfolge durch ein Rechtsmittel erreichen zu können, ist dem Grunde nach nicht schutzwürdig. Denn die Nichtigkeit tritt nicht auf Grund des gerichtlichen Ausspruchs ein, sondern ist allein Folge des materiellen Rechts (vgl. dazu Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. A., § 38 RdNr. 48). Dieses Vertrauen überwiegt daher auch dann nicht das öffentliche Interesse an einem „Satzungserhalt“ durch Rückanknüpfung, wenn das Rechtsschutzverfahren - wie hier - schon eingeleitet ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Verfahrensordnung eine dem Interesse des Betroffenen entsprechende, zumutbare „Lösung“ anbietet, wie etwa die Möglichkeit, als Folge der Rechtsänderung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären (vgl. § 161 Abs. 2 VwGO). Sie ist auch im Verfahren der Normenkontrolle (§ 47 VwGO) eröffnet (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 14. A. § 161 RdNr. 8 m.w.N.). Nach Auffassung des Senats ergibt die hier gebotene Abwägung ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an dem Aufrechterhalten von Satzungsbeschlüssen, die zwar vor In-Kraft-Treten des Gesetzes ergangen, gegenwärtig aber noch wirksam sind, gegenüber der Erwartung des Betroffenen, auch künftig unter allen Umständen die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit einer für fehlerhaft erachteten Abgabensatzung zu erlangen. Dass - unabhängig davon - sich das Vertrauen auch mit Blick auf die seit Jahren geführte Diskussion über die o.a. satzungsrechtlichen Fehlerfolgen verringert haben muss, wie dies in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden ist, dürfte zudem die Bedeutung der Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens mindern.
47 
Nach dem Wortlaut des danach auch im vorliegenden Fall maßgeblichen § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 soll ein solcher Mangel dann nicht zur Unwirksamkeit der satzungsrechtlichen Bestimmung über den Beitragssatz führen, wenn er zu einer nur geringfügigen Kostenüberdeckung führt. Offen kann im vorliegenden Fall bleiben, ob das Gesetz damit lediglich solche - wie dargelegt - materiellen Mängel erfasst, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über den Beitragssatz stehen, oder auch Mängel einschließt, die - wie etwa ein solcher bei der satzungsrechtlichen Bestimmung der dem Beitrag zu Grunde gelegten Einrichtung - nicht unmittelbar dieser Beschlussfassung zuzuordnen sind, sondern sich nur mittelbar auf den Beitragssatz auswirken (vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 29.9.2004, a.a.O.: Verstoß gegen Bestimmung des landesrechtlichen Einrichtungsbegriffs führt zu einem beachtlichen Rechtsfehler, dem nicht mit dem Einwand begegnet werden kann, der Beitrag sei unerheblich höher; ferner BVerwG, Urteil v. 17.4.2002, BVerwGE 116, 188: die „Ergebnis-Rechtsprechung“ gelte nur für den Bereich der Kostenkalkulation, nicht für sonstige Rechtsvorschriften der Beitragssatzung). Denn die hier in Rede stehende Fehlerhaftigkeit der Flächenermittlung ist jedenfalls unmittelbar dem Rechenvorgang über den Abgabensatz und damit der Beschlussfassung über den Beitragssatz zuzuordnen und damit ein „Mangel“ im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005.
48 
Dieser Mangel ist aber aus Rechtsgründen unbeachtlich, da er - wenn überhaupt - allenfalls zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führt. Mit dem Abstellen auf die Kostenüberdeckung gibt das Gesetz vor, dass es für deren Bestimmung auf den Vergleich der ordnungsgemäß zu kalkulierenden Kostenobergrenze mit der tatsächlich kalkulierten Kostenobergrenze ankommt (vgl. zur Differenzbetrachtung auch Birk, Die Unbeachtlichkeit von Fehlerfolgen in Abgabenkalkulationen, demn. in Heft 4 VBlBW 2006, 138 ff.). Wie für das „Verbot der Kostenüberdeckung (Kostendeckungsgrundsatz)“ ist daher darauf abzustellen, in welchem Umfang das Beitrags-(Abgaben)aufkommen die beitrags-(ansatzfähigen)fähigen Herstellungskosten übersteigt (vgl. Scholz, a.a.O., S. 9, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies kommt auch in der o.a. Gesetzesbegründung zum Ausdruck, wonach als geringfügig eine Kostenüberdeckung in diesem Sinne anzusehen sei, wenn das prognostizierte Abgabenaufkommen die prognostizierten ansatzfähigen Kosten um nicht mehr als 5 Prozent übersteige (LT-Drs. 13/3966, S. 42). Sind Mängel bei der Beschlussfassung über den Abgabensatz - namentlich solche auf der Kostenseite der Globalberechnung - von vornherein nicht geeignet, zu einer (beachtlichen) Kostenüberdeckung zu führen, so folgt aus § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005, dass sie bereits dem Grunde nach nicht zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses über den Beitragssatz führen können (dazu demn. Birk, a.a.O.).
49 
Ob die Kostendeckungsgrenze eingehalten oder lediglich geringfügig überschritten ist, richtet sich nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Abgabensatz. Nach diesem Zeitpunkt eintretende Umstände bleiben regelmäßig unberücksichtigt. Denn bei der Beschlussfassung durch den Gemeinderat sind mannigfaltige Prognose- und Ermessensentscheidungen zu treffen, die durch nachträgliche „Erkenntnisse“ nicht mehr beeinflusst werden. Namentlich Prognosen können sich im Nachhinein als fehlerhaft erweisen, ohne dass damit zugleich die Aussage zu verbinden wäre, sie seien auch bei ihrem Ergehen fehlerhaft gewesen (dazu bereits BVerwG, Urteil v. 7.7.1978, BVerwGE 56, 110 und Urteil v. 26.3.1981, BVerwGE 62, 86, 108). Zudem ist das Kostendeckungsprinzip „Veranschlagungsmaxime“ (vgl. dazu Senat, Urteil v. 27.1.2000 - 2 S 1621/97 - NVwZ-RR 2000, 710, 712), die weitgehend auf Vorausberechnungen beruht, wie sie sich zu Beginn eines Veranlagungszeitraums bzw. einer Rechnungsperiode darstellen. Auch dies führt in aller Regel dazu, bei der Feststellung, wie die ordnungsgemäße Kalkulation ausgefallen wäre, auf die für den Zeitpunkt der Beschlussfassung zutreffenden Ansätze abzustellen (s. dazu auch demnächst Birk a.a.O., mit Hinweis auf die Besonderheit bei § 20 Abs. 1 Satz 3 KAG 2005).
50 
Die mit Blick auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung vorzunehmende Betrachtung im vorliegenden Fall führt zu der Annahme, dass eine Kostenüberdeckung allenfalls geringfügig wäre. Die Überdeckung stellt sich (alternativ) wie folgt dar:
51 
Beitragsfähige Kosten: Beitragssatz x Nutzungsflächen Kostendeckung
286.449.278 11,52 (berechnet) 24.857.975 (alt) 286.363.872
11,00 (beschlossen) 24.857.975 273.437.725
11,52 24.992.855 (neu) 287.917.689
11,00 24.992.855 274.921.405
52 
Die fehlerhafte Flächenermittlung führt hier lediglich bei Zugrundelegen des „berechneten“ Abgabensatzes zu einer Kostenüberdeckung, die allerdings - da geringfügig - auch unbeachtlich wäre.
53 
„Geringfügig“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht etwa wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig ist. Diese darf durch Auslegung erreicht werden, die dem Rechtsbegriff die im jeweiligen Sachzusammenhang angemessene Regelungsdichte vermittelt und daher geeignet ist, eine willkürliche Handhabung auszuschließen (vgl. dazu etwa Reif, Erschließungsbeitragsrecht nach dem BauGB, 1999, 5.5.1.2, S. 263, m.w.N.). Der Sachzusammenhang ergibt sich aus Wortlaut, Stellung im Gesetz und dessen Zweck (dazu BVerwG, Urteil v. 17.7.1998, BVerwGE 107, 164 f.). Letzterer ist - wie dargelegt - auf einen „Satzungserhalt“ ausgerichtet ist (dazu die Amtliche Begründung LT-Drs. 13/3966, S. 40 f.). Ist - wie hier - die gesetzliche Regelung als Einschränkung der „Nichtigkeitsfolge“ und als Anordnung der Unbeachtlichkeit eines Satzungsfehlers nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen, ist zudem bei der (zweckgerichteten) Auslegung zu berücksichtigen, dass sich auch aus der Sicht des Betroffenen die Kostenüberdeckung als zumutbare Belastung, da nicht ins Gewicht fallend, darstellen muss.
54 
In der Rechtsprechung ist die Geringfügigkeitsgrenze für eine Kostenüberdeckung - auch bezogen auf den jeweiligen Sachbereich - unterschiedlich bestimmt worden. Für das Gebührenrecht wird die Grenze der Geringfügigkeit - bezogen auf den Gesamtaufwand - etwa mit 3 % angenommen (so OVG NW, Urteil vom 13.4.2005, NWVBl. 2006, 17, 20). Mit Blick auf Beiträge bezeichnet der Bayerische VGH (etwa Urteil v. 20.12.1991 - 23 B 90.3449 und 3451, VGHE 45, 20 f.) eine Überdeckung als „hinnehmbar“, wenn sie weniger als 10 % betrage. Diese Grenze zieht auch das OVG Nordrhein-Westfalen (vgl. etwa Urteil v. 2.6.1995, NVwZ-RR 1996, 697). Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) zum Ausdruck gebracht, dass er eine Kostenüberdeckung von 5 % für geringfügig hält. Der letztlich für § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 maßgebliche Umfang der Kostenüberdeckung, der die Annahme einer Geringfügigkeit noch erlaubt, muss im vorliegenden Fall aber nicht abschließend bestimmt werden. Denn die hier in Rede stehende Kostenüberdeckung erweist sich als offensichtlich geringfügig, da sie ersichtlich nicht ins Gewicht fällt, sie auch erkennbar unter der jeweils von der o.a. Rechtsprechung als geringfügig anerkannten Grenze und auch unter dem der Gesetzesbegründung zu Grunde gelegten Wert liegt. Sieht man den in der Globalberechnung angesetzten Betrag von 286.449.278 Euro als kostendeckend an, beträgt die Überdeckung allenfalls etwa 0,6 %. Sie ist in dieser Größenordnung jedenfalls geringfügig und hat im Übrigen auf den Beitragssatz keinen Einfluss, der rechnerisch Euro 11,456083 betragen würde, von der Antragsgegnerin aber ohnehin mit lediglich 11,00 Euro festgesetzt ist. Der Beitragssatz in § 11 AbwS 2002 ist nach allem nicht zu beanstanden.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Gründe

 
14 
Der Antrag ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
15 
Bei der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Abwasserbeiträgen vom 17.12.2002 (in der Fassung der Änderungssatzung vom 14.3.2004 - im Folgenden AbwS 2002 -) handelt es sich um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsnorm, für deren gerichtliche Prüfung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet und die Zuständigkeit des Senats gegeben ist (dazu § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO). Auch die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO festgesetzte Frist ist mit dem am 3.12.2004 gestellten Antrag eingehalten.
16 
Die Antragstellerin hat auch die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geforderte Antragsbefugnis. Mit dem Hinweis auf den Umstand, dass ihr gegenüber auf der Grundlage der genannten Satzung ein Beitragsbescheid ergangen ist, hat sie nachvollziehbar Tatsachen vorgetragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, sie werde durch die zur Prüfung gestellte Rechtsnorm in ihren subjektiven Rechten verletzt (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - 6 BN 1.05 - NVwZ-RR 2006, 36 f.; v. Albedyll in Bader, VwGO, 3. A., § 47 RdNr. 53 f.).
17 
Auch das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, nachdem der Abgabenbescheid angefochten und über die dagegen erhobene Klage noch nicht abschließend entschieden ist (vgl. dazu Ziekow in Soltan/Ziekow, VwGO, 1998, § 47 RdNr. 135a mN. in FN 5; ferner BVerwG, Urteil v. 23.4.2002 - 4 CN 3.01 - ZfBR 2002, 687).
18 
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. § 11 der Abwasserbeitragssatzung ist nicht wegen der mit dem Normenkontrollantrag vorgetragenen Gründe unwirksam. Auf diese Gründe darf sich der Senat bei der gerichtlichen Kontrolle der Rechtsnorm beschränken (zum Prüfungsumfang BVerwG, Beschl. v. 6.12.2000, UPR 2001, 152; aber auch BVerwG, Urteil v. 17.4.2002, BVerwGE 106, 188 = NVwZ 2002, 1123 - „Fingerspitzengefühl“).
19 
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Beitragskalkulation die Grundlage für den Beschluss des Gemeinderats über den Beitragssatz dar. Die dabei erforderlichen Ermessens- und Prognoseentscheidungen stehen nach dieser Rechtsprechung mit der Entscheidung des Gemeinderats über den Beitragssatz in untrennbarem Zusammenhang. Der Ortsgesetzgeber muss sich deshalb bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz die Globalberechnung in einer auch für das Gericht erkennbaren und nachvollziehbaren Weise zu eigen und damit zur Grundlage seines Satzungsbeschlusses machen. Ist nicht erkennbar und damit auch gerichtlich nicht nachprüfbar, ob und mit welcher Maßgabe im Einzelnen der Gemeinderat das ihm eingeräumte Ermessen bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz ausgeübt hat, so führte dies nach bisheriger Rechtsprechung des Senats regelmäßig zur Ungültigkeit der Festsetzung des Beitragssatzes (vgl. zusammenfassend das Urteil des Senats v. 2.10.1986, ESVGH 37, 29; ferner Urteil v. 20.9.1984, BWGZ 1985, 492 und ständig; zur „vermittelnden“ Kritik s. Birk, SächsStG 1998, 310 ff.; ferner Schoch NVwZ 1990, 801 ff., 808). An dieser Rechtsprechung ist mit Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 17.3.2005 (KAG in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005, GBl. S. 206 - KAG 2005 -) nicht mehr uneingeschränkt festzuhalten. Nach dessen § 2 Abs. 2 Satz 1 sind Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze unbeachtlich, wenn sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Satz 2 der Bestimmung, wonach § 4 Abs. 4 der Gemeindeordnung unberührt bleibt, verdeutlicht, dass in Satz 1 - anders als bei § 4 Abs. 4 GemO - materielle Mängel angesprochen sind. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 belegt aber auch, dass die Beschlussfassung über den Abgabensatz vom Gesetz vorausgesetzt wird, also nicht der Mangel des Beschlusses - bis zu seinem völligen Fehlen - sondern lediglich derjenige b e i der Beschlussfassung angesprochen ist. Der Beschluss zur Kalkulation des Gebührensatzes ist daher ebenso gefordert wie der zur „Globalberechnung“ des Beitragssatzes (zur Maßgeblichkeit des Beschlusses auch auf der Grundlage des allgemeinen Gemeinderechts vgl. Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 1997, § 8 RdNr. 675). Dies verdeutlicht auch die Begründung des Gesetzes, wonach ein wesentlicher Mangel nach der o.a. Rechtsprechung immer dann vorliege, wenn die Kalkulation nicht ansatzfähige Kosten enthalte. Auf die Höhe dieser Kosten - so LT-Drs. 13/3966, Begründung zu § 2 S. 41 - und auf die Auswirkungen auf den Abgabensatz komme es nicht an. In der Regel hätten solche „Kostenüberdeckungen“ keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf die Höhe des Abgabensatzes. Künftig sollten deshalb Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze unbeachtlich sein, die nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen. Geringfügig dürfe eine Kostenüberdeckung in diesem Sinne sein, wenn das prognostizierte Abgabenaufkommen die prognostizierten ansatzfähigen Kosten um nicht mehr als 5 Prozent übersteige. Auch der Gesetzgeber geht daher davon aus, dass die Beschlussfassung über den Abgabensatz nach wie vor gefordert ist.
20 
Auf einen in diesem Sinne beachtlichen Mangel bei der Beschlussfassung weist der Einwand der Normenkontrolle nicht hin, die frühere Abwasserbeitragssatzung der Antragsgegnerin habe einen geringeren Beitragssatz festgesetzt. Namentlich rechtfertigt er nicht die geltend gemachte Annahme, die auf der Grundlage der jetzt maßgeblichen Satzung erfolgte Heranziehung von Grundstückseigentümern verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn die Heranziehung erfolgt auf jeweils eigenständig berechneten Beitragssätzen und eigenständiger Satzungsgrundlage, denen schon die für die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes vorausgesetzte Vergleichbarkeit fehlt. Auch ist ein Vertrauen der jetzt betroffenen Grundstückseigentümer auf Beibehaltung eines bisher niedrigeren Beitragssatzes nicht schützenswert (dazu BayVGH, Beschl. v. 19.1.1998, NVwZ-RR 1999, 194), zumal die Vorgängersatzung unwirksam gewesen ist, weil ihr - unstreitig - eine Globalberechnung nicht zu Grunde gelegen hat.
21 
Der mit dem Antrag geltend gemachte Mangel an Klarheit und Transparenz der Globalberechnung wegen des Fehlens von Rechnungen zur Erfassung des Anlagevermögens ist nicht festzustellen. Die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit ergeben sich aus dem Zweck der Globalberechnung als Nachweis dafür, dass der Gemeinderat das ihm obliegende Ermessen ordnungsgemäß betätigt und ihm aufgegebene Schätzungen vorgenommen hat. Die Forderung, dazu müssten ihm auch die Einzelrechnungen des Anlagevermögens unterbreitet sein, wird davon nicht erfasst (vgl. im Einzelnen Scholz in Scholz/Sammet/Gössl, Recht und Praxis der Globalberechnung in Bad.-Württ., 1988, S. 22 m.w.N.). Berücksichtigt man die Vielschichtigkeit der Erfassung des Anlagevermögens, der erforderlichen Fortschreibung, Bewertung unter Einbeziehung von Abzugskapitalien u.ä., werden unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität die Nachvollziehbarkeit und eine Prüfungsmöglichkeit durch den Gemeinderat dadurch sichergestellt, dass dem einzelnen Gemeinderat auf Verlangen die über das Anlagevermögen gefertigten Unterlagen zugänglich gemacht werden und zu ihnen Auskunft gegeben wird (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil v. 14.12.1987, EKBW GemO § 34 E 7; ferner OVG MV, Urteil v. 2.6.2004 - 4 K 38/02 - juris - LSe DVBl. 2005, 64). Dass dem Gemeinderat ein solches Recht vorenthalten worden sein könnte, ist nicht erkennbar.
22 
Ohne Auswirkungen auf die Höhe des Beitrags bleibt der Umstand, dass das Anlagevermögen mit dem Ermittlungsstand 31.12.2001 eingestellt, die Globalberechnung im März 2002 (erst) erstellt und der Satzungsbeschluss am 17.12.2002 gefasst worden ist. Da auch das künftige Anlagevermögen in der Globalberechnung zu berücksichtigen ist (und auch hier eingestellt ist, s. etwa S. 15 ff. der Globalberechnung), es daher bei den Gesamtkosten einfließt, ist auszuschließen, dass Anlagevermögen bei den unterschiedlichen Sachständen dem Grunde nach unberücksichtigt bleibt. Dass insoweit Zinsansätze, die - so die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung - vor der endgültigen Herstellung des Anlagegegenstands nicht eingestellt werden, möglicherweise unberücksichtigt geblieben sein könnten, wäre in diesem Zusammenhang ohne weitergehende Auswirkungen auf den Beitragssatz und für den Beitragsschuldner im Übrigen auch nicht belastend.
23 
Die veranschlagten Kosten sind auch auf der Grundlage des Nominalwerts dargestellt, wie die Globalberechnung verdeutlicht (dazu die Erläuterungen zur Globalberechnung S. 2 unter Nr. 3). Dies entspricht der gesetzlichen Vorgabe in § 10 KAG a.F. (zum Erfordernis des nominellen Kostenbegriffs vgl. Senat, Urteil v. 17.11.1988 - 2 S 1324/86 - VBlBW 1989, 65). Nachvollziehbar dargelegt ist entgegen dem Antragsvorbringen auch die Schätzung künftiger Zuschüsse (dazu Teil C Anl. 4, S. 23 der Globalberechnung). Mit dem allgemeinen Hinweis, sie seien lediglich „pauschal“ ausgewiesen und es fehle die Angabe einer Grundlage für die zukünftigen Zuschüsse, wird die Nachvollziehbarkeit des Ansatzes nicht in Zweifel gezogen. Geht es um Schätzungen für die Zukunft, ist deren „Ungewissheit“ in Betracht zu ziehen und auch zu berücksichtigen, dass die Gemeinde hierbei einen gewissen Beurteilungsspielraum besitzt, der den lediglich pauschalen Ansatz rechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil v. 14.5.1990 - 2 S 1372/88 - BWGZ 1990, 655 = VBlBW 1991, 62) sind künftig zu erwartende Zuschüsse von den künftigen Investitionen abzusetzen. Darzulegen ist dabei auch, wenn Zuschüsse nicht mehr erwartet werden. Diesen Anforderungen entspricht die Globalberechnung. So werden bestehende und künftige Zuschüsse ausdrücklich ausgewiesen, letztere allerdings nur für den Bereich der Regenüberlaufbecken erwartet und auch betragsmäßig eingestellt, weil für den Entwässerungsbereich im Übrigen Zuschüsse nicht in Aussicht seien. Damit ist eine nachvollziehbare Übersicht über die Zuschüsse gegeben. Eine nähere Begründung der Höhe und des Grundes für die in die Globalberechnung eingestellten Zuschüsse ist nicht zu fordern (Senat, Urteil v. 15.11.1990 - 2 S 3022/89 - n.v.).
24 
Entgegen der mit dem Normenkontrollantrag geäußerten Ansicht ist auch die Festlegung des Straßenentwässerungskostenanteils nicht zu beanstanden. Weder fehlt es an der erforderlichen Ermessensbetätigung des Gemeinderats noch ist eine Vergleichsberechnung mit Blick auf die Entscheidung zur Ermittlung nach der sog. Zwei- oder der sog. Dreikanalmethode gefordert. Nicht zutreffend ist auch der Einwand, der angewendeten Drei-Kanal-Methode sei eine Berechnung nicht beigefügt, die anhand repräsentativer Straßenzüge zu ermitteln gewesen sei; mangels der Benennung der Straßenzüge sei auch eine sachgerechte Ermessensausübung nicht möglich gewesen.
25 
Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG a.F. bleibt bei den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Teilaufwand außer Betracht, der auf den Anschluss von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen entfällt (schon KAG 78 wie auch bereits KAG 64 forderten die Absetzung dieser Kosten: Senat, Urteil vom 14.5.1990 - 2 S 1372/88 - a.a.O.). Die Bestimmung steht im Zusammenhang mit § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, der allerdings nur Kosten solcher Einrichtungen erfasst, die dem Sammeln und Ab- bzw. Fortleiten des auf den Straßen anfallenden Niederschlagswassers dienen (nicht also deren Reinigung; vgl. BVerwG, Urteil v. 18.4.1986, BWGZ 1986. 396). Dementsprechend muss in einer Globalberechnung ein Straßenentwässerungsanteil auch bei der Reinigung von Abwässern berücksichtigt werden. Der auf die Straßenentwässerung entfallende Kostenanteil ist mangels genauer Ermittlung dabei zu schätzen. Schätzungsgrundlage hierfür sind entsprechende Vergleichsberechnungen, die auf einer sachgerechten Annahme beruhen. Einer konkreten Ermittlung des Straßenentwässerungskostenanteils bedarf es dann nicht, wenn dieser anhand gesicherter Erfahrungswerte geschätzt werden kann (so bereits Senat, Urteil vom 15.9.1988 - 2 S 1671/87 - u. st.).
26 
Sind - wie hier - unterschiedliche Entwässerungssysteme (Trenn- und Mischsystem) vorhanden, hat die Kostenzuordnung regelmäßig getrennt zu erfolgen. Dem wird die Globalberechnung hier gerecht. Dort wird ausdrücklich auf die unterschiedlichen Entwässerungssysteme abgestellt (Globalberechnung S. 4). Ob er sich für die Kostenzuordnung nach der Zwei- oder nach der Dreikanalmethode entscheidet, steht im Ermessen des Gemeinderats; eine Alternativberechnung ist hierfür nicht gefordert (so Beschluss des Senats vom 21.5.1990 - 2 S 3285/89 -). Ausreichend wäre auch ein Rückgriff auf eine allgemein anerkannte Schätzung (dazu Senat, Urteil v. 22.11.1990 - 2 S 696/89 - BWGZ 1991, 215). Auch auf das Auswahlermessen, das dem Gemeinderat bei der Entscheidung über die Berechnungsmethode zusteht, wird in der Globalberechnung hingewiesen (Globalberechnung a.a.O. und S. 10).
27 
Dass der angewendeten Drei-Kanal-Methode eine Berechnung anhand repräsentativer Straßenzüge (vgl. dazu Scholz a.a.O. S. 55; ferner Gössl, Abwasserbeitrag und Wasserversorgungsbeitrag nach dem KAG, 1994, S. 37) nicht beigefügt gewesen sei, ist nicht zutreffend. Zwar wird in der Globalberechnung selbst (lediglich) dargelegt, dass nach dem Drei-Kanal-Modell eine Berechnung des Straßenentwässerungskostenanteils anhand von drei Gebieten für die Mischwasserkanalisation und anhand von zwei Gebieten für den Regenwasserkanal des Trennsystems durchgeführt worden sei. Indes wird in der Beschlussvorlage vom 28.10.2002 auf eine „vorhandene“ Berechnung nach der Drei-Kanal-Modellberechnung abgestellt. Damit wird ersichtlich auf die Modellberechnung des Ingenieurbüros, das auch die Globalberechnung erstellt hat, Bezug genommen. Diese im Juli 2000 durchgeführte Berechnung weist namentlich fünf Gebiete aus, drei als Grundlage für das im Gebiet der Antragsgegnerin vorhandene Mischsystem, zwei für das weiter vorhandene Trennsystem. Sie sind „repräsentativ“, weil mit der Berechnung sowohl dem jeweiligen Gebietscharakter eines „innerörtlichen Kerngebiets mit verdichteter Bebauung“ und dem eines “Wohngebiets“ als auch dem eines „Gewerbegebiets“ Rechnung getragen wird.
28 
Mängel ergeben sich allerdings aus der Flächenermittlung der Globalberechnung, wie mit dem Antrag hervorgehoben wird. Die Antragsgegnerin räumt ein, dass die mit dem Antrag aufgezeigten Flächen teilweise nicht eingestellt und daher unberücksichtigt geblieben sind (zur Größenordnung noch unten).
29 
Die mit dem Antrag angeführten Flächen, die in die Globalberechnung nicht eingestellt sind, sind weitgehend solche, die im o.a. Entwurf des Flächennutzungsplans - FlNPl-E 2001 - ausgewiesen sind. Ob sie als lediglich im Entwurf eines solchen Plans ausgewiesene Flächen überhaupt bei der Beitragskalkulation zu berücksichtigen sind, ist zwischen den Beteiligten streitig und hängt von der Frage ab, welche Reichweite einer „Entwurfsplanung“ im Rahmen der Globalberechnung zukommt. Der Entwurf eines Flächennutzungsplans entfaltet keine dem Flächennutzungsplan selbst zukommende Wirkung (vgl. dazu Löhr in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl., § 5 RdNrn 1 ff., m.w.N.). Jener wird erst wirksam mit der Bekanntgabe seiner Genehmigung (§ 6 Abs. 5 Satz 2 BauGB), die hier noch nicht erteilt ist. Für die Globalberechnung ist der Stand der Entwurfsplanung jedoch von Bedeutung, wenn er im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gemeinderats über den Beitragssatz die Aussage erlaubt, die betroffenen Flächen seien - einer verbindlichen Planungsabsicht der Gemeinde entsprechend - im Zeitraum der Globalberechnung an die öffentliche Einrichtung anzuschließen. Dies ist hier der Fall. Der genannte Entwurf geht auf einen Beschluss des Gemeinderats zurück und verdeutlicht damit die von der Gemeinde geäußerte planerische Absicht zur künftigen, einen Anschluss fordernden Entwicklung des betroffenen Gemeindegebiets. Mit dieser Zweckrichtung war der Entwurf deshalb auch in der Globalberechnung zu berücksichtigen, ungeachtet dessen, dass der Flächennutzungsplan noch nicht genehmigt ist, außerdem fraglich ist, ob er „so“ auch genehmigt werden kann, und auch ungeachtet des jetzt vorgetragenen Umstands, dass die im Entwurf enthaltene Planung bereits wieder nach den neueren, allerdings nicht planungsgemäß festgelegten Vorstellungen der Gemeinde Änderungen erfahren soll. Letzterem dürfte ohnehin durch eine Änderung des Entwurfs oder eine Neuplanung - möglicherweise auch verbunden mit einer neuen Beitragskalkulation - Rechnung zu tragen sein. Auch der Planungszeitraum für Flächennutzungsplanentwurf und Globalberechnung ist hier weitgehend deckungsgleich. Demnach ist hinsichtlich solcher Teilflächen, die im Entwurf des Flächennutzungsplans ausgewiesen, in der Globalberechnung jedoch nicht eingestellt sind, davon auszugehen, dass die Flächenseite der Globalberechnung insoweit unvollständig und daher fehlerhaft ist.
30 
Nach dem Antragsvorbringen und den unwidersprochen gebliebenen - und auch nach den vorliegenden Plänen nachvollziehbaren - Angaben der Antragsgegnerin geht es um die nachfolgenden Nutzungsflächen.
31 
Im Lageplan Nr. 1 (Karte Nr. 4) wird das Fehlen von Flächen für ein Wohngebiet gerügt, das sowohl im FlNPl 83 als auch im FlNPl-E 2001 vorgesehen sei. Dies ist zwar zutreffend, diese Flächen erscheinen indes in der Flächenliste der Globalberechnung (S. 50) unter den Nrn. 429 bis 438 und sind daher in die Berechnung eingegangen.
32 
Im Lageplan Nr. 2 (Karte Nr. 2 und Nr. 5) fehlt zwar ein im FlNPl 83 ausgewiesenes großflächiges Gartenhausgebiet. Dies ist indes deshalb nicht zu beanstanden, weil eine Entwässerung des Gartenhausgebiets über die Entwässerungseinrichtungen der Antragsgegnerin nicht vorgesehen ist. Entsprechend ist dieses Gebiet auch nicht mehr im FlNPl-E 2001 vorgesehen, wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorträgt. Allerdings fehlt auch nach deren Angabe die Übernahme einer „gemischten Baufläche“ aus dem genannten Entwurf mit einer Nutzungsfläche von 10.785 qm.
33 
Dass im Lageplan Nr. 6 (Karten Nr. 7/8) die im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohnfläche fehlt, ist gleichfalls unschädlich. Diese Fläche ist als Gewerbefläche (Globalberechnung S. 78 unter DW 512) aufgenommen - entsprechend der planerischen Absicht der Antragsgegnerin. Ein Ermittlungsfehler lässt sich demnach nicht feststellen. Dies gilt auch mit Blick auf den Hinweis im Antrag, im Lageplan Nr. 9 (Karte: Anlage 4) fehle ein im FlNPl ausgewiesenes Gartenhausgebiet. Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass auch dieses Gartenhausgebiet nicht an die öffentliche Einrichtung angeschlossen wird und deshalb auch nicht in der Globalberechnung zu berücksichtigen war. Allerdings ist das gleichfalls dort ausgewiesene Wohngebiet nicht eingestellt, das eine Nutzungsfläche von 27.288 qm aufweist.
34 
Bestätigt findet sich die Annahme, im Lageplan Nr. 10 (Karte: Anlage 8) fehlten das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Gewerbegebiet und die mit dem Antrag angeführten beiden Wohngebiete. Auch sei das im FlNPl 1983 sowie im FlNPl-E ausgewiesene Wohngebiet „Auf dem Berg“ in diesem Lageplan nicht bezeichnet. Diesem Gewerbegebiet ist eine Nutzungsfläche von 26.900 qm zuzuordnen, den beiden Wohngebieten (4.517 qm und 26.380 qm) eine solche von insgesamt 30.897 qm.
35 
Das mit dem Antrag angeführte Wohngebiet „Auf dem Berg“ (Lageplan 11; Karte Anlage 9) ist zwar zeichnerisch nicht zutreffend erfasst, jedoch in der Flächenzusammenstellung der Globalberechnung berücksichtigt (dort S. 97, WÜ 96 bis 99).
36 
Schließlich trifft auch die Rüge teilweise zu, der Lageplan Nr. 12 enthalte das im FlNPl-E 2001 ausgewiesene Wohngebiet im Bereich des Hohlwegs nicht. In der Globalberechnung eingestellt ist dafür zwar eine Nutzungsfläche von 11.265 qm (S. 90, HW 72). Indes ist die weitere Nutzungsfläche von 12.110 qm unberücksichtigt geblieben, wie die Antragsgegnerin einräumt.
37 
Dass die Flächenermittlung wegen der fehlerhaft nicht berücksichtigten Nutzungsflächen dennoch nicht zu beanstanden sei, weil es unwahrscheinlich sei, dass ein Anschluss der im FlNPl-E 2001 ausgewiesen Bauflächen an die öffentliche Einrichtung auch innerhalb des Zeitraums bis 2014 uneingeschränkt erfolgen könne, ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht zutreffend. Denn die für die Globalberechnung maßgeblichen Flächen sind - wie dargelegt - die als anzuschließend geplanten, und zwar im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Beitragssatz. Daher bleibt auch der Einwand der Antragsgegnerin unbeachtlich, „zwischenzeitlich“ seien die Planungen für das Gewerbegebiet im Lageplan 10 (Karte Anlage 8) so weit fortgeschritten, dass es um 50 % reduziert werden könne. Mit Blick auf dieses Gewerbegebiet ist dementsprechend die Angabe der Antragsgegnerin zur Nutzungsfläche um die für dieses Gebiet angesetzte zu verdoppeln. Einzustellen in den „Fehlbetrag“ sind daher weitere 26.900 qm Nutzfläche. Festzuhalten ist somit nach allem, dass Nutzungsflächen in einer Größe von 134.880 qm fehlerhaft nicht berücksichtigt worden sind.
38 
Indes führt dieser Fehler der Globalberechnung nicht zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes. Denn er ist nach o.a. Bestimmung in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 als Mangel bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz unbeachtlich. Er führt - wenn überhaupt - allenfalls zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung.
39 
Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 ist im vorliegenden Verfahren anzuwenden. Denn nach § 49 Abs. 1 Satz 1 KAG 2005 gilt sie auch für Abgabensätze, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes beschlossen worden sind. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese gesetzliche Regelung bestehen nicht.
40 
Eine gesetzliche Regelung über die Rechtsfolge von (materiell-rechtlichen) Fehlern bei Rechtsnormen muss nicht regelmäßig in die Feststellung der Nichtigkeit derart fehlerhafter Normen münden.
41 
Die Verfassung enthält keine ausdrückliche Aussage zur zwingenden Nichtigkeit rechtswidriger Normen; als Folge anderer verfassungsrechtlicher Grundsätze - etwa der Gesetzesbindung der Richter oder des Rechtsstaatsprinzips - ist sie nicht gefordert. Sie ist auch kein Gebot der Logik (vgl. dazu Peine, NVwZ 1989, 637, 639; ferner Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O. Vorb. §§ 214-216, RdNr. 8: Berechtigung des Gesetzgebers zur Beschränkung des Nichtigkeitsdogmas bei städtebaulichen Satzungen; ferner Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 47, RdNrn. 127 ff., 129; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, 2001, § 214 RdNr. 146 - jeweils m.w.N.; allg. zum Nichtigkeitsdogma Sendler, DVBl. 2005, 659 ff.). Sie unterliegt daher als Fehlerfolge der gesetzgeberischen Entscheidung (vgl. auch BVerwG, Urteil v. 29.9.2004, DVBl. 2005, 255), die allerdings ihrerseits verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen muss. Ihnen widerspricht es nicht, wenn der Gesetzgeber nicht die Rechtswidrigkeit der fehlerhaften Norm beseitigt, sondern an diese Rechtswidrigkeit anknüpfend deren Folgen einschränkend regelt. Dabei ist auch die Beschränkung der richterlichen Kontrollbefugnis durch diese gesetzgeberische Regelung im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG als verfassungsrechtlich unbedenklich zu beurteilen (so für die vergleichbare Bestimmung in § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB bzw. § 115a BBauG BVerwG, Urteil v. 21.8.1981, BVerwGE 64, 33, 36 ff.). Die Bestimmung in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 mit der angeordneten Unbeachtlichkeitsfolge ist daher zulässig. Sie ist namentlich auch nicht mit Blick auf den (auch verfassungsrechtlich begründeten) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beanstanden, da sie sich auf die Unbeachtlichkeit lediglich „geringfügiger“ Kostenüberdeckungen beschränkt.
42 
Allerdings besitzt diese Fehlerfolgenregelung auch Rückwirkung, da § 49 Abs. 1 KAG 2005 die Anwendung von § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 auch auf Abgabensätze erstreckt, die vor In-Krafttreten dieser Bestimmung beschlossen worden sind.
43 
Die Tragweite dieser Regelung beschränkt sich - allgemeinen Grundsätzen über die Satzungsgeltung folgend - auf die Abgabensätze, die in jetzt noch geltenden Satzungen enthalten sind. Frühere Satzungen, die ihrerseits durch Änderungssatzungen nach dem Grundsatz „lex posterior derogat legi priori “ regelmäßig außer Kraft treten, werden von § 49 Abs. 1 KAG 2005 nicht erfasst. Auch ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Satzungsgeber eine Vorgängersatzung aufgehoben wissen will, wenn er eine frühere Satzung ersetzt oder eine neue Satzung beschließt (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil v. 10.8.1990 - 4 C 3.90 - NVwZ 1991, 673). Die danach noch „verbleibende“ Rückwirkung des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 auf Beschlüsse über Abgabensätze, die zwar vor In-Kraft-Treten des KAG 2005 (grundsätzlich) am 31.3.2005 (dazu Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des o.a. Gesetzes) gefasst worden sind, aber jetzt noch gelten, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
44 
Mit Blick auf das für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Rückwirkung von Gesetzen maßgebliche, aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Rechtsstaatsprinzip (dazu Herzog in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VII RdNr. 65) bedarf die Anordnung von Rechtsfolgen für die Vergangenheit besonderer Rechtfertigung (dazu BVerfGE 97, 67 f., m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte Rückwirkung) vor allem an den rechtsstaatlichen Grundsätzen, namentlich an Vertrauensschutz und Rechtssicherheit, zu messen (vgl. etwa BVerfGE 72, 200, 242 f.; 78, 249, 284 f. und st.), während die tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) weniger strengen Beschränkungen als die Rückbewirkung unterliegt und vorrangig an den Grundrechten zu messen ist (vgl. BVerfGE 83, 89, 109 f.; 97, 67, 79 ff. m. Anm. Rensmann JZ 1999, 168). Um Letztere geht es hier, da die Norm den Eintritt ihrer Rechtsfolge von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht und auf in der Vergangenheit begründete, auf Dauer angelegte und noch nicht abgeschlossene - bereits vor der Verkündung der Rechtsnorm „ins Werk gesetzte“ - Sachverhalte und Rechtsbeziehungen einwirkt (vgl. dazu etwa BVerfGE 72, 200, 241 f.; BVerfGE 79, 29, 45 f.). Durch die „Unbeachtlichkeitsfolge“ wird auch die Erwartung, die bisherige richterliche Kontrollbefugnis mit der Folge der „Nichtigkeitsfeststellung“ bleibe bestehen, enttäuscht.
45 
In Blick zu nehmen ist dabei namentlich der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, der mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang zu bringen ist (vgl. BVerfGE 92, 277, 344). Die dabei aufgeworfene Frage nach der Tragweite des Schutzes dieses Vertrauens ist daher zugleich auch eine solche nach der Verhältnismäßigkeit des rückwirkenden Grundrechtseingriffs (BVerfGE 95, 64, 86). Im Unterschied zur echten Rückwirkung ist bei der Rückanknüpfung das den rückwirkenden Eingriff rechtfertigende öffentliche Interesse nicht auf „zwingende Gründe des Gemeinwohls“ beschränkt, sondern umfasst jeden legitimen öffentlichen Zweck. Ist dieser gegeben, ist die Rückanknüpfung „grundsätzlich zulässig“ (so BVerfGE 95, 64, 86; 97, 271, 289); sie ist es auch dann, wenn das genannte Interesse das schutzwürdige Vertrauen des Betroffenen überwiegt (so etwa BVerfGE 88, 384, 406).
46 
Dass mit der Rückwirkungsanordnung - und nur sie ist Gegenstand der Betrachtung - ein legitimer Zweck verfolgt wird, erhellt die Gesetzesbegründung nicht, die zu § 49 Abs. 1 KAG 2005 lediglich den Normwortlaut wiedergibt (dazu LT-Drs. 13/3966, S. 65). Erkennbar wird aber der Zweck, bisher beschlossenes Satzungsrecht zu erhalten, und zwar in den Grenzen, wie sie in § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 vorgegeben sind. Damit wird rückwirkend nicht auf den Rechtsschutz des Bürgers eingewirkt, sondern dessen Erfolg an (einschränkenden) materiell-rechtlichen Vorgaben ausgerichtet. Das Vertrauen darauf, auch bei schon vor In-Kraft-treten der rückwirkenden Norm ergangenen Satzungen die Nichtigkeitsfolge durch ein Rechtsmittel erreichen zu können, ist dem Grunde nach nicht schutzwürdig. Denn die Nichtigkeit tritt nicht auf Grund des gerichtlichen Ausspruchs ein, sondern ist allein Folge des materiellen Rechts (vgl. dazu Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. A., § 38 RdNr. 48). Dieses Vertrauen überwiegt daher auch dann nicht das öffentliche Interesse an einem „Satzungserhalt“ durch Rückanknüpfung, wenn das Rechtsschutzverfahren - wie hier - schon eingeleitet ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Verfahrensordnung eine dem Interesse des Betroffenen entsprechende, zumutbare „Lösung“ anbietet, wie etwa die Möglichkeit, als Folge der Rechtsänderung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären (vgl. § 161 Abs. 2 VwGO). Sie ist auch im Verfahren der Normenkontrolle (§ 47 VwGO) eröffnet (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 14. A. § 161 RdNr. 8 m.w.N.). Nach Auffassung des Senats ergibt die hier gebotene Abwägung ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an dem Aufrechterhalten von Satzungsbeschlüssen, die zwar vor In-Kraft-Treten des Gesetzes ergangen, gegenwärtig aber noch wirksam sind, gegenüber der Erwartung des Betroffenen, auch künftig unter allen Umständen die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit einer für fehlerhaft erachteten Abgabensatzung zu erlangen. Dass - unabhängig davon - sich das Vertrauen auch mit Blick auf die seit Jahren geführte Diskussion über die o.a. satzungsrechtlichen Fehlerfolgen verringert haben muss, wie dies in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden ist, dürfte zudem die Bedeutung der Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens mindern.
47 
Nach dem Wortlaut des danach auch im vorliegenden Fall maßgeblichen § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 soll ein solcher Mangel dann nicht zur Unwirksamkeit der satzungsrechtlichen Bestimmung über den Beitragssatz führen, wenn er zu einer nur geringfügigen Kostenüberdeckung führt. Offen kann im vorliegenden Fall bleiben, ob das Gesetz damit lediglich solche - wie dargelegt - materiellen Mängel erfasst, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über den Beitragssatz stehen, oder auch Mängel einschließt, die - wie etwa ein solcher bei der satzungsrechtlichen Bestimmung der dem Beitrag zu Grunde gelegten Einrichtung - nicht unmittelbar dieser Beschlussfassung zuzuordnen sind, sondern sich nur mittelbar auf den Beitragssatz auswirken (vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 29.9.2004, a.a.O.: Verstoß gegen Bestimmung des landesrechtlichen Einrichtungsbegriffs führt zu einem beachtlichen Rechtsfehler, dem nicht mit dem Einwand begegnet werden kann, der Beitrag sei unerheblich höher; ferner BVerwG, Urteil v. 17.4.2002, BVerwGE 116, 188: die „Ergebnis-Rechtsprechung“ gelte nur für den Bereich der Kostenkalkulation, nicht für sonstige Rechtsvorschriften der Beitragssatzung). Denn die hier in Rede stehende Fehlerhaftigkeit der Flächenermittlung ist jedenfalls unmittelbar dem Rechenvorgang über den Abgabensatz und damit der Beschlussfassung über den Beitragssatz zuzuordnen und damit ein „Mangel“ im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005.
48 
Dieser Mangel ist aber aus Rechtsgründen unbeachtlich, da er - wenn überhaupt - allenfalls zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führt. Mit dem Abstellen auf die Kostenüberdeckung gibt das Gesetz vor, dass es für deren Bestimmung auf den Vergleich der ordnungsgemäß zu kalkulierenden Kostenobergrenze mit der tatsächlich kalkulierten Kostenobergrenze ankommt (vgl. zur Differenzbetrachtung auch Birk, Die Unbeachtlichkeit von Fehlerfolgen in Abgabenkalkulationen, demn. in Heft 4 VBlBW 2006, 138 ff.). Wie für das „Verbot der Kostenüberdeckung (Kostendeckungsgrundsatz)“ ist daher darauf abzustellen, in welchem Umfang das Beitrags-(Abgaben)aufkommen die beitrags-(ansatzfähigen)fähigen Herstellungskosten übersteigt (vgl. Scholz, a.a.O., S. 9, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies kommt auch in der o.a. Gesetzesbegründung zum Ausdruck, wonach als geringfügig eine Kostenüberdeckung in diesem Sinne anzusehen sei, wenn das prognostizierte Abgabenaufkommen die prognostizierten ansatzfähigen Kosten um nicht mehr als 5 Prozent übersteige (LT-Drs. 13/3966, S. 42). Sind Mängel bei der Beschlussfassung über den Abgabensatz - namentlich solche auf der Kostenseite der Globalberechnung - von vornherein nicht geeignet, zu einer (beachtlichen) Kostenüberdeckung zu führen, so folgt aus § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005, dass sie bereits dem Grunde nach nicht zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses über den Beitragssatz führen können (dazu demn. Birk, a.a.O.).
49 
Ob die Kostendeckungsgrenze eingehalten oder lediglich geringfügig überschritten ist, richtet sich nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Abgabensatz. Nach diesem Zeitpunkt eintretende Umstände bleiben regelmäßig unberücksichtigt. Denn bei der Beschlussfassung durch den Gemeinderat sind mannigfaltige Prognose- und Ermessensentscheidungen zu treffen, die durch nachträgliche „Erkenntnisse“ nicht mehr beeinflusst werden. Namentlich Prognosen können sich im Nachhinein als fehlerhaft erweisen, ohne dass damit zugleich die Aussage zu verbinden wäre, sie seien auch bei ihrem Ergehen fehlerhaft gewesen (dazu bereits BVerwG, Urteil v. 7.7.1978, BVerwGE 56, 110 und Urteil v. 26.3.1981, BVerwGE 62, 86, 108). Zudem ist das Kostendeckungsprinzip „Veranschlagungsmaxime“ (vgl. dazu Senat, Urteil v. 27.1.2000 - 2 S 1621/97 - NVwZ-RR 2000, 710, 712), die weitgehend auf Vorausberechnungen beruht, wie sie sich zu Beginn eines Veranlagungszeitraums bzw. einer Rechnungsperiode darstellen. Auch dies führt in aller Regel dazu, bei der Feststellung, wie die ordnungsgemäße Kalkulation ausgefallen wäre, auf die für den Zeitpunkt der Beschlussfassung zutreffenden Ansätze abzustellen (s. dazu auch demnächst Birk a.a.O., mit Hinweis auf die Besonderheit bei § 20 Abs. 1 Satz 3 KAG 2005).
50 
Die mit Blick auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung vorzunehmende Betrachtung im vorliegenden Fall führt zu der Annahme, dass eine Kostenüberdeckung allenfalls geringfügig wäre. Die Überdeckung stellt sich (alternativ) wie folgt dar:
51 
Beitragsfähige Kosten: Beitragssatz x Nutzungsflächen Kostendeckung
286.449.278 11,52 (berechnet) 24.857.975 (alt) 286.363.872
11,00 (beschlossen) 24.857.975 273.437.725
11,52 24.992.855 (neu) 287.917.689
11,00 24.992.855 274.921.405
52 
Die fehlerhafte Flächenermittlung führt hier lediglich bei Zugrundelegen des „berechneten“ Abgabensatzes zu einer Kostenüberdeckung, die allerdings - da geringfügig - auch unbeachtlich wäre.
53 
„Geringfügig“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht etwa wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig ist. Diese darf durch Auslegung erreicht werden, die dem Rechtsbegriff die im jeweiligen Sachzusammenhang angemessene Regelungsdichte vermittelt und daher geeignet ist, eine willkürliche Handhabung auszuschließen (vgl. dazu etwa Reif, Erschließungsbeitragsrecht nach dem BauGB, 1999, 5.5.1.2, S. 263, m.w.N.). Der Sachzusammenhang ergibt sich aus Wortlaut, Stellung im Gesetz und dessen Zweck (dazu BVerwG, Urteil v. 17.7.1998, BVerwGE 107, 164 f.). Letzterer ist - wie dargelegt - auf einen „Satzungserhalt“ ausgerichtet ist (dazu die Amtliche Begründung LT-Drs. 13/3966, S. 40 f.). Ist - wie hier - die gesetzliche Regelung als Einschränkung der „Nichtigkeitsfolge“ und als Anordnung der Unbeachtlichkeit eines Satzungsfehlers nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen, ist zudem bei der (zweckgerichteten) Auslegung zu berücksichtigen, dass sich auch aus der Sicht des Betroffenen die Kostenüberdeckung als zumutbare Belastung, da nicht ins Gewicht fallend, darstellen muss.
54 
In der Rechtsprechung ist die Geringfügigkeitsgrenze für eine Kostenüberdeckung - auch bezogen auf den jeweiligen Sachbereich - unterschiedlich bestimmt worden. Für das Gebührenrecht wird die Grenze der Geringfügigkeit - bezogen auf den Gesamtaufwand - etwa mit 3 % angenommen (so OVG NW, Urteil vom 13.4.2005, NWVBl. 2006, 17, 20). Mit Blick auf Beiträge bezeichnet der Bayerische VGH (etwa Urteil v. 20.12.1991 - 23 B 90.3449 und 3451, VGHE 45, 20 f.) eine Überdeckung als „hinnehmbar“, wenn sie weniger als 10 % betrage. Diese Grenze zieht auch das OVG Nordrhein-Westfalen (vgl. etwa Urteil v. 2.6.1995, NVwZ-RR 1996, 697). Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) zum Ausdruck gebracht, dass er eine Kostenüberdeckung von 5 % für geringfügig hält. Der letztlich für § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 maßgebliche Umfang der Kostenüberdeckung, der die Annahme einer Geringfügigkeit noch erlaubt, muss im vorliegenden Fall aber nicht abschließend bestimmt werden. Denn die hier in Rede stehende Kostenüberdeckung erweist sich als offensichtlich geringfügig, da sie ersichtlich nicht ins Gewicht fällt, sie auch erkennbar unter der jeweils von der o.a. Rechtsprechung als geringfügig anerkannten Grenze und auch unter dem der Gesetzesbegründung zu Grunde gelegten Wert liegt. Sieht man den in der Globalberechnung angesetzten Betrag von 286.449.278 Euro als kostendeckend an, beträgt die Überdeckung allenfalls etwa 0,6 %. Sie ist in dieser Größenordnung jedenfalls geringfügig und hat im Übrigen auf den Beitragssatz keinen Einfluss, der rechnerisch Euro 11,456083 betragen würde, von der Antragsgegnerin aber ohnehin mit lediglich 11,00 Euro festgesetzt ist. Der Beitragssatz in § 11 AbwS 2002 ist nach allem nicht zu beanstanden.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Sonstige Literatur

 
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Rechtsmittelbelehrung
58 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
59 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
60 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
61 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
62 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
63 
Beschluss vom 23. März 2006
64 
Der Streitwert wird für das Normenkontrollverfahren auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
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Gründe
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Die Festsetzung des Streitwerts für das Normenkontrollverfahren richtet sich nach § 52 Abs. 2 GKG n.F. (vgl. § 72 Satz 1 Nr. 1, 1. Hs. GKG n.F.). (so die st. Rspr. d. Senats).
67 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.