Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 1. Februar 2012 - 1 K 1510/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Einbürgerung. Er wurde am … 1964 in der Türkei als türkischer Staatsangehöriger geboren. Seit dem 09.02.1989 besitzt er eine Aufenthaltsberechtigung. Er ist seit 1986 verheiratet und hat drei Kinder, die 1990, 1992 und 2000 geboren wurden.
Am 30.10.2002 beantragte der Kläger beim Landratsamt Alb-Donau-Kreis seine Einbürgerung. Im Antrag gab er an, von 1980 bis 1997 Arbeitnehmer gewesen zu sein. Auf dem Einbürgerungsantrag ist durch einen Mitarbeiter der Beklagten unter dem 30.10.2002 vermerkt, der Kläger sei nach eigenen Angaben Hausmann und seine Ehefrau selbständig. Auf die Ehefrau des Klägers war vom 30.10.1998 bis zum 24.11.2004 bei der Stadt ... das Gewerbe „Imbiß im ...“ angemeldet. Zum 25.11.2004 erfolgte eine Ummeldung auf den Kläger. Seit dem 21.11.2008 erhält der Kläger Leistungen nach dem SGB II. Beim Kläger liegt nach einer gutachtlichen Äußerung der Gutachterin der Agentur für Arbeit vom 23.11.2009 eine chronische Erkrankung der Atemwege, eine Erkrankung im Bereich der Speiseröhre und eine eingeschränkte Belastbarkeit der Wirbelsäule vor. Der Kläger sei gemäß SGB II für mindestens 3 Stunden für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig.
In der Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 04.11.2011 sind für den Kläger sieben Verurteilungen zu Geldstrafen aus den Jahren 1997 bis 2010 eingetragen, von denen die höchste 100 Tagessätze betrug. Wegen der Einzelheiten wird auf die Auskunft Bezug genommen (vgl. Bl. 172 ff. der Akte des Verwaltungsgerichts).
Am 16.09.2003 wurde dem Kläger von dem Beklagten eine Einbürgerungszusicherung erteilt. Diese war auf den 16.09.2005 befristet. Mit Schreiben vom 24.09.2003 teilte das türkische Generalkonsulat dem Kläger mit, sein Antrag auf Ausbürgerung sei an das Innenministerium in Ankara weitergeleitet worden.
Mit Schreiben vom 21.06.2005 trug der Kläger gegenüber dem Beklagten vor, das Verteidigungsministerium der Türkischen Republik habe ihm mit Schreiben vom 12.05.2003 mitgeteilt, er habe sich bis zum Ende seines 38. Altersjahres nicht wegen Absolvierung des devisenzahlungspflichtigen Wehrdienstes gemeldet, werde daher als Fahnenflüchtiger gesucht und habe die Möglichkeit, sich bis zum 15.03.2005 bei dem zuständigen Generalkonsulat zu melden und dort den festgesetzten Betrag von 6.390.-- EUR zu zahlen und die Dienstaufnahmeprozedur neu aufrollen zu lassen. Er sei inzwischen wegen der Nichtableistung des Wehrdienstes aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen worden, eine Bestätigung hierüber werde nachgereicht. Es bestehe jedenfalls ein Anspruch auf Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG. Der zu entrichtende Betrag von 6.390.-- EUR liege über der in den vorläufigen Anwendungshinweisen zum Staatsangehörigkeitsgesetz gezogenen Grenze des dreifachen Brutto-Monatseinkommens des Klägers und sei ihm daher nicht zumutbar. Er verdiene zwar derzeit monatlich 2.200.-- EUR. Dieses Einkommen als Selbstständiger entspreche dem Einkommen eines Angestellten allenfalls in Höhe von 2.000.-- EUR wegen der hälftig vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge.
Mit Schreiben vom 01.08.2005 teilte der Beklagte mit, eine Einbürgerung des Klägers unter Hinnahme seiner Mehrstaatigkeit sei nicht möglich, und forderte ihn auf, weitere Unterlagen vorzulegen. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.06.2007 den Antrag auf Einbürgerung und auf Verlängerung der Einbürgerungszusicherung wegen fehlender Mitwirkung des Klägers ab. Eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit sei nicht möglich, da der Kläger nach seinem Vortrag bereits aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen worden sei. Nachweise darüber habe er aber nicht vorgelegt. Zudem seien die angeforderten Unterlagen wie Kopie des gültigen Reisepasses, Steuerbescheide, Gewerbeanmeldung, Nachweis über Einkommen der Ehefrau nicht vorgelegt worden.
Hiergegen legte der Kläger am 25.07.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er sei entweder deshalb einzubürgern, weil er bereits aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen worden sei und er durch die Verweigerung der Einbürgerung staatenlos werden würde, oder weil ihm die Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit nicht zuzumuten sei. Er habe bereits mehrfach beim türkischen Generalkonsulat vorgesprochen. Zuletzt sei er des Hauses verwiesen worden. Seine Versuche, Nachweise über den Fortbestand der türkischen Staatsangehörigkeit zu erlangen, seien ergebnislos gewesen.
Das Regierungspräsidium Tübingen wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 09.01.2008 zurück. Zur Begründung führte es aus, ein Anspruch des Klägers auf Einbürgerung nach § 10 StAG in Verbindung mit § 12 StAG unter Hinnahme der türkischen Staatsangehörigkeit bestehe nicht. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG seien nicht erfüllt. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Entlassung des Klägers aus der türkischen Staatsangehörigkeit versagt worden sei. Über seinen Antrag auf Entlassung liege kein Bescheid vor (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 1 StAG). Es könne daher auch nicht festgestellt werden, ob die Entlassung von der Erfüllung der Wehrpflicht abhängig gemacht werde. Auf die Frage, ob die Zahlung der Freikaufsumme zumutbar sei oder nicht, komme es derzeit nicht an. Diese Frage könne anhand der vorgelegten Unterlagen auch nicht beurteilt werden, da nur eine Bescheinigung des Steuerberaters zur Höhe des Gewinns, jedoch keine Einkommensteuerbescheide vorlägen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG). Es könne auch nicht festgestellt werden, ob über einen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht rechtzeitig entschieden worden sei (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 3 StAG). Der Kläger habe die Stellung eines vollständigen Antrags nicht nachgewiesen. Nachdem der Kläger erst im Alter von 16 Jahren in das Bundesgebiet eingereist sei, komme auch eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit im Ermessenswege nach §§ 10, 12 Abs. 3 StAG a.F. i.V.m. § 40 c StAG nicht in Betracht. Der Kläger habe nicht den überwiegenden Teil seiner Schulausbildung in deutschen Schulen erhalten. Die Einbürgerung nach § 8 StAG scheitere ebenfalls am Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit. Die Einbürgerung des Klägers liege nicht im öffentlichen Interesse. Ihm sei es grundsätzlich möglich und zumutbar, seine Wehrdienstangelegenheiten zu regeln bzw. sich nach dem Ausgang seines Antrags auf Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit zu erkundigen und aussagekräftige Nachweise über die Höhe seines Einkommens vorzulegen.
Der Kläger erhob am 08.02.2008 Klage beim Verwaltungsgericht. Zur Begründung trug er vor, er gründe seinen Anspruch auf Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit auf §§ 10, 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 40 c StAG, hilfsweise auf §§ 8, 40c StAG. Der Kläger habe vom 01.04. bis 01.05.2002 seinen verkürzten Wehrdienst abgeleistet und dafür 2.500.-- DM entrichtet. Weitere Schritte habe er nicht unternommen. Er könne sie auch nicht mehr unternehmen, um aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen zu werden. Der Kläger sei nach Ableistung des Kurzwehrdienstes zum türkischen Generalkonsulat nach Stuttgart gefahren, um sich bestätigen zu lassen, dass er seiner Wehrdienstpflicht nachgekommen sei. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass er einen Tag zu spät sei und nun 5.112.-- EUR abzüglich der bereits gezahlten 2.500.-- DM zahlen müsse. Der geforderte Geldbetrag sei für den Kläger weder nachvollziehbar noch leistbar. Laut Registerauszug vom Mai 2007 werde der Kläger weiterhin als türkischer Staatsangehöriger geführt. Ausweislich des Schreibens vom 24.02.2011 bestehe das türkische Verteidigungsministerium nunmehr auf der Zahlung von 7.668.-- EUR für die Ausstellung eines türkischen Reisepasses und die anschließende Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.05.2007 - 5 C 3.06 - hänge die Unzumutbarkeit von Entlassungsbemühungen nicht von der Stellung eines Entlassungsantrags ab. Der Kläger könne seinen Lebensunterhalt derzeit nicht sichern. Er sei wegen einer schweren psychischen Erkrankung im Zentrum für Psychiatrie ... und im Anschluss daran bis 30.04.2010 im Kreiskrankenhaus ... untergebracht gewesen. Nach seiner Entlassung sei er wieder arbeitsfähig und habe allerdings vergeblich Arbeit gesucht. Seinen Verpflichtungen als Arbeitssuchender sei er stets und regelmäßig nachgekommen.
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Der Beklagte trat der Klage entgegen. Zur Begründung führte er aus, der Kläger könne nicht unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert werden. Er habe im Einbürgerungsverfahren keine Nachweise über einen ordnungsgemäß gestellten Entlassungsantrag bzw. eine hierüber getroffene Entscheidung durch die zuständigen türkischen Behörden eingereicht. Soweit jetzt geltend gemacht werde, die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit sei wegen der Summe, die der türkische Staat für einen stark verkürzten Wehrdienst verlange, unzumutbar, sei dem nicht zu folgen. Der Kläger hätte die Möglichkeit einer ratenweisen Zahlung gehabt. Bei der Freikaufsumme handele es sich auch nicht um eine überhöhte Entlassungsgebühr, sondern um eine Gebühr für die teilweise Befreiung von staatsbürgerlichen Pflichten. Die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG setze voraus, dass durch eine Entscheidung der türkischen Behörden über den Entlassungsantrag dokumentiert sei, dass die Versagung im konkreten Fall von unzumutbaren Bedingungen abhängig gemacht werde. Anhaltspunkte dafür, dass es dem Kläger nicht möglich oder zumutbar sei, einen Entlassungsantrag zu stellen, seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Es sei auch nicht bekannt, dass die türkischen Behörden über entsprechende Anträge nicht entschieden. Die Zahlung der zu bezahlenden Ablösesumme sei zumutbar. Der Kläger könne seinen Lebensunterhalt nicht mehr aus eigenen Mitteln bestreiten. Er beziehe Arbeitslosengeld II.
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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 01.02.2012 die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe weder Anspruch auf seine Einbürgerung noch auf eine erneute Ermessensentscheidung über seinen Einbürgerungsantrag noch auf eine erneute Einbürgerungszusicherung. Beim Kläger lägen mit Ausnahme der Frage der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit und der Sicherung des Lebensunterhaltes die einzelnen Einbürgerungsvoraussetzungen in der jeweils für ihn günstigeren Fassung des § 10 Abs. 1 StAG a.F. bzw. § 10 Abs. 1 StAG vor. Der Anspruchseinbürgerung des Klägers stehe § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG entgegen. Die Kammer habe keine Zweifel daran, dass der Kläger noch die türkische Staatsangehörigkeit besitze. Dass beim Kläger ein Ausbürgerungsverfahren eingeleitet und abgeschlossen worden sein könnte, halte die Kammer für ausgeschlossen, da der Kläger noch im Jahr 2002 seinen Kurzwehrdienst geleistet habe und sein Pass 2007 verlängert worden sei. Ein Absehen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG gemäß dem für den Kläger günstigeren § 12 Abs. 3 StAG a.F scheide aus, weil der Kläger nie eine deutsche Schule besucht habe. Da der Kläger nicht zum Personenkreis der älteren Personen gehöre, komme auch ein Absehen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StAG nicht in Betracht. Die Voraussetzung für ein Absehen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 3 StAG, dass der ausländische Staat über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat, liege nicht vor. Der Kläger könne nach den türkischen Gesetzen nicht aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen werden, weil er seinen Wehrdienst in der Türkei noch nicht entsprechend den dortigen Gesetzen erledigt habe. Die Variante 3 erfasse nur die Fälle, in denen ein Ausbürgerungsbewerber unangemessen lange hingehalten werde und über den Ausgang seines Verfahrens im Unklaren sei. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Nichtbescheidung des Antrags des Klägers durch die türkischen Behörden andere Gründe als die nicht geregelte Wehrpflicht des Klägers haben könnte. Es komme somit darauf an, ob die Ausnahmetatbestände der Varianten 1 und 2 des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG erfüllt seien. Die Variante 1 gehe grundsätzlich davon aus, dass eine negative Entscheidung über einen Entlassungsantrag bereits vorliege. Es sei dann zu prüfen, ob der Ausländer die ablehnende Entscheidung zu vertreten habe. Auf das Vorliegen einer ablehnenden Entscheidung könne aber verzichtet werden, wenn der ausländische Staat den Antrag nach seinen Vorschriften ablehnen könne, weil zumutbare Bedingungen nicht erfüllt würden. So liege der Fall hier. Auf die Bescheidung des Antrags des Klägers könne verzichtet werden, weil er wegen des unerledigten Wehrdienstes nicht positiv beschieden werden könne. Der Kläger hätte es in der Hand gehabt, seinen Wehrdienst durch die Ableistung des Kurzwehrdienstes und die Zahlung eines Betrages von 10.000.-- DM zu erledigen und damit die Voraussetzungen für seine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit zu schaffen. Den Kurzwehrdienst habe der Kläger im Jahr 2002 abgeleistet. Die Zahlung eines Betrages von 10.000.-- DM, wovon der Kläger bereits 2.500.-- DM entrichtet habe, wäre zumutbar gewesen. Die Kammer lege dieser Beurteilung die Einschätzung zugrunde, die in Nr. 87.1.2.3.2.2 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsgesetz und Nr. 12.1.2.3.2.2 der vorläufigen Anwendungshinweise Baden-Württembergs zum Staatsangehörigkeitsgesetz zum Ausdruck komme, wonach ein Betrag von 5.112,92 EUR immer zumutbar sei. Es sei zu berücksichtigen, dass die Möglichkeit des Freikaufs vom Wehrdienst bekannt sei und Gelegenheit bestehe, sich über einen längeren Zeitraum darauf einzurichten. Diese Kenntnis habe auch beim Kläger vorgelegen, der in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, die Erfüllung der Wehrpflicht wegen familiärer und beruflicher Verpflichtungen vor sich her geschoben zu haben. Lasse ein Einbürgerungsbewerber die Möglichkeit verstreichen, zumutbare Bedingungen für seine Entlassung aus der Staatsangehörigkeit rechtzeitig zu erfüllen, habe er die Nichtentlassung zu vertreten. Er könne sich nicht darauf berufen, dass sich die Bedingungen zu einem späteren Zeitpunkt verschärft hätten und unzumutbar geworden seien. Andernfalls hätte er es in der Hand, die Voraussetzungen der Variante 1 zu umgehen. Auf die Entscheidung der Frage, ob die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Bedingungen der Republik Türkei für die Abwicklung der Wehrpflicht für den Kläger zumutbar seien, komme es daher nicht an. Die Variante 2 des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG habe einen eigenständigen Anwendungsbereich nur dort, wo die abstrakt-generellen Anforderungen des Herkunftsstaats an die Entlassung selbst unzumutbar seien. In diesen Fällen ermögliche die Variante 2 den Verzicht auf die Durchführung eines Entlassungsverfahrens. Da die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht vorlägen, könne die Frage offen bleiben, ob auch § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG der Anspruchseinbürgerung entgegenstehe. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine erneute Ermessensentscheidung über die Einbürgerung des Klägers lägen ebenfalls nicht vor. Der Kläger erfülle jedenfalls nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, wonach der Einbürgerungsbewerber imstande sein müsse, sich und seine Angehörigen zu ernähren. Da der Kläger und seine Familienangehörigen von Leistungen nach SGB II lebten, sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Die Voraussetzungen für ein Absehen von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG lägen nicht vor. Der Tatbestand des § 8 Abs. 2 StAG, nach dem aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG abgesehen werden könne, sei nicht erfüllt. Zudem stünden auch Verurteilungen wegen Straftaten einer Ermessensentscheidung entgegen, die ebenfalls nur unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG außer Betracht bleiben könnten. Relevante Straftaten seien in der Auskunft aus dem Zentralregister vom 04.11.2011 noch eingetragen. Da der Kläger die Voraussetzungen für die Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit nicht erfülle, helfe ihm auch die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung nicht weiter.
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Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 30.04.2013 zugelassenen Berufung bringt der Kläger vor, § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG erfasse nicht nur den Fall unzumutbarer abstrakt-genereller Anforderungen. Dies ergebe sich bereits aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.05.2007 - 5 C 3.06 -, in dem die Unzumutbarkeit aus einer durch den ausländischen Staat geübten Verwaltungspraxis ethnischer Diskriminierung gefolgert worden sei. Im Fall des Klägers sei § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG erfüllt, da die konkreten Entlassungsbemühungen unzumutbar seien. Dem Kläger sei es angesichts seiner Einkommensverhältnisse nicht möglich, 5.000.-- bis 10.000.-- EUR aufzubringen, um sich vom Wehrdienst freizukaufen. Das Verwaltungsgericht habe nicht geklärt, wie lange ein Einbürgerungsbewerber für ein etwaiges Vertretenmüssen bei der Versagung der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit einzustehen habe. Es sei kein Grund ersichtlich, für die Frage der Zumutbarkeit auf einen anderen Zeitpunkt abzustellen als den der mündlichen Verhandlung. Anders als § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG enthalte § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG kein Element eines Vertretenmüssens, bei dem auf das Verhalten des Einbürgerungsbewerbers abgestellt werde und insoweit eine - allerdings begrenzte - Zurechnung früheren Verhaltens rechtlich zulässig sei. Einem Einbürgerungsbewerber sei es in der Regel nicht möglich, zukünftige Änderungen der Entlassungsbedingungen vorauszusehen und sich entsprechend darauf einzustellen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Zahlung eines Betrages von 5.112,92 EUR zur Verkürzung des Wehrdienstes sei immer zumutbar, lasse außer Betracht, dass stets eine individuelle Prüfung der Leistungsfähigkeit des Einbürgerungsbewerbers vorzunehmen sei. Zudem sei der Kläger über 40 Jahre alt und seit mehr als 15 Jahren nicht mehr gewöhnlich in der Türkei aufhältig, hingegen seit mehr als zehn Jahren im Inland. Daher sei nach der einschlägigen Verwaltungsvorschrift die Unzumutbarkeit gegeben. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG seien erfüllt. Zwar beziehe der Kläger derzeit für sich und die seiner Bedarfsgemeinschaft angehörenden Familienangehörigen Leistungen nach dem SGB II. Dies habe er jedoch nicht zu vertreten. Er sei krankheitsbedingt nur eingeschränkt erwerbsfähig und schwer vermittelbar, ohne dass dies in seinen persönlichen Verantwortungsbereich falle. Er sei nach einer einen stationären Aufenthalt im Zentrum für Psychiatrie ... erforderlich machenden Erkrankung bis heute in den ersten Arbeitsmarkt nicht vermittelbar. Bis zum Ende seiner Tätigkeit innerhalb der Räumlichkeiten der Firma ..., die nach der Kündigung des Mietvertrages seitens der Vermieterin - ohne jeden vom Kläger gesetzten Anlass - habe beendet werden müssen, sei er stets arbeitswillig und erwerbstätig gewesen. Bis zum Ausgangsbescheid des vorliegenden Verfahrens sei er noch erwerbstätig und in der Lage gewesen, seinen und den Lebensunterhalt seiner Familienangehörigen zu bestreiten. Sein Arbeitsvermittler habe bestätigt, dass er aufgrund seiner physischen und psychischen Verfassung kaum Aussichten habe, in den ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 01.02.2012 - 1 K 1510/10 - abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts Alb-Donau-Kreis vom 28.06.2007 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 09.01.2008 zu verpflichten, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
17 
Die Entlassungsbedingungen des türkischen Staates seien generell zumutbar. Der Kläger habe vor dem Verwaltungsgericht keine plausiblen Gründe anführen können, weshalb er seinen staatsbürgerlichen Verpflichtungen hinsichtlich des Wehrdienstes damals nicht nachgekommen sei. Dass der Kläger bei seiner Vorsprache im Jahre 2002 die Erhöhung der Entlassungsgebühren nicht akzeptiert habe, führe bis heute dazu, dass er seine Wehrdienstverpflichtungen nicht vollständig erfüllt habe. Wer das Ausbleiben der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit durch ein Unterlassen in der Vergangenheit selbst verschuldet habe, könne sich nicht darauf berufen, dass die Entlassungsbedingungen nach dem Sachstand am Tag der mündlichen Verhandlung als konkret unzumutbar zu bewerten seien. Habe der Ausländer die Gründe, die zur Versagung der Entlassung geführt hätten, zu vertreten, habe er hierfür nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG dauerhaft einzustehen. Etwas anderes bedürfte einer ausdrücklichen Regelung durch den Gesetzgeber. Würde der Kläger unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert, würden sich künftige türkische Einbürgerungsbewerber nicht mehr um die erforderliche Entlassung bemühen, weil sie mit dem Zeitablauf rechnen könnten. Zudem seien die heutigen Entlassungsbedingungen nicht konkret unzumutbar. Die Freikaufsumme könne vom Kläger und seiner Ehefrau erwirtschaftet werden. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zurechnung eines zu vertretenden Verhaltens bei § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG könne auf die Versagung der Entlassung aus der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht übertragen werden. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, dass der Einbürgerungsbewerber nach wie vor die Möglichkeit habe, das Entlassungshindernis zu beseitigen.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger u.a. angegeben, die ab 01.06.2013 geplante Tätigkeit in einem Imbiss seines Sohnes habe er nicht aufnehmen können. Er sei darauf angewiesen, wegen seiner eingeschränkten Lungenfunktion halbstündlich ein Medikament in der Form eines Sprays zu nehmen. Er erhalte Leistungen nach SGB II. Die Leistungen würden gekürzt, da er sich entgegen der Aufforderung der Agentur für Arbeit auf von dieser ihm benannte offene Stellen nicht beworben habe. Er habe sich nicht beworben, da sich seine Tochter in einer Ausbildung befinde, sein Sohn schon lange arbeitslos sei, er Brot kaufen müsse und kein Geld für Bewerbungen ausgeben könne. Bis 2007 sei er voll arbeitsfähig gewesen. Er habe bis 1997 beim Friedhofsamt der Stadt ... gearbeitet und sich dann selbständig gemacht. Er habe neben dem Imbiss im ... drei weitere Imbisswagen betrieben. Für den Erwerb einer Eigentumswohnung in der Türkei habe er damals einen Kredit von der Bank über 50.000.-- DM erhalten. Zum geplanten Freikauf im Generalkonsulat durch Zahlung der restlichen 7.500.-- DM sei er einen Tag zu spät gekommen, da er sich vorher nicht habe freinehmen können.
19 
Dem Senat liegen zwei Bände Behördenakten des Landratsamts Alb-Donau-Kreis, ein Band Behördenakten des Regierungspräsidiums Tübingen, ein Band Ausländerakte der Stadt ... und ein Band Akten des Verwaltungsgerichts vor.

Entscheidungsgründe

 
I.
20 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
II.
21 
Die Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts Alb-Donau-Kreis vom 28.06.2007 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 09.01.2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat weder Anspruch auf seine Einbürgerung (1) noch auf eine erneute Ermessensentscheidung über seinen Einbürgerungsantrag (2) noch auf eine erneute Einbürgerungszusicherung (3). Dabei kommt es jeweils auf die maßgebliche Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.08.1996 - 1 B 82.95 - InfAuslR 1996, 399; Urt. v. 20.10.2005 - 5 C 17.05 - DVBl. 2006, 922; Senatsurt. v. 08.05.2013 - 1 S 2046/12 - VBlBW 2014, 12; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - NVwZ-RR 2003, 459; Urt. v. 06.03.3009 - 13 S 2080/07 - juris; SächsOVG, Urt. v. 17.06.2010 - 3 A 349/09 - NVwZ-RR 2011, 79). Anwendbar ist daher das Staatsangehörigkeitsgesetz in der ab 01.08.2012 gültigen Fassung vom 01.06.2012 (BGBl. 2012 I, 1224). Nach dessen § 40c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die - wie im Fall des Klägers - bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28.08.2007 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung (im Folgenden: StAG a.F.) anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach früherem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (vgl. Senatsurt. v. 08.05.2013, a.a.O.).
22 
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Einbürgerung nach § 10 StAG. Zwar sind die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers insoweit unschädlich (a). Jedoch sind die Einbürgerungsvoraussetzungen der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG (b) und § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG (c) nicht gegeben.
23 
a) Einer Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG stehen die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers nicht entgegen. Nach dem für den Kläger günstigeren und daher gemäß § 40c StAG anwendbaren § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. bleiben bei bis zum 27.08.2007 gestellten Einbürgerungsanträgen Verurteilungen zu Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen außer Betracht. Eine Addition, wie sie § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG heute regelt, findet nicht statt.
24 
b) aa) Der Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG setzt voraus, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG). Insoweit enthielt § 10 StAG a.F. keine für den Kläger günstigere Bestimmung. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG a.F. war Einbürgerungsvoraussetzung, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann. Von dieser Voraussetzung wurde nach § 10 Abs. 1 Satz 3 StAG a.F. abgesehen, wenn der Ausländer das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte oder aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde den Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten konnte. Die Privilegierung für junge Ausländer findet auf den am 01.01.1964 geborenen Kläger keine Anwendung. Im Übrigen ist die Einbürgerungsvoraussetzung der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts sachlich unverändert geblieben, die Gesetzesänderungen ab dem 28.08.2007 sind lediglich redaktionell (vgl. Berlit, in: GK-StAR, § 10 Rn. 218 ).
25 
Die Voraussetzung der eigenständigen wirtschaftlichen Sicherung des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG als Beleg auch wirtschaftlicher Integration erfordert eine prognostische Einschätzung, ob der Einbürgerungsbewerber voraussichtlich dauerhaft in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften zu sichern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.03.2009, a.a.O.; OVG Bln.-Bbg., Beschl. v. 05.03.2010 - OVG 5 M 40.09 - juris; SächsOVG, Urt. v. 17.06.2010, a.a.O.; Berlit, a.a.O., § 10 Rn. 238 ff.). Der Lebensunterhalt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG umfasst auch eine Kranken- und Pflegeversicherung, bei erwerbsfähigen Einbürgerungsbewerbern auch eine Altersvorsorge (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.03.2009, a.a.O.; SächsOVG, Urt. v. 17.06.2010, a.a.O.).
26 
Erhält der Einbürgerungsbewerber Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder hat Anspruch darauf, ist maßgeblich, ob er dies zu vertreten hat. Der Begriff des Vertretenmüssens beschränkt sich nicht auf vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Ausländer durch ein ihm zurechenbares Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für den - fortdauernden - Leistungsbezug gesetzt hat. Der vom Begriff des Vertretenmüssens vorausgesetzte objektive Zurechnungszusammenhang zwischen zu verantwortendem Verhalten und Leistungsbezug erfordert, dass das Verhalten des Verantwortlichen für die Verursachung oder Herbeiführung des in Bezug genommenen Umstandes zumindest nicht nachrangig, sondern hierfür wenn schon nicht allein ausschlaggebend, so doch maßgeblich bzw. prägend ist. Der Leistungsbezug muss lediglich auf Umständen beruhen, die dem Verantwortungsbereich der handelnden Person zuzurechnen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2009 - 5 C 22.08 - BVerwGE 133, 153; BayVGH, Beschl. v. 06.07.2007 - 5 ZB 06.1988 - juris; NdsOVG, Beschl. v. 17.12.2013 - 13 LA 179/13 - juris; je m.w.N.) Der Einbürgerungsbewerber hat eine Obliegenheit, durch Einsatz der eigenen Arbeitskraft auch langfristig den eigenen Unterhalt sicherzustellen. Für ein Vertretenmüssen i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG muss eine Verletzung dieser Obliegenheit nach Art, Umfang und Dauer von einigem Gewicht sein. Die Verhängung von Sperrzeiten durch die Arbeitsverwaltung oder sonstige leistungsrechtliche Reaktionen auf die Verletzung sozialrechtlicher Obliegenheiten können für das Vertretenmüssen eine gewisse Indizwirkung haben.Beruht der Leistungsbezug auf Umständen, die dem Verantwortungsbereich des Einbürgerungsbewerbers zuzurechnen sind, unterbricht allein der Umstand, dass dieser inzwischen wegen seines Alters und aus gesundheitlichen Gründen seinen Lebensunterhalt nicht selbst durch Einsatz seiner Arbeitskraft bestreiten kann, den einbürgerungshindernden Zurechnungszusammenhang nicht. Ein Einbürgerungsbewerber hat für ein ihm zurechenbares und für aktuelle Sozialhilfeleistungen mitursächliches Verhalten nach Ablauf einer Frist von acht Jahren nicht mehr einzustehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 19.02.2009, a.a.O.).
27 
Ein Vertretenmüssen ist gegeben, wenn sich der Einbürgerungsbewerber nicht oder nicht hinreichend um die Aufnahme einer Beschäftigung bemüht, wenn er durch ihm zurechenbares Verhalten zu erkennen gibt, dass er nicht bereit ist, eine ihm zumutbare Beschäftigung unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - ggf. auch abweichend von seiner bisherigen Qualifikation und auch zu ungünstigeren Lohn- oder Arbeitsbedingungen - anzunehmen oder wenn es zu einem Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund verhaltensbezogener Ursachen kommt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008 - 13 S 1487/06 - NVwZ-RR 2008, 839; NdsOVG, Urt. v. 13.11.2013 - 13 LB 99/12 - juris; Berlit, a.a.O., Rn. 259 f.; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, StAR, 5. Aufl., § 10 Rn. 43). Nicht zu vertreten hat ein arbeitsfähiger Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug, wenn er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und sich hinreichend intensiv um Arbeit bemüht, aber aus konjunkturellen Gründen oder deswegen keine nach dem Maßstab des § 8 Abs. 1, § 10 SGB II zumutbare Beschäftigung findet, weil er objektiv vermittlungshemmende Merkmale, wie Alter, Krankheit, fehlende Qualifikation - deren Eintritt er selbst nicht zurechenbar verursacht hat - aufweist. Ebenso nicht zu vertreten hat der Einbürgerungsbewerber einen Leistungsbezug wegen Verlusts des Arbeitsplatzes aufgrund gesundheitlicher, betriebsbedingter oder konjunktureller Ursachen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 06.07.2007 - 5 ZB 06.1988 - juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008, a.a.O.; NdsOVG, Urt. v. 13.11.2013, a.a.O. ; Berlit, a.a.O., § 10 Rn. 266 ff.).
28 
Die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvertretenmüssen trägt angesichts der gesetzlichen Konstruktion von Regel und Ausnahme - und weil es sich typischerweise um Umstände handelt, die seiner persönlichen Sphäre entstammen - der Einbürgerungsbewerber (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2009, a.a.O.; NdsOVG, Urt. v. 13.11.2013, a.a.O. ; Berlit, a.a.O., § 10 Rn. 254; Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, § 86 AuslG Rn. 29, 53 ; Marx, Kommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, § 86 AuslG Rn. 7; a.A. - ohne Begründung - Hailbronner, a.a.O., § 10 Rn. 39).
29 
bb) Der Kläger bezieht für sich und die Familienangehörigen in seiner Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II. Diesen Leistungsbezug hat er nach den dargelegten Grundsätzen aufgrund seines starken Nikotinkonsums zu vertreten. Denn dieser vom Kläger zu verantwortende Konsum durch häufiges Rauchen von Zigaretten ist im wesentlichen prägend für den die Vermittlungsfähigkeit des Klägers erheblich einschränkenden und daher für den Leistungsbezug ursächlichen Gesundheitszustand des Klägers.
30 
Nach der gutachterlichen Äußerung der Gutachterin der Agentur für Arbeit vom 23.11.2009 beruht die eingeschränkte Vermittlungsfähigkeit des Klägers auf seiner chronischen Erkrankung der Atemwege, der Erkrankung im Bereich der Speiseröhre und einer eingeschränkten Belastung der Wirbelsäule. Der Kläger ist danach für mindestens drei Stunden für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig. Auszuschließen sind Tätigkeiten mit die Lunge schädigenden Substanzen wie Rauch, Staub, Gase und Dämpfe, anhaltende Zwangshaltungen, schweres Heben und Tragen sowie häufiges Bücken. Hilfreich für die Verbesserung der Atmung wäre die Einstellung des Nikotinkonsums. Diese Feststellungen der Gutachterin decken sich mit denen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2014. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, denen der Senat aufgrund seines eigenen Eindrucks folgt, ist der Kläger aufgrund seiner Atemwegerkrankung insbesondere zu Tätigkeiten, die seine Lunge belasten könnten, nicht in der Lage. Er ist darauf angewiesen, wegen seiner eingeschränkten Lungenfunktion halbstündlich ein Medikament in der Form eines Sprays zu nehmen. Der Kläger raucht weiterhin Zigaretten, derzeit ca. 30 pro Tag. Diesen Gesundheitszustand bestätigen die vom Kläger vorgelegten Atteste seiner Hausärztin ... vom 10.01.2014 und des Arztes ... vom 17.01.2014. Nach den Feststellungen im Attest vom 10.01.2014 hat sich das Asthma bzw. die chronisch obstruktive Lungenerkrankung in den letzten Jahren erheblich verschlechtert, so dass der Kläger nach geringen körperlichen Belastungen völlig außer Atem kommt und die Einschränkung der Lungenfunktion die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bedingt. Gemäß den Feststellungen im Attest vom 17.01.2014 hat die Belastbarkeit des Klägers durch seine chronisch obstruktive Lungenkrankheit abgenommen, so dass er zittert, wenn er sich länger anstrengt, und ihm nur eine Arbeitszeit von drei Stunden zuzumuten ist und am Arbeitsplatz auch möglichst wenig inhalative Noxen und möglichst wenig Temperaturwechsel auftreten sollten.
31 
Das Vermittlungshemmnis hat seine Ursache im Verantwortungsbereich des Klägers. Er hat durch seinen starken Nikotinkonsum in den letzten Jahren seit 2007 die maßgebliche Ursache für seine deutlich eingeschränkte Erwerbsfähigkeit gesetzt. Dieser Umstand liegt in seinem Verantwortungsbereich und ist von ihm zu vertreten. Der sinngemäße Einwand des Kläger-Vertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, es handele sich um eine Sucht, die der Kläger nicht steuern und beherrschen könne, ist unbegründet. Nach dem Attest vom 17.01.2014 hat der Kläger zweimal das Rauchen für längere Zeit aufgegeben, einmal für acht Monate und einmal für ein Jahr lang. Konkrete Umstände, warum es ihm nicht möglich war, dauerhaft das Rauchen einzustellen, hat der Kläger nicht dargelegt. Aus welchen Gründen der Kläger nach diesen Phasen das Rauchen wieder aufgenommen hat, ist nicht dargelegt. Die pauschale Behauptung, es handele sich um eine nicht steuerbare Sucht, ist gerade angesichts der zwei längeren Phasen der Abstinenz nicht nachvollziehbar und zeigt keine Tatsachen auf, die auf eine außerhalb des Verantwortungsbereichs des Klägers liegende, nicht beherrschbare Sucht hindeuten könnten. Bereits durch die gutachterliche Äußerung der Gutachterin der Agentur für Arbeit vom 23.11.2009 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Einstellung des Nikotinkonsums hilfreich für die Verbesserung der Atmung wäre. Nachhaltige Bemühungen hierzu sind gleichwohl nicht festzustellen.
32 
Der starke Nikotinkonsum des Klägers in den Jahren ab 2007, als nach seiner Schilderung eine wirtschaftlich schwierige, später krisenhafte Situation für ihn eintrat, ist für den Bezug von SGB II prägend. Er führte beim Kläger, der nach seinem eigenen, für den Senat nachvollziehbaren Vortrag bis dahin ohne Einschränkungen voll erwerbsfähig war und zusammen mit seiner Ehefrau seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen bestreiten konnte, zu einer sehr starken Einschränkung seiner Lungenfunktion und damit entscheidend zu seiner beschränkten Vermittlungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dieser Umstand ist auch in zeitlicher Hinsicht zu berücksichtigen. Das starke Rauchen des Klägers ab 2007 liegt nicht bereits mehr als acht Jahre zurück. Unerheblich ist insoweit, dass nach dem Attest vom 17.01.2014 der Kläger seit der Jugend raucht. Denn dieser Konsum hatte bis 2007 nicht zu negativen Folgen für die Leistungs-, Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des Klägers geführt.
33 
Hinzu kommen - ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, da sich das Vertretenmüssen bereits aus dem Nikotinkonsum des Klägers ergibt - die Leistungskürzungen des Klägers bei seinem Bezug von Leistungen nach SGB II. Vom 01.04.2009 bis zum 30.06.2009 waren die Leistungen des Klägers wegen eines Terminversäumnisses um 10 % und vom 01.10. bis 31.12.2010 wegen der Ablehnung einer Arbeit um 30 % gekürzt worden. Aktuell erfährt der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat, Leistungskürzungen, da er sich entgegen der Aufforderung der Agentur für Arbeit auf von dieser ihm benannte offene Stellen nicht beworben hat. Die Leistungskürzungen beim Bezug von Leistungen nach SGB II sind Indizien dafür, dass der Kläger den Leistungsbezug zu vertreten hat. Diese Indizien hat er nicht ausgeräumt. Die für das Unterlassen von Bewerbungen vom Kläger angegebenen Gründe, dass sich seine Tochter in einer Ausbildung befinde, dass sein Sohn schon lange arbeitslos sei, dass er Brot kaufen müsse und kein Geld für Bewerbungen ausgeben könne, sind nicht geeignet, das Versäumnis, sich auf offene Stellen zu bewerben, zu rechtfertigen.
34 
c) Der Einbürgerung nach § 10 StAG steht auch entgegen, dass der Kläger seine türkische Staatsangehörigkeit nicht aufgegeben oder verloren hat und von dem Erfordernis, die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben, im Fall des Klägers nicht abgesehen werden kann.
35 
Die Einbürgerung nach § 10 StAG setzt voraus, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG). Dies entspricht § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG a.F. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass der Kläger noch türkischer Staatsangehöriger ist. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Der Kläger macht mit der Berufung nicht mehr geltend, er habe die türkische Staatsangehörigkeit verloren.
36 
Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG kann nicht nach § 12 Abs. 1 StAG abgesehen werden. Ein solches Absehen sieht § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG vor, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist u.a. anzunehmen, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG). Diese Voraussetzungen des Absehens entsprechen denen des § 12 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StAG a.F.
37 
aa) Zu § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG macht der Kläger nicht geltend, dass die Variante 1 (Versagung der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat) oder die Variante 3 (keine Entscheidung über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag in angemessener Zeit) vorliegt. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Beide Varianten setzen einen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag voraus. Für Variante 3 regelt das Gesetz das ausdrücklich. Für Variante 1 folgt diese Voraussetzung daraus, dass der Herkunftsstaat über den Entlassungsantrag negativ entschieden haben muss („Versagung“) und die Ablehnung vom Ausländer zu vertreten ist, wenn er keinen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag gestellt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2002 - 13 S 810/12 - DVBl. 2003, 469, zum gleichlautenden § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG a.F.; Urt. v. 24.11.2005 - 12 S 1695/05 - InfAuslR 2006, 230; Berlit, a.a.O., § 12 Rn. 77 ff., 82 ff. ; Hailbronner, a.a.O., § 12 Rn. 18, 33; Münch, in: Marx: Ausländer- und Asylrecht. Verwaltungsverfahren. Prozess, 2. Aufl., § 7 Rn. 150). Dieses Erfordernis ist auch sachgerecht, da die Fälle, in denen es unzumutbar ist, einen solchen Antrag zu stellen, von Variante 2 erfasst werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2002, a.a.O.). Der Kläger hat nicht nachgewiesen, einen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag gestellt zu haben, obwohl er von dem Beklagten mehrfach hierzu aufgefordert worden ist. Zwar hat er eine Bescheinigung des türkischen Generalkonsulats Stuttgart vom 24.09.2003 vorgelegt, dass sein Antrag vom 24.09.2003 zur Ausbürgerung aus der türkischen Staatsangehörigkeit an das Innenministerium weitergeleitet worden sei. Ob es sich um einen formgerechten und vollständigen Antrag handelt, ist jedoch nicht festzustellen.
38 
bb) Auch die Voraussetzungen eines Absehens nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG, dessen Auslegung unstreitig vollständig der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. NdsOVG, Urt. v. 08.02.2012 - 13 LC 240/10 - InfAuslR 2012, 191; Berlit, a.a.O., § 12 Rn. 106), sind nicht gegeben. Die Entlassungsbedingungen des türkischen Staates sind weder abstrakt-generell unzumutbar (1) noch wirken sie sich konkret im Fall des Klägers unzumutbar aus (2).
39 
(1) Nach der Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 18.10.2011 gegenüber dem Verwaltungsgericht (vgl. Bl. 114 ff. der Akte des Verwaltungsgerichts) bestimmte das Änderungsgesetz Nr. 5380 vom 02.07.2005 zum türkischen Militärgesetz Nr. 1111:
40 
"Der Wehrdienst von Wehrpflichtigen, die im Ausland leben, kann bis zum Ende des 38. Lebensjahres zurückgestellt werden.
41 
Betroffene müssen einen Betrag von insgesamt Euro 5.112.- bezahlen. Dieser Betrag kann bei Anmeldung im voraus oder bis zum Ende des 38. Lebensjahr in höchstens vier gleichen Raten bezahlt werden, wobei die erste Rate bei der Anmeldung bezahlt werden muss. Die Militärausbildung für diesen Personenkreis dauert 21 Tage.
42 
Diejenigen, die bis zum Ende des 38. Lebensjahrs sich nicht angemeldet oder trotz Abmeldung den Wehrdienst nicht angetreten oder nicht bezahlt haben, können dennoch mit einer einmaligen Zahlung von Euro 7.668.- von den Bestimmungen dieses Gesetzes profitieren."
43 
Die Freikaufsumme wurde nach der vom Senat eingeholten Auskunft des Bundesministerium des Innern vom 26.11.2013 (vgl. Bl. 107 ff. der Berufungsakte) zum 15.12.2011 einheitlich auf 10.000.-- EUR erhöht, zum 20.07.2013 wiederum einheitlich auf 6.000.-- EUR herabgesetzt. Derzeit kann mithin nach Ableistung einer Militärausbildung von 21 Tagen ein Freikauf gegen ein Betrag von 6.000.-- EUR erfolgen.
44 
Der türkische Staat stellt damit im Regelfall keine unzumutbaren Bedingungen für die Ableistung des Wehrdienstes und des Freikaufs hiervon. Eine Unzumutbarkeit ist anzunehmen, wenn die Entlassungsbedingungen des Heimatstaates abstrakt-generell unzumutbar sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - NVwZ 2013, 867). Dies ist nicht nur zu bejahen, wenn gesetzliche Regelungen des Heimatstaates unzumutbare Entlassungsbedingungen vorsehen. Eine abstrakt-generelle Unzumutbarkeit liegt vielmehr auch vor, wenn eine generell geübte Verwaltungspraxis des Heimatstaates unzumutbare Entlassungsbedingungen begründet (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.05.2007 - 5 C 3.06 - BVerwGE 129, 20; Urt. v. 30.06.2010 - 5 C 9.10 - BVerwGE 137, 237; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.09.2008 - 13 S 1812/07 - NVwZ-RR 2009, 354; OVG NRW, Urt. v. 25.09.2008 - 19 A 1221/04 - juris).
45 
Danach liegt keine abstrakt-generelle Unzumutbarkeit der gegenwärtigen türkischen Entlassungsbedingungen vor. Angesichts des Umstandes, dass die im Grundsatz nicht zu beanstandende Wehrpflicht des türkischen Staates von demjenigen, der sich freikauft, nicht mehr zu leisten ist und dieser dadurch einen erheblichen Vorteil erfährt, ist ein Freikaufbetrag von 6.000.-- EUR nicht als überhöht anzusehen und daher nicht zu beanstanden.
46 
(2) Die Entlassungsbedingungen des türkischen Staates sind auch nicht konkret-individuell betrachtet unzumutbar. Dabei kann der Senat offen lassen, wie der Begriff der konkret-individuellen Unzumutbarkeit zu bestimmen ist. Denn nach jeder Betrachtungsweise ist im Fall des Klägers eine konkret-individuelle Unzumutbarkeit zu verneinen.
47 
(a) Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 21.02.2013 - 5 C 9.12 - ausgeführt, der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG lasse bei der Bestimmung des Begriffs der Unzumutbarkeit eher auf das Erfordernis einer abstrakt-generellen Prüfung schließen. Ob die darüber hinaus erforderliche individuelle Prüfung des Vorliegens besonders schwieriger Bedingungen ebenfalls von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG gefordert wird oder als gesonderter Prüfungsschritt im Rahmen des § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG zu erfolgen hat, könne offen bleiben, da keine Tatsachen vorlägen, die das im dortigen Verfahren streitige Volljährigkeitserfordernis im konkreten Einzelfall als unzumutbare oder besonders schwierige Bedingung erscheinen ließen. Sei eine Entlassungsvoraussetzung generell betrachtet zumutbar, dann habe dies zur Folge, dass die betroffenen Ausländer in der Regel die Bedingung erfüllen müssten, um nach Entlassung aus der fremden Staatsangehörigkeit in den deutschen Staatsverband aufgenommen zu werden. Schon aus Gleichbehandlungsgründen müsse für die Annahme einer hiervon befreienden individuell-konkreten Unzumutbarkeit eine vom Regelfall abweichende atypische Belastungssituation vorliegen, die bei wertender Betrachtung nach nationalem Recht nicht hinzunehmen sei (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013, a.a.O.; dazu: Fleuß, jurisPR-BVerwG 11/2013 Anm. 4; Häußler, DVBl. 2013, 1228, 1233).
48 
Nach der bisher herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist bei der Prüfung der konkreten Unzumutbarkeit von Entlassungsbedingungen entscheidend, ob dem Einbürgerungsbewerber nach seinen konkreten Verhältnissen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Erfüllung der Entlassungsbedingungen nach Maßgabe eines objektivierenden normativen Maßstabs aus nationaler Sicht zuzumuten ist. Die bloß subjektiv definierte Unzumutbarkeit reicht dabei allerdings nicht aus. Auf der anderen Seite schließt allein der Umstand, dass eine Entlassungsbedingung dem Grunde nach in rechtsvergleichender Sicht jedenfalls nicht unüblich ist und den Rahmen des in der Staatenpraxis Üblichen wahrt, deren Unzumutbarkeit im Einzelfall nicht aus (vgl. NdsOVG, Urt. v. 08.02.2012, a.a.O.; ähnlich: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.09.2008, a.a.O.; NdsOVG, Urt. v. 13.11.2013, a.a.O.; VG Aachen, Urt. v. 18.05.2009 - 5 K 1815/08 - juris; VG Freiburg, Urt. v. 25.01.2012 - 2 K 1237/10 - juris; VG Stuttgart, Urt. v. 15.08.2013 - 11 K 3272/12 - AuAS 2013, 208; Berlit, a.a.O., § 12 StAG Rn. 107 f.). Dabei ziehen die Gerichte häufig die zum Staatsangehörigkeitsgesetz erlassenen Anwendungshinweise und Verwaltungsvorschriften heran. Diese gehen zum einen von einer regelmäßig oder stets zumutbaren Freikaufsumme aus und stellen zum anderen auf die Einkommensverhältnisse des Einbürgerungsbewerbers ab. Sie führen mithin im Zweifel zu einer stärker auf den Einzelfall bezogenen Prüfung der Zumutbarkeit als der Maßstab aus der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Integration Baden-Württemberg zum Staatsangehörigkeitsgesetz (VwV StAG) vom 08.07.2013 bestimmt zur Unzumutbarkeit im Hinblick auf die Leistung der Wehrpflicht, dass der Freikauf in der Regel unzumutbar ist, wenn das Dreifache eines durchschnittlichen Bruttomonatseinkommens des Einbürgerungsbewerbers überschritten wird, und dass ein Betrag von 5.000.-- EUR regelmäßig zumutbar ist. Diese Verwaltungsvorschrift kann nach Auffassung des Senats, wenn man von der bisherigen Auslegung des Begriff der Zumutbarkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ausgehen sollte, eine sachgerechte Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs darstellen.
49 
(b) Nach diesen Grundsätzen der bisher h.M. in der Rechtsprechung und Literatur ist eine Unzumutbarkeit im Fall des Klägers nicht gegeben. Insbesondere aus den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers ergibt sich eine solche nicht. Der Kläger hat hierzu im wesentlichen lediglich vorgetragen, Leistungen nach SGB II für sich und seine Familienangehörigen zu beziehen, ohne Einzelheiten hierzu anzugeben oder einen vollständigen Bescheid über Leistungen nach SGB II vorzulegen. Den Bezug von Leistungen nach dem SGB II zugrundegelegt, lässt sich eine Unzumutbarkeit nicht feststellen. Zwar würde nach dem grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat der Freikaufbetrag von 6.000.-- EUR das Dreifache des Bruttomonatseinkommens des Klägers übersteigen. In die Gesamtabwägung sind hier jedoch die Freikaufmöglichkeiten aus der Vergangenheit einzustellen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG, dass nach Ablauf von acht Jahren ein für aktuelle Sozialhilfeleistungen mitursächliches Verhalten dem Einbürgerungsbewerber nicht mehr entgegengehalten werden kann, ist nicht übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Rechtsprechung mit der Zielsetzung des Gesetzes, einer Zuwanderung in die Sozialsysteme entgegenzuwirken, begründet. Der Zusammenhang zwischen zu verantwortendem vergangenen Verhalten und späteren Fernwirkungen verliere nach diesem Sinn und Zweck der Regelung im Zeitverlauf an Gewicht. Zudem sei Regelvorstellung, dass der Einbürgerungsbewerber, der den gegenwärtigen Leistungsbezug zu vertreten habe, dies durch eine Verhaltensänderung (z.B. hinreichend intensive Bemühungen um eine Beschäftigung) auch solle beeinflussen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2009, a.a.O.). § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG ist in all seinen drei Varianten dadurch geprägt, dass der Einbürgerungsbewerber die Nichtentlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit nicht zu vertreten hat (vgl. Berlit, a.a.O., § 12 Rn. 75). Für die Erfüllung der Wehrpflicht und eines etwaigen Freikaufs von dieser ist insoweit von Bedeutung, dass die Wehrpflicht international weit verbreitet und anerkannt ist, dass die Erfüllung einer gesetzlichen Wehrpflicht im Grundsatz zu den statthaften und abstrakt zumutbaren Entlassungsvoraussetzungen gehört, dass Einbürgerungsbewerber die Entlassungsbedingungen des Heimatstaates regelmäßig ohne größere Schwierigkeiten kennen können und sich grundsätzlich darauf einstellen können, ob und wie sie diese Entlassungsbedingungen erfüllen wollen. Daher kann für die Zumutbarkeit eines Freikaufs auch relevant sein, wie frühzeitig sich der Betroffene um einen solchen Freikauf bemüht hat oder ob er ihm zumutbare Möglichkeiten des Freikaufs ungenutzt verstreichen ließ (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.2010 - 5 C 12.10 - NVwZ 2011, 760, zur Bemühung um den Rückerwerb einer früheren Staatsangehörigkeit im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung). Die Tatsache, dass ein Einbürgerungsbewerber die ihm zumutbare Möglichkeiten des Freikaufs nicht nutzte, kann daher in einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände bei der Frage der Zumutbarkeit nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG Berücksichtigung finden.
50 
Für den Kläger bestand vor dem 01.01.2002 die Möglichkeit, den Freikauf durch eine Zahlung von 10.000.-- DM zu erreichen. Diese Möglichkeit war für ihn zumutbar. Er war zu diesem Zeitpunkt nicht auf Sozialhilfeleistungen oder andere staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen. Vielmehr betrieb er nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu dieser Zeit erfolgreich den Imbiss im ... sowie drei weitere Imbisswagen. Für den Erwerb einer Eigentumswohnung in der Türkei hatte er zu diesem Zeitpunkt einen Kredit von der Bank über 50.000.-- DM erhalten. Von der Freikaufsumme von 10.000.-- DM hatte er im Oktober 2001 2.500.-- DM bereits geleistet. Er wollte nach seinem eigenen Vorbringen die restliche Summe von 7.500.-- DM im Generalkonsulat bezahlen - und war dazu offenkundig in der Lage -, unterließ diese Zahlung jedoch bei dem Termin im Generalkonsulat, da er - anscheinend zu Beginn des Jahres 2002, nach Vollendung des 38. Lebensjahrs - einen Tag zu spät kam. Den hierfür angegebenen Grund, dass er sich als Selbstständiger zuvor nicht habe frei nehmen können, hat er ebenso zu vertreten wie den Umstand, dass er zuvor den Freikauf über Jahre vor sich hergeschoben hatte. Der derzeitige Gesamtbetrag von 6.000.-- EUR ist zwar - unabhängig von der Frage, ob die damalige Zahlung von 2.500.-- DM heute noch angerechnet würde oder nicht - für den Kläger angesichts seines derzeitigen Bezugs von Leistungen nach SGB II ein sehr erheblicher Betrag. Dies führt jedoch bei einer Gesamtbetrachtung nicht zur Unzumutbarkeit im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG, da der maßgebliche Grund für diese Belastung darin liegt, dass der Kläger die Möglichkeit des Freikaufs gegen 10.000.-- DM vor dem 01.01.2002 ungenutzt ließ. Zudem liegt die derzeitige Freikaufsumme von 6.000.-- EUR zwar über der damaligen von 10.000.-- DM, der Mehrbetrag beträgt jedoch lediglich 888.-- EUR.
51 
Auf Nr. 12.1.2.3.2.2 der VwV StAG vom 08.07.2013 zu Einbürgerungsbewerbern, die über 40 Jahre alt sind und seit mehr als 15 Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Herkunftsstatt haben, davon mindestens zehn Jahre im Inland, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Denn auch wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, liegt keine konkret-individuelle Unzumutbarkeit vor, wenn dem Einbürgerungsbewerber der Freikauf von der Wehrpflicht zumutbar ist.
52 
(c) Nach dem Maßstab des Bundesverwaltungsgerichts wirken sich die abstrakt-generell zumutbaren Regelungen des türkischen Staates zum Freikauf von der Wehrpflicht für den Kläger nicht unzumutbar aus. Es sind keine atypischen Umstände des Einzelfalls dargelegt oder ersichtlich, die so bedeutsam sind, dass für den Kläger im Verhältnis zu sonstigen Einbürgerungsbewerbern besondere nicht hinzunehmende Belastungen eintreten. Auch aus den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers ergeben sich solche Umstände nicht. Allein aus der Tatsache des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II kann ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine atypische Sondersituation des Klägers folgen, die ihn wesentlich härter betrifft als vergleichbare Einbürgerungsbewerber. Denn für jeden Einbürgerungsbewerber, der Leistungen nach SGB II bezieht, stellt die Freikaufsumme von 6.000.-- EUR eine vergleichbare Belastung dar. Hierzu hinzutretende besondere Umstände hat der Kläger für seinen Fall nicht dargelegt. Gegen eine besondere Belastungssituation spricht hingegen, dass der Kläger vor Vollendung des 38. Lebensjahres die zumutbare Möglichkeit des Freikaufs gegen 10.000.-- DM hatte, die er nicht wahrnahm, weil er die Angelegenheit vor sich herschob.
53 
cc) Auch ein Absehen vom Erfordernis des Verlusts oder der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit nach anderen Bestimmungen kommt nicht in Betracht.
54 
Die insoweit günstigere Bestimmung des § 12 Abs. 3 StAG a.F. - nach der von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 abgesehen werden kann, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit von der Leistung des Wehrdienstes abhängig macht und der Ausländer den überwiegenden Teil seiner Schulausbildung in deutschen Schulen erhalten hat und im Inland in deutsche Lebensverhältnisse und in das wehrpflichtige Alter hineingewachsen ist - kann auf den Kläger, wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Anwendung finden, da er nie eine deutsche Schule besucht hat.
55 
Auch für ein Absehen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StAG liegen die Voraussetzungen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist anzunehmen, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann, wenn der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde. Der Kläger ist bereits keine ältere Person in diesem Sinne. Zumindest im Regelfall sind nur Ausländer ab Vollendung des 60. Lebensjahrs erfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.2010, a.a.O.; Berlit, a.a.O., § 12 Rn. 208). Unverhältnismäßige Schwierigkeiten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StAG sind nur altersbedingte Erschwernisse. Die Unverhältnismäßigkeit muss gerade auf das fortgeschrittene Lebensalter des Einbürgerungsbewerbers zurückzuführen sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.2010, a.a.O.; OVG NRW, Urt. v. 26.11.2009 - 19 A 1448/07 - juris). Solche Schwierigkeiten sind weder dargelegt noch ersichtlich.
56 
Schließlich kommt auch ein Absehen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG nicht in Betracht. Dabei kann offenbleiben, ob § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG eine abschließende Regelung darstellt oder § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG eine Auffangklausel für von § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG nicht erfasste Fälle ist (vgl. dazu nur: Berlit, a.a.O., § 12 Rn. 23 ff.). Denn für sonstige, von § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG nicht geregelte besonders schwierige Bedingungen der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit ist im Fall des Klägers nichts ersichtlich.
57 
2. a) Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach Ermessen gemäß § 8 Abs. 1 StAG liegen nicht vor. Denn der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, dass er sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist.
58 
Ebenso ist die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG weder in der aktuellen noch in der früheren Fassung erfüllt. Das Erfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG, dass er weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, ist nicht gegeben; die Voraussetzung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a.F., dass der Ausländer keinen Ausweisungsgrund nach §§ 53, 54 oder § 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AufenthG erfüllt, liegt gleichfalls nicht vor, da die Verurteilungen des Klägers einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG darstellen.
59 
b) Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, eine Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 StAG zu treffen. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von den Voraussetzungen in § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StAG abgesehen werden.
60 
Eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG liegt nicht vor. Denn eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - BVerwGE 142, 145). Als Beispiel für einen Härtefall, der durch diese Ausnahmeregelung vermieden werden kann und soll, führt der Gesetzgeber die Konstellation an, dass etwa die ausländische Ehefrau aufgrund einer zur Durchführung eines Entlassungsverfahrens erteilten Einbürgerungszusicherung aus ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit ausgeschieden ist, nun aber ihrer Einbürgerung - auch bei unverschuldet eingetretener Arbeitslosigkeit ihres deutschen Ehegatten - mangelnde Unterhaltsfähigkeit entgegensteht und sie dadurch staatenlos geworden ist (BT-Drs. 15/420, S. 116). Dieser Beispielsfall zeigt zum einen, dass der Gesetzgeber für die Annahme einer „besonderen Härte“ mehr verlangt, als dass Gründe vorliegen, die einer Einbürgerung zwar grundsätzlich entgegenstehen, von denen jedoch unter bestimmten Umständen - wie etwa im Falle der nicht zu vertretenden Inanspruchnahme von Sozialleistungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG) - abgesehen werden kann. Zum anderen verdeutlicht er die Zielrichtung der Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG: Sie soll es ermöglichen, solchen Härten zu begegnen, die gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden bzw. durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert würden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012, a.a.O.; HessVGH, Beschl. v. 21.10.2008 - 5 A 1820/08.Z -; Senatsurt. v. 06.11.2013 - 1 S 244/13 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -; OVG Bln.-Bbg., Beschl. v. 11.06.2009 - OVG 5 M 30.08 -; SaarlOVG, Beschl. v. 10.06.2010 - 1 A 88/10 -; alle in juris). Daran gemessen sind hier keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Versagung der Ermessenseinbürgerung wegen Straffälligkeit und mangelnder Unterhaltsfähigkeit den Kläger gegenüber anderen Einbürgerungsbewerbern in vergleichbarer Lage besonders hart trifft. Er hat ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Es wird nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, dass die Versagung der Einbürgerung negative Auswirkungen auf die ehelichen und familiären Lebensverhältnisse des Klägers hätte.
61 
Es fehlt auch an einem öffentlichen Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG.
62 
Ein solches ist nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG) und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG) einzubürgern (vgl. Senatsurt. v. 06.11.2013, a.a.O.; SaarlOVG, Urt. v. 28.06.2012 - 1 A 35/12 - juris; ebenso NdsOVG, Beschl. v. 07.01.2013 - 13 PA 243/12 - juris; so jetzt auch Nr. 8.2 VwV StAG vom 08.07.2013). Für ein solches Interesse ist hier nichts erkennbar.
63 
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer erneuten Einbürgerungszusicherung für den Fall, dass er die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit nachweist. Denn der Einbürgerung steht nicht nur § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, sondern auch die mangelnde Sicherung des Lebensunterhalts entgegen.
64 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Dabei kann offenbleiben, ob die Bestimmung des Begriffs der Unzumutbarkeit nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG grundsätzliche Bedeutung hat. Denn die Frage ist mangels Vorliegens der Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG nicht entscheidungserheblich.
65 
Beschluss vom 22. Januar 2014
66 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
67 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
I.
20 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
II.
21 
Die Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts Alb-Donau-Kreis vom 28.06.2007 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 09.01.2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat weder Anspruch auf seine Einbürgerung (1) noch auf eine erneute Ermessensentscheidung über seinen Einbürgerungsantrag (2) noch auf eine erneute Einbürgerungszusicherung (3). Dabei kommt es jeweils auf die maßgebliche Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.08.1996 - 1 B 82.95 - InfAuslR 1996, 399; Urt. v. 20.10.2005 - 5 C 17.05 - DVBl. 2006, 922; Senatsurt. v. 08.05.2013 - 1 S 2046/12 - VBlBW 2014, 12; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - NVwZ-RR 2003, 459; Urt. v. 06.03.3009 - 13 S 2080/07 - juris; SächsOVG, Urt. v. 17.06.2010 - 3 A 349/09 - NVwZ-RR 2011, 79). Anwendbar ist daher das Staatsangehörigkeitsgesetz in der ab 01.08.2012 gültigen Fassung vom 01.06.2012 (BGBl. 2012 I, 1224). Nach dessen § 40c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die - wie im Fall des Klägers - bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28.08.2007 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung (im Folgenden: StAG a.F.) anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach früherem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (vgl. Senatsurt. v. 08.05.2013, a.a.O.).
22 
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Einbürgerung nach § 10 StAG. Zwar sind die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers insoweit unschädlich (a). Jedoch sind die Einbürgerungsvoraussetzungen der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG (b) und § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG (c) nicht gegeben.
23 
a) Einer Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG stehen die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers nicht entgegen. Nach dem für den Kläger günstigeren und daher gemäß § 40c StAG anwendbaren § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. bleiben bei bis zum 27.08.2007 gestellten Einbürgerungsanträgen Verurteilungen zu Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen außer Betracht. Eine Addition, wie sie § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG heute regelt, findet nicht statt.
24 
b) aa) Der Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG setzt voraus, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG). Insoweit enthielt § 10 StAG a.F. keine für den Kläger günstigere Bestimmung. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG a.F. war Einbürgerungsvoraussetzung, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann. Von dieser Voraussetzung wurde nach § 10 Abs. 1 Satz 3 StAG a.F. abgesehen, wenn der Ausländer das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte oder aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde den Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten konnte. Die Privilegierung für junge Ausländer findet auf den am 01.01.1964 geborenen Kläger keine Anwendung. Im Übrigen ist die Einbürgerungsvoraussetzung der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts sachlich unverändert geblieben, die Gesetzesänderungen ab dem 28.08.2007 sind lediglich redaktionell (vgl. Berlit, in: GK-StAR, § 10 Rn. 218 ).
25 
Die Voraussetzung der eigenständigen wirtschaftlichen Sicherung des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG als Beleg auch wirtschaftlicher Integration erfordert eine prognostische Einschätzung, ob der Einbürgerungsbewerber voraussichtlich dauerhaft in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften zu sichern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.03.2009, a.a.O.; OVG Bln.-Bbg., Beschl. v. 05.03.2010 - OVG 5 M 40.09 - juris; SächsOVG, Urt. v. 17.06.2010, a.a.O.; Berlit, a.a.O., § 10 Rn. 238 ff.). Der Lebensunterhalt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG umfasst auch eine Kranken- und Pflegeversicherung, bei erwerbsfähigen Einbürgerungsbewerbern auch eine Altersvorsorge (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.03.2009, a.a.O.; SächsOVG, Urt. v. 17.06.2010, a.a.O.).
26 
Erhält der Einbürgerungsbewerber Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder hat Anspruch darauf, ist maßgeblich, ob er dies zu vertreten hat. Der Begriff des Vertretenmüssens beschränkt sich nicht auf vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Ausländer durch ein ihm zurechenbares Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für den - fortdauernden - Leistungsbezug gesetzt hat. Der vom Begriff des Vertretenmüssens vorausgesetzte objektive Zurechnungszusammenhang zwischen zu verantwortendem Verhalten und Leistungsbezug erfordert, dass das Verhalten des Verantwortlichen für die Verursachung oder Herbeiführung des in Bezug genommenen Umstandes zumindest nicht nachrangig, sondern hierfür wenn schon nicht allein ausschlaggebend, so doch maßgeblich bzw. prägend ist. Der Leistungsbezug muss lediglich auf Umständen beruhen, die dem Verantwortungsbereich der handelnden Person zuzurechnen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2009 - 5 C 22.08 - BVerwGE 133, 153; BayVGH, Beschl. v. 06.07.2007 - 5 ZB 06.1988 - juris; NdsOVG, Beschl. v. 17.12.2013 - 13 LA 179/13 - juris; je m.w.N.) Der Einbürgerungsbewerber hat eine Obliegenheit, durch Einsatz der eigenen Arbeitskraft auch langfristig den eigenen Unterhalt sicherzustellen. Für ein Vertretenmüssen i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG muss eine Verletzung dieser Obliegenheit nach Art, Umfang und Dauer von einigem Gewicht sein. Die Verhängung von Sperrzeiten durch die Arbeitsverwaltung oder sonstige leistungsrechtliche Reaktionen auf die Verletzung sozialrechtlicher Obliegenheiten können für das Vertretenmüssen eine gewisse Indizwirkung haben.Beruht der Leistungsbezug auf Umständen, die dem Verantwortungsbereich des Einbürgerungsbewerbers zuzurechnen sind, unterbricht allein der Umstand, dass dieser inzwischen wegen seines Alters und aus gesundheitlichen Gründen seinen Lebensunterhalt nicht selbst durch Einsatz seiner Arbeitskraft bestreiten kann, den einbürgerungshindernden Zurechnungszusammenhang nicht. Ein Einbürgerungsbewerber hat für ein ihm zurechenbares und für aktuelle Sozialhilfeleistungen mitursächliches Verhalten nach Ablauf einer Frist von acht Jahren nicht mehr einzustehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 19.02.2009, a.a.O.).
27 
Ein Vertretenmüssen ist gegeben, wenn sich der Einbürgerungsbewerber nicht oder nicht hinreichend um die Aufnahme einer Beschäftigung bemüht, wenn er durch ihm zurechenbares Verhalten zu erkennen gibt, dass er nicht bereit ist, eine ihm zumutbare Beschäftigung unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - ggf. auch abweichend von seiner bisherigen Qualifikation und auch zu ungünstigeren Lohn- oder Arbeitsbedingungen - anzunehmen oder wenn es zu einem Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund verhaltensbezogener Ursachen kommt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008 - 13 S 1487/06 - NVwZ-RR 2008, 839; NdsOVG, Urt. v. 13.11.2013 - 13 LB 99/12 - juris; Berlit, a.a.O., Rn. 259 f.; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, StAR, 5. Aufl., § 10 Rn. 43). Nicht zu vertreten hat ein arbeitsfähiger Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug, wenn er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und sich hinreichend intensiv um Arbeit bemüht, aber aus konjunkturellen Gründen oder deswegen keine nach dem Maßstab des § 8 Abs. 1, § 10 SGB II zumutbare Beschäftigung findet, weil er objektiv vermittlungshemmende Merkmale, wie Alter, Krankheit, fehlende Qualifikation - deren Eintritt er selbst nicht zurechenbar verursacht hat - aufweist. Ebenso nicht zu vertreten hat der Einbürgerungsbewerber einen Leistungsbezug wegen Verlusts des Arbeitsplatzes aufgrund gesundheitlicher, betriebsbedingter oder konjunktureller Ursachen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 06.07.2007 - 5 ZB 06.1988 - juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008, a.a.O.; NdsOVG, Urt. v. 13.11.2013, a.a.O. ; Berlit, a.a.O., § 10 Rn. 266 ff.).
28 
Die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvertretenmüssen trägt angesichts der gesetzlichen Konstruktion von Regel und Ausnahme - und weil es sich typischerweise um Umstände handelt, die seiner persönlichen Sphäre entstammen - der Einbürgerungsbewerber (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2009, a.a.O.; NdsOVG, Urt. v. 13.11.2013, a.a.O. ; Berlit, a.a.O., § 10 Rn. 254; Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, § 86 AuslG Rn. 29, 53 ; Marx, Kommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, § 86 AuslG Rn. 7; a.A. - ohne Begründung - Hailbronner, a.a.O., § 10 Rn. 39).
29 
bb) Der Kläger bezieht für sich und die Familienangehörigen in seiner Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II. Diesen Leistungsbezug hat er nach den dargelegten Grundsätzen aufgrund seines starken Nikotinkonsums zu vertreten. Denn dieser vom Kläger zu verantwortende Konsum durch häufiges Rauchen von Zigaretten ist im wesentlichen prägend für den die Vermittlungsfähigkeit des Klägers erheblich einschränkenden und daher für den Leistungsbezug ursächlichen Gesundheitszustand des Klägers.
30 
Nach der gutachterlichen Äußerung der Gutachterin der Agentur für Arbeit vom 23.11.2009 beruht die eingeschränkte Vermittlungsfähigkeit des Klägers auf seiner chronischen Erkrankung der Atemwege, der Erkrankung im Bereich der Speiseröhre und einer eingeschränkten Belastung der Wirbelsäule. Der Kläger ist danach für mindestens drei Stunden für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig. Auszuschließen sind Tätigkeiten mit die Lunge schädigenden Substanzen wie Rauch, Staub, Gase und Dämpfe, anhaltende Zwangshaltungen, schweres Heben und Tragen sowie häufiges Bücken. Hilfreich für die Verbesserung der Atmung wäre die Einstellung des Nikotinkonsums. Diese Feststellungen der Gutachterin decken sich mit denen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2014. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, denen der Senat aufgrund seines eigenen Eindrucks folgt, ist der Kläger aufgrund seiner Atemwegerkrankung insbesondere zu Tätigkeiten, die seine Lunge belasten könnten, nicht in der Lage. Er ist darauf angewiesen, wegen seiner eingeschränkten Lungenfunktion halbstündlich ein Medikament in der Form eines Sprays zu nehmen. Der Kläger raucht weiterhin Zigaretten, derzeit ca. 30 pro Tag. Diesen Gesundheitszustand bestätigen die vom Kläger vorgelegten Atteste seiner Hausärztin ... vom 10.01.2014 und des Arztes ... vom 17.01.2014. Nach den Feststellungen im Attest vom 10.01.2014 hat sich das Asthma bzw. die chronisch obstruktive Lungenerkrankung in den letzten Jahren erheblich verschlechtert, so dass der Kläger nach geringen körperlichen Belastungen völlig außer Atem kommt und die Einschränkung der Lungenfunktion die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bedingt. Gemäß den Feststellungen im Attest vom 17.01.2014 hat die Belastbarkeit des Klägers durch seine chronisch obstruktive Lungenkrankheit abgenommen, so dass er zittert, wenn er sich länger anstrengt, und ihm nur eine Arbeitszeit von drei Stunden zuzumuten ist und am Arbeitsplatz auch möglichst wenig inhalative Noxen und möglichst wenig Temperaturwechsel auftreten sollten.
31 
Das Vermittlungshemmnis hat seine Ursache im Verantwortungsbereich des Klägers. Er hat durch seinen starken Nikotinkonsum in den letzten Jahren seit 2007 die maßgebliche Ursache für seine deutlich eingeschränkte Erwerbsfähigkeit gesetzt. Dieser Umstand liegt in seinem Verantwortungsbereich und ist von ihm zu vertreten. Der sinngemäße Einwand des Kläger-Vertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, es handele sich um eine Sucht, die der Kläger nicht steuern und beherrschen könne, ist unbegründet. Nach dem Attest vom 17.01.2014 hat der Kläger zweimal das Rauchen für längere Zeit aufgegeben, einmal für acht Monate und einmal für ein Jahr lang. Konkrete Umstände, warum es ihm nicht möglich war, dauerhaft das Rauchen einzustellen, hat der Kläger nicht dargelegt. Aus welchen Gründen der Kläger nach diesen Phasen das Rauchen wieder aufgenommen hat, ist nicht dargelegt. Die pauschale Behauptung, es handele sich um eine nicht steuerbare Sucht, ist gerade angesichts der zwei längeren Phasen der Abstinenz nicht nachvollziehbar und zeigt keine Tatsachen auf, die auf eine außerhalb des Verantwortungsbereichs des Klägers liegende, nicht beherrschbare Sucht hindeuten könnten. Bereits durch die gutachterliche Äußerung der Gutachterin der Agentur für Arbeit vom 23.11.2009 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Einstellung des Nikotinkonsums hilfreich für die Verbesserung der Atmung wäre. Nachhaltige Bemühungen hierzu sind gleichwohl nicht festzustellen.
32 
Der starke Nikotinkonsum des Klägers in den Jahren ab 2007, als nach seiner Schilderung eine wirtschaftlich schwierige, später krisenhafte Situation für ihn eintrat, ist für den Bezug von SGB II prägend. Er führte beim Kläger, der nach seinem eigenen, für den Senat nachvollziehbaren Vortrag bis dahin ohne Einschränkungen voll erwerbsfähig war und zusammen mit seiner Ehefrau seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen bestreiten konnte, zu einer sehr starken Einschränkung seiner Lungenfunktion und damit entscheidend zu seiner beschränkten Vermittlungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dieser Umstand ist auch in zeitlicher Hinsicht zu berücksichtigen. Das starke Rauchen des Klägers ab 2007 liegt nicht bereits mehr als acht Jahre zurück. Unerheblich ist insoweit, dass nach dem Attest vom 17.01.2014 der Kläger seit der Jugend raucht. Denn dieser Konsum hatte bis 2007 nicht zu negativen Folgen für die Leistungs-, Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des Klägers geführt.
33 
Hinzu kommen - ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, da sich das Vertretenmüssen bereits aus dem Nikotinkonsum des Klägers ergibt - die Leistungskürzungen des Klägers bei seinem Bezug von Leistungen nach SGB II. Vom 01.04.2009 bis zum 30.06.2009 waren die Leistungen des Klägers wegen eines Terminversäumnisses um 10 % und vom 01.10. bis 31.12.2010 wegen der Ablehnung einer Arbeit um 30 % gekürzt worden. Aktuell erfährt der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat, Leistungskürzungen, da er sich entgegen der Aufforderung der Agentur für Arbeit auf von dieser ihm benannte offene Stellen nicht beworben hat. Die Leistungskürzungen beim Bezug von Leistungen nach SGB II sind Indizien dafür, dass der Kläger den Leistungsbezug zu vertreten hat. Diese Indizien hat er nicht ausgeräumt. Die für das Unterlassen von Bewerbungen vom Kläger angegebenen Gründe, dass sich seine Tochter in einer Ausbildung befinde, dass sein Sohn schon lange arbeitslos sei, dass er Brot kaufen müsse und kein Geld für Bewerbungen ausgeben könne, sind nicht geeignet, das Versäumnis, sich auf offene Stellen zu bewerben, zu rechtfertigen.
34 
c) Der Einbürgerung nach § 10 StAG steht auch entgegen, dass der Kläger seine türkische Staatsangehörigkeit nicht aufgegeben oder verloren hat und von dem Erfordernis, die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben, im Fall des Klägers nicht abgesehen werden kann.
35 
Die Einbürgerung nach § 10 StAG setzt voraus, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG). Dies entspricht § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG a.F. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass der Kläger noch türkischer Staatsangehöriger ist. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Der Kläger macht mit der Berufung nicht mehr geltend, er habe die türkische Staatsangehörigkeit verloren.
36 
Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG kann nicht nach § 12 Abs. 1 StAG abgesehen werden. Ein solches Absehen sieht § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG vor, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist u.a. anzunehmen, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG). Diese Voraussetzungen des Absehens entsprechen denen des § 12 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StAG a.F.
37 
aa) Zu § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG macht der Kläger nicht geltend, dass die Variante 1 (Versagung der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat) oder die Variante 3 (keine Entscheidung über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag in angemessener Zeit) vorliegt. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Beide Varianten setzen einen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag voraus. Für Variante 3 regelt das Gesetz das ausdrücklich. Für Variante 1 folgt diese Voraussetzung daraus, dass der Herkunftsstaat über den Entlassungsantrag negativ entschieden haben muss („Versagung“) und die Ablehnung vom Ausländer zu vertreten ist, wenn er keinen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag gestellt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2002 - 13 S 810/12 - DVBl. 2003, 469, zum gleichlautenden § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG a.F.; Urt. v. 24.11.2005 - 12 S 1695/05 - InfAuslR 2006, 230; Berlit, a.a.O., § 12 Rn. 77 ff., 82 ff. ; Hailbronner, a.a.O., § 12 Rn. 18, 33; Münch, in: Marx: Ausländer- und Asylrecht. Verwaltungsverfahren. Prozess, 2. Aufl., § 7 Rn. 150). Dieses Erfordernis ist auch sachgerecht, da die Fälle, in denen es unzumutbar ist, einen solchen Antrag zu stellen, von Variante 2 erfasst werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2002, a.a.O.). Der Kläger hat nicht nachgewiesen, einen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag gestellt zu haben, obwohl er von dem Beklagten mehrfach hierzu aufgefordert worden ist. Zwar hat er eine Bescheinigung des türkischen Generalkonsulats Stuttgart vom 24.09.2003 vorgelegt, dass sein Antrag vom 24.09.2003 zur Ausbürgerung aus der türkischen Staatsangehörigkeit an das Innenministerium weitergeleitet worden sei. Ob es sich um einen formgerechten und vollständigen Antrag handelt, ist jedoch nicht festzustellen.
38 
bb) Auch die Voraussetzungen eines Absehens nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG, dessen Auslegung unstreitig vollständig der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. NdsOVG, Urt. v. 08.02.2012 - 13 LC 240/10 - InfAuslR 2012, 191; Berlit, a.a.O., § 12 Rn. 106), sind nicht gegeben. Die Entlassungsbedingungen des türkischen Staates sind weder abstrakt-generell unzumutbar (1) noch wirken sie sich konkret im Fall des Klägers unzumutbar aus (2).
39 
(1) Nach der Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 18.10.2011 gegenüber dem Verwaltungsgericht (vgl. Bl. 114 ff. der Akte des Verwaltungsgerichts) bestimmte das Änderungsgesetz Nr. 5380 vom 02.07.2005 zum türkischen Militärgesetz Nr. 1111:
40 
"Der Wehrdienst von Wehrpflichtigen, die im Ausland leben, kann bis zum Ende des 38. Lebensjahres zurückgestellt werden.
41 
Betroffene müssen einen Betrag von insgesamt Euro 5.112.- bezahlen. Dieser Betrag kann bei Anmeldung im voraus oder bis zum Ende des 38. Lebensjahr in höchstens vier gleichen Raten bezahlt werden, wobei die erste Rate bei der Anmeldung bezahlt werden muss. Die Militärausbildung für diesen Personenkreis dauert 21 Tage.
42 
Diejenigen, die bis zum Ende des 38. Lebensjahrs sich nicht angemeldet oder trotz Abmeldung den Wehrdienst nicht angetreten oder nicht bezahlt haben, können dennoch mit einer einmaligen Zahlung von Euro 7.668.- von den Bestimmungen dieses Gesetzes profitieren."
43 
Die Freikaufsumme wurde nach der vom Senat eingeholten Auskunft des Bundesministerium des Innern vom 26.11.2013 (vgl. Bl. 107 ff. der Berufungsakte) zum 15.12.2011 einheitlich auf 10.000.-- EUR erhöht, zum 20.07.2013 wiederum einheitlich auf 6.000.-- EUR herabgesetzt. Derzeit kann mithin nach Ableistung einer Militärausbildung von 21 Tagen ein Freikauf gegen ein Betrag von 6.000.-- EUR erfolgen.
44 
Der türkische Staat stellt damit im Regelfall keine unzumutbaren Bedingungen für die Ableistung des Wehrdienstes und des Freikaufs hiervon. Eine Unzumutbarkeit ist anzunehmen, wenn die Entlassungsbedingungen des Heimatstaates abstrakt-generell unzumutbar sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - NVwZ 2013, 867). Dies ist nicht nur zu bejahen, wenn gesetzliche Regelungen des Heimatstaates unzumutbare Entlassungsbedingungen vorsehen. Eine abstrakt-generelle Unzumutbarkeit liegt vielmehr auch vor, wenn eine generell geübte Verwaltungspraxis des Heimatstaates unzumutbare Entlassungsbedingungen begründet (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.05.2007 - 5 C 3.06 - BVerwGE 129, 20; Urt. v. 30.06.2010 - 5 C 9.10 - BVerwGE 137, 237; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.09.2008 - 13 S 1812/07 - NVwZ-RR 2009, 354; OVG NRW, Urt. v. 25.09.2008 - 19 A 1221/04 - juris).
45 
Danach liegt keine abstrakt-generelle Unzumutbarkeit der gegenwärtigen türkischen Entlassungsbedingungen vor. Angesichts des Umstandes, dass die im Grundsatz nicht zu beanstandende Wehrpflicht des türkischen Staates von demjenigen, der sich freikauft, nicht mehr zu leisten ist und dieser dadurch einen erheblichen Vorteil erfährt, ist ein Freikaufbetrag von 6.000.-- EUR nicht als überhöht anzusehen und daher nicht zu beanstanden.
46 
(2) Die Entlassungsbedingungen des türkischen Staates sind auch nicht konkret-individuell betrachtet unzumutbar. Dabei kann der Senat offen lassen, wie der Begriff der konkret-individuellen Unzumutbarkeit zu bestimmen ist. Denn nach jeder Betrachtungsweise ist im Fall des Klägers eine konkret-individuelle Unzumutbarkeit zu verneinen.
47 
(a) Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 21.02.2013 - 5 C 9.12 - ausgeführt, der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG lasse bei der Bestimmung des Begriffs der Unzumutbarkeit eher auf das Erfordernis einer abstrakt-generellen Prüfung schließen. Ob die darüber hinaus erforderliche individuelle Prüfung des Vorliegens besonders schwieriger Bedingungen ebenfalls von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG gefordert wird oder als gesonderter Prüfungsschritt im Rahmen des § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG zu erfolgen hat, könne offen bleiben, da keine Tatsachen vorlägen, die das im dortigen Verfahren streitige Volljährigkeitserfordernis im konkreten Einzelfall als unzumutbare oder besonders schwierige Bedingung erscheinen ließen. Sei eine Entlassungsvoraussetzung generell betrachtet zumutbar, dann habe dies zur Folge, dass die betroffenen Ausländer in der Regel die Bedingung erfüllen müssten, um nach Entlassung aus der fremden Staatsangehörigkeit in den deutschen Staatsverband aufgenommen zu werden. Schon aus Gleichbehandlungsgründen müsse für die Annahme einer hiervon befreienden individuell-konkreten Unzumutbarkeit eine vom Regelfall abweichende atypische Belastungssituation vorliegen, die bei wertender Betrachtung nach nationalem Recht nicht hinzunehmen sei (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013, a.a.O.; dazu: Fleuß, jurisPR-BVerwG 11/2013 Anm. 4; Häußler, DVBl. 2013, 1228, 1233).
48 
Nach der bisher herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist bei der Prüfung der konkreten Unzumutbarkeit von Entlassungsbedingungen entscheidend, ob dem Einbürgerungsbewerber nach seinen konkreten Verhältnissen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Erfüllung der Entlassungsbedingungen nach Maßgabe eines objektivierenden normativen Maßstabs aus nationaler Sicht zuzumuten ist. Die bloß subjektiv definierte Unzumutbarkeit reicht dabei allerdings nicht aus. Auf der anderen Seite schließt allein der Umstand, dass eine Entlassungsbedingung dem Grunde nach in rechtsvergleichender Sicht jedenfalls nicht unüblich ist und den Rahmen des in der Staatenpraxis Üblichen wahrt, deren Unzumutbarkeit im Einzelfall nicht aus (vgl. NdsOVG, Urt. v. 08.02.2012, a.a.O.; ähnlich: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.09.2008, a.a.O.; NdsOVG, Urt. v. 13.11.2013, a.a.O.; VG Aachen, Urt. v. 18.05.2009 - 5 K 1815/08 - juris; VG Freiburg, Urt. v. 25.01.2012 - 2 K 1237/10 - juris; VG Stuttgart, Urt. v. 15.08.2013 - 11 K 3272/12 - AuAS 2013, 208; Berlit, a.a.O., § 12 StAG Rn. 107 f.). Dabei ziehen die Gerichte häufig die zum Staatsangehörigkeitsgesetz erlassenen Anwendungshinweise und Verwaltungsvorschriften heran. Diese gehen zum einen von einer regelmäßig oder stets zumutbaren Freikaufsumme aus und stellen zum anderen auf die Einkommensverhältnisse des Einbürgerungsbewerbers ab. Sie führen mithin im Zweifel zu einer stärker auf den Einzelfall bezogenen Prüfung der Zumutbarkeit als der Maßstab aus der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Integration Baden-Württemberg zum Staatsangehörigkeitsgesetz (VwV StAG) vom 08.07.2013 bestimmt zur Unzumutbarkeit im Hinblick auf die Leistung der Wehrpflicht, dass der Freikauf in der Regel unzumutbar ist, wenn das Dreifache eines durchschnittlichen Bruttomonatseinkommens des Einbürgerungsbewerbers überschritten wird, und dass ein Betrag von 5.000.-- EUR regelmäßig zumutbar ist. Diese Verwaltungsvorschrift kann nach Auffassung des Senats, wenn man von der bisherigen Auslegung des Begriff der Zumutbarkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ausgehen sollte, eine sachgerechte Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs darstellen.
49 
(b) Nach diesen Grundsätzen der bisher h.M. in der Rechtsprechung und Literatur ist eine Unzumutbarkeit im Fall des Klägers nicht gegeben. Insbesondere aus den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers ergibt sich eine solche nicht. Der Kläger hat hierzu im wesentlichen lediglich vorgetragen, Leistungen nach SGB II für sich und seine Familienangehörigen zu beziehen, ohne Einzelheiten hierzu anzugeben oder einen vollständigen Bescheid über Leistungen nach SGB II vorzulegen. Den Bezug von Leistungen nach dem SGB II zugrundegelegt, lässt sich eine Unzumutbarkeit nicht feststellen. Zwar würde nach dem grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat der Freikaufbetrag von 6.000.-- EUR das Dreifache des Bruttomonatseinkommens des Klägers übersteigen. In die Gesamtabwägung sind hier jedoch die Freikaufmöglichkeiten aus der Vergangenheit einzustellen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG, dass nach Ablauf von acht Jahren ein für aktuelle Sozialhilfeleistungen mitursächliches Verhalten dem Einbürgerungsbewerber nicht mehr entgegengehalten werden kann, ist nicht übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Rechtsprechung mit der Zielsetzung des Gesetzes, einer Zuwanderung in die Sozialsysteme entgegenzuwirken, begründet. Der Zusammenhang zwischen zu verantwortendem vergangenen Verhalten und späteren Fernwirkungen verliere nach diesem Sinn und Zweck der Regelung im Zeitverlauf an Gewicht. Zudem sei Regelvorstellung, dass der Einbürgerungsbewerber, der den gegenwärtigen Leistungsbezug zu vertreten habe, dies durch eine Verhaltensänderung (z.B. hinreichend intensive Bemühungen um eine Beschäftigung) auch solle beeinflussen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2009, a.a.O.). § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG ist in all seinen drei Varianten dadurch geprägt, dass der Einbürgerungsbewerber die Nichtentlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit nicht zu vertreten hat (vgl. Berlit, a.a.O., § 12 Rn. 75). Für die Erfüllung der Wehrpflicht und eines etwaigen Freikaufs von dieser ist insoweit von Bedeutung, dass die Wehrpflicht international weit verbreitet und anerkannt ist, dass die Erfüllung einer gesetzlichen Wehrpflicht im Grundsatz zu den statthaften und abstrakt zumutbaren Entlassungsvoraussetzungen gehört, dass Einbürgerungsbewerber die Entlassungsbedingungen des Heimatstaates regelmäßig ohne größere Schwierigkeiten kennen können und sich grundsätzlich darauf einstellen können, ob und wie sie diese Entlassungsbedingungen erfüllen wollen. Daher kann für die Zumutbarkeit eines Freikaufs auch relevant sein, wie frühzeitig sich der Betroffene um einen solchen Freikauf bemüht hat oder ob er ihm zumutbare Möglichkeiten des Freikaufs ungenutzt verstreichen ließ (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.2010 - 5 C 12.10 - NVwZ 2011, 760, zur Bemühung um den Rückerwerb einer früheren Staatsangehörigkeit im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung). Die Tatsache, dass ein Einbürgerungsbewerber die ihm zumutbare Möglichkeiten des Freikaufs nicht nutzte, kann daher in einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände bei der Frage der Zumutbarkeit nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG Berücksichtigung finden.
50 
Für den Kläger bestand vor dem 01.01.2002 die Möglichkeit, den Freikauf durch eine Zahlung von 10.000.-- DM zu erreichen. Diese Möglichkeit war für ihn zumutbar. Er war zu diesem Zeitpunkt nicht auf Sozialhilfeleistungen oder andere staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen. Vielmehr betrieb er nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu dieser Zeit erfolgreich den Imbiss im ... sowie drei weitere Imbisswagen. Für den Erwerb einer Eigentumswohnung in der Türkei hatte er zu diesem Zeitpunkt einen Kredit von der Bank über 50.000.-- DM erhalten. Von der Freikaufsumme von 10.000.-- DM hatte er im Oktober 2001 2.500.-- DM bereits geleistet. Er wollte nach seinem eigenen Vorbringen die restliche Summe von 7.500.-- DM im Generalkonsulat bezahlen - und war dazu offenkundig in der Lage -, unterließ diese Zahlung jedoch bei dem Termin im Generalkonsulat, da er - anscheinend zu Beginn des Jahres 2002, nach Vollendung des 38. Lebensjahrs - einen Tag zu spät kam. Den hierfür angegebenen Grund, dass er sich als Selbstständiger zuvor nicht habe frei nehmen können, hat er ebenso zu vertreten wie den Umstand, dass er zuvor den Freikauf über Jahre vor sich hergeschoben hatte. Der derzeitige Gesamtbetrag von 6.000.-- EUR ist zwar - unabhängig von der Frage, ob die damalige Zahlung von 2.500.-- DM heute noch angerechnet würde oder nicht - für den Kläger angesichts seines derzeitigen Bezugs von Leistungen nach SGB II ein sehr erheblicher Betrag. Dies führt jedoch bei einer Gesamtbetrachtung nicht zur Unzumutbarkeit im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG, da der maßgebliche Grund für diese Belastung darin liegt, dass der Kläger die Möglichkeit des Freikaufs gegen 10.000.-- DM vor dem 01.01.2002 ungenutzt ließ. Zudem liegt die derzeitige Freikaufsumme von 6.000.-- EUR zwar über der damaligen von 10.000.-- DM, der Mehrbetrag beträgt jedoch lediglich 888.-- EUR.
51 
Auf Nr. 12.1.2.3.2.2 der VwV StAG vom 08.07.2013 zu Einbürgerungsbewerbern, die über 40 Jahre alt sind und seit mehr als 15 Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Herkunftsstatt haben, davon mindestens zehn Jahre im Inland, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Denn auch wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, liegt keine konkret-individuelle Unzumutbarkeit vor, wenn dem Einbürgerungsbewerber der Freikauf von der Wehrpflicht zumutbar ist.
52 
(c) Nach dem Maßstab des Bundesverwaltungsgerichts wirken sich die abstrakt-generell zumutbaren Regelungen des türkischen Staates zum Freikauf von der Wehrpflicht für den Kläger nicht unzumutbar aus. Es sind keine atypischen Umstände des Einzelfalls dargelegt oder ersichtlich, die so bedeutsam sind, dass für den Kläger im Verhältnis zu sonstigen Einbürgerungsbewerbern besondere nicht hinzunehmende Belastungen eintreten. Auch aus den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers ergeben sich solche Umstände nicht. Allein aus der Tatsache des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II kann ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine atypische Sondersituation des Klägers folgen, die ihn wesentlich härter betrifft als vergleichbare Einbürgerungsbewerber. Denn für jeden Einbürgerungsbewerber, der Leistungen nach SGB II bezieht, stellt die Freikaufsumme von 6.000.-- EUR eine vergleichbare Belastung dar. Hierzu hinzutretende besondere Umstände hat der Kläger für seinen Fall nicht dargelegt. Gegen eine besondere Belastungssituation spricht hingegen, dass der Kläger vor Vollendung des 38. Lebensjahres die zumutbare Möglichkeit des Freikaufs gegen 10.000.-- DM hatte, die er nicht wahrnahm, weil er die Angelegenheit vor sich herschob.
53 
cc) Auch ein Absehen vom Erfordernis des Verlusts oder der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit nach anderen Bestimmungen kommt nicht in Betracht.
54 
Die insoweit günstigere Bestimmung des § 12 Abs. 3 StAG a.F. - nach der von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 abgesehen werden kann, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit von der Leistung des Wehrdienstes abhängig macht und der Ausländer den überwiegenden Teil seiner Schulausbildung in deutschen Schulen erhalten hat und im Inland in deutsche Lebensverhältnisse und in das wehrpflichtige Alter hineingewachsen ist - kann auf den Kläger, wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Anwendung finden, da er nie eine deutsche Schule besucht hat.
55 
Auch für ein Absehen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StAG liegen die Voraussetzungen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist anzunehmen, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann, wenn der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde. Der Kläger ist bereits keine ältere Person in diesem Sinne. Zumindest im Regelfall sind nur Ausländer ab Vollendung des 60. Lebensjahrs erfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.2010, a.a.O.; Berlit, a.a.O., § 12 Rn. 208). Unverhältnismäßige Schwierigkeiten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StAG sind nur altersbedingte Erschwernisse. Die Unverhältnismäßigkeit muss gerade auf das fortgeschrittene Lebensalter des Einbürgerungsbewerbers zurückzuführen sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.2010, a.a.O.; OVG NRW, Urt. v. 26.11.2009 - 19 A 1448/07 - juris). Solche Schwierigkeiten sind weder dargelegt noch ersichtlich.
56 
Schließlich kommt auch ein Absehen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG nicht in Betracht. Dabei kann offenbleiben, ob § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG eine abschließende Regelung darstellt oder § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG eine Auffangklausel für von § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG nicht erfasste Fälle ist (vgl. dazu nur: Berlit, a.a.O., § 12 Rn. 23 ff.). Denn für sonstige, von § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG nicht geregelte besonders schwierige Bedingungen der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit ist im Fall des Klägers nichts ersichtlich.
57 
2. a) Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach Ermessen gemäß § 8 Abs. 1 StAG liegen nicht vor. Denn der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, dass er sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist.
58 
Ebenso ist die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG weder in der aktuellen noch in der früheren Fassung erfüllt. Das Erfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG, dass er weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, ist nicht gegeben; die Voraussetzung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a.F., dass der Ausländer keinen Ausweisungsgrund nach §§ 53, 54 oder § 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AufenthG erfüllt, liegt gleichfalls nicht vor, da die Verurteilungen des Klägers einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG darstellen.
59 
b) Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, eine Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 StAG zu treffen. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von den Voraussetzungen in § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StAG abgesehen werden.
60 
Eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG liegt nicht vor. Denn eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - BVerwGE 142, 145). Als Beispiel für einen Härtefall, der durch diese Ausnahmeregelung vermieden werden kann und soll, führt der Gesetzgeber die Konstellation an, dass etwa die ausländische Ehefrau aufgrund einer zur Durchführung eines Entlassungsverfahrens erteilten Einbürgerungszusicherung aus ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit ausgeschieden ist, nun aber ihrer Einbürgerung - auch bei unverschuldet eingetretener Arbeitslosigkeit ihres deutschen Ehegatten - mangelnde Unterhaltsfähigkeit entgegensteht und sie dadurch staatenlos geworden ist (BT-Drs. 15/420, S. 116). Dieser Beispielsfall zeigt zum einen, dass der Gesetzgeber für die Annahme einer „besonderen Härte“ mehr verlangt, als dass Gründe vorliegen, die einer Einbürgerung zwar grundsätzlich entgegenstehen, von denen jedoch unter bestimmten Umständen - wie etwa im Falle der nicht zu vertretenden Inanspruchnahme von Sozialleistungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG) - abgesehen werden kann. Zum anderen verdeutlicht er die Zielrichtung der Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG: Sie soll es ermöglichen, solchen Härten zu begegnen, die gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden bzw. durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert würden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012, a.a.O.; HessVGH, Beschl. v. 21.10.2008 - 5 A 1820/08.Z -; Senatsurt. v. 06.11.2013 - 1 S 244/13 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -; OVG Bln.-Bbg., Beschl. v. 11.06.2009 - OVG 5 M 30.08 -; SaarlOVG, Beschl. v. 10.06.2010 - 1 A 88/10 -; alle in juris). Daran gemessen sind hier keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Versagung der Ermessenseinbürgerung wegen Straffälligkeit und mangelnder Unterhaltsfähigkeit den Kläger gegenüber anderen Einbürgerungsbewerbern in vergleichbarer Lage besonders hart trifft. Er hat ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Es wird nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, dass die Versagung der Einbürgerung negative Auswirkungen auf die ehelichen und familiären Lebensverhältnisse des Klägers hätte.
61 
Es fehlt auch an einem öffentlichen Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG.
62 
Ein solches ist nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG) und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG) einzubürgern (vgl. Senatsurt. v. 06.11.2013, a.a.O.; SaarlOVG, Urt. v. 28.06.2012 - 1 A 35/12 - juris; ebenso NdsOVG, Beschl. v. 07.01.2013 - 13 PA 243/12 - juris; so jetzt auch Nr. 8.2 VwV StAG vom 08.07.2013). Für ein solches Interesse ist hier nichts erkennbar.
63 
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer erneuten Einbürgerungszusicherung für den Fall, dass er die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit nachweist. Denn der Einbürgerung steht nicht nur § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, sondern auch die mangelnde Sicherung des Lebensunterhalts entgegen.
64 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Dabei kann offenbleiben, ob die Bestimmung des Begriffs der Unzumutbarkeit nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Variante 2 StAG grundsätzliche Bedeutung hat. Denn die Frage ist mangels Vorliegens der Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG nicht entscheidungserheblich.
65 
Beschluss vom 22. Januar 2014
66 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
67 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass1.sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,2.die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen übe

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 12a


(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht: 1. die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,2. Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und3. Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monat

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 40c


Auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, sind die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2014 - 1 S 923/13 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2014 - 1 S 923/13 zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 14. Mai 2014 - 2 K 1237/10

bei uns veröffentlicht am 14.05.2014

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten. Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 Abs. 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres 2005 (ESt

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 06. Nov. 2013 - 1 S 244/13

bei uns veröffentlicht am 06.11.2013

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Oktober 2012 - 11 K 1376/12 - geändert.Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.Die Revision wird nicht z

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 08. Mai 2013 - 1 S 2046/12

bei uns veröffentlicht am 08.05.2013

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - aufgehoben.Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine neue, auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.Im

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 28. Juni 2012 - 1 A 35/12

bei uns veröffentlicht am 28.06.2012

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. September 2011 - 2 K 209/10 - wird zurückgewiesen.Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 10. Juni 2010 - 1 A 88/10

bei uns veröffentlicht am 10.06.2010

Tenor Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 530/09 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Zulassungsverfahrens f

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 06. Mai 2009 - 13 S 2428/08

bei uns veröffentlicht am 06.05.2009

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. November 2007 - 11 K 3108/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des V

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 06. März 2009 - 13 S 2080/07

bei uns veröffentlicht am 06.03.2009

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. September 2006 - 11 K 435/06 - wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 24. Sept. 2008 - 13 S 1812/07

bei uns veröffentlicht am 24.09.2008

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Die Revision

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 12. März 2008 - 13 S 1487/06

bei uns veröffentlicht am 12.03.2008

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Januar 2006 - 5 K 1868/04 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Re

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 24. Nov. 2005 - 12 S 1695/05

bei uns veröffentlicht am 24.11.2005

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 08. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassu
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2014 - 1 S 923/13.

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 11. Apr. 2017 - Au 1 K 16.1553

bei uns veröffentlicht am 11.04.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger wendet sich gegen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 12. Nov. 2014 - 1 S 184/14

bei uns veröffentlicht am 12.11.2014

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2013 - 3 K 2402/11 - geändert.Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin in den deutschen Staatsverband einzubürgern.Die Beklagte trägt die Kosten

Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 24. Sept. 2014 - 8 K 3658/14

bei uns veröffentlicht am 24.09.2014

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L.     aus X.         wird abgelehnt. 1              Gründe: 2Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsv

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 26. Juni 2014 - 4 K 708/14

bei uns veröffentlicht am 26.06.2014

Tenor Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für den Fall seiner Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit die Einbürgerung als deutscher Staatsangehöriger zuzusichern. Der Bescheid des Landratsamts XXX vom 12.11.2013 und der Widerspruch

Referenzen

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, sind die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine neue, auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt ein Viertel, die Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Hinsichtlich der Entscheidung über die Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung wird für die Beklagte die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der Kläger, ein am ... geborener türkischer Staatsangehöriger, der im Jahr 1978 im Wege des Familiennachzugs in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, besitzt seit 1986 ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Im Jahr 1987 erlangte er den Hauptschulabschluss. Aus seiner am 20.06.1990 geschlossenen Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen sind drei 1993, 1998 und 2008 geborene Kinder hervorgegangen.
Am 14.06.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Einbürgerung. Hierbei gab er u.a. die geforderte Loyalitätserklärung ab. Nachdem die Beklagte das Vorliegen der Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 85 AuslG festgestellt und insbesondere das Landesamt für Verfassungsschutz ihr unter dem 13.07.2000 mitgeteilt hatte, dass die Einbürgerung unbedenklich sei, erteilte sie dem Kläger am 15.08.2000 eine bis zum 14.08.2002 befristete Zusage der Einbürgerung für den Fall, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde. Am 27.09.2001 ging der Beklagten die dem Kläger am 19.09.2001 erteilte Erlaubnis der türkischen Behörden zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit zu.
Auf Anfrage der Beklagten teilte das Landesamt für Verfassungsschutz am 12.12.2001 mit, dass es den Einbürgerungsvorgang dem Innenministerium Baden-Württemberg zur weiteren Entscheidung vorgelegt habe.
Am 18.02.2002 gab der Kläger auf Aufforderung der Beklagten erneut ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und eine entsprechende Loyalitätserklärung ab.
Unter dem 29.08.2003 teilte das Innenministerium dem Regierungspräsidium Karlsruhe mit, dass es der Einbürgerung des Klägers zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zustimme, da dieser sich in der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V.“ - IGMG - engagiere und zumindest im Jahr 2000 dem Vorstand dieser Gemeinschaft in Mannheim angehört habe.
Ausweislich eines Aktenvermerks vom 15.01.2004 (Bl. 159 der Einbürgerungsakten) gab der Kläger bei einer Vorsprache auf der Einbürgerungsbehörde an, sich seit Jahren in der IGMG in Mannheim zu engagieren und sich mit deren Gedankengut zu identifizieren. Ein Austritt käme für ihn allenfalls bei einem Verbot des Vereins in Frage.
Mit Verfügung vom 15.01.2004 lehnte die Beklagte nach vorheriger Anhörung die Einbürgerung des Klägers ab, da es an der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG fehle und ein Ausschlussgrund nach § 86 Nr. 2 AuslG bestehe.
Den gegen diese Verfügung am 12.02.2004 eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Karlsruhe, nachdem das Widerspruchsverfahren zunächst einvernehmlich geruht hatte, mit Bescheid vom 21.02.2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Einbürgerung sei nach den §§ 10 ff. StAG, hilfsweise nach § 8 StAG zu bewerten. Nach § 40 c StAG seien die §§ 8 - 14 in ihrer vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthielten als die Neufassung. Der Kläger erfülle die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. nicht, zudem liege der Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. vor. Er habe die IGMG durch seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied in Mannheim zu einer Zeit unterstützt, als diese noch als homogene verfassungsfeindliche Organisation zu betrachten gewesen sei. Die späteren inneren Veränderungen, die die IGMG heute im Hinblick auf ihre Verfassungsfeindlichkeit als inhomogene Organisation erscheinen ließen, seien für die Bewertung des vorliegenden Einbürgerungsbegehrens ohne Belang. Aufgrund der Unterstützung der IGMG, die nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. die Einbürgerung ausschließe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich vorbehaltlos zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekenne. Eine Abwendung von den verfassungsfeindlichen Bestrebungen sei nicht erfolgt.
10 
Am 03.03.2011 erhob der Kläger Verpflichtungsklage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe, zu deren Begründung er u.a. vortrug, er habe nie Bestrebungen verfolgt oder unterstützt, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten. Im Jahr 2000 sei er Mitglied des Vorstandes der IGMG in Mannheim gewesen. Der Vorstand habe aus neun bis zwölf Personen bestanden. Er sei insbesondere für Hausaufgabenbetreuung verantwortlich gewesen. Schon damals sei er gegen die insbesondere von der Gründergeneration vertretene „Erbakan-Linie“ gewesen. Er sei gegen jeden Absolutheitsanspruch der islamischen Religion gewesen und für ein tolerantes Zusammenleben mit anderen Religionen eingetreten. Etwa seit 2006 habe er keinen Kontakt mehr zur IGMG. Er besuche zwar manchmal das Freitagsgebet, aber keine Mitgliederversammlungen und nehme auch sonst nicht an Aktivitäten der Organisation teil. Er befürworte den Vorrang der Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats vor etwaigen islamischen Ge- oder Verboten und sehe keinen grundsätzlichen Konflikt zwischen den westlichen Werten und den Werten der islamischen Religion.
11 
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie führte aus, die Ausführungen des Klägers zum Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. und zur Abwendung von etwaigen verfassungsfeindlichen Bestrebungen seien nicht überzeugend.
12 
Mit Urteil vom 07.03.2012 - 1 K 576/11 - hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15.01.2004 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.02.2011 verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Es könne offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. vorlägen und ob der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. der Einbürgerung entgegenstehe. Der Kläger habe jedenfalls einen Anspruch auf Einbürgerung aus der ihm erteilten Einbürgerungszusage. In dieser Zusage habe die Beklagte sich für den Fall, dass der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachweise, verpflichtet, ihn einzubürgern. Dabei habe sie die Bindungswirkung auf den 14.08.2002 befristet. Da der Kläger am 27.09.2001 den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen und die Bindungswirkung zu diesem Zeitpunkt noch bestanden habe, ergebe sich aus der Zusage weiterhin ein Anspruch auf Einbürgerung. Die Bindungswirkung sei weder nach § 38 Abs. 3 LVwVfG noch nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG entfallen.
13 
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 08.10.2012 - 1 S 939/12 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Der Kläger könne sich aus mehreren Gründen nicht mehr auf die ihm am 15.08.2000 erteilte Einbürgerungszusicherung berufen. Zum einen sei die Bindungswirkung der Zusicherung mit Ablauf des 14.08.2002 entfallen. Zum anderen sei die Zusicherung unter dem Vorbehalt erteilt worden, dass sich die für die Einbürgerung maßgebliche Sach- und Rechtslage bis zur Einbürgerung nicht ändere. Hier sei die Bindungswirkung nach § 38 Abs. 3 LVwVfG durch Änderung der Sachlage entfallen. Zwar sei der Kläger bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Zusicherung Mitglied der IGMG gewesen, doch hätten die für die Entscheidung zuständigen Behörden keine Kenntnis davon gehabt, weil der Kläger im Einbürgerungsverfahren diesbezüglich falsche Angaben gemacht habe. Die Zusage wäre nämlich nicht erteilt worden, wenn der Kläger bei Abgabe der Loyalitätserklärung seine Mitgliedschaft bzw. Funktionärstätigkeit in der IGMG angegeben hätte. Diese Vereinigung sei vom Verfassungsschutz bereits damals als extremistisch eingestuft worden, weil sie auf die Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abziele. Die erst durch eine erneute Überprüfung bekannt gewordenen Tatsachen für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. bedingten somit eine Änderung der Sachlage und führten zum Wegfall der Bindungswirkung. Ebenfalls zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger innerhalb der Geltungsdauer der Zusicherung deren Bedingung erfüllt habe. Bei der von ihm vorgelegten Entscheidung der türkischen Behörden vom 19.09.2001 handele es sich nicht um eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, sondern lediglich um eine Erlaubnis zum Austritt aus der türkischen und zur Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit. Diese Erlaubnisbescheinigung habe nur eine Geltungsdauer von drei Jahren gehabt und sei daher nicht mehr gültig. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung des Klägers unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit lägen nicht vor. Ein Einbürgerungsanspruch ergebe sich wegen Vorliegens des Ausschlussgrundes des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. und Nichterfüllung der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG a.F. auch nicht aus der gesetzlichen Anspruchsgrundlage des § 10 StAG.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen,
18 
hilfsweise, das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine neue Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
19 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Mit Vorlage der Erlaubnis zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit habe er die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt. Die eigentliche Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit erfolge stets erst nach erfolgter Einbürgerung in einen anderen Staatsverband. Unabhängig von der Einbürgerungszusicherung habe er jedenfalls einen gesetzlichen Anspruch auf Einbürgerung, hilfsweise auf erneute Einbürgerungszusicherung, weil alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt seien. Insbesondere liege der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. nicht vor.
20 
Wegen der Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
21 
Dem Senat liegen die einschlägigen Einbürgerungsakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe und die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
23 
Die Berufung ist in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband oder auf Neubescheidung seines darauf gerichteten Antrags. Insoweit hätte das Verwaltungsgericht die Klage abweisen müssen (1.). Der Kläger hat jedoch im Wege der Folgenbeseitigung einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist (2.).
24 
1. Den Einbürgerungsantrag des Klägers hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Versagung der Einbürgerung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
25 
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei auf Einbürgerung gerichteten Verpflichtungsbegehren, soweit sich aus der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG nichts Abweichendes ergibt, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Nach der Übergangsregelung des § 40 c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 StAG weiter in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach früherem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008 - 13 S 1487/06 - NVwZ-RR 2008, 839; Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 29). Hinsichtlich der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) nicht geändert, so dass die Sach- und Rechtslage sich insgesamt nach dem StAG in der derzeit geltenden Fassung des Gesetzes vom 01.06.2012 (BGBl. I S. 1224) beurteilt. Dies gilt auch für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, der inhaltlich mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung übereinstimmt.
26 
Eine Anwendung der zum Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags am 14.06.2000 geltenden §§ 85, 86 AuslG kommt nicht in Betracht, da nach der insoweit maßgeblichen Übergangsregelung des § 40 c StAG a.F. das bis zum 31.12.2000 geltende Recht nur auf vor dem 16.03.1999 gestellte Einbürgerungsanträge Anwendung findet (Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 37).
27 
b) Einen Anspruch auf Einbürgerung aufgrund der Einbürgerungszusicherung, die eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Einbürgerungsanspruch darstellt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 22.06.2010 - 19 E 777/09 - EZAR NF 76 Nr. 6), hat der Kläger bereits deshalb nicht, weil er zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der anstehenden Berufungsverhandlung den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen hat. Zwar hat er zunächst während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung nachgewiesen, dass er die Einbürgerungsvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit erfüllt (aa). Mit Ablauf der Geltungsdauer der ihm vom türkischen Innenministerium erteilten Genehmigung ist diese Voraussetzung jedoch wieder entfallen (bb).
28 
aa) Mit der Vorlage der Genehmigung des Innenministeriums der Türkischen Republik zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vom 19.09.2001 bei der Beklagten am 27.09.2001 hat der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit für den Fall seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nachgewiesen und damit innerhalb der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die zum damaligen Zeitpunkt einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt. Die Einbürgerungszusicherung verfolgt den Zweck, einerseits Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit, andererseits aber auch temporäre Staatenlosigkeit zu vermeiden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.07.1994 - 13 S 2147/93 - InfAuslR 1995, 116). Sie soll dem Einbürgerungsbewerber die Sicherheit vermitteln, dass er nach Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit eingebürgert werden wird (Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG Rn. 493). Unschädlich ist dabei, dass mit der Genehmigung vom 19.09.2001 die Ausbürgerung aus dem türkischen Staatsverband noch nicht vollzogen wurde. Nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsrecht vollzieht sich der Verlust der Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit in einem zweistufigen Verfahren. Nach Art. 22 Abs. 2 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der damals geltenden Fassung (abgedr. bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschafts-recht, Stichwort Türkei S. 12) wird die Ausbürgerung durch Erteilung der Ausbürgerungsurkunde erst nach Vorlage der Einbürgerungsurkunde des ausländischen Staates vollzogen. Wollte man die Einbürgerungszusicherung dahin auslegen, dass die Einbürgerung nur für den Fall des Nachweises des Vollzugs der Ausbürgerung zugesagt wurde, wäre sie auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet und von Anfang an gegenstandslos gewesen. Dies kann nicht angenommen werden und entspräche auch nicht der ständigen Verwaltungspraxis der Einbürgerungsbehörden.
29 
bb) Zu Recht weist jedoch die Beklagte darauf hin, dass die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit nach Art. 22 Abs. 4 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes nur eine Geltungsdauer von drei Jahren hatte. Dies ist vom Kläger bestätigt worden, der nach Vorsprache auf dem türkischen Generalkonsulat mitgeteilt hat, dass eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit aufgrund der ihm im Jahr 2001 erteilten Genehmigung nicht mehr möglich sei, es vielmehr zuvor der Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung bedürfe. Damit fehlt es gegenwärtig an der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, von der vorliegend auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit liegen bei dem Kläger ersichtlich nicht vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass es ihm nach Erteilung einer erneuten Einbürgerungszusicherung ohne Weiteres möglich wäre, wiederum eine Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit zu erlangen.
30 
c) Soweit der Einbürgerungsanspruch auf § 10 StAG gestützt wird, steht ihm ebenfalls entgegen, dass die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht erfüllt ist, von der - wie bereits ausgeführt - auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann.
31 
d) Auch ein Anspruch auf Einbürgerung auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs scheidet aus. Anders als im Sozialrecht, das bei der Verletzung behördlicher Auskunfts- und Hinweispflichten einen Anspruch auf Herstellung desjenigen Zustands kennt, der entstanden wäre, wenn sich der Sozialleistungsträger von vornherein rechtmäßig verhalten hätte, kann auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts unrechtmäßiges Verwaltungshandeln oder Unterlassen nur im Rahmen zulässigen Verwaltungshandelns ausgeglichen werden. Ein Folgenbeseitigungsanspruch kommt generell nur im Hinblick auf die Wiederherstellung eines früheren Zustandes, nicht aber im Hinblick auf die Einräumung einer Rechtsstellung, die der Betroffene bislang nicht innehatte, in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Hier war der Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt eingebürgert.
32 
e) Ein Einbürgerungsanspruch folgt auch nicht daraus, dass der Kläger während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung die einzige damals offene, mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hat. Zwar folgt der Senat im Grundsatz der Rechtsprechung des früher für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständigen 13. Senats, nach der die Berufung der Einbürgerungsbehörde auf den Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn ein Einbürgerungsbewerber noch während der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt und die Bindungswirkung der Zusicherung während dieses Zeitraums nicht entfallen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris Rn. 56; ebenso VG Stuttgart, Urt. v. 26.10.2005 - 11 K 2083/04 - juris Rn. 83). Mit dieser Begründung kann jedoch nach Auffassung des Senats dann kein Einbürgerungsanspruch bejaht werden, wenn der Einbürgerungsbewerber im Ergebnis - wie hier - unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert würde, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu keinem Zeitpunkt vorlagen und die Einbürgerungszusicherung gerade dem Zweck dient, Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Die Einbürgerung wurde nur für den Fall zugesagt, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen wird. Diesen Nachweis kann der Kläger nicht mehr führen. Er hat selbst vorgetragen, dass er ohne Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung seine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit nicht mehr erreichen kann.
33 
f) Dem Kläger steht schließlich kein Anspruch auf Einbürgerung oder auf Neubescheidung seines Antrags nach § 8 Abs. 1 StAG zu, da bei der Ermessenseinbürgerung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach den einschlägigen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die nicht zu beanstanden sind, die gleichen Maßstäbe gelten wie bei der Anspruchseinbürgerung (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - juris).
34 
2. Der Kläger hat jedoch auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist.
35 
a) Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag stellt - jedenfalls soweit er auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung im Wege der Folgenbeseitigung gerichtet ist - keine Klageänderung im Sinn des § 91 VwGO dar, weil er auf Wiederherstellung eines früheren Zustandes gerichtet ist, den der Kläger bereits innehatte. Es handelt sich vielmehr um eine Beschränkung des Klageantrags, die nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung zu behandeln ist. Wollte man dies anders sehen, so wäre eine Klageänderung im Übrigen als sachdienlich zuzulassen, weil sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.08.2005 - 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136>).
36 
b) Der Anspruch auf Folgenbeseitigung, der ein Verschulden der Behörde nicht voraussetzt, ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustands gerichtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Er ist hier gegeben, weil die Beklagte die Realisierung des aufgrund der Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung - die nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist (aa) und auch nicht hätte zurückgenommen oder widerrufen werden können (bb) - gegebenen Einbürgerungsanspruchs objektiv wesentlich erschwert hat, indem sie den Kläger, nachdem dieser die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vorgelegt und damit aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte, über den Stand und den Fortgang des Verwaltungsverfahrens im Unklaren ließ, obwohl sie aufgrund des Grundsatzes der Verfahrensklarheit und auch mit Blick auf die Vorwirkungen des Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet gewesen wäre, ihn darauf hinzuweisen, dass sie die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat (dd).
37 
aa) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Bindungswirkung der Zusicherung nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist.
38 
(1) Die entscheidungserhebliche Rechtslage hat sich nicht geändert. Bereits nach dem zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung geltenden § 86 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 15.07.1999 bestand ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Dieser Ausschlussgrund wurde später ohne inhaltliche Änderungen in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG (heute: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) übernommen.
39 
(2) Die Änderung der Erkenntnislage, auf die die Beklagte sich beruft, stellt keine Änderung der Sachlage dar. Die nachträgliche Erkenntnis einer Behörde, dass sie die Zusicherung aufgrund falscher tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen gegeben hat, steht einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht gleich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 38 Rn. 37; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 38 Rn. 99; BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 3 A 2.03 - NVwZ 2004, 1125 <1126>; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.07.1990 - 8 S 524/90 - NVwZ 1991, 79).
40 
bb) Eine Rücknahme oder ein Widerruf der Einbürgerungszusicherung nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG wäre ebenfalls nicht möglich gewesen.
41 
(1) Eine Rücknahme scheidet aus, weil der Kläger die Einbürgerungszusicherung nicht durch arglistige Täuschung oder durch unvollständige Angaben erwirkt hat.
42 
Zwar dürfte die Einbürgerungszusicherung rechtswidrig gewesen sein, weil der Einbürgerung - was die Beklagte damals nicht wusste - der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) entgegenstand. Die IGMG wird in der Rechtsprechung als eine Organisation angesehen, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29 m.w.N., bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 02.12.2009 - 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 302; NdsOVG, Urt. v. 15.09.2009 - 11 LB 487/07 - EZAR NF 41 Nr. 4; OVG Bln-Bbg, Urt. v. 10.02.2011 - OVG 5 B 6.07 - juris; BayVGH, Beschl. v. 28.03.2012 - 5 B 11.404 - juris). Aktivitäten von Funktionären oder Mitgliedern der IGMG werden in der Rechtsprechung überwiegend als einbürgerungsschädlich angesehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - a.a.O. m.w.N.). Erst für die Zeit ab 2004 hat der 13. Senat des erkennenden Gerichtshofs Reformbestrebungen innerhalb der IGMG ausgemacht, die dazu führen, dass diese nunmehr nicht mehr als eine homogene und - bezogen auf die Frage der Akzeptanz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - in ihrer Zielrichtung einheitliche Bewegung anzusehen sein soll (a.a.O. ). Die Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied im Jahr 2000, d.h. in einem Zeitraum, in dem die IGMG als eine homogene, insgesamt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bewegung anzusehen war, stellt somit eine Unterstützungshandlung im Sinn des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) dar, die von hinreichendem Gewicht sein dürfte, um den Verdacht zu rechtfertigen, dass er die IGMG unterstützt.
43 
Der Kläger hat seine Einbürgerung jedoch nicht durch arglistige Täuschung im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG, durch unvollständige Angaben im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten erwirkt. „Erwirken“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 48 Rn. 116 m.w.N.). Es lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass der Kläger bei Abgabe seiner Loyalitätserklärung bei Stellung des Einbürgerungsantrags im Juni 2000 bzw. bei Abgabe der weiteren Loyalitätserklärung im Februar 2002 wissentlich und zweckgerichtet, um seine Einbürgerung rechtswidrigerweise zu erreichen, von ihm unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat. Anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung musste der Kläger zum einen selbst bewerten, ob er diesen Grundsätzen für sich zustimmen kann oder ob er im Wege seiner Aktivitäten für die IGMG die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen und letztlich überwinden will. Zum anderen musste der Kläger einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden.
44 
Danach war für den Kläger kein Anlass gegeben, seine Aktivitäten bei Milli Görüs, die er selbst in erster Linie als religiös und sozial motivierte Betätigung für einen religiös ausgerichteten Verein ansah, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach Mitgliedschaften in derartigen Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen (ebenso zu einem vergleichbaren Fall: HessVGH, Urt. v. 18.01.2007 - 11 UE 111/06 - ESVGH 57, 139 = InfAuslR 2007, 207; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132.07 - juris). Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er sich zusammen mit Gleichgesinnten in erster Linie deshalb bei Milli Görüs engagiert, um im Rahmen eines islamischen Vereins Jugendarbeit zu leisten und Hausaufgabenbetreuung zu organisieren. Es konnte ihm nicht abverlangt werden, die Bewertung der Tätigkeit von Milli Görüs, die erst der Behörde im Rahmen der Anwendung von § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG obliegt, bereits selbst vorzunehmen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der verfassungsfeindliche Charakter der Bestrebungen von Milli Görüs damals (zum Zeitpunkt der Abgabe der Loyalitätserklärungen) so eindeutig und offensichtlich war, dass angenommen werden muss, jedes Vorstandsmitglied von örtlichen Mitgliedsvereinigungen hätte erkennen können und müssen, dass es verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt. Immerhin war die Frage, ob Aktivitäten für die Vereinigung Milli Görüs die Annahme des Unterstützens verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen, damals auch in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen worden (einerseits etwa BayVGH, Urt. v. 16.07.2003 - 20 BV 02.2747, 20 CS 02.2850 - BayVBl. 2004, 84 -; andererseits VG Karlsruhe, Urt. v. 26.02.2003 - 4 K 2234/01 - juris -). Eine höchstrichterliche Klärung ist erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.12.2009 (- 5 C 24.08 - a.a.O.) erfolgt.
45 
(2) Ein Widerruf nach § 49 LVwVfG scheidet aus, weil kein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 LVwVfG vorliegt. Zudem enthält § 38 Abs. 3 LVwVfG eine Spezialregelung gegenüber § 49 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 LVwVfG, die die Anwendung der genannten Widerrufstatbestände ausschließt (BVerwG, Urt. v. 25.01.1995 - 11 C 29.93 - BVerwGE 97, 323; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 38 Rn. 35, 36).
46 
cc) Die Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung ist nach alledem erst mit Ablauf ihrer Geltungsdauer am 14.08.2002 entfallen. Die Beklagte hätte sich jedoch gegenüber dem Kläger auch nach diesem Zeitpunkt nach Treu und Glauben solange nicht auf den Fristablauf berufen können, wie dieser die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt hat (siehe dazu oben 1. e).
47 
dd) Bei dieser Sachlage war die Beklagte verpflichtet, den Kläger, der aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte und der damit rechnen konnte und durfte, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde, darauf hinzuweisen, dass sie mit Blick auf die Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 12.12.2001 die Einbürgerungsakten ebenfalls auf dem Dienstweg dem Innenministerium vorgelegt hat und dass sie ihre Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat. Durch einen derartigen Hinweis wäre der Kläger in die Lage versetzt worden, seinen Einbürgerungsanspruch zeitnah durch Erhebung einer Untätigkeitsklage gerichtlich geltend zu machen und so möglicherweise rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer der Erlaubnis zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit ein Verpflichtungsurteil zu erstreiten.
48 
Das aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Gebot eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens wirkt sich auch auf die Verfahrensgestaltung aus. Unter dem Aspekt des Grundsatzes der Formen- und Verfahrensklarheit verlangt es, dass die Behörde die Verfahrensbeteiligten nicht über die Gestaltung des Verfahrensgangs im Unklaren lässt. Dies gilt in besonderem Maße gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten. Über den Stand des Verfahrens ist der Betroffene zu unterrichten (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 9 Rn. 57 f. m.w.N.; Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., Vor § 9 Rn. 17). Art. 19 Abs. 4 GG wirkt auf die Ausgestaltung des dem Gerichtsverfahren vorgelagerten Verwaltungsverfahrens dergestalt ein, dass es den Rechtsschutz weder vereiteln noch unzumutbar erschweren darf (BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <110>; Urt. v. 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - BVerfGE 69, 1; Schmitz, a.a.O. Rn. 63).
49 
Hier hat die Beklagte, indem sie den damals noch nicht anwaltlich vertretenen Kläger nicht über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet hat, gegen den Grundsatz der Verfahrensklarheit verstoßen und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unzumutbar erschwert. Der Kläger hatte von sich aus keine Veranlassung, Untätigkeitsklage mit dem Ziel zu erheben, seinen Anspruch auf Einbürgerung vor Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gerichtlich durchzusetzen. Er konnte und durfte darauf vertrauen, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde. Das Schreiben vom 07.02.2002, mit welchem der Kläger um persönliche Vorsprache zwecks Aktualisierung seines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und schriftlicher Dokumentierung seiner Grundkenntnisse im deutschen Staatsrecht gebeten wurde, war nicht geeignet, sein diesbezügliches Vertrauen zu erschüttern. Auch bei der Vorsprache selbst war die Unterstützung bestimmter Organisationen wie Milli Görüs kein Thema. Vielmehr musste der Kläger die Loyalitätserklärung wiederum allein anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben. Seine Kenntnisse bezüglich der staatlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wurden als gut bewertet, so dass der Kläger davon ausgehen konnte, dass auch insoweit der Einbürgerung nichts entgegenstehe. Erst durch das Anhörungsschreiben vom 06.11.2003 wurde er darüber unterrichtet, dass man beabsichtige, seinen Einbürgerungsantrag wegen seines Engagements für die IGMG abzulehnen. Der auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene Kläger wurde somit über einen Zeitraum von über zwei Jahren über den Stand und den Fortgang des Verfahrens im Unklaren gelassen. Hierdurch wurde die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes objektiv erheblich erschwert. Er ist daher im Wege der Folgenbeseitigung so zu stellen, wie er vor Verletzung der Verfahrenspflichten durch die Beklagte stand, d.h. ihm ist eine neue, wiederum auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
51 
Die teilweise Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Sache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vor.
52 
Beschluss vom 8. Mai 2013
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., Ahn. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
22 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
23 
Die Berufung ist in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband oder auf Neubescheidung seines darauf gerichteten Antrags. Insoweit hätte das Verwaltungsgericht die Klage abweisen müssen (1.). Der Kläger hat jedoch im Wege der Folgenbeseitigung einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist (2.).
24 
1. Den Einbürgerungsantrag des Klägers hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Versagung der Einbürgerung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
25 
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei auf Einbürgerung gerichteten Verpflichtungsbegehren, soweit sich aus der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG nichts Abweichendes ergibt, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Nach der Übergangsregelung des § 40 c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 StAG weiter in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach früherem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008 - 13 S 1487/06 - NVwZ-RR 2008, 839; Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 29). Hinsichtlich der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) nicht geändert, so dass die Sach- und Rechtslage sich insgesamt nach dem StAG in der derzeit geltenden Fassung des Gesetzes vom 01.06.2012 (BGBl. I S. 1224) beurteilt. Dies gilt auch für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, der inhaltlich mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung übereinstimmt.
26 
Eine Anwendung der zum Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags am 14.06.2000 geltenden §§ 85, 86 AuslG kommt nicht in Betracht, da nach der insoweit maßgeblichen Übergangsregelung des § 40 c StAG a.F. das bis zum 31.12.2000 geltende Recht nur auf vor dem 16.03.1999 gestellte Einbürgerungsanträge Anwendung findet (Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 37).
27 
b) Einen Anspruch auf Einbürgerung aufgrund der Einbürgerungszusicherung, die eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Einbürgerungsanspruch darstellt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 22.06.2010 - 19 E 777/09 - EZAR NF 76 Nr. 6), hat der Kläger bereits deshalb nicht, weil er zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der anstehenden Berufungsverhandlung den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen hat. Zwar hat er zunächst während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung nachgewiesen, dass er die Einbürgerungsvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit erfüllt (aa). Mit Ablauf der Geltungsdauer der ihm vom türkischen Innenministerium erteilten Genehmigung ist diese Voraussetzung jedoch wieder entfallen (bb).
28 
aa) Mit der Vorlage der Genehmigung des Innenministeriums der Türkischen Republik zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vom 19.09.2001 bei der Beklagten am 27.09.2001 hat der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit für den Fall seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nachgewiesen und damit innerhalb der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die zum damaligen Zeitpunkt einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt. Die Einbürgerungszusicherung verfolgt den Zweck, einerseits Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit, andererseits aber auch temporäre Staatenlosigkeit zu vermeiden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.07.1994 - 13 S 2147/93 - InfAuslR 1995, 116). Sie soll dem Einbürgerungsbewerber die Sicherheit vermitteln, dass er nach Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit eingebürgert werden wird (Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG Rn. 493). Unschädlich ist dabei, dass mit der Genehmigung vom 19.09.2001 die Ausbürgerung aus dem türkischen Staatsverband noch nicht vollzogen wurde. Nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsrecht vollzieht sich der Verlust der Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit in einem zweistufigen Verfahren. Nach Art. 22 Abs. 2 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der damals geltenden Fassung (abgedr. bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschafts-recht, Stichwort Türkei S. 12) wird die Ausbürgerung durch Erteilung der Ausbürgerungsurkunde erst nach Vorlage der Einbürgerungsurkunde des ausländischen Staates vollzogen. Wollte man die Einbürgerungszusicherung dahin auslegen, dass die Einbürgerung nur für den Fall des Nachweises des Vollzugs der Ausbürgerung zugesagt wurde, wäre sie auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet und von Anfang an gegenstandslos gewesen. Dies kann nicht angenommen werden und entspräche auch nicht der ständigen Verwaltungspraxis der Einbürgerungsbehörden.
29 
bb) Zu Recht weist jedoch die Beklagte darauf hin, dass die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit nach Art. 22 Abs. 4 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes nur eine Geltungsdauer von drei Jahren hatte. Dies ist vom Kläger bestätigt worden, der nach Vorsprache auf dem türkischen Generalkonsulat mitgeteilt hat, dass eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit aufgrund der ihm im Jahr 2001 erteilten Genehmigung nicht mehr möglich sei, es vielmehr zuvor der Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung bedürfe. Damit fehlt es gegenwärtig an der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, von der vorliegend auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit liegen bei dem Kläger ersichtlich nicht vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass es ihm nach Erteilung einer erneuten Einbürgerungszusicherung ohne Weiteres möglich wäre, wiederum eine Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit zu erlangen.
30 
c) Soweit der Einbürgerungsanspruch auf § 10 StAG gestützt wird, steht ihm ebenfalls entgegen, dass die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht erfüllt ist, von der - wie bereits ausgeführt - auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann.
31 
d) Auch ein Anspruch auf Einbürgerung auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs scheidet aus. Anders als im Sozialrecht, das bei der Verletzung behördlicher Auskunfts- und Hinweispflichten einen Anspruch auf Herstellung desjenigen Zustands kennt, der entstanden wäre, wenn sich der Sozialleistungsträger von vornherein rechtmäßig verhalten hätte, kann auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts unrechtmäßiges Verwaltungshandeln oder Unterlassen nur im Rahmen zulässigen Verwaltungshandelns ausgeglichen werden. Ein Folgenbeseitigungsanspruch kommt generell nur im Hinblick auf die Wiederherstellung eines früheren Zustandes, nicht aber im Hinblick auf die Einräumung einer Rechtsstellung, die der Betroffene bislang nicht innehatte, in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Hier war der Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt eingebürgert.
32 
e) Ein Einbürgerungsanspruch folgt auch nicht daraus, dass der Kläger während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung die einzige damals offene, mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hat. Zwar folgt der Senat im Grundsatz der Rechtsprechung des früher für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständigen 13. Senats, nach der die Berufung der Einbürgerungsbehörde auf den Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn ein Einbürgerungsbewerber noch während der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt und die Bindungswirkung der Zusicherung während dieses Zeitraums nicht entfallen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris Rn. 56; ebenso VG Stuttgart, Urt. v. 26.10.2005 - 11 K 2083/04 - juris Rn. 83). Mit dieser Begründung kann jedoch nach Auffassung des Senats dann kein Einbürgerungsanspruch bejaht werden, wenn der Einbürgerungsbewerber im Ergebnis - wie hier - unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert würde, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu keinem Zeitpunkt vorlagen und die Einbürgerungszusicherung gerade dem Zweck dient, Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Die Einbürgerung wurde nur für den Fall zugesagt, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen wird. Diesen Nachweis kann der Kläger nicht mehr führen. Er hat selbst vorgetragen, dass er ohne Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung seine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit nicht mehr erreichen kann.
33 
f) Dem Kläger steht schließlich kein Anspruch auf Einbürgerung oder auf Neubescheidung seines Antrags nach § 8 Abs. 1 StAG zu, da bei der Ermessenseinbürgerung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach den einschlägigen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die nicht zu beanstanden sind, die gleichen Maßstäbe gelten wie bei der Anspruchseinbürgerung (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - juris).
34 
2. Der Kläger hat jedoch auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist.
35 
a) Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag stellt - jedenfalls soweit er auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung im Wege der Folgenbeseitigung gerichtet ist - keine Klageänderung im Sinn des § 91 VwGO dar, weil er auf Wiederherstellung eines früheren Zustandes gerichtet ist, den der Kläger bereits innehatte. Es handelt sich vielmehr um eine Beschränkung des Klageantrags, die nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung zu behandeln ist. Wollte man dies anders sehen, so wäre eine Klageänderung im Übrigen als sachdienlich zuzulassen, weil sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.08.2005 - 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136>).
36 
b) Der Anspruch auf Folgenbeseitigung, der ein Verschulden der Behörde nicht voraussetzt, ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustands gerichtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Er ist hier gegeben, weil die Beklagte die Realisierung des aufgrund der Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung - die nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist (aa) und auch nicht hätte zurückgenommen oder widerrufen werden können (bb) - gegebenen Einbürgerungsanspruchs objektiv wesentlich erschwert hat, indem sie den Kläger, nachdem dieser die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vorgelegt und damit aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte, über den Stand und den Fortgang des Verwaltungsverfahrens im Unklaren ließ, obwohl sie aufgrund des Grundsatzes der Verfahrensklarheit und auch mit Blick auf die Vorwirkungen des Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet gewesen wäre, ihn darauf hinzuweisen, dass sie die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat (dd).
37 
aa) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Bindungswirkung der Zusicherung nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist.
38 
(1) Die entscheidungserhebliche Rechtslage hat sich nicht geändert. Bereits nach dem zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung geltenden § 86 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 15.07.1999 bestand ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Dieser Ausschlussgrund wurde später ohne inhaltliche Änderungen in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG (heute: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) übernommen.
39 
(2) Die Änderung der Erkenntnislage, auf die die Beklagte sich beruft, stellt keine Änderung der Sachlage dar. Die nachträgliche Erkenntnis einer Behörde, dass sie die Zusicherung aufgrund falscher tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen gegeben hat, steht einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht gleich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 38 Rn. 37; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 38 Rn. 99; BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 3 A 2.03 - NVwZ 2004, 1125 <1126>; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.07.1990 - 8 S 524/90 - NVwZ 1991, 79).
40 
bb) Eine Rücknahme oder ein Widerruf der Einbürgerungszusicherung nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG wäre ebenfalls nicht möglich gewesen.
41 
(1) Eine Rücknahme scheidet aus, weil der Kläger die Einbürgerungszusicherung nicht durch arglistige Täuschung oder durch unvollständige Angaben erwirkt hat.
42 
Zwar dürfte die Einbürgerungszusicherung rechtswidrig gewesen sein, weil der Einbürgerung - was die Beklagte damals nicht wusste - der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) entgegenstand. Die IGMG wird in der Rechtsprechung als eine Organisation angesehen, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29 m.w.N., bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 02.12.2009 - 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 302; NdsOVG, Urt. v. 15.09.2009 - 11 LB 487/07 - EZAR NF 41 Nr. 4; OVG Bln-Bbg, Urt. v. 10.02.2011 - OVG 5 B 6.07 - juris; BayVGH, Beschl. v. 28.03.2012 - 5 B 11.404 - juris). Aktivitäten von Funktionären oder Mitgliedern der IGMG werden in der Rechtsprechung überwiegend als einbürgerungsschädlich angesehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - a.a.O. m.w.N.). Erst für die Zeit ab 2004 hat der 13. Senat des erkennenden Gerichtshofs Reformbestrebungen innerhalb der IGMG ausgemacht, die dazu führen, dass diese nunmehr nicht mehr als eine homogene und - bezogen auf die Frage der Akzeptanz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - in ihrer Zielrichtung einheitliche Bewegung anzusehen sein soll (a.a.O. ). Die Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied im Jahr 2000, d.h. in einem Zeitraum, in dem die IGMG als eine homogene, insgesamt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bewegung anzusehen war, stellt somit eine Unterstützungshandlung im Sinn des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) dar, die von hinreichendem Gewicht sein dürfte, um den Verdacht zu rechtfertigen, dass er die IGMG unterstützt.
43 
Der Kläger hat seine Einbürgerung jedoch nicht durch arglistige Täuschung im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG, durch unvollständige Angaben im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten erwirkt. „Erwirken“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 48 Rn. 116 m.w.N.). Es lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass der Kläger bei Abgabe seiner Loyalitätserklärung bei Stellung des Einbürgerungsantrags im Juni 2000 bzw. bei Abgabe der weiteren Loyalitätserklärung im Februar 2002 wissentlich und zweckgerichtet, um seine Einbürgerung rechtswidrigerweise zu erreichen, von ihm unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat. Anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung musste der Kläger zum einen selbst bewerten, ob er diesen Grundsätzen für sich zustimmen kann oder ob er im Wege seiner Aktivitäten für die IGMG die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen und letztlich überwinden will. Zum anderen musste der Kläger einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden.
44 
Danach war für den Kläger kein Anlass gegeben, seine Aktivitäten bei Milli Görüs, die er selbst in erster Linie als religiös und sozial motivierte Betätigung für einen religiös ausgerichteten Verein ansah, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach Mitgliedschaften in derartigen Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen (ebenso zu einem vergleichbaren Fall: HessVGH, Urt. v. 18.01.2007 - 11 UE 111/06 - ESVGH 57, 139 = InfAuslR 2007, 207; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132.07 - juris). Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er sich zusammen mit Gleichgesinnten in erster Linie deshalb bei Milli Görüs engagiert, um im Rahmen eines islamischen Vereins Jugendarbeit zu leisten und Hausaufgabenbetreuung zu organisieren. Es konnte ihm nicht abverlangt werden, die Bewertung der Tätigkeit von Milli Görüs, die erst der Behörde im Rahmen der Anwendung von § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG obliegt, bereits selbst vorzunehmen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der verfassungsfeindliche Charakter der Bestrebungen von Milli Görüs damals (zum Zeitpunkt der Abgabe der Loyalitätserklärungen) so eindeutig und offensichtlich war, dass angenommen werden muss, jedes Vorstandsmitglied von örtlichen Mitgliedsvereinigungen hätte erkennen können und müssen, dass es verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt. Immerhin war die Frage, ob Aktivitäten für die Vereinigung Milli Görüs die Annahme des Unterstützens verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen, damals auch in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen worden (einerseits etwa BayVGH, Urt. v. 16.07.2003 - 20 BV 02.2747, 20 CS 02.2850 - BayVBl. 2004, 84 -; andererseits VG Karlsruhe, Urt. v. 26.02.2003 - 4 K 2234/01 - juris -). Eine höchstrichterliche Klärung ist erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.12.2009 (- 5 C 24.08 - a.a.O.) erfolgt.
45 
(2) Ein Widerruf nach § 49 LVwVfG scheidet aus, weil kein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 LVwVfG vorliegt. Zudem enthält § 38 Abs. 3 LVwVfG eine Spezialregelung gegenüber § 49 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 LVwVfG, die die Anwendung der genannten Widerrufstatbestände ausschließt (BVerwG, Urt. v. 25.01.1995 - 11 C 29.93 - BVerwGE 97, 323; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 38 Rn. 35, 36).
46 
cc) Die Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung ist nach alledem erst mit Ablauf ihrer Geltungsdauer am 14.08.2002 entfallen. Die Beklagte hätte sich jedoch gegenüber dem Kläger auch nach diesem Zeitpunkt nach Treu und Glauben solange nicht auf den Fristablauf berufen können, wie dieser die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt hat (siehe dazu oben 1. e).
47 
dd) Bei dieser Sachlage war die Beklagte verpflichtet, den Kläger, der aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte und der damit rechnen konnte und durfte, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde, darauf hinzuweisen, dass sie mit Blick auf die Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 12.12.2001 die Einbürgerungsakten ebenfalls auf dem Dienstweg dem Innenministerium vorgelegt hat und dass sie ihre Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat. Durch einen derartigen Hinweis wäre der Kläger in die Lage versetzt worden, seinen Einbürgerungsanspruch zeitnah durch Erhebung einer Untätigkeitsklage gerichtlich geltend zu machen und so möglicherweise rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer der Erlaubnis zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit ein Verpflichtungsurteil zu erstreiten.
48 
Das aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Gebot eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens wirkt sich auch auf die Verfahrensgestaltung aus. Unter dem Aspekt des Grundsatzes der Formen- und Verfahrensklarheit verlangt es, dass die Behörde die Verfahrensbeteiligten nicht über die Gestaltung des Verfahrensgangs im Unklaren lässt. Dies gilt in besonderem Maße gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten. Über den Stand des Verfahrens ist der Betroffene zu unterrichten (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 9 Rn. 57 f. m.w.N.; Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., Vor § 9 Rn. 17). Art. 19 Abs. 4 GG wirkt auf die Ausgestaltung des dem Gerichtsverfahren vorgelagerten Verwaltungsverfahrens dergestalt ein, dass es den Rechtsschutz weder vereiteln noch unzumutbar erschweren darf (BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <110>; Urt. v. 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - BVerfGE 69, 1; Schmitz, a.a.O. Rn. 63).
49 
Hier hat die Beklagte, indem sie den damals noch nicht anwaltlich vertretenen Kläger nicht über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet hat, gegen den Grundsatz der Verfahrensklarheit verstoßen und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unzumutbar erschwert. Der Kläger hatte von sich aus keine Veranlassung, Untätigkeitsklage mit dem Ziel zu erheben, seinen Anspruch auf Einbürgerung vor Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gerichtlich durchzusetzen. Er konnte und durfte darauf vertrauen, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde. Das Schreiben vom 07.02.2002, mit welchem der Kläger um persönliche Vorsprache zwecks Aktualisierung seines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und schriftlicher Dokumentierung seiner Grundkenntnisse im deutschen Staatsrecht gebeten wurde, war nicht geeignet, sein diesbezügliches Vertrauen zu erschüttern. Auch bei der Vorsprache selbst war die Unterstützung bestimmter Organisationen wie Milli Görüs kein Thema. Vielmehr musste der Kläger die Loyalitätserklärung wiederum allein anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben. Seine Kenntnisse bezüglich der staatlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wurden als gut bewertet, so dass der Kläger davon ausgehen konnte, dass auch insoweit der Einbürgerung nichts entgegenstehe. Erst durch das Anhörungsschreiben vom 06.11.2003 wurde er darüber unterrichtet, dass man beabsichtige, seinen Einbürgerungsantrag wegen seines Engagements für die IGMG abzulehnen. Der auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene Kläger wurde somit über einen Zeitraum von über zwei Jahren über den Stand und den Fortgang des Verfahrens im Unklaren gelassen. Hierdurch wurde die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes objektiv erheblich erschwert. Er ist daher im Wege der Folgenbeseitigung so zu stellen, wie er vor Verletzung der Verfahrenspflichten durch die Beklagte stand, d.h. ihm ist eine neue, wiederum auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
51 
Die teilweise Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Sache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vor.
52 
Beschluss vom 8. Mai 2013
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., Ahn. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. September 2006 - 11 K 435/06 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Die am … 1957 geborene Klägerin war ursprünglich albanische Staatsangehörige und ist mittlerweile staatenlos. Sie kam 1990 als Botschaftsflüchtling in die Bundesrepublik Deutschland. Das Landratsamt Goslar erteilte ihr am 12.10.1990 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Am 04.12.1998 heiratete sie den deutschen Staatsangehörigen ... M., der Vater zweier 1990 und 1992 geborener Kinder ist. Sie erlernte in Albanien den Beruf der Bürokauffrau und arbeitete dort als Buchhalterin und Verkäuferin.
Am 20.04.2001 beantragte die Klägerin ihre Einbürgerung und gab an, in Deutschland bisher wie folgt erwerbstätig gewesen zu sein: 1991 bis 1992 als Küchenhelferin, 1992 bis 1993 Bedienung in der Gastronomie, 1993 bis 1995 Betrieb einer Gaststätte, 1996 bis 1999 Tätigkeit in einer Brauerei, seit 10.04.2000 Verkäuferin in einem Verbrauchermarkt. Ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen für Januar bis März 2001 verdiente sie dort mit Steuerklasse 3 monatlich 964,86 EUR netto. Nach einem Gesprächsvermerk des Landratsamts Ostalbkreis erklärte der Ehemann der Klägerin am 01.10.2001, er habe sein Gewerbe als freier Handelsvertreter - Finanzdienstleistung erweitert bzw. geändert und beziehe sein Einkommen durch die Entnahme von Erlösen. Er werde Ende 2001 erstmals Einkommensteuerausgleich beantragen. Er habe derzeit keine Altersabsicherung. Dies werde er durch Anlagengeschäfte später erledigen. Mit Schreiben vom 19.04.2002 forderte das Landratsamt Ostalbkreis nochmals aktuelle Einkommens- und Kranken- sowie Rentenversicherungsnachweise an. Darauf hin legte die Klägerin Lohnabrechnungen für eine Tätigkeit als Kassiererin vor, die für Januar bis April 2002 monatliche Auszahlungsbeträge zwischen 1.246,61 EUR und 1.067,74 EUR auswiesen.
Mit Bescheid vom 22.05.2002 erteilte das Landratsamt Ostalbkreis der Klägerin eine bis zum 21.05.2004 befristete Einbürgerungszusicherung für den Fall, dass der Verlust der albanischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde. Die Zusicherung wurde unter dem Vorbehalt erteilt, dass sich die für die Einbürgerung maßgebliche Sach- und Rechtslage, insbesondere die persönlichen Verhältnisse der Klägerin, nicht ändern. Mit Schreiben der Republik Albanien vom 16.09.2003 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass sie aus der albanischen Staatsangehörigkeit entlassen sei.
Nachdem das Landratsamt Ostalbkreis erfahren hatte, dass die Klägerin bereits am 17.04.2002 einen Pachtvertrag über eine Vereinsgaststätte geschlossen hatte, ohne dies der Einbürgerungsbehörde mitzuteilen, forderte es die Klägerin zu weiteren Nachweisen hinsichtlich ihrer Einkommensverhältnisse einschließlich der Altersvorsorge auf. Nach der Auskunft der Landesversicherungsanstalt Braunschweig vom 08.12.2003 hat die Klägerin für 28 Monate Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet, hinzu kommen drei Monate Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit. Nach dem an die Klägerin gerichteten Einkommenssteuerbescheid für 2002 erzielte sie Gesamteinkünfte in Höhe von 13.977 EUR, wobei 8.035 EUR aus Gewerbebetrieb stammten. 2003 wurden dem Steuerbescheid zufolge 14.253 EUR Einkünfte erzielt. Die Klägerin legte ferner den Nachweis über zwei Kapitallebensversicherungen vor: Seit dem 01.07.2002 besteht für sie eine Lebensversicherung bei der ... Lebensversicherung mit einer garantierten Versicherungssumme über 20.000 EUR zum 30.06.2017. Die Klägerin zahlt hierauf 108,95 EUR monatlich. Am 01.11.2004 wurde eine weitere Kapitallebensversicherung bei ... Versicherungen abgeschlossen, aus der die Klägerin zum 01.11.2022 23.180 EUR oder eine garantierte Rente von monatlich 106,56 EUR erhält. Ihr Einzahlungsbetrag beträgt monatlich 105 EUR. Die Klägerin ist seit 01.11.2002 bei der ... freiwillig kranken- und pflegeversichert.
Mit Bescheid vom 11.03.2005 lehnte das Landratsamt Ostalbkreis nach vorheriger Anhörung der Klägerin ihren Antrag auf Einbürgerung vom 20.04.2001 ab und führte zur Begründung aus: Nach § 10 StAG müsse der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können. Zur Lebensunterhaltssicherung zähle auch eine nachgewiesene ausreichende Altersvorsorge. Die vorgelegten Versicherungsverträge mit einer Versicherungssumme über 20.000 EUR und 28.180 EUR seien nicht ausreichend. Nach den Berechnungen des Landratsamts bräuchte die Klägerin eine Mindestvorsorge in Höhe von 144.000 EUR, damit eine ausreichende Alterssicherung gegeben sei. Dieser Betrag errechne sich anhand des für die Grundsicherung geltenden Betrags in Höhe von 800 EUR pro Monat für Alleinstehende und mit einem durchschnittlichen Rentenbezug von 15 Jahren bei Frauen. Nachdem die Klägerin keine gesetzlichen Rentenanwartschaften für eine Altersrente erworben habe, liege ihre Altersabsicherung somit um ca. 100.000 EUR unter der Mindestvorsorge. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des ursprünglich geltenden § 85 Abs. 1 AuslG seien während des laufenden Einbürgerungsverfahrens erfüllt gewesen. Die Klägerin habe sozialversicherungspflichtig bei einer Firma gearbeitet. Obwohl der Pachtvertrag bereits am 17.04.2002 geschlossen worden sei, habe sie die beabsichtigte Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht mitgeteilt. Sie habe am 06.05.2002 die Loyalitätserklärung unterzeichnet und nicht darauf hingewiesen, dass sich ihre Einkommenssituation wesentlich ändern werde. Seit Erteilung der Einbürgerungszusicherung hätten sich gravierende Änderungen in der wirtschaftlichen Situation ergeben, die die Klägerin zu vertreten habe. Eine Einbürgerung sei - trotz der bereits vollzogen Entlassung aus der albanischen Staatsangehörigkeit - wegen der nicht ausreichenden Alterssicherung nicht möglich. Der Wiedererwerb der albanischen Staatsangehörigkeit sei keine unzumutbare Härte.
Die Klägerin erhob am 01.04.2005 Widerspruch und trug im Wesentlichen vor, sie sei imstande, ihren Lebensunterhalt dauerhaft ohne Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zu bestreiten. Sie habe eine Einbürgerungszusicherung erhalten und sei aufgefordert worden, ihre Entlassung aus der albanischen Staatsbürgerschaft zu beantragen. Dem sei sie nachgekommen und nunmehr staatenlos. Ihr Verhalten sei allein auf die Einbürgerungszusicherung zurückzuführen, so dass sich hieraus ihr Rechtsanspruch auf Einbürgerung ergebe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2005 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück. Es führte aus, es sei nicht von einer nach § 10 StAG ausreichenden Altersabsicherung auszugehen. Die abgeschlossenen Lebensversicherungen genügten nicht für den Lebensunterhalt im Alter. Rentenanwartschaften in Deutschland bestünden nicht und seien auch für das Heimatland nicht nachgewiesen worden. Eine Unterhaltssicherung durch den Ehemann habe ebenfalls nicht festgestellt werden können. Eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG komme daher ebenfalls nicht in Betracht. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die erteilte Einbürgerungszusicherung berufen, da sich die maßgeblichen Verhältnisse geändert hätten.
Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 22.09.2006 - 11 K 435/06 - statt und verpflichtete den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts Ostalbkreis vom 11.03.2005 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 08.12.2005 die Klägerin in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Ob schon die Einbürgerungszusicherung Rechtsgrundlage für den Einbürgerungsanspruch der Klägerin sei, könne ebenso dahin stehen wie die Annahme des Beklagten, er sei von der Klägerin über die objektive Lage ihrer Existenzsicherung bei Erteilung der Zusicherung getäuscht worden, denn der Klägerin stehe ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 9 StAG i.V.m. § 8 StAG zu. Die grundsätzliche Anforderung an eine hinreichende Altersvorsorge sei vom Gesetz her nicht gerechtfertigt. § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG spreche selbst nur davon, dass der Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande sein müsse. Dies lege die Annahme nahe, dass der Einbürgerungsbewerber in der Lage sein müsse, seine Grundbedürfnisse und die seiner Angehörigen über einen absehbaren Zeitraum hinweg zu befriedigen. Diese Anforderung solle nicht nur den deutschen Staat vor künftigen finanziellen Lasten bewahren, sondern diene auch als Indiz für die wirtschaftliche Integration. Ob der Einbürgerungsbewerber in der Lage sei, seine Grundbedürfnisse zu befriedigen, werde davon abhängig gemacht, ob er ohne öffentliche Transferleistungen wie Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe bzw. Leistungen nach dem SGB II oder XII oder von Wohngeld aufgrund eigenen Einkommens auskomme. Die Gewährleistung von Grundsicherung könnte allenfalls im Alter mit der Befriedigung der Grundbedürfnisse gleichzusetzen sein, nicht jedoch deren Vorsorge. Hinzu komme, dass nicht einmal im Rahmen des Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG hinreichende Altersvorsorge verlangt werde. Dieser fordere in dieser Hinsicht nur, dass der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder XII bestreiten könne. Dies umfasse nur Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach diesen Gesetzbüchern, so dass nicht einmal die aktuelle Inanspruchnahme von Grundsicherung im Alter den Einbürgerungsanspruch ausschließe, und lasse erst recht nicht den Schluss zu, dass dort über die Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des sozialhilferechtlichen Bedarfs hinaus auch eine Anwartschaft auf eine Altersversorgung zur Vermeidung von Grundsicherung im Alter bestehen müsse. Auch aufenthaltsrechtlich werde grundsätzlich keine Altersvorsorge vorausgesetzt. Dies folge aus § 2 Abs. 3 AufenthG, wonach der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert sei, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten könne. Zwar werde darüber hinaus gehend für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG auch die Begründung von Rentenanwartschaften von mindestens 60 Monaten Pflichtbeiträgen (oder vergleichbare privatrechtliche Versicherungsansprüche) verlangt. Jedoch setze der Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG nicht die Niederlassungserlaubnis, sondern nur einen achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland voraus, für den auch z.B. eine Aufenthaltserlaubnis ausreichend sei. Selbst wenn im Übrigen im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG von der Notwendigkeit einer hinreichenden Alterssicherung auszugehen wäre, bestünde ein Anspruch der Klägerin auf Einbürgerung. Denn nach § 8 Abs. 2 StAG müsse von den hier fehlenden Voraussetzungen der Unterhaltsfähigkeit zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Maßgebend für die hier anzunehmende Ermessensreduzierung auf Null sei, dass der Klägerin die Einbürgerung zugesichert worden sei auf der Grundlage der Annahme ihrer Unterhaltsfähigkeit, die zwar auf eine lohnabhängige und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zurückgegangen sei, jedoch keineswegs eine sichere positive Prognose über ihre Versorgung im Alter zugelassen habe. Insbesondere habe sie noch keinen Rentenanspruch begründet gehabt, weil die von ihr erbrachten Beiträge noch weit unterhalb der 60 Monate gelegen seien. Auch unter Berücksichtigung der von ihr vorgetragenen Erwerbsbiographie habe der Beklagte bei Abgabe der Einbürgerungszusicherung keineswegs von einem Rentenanwartschaftserwerbsverlauf ausgehen können, der bei der bereits 1957 geborenen Klägerin noch zu den Grundsicherungsbedarf übersteigenden Rentenansprüchen hätte führen können. In dem der Einbürgerungszusicherung vorausgegangenem Verwaltungsverfahren seien die Voraussetzungen für einen künftigen Rentenanspruch nicht Gegenstand einer besonderen Prüfung gewesen. Der Beklagte habe sich damit zufrieden gegeben, dass die Klägerin sozial- und damit auch rentenversicherungsrechtlich abhängig beschäftigt gewesen sei und ihr gleichwohl eine Einbürgerungszusicherung gegeben.
10 
Auf den rechtzeitig vom Beklagten gestellten Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 22.08.2007 - zugestellt am 05.09.2007 - die Berufung zugelassen, die der Beklagte unter Stellung eines Antrags am 24.09.2007 wie folgt begründet: Der Einbürgerung der Klägerin stehe die fehlende ausreichende Absicherung im Alter und im Fall von Erwerbsunfähigkeit oder -minderung entgegen. Dies gelte sowohl für eine Einbürgerung nach § 10 StAG als auch für eine Einbürgerung nach § 9 i.V.m. § 8 StAG. Der Einbürgerungsbewerber müsse in der Lage sein, voraussichtlich dauerhaft seinen Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen zu sichern. Dies setzte voraus, dass der Lebensunterhalt im Zeitpunkt der Einbürgerungsentscheidung gesichert sei und auch für die Zukunft voraussichtlich gesichert sein werde. Anhaltspunkte für die voraussichtlich dauerhafte Sicherung des Lebensunterhalts seien z.B. die bisherige Lebensbewährung, eine abgeschlossene Berufsausbildung, Arbeitswilligkeit, privater oder öffentlicher Versicherungsschutz oder ausreichendes eigenes Vermögen. Die Regelung sei Ausdruck des staatlichen Interesses, nur solche Ausländer einzubürgern, die sich auch in wirtschaftlicher Hinsicht in die hiesigen sozialen und politischen Verhältnisse integriert hätten und dadurch ein Zugehörigkeitsgefühl vermittelt bekämen. Zu den wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften der Bundesrepublik Deutschland zählten insbesondere ein durch private und öffentliche Versicherungen geschaffenes „soziales Netz“, das der Absicherung bestimmter Lebensrisiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, vorzeitige Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, Alters- und Pflegebedürftigkeit diene. Da selbstständige Gewerbetreibende nicht kraft Gesetzes in das soziale Sicherungssystem eingebunden seien, sei von ihnen zu fordern, die bestehenden Lebensrisiken der vorzeitigen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit und des Alters auf sonstige Weise abzusichern, sei es durch privaten Versicherungsschutz, freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung oder durch entsprechende Vermögenswerte, die mindestens den sozialhilferechtlichen Regelbedarf abdeckten. Die Vorsorge für das Alter gehöre zum notwendigen Lebensunterhalt. Von einer ausreichenden Alterssicherung könne nur dann ausgegangen werden, wenn die durch die gesetzliche oder private Vorsorge erzielbare Rente im Alter bzw. bei Erwerbsminderung bzw. -unfähigkeit mindestens Leistungen in einer Höhe vorsehen würden, wie sie einer Grundsicherungsrente entsprächen. Dies bedeute nicht, dass bereits im Zeitpunkt der Einbürgerung entsprechende Anwartschaften in dieser Höhe vorhanden sein müssten, sondern nur, dass aufgrund der laufenden Einkünfte und/oder aufgrund bereits vorhandener Vermögenswerte (wie z.B. Wohneigentum) davon ausgegangen werden könne, dass der Einbürgerungsbewerber im Stande sei und nach einer Prognose auch weiterhin sein werde, entsprechende Beiträge für eine ausreichende Vorsorge für das Alter und die Folgen einer Erwerbsminderung oder -unfähigkeit aufzubringen. Zwar könne die Klägerin wohl ihren eigenen gegenwärtigen Unterhalt notdürftig aus eigener Kraft bestreiten; jedoch sei nicht belegt, dass sie auch für den Unterhalt ihres Ehegatten aufkommen könne. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ehemann in der Lage wäre, die Klägerin zukünftig zu unterhalten. Nach der bisherigen Erwerbsbiographie sei nicht gesichert, dass eine ausreichende Altersabsicherung der Klägerin begründet werden könnte. Sie habe, ebenso wie ihr Ehemann, über einen nicht unerheblichen Zeitraum von mindestens Mitte 1995 bis Juli 1999 Sozialhilfe bezogen. Zum aktuellen Zeitpunkt sei davon auszugehen, dass die Klägerin spätestens im Alter nach Aufgabe ihrer beruflichen Tätigkeit öffentliche Leistungen wie Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII in Anspruch nehmen müsse.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22.09.2006 - 11 K 435/06 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
13 
Die Klägerin beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Ein Einbürgerungsbewerber sei nicht verpflichtet, sich für jede Lebenslage abzusichern. Sie habe sich in vorbildlicher Weise in die hiesigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse integriert. Sie bediene inzwischen vier Versicherungen mit Versorgungscharakter. Neben den beiden Lebensversicherungsverträgen habe sie bei der ... einen Fonds, auf den sie monatlich 100 EUR überweise. Außerdem zahle sie seit 01.10.2006 100 EUR monatlich für eine fondsgebundene Rentenversicherung bei der ..., Rentenbeginn sei der 01.10.2022. Sie wende monatlich insgesamt etwa 400 EUR für ihre Absicherung im Alter auf. Dieser Betrag entspreche bei einem aktuellen Beitrag zur Rentenversicherung von 19,5 % einem Bruttoeinkommen von ca. 2.000 EUR. Von ihr dürfe nicht mehr verlangt werden als von jedem abhängigen Beschäftigten, der auch nur über ein relativ geringes Einkommen verfüge. Im Übrigen könne sie aufgrund ihres Alters noch viele Jahre vorsorgen. Davon abgesehen zeige die Diskussion über Rentenkürzungen und die Einheitsrente, dass die Renten in der Zukunft ohnehin nicht mehr sicher seien. Der Bezug von Sozialhilfe in den Jahren 1995 bis 1999 könne ihr nicht vorgehalten werden. Sie habe die Kinder ihres Ehemanns aus erster Ehe betreut und habe deshalb keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen können. Auch habe ein Einbruch während einer Urlaubsreise im Februar/März 1994 zu erheblichen finanziellen Verlusten geführt gehabt. Ihre Tätigkeit bei dem Verbrauchermarkt sei krankheitsbedingt zum 30.04.2001 gekündigt worden. Sie habe nach einer Operation über einen längeren Zeitraum keine schweren Gegenstände tragen dürfen. Nach ihrer Genesung habe sie eine Teilzeitbeschäftigung von monatlich 100 Stunden bei einem anderen Verbrauchermarkt erhalten. Als sie wegen einer Vollzeitstelle beim Personalleiter vorstellig geworden sei, sie ihr das Arbeitsverhältnis am 25.10.2001 gekündigt worden. Dann sei sie in einer Spielothek als Kassiererin beschäftigt gewesen und habe sich schließlich mit der Pacht der Vereinsgaststätte selbstständig gemacht. 2005 habe sie eine eigene Schank- und Speisegaststätte übernommen. Ihr Jahreseinkommen habe sich hinsichtlich der zu versteuernden Einnahmen aus Gewerbebetrieb ausweislich der Steuerbescheide und betriebswirtschaftlichen Auswertungen nach § 4 Abs. 3 EStG wie folgte entwickelt: 11.548,73 EUR im Jahre 2004, 13.115 EUR im Jahre 2005, 21.116 EUR im Jahre 2006 und 18.435,85 EUR für 2007. Für das Jahr 2008 liege bislang nur eine Auswertung bis einschließlich Oktober vor, danach habe sie bis von Januar bis Oktober 2008 einen Gewinn von 13.626,84 EUR erzielt. Ihre Ehe sei inzwischen gescheitert. Sie lebe seit mindestens drei Jahren von ihrem Ehemann getrennt. Dieser könne für sich selbst sorgen. Unterhaltsansprüche würden von keiner Seite erhoben.
16 
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten des Landratsamts (drei Bände), die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Stuttgart (ein Band) und die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die zulässige - insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig begründete - Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zur Recht stattgegeben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach § 10 StAG. Sie erfüllt in dem für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 5 C 8.05 -, DVBl 2006, 919, 920; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 16.02.2006 - 12 S 2430/05 -und vom 12.01.2005 - 13 S 2549/03 -, VBlBW 2006, 70; BayVGH, Urteil vom 20.11.2006 - 5 BV 04.35 -, juris Rn 24 mwN) auch die im vorliegenden Fall einzig zwischen den Beteiligten im Streit stehende Voraussetzung der grundsätzlich notwendigen eigenständigen Bestreitung des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.
18 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG ist in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 ( BGBl. I S. 1970) anzuwenden. Aus der Übergangsvorschrift des § 40c StAG ergibt sich kein abweichender Zeitpunkt. Nach dieser Regelung sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach bisherigem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (Berlit, Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457, 466).
19 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in der seit 28.8.2007 gültigen Fassung wurde gegenüber der früheren ab 01.01.2005 geltenden Fassung (Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004, BGBl. I S. 950) für Einbürgerungsbewerber, die - wie die Klägerin - über 23 Jahre alt sind, inhaltlich nicht geändert, sondern nur redaktionell neu gefasst (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 StAG a.F.; Berlit, a.a.O., Seite 465). Da die Klägerin ihre Einbürgerung erst am 20.04.2001 beantragt hat, unterfällt sich auch nicht der Übergangsvorschrift des § 40c StAG in der Fassung vom 01.01.2005, denn diese betrifft nur Einbürgerungsanträge, die vor dem 16.03.1999 gestellt worden sind.
20 
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG muss der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten haben. Die als Gastwirtin selbstständig tätige Klägerin kann derzeit und voraussichtlich auch in überschaubarer Zukunft ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern. Sie deckt ihren Unterhaltsbedarf im Hinblick auf die Bedürfnisse des täglichen Lebens aus eigenen Mitteln. Sie ist in einer gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig kranken- und pflegeversichert und entrichtet im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren Beiträge für eine private Altersvorsorge. Mehr ist im vorliegenden Fall für die Annahme, dass die Einbürgerungsbewerberin ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, nicht zu verlangen; insbesondere ist es unschädlich, dass die Klägerin gegen das Risiko der Erwerbsunfähigkeit nicht versichert ist.
21 
Was zum Lebensunterhalt gehört, der grundsätzlich selbst zu bestreiten ist, ist im Staatsangehörigkeitsrecht nicht eigenständig definiert. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis umfasst der Begriff das, was zur Führung eines menschenwürdigen Lebens in Deutschland nötig ist (so schon Makarov/v. Mangoldt, Staatsangehörigkeitsrecht, § 86 AuslG Rn 20). Dies lässt sich in Anlehnung an die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in Bezug genommen Regelungen des Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch näher konkretisieren. Durch die Formulierung, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können muss, wird zunächst festgelegt, dass ein Anspruch auf solche Leistungen grundsätzlich einbürgerungsschädlich ist. Darüber hinaus lässt der Verweis auf diese Sozialgesetzgebung auch darauf schließen, dass die auf dieser Grundlage erbrachten allgemeinen Leistungen typischer Weise zum Mindeststandard dessen gehören, was für den Lebensunterhalt gebraucht wird. Die Feststellung der Sicherung des Lebensunterhalts erfordert einen Vergleich des Unterhaltsbedarfs mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs, die sich früher am notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 BSHG orientierte, der wiederum durch die Regelsätze nach § 22 BSHG konkretisiert wurde (vgl. Senatsurteil vom 23.07.1998 - 13 S 2212/96 -, juris Rn 28 ff. - zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 RuStAG), richtet sich seit der Änderung des Rechts der Sozial- und Arbeitslosenhilfe vom 01.01.2005 an bei erwerbsfähigen Einbürgerungsbewerbern nach den entsprechenden Bestimmungen des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
22 
Zum Lebensunterhalt eines Einbürgerungsbewerbers zählt neben einer angemessenen Unterkunft (vgl. insoweit § 22 SGB II) und den Mitteln, die zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (wie etwa Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat) erforderlich sind und die nach § 20 SGB II anhand der Höhe der Regelleistung, die derzeit 351 EUR für einen Alleinstehenden beträgt (Bekanntmachung vom 26.06.2008 über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II ab 01.07.2008, BGBl. I S. 1102), bestimmt werden können, auch eine Kranken- und Pflegeversicherung. Eine Absicherung gegen das Risiko von Krankheit und Pflege ist Teil des sozialen Standards der Bundesrepublik, mit dem dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Krankheit und Pflegebedürftigkeit unabhängig von den physischen und psychischen Eigenschaften einer Person und ihrer individuellen Lebensumstände jederzeit eintreten und mit hohen Kosten verbunden sein können, die der einzelne regelmäßig nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen kann. Die besondere Bedeutung der Kranken- und Pflegeversicherung ist etwa daraus ersichtlich, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II kraft Gesetzes kranken- und pflegeversichert sind (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V); sie wird auch in den Regelungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 lit. a SGB II zum Ausdruck gebracht. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, was Kranken- und Pflegeversicherung einschließt (Hohm/Klaus, GK-SGB II, § 11 Rn 176), vom Einkommen abzusetzen. Für Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, sieht § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a SGB II vor, dass nach Grund und Höhe angemessene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und Pflegebedürftigkeit vom Einkommen abzusetzen sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 SGB II bezuschusst werden. Gegen die Einbeziehung der Kranken- und Pflegevorsorge in den Lebensunterhalt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG lässt sich nicht einwenden, dass es im Staatsangehörigkeitsrecht - anders als in verschiedenen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes - an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung für diese Anforderung fehle, die Erweiterung um Vorsorge für Krankheit (und Pflege) im Ausländerrecht konstitutiv sei und eher dagegen spreche, dies allgemein als Teil der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts anzusehen (vgl. Berlit, GK-StAR, § 10 Rn 218). Soweit im Aufenthaltsgesetz ausdrücklich besondere Regelungen zum Lebensunterhalt und zur Kranken- und Pflegeversicherung mit unterschiedlicher Reichweite und Absehensmöglichkeiten getroffen worden sind (vgl. etwa § 2 Abs. 3 AufenthG, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 9c Satz 1 Nr. 3 AufenthG, § 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG, § 29 Abs. 2 AufenthG und § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), knüpfen diese an spezifische ausländerrechtliche Situationen an und tragen dem differenzierten System unterschiedlicher Aufenthaltszwecke und -titel Rechnung. Schon aus diesem Grund können hieraus keine zwingenden Vorgaben für die Frage hergeleitet werden, was zur Sicherung des Lebensunterhalts einer Person gehört, die zukünftig deutsche Staatsangehörige sein will. Allerdings ist anhand der Bestimmungen für die Niederlassungserlaubnis, wonach deren Erteilung in der Regel unter anderem voraussetzt, dass das Risiko der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung oder einen gleichwertigen Versicherungsschutz abgesichert ist (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 9c Satz 1 Nr. 3 AufenthG), durchaus erkennbar, dass die Anforderungen an die soziale Absicherung um so höher sind, je verfestigter der Aufenthalt des Ausländers auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes ist. Das Erfordernis einer Kranken- und Pflegeversicherung führt auch nicht dazu, dass die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach § 10 StAG in unzumutbarer Weise angehoben würden. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind ohnehin regelmäßig entsprechend versichert. Kann im Übrigen ein eigener Versicherungsschutz des Einbürgerungsbewerbers nicht begründet werden, weil ihm ohnehin Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII gewährt werden oder er für die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung ergänzend solche Leistungen in Anspruch nehmen muss, ist dies nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG unschädlich, wenn der Bezug nicht zu vertreten ist.
23 
Ob und inwieweit auch eine Altersvorsorge Teil des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG ist, kann in Anbetracht der denkbaren vielfältigen Fallgestaltungen nicht generell festgelegt werden. Jedenfalls kann von einem Einbürgerungsbewerber nicht mehr verlangt werden als das, was bei einem deutschen Staatsangehörigen in vergleichbarer Lebenslage und Erwerbssituation üblich und zumutbar ist. Bei jungen Einbürgerungsbewerbern, die sich noch in Schule, Ausbildung oder Studium befinden, ist eine Altersvorsorge nicht Teil des Lebensunterhalts. Eine Altersvorsorge ist nämlich in diesem Lebensstadium grundsätzlich noch nicht oder jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang angelegt, weil sich das Rentenalter und damit auch der Eintritt des Rentenfalls noch in weiter Ferne befinden. Anders stellt sich die Situation bei einem Einbürgerungsbewerber in fortgeschrittenem Alter dar, bei dem der Rentenfall alsbald bevor steht, weil das allgemeine Rentenalter demnächst erreicht wird oder besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden wird. In diesem Fall wird regelmäßig der Frage nachzugehen sein, ob der Lebensunterhalt mit Mitteln aus der Altersvorsorge bestritten werden kann. Soweit sich der erwerbsfähige Einbürgerungsbewerber in einer Lebensphase befindet, die zwischen den beiden vorgenannten Konstellationen liegt, gehört zwar das Vorhandensein einer Altersvorsorge bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder bei einer anderen vergleichbaren Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens regelmäßig zum Lebensunterhalt. Allerdings muss zum Zeitpunkt der Einbürgerung nicht feststehen, dass im erst zukünftigen Rentenfall die bei ungestörtem Versicherungsverlauf zu erwartenden Leistungen voraussichtlich tatsächlich ausreichen werden, um den Lebensunterhalt im Alter dauerhaft zu sichern.
24 
Der Aufbau einer Altersvorsorge ist wesentlicher Bestandteil des sozialen Sicherungssystems in Deutschland und die Teilnahme hieran Ausdruck der wirtschaftlichen Integration. Die Bedeutung der obligatorischen oder fakultativen Altersvorsorge spiegelt sich im Übrigen auch in den Bestimmungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2, 3 lit. b und 4 SGB II wider, wonach vom Einkommen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung - hierzu gehören auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung - oder eine nach Grund und Höhe angemessene private Altersvorsorge sowie besonders geförderte Altersvorsorgebeiträge abzusetzen sind (vgl. näher Hohm/Klaus, GK-SGB II, § 11 Rn. 176, 206, 214, 242 ff.).
25 
Der von dem Beklagten vertretenen Ansicht, es müsste mindestens eine solche Altersvorsorge zur Verfügung stehen, dass bei Erreichen des Rentenalters die Inanspruchnahme von Grundsicherung nicht zu erwarten sei, kann allerdings nicht gefolgt werden. Vor allem Einbürgerungsbewerber, die - wie die damals 32 Jahre alte Klägerin - erst als Erwachsene in das Bundesgebiet gekommen und in Berufen mit niedrigen Löhnen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, haben selbst bei einer regelmäßigen Erwerbsbiographie, die sie in die Lage versetzt, ihre aktuellen Lebenshaltungskosten zu bestreiten, regelmäßig kaum Aussicht, eine Altersrente zu erwirtschaften, die sie auf jeden Fall von steuerfinanzierten Sozialleistungen im Alter unabhängig macht. Denn nach der an das Brutto-Einkommen anknüpfenden paritätisch durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanzierten Rentenvorsorge hängt die spätere Rente maßgeblich von der Anzahl der Beitragsjahre und dem während des Erwerbslebens jährlich erzielten Einkommen ab; so wird beispielsweise bei einem Brutto-Jahresgehalt von 24.000 EUR pro Jahr eine monatliche Rentenanwartschaft von 20,64 EUR erwirtschaftet (näher die auf der Internetseite www.deutsche-rentenversicherung.de zugängliche Informationsbroschüre Rente: So wird sie berechnet - alte Bundesländer -, S. 8). Liegt eine selbstständige Tätigkeit vor, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterfällt, so ist der Berufstätige darüber hinaus der Erschwernis ausgesetzt, dass er seine Altersvorsorge im Regelfall ausschließlich aus eigenen Einkünften bestreiten muss. Die Erzielung eines höheren Einkommens - und damit die Aussicht, auch im Alter über die entsprechenden Mittel zu verfügen erfordert regelmäßig eine nach Art und Umfang qualifizierte Erwerbstätigkeit. Der Anspruch auf Einbürgerung setzt jedoch weder direkt noch indirekt eine bestimmte berufliche Qualifikation oder quantitative Arbeitsleistung voraus. Soweit im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag die vorliegende Altersvorsorge - selbst bei regelmäßiger Weiterentwicklung - darauf hindeutet, dass ein späterer (ergänzender) Bezug von Sozialleistungen, insbesondere von Grundsicherung im Alter nach §§ 41 ff. SGB XII, nicht ausgeschlossen werden kann, ist dies hinzunehmen. Dem steht der Einwand, dass damit entgegen der gesetzgeberischen Intention eine Einbürgerung in die Sozialsysteme erfolge (vgl. Makarov/v. Mangoldt, aaO, Rn 20), nicht entgegen. Der Rechtsanspruch auf Einbürgerung setzt einen mindestens acht Jahre langen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland voraus. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass bei einem langjährigen Aufenthalt in typischer Weise eine hinreichende Eingliederung in die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Ordnung der Bundesrepublik unter Beachtung der hiesigen kulturellen und politischen Wertvorstellungen erfolgt ist und am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses auch im öffentlichen Interesse die Einbürgerung stehen sollte (vgl. hierzu schon die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 27.01.1990, BT-Drs. 11/6321, S. 47; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 27.10.1995 - 1 B 34.95 -, InfAuslR 1996, 54;). Den fiskalischen Interessen des Staates kommt dem gegenüber insoweit ein geringeres Gewicht zu (HessVGH, Urteil vom 08.05.2006 - 12 TP 357/06 -; OVG NRW, Urteil vom 01.07.1997 - 25 A 3613/95 -, juris Rn 42 mwN; Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht - Erläuterungen zum Staatsangehörigkeitsgesetz Anm. 12). Dies lässt sich auch daraus ersehen, dass der Gesetzgeber bei der Anspruchseinbürgerung den Bezug steuerfinanzierter Sozialleistungen für unschädlich erachtet, wenn der Einbürgerungsbewerber dies nicht zu vertreten hat. Im Übrigen ist selbst in den Fällen, in denen der derzeitige Versicherungsverlauf darauf hindeutet, dass eine ausreichende Versorgung im Alter vorliegen wird, dies aufgrund der vielfältigen und alltäglichen Risiken des Lebens nicht garantiert. Ebenso kann umgekehrt bei einer derzeit defizitär erscheinenden Altersvorsorge durch spätere positive Vermögensentwicklungen ein den Bedarf im Alter sicherndes Einkommen noch erreicht werden. Je jünger der Einbürgerungsbewerber ist, um so mehr sind Aussagen über eine zureichende Altersvorsorge prognoseimmanenten Grenzen ausgesetzt, die nicht zu Lasten des Einbürgerungsbewerbers gehen können. Dem lässt sich auch nicht entgegnen, dass die Anforderungen an die Alterssicherung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis damit im Einzelfall höher sein können als die für eine Einbürgerung. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG setzt zwar voraus, dass der eine Niederlassungserlaubnis begehrende Ausländer mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist. Aber auch zum Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungserlaubnis muss nicht feststehen, dass im erst zukünftigen Rentenfall die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einem anderen Versicherungs- bzw. Versorgungssystem tatsächlich ausreichen werden, um den Lebensunterhalt zu sichern. Der Gesetzgeber geht zwar im Rahmen des § 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG davon aus, dass auch nach Leistung von mindestens 60 Monatsbeiträgen weitere Beitragszahlungen erfolgen, macht dies aber nicht zum Prüfprogramm und damit zur Anspruchsvoraussetzung (Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 9c Rn 16 i.V.m. § 2 Rn 42.1).
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Ob über die Altersvorsorge hinaus auch eine Versicherung gegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorliegen muss, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Die Sicherung des Lebensunterhalts umfasst auch unter Berücksichtigung dessen, was bei deutschen Staatsangehörigen üblich ist, nicht die Absicherung aller erdenklichen Lebensrisiken. Die Klägerin, die nicht über die gesetzliche Rentenversicherung gegen Erwerbsminderung bzw. -unfähigkeit versichert ist, könnte allenfalls dann gehalten sein, dieses Risiko durch eine private Versicherung abzudecken, wenn ein besonderes, aus der konkreten Erwerbstätigkeit erwachsendes Risiko ersichtlich wird, dessen Absicherung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls vernünftiger Weise geboten ist. Die von der Klägerin ausgeübte Erwerbstätigkeit als Gastronomin bietet hierfür jedoch keine Anhaltspunkte.
27 
Gemessen an den genannten Grundsätzen ist die Klägerin derzeit und voraussichtlich auch zukünftig imstande, selbst ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Sicherung des Lebensunterhalts erstreckt sich nicht auf einen möglichen Unterhaltsbedarf ihres 1963 geborenen Ehemanns. Die Klägerin und ihr deutscher Ehemann leben seit mehreren Jahren getrennt, wobei nach den Angaben der Klägerin jeder von ihnen seinen Unterhaltsbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit deckt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Ehemann der Klägerin ungeachtet dessen ein Anspruch auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII zustehen könnte, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen würde dies dem Einbürgerungsbegehren der Klägerin auch nicht entgegenstehen. Erhalten lediglich Familienangehörige Leistungen nach SGB II oder SGX II ist die Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erst dann nicht erfüllt, wenn diese gegenüber dem Ausländer unterhaltsberechtigt sind. Hierfür genügt es nicht, dass abstrakt ein Unterhaltsanspruch gegen den einbürgerungswilligen Ausländer in Betracht kommt. Es muss vielmehr im konkreten Einzelfall ein (durchsetzungsfähiger) Unterhaltsanspruch bestehen, der nach § 1602 BGB dann ausscheidet, wenn das Familienmitglied imstande ist, sich selbst zu unterhalten oder hierzu lediglich deswegen nicht in der Lage ist, weil er ihm nach dem Unterhaltsrecht obliegenden Erwerbsobliegenheiten nicht (hinreichend) nachkommt; entsprechendes gilt für Unterhaltsansprüche für den Fall des Getrenntlebens oder des nachehelichen Unterhalts (Berlit, GK-StAG, § 10 Rn 226).
28 
Die Klägerin bezieht derzeit weder Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII noch hat sie einen Anspruch auf solche Leistungen. Sie ist seit 01.11.2002 in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig kranken- und pflegeversichert und zahlt bei einem Einkommen von derzeit etwa 1.400 EUR pro Monat ca. 400 EUR auf insgesamt vier verschiedene Versicherungen, die für ihre Altersvorsorge gedacht sind: Eine seit 01.07.2002 bestehende Lebensversicherung sieht die Zahlung einer garantierten Versicherungssumme von 20.000 EUR zum 30.06.2017 vor. Aus einer weiteren am 01.11.2004 abgeschlossenen Kapitallebensversicherung steht der Klägerin zum 01.11.2022 eine garantierte Rente von monatlich 106,56 EUR oder ein Gesamtbetrag von 23.180 EUR zu. Mit Wirkung zum 01.10.2006 wurde eine fondsgebundene Rentenversicherung abgeschlossen, die ebenfalls auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs der Klägerin bezogen ist und eine Auszahlung von 19.200 EUR vorsieht. Darüber hinaus bedient die Klägerin bei einer vorgesehenen Laufzeit vom 01.10.2006 bis 01.09.2022 einen Investment-Fonds mit monatlich 100 EUR, so dass ihr hieraus am Vertragsende ebenfalls etwa 19.000 EUR zur Verfügung stehen. Berücksichtigt man zu Lasten der Klägerin, dass sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung die Zahlungen an die beiden Lebensversicherungen 2008 für ein Jahr ausgesetzt hat, weil sie das Geld für betriebliche Investitionen gebraucht habe und sich daher der Auszahlungsbetrag mindern wird, bleibt insgesamt ihre private Vorsorge darauf gerichtet, nach der Vollendung ihres 65. Lebensjahres voraussichtlich fast 80.000 EUR zur Verfügung zu haben. Der Klägerin kann nicht vorgehalten werden, dass ihre private Altersvorsorge in der heutigen Form nicht schon mit Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit bestanden hat. Gerade bei Selbstständigen ist es nicht ungewöhnlich, dass die Altersvorsorge im Hinblick auf die Tatsache, dass diese ausschließlich selbst finanziert werden muss, erst nach und nach im Hinblick auf die Geschäftsentwicklung aufgebaut wird. Was die zu erwartenden Auszahlungen aus den Versicherungen anbelangt, so ist im Übrigen die Einschätzung des Beklagten, die Altersvorsorge der Klägerin sei auf jeden Fall defizitär, nicht zwingend. Zwar können derzeit höhere Ausgaben für die Altersvorsorge in Anbetracht der Höhe der Einkünfte der Klägerin aus dem Gewerbebetrieb realistischer Weise nicht erbracht werden, die Klägerin hat jedoch noch mehr als 14 Jahre Zeit bis sie das allgemeine Rentenalter erreicht, das für ihren Geburtsjahrgang mit 65 Jahren und 11 Monaten angesetzt ist (vgl. zur Leistungsberechtigung hinsichtlich Grundsicherung im Alter ab dieser Altersgrenze vgl. § 41 Abs. 2 SGB XII). Abgesehen davon, dass in dieser Zeit positive Entwicklungsmöglichkeiten in finanzieller Hinsicht eintreten können, sind selbstständige Gewerbetreibende häufig auch über die allgemeine Altersgrenze hinaus berufstätig.
29 
Abzüglich der auf das Einkommen zu entrichteten Steuern und der Aufwendungen für die Versicherungen, die die Klägerin ausweislich der vorgelegten Steuerbescheide als Selbstständige teilweise schon im Rahmen ihrer Betriebsausgaben, jedenfalls als beschränkt abziehbare Sonderausgaben nach § 10 EStG steuerlich geltend machen kann, stehen ihr ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung, um ihre Bedürfnisse des täglichen Lebens zu finanzieren. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Klägerin verfügt über eine angemessene Wohnung bestehend aus zwei Zimmern, Bad und Küche, die sich über der von ihr betriebenen Gaststätte befindet und deren Kosten bereits durch die von ihr zu zahlende Pacht abgedeckt sind. Im Übrigen verbleibt ihr ein monatliches Einkommen, das selbst unter Abzug von weiteren in § 11 Abs. 2 SGB II genannten Beträgen, soweit sie hier überhaupt relevant wären, noch über der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II von derzeit 351 EUR für Alleinstehende liegt, so dass im vorliegenden Fall auch offen bleiben kann, ob bei der Ermittlung des zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlichen Einkommens eines Einbürgerungsbewerbers von dem Erwerbseinkommen sämtliche der in § 11 Abs. 2 SGB II aufgeführten Beiträge abzuziehen wären (so VG Oldenburg, Urteil vom 25.02.2009 - 11 A 1907/07 -, juris Rn 20 unter Heranziehung des zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG ergangenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2008 - 1 C 32.07 -, NVwZ 2009, 248).
30 
Bei der Frage, ob der Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs gesichert ist, ist jedoch nicht nur auf die aktuelle Situation abzustellen ist, sondern es ist auch eine gewisse Nachhaltigkeit zu fordern. Es ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber voraussichtlich dauerhaft in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften zu sichern (Senatsbeschluss vom 10.02.2009 - 13 S 3074/08 - und vom 02.04.2008 - 13 S 171/08 -; Berlit, GK-StAR, § 10 Rn. 230 f.; vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 16.08.2005 - 2 A 99.04 -, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 15.07.2003 - 5 A 89/03 -, juris; zur vergleichbaren Situation im Ausländerrecht: BVerwG, Beschluss vom 13.10.1983 - 1 B 115/83 -, NVwZ 1984, 381; Beschluss des Senats vom 13.03.2008 - 13 S 2524/07 -). Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit gesichert ist, muss sowohl die bisherige Erwerbsbiographie als auch die gegenwärtige berufliche Situation des Einbürgerungsbewerbers in den Blick genommen werden. An die prognostische Beurteilung auch zukünftiger wirtschaftlicher Eigenständigkeit sind allerdings sowohl hinsichtlich des Prognosezeitraums als auch bei der Prognosesicherheit keine überspannte Anforderungen zu stellen. Wenn jemand langfristig in einem gesicherten Arbeitsverhältnis steht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dieses auch in Zukunft weiter bestehen wird. Allein die allgemeinen Risiken des Arbeitsmarktes oder das relativ höhere Arbeitsmarktrisiko von Ausländern stehen einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl. Berlit, GK-StAR, § 10 Rn. 232).
31 
Gemessen an diesen Anforderungen wird die Klägerin voraussichtlich auch zukünftig ihren Lebensunterhalt einschließlich der Vorsorge für Krankheit, Pflege und Alter eigenständig bestreiten. Sie verdient ihren Lebensunterhalt seit Mitte 2002 durch eine selbstständige Tätigkeit im Gaststättengewerbe. Nachdem sie zunächst ab Sommer 2002 eine Vereinsgaststätte gepachtet hatte, übernahm sie Mitte 2004 ein anderes Lokal mit nunmehr eigener Konzession. Die 2006 hinzugekommene Pizzeria ist mittlerweile wieder geschlossen, dafür betreibt die Klägerin einige Tage pro Woche ein Tanzlokal. Die von der Klägerin geführten Betriebe sind nach den Feststellungen des Beklagten ordnungsrechtlich nicht auffallend und ermöglichen der Klägerin ausweislich der von ihr vorlegten Steuerbescheide für 2003 bis 2006 und der Gewinnermittlungen für 2004 bis Oktober 2008 bisher ausreichende Einkünfte. In den der Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit im Mai 2002 vorausgegangenen zwei Jahren war die Klägerin ausweislich der von ihr vorgelegten Lohnabrechnungen in einer Weise beschäftigt gewesen, die ihr ebenfalls einen eigenständigen Lebensunterhalt gesichert hat. Sie erzielte als Verkäuferin und Kassiererin monatliche Nettoeinkünfte, die sich in einer Größenordnung von etwas über oder unter 1.000 EUR bewegten. Soweit sie in dieser Zeit bei drei verschiedenen Arbeitgebern tätig gewesen ist, hat die Klägerin dies plausibel erklärt. Ursache für den Wechsel der Tätigkeiten ist nicht ein unregelmäßiger Aushilfscharakter der Beschäftigungen gewesen, sondern hierfür gab es vielmehr gesundheitliche Gründe. Aufgrund einer Operation ist sie über einen längeren Zeitraum hinweg nicht in der Lage gewesen, schwere Gegenstände heben - was aber bei einer Berufstätigkeit im Supermarkt eine regelmäßige Begleiterscheinung ist. Ihre Erwerbsbiographie in den letzten acht Jahren - auf diesen Zeitraum dürfte es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wohl maßgeblich ankommen (Urteil vom 19.02.2009 - 5 C 22.08 -) - verdeutlicht, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt stets eigenständig bestritten hat. Die nunmehr selbstständige Erwerbstätigkeit der Klägerin als Gastronomin ist dabei gegenüber einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch nicht minder zu gewichten. Selbst wenn man ergänzend nicht nur die letzten acht Jahre betrachten, sondern auch die davor liegende Zeiten seit ihrer Einreise nach Deutschland in den Blick nehmen würde, ergäbe sich nichts anderes. Abgesehen von einem Sozialhilfebezug in den Jahren 1995 bis Juli 1999, den die Klägerin mit der Betreuung der 1990 und 1992 geborenen Söhne ihres Ehemanns aus erster Ehe erklärte und der mittlerweile zehn Jahre zurückliegt, hat die Klägerin ihren Lebensunterhalt seit ihrer Einreise nach Deutschland im Jahre 1990 selbstständig gesichert und war in jeder Lebenslage bestrebt, soweit wie möglich finanziell auf eigenen Füßen zu stehen.
32 
Auch im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie in einem überschaubaren Zeitraum oder gar demnächst ihren Lebensunterhalt nicht mehr sichern könnte. Soweit die Klägerin 2008 für ein Jahr keine Beträge für die beiden Lebensversicherungen gezahlt hat, weil sie nach ihren Angaben das Geld für betriebliche Investitionen gebraucht hat, handelt es sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand um einen einmaligen Vorgang, der die Ernsthaftigkeit ihrer Altersvorsorge nicht in Frage stellt. Im Übrigen ist derartiges kurzzeitiges Aussetzen bei selbstständig Erwerbstätigen, die ihre Altersvorsorge ausschließlich selbst finanzieren müssen, auch nicht untypisch. Ein allgemeines konjunkturelles Risiko, das gerade in der derzeitigen Wirtschaftssituation ein Rückgang der Einkünfte im Gaststättengewerbe mit sich bringen könnte, reicht nicht aus, der Prognose auch künftig gesicherten Lebensunterhalts entgegenzustehen.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
35 
Beschluss vom 06. März 2009
36 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 63 Abs. 2 GKG, § 47 GKG und § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt (vgl. Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs 2004).
37 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
17 
Die zulässige - insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig begründete - Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zur Recht stattgegeben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach § 10 StAG. Sie erfüllt in dem für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 5 C 8.05 -, DVBl 2006, 919, 920; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 16.02.2006 - 12 S 2430/05 -und vom 12.01.2005 - 13 S 2549/03 -, VBlBW 2006, 70; BayVGH, Urteil vom 20.11.2006 - 5 BV 04.35 -, juris Rn 24 mwN) auch die im vorliegenden Fall einzig zwischen den Beteiligten im Streit stehende Voraussetzung der grundsätzlich notwendigen eigenständigen Bestreitung des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.
18 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG ist in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 ( BGBl. I S. 1970) anzuwenden. Aus der Übergangsvorschrift des § 40c StAG ergibt sich kein abweichender Zeitpunkt. Nach dieser Regelung sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach bisherigem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (Berlit, Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457, 466).
19 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in der seit 28.8.2007 gültigen Fassung wurde gegenüber der früheren ab 01.01.2005 geltenden Fassung (Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004, BGBl. I S. 950) für Einbürgerungsbewerber, die - wie die Klägerin - über 23 Jahre alt sind, inhaltlich nicht geändert, sondern nur redaktionell neu gefasst (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 StAG a.F.; Berlit, a.a.O., Seite 465). Da die Klägerin ihre Einbürgerung erst am 20.04.2001 beantragt hat, unterfällt sich auch nicht der Übergangsvorschrift des § 40c StAG in der Fassung vom 01.01.2005, denn diese betrifft nur Einbürgerungsanträge, die vor dem 16.03.1999 gestellt worden sind.
20 
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG muss der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten haben. Die als Gastwirtin selbstständig tätige Klägerin kann derzeit und voraussichtlich auch in überschaubarer Zukunft ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern. Sie deckt ihren Unterhaltsbedarf im Hinblick auf die Bedürfnisse des täglichen Lebens aus eigenen Mitteln. Sie ist in einer gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig kranken- und pflegeversichert und entrichtet im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren Beiträge für eine private Altersvorsorge. Mehr ist im vorliegenden Fall für die Annahme, dass die Einbürgerungsbewerberin ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, nicht zu verlangen; insbesondere ist es unschädlich, dass die Klägerin gegen das Risiko der Erwerbsunfähigkeit nicht versichert ist.
21 
Was zum Lebensunterhalt gehört, der grundsätzlich selbst zu bestreiten ist, ist im Staatsangehörigkeitsrecht nicht eigenständig definiert. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis umfasst der Begriff das, was zur Führung eines menschenwürdigen Lebens in Deutschland nötig ist (so schon Makarov/v. Mangoldt, Staatsangehörigkeitsrecht, § 86 AuslG Rn 20). Dies lässt sich in Anlehnung an die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in Bezug genommen Regelungen des Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch näher konkretisieren. Durch die Formulierung, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können muss, wird zunächst festgelegt, dass ein Anspruch auf solche Leistungen grundsätzlich einbürgerungsschädlich ist. Darüber hinaus lässt der Verweis auf diese Sozialgesetzgebung auch darauf schließen, dass die auf dieser Grundlage erbrachten allgemeinen Leistungen typischer Weise zum Mindeststandard dessen gehören, was für den Lebensunterhalt gebraucht wird. Die Feststellung der Sicherung des Lebensunterhalts erfordert einen Vergleich des Unterhaltsbedarfs mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs, die sich früher am notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 BSHG orientierte, der wiederum durch die Regelsätze nach § 22 BSHG konkretisiert wurde (vgl. Senatsurteil vom 23.07.1998 - 13 S 2212/96 -, juris Rn 28 ff. - zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 RuStAG), richtet sich seit der Änderung des Rechts der Sozial- und Arbeitslosenhilfe vom 01.01.2005 an bei erwerbsfähigen Einbürgerungsbewerbern nach den entsprechenden Bestimmungen des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
22 
Zum Lebensunterhalt eines Einbürgerungsbewerbers zählt neben einer angemessenen Unterkunft (vgl. insoweit § 22 SGB II) und den Mitteln, die zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (wie etwa Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat) erforderlich sind und die nach § 20 SGB II anhand der Höhe der Regelleistung, die derzeit 351 EUR für einen Alleinstehenden beträgt (Bekanntmachung vom 26.06.2008 über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II ab 01.07.2008, BGBl. I S. 1102), bestimmt werden können, auch eine Kranken- und Pflegeversicherung. Eine Absicherung gegen das Risiko von Krankheit und Pflege ist Teil des sozialen Standards der Bundesrepublik, mit dem dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Krankheit und Pflegebedürftigkeit unabhängig von den physischen und psychischen Eigenschaften einer Person und ihrer individuellen Lebensumstände jederzeit eintreten und mit hohen Kosten verbunden sein können, die der einzelne regelmäßig nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen kann. Die besondere Bedeutung der Kranken- und Pflegeversicherung ist etwa daraus ersichtlich, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II kraft Gesetzes kranken- und pflegeversichert sind (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V); sie wird auch in den Regelungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 lit. a SGB II zum Ausdruck gebracht. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, was Kranken- und Pflegeversicherung einschließt (Hohm/Klaus, GK-SGB II, § 11 Rn 176), vom Einkommen abzusetzen. Für Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, sieht § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a SGB II vor, dass nach Grund und Höhe angemessene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und Pflegebedürftigkeit vom Einkommen abzusetzen sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 SGB II bezuschusst werden. Gegen die Einbeziehung der Kranken- und Pflegevorsorge in den Lebensunterhalt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG lässt sich nicht einwenden, dass es im Staatsangehörigkeitsrecht - anders als in verschiedenen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes - an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung für diese Anforderung fehle, die Erweiterung um Vorsorge für Krankheit (und Pflege) im Ausländerrecht konstitutiv sei und eher dagegen spreche, dies allgemein als Teil der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts anzusehen (vgl. Berlit, GK-StAR, § 10 Rn 218). Soweit im Aufenthaltsgesetz ausdrücklich besondere Regelungen zum Lebensunterhalt und zur Kranken- und Pflegeversicherung mit unterschiedlicher Reichweite und Absehensmöglichkeiten getroffen worden sind (vgl. etwa § 2 Abs. 3 AufenthG, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 9c Satz 1 Nr. 3 AufenthG, § 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG, § 29 Abs. 2 AufenthG und § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), knüpfen diese an spezifische ausländerrechtliche Situationen an und tragen dem differenzierten System unterschiedlicher Aufenthaltszwecke und -titel Rechnung. Schon aus diesem Grund können hieraus keine zwingenden Vorgaben für die Frage hergeleitet werden, was zur Sicherung des Lebensunterhalts einer Person gehört, die zukünftig deutsche Staatsangehörige sein will. Allerdings ist anhand der Bestimmungen für die Niederlassungserlaubnis, wonach deren Erteilung in der Regel unter anderem voraussetzt, dass das Risiko der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung oder einen gleichwertigen Versicherungsschutz abgesichert ist (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 9c Satz 1 Nr. 3 AufenthG), durchaus erkennbar, dass die Anforderungen an die soziale Absicherung um so höher sind, je verfestigter der Aufenthalt des Ausländers auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes ist. Das Erfordernis einer Kranken- und Pflegeversicherung führt auch nicht dazu, dass die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach § 10 StAG in unzumutbarer Weise angehoben würden. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind ohnehin regelmäßig entsprechend versichert. Kann im Übrigen ein eigener Versicherungsschutz des Einbürgerungsbewerbers nicht begründet werden, weil ihm ohnehin Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII gewährt werden oder er für die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung ergänzend solche Leistungen in Anspruch nehmen muss, ist dies nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG unschädlich, wenn der Bezug nicht zu vertreten ist.
23 
Ob und inwieweit auch eine Altersvorsorge Teil des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG ist, kann in Anbetracht der denkbaren vielfältigen Fallgestaltungen nicht generell festgelegt werden. Jedenfalls kann von einem Einbürgerungsbewerber nicht mehr verlangt werden als das, was bei einem deutschen Staatsangehörigen in vergleichbarer Lebenslage und Erwerbssituation üblich und zumutbar ist. Bei jungen Einbürgerungsbewerbern, die sich noch in Schule, Ausbildung oder Studium befinden, ist eine Altersvorsorge nicht Teil des Lebensunterhalts. Eine Altersvorsorge ist nämlich in diesem Lebensstadium grundsätzlich noch nicht oder jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang angelegt, weil sich das Rentenalter und damit auch der Eintritt des Rentenfalls noch in weiter Ferne befinden. Anders stellt sich die Situation bei einem Einbürgerungsbewerber in fortgeschrittenem Alter dar, bei dem der Rentenfall alsbald bevor steht, weil das allgemeine Rentenalter demnächst erreicht wird oder besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden wird. In diesem Fall wird regelmäßig der Frage nachzugehen sein, ob der Lebensunterhalt mit Mitteln aus der Altersvorsorge bestritten werden kann. Soweit sich der erwerbsfähige Einbürgerungsbewerber in einer Lebensphase befindet, die zwischen den beiden vorgenannten Konstellationen liegt, gehört zwar das Vorhandensein einer Altersvorsorge bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder bei einer anderen vergleichbaren Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens regelmäßig zum Lebensunterhalt. Allerdings muss zum Zeitpunkt der Einbürgerung nicht feststehen, dass im erst zukünftigen Rentenfall die bei ungestörtem Versicherungsverlauf zu erwartenden Leistungen voraussichtlich tatsächlich ausreichen werden, um den Lebensunterhalt im Alter dauerhaft zu sichern.
24 
Der Aufbau einer Altersvorsorge ist wesentlicher Bestandteil des sozialen Sicherungssystems in Deutschland und die Teilnahme hieran Ausdruck der wirtschaftlichen Integration. Die Bedeutung der obligatorischen oder fakultativen Altersvorsorge spiegelt sich im Übrigen auch in den Bestimmungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2, 3 lit. b und 4 SGB II wider, wonach vom Einkommen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung - hierzu gehören auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung - oder eine nach Grund und Höhe angemessene private Altersvorsorge sowie besonders geförderte Altersvorsorgebeiträge abzusetzen sind (vgl. näher Hohm/Klaus, GK-SGB II, § 11 Rn. 176, 206, 214, 242 ff.).
25 
Der von dem Beklagten vertretenen Ansicht, es müsste mindestens eine solche Altersvorsorge zur Verfügung stehen, dass bei Erreichen des Rentenalters die Inanspruchnahme von Grundsicherung nicht zu erwarten sei, kann allerdings nicht gefolgt werden. Vor allem Einbürgerungsbewerber, die - wie die damals 32 Jahre alte Klägerin - erst als Erwachsene in das Bundesgebiet gekommen und in Berufen mit niedrigen Löhnen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, haben selbst bei einer regelmäßigen Erwerbsbiographie, die sie in die Lage versetzt, ihre aktuellen Lebenshaltungskosten zu bestreiten, regelmäßig kaum Aussicht, eine Altersrente zu erwirtschaften, die sie auf jeden Fall von steuerfinanzierten Sozialleistungen im Alter unabhängig macht. Denn nach der an das Brutto-Einkommen anknüpfenden paritätisch durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanzierten Rentenvorsorge hängt die spätere Rente maßgeblich von der Anzahl der Beitragsjahre und dem während des Erwerbslebens jährlich erzielten Einkommen ab; so wird beispielsweise bei einem Brutto-Jahresgehalt von 24.000 EUR pro Jahr eine monatliche Rentenanwartschaft von 20,64 EUR erwirtschaftet (näher die auf der Internetseite www.deutsche-rentenversicherung.de zugängliche Informationsbroschüre Rente: So wird sie berechnet - alte Bundesländer -, S. 8). Liegt eine selbstständige Tätigkeit vor, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterfällt, so ist der Berufstätige darüber hinaus der Erschwernis ausgesetzt, dass er seine Altersvorsorge im Regelfall ausschließlich aus eigenen Einkünften bestreiten muss. Die Erzielung eines höheren Einkommens - und damit die Aussicht, auch im Alter über die entsprechenden Mittel zu verfügen erfordert regelmäßig eine nach Art und Umfang qualifizierte Erwerbstätigkeit. Der Anspruch auf Einbürgerung setzt jedoch weder direkt noch indirekt eine bestimmte berufliche Qualifikation oder quantitative Arbeitsleistung voraus. Soweit im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag die vorliegende Altersvorsorge - selbst bei regelmäßiger Weiterentwicklung - darauf hindeutet, dass ein späterer (ergänzender) Bezug von Sozialleistungen, insbesondere von Grundsicherung im Alter nach §§ 41 ff. SGB XII, nicht ausgeschlossen werden kann, ist dies hinzunehmen. Dem steht der Einwand, dass damit entgegen der gesetzgeberischen Intention eine Einbürgerung in die Sozialsysteme erfolge (vgl. Makarov/v. Mangoldt, aaO, Rn 20), nicht entgegen. Der Rechtsanspruch auf Einbürgerung setzt einen mindestens acht Jahre langen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland voraus. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass bei einem langjährigen Aufenthalt in typischer Weise eine hinreichende Eingliederung in die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Ordnung der Bundesrepublik unter Beachtung der hiesigen kulturellen und politischen Wertvorstellungen erfolgt ist und am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses auch im öffentlichen Interesse die Einbürgerung stehen sollte (vgl. hierzu schon die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 27.01.1990, BT-Drs. 11/6321, S. 47; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 27.10.1995 - 1 B 34.95 -, InfAuslR 1996, 54;). Den fiskalischen Interessen des Staates kommt dem gegenüber insoweit ein geringeres Gewicht zu (HessVGH, Urteil vom 08.05.2006 - 12 TP 357/06 -; OVG NRW, Urteil vom 01.07.1997 - 25 A 3613/95 -, juris Rn 42 mwN; Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht - Erläuterungen zum Staatsangehörigkeitsgesetz Anm. 12). Dies lässt sich auch daraus ersehen, dass der Gesetzgeber bei der Anspruchseinbürgerung den Bezug steuerfinanzierter Sozialleistungen für unschädlich erachtet, wenn der Einbürgerungsbewerber dies nicht zu vertreten hat. Im Übrigen ist selbst in den Fällen, in denen der derzeitige Versicherungsverlauf darauf hindeutet, dass eine ausreichende Versorgung im Alter vorliegen wird, dies aufgrund der vielfältigen und alltäglichen Risiken des Lebens nicht garantiert. Ebenso kann umgekehrt bei einer derzeit defizitär erscheinenden Altersvorsorge durch spätere positive Vermögensentwicklungen ein den Bedarf im Alter sicherndes Einkommen noch erreicht werden. Je jünger der Einbürgerungsbewerber ist, um so mehr sind Aussagen über eine zureichende Altersvorsorge prognoseimmanenten Grenzen ausgesetzt, die nicht zu Lasten des Einbürgerungsbewerbers gehen können. Dem lässt sich auch nicht entgegnen, dass die Anforderungen an die Alterssicherung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis damit im Einzelfall höher sein können als die für eine Einbürgerung. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG setzt zwar voraus, dass der eine Niederlassungserlaubnis begehrende Ausländer mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist. Aber auch zum Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungserlaubnis muss nicht feststehen, dass im erst zukünftigen Rentenfall die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einem anderen Versicherungs- bzw. Versorgungssystem tatsächlich ausreichen werden, um den Lebensunterhalt zu sichern. Der Gesetzgeber geht zwar im Rahmen des § 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG davon aus, dass auch nach Leistung von mindestens 60 Monatsbeiträgen weitere Beitragszahlungen erfolgen, macht dies aber nicht zum Prüfprogramm und damit zur Anspruchsvoraussetzung (Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 9c Rn 16 i.V.m. § 2 Rn 42.1).
26 
Ob über die Altersvorsorge hinaus auch eine Versicherung gegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorliegen muss, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Die Sicherung des Lebensunterhalts umfasst auch unter Berücksichtigung dessen, was bei deutschen Staatsangehörigen üblich ist, nicht die Absicherung aller erdenklichen Lebensrisiken. Die Klägerin, die nicht über die gesetzliche Rentenversicherung gegen Erwerbsminderung bzw. -unfähigkeit versichert ist, könnte allenfalls dann gehalten sein, dieses Risiko durch eine private Versicherung abzudecken, wenn ein besonderes, aus der konkreten Erwerbstätigkeit erwachsendes Risiko ersichtlich wird, dessen Absicherung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls vernünftiger Weise geboten ist. Die von der Klägerin ausgeübte Erwerbstätigkeit als Gastronomin bietet hierfür jedoch keine Anhaltspunkte.
27 
Gemessen an den genannten Grundsätzen ist die Klägerin derzeit und voraussichtlich auch zukünftig imstande, selbst ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Sicherung des Lebensunterhalts erstreckt sich nicht auf einen möglichen Unterhaltsbedarf ihres 1963 geborenen Ehemanns. Die Klägerin und ihr deutscher Ehemann leben seit mehreren Jahren getrennt, wobei nach den Angaben der Klägerin jeder von ihnen seinen Unterhaltsbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit deckt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Ehemann der Klägerin ungeachtet dessen ein Anspruch auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII zustehen könnte, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen würde dies dem Einbürgerungsbegehren der Klägerin auch nicht entgegenstehen. Erhalten lediglich Familienangehörige Leistungen nach SGB II oder SGX II ist die Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erst dann nicht erfüllt, wenn diese gegenüber dem Ausländer unterhaltsberechtigt sind. Hierfür genügt es nicht, dass abstrakt ein Unterhaltsanspruch gegen den einbürgerungswilligen Ausländer in Betracht kommt. Es muss vielmehr im konkreten Einzelfall ein (durchsetzungsfähiger) Unterhaltsanspruch bestehen, der nach § 1602 BGB dann ausscheidet, wenn das Familienmitglied imstande ist, sich selbst zu unterhalten oder hierzu lediglich deswegen nicht in der Lage ist, weil er ihm nach dem Unterhaltsrecht obliegenden Erwerbsobliegenheiten nicht (hinreichend) nachkommt; entsprechendes gilt für Unterhaltsansprüche für den Fall des Getrenntlebens oder des nachehelichen Unterhalts (Berlit, GK-StAG, § 10 Rn 226).
28 
Die Klägerin bezieht derzeit weder Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII noch hat sie einen Anspruch auf solche Leistungen. Sie ist seit 01.11.2002 in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig kranken- und pflegeversichert und zahlt bei einem Einkommen von derzeit etwa 1.400 EUR pro Monat ca. 400 EUR auf insgesamt vier verschiedene Versicherungen, die für ihre Altersvorsorge gedacht sind: Eine seit 01.07.2002 bestehende Lebensversicherung sieht die Zahlung einer garantierten Versicherungssumme von 20.000 EUR zum 30.06.2017 vor. Aus einer weiteren am 01.11.2004 abgeschlossenen Kapitallebensversicherung steht der Klägerin zum 01.11.2022 eine garantierte Rente von monatlich 106,56 EUR oder ein Gesamtbetrag von 23.180 EUR zu. Mit Wirkung zum 01.10.2006 wurde eine fondsgebundene Rentenversicherung abgeschlossen, die ebenfalls auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs der Klägerin bezogen ist und eine Auszahlung von 19.200 EUR vorsieht. Darüber hinaus bedient die Klägerin bei einer vorgesehenen Laufzeit vom 01.10.2006 bis 01.09.2022 einen Investment-Fonds mit monatlich 100 EUR, so dass ihr hieraus am Vertragsende ebenfalls etwa 19.000 EUR zur Verfügung stehen. Berücksichtigt man zu Lasten der Klägerin, dass sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung die Zahlungen an die beiden Lebensversicherungen 2008 für ein Jahr ausgesetzt hat, weil sie das Geld für betriebliche Investitionen gebraucht habe und sich daher der Auszahlungsbetrag mindern wird, bleibt insgesamt ihre private Vorsorge darauf gerichtet, nach der Vollendung ihres 65. Lebensjahres voraussichtlich fast 80.000 EUR zur Verfügung zu haben. Der Klägerin kann nicht vorgehalten werden, dass ihre private Altersvorsorge in der heutigen Form nicht schon mit Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit bestanden hat. Gerade bei Selbstständigen ist es nicht ungewöhnlich, dass die Altersvorsorge im Hinblick auf die Tatsache, dass diese ausschließlich selbst finanziert werden muss, erst nach und nach im Hinblick auf die Geschäftsentwicklung aufgebaut wird. Was die zu erwartenden Auszahlungen aus den Versicherungen anbelangt, so ist im Übrigen die Einschätzung des Beklagten, die Altersvorsorge der Klägerin sei auf jeden Fall defizitär, nicht zwingend. Zwar können derzeit höhere Ausgaben für die Altersvorsorge in Anbetracht der Höhe der Einkünfte der Klägerin aus dem Gewerbebetrieb realistischer Weise nicht erbracht werden, die Klägerin hat jedoch noch mehr als 14 Jahre Zeit bis sie das allgemeine Rentenalter erreicht, das für ihren Geburtsjahrgang mit 65 Jahren und 11 Monaten angesetzt ist (vgl. zur Leistungsberechtigung hinsichtlich Grundsicherung im Alter ab dieser Altersgrenze vgl. § 41 Abs. 2 SGB XII). Abgesehen davon, dass in dieser Zeit positive Entwicklungsmöglichkeiten in finanzieller Hinsicht eintreten können, sind selbstständige Gewerbetreibende häufig auch über die allgemeine Altersgrenze hinaus berufstätig.
29 
Abzüglich der auf das Einkommen zu entrichteten Steuern und der Aufwendungen für die Versicherungen, die die Klägerin ausweislich der vorgelegten Steuerbescheide als Selbstständige teilweise schon im Rahmen ihrer Betriebsausgaben, jedenfalls als beschränkt abziehbare Sonderausgaben nach § 10 EStG steuerlich geltend machen kann, stehen ihr ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung, um ihre Bedürfnisse des täglichen Lebens zu finanzieren. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Klägerin verfügt über eine angemessene Wohnung bestehend aus zwei Zimmern, Bad und Küche, die sich über der von ihr betriebenen Gaststätte befindet und deren Kosten bereits durch die von ihr zu zahlende Pacht abgedeckt sind. Im Übrigen verbleibt ihr ein monatliches Einkommen, das selbst unter Abzug von weiteren in § 11 Abs. 2 SGB II genannten Beträgen, soweit sie hier überhaupt relevant wären, noch über der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II von derzeit 351 EUR für Alleinstehende liegt, so dass im vorliegenden Fall auch offen bleiben kann, ob bei der Ermittlung des zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlichen Einkommens eines Einbürgerungsbewerbers von dem Erwerbseinkommen sämtliche der in § 11 Abs. 2 SGB II aufgeführten Beiträge abzuziehen wären (so VG Oldenburg, Urteil vom 25.02.2009 - 11 A 1907/07 -, juris Rn 20 unter Heranziehung des zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG ergangenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2008 - 1 C 32.07 -, NVwZ 2009, 248).
30 
Bei der Frage, ob der Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs gesichert ist, ist jedoch nicht nur auf die aktuelle Situation abzustellen ist, sondern es ist auch eine gewisse Nachhaltigkeit zu fordern. Es ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber voraussichtlich dauerhaft in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften zu sichern (Senatsbeschluss vom 10.02.2009 - 13 S 3074/08 - und vom 02.04.2008 - 13 S 171/08 -; Berlit, GK-StAR, § 10 Rn. 230 f.; vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 16.08.2005 - 2 A 99.04 -, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 15.07.2003 - 5 A 89/03 -, juris; zur vergleichbaren Situation im Ausländerrecht: BVerwG, Beschluss vom 13.10.1983 - 1 B 115/83 -, NVwZ 1984, 381; Beschluss des Senats vom 13.03.2008 - 13 S 2524/07 -). Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit gesichert ist, muss sowohl die bisherige Erwerbsbiographie als auch die gegenwärtige berufliche Situation des Einbürgerungsbewerbers in den Blick genommen werden. An die prognostische Beurteilung auch zukünftiger wirtschaftlicher Eigenständigkeit sind allerdings sowohl hinsichtlich des Prognosezeitraums als auch bei der Prognosesicherheit keine überspannte Anforderungen zu stellen. Wenn jemand langfristig in einem gesicherten Arbeitsverhältnis steht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dieses auch in Zukunft weiter bestehen wird. Allein die allgemeinen Risiken des Arbeitsmarktes oder das relativ höhere Arbeitsmarktrisiko von Ausländern stehen einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl. Berlit, GK-StAR, § 10 Rn. 232).
31 
Gemessen an diesen Anforderungen wird die Klägerin voraussichtlich auch zukünftig ihren Lebensunterhalt einschließlich der Vorsorge für Krankheit, Pflege und Alter eigenständig bestreiten. Sie verdient ihren Lebensunterhalt seit Mitte 2002 durch eine selbstständige Tätigkeit im Gaststättengewerbe. Nachdem sie zunächst ab Sommer 2002 eine Vereinsgaststätte gepachtet hatte, übernahm sie Mitte 2004 ein anderes Lokal mit nunmehr eigener Konzession. Die 2006 hinzugekommene Pizzeria ist mittlerweile wieder geschlossen, dafür betreibt die Klägerin einige Tage pro Woche ein Tanzlokal. Die von der Klägerin geführten Betriebe sind nach den Feststellungen des Beklagten ordnungsrechtlich nicht auffallend und ermöglichen der Klägerin ausweislich der von ihr vorlegten Steuerbescheide für 2003 bis 2006 und der Gewinnermittlungen für 2004 bis Oktober 2008 bisher ausreichende Einkünfte. In den der Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit im Mai 2002 vorausgegangenen zwei Jahren war die Klägerin ausweislich der von ihr vorgelegten Lohnabrechnungen in einer Weise beschäftigt gewesen, die ihr ebenfalls einen eigenständigen Lebensunterhalt gesichert hat. Sie erzielte als Verkäuferin und Kassiererin monatliche Nettoeinkünfte, die sich in einer Größenordnung von etwas über oder unter 1.000 EUR bewegten. Soweit sie in dieser Zeit bei drei verschiedenen Arbeitgebern tätig gewesen ist, hat die Klägerin dies plausibel erklärt. Ursache für den Wechsel der Tätigkeiten ist nicht ein unregelmäßiger Aushilfscharakter der Beschäftigungen gewesen, sondern hierfür gab es vielmehr gesundheitliche Gründe. Aufgrund einer Operation ist sie über einen längeren Zeitraum hinweg nicht in der Lage gewesen, schwere Gegenstände heben - was aber bei einer Berufstätigkeit im Supermarkt eine regelmäßige Begleiterscheinung ist. Ihre Erwerbsbiographie in den letzten acht Jahren - auf diesen Zeitraum dürfte es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wohl maßgeblich ankommen (Urteil vom 19.02.2009 - 5 C 22.08 -) - verdeutlicht, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt stets eigenständig bestritten hat. Die nunmehr selbstständige Erwerbstätigkeit der Klägerin als Gastronomin ist dabei gegenüber einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch nicht minder zu gewichten. Selbst wenn man ergänzend nicht nur die letzten acht Jahre betrachten, sondern auch die davor liegende Zeiten seit ihrer Einreise nach Deutschland in den Blick nehmen würde, ergäbe sich nichts anderes. Abgesehen von einem Sozialhilfebezug in den Jahren 1995 bis Juli 1999, den die Klägerin mit der Betreuung der 1990 und 1992 geborenen Söhne ihres Ehemanns aus erster Ehe erklärte und der mittlerweile zehn Jahre zurückliegt, hat die Klägerin ihren Lebensunterhalt seit ihrer Einreise nach Deutschland im Jahre 1990 selbstständig gesichert und war in jeder Lebenslage bestrebt, soweit wie möglich finanziell auf eigenen Füßen zu stehen.
32 
Auch im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie in einem überschaubaren Zeitraum oder gar demnächst ihren Lebensunterhalt nicht mehr sichern könnte. Soweit die Klägerin 2008 für ein Jahr keine Beträge für die beiden Lebensversicherungen gezahlt hat, weil sie nach ihren Angaben das Geld für betriebliche Investitionen gebraucht hat, handelt es sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand um einen einmaligen Vorgang, der die Ernsthaftigkeit ihrer Altersvorsorge nicht in Frage stellt. Im Übrigen ist derartiges kurzzeitiges Aussetzen bei selbstständig Erwerbstätigen, die ihre Altersvorsorge ausschließlich selbst finanzieren müssen, auch nicht untypisch. Ein allgemeines konjunkturelles Risiko, das gerade in der derzeitigen Wirtschaftssituation ein Rückgang der Einkünfte im Gaststättengewerbe mit sich bringen könnte, reicht nicht aus, der Prognose auch künftig gesicherten Lebensunterhalts entgegenzustehen.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
35 
Beschluss vom 06. März 2009
36 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 63 Abs. 2 GKG, § 47 GKG und § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt (vgl. Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs 2004).
37 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, sind die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

Auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, sind die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.

(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht:

1.
die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,
2.
Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und
3.
Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Tat im Sinne von § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheits-, Geld- oder Jugendstrafe verurteilt und ein solcher Beweggrund im Rahmen des Urteils festgestellt worden ist. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 3, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 oder 6 des Strafgesetzbuches angeordnet worden, so wird im Einzelfall entschieden, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann.

(2) Ausländische Verurteilungen zu Strafen sind zu berücksichtigen, wenn die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und das Strafmaß verhältnismäßig ist. Eine solche Verurteilung kann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen wäre. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Wird gegen einen Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle der Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 des Jugendgerichtsgesetzes ausgesetzt ist.

(4) Im Ausland erfolgte Verurteilungen und im Ausland anhängige Ermittlungs- und Strafverfahren sind im Einbürgerungsantrag aufzuführen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Januar 2006 - 5 K 1868/04 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt eine Einbürgerungszusicherung.
Der am ...1942 geborene Kläger ist serbischer bzw. kosovarischer Staatsangehöriger und albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo, wo der als Kunstprofessor oder -lehrer tätig war (Bildhauer). Er reiste am ...1991 zusammen mit seiner Ehefrau und seinen vier Kindern in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom ...1994 als Asylberechtigter anerkannt; zugleich wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 hinsichtlich des Herkunftsstaates vorliegen. Mit Bescheid vom 9.6.2004 widerrief das Bundesamt seine Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen; zugleich stellte es fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen verpflichtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, nachdem der Kläger die hiergegen erhobene Klage im Übrigen zurückgenommen hatte, ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Bezug auf Serbien und Montenegro festzustellen (Urteil vom 12.1.2005 - A 1 K 11108/04 -).
Seit dem 27.9.1994 besitzt der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Er stand in folgenden Beschäftigungsverhältnissen, für die er jeweils auch die ausländerrechtlichen Arbeitserlaubnisse besaß:
04.02.1992 - 06.11.1992
 Firma ...
05.04.1994 - 15.04.1994
 Firma ...
22.10.1996 - 24.12.1996
 Firma ...
02.06.1998 - 31.08.1999
 Firma ...
23.02.2000 - 29.02.2000
 Firma ...
23.10.2001 - 30.11.2001
 Firma ...
Eine amtsärztliche Untersuchung vom ... 1997 führte zur Feststellung, dass er wegen eines Bandscheibenvorfalls auf Dauer keine körperlich schweren und wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ausüben könne, sondern nur noch solche in temperierten Räumen mit Bewegungswechsel mit zumindest zeitweiliger sitzender Körperhaltung. Das Arbeitsamt ... hielt am 25.6.2003 eine Vermittlung auf Grund seines Alters und der Stellensituation für derzeit unmöglich.
Von 1992 an erhielten er und seine Familie, abgesehen von kurzen Unterbrechungen in den Jahren 1997 und 1998, ergänzend laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und einmalige Sozialhilfeleistungen und Arbeitslosengeld bzw. Sozialgeld. Seit 1.5.2007 erhält er eine Rente (Altersrente) in Höhe von derzeit 120,98 EUR. Zurzeit bekommt er für sich selbst er keine Leistungen nach SGB II oder XII; seine Ehefrau und sein jüngster Sohn, der bei ihm im Haushalt wohnt und zur Schule geht, erhalten jedoch Leistungen nach SGB II. Er selbst hat inzwischen wieder Grundsicherung im Alter nach SGB XII beantragt, nachdem das Kindergeld für seine Tochter, weswegen sein entsprechender Antrag im Jahr 2007 abgelehnt worden war, weggefallen ist.
Der Kläger beantragte am 28.11.2002 seine Einbürgerung, nachdem er zuvor bereits im Jahr 2000 einen entsprechenden Antrag gestellt und wieder zurückgenommen hatte. Das Landratsamt ... lehnte den Einbürgerungsantrag am 1.3.2004 mit der Begründung ab, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einbürgerung lägen nicht vor, weil der Kläger die Inanspruchnahme von Sozial- und Arbeitslosenhilfe zu vertreten habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.9.2004 wies das Regierungspräsidium Tübingen den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid zurück. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe sich nicht hinreichend intensiv um eine Beschäftigung bemüht, wie die Kürze der Beschäftigungszeiten, die geringe Zahl der Beschäftigungsstellen und die fehlenden Nachweise über eine Arbeitssuche zeigten. Insbesondere in seiner (1999 gekündigten) Tätigkeit als Lagerist habe er es an Engagement und Interesse fehlen lassen. Als Kunstprofessor verfüge er über genügend intellektuelle Fähigkeiten, so dass der vom Arbeitgeber angegebene Kündigungsgrund, er habe die Tätigkeit nicht verstanden, nicht nachvollziehbar sei. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass es inzwischen wegen seines Alters und seines Gesundheitszustandes schwerer werde, eine neue Arbeit zu finden. Wenn er sich in früheren Zeiten stärker um einen Arbeitsplatz bemüht oder um den Erhalt seines Arbeitsplatzes gekümmert hätte, wäre durch die Einzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen eine Reduzierung des Sozialleistungsbezuges möglich gewesen.
Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil stattgegeben. Es hat die Entscheidung des Landratsamtes ... vom 26.3.2004 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 1.9.2004 aufgehoben, soweit sie den Kläger betrafen, und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen. In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, da nach dem Asylwiderruf eine Einbürgerung unter Hinnahmen der Mehrstaatigkeit nicht mehr in Betracht komme, habe der Kläger seinen Klagantrag zu Recht auf die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung beschränkt. Das Zusicherungsermessen sei hier auf die Pflicht zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung reduziert. Die Voraussetzungen des § 10 StAG seien – abgesehen von der Aufgabe oder dem Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit – gegeben. Dass er für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII in Anspruch nehmen müsse, habe er nicht zu vertreten. Ein „Vertretenmüssen“ im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 3 (jetzt Satz 1 Nr. 3) StAG liege etwa bei schuldhaftem Verlust des Arbeitsplatzes vor, nicht hingegen wenn er wegen seines Alters oder seines Gesundheitszustandes sozial(hilfe)rechtlich nicht erwerbsverpflichtet oder erwerbsfähig sei. Dies sei der Fall. Nach der im Gerichtsverfahren vorgelegten Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 21.12.2005 leide er unter mehreren, teilweise schwerwiegenden Krankheiten (Zustand nach Herzhinterwandinfarkt 04/2004, Zustand nach Rekanalisation und Stenteinlage bei Postinfarktangina, Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus Typ 2, Wirbelsäulensyndrom). Diese äußerten sich in Angina-Pectoris-Beschwerden, Rückenschmerzen, Schwindel, Müdigkeit und allgemeiner Schwäche. Hieraus folgere das Gesundheitsamt starke gesundheitliche Einschränkungen, so dass lediglich eine Pförtnertätigkeit o.ä. in Frage komme. Ein solcher Arbeitsplatz stehe für den Kläger nicht zur Verfügung. Das Arbeitsamt habe eine Vermittlung des Klägers schon vor seinem Herzhinterwandinfarkt im Hinblick auf sein Alter und die Stellensituation nicht mehr für möglich gehalten. Damit liege aktuell ein vom Kläger nicht zu vertretender Grund für die Inanspruchnahme von Leistungen nach SGB II/SGB XII vor. Ein solcher Grund könne entgegen der Meinung des Beklagten auch nicht aus dem Verlust des Arbeitsplatzes im Jahr 1999 hergeleitet werden. Ob der Kläger diesen Arbeitsplatzverlust zu vertreten habe, sei zwischen den Beteiligten streitig, bedürfe hier aber keiner Klärung. Denn der Zurechnungszusammenhang eines verschuldeten Arbeitsplatzverlustes könne keine unbegrenzte „Ewigkeitswirkung“ haben, sondern durch weitere Entwicklungen wie etwa eine nachträglich eintretende Erwerbsunfähigkeit unterbrochen werden. Mit der Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 3 (jetzt Satz 1 Nr. 3) StAG habe der Gesetzgeber für den Einbürgerungsanspruch nach langjährigem rechtmäßigem Aufenthalt den fiskalischen Interessen geringeres Gewicht beigemessen als bei den vorgelagerten aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 27 Abs. 3, § 28 Abs. 1 Satz 2, § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG). Damit habe er die Konsequenz daraus gezogen, dass eine Integration als Folge eines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts bereits stattgefunden habe und für eine Einbürgerung hinreichend abgeschlossen sei. Hier sei der Zurechnungszusammenhang des (möglicherweise verschuldeten) Arbeitsplatzverlustes von 1999 aufgehoben. Zum einen sei der Kläger später noch einmal in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, das ausweislich des Kündigungsschreibens nur deswegen beendet worden sei, weil der Kläger „trotz seiner außerordentlichen Mühe“ wegen seines Alters den Arbeiten als Fahrer und Hausmeister nicht mehr gewachsen gewesen sei. Zum andern habe die massive Verschlechterung seines Gesundheitszustands nach seinem Hinterwandinfarkt 2004 dazu geführt, dass er nach Stellungnahme des Gesundheitsamts praktisch keinen Arbeitsplatz mehr erhalten könne. Das Verhalten seiner Ehefrau, die ihre mangelnde Leistungsfähigkeit im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 zu vertreten habe, könne dem Kläger nicht zugerechnet werden. Das Staatsangehörigkeitsrecht enthalte keine Regelung, nach welcher der von einem Familienangehörigen zu vertretende Bezug von Leistungen nach dem SGB II/XII anderen Familienangehörigen zuzurechnen sei. Vielmehr stelle das Staatsangehörigkeitsrecht auf jeden Einbürgerungsbewerber gesondert ab, ausdrücklich etwa bei der Miteinbürgerung gemäß § 10 Abs. 2 StAG „nach Maßgabe des Absatzes 1“.
10 
Auf Antrag des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26.6.2006 - 12 S 644/06 - die Berufung zugelassen. In der rechtzeitig eingegangenen Berufungsbegründung nimmt der Beklagte auf den Zulassungsantrag Bezug und macht geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Zurechnungszusammenhang eines verschuldeten Arbeitsplatzverlustes und langjähriger Arbeitslosigkeit durch eine nachträglich eintretende Erwerbsunfähigkeit unterbrochen werde. Eine derartige Auslegung widerspreche dem Gesetzeszweck, wonach die (erleichterte) Anspruchseinbürgerung am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen solle. Nur wirtschaftlich voll integrierte Ausländer, die etwa aus arbeitsmarktpolitischen Gründen ihre Arbeit verlieren, sollten in den Genuss der Privilegierung des § 10 Abs. 1 Satz 3 (jetzt Satz 1 Nr. 3) StAG kommen und im Gegensatz zur Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG die Möglichkeit der Einbürgerung trotz einbürgerungsschädlicher öffentlicher Leistungen erhalten. Dies habe auch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt. Dem Kläger sei es auch vor seiner Erwerbsunfähigkeit nicht gelungen, sich in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Dezember 1991 eingereist, habe er den ersten Arbeitsplatz bereits zum 6.11.1992 verloren. Obwohl ihm wegen seines Alters die Notwendigkeit von Arbeitsbemühungen hätte klar sein müssen, sei er erst nach über fünf Jahren am 2.6.1998 ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, habe diesen Arbeitsplatz aber bereits am 31.8.1999 wieder verloren, und das nicht aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen. Seine Ehefrau habe noch weniger Integrationsbereitschaft gezeigt und sich nicht einmal als arbeitsuchend gemeldet. Vor seinen gesundheitlichen Einschränkungen sei er daher nicht erfolgreich wirtschaftlich integriert gewesen. Deshalb werde er von einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG dauerhaft ausgeschlossen. Der Umstand, dass er zwischenzeitlich wegen seines Alters und seiner gesundheitlichen Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar sei, könne nicht zu einer anderen Bewertung führen. Entsprechendes gelte für Behinderte und Eltern, die wegen der Erziehung mehrerer Kinder ihren Lebensunterhalt länger nicht selbst bestreiten könnten. Es sei auch nicht einzusehen, warum der Zurechnungszusammenhang eines verschuldeten Arbeitsplatzverlustes durch eine nachträglich eingetretene Erwerbsunfähigkeit unterbrochen werden solle, nicht aber durch die mit dem Alter sinkenden Arbeitsmarktchancen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts habe zur Konsequenz, dass mit dem Erreichen des Rentenalters die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen nicht mehr einbürgerungsschädlich sei. Bei der Bewertung der Frage, inwieweit der Kläger die fehlende eigene Sicherung des Lebensunterhalts selbst zu vertreten habe, müsse auch sein Verhalten vor dem Verlust des letzten Arbeitsplatzes berücksichtigt werden.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25.1.2006 - 5 K 1868/04 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend, dieses Ergebnis ergebe sich auch aus dem Wortlaut von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG, der in der Gegenwartsform gehalten sei. Daher komme es auf den im Moment der Entscheidung vorliegenden Sachverhalt an. Ferner trägt der Kläger vor, er habe erst im September 1994 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten und sei jedenfalls bis dahin auf dem Arbeitsmarkt als Asylbewerber benachteiligt gewesen. Er habe eine Arbeitserlaubnis gebraucht, die unter dem Vorbehalt der Arbeitsmarktprüfung gestanden habe. Außerdem hätten es damals auch Deutsche in seinem Alter (52 Jahre) schwer gehabt, einen Arbeitsplatz zu finden. Als ausgebildeter Lehrer sei er weder von Statur noch Praxis schwere körperliche Arbeit gewohnt gewesen. Auch habe er im Alter von über 50 Jahren erst deutsch lernen müssen. Selbst wenn die Vorwürfe der Firma O. in der Kündigung vom Sommer 1999 stimmen würden, sei ihm der Arbeitsplatzverlust heute nicht mehr vorzuwerfen. Spätestens nach seiner schweren Erkrankung im Sommer 2004 hätte er diesen Arbeitsplatz verloren. Auch das Arbeitsamt sei davon ausgegangen, dass er seine Kündigung im Jahr 1999 nicht schuldhaft verursacht habe; jedenfalls sei keine Sperrzeit verhängt worden. Selbst wenn er seit Ende 1994 bis zu seiner schweren Erkrankung ständig gearbeitet hätte, hätte er keine Rentenansprüche oberhalb des Sozialhilfesatzes erwirtschaften können. Derzeit beziehe er keine Leistungen nach dem SGB II und XII, ein entsprechender Antrag auf Grundsicherung sei 2007 abgelehnt worden.
16 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Tübingen vor; auf ihren Inhalt wird verwiesen. Sie waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die Berufung des Beklagten ist nach ihrer Zulassung durch den Verwaltungsgerichtshof statthaft und auch im übrigen zulässig. Insbesondere hat der Beklagte sie innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über ihre Zulassung ausreichend begründet und einen bestimmten Antrag gestellt (124a Abs. 6 Sätze 1 bis 3 VwGO). Die Berufung ist auch begründet. Der Beklagte hat dem Kläger die Einbürgerungszusicherung zu Recht versagt.
18 
Zutreffend ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Kläger seinen Klagantrag zu Recht auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung beschränkt hat, da eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach dem Widerruf der Asylberechtigung und der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG/§ 51 Abs. 1 AuslG wohl nicht mehr in Betracht kommt (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG). Es trifft auch zu, dass sich das Zusicherungsermessen auf eine Pflicht zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung reduziert, wenn der Einbürgerungsanspruch hierdurch leichter durchgesetzt werden kann (Senatsurteil vom 6.7.1994 - 13 S 2147/93 -, InfAuslR 1995, 116), und dass maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. Senatsurteil vom 12.1.2005 - 13 S 2549/03 -, VBlBW 2006, 70.). Das Verwaltungsgericht hätte die Klage jedoch abweisen müssen, da der Kläger keinen Anspruch auf die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung hat.
19 
1. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der sog. Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG nicht.
20 
Diese Vorschrift ist in der vor dem 28.8.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit diese günstigere Bestimmungen enthält (§ 40c StAG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der europäischen Union vom 19.8.2007, BGBl. I S. 1970). Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach bisherigem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (Berlit, InfAuslR 2007, 457, 466).
21 
Die Beteiligten streiten ausschließlich darüber, ob der Einbürgerungsanspruch des Klägers an § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG scheitert. Die übrigen Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG liegen bis auf Aufgabe oder Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG) vor. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in der seit 28.8.2007 geltenden Fassung – die bis dahin geltende Fassung war für den Kläger nicht günstiger und wurde, soweit sie ihn betrifft, nur redaktionell verändert (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 StAG a.F. und Berlit, a.a.O., Seite 465) – setzt der Einbürgerungsanspruch voraus, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat.
22 
a) Der Kläger kann den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach SGB II oder SGB XII bestreiten. Dieses Erfordernis der eigenständigen wirtschaftlichen Sicherung ist zukunftgerichtet und verlangt eine Prognose, ob der Lebensunterhalt auch künftig eigenständig gesichert ist (Berlit, GK-StAR, § 10, 2005, Rn. 230 f.). Dies ist nicht der Fall. Vielmehr ist zu erwarten, dass der Kläger für den Lebensunterhalt von sich und seiner Ehefrau sowie seinem jüngsten Sohn auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII angewiesen ist. Das ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig. Zwar bezieht der Kläger für sich selbst momentan keine Leistungen nach SGB II oder XII, jedoch erhalten seine Ehefrau und sein jüngster Sohn solche Leistungen, und auch er selbst hat inzwischen wieder einen Antrag auf Grundsicherung im Alter nach SGB XII gestellt, da das ihm als Einkommen angerechnete Kindergeld für seine Tochter inzwischen weggefallen ist. Der Kläger geht also auch selbst von der fortdauernden eigenen Bedürftigkeit aus.
23 
b) Diese Inanspruchnahme hat der Kläger zu vertreten, weil er über mehrere Jahre hinweg aus von ihm zu vertretenden Gründen arbeitslos war und es damit auch versäumt hat, Rentenansprüche für das Alter zu erwerben. Hierdurch hat er adäquat-kausal die (Mit-)Ursache für seinen jetzigen Leistungsbezug gesetzt. Im Einzelnen:
24 
Ein Einbürgerungsbewerber hat den Bezug von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Sozialgesetzbuchs zu vertreten, wenn er durch ihm zurechenbares Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für den fortdauernden Leistungsbezug gesetzt hat. Das Vertretenmüssen beschränkt sich nicht auf vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es setzt kein pflichtwidriges, schuldhaftes Verhalten voraus. Das Ergebnis muss lediglich auf Umständen beruhen, die dem Verantwortungsbereich der handelnden Person zurechenbar sind (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1.7.1997 - 25 A 3613/95 -, InfAuslR 1998, 34, 35; Bayerischer VGH, Beschluss vom 6.7.2007 - 5 ZB 06.1988 -, juris; Hessischer VGH, Beschluss vom 8.5.2006 - 12 TP 357/06 -, DÖV 2006, 878, zitiert nach juris; VG Göttingen, Urteil vom 7.9.2004 - 4 A 4184/01 -, juris; Hailbronner, in Hailbronner/ Renner, StAG, 5. Aufl. 2005, § 10 Rn. 23; Berlit, in: GK-StAR, § 10, 2005, Rn. 242 f. m.w.N.). Ob der Ausländer den Leistungsbezug zu vertreten hat, ist eine verwaltungsgerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Rechtsfrage, für die der Einbürgerungsbehörde kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zukommt. Ein Arbeitsloser hat den Leistungsbezug zu vertreten, wenn er nicht in dem sozialrechtlich gebotenen Umfang bereit ist, seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einzusetzen, ferner wenn er sich nicht um Arbeit bemüht oder bei der Arbeitssuche nachhaltig durch Gleichgültigkeit oder mögliche Arbeitgeber abschreckende Angaben zu erkennen gibt, dass er tatsächlich kein Interesse an einer Erwerbstätigkeit hat (Berlit, a.a.O., Rn. 247; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 9.12.2004 - 2 K 913/04 -, juris). Ebenso wird angenommen, dass der Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug zu vertreten hat, wenn sein Arbeitsverhältnis wegen Nichterfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten gekündigt oder aufgelöst und die Arbeitslosigkeit dadurch von ihm vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wird (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24, Berlit, a.a.O., Rn. 247). Als Indiz wird die Verhängung einer Sperrzeit angesehen (vgl. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Jedoch genügen auch andere Hinweise auf Arbeitsunwilligkeit (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24). Eine personenbedingte Kündigung, die in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren Bestand hat, steht der Einbürgerung entgegen, ohne dass es einer eigenständigen Prüfung der Kündigungsumstände durch die Einbürgerungsbehörde bedarf (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1.7.1997, a.a.O.). Umgekehrt wird das Vertretenmüssen des Leistungsbezugs allgemein verneint, wenn die Arbeitslosigkeit auf einer krankheits- oder betriebsbedingten Kündigung oder Konjunkturgründen beruht. Stets ist bei der Beurteilung des Vertretenmüssens auch der Grundsatz der selbstgesicherten wirtschaftlichen Existenz im Blick zu halten: Der Einbürgerungsbewerber hat den Lebensunterhalt grundsätzlich ohne Inanspruchnahme von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II oder XII zu bestreiten (Berlit, a.a.O., Rn. 215). Da der nicht zu vertretende Leistungsbezug eine Ausnahme von diesem Grundsatz darstellt, ist für die Frage, ob der Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug zu vertreten hat, ein strenger Maßstab anzulegen. Von diesen Anforderungen an die wirtschaftliche Integration ist auch nicht im Hinblick auf den Gesetzeszweck abzusehen; seit (mit Wirkung vom 1.1.2000) die Mindestaufenthaltsdauer auf acht Jahre herabgesetzt wurde, zieht der Einbürgerungsanspruch ohnehin nicht mehr die Konsequenz daraus, dass die Integration als Folge eines 15-jährigen rechtmäßigen Aufenthalts bereits erfolgreich abgeschlossen ist (so BVerwG, Beschluss vom 27.10.1995 - 1 B 34.95 -, InfAuslR 1996, 54 zur damaligen Rechtslage; vgl. hierzu Berlit, a.a.O., § 10 Rn. 241; siehe zur rechtspolitischen Diskussion um Integration als Einbürgerungsvoraussetzung allgemein auch Hailbronner, a.a.O., § 10 Rn. 1, S. 576 f.).
25 
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger zwar nicht zu vertreten, dass er jetzt kein Erwerbseinkommen hat und deshalb mit Ehefrau und Sohn auf Sozialleistungen nach SGB II oder XII angewiesen ist; denn er steht dem Arbeitsmarkt aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht mehr zur Verfügung, ohne dass er dies zu vertreten braucht.
26 
Jedoch kann ein Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug unter Umständen auch dann noch zu vertreten haben, wenn er auf einer früher zurechenbaren Arbeitslosigkeit beruht und der Zurechnungszusammenhang noch fortbesteht. So liegt der Fall hier: Nach Überzeugung des Senats hat der Kläger jedenfalls die Zeiten seiner Arbeitslosigkeit zwischen der Asylanerkennung im Mai 1994 und dem Beginn des Arbeitsverhältnisses im Juni 1998 im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StAG zu vertreten. Der Senat geht – anders als der Beklagte und das Verwaltungsgericht, das diese Frage offen gelassen hat – zu seinen Gunsten davon aus, dass ihm die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.08.1999 nicht zuzurechnen ist und er auch seine Arbeitslosigkeit danach im Hinblick auf die beiden kurzzeitigen Beschäftigungen in den Jahren 2000 und 2001 und seine gesundheits- und altersbedingten Einschränkungen nicht mehr zu vertreten hat. Jedoch hatte er seit seiner Asylanerkennung im Mai 1994 die Perspektive eines dauerhaften Bleiberechts in Deutschland. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte er sich aus Gründen der sozialen Sicherung verstärkt um einen Arbeitsplatz bemühen müssen. Gerade im Zeitraum von Mai 1994 bis Juni 1998 hat er jedoch keine ausreichenden Bemühungen unternommen. In diesen etwa vier Jahren hat er lediglich einmal für etwa acht Wochen bei einer Reinigungsfirma gearbeitet. Dieses Arbeitsverhältnis hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung von sich aus gekündigt, weil er täglich zwei bis drei unbezahlte Überstunden habe machen müssen. Die Frage des Senats, warum er sich damals nicht bei der Reinigungsfirma beworben habe, in der seine Frau seit 1996 arbeite, konnte er nicht beantworten. Auch um eine andere Arbeitsstelle hat er sich in diesem gesamten Zeitraum nicht gekümmert, auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung konnte er keine einzige Bewerbung nennen, die er in diesen vier Jahren eingereicht hat.
27 
Das Vertretenmüssen des Sozialleistungsbezugs ist auch nicht aus den vom Kläger angeführten Gründen zu verneinen. Seine Argumente, er habe auf dem Arbeitsmarkt schon deshalb kaum Chancen gehabt, weil er als Fünfzigjähriger zu alt gewesen sei und erst habe deutsch lernen und für seine Asylanerkennung kämpfen müssen, überzeugen nicht. Eine Benachteiligung am Arbeitsmarkt als Asylbewerber war nicht der entscheidende Grund für seine lange Arbeitslosigkeit. Bereits wenige Wochen nach der Einreise – also in der Zeit der ersten sprachlichen und kulturellen Eingewöhnung und des Asylverfahrens – konnte er einen Arbeitsplatz finden, den er auch für neun Monate behielt. Auch die Beschäftigung bei einem Steinmetz im April 1994 fiel noch in die Zeit des Asylverfahrens. Der Verlust seiner Stelle im August 1999 ist weder mit Sprach- noch mit Konjunkturproblemen zu erklären. Seine Einlassung, als ausgebildeter Lehrer sei er weder von Statur noch Praxis schwere körperliche Arbeit gewohnt gewesen, wiegt deshalb nicht schwer, weil er im Laufe der Jahre mehrere Arbeitsstellen gefunden hat, die nicht an der schweren körperlichen Arbeit scheiterten. Schließlich waren auch seine späteren gesundheitlichen Einschränkungen durch den Bandscheibenvorfall im Jahr 1997 nicht der Grund seiner damaligen Arbeitslosigkeit. Zum einen war er nach dem Gutachten des Gesundheitsamts vom August 1997 mit Einschränkungen arbeitsfähig und zum anderen hat er im Juni 1998 eine Arbeitsstelle gefunden, die ihm erst 14 Monate später aus anderen als gesundheitlichen Gründen gekündigt wurde.
28 
Die Abhängigkeit von Leistungen nach dem SGB II/XII beruht auch heute noch auf dieser zu vertretenden Arbeitslosigkeit. Hat ein erwerbsverpflichteter Ausländer ihm zurechenbar den Verlust eines Arbeitsplatzes mit hinreichendem Einkommen verursacht oder wie hier seine Arbeitslosigkeit aus anderen Gründen zu vertreten, liegt dies aber einen erheblichen Zeitraum zurück, so hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der Zurechnungszusammenhang fortbesteht oder durch weitere Entwicklungen unterbrochen ist. Hierfür sind grundsätzlich auch Art und Maß der nachfolgenden Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz sowie die individuellen Arbeitsmarktchancen und der zeitliche Abstand zur zurechenbaren Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen. Der Zurechnungszusammenhang kann auch durch zusätzliche Ereignisse wie etwa eine nachträglich eingetretene Erwerbsunfähigkeit unterbrochen werden, nicht jedoch allein durch die mit zunehmendem Alter sinkenden Arbeitsmarktchancen. Eine zeitlich unbegrenzte „Ewigkeitswirkung“ ist abzulehnen (Berlit, a.a.O., Rn. 249 f.).
29 
Beim Kläger wird der Zurechnungszusammenhang entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts weder durch die erneute Beschäftigung im Jahr 2001 noch durch den Herzinfarkt im Jahr 2004 noch durch den Eintritt ins Rentenalter unterbrochen, sondern besteht fort. Bei der gebotenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles fällt hier in besonderer Weise ins Gewicht, dass der Kläger durch die zu vertretende Arbeitslosigkeit heute geringere Rentenansprüche hat. Deshalb hat er die Abhängigkeit von Leistungen nach dem SGB II/XII - jedenfalls teilweise - auch heute noch zu vertreten. Er hat es über längere Zeit unterlassen, durch zumutbare Arbeit Rentenanwartschaften zu erwerben, die wenigstens einen Teil seines Bedarfs abdecken. Er hätte sich damals nicht nur deshalb auf Stellen bewerben müssen, um durch das Erwerbseinkommen von Sozialhilfe unabhängig zu sein, sondern auch um sich Rentenansprüche für die Alterssicherung aufzubauen. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass sonst die Einbürgerungsvoraussetzung der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts ab Eintritt in das Rentenalter praktisch leer liefe, weil dann alle Ausländer, die sich aus eigenem Verschulden nicht wirtschaftlich integriert hätten, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen mit Erreichen des Rentenalters eingebürgert werden müssten. Zu Lasten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er seine Asylanerkennung und den Erhalt einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis im Jahr 1994 nicht als Anlass gesehen hat, sich um die dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu bemühen. Vielmehr hat er umgekehrt seine anfänglichen Bemühungen – immerhin hatte er während seines Asylverfahrens unmittelbar nach der Einreise für neun Monate gearbeitet und dann im April 1994 noch einmal in seinem eigenen Fachgebiet bei einem Steinmetzen eine Stelle gefunden – fast vollständig eingestellt, als er mit der Asylanerkennung im Mai 1994 die Perspektive eines dauerhaften Bleiberechts hatte. Obwohl ihm die Notwendigkeit der Integration in den Arbeitsmarkt, wie dargelegt, in dieser Zeit besonders bewusst sein musste, hat er sich von der Asylanerkennung an weit über zwei Jahre bei keinem Arbeitgeber beworben und nach seiner Kündigung vom Dezember 1996 auch nicht bei dem Arbeitgeber seiner Ehefrau nach einer Stelle gefragt, obwohl das aufgrund derselben Branche besonders nahegelegen hätte. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger mit angemessenen Bemühungen auch für längere Zeit Arbeit gefunden und aufgrund der Renteneinzahlungen heute einen höheren Rentenanspruch hätte, weil dann zu den Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung und den zurückgelegten Versicherungszeiten in Serbien (vgl. den vorgelegten Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 24.9.2007) noch weitere Versicherungszeiten hinzuzurechnen wären. Dass ihm diese Rentenansprüche jetzt fehlen, muss er deshalb vertreten, weil er sich in der Zeit von Mai 1994 bis Juni 1998 nicht ausreichend um Arbeit gekümmert hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es ihm wegen seines fortgeschrittenen Alters bei der Einreise wohl nicht gelungen wäre, Rentenansprüche oberhalb des Regelbedarfssatzes zu verdienen. Denn die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach SGB II oder XII ist auch dann einbürgerungsschädlich, wenn der Ausländer sie nur teilweise zu vertreten hat. Dass seine Rente auch mit diesen Einzahlungszeiten unterhalb des Sozialhilferegelsatzes bliebe, kann ihn daher nicht entlasten. Im übrigen obliegt dem Einbürgerungsbewerber hier eine besondere Darlegungspflicht, was die fehlende Kausalität zwischen Arbeitslosigkeit und Sozialleistungsbezug angeht.
30 
2. Die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG scheidet ebenfalls aus. Sie setzt nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG unter anderem voraus, dass der Ausländer sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist. Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Von diesen Voraussetzungen kann wegen Fehlens einer besonderen Härte auch nicht gemäß § 8 Abs. 2 StAG abgesehen werden. Nachdem die Anspruchseinbürgerung daran scheitert, dass der Kläger die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach dem SGB II/XII wegen des fehlenden Erwerbs von Rentenanwartschaften zu vertreten hat, ist eine besondere Härte weder unter dem Gesichtspunkt des unverschuldeten Sozialhilfebezugs noch unter dem Aspekt der älteren Person mit langem Inlandsaufenthalt zu bejahen (vgl. hierzu Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise Baden-Württembergs vom Dezember 2007; Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG, 2006, Rn. 107.9 und 107.12 mit Verweis auf Nr. 8.1 Abs. 3 StAR-VwV). Unerheblich ist daher, dass der Beklagte kein Ermessen zu § 8 Abs. 2 StAG ausgeübt hat.
31 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den § 154 Abs. 1 VwGO.
32 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen.
33 
Beschluss
vom 12. März 2008
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt (vgl. Nr. 42.1 des „Streitwertkatalogs 2004“, abgedr. bei Kopp/Schenke, a.a.O., Anh § 164 Rn. 14).
        
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
17 
Die Berufung des Beklagten ist nach ihrer Zulassung durch den Verwaltungsgerichtshof statthaft und auch im übrigen zulässig. Insbesondere hat der Beklagte sie innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über ihre Zulassung ausreichend begründet und einen bestimmten Antrag gestellt (124a Abs. 6 Sätze 1 bis 3 VwGO). Die Berufung ist auch begründet. Der Beklagte hat dem Kläger die Einbürgerungszusicherung zu Recht versagt.
18 
Zutreffend ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Kläger seinen Klagantrag zu Recht auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung beschränkt hat, da eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach dem Widerruf der Asylberechtigung und der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG/§ 51 Abs. 1 AuslG wohl nicht mehr in Betracht kommt (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG). Es trifft auch zu, dass sich das Zusicherungsermessen auf eine Pflicht zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung reduziert, wenn der Einbürgerungsanspruch hierdurch leichter durchgesetzt werden kann (Senatsurteil vom 6.7.1994 - 13 S 2147/93 -, InfAuslR 1995, 116), und dass maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. Senatsurteil vom 12.1.2005 - 13 S 2549/03 -, VBlBW 2006, 70.). Das Verwaltungsgericht hätte die Klage jedoch abweisen müssen, da der Kläger keinen Anspruch auf die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung hat.
19 
1. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der sog. Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG nicht.
20 
Diese Vorschrift ist in der vor dem 28.8.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit diese günstigere Bestimmungen enthält (§ 40c StAG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der europäischen Union vom 19.8.2007, BGBl. I S. 1970). Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach bisherigem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (Berlit, InfAuslR 2007, 457, 466).
21 
Die Beteiligten streiten ausschließlich darüber, ob der Einbürgerungsanspruch des Klägers an § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG scheitert. Die übrigen Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG liegen bis auf Aufgabe oder Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG) vor. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in der seit 28.8.2007 geltenden Fassung – die bis dahin geltende Fassung war für den Kläger nicht günstiger und wurde, soweit sie ihn betrifft, nur redaktionell verändert (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 StAG a.F. und Berlit, a.a.O., Seite 465) – setzt der Einbürgerungsanspruch voraus, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat.
22 
a) Der Kläger kann den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach SGB II oder SGB XII bestreiten. Dieses Erfordernis der eigenständigen wirtschaftlichen Sicherung ist zukunftgerichtet und verlangt eine Prognose, ob der Lebensunterhalt auch künftig eigenständig gesichert ist (Berlit, GK-StAR, § 10, 2005, Rn. 230 f.). Dies ist nicht der Fall. Vielmehr ist zu erwarten, dass der Kläger für den Lebensunterhalt von sich und seiner Ehefrau sowie seinem jüngsten Sohn auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII angewiesen ist. Das ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig. Zwar bezieht der Kläger für sich selbst momentan keine Leistungen nach SGB II oder XII, jedoch erhalten seine Ehefrau und sein jüngster Sohn solche Leistungen, und auch er selbst hat inzwischen wieder einen Antrag auf Grundsicherung im Alter nach SGB XII gestellt, da das ihm als Einkommen angerechnete Kindergeld für seine Tochter inzwischen weggefallen ist. Der Kläger geht also auch selbst von der fortdauernden eigenen Bedürftigkeit aus.
23 
b) Diese Inanspruchnahme hat der Kläger zu vertreten, weil er über mehrere Jahre hinweg aus von ihm zu vertretenden Gründen arbeitslos war und es damit auch versäumt hat, Rentenansprüche für das Alter zu erwerben. Hierdurch hat er adäquat-kausal die (Mit-)Ursache für seinen jetzigen Leistungsbezug gesetzt. Im Einzelnen:
24 
Ein Einbürgerungsbewerber hat den Bezug von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Sozialgesetzbuchs zu vertreten, wenn er durch ihm zurechenbares Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für den fortdauernden Leistungsbezug gesetzt hat. Das Vertretenmüssen beschränkt sich nicht auf vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es setzt kein pflichtwidriges, schuldhaftes Verhalten voraus. Das Ergebnis muss lediglich auf Umständen beruhen, die dem Verantwortungsbereich der handelnden Person zurechenbar sind (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1.7.1997 - 25 A 3613/95 -, InfAuslR 1998, 34, 35; Bayerischer VGH, Beschluss vom 6.7.2007 - 5 ZB 06.1988 -, juris; Hessischer VGH, Beschluss vom 8.5.2006 - 12 TP 357/06 -, DÖV 2006, 878, zitiert nach juris; VG Göttingen, Urteil vom 7.9.2004 - 4 A 4184/01 -, juris; Hailbronner, in Hailbronner/ Renner, StAG, 5. Aufl. 2005, § 10 Rn. 23; Berlit, in: GK-StAR, § 10, 2005, Rn. 242 f. m.w.N.). Ob der Ausländer den Leistungsbezug zu vertreten hat, ist eine verwaltungsgerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Rechtsfrage, für die der Einbürgerungsbehörde kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zukommt. Ein Arbeitsloser hat den Leistungsbezug zu vertreten, wenn er nicht in dem sozialrechtlich gebotenen Umfang bereit ist, seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einzusetzen, ferner wenn er sich nicht um Arbeit bemüht oder bei der Arbeitssuche nachhaltig durch Gleichgültigkeit oder mögliche Arbeitgeber abschreckende Angaben zu erkennen gibt, dass er tatsächlich kein Interesse an einer Erwerbstätigkeit hat (Berlit, a.a.O., Rn. 247; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 9.12.2004 - 2 K 913/04 -, juris). Ebenso wird angenommen, dass der Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug zu vertreten hat, wenn sein Arbeitsverhältnis wegen Nichterfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten gekündigt oder aufgelöst und die Arbeitslosigkeit dadurch von ihm vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wird (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24, Berlit, a.a.O., Rn. 247). Als Indiz wird die Verhängung einer Sperrzeit angesehen (vgl. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Jedoch genügen auch andere Hinweise auf Arbeitsunwilligkeit (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24). Eine personenbedingte Kündigung, die in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren Bestand hat, steht der Einbürgerung entgegen, ohne dass es einer eigenständigen Prüfung der Kündigungsumstände durch die Einbürgerungsbehörde bedarf (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1.7.1997, a.a.O.). Umgekehrt wird das Vertretenmüssen des Leistungsbezugs allgemein verneint, wenn die Arbeitslosigkeit auf einer krankheits- oder betriebsbedingten Kündigung oder Konjunkturgründen beruht. Stets ist bei der Beurteilung des Vertretenmüssens auch der Grundsatz der selbstgesicherten wirtschaftlichen Existenz im Blick zu halten: Der Einbürgerungsbewerber hat den Lebensunterhalt grundsätzlich ohne Inanspruchnahme von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II oder XII zu bestreiten (Berlit, a.a.O., Rn. 215). Da der nicht zu vertretende Leistungsbezug eine Ausnahme von diesem Grundsatz darstellt, ist für die Frage, ob der Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug zu vertreten hat, ein strenger Maßstab anzulegen. Von diesen Anforderungen an die wirtschaftliche Integration ist auch nicht im Hinblick auf den Gesetzeszweck abzusehen; seit (mit Wirkung vom 1.1.2000) die Mindestaufenthaltsdauer auf acht Jahre herabgesetzt wurde, zieht der Einbürgerungsanspruch ohnehin nicht mehr die Konsequenz daraus, dass die Integration als Folge eines 15-jährigen rechtmäßigen Aufenthalts bereits erfolgreich abgeschlossen ist (so BVerwG, Beschluss vom 27.10.1995 - 1 B 34.95 -, InfAuslR 1996, 54 zur damaligen Rechtslage; vgl. hierzu Berlit, a.a.O., § 10 Rn. 241; siehe zur rechtspolitischen Diskussion um Integration als Einbürgerungsvoraussetzung allgemein auch Hailbronner, a.a.O., § 10 Rn. 1, S. 576 f.).
25 
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger zwar nicht zu vertreten, dass er jetzt kein Erwerbseinkommen hat und deshalb mit Ehefrau und Sohn auf Sozialleistungen nach SGB II oder XII angewiesen ist; denn er steht dem Arbeitsmarkt aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht mehr zur Verfügung, ohne dass er dies zu vertreten braucht.
26 
Jedoch kann ein Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug unter Umständen auch dann noch zu vertreten haben, wenn er auf einer früher zurechenbaren Arbeitslosigkeit beruht und der Zurechnungszusammenhang noch fortbesteht. So liegt der Fall hier: Nach Überzeugung des Senats hat der Kläger jedenfalls die Zeiten seiner Arbeitslosigkeit zwischen der Asylanerkennung im Mai 1994 und dem Beginn des Arbeitsverhältnisses im Juni 1998 im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StAG zu vertreten. Der Senat geht – anders als der Beklagte und das Verwaltungsgericht, das diese Frage offen gelassen hat – zu seinen Gunsten davon aus, dass ihm die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.08.1999 nicht zuzurechnen ist und er auch seine Arbeitslosigkeit danach im Hinblick auf die beiden kurzzeitigen Beschäftigungen in den Jahren 2000 und 2001 und seine gesundheits- und altersbedingten Einschränkungen nicht mehr zu vertreten hat. Jedoch hatte er seit seiner Asylanerkennung im Mai 1994 die Perspektive eines dauerhaften Bleiberechts in Deutschland. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte er sich aus Gründen der sozialen Sicherung verstärkt um einen Arbeitsplatz bemühen müssen. Gerade im Zeitraum von Mai 1994 bis Juni 1998 hat er jedoch keine ausreichenden Bemühungen unternommen. In diesen etwa vier Jahren hat er lediglich einmal für etwa acht Wochen bei einer Reinigungsfirma gearbeitet. Dieses Arbeitsverhältnis hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung von sich aus gekündigt, weil er täglich zwei bis drei unbezahlte Überstunden habe machen müssen. Die Frage des Senats, warum er sich damals nicht bei der Reinigungsfirma beworben habe, in der seine Frau seit 1996 arbeite, konnte er nicht beantworten. Auch um eine andere Arbeitsstelle hat er sich in diesem gesamten Zeitraum nicht gekümmert, auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung konnte er keine einzige Bewerbung nennen, die er in diesen vier Jahren eingereicht hat.
27 
Das Vertretenmüssen des Sozialleistungsbezugs ist auch nicht aus den vom Kläger angeführten Gründen zu verneinen. Seine Argumente, er habe auf dem Arbeitsmarkt schon deshalb kaum Chancen gehabt, weil er als Fünfzigjähriger zu alt gewesen sei und erst habe deutsch lernen und für seine Asylanerkennung kämpfen müssen, überzeugen nicht. Eine Benachteiligung am Arbeitsmarkt als Asylbewerber war nicht der entscheidende Grund für seine lange Arbeitslosigkeit. Bereits wenige Wochen nach der Einreise – also in der Zeit der ersten sprachlichen und kulturellen Eingewöhnung und des Asylverfahrens – konnte er einen Arbeitsplatz finden, den er auch für neun Monate behielt. Auch die Beschäftigung bei einem Steinmetz im April 1994 fiel noch in die Zeit des Asylverfahrens. Der Verlust seiner Stelle im August 1999 ist weder mit Sprach- noch mit Konjunkturproblemen zu erklären. Seine Einlassung, als ausgebildeter Lehrer sei er weder von Statur noch Praxis schwere körperliche Arbeit gewohnt gewesen, wiegt deshalb nicht schwer, weil er im Laufe der Jahre mehrere Arbeitsstellen gefunden hat, die nicht an der schweren körperlichen Arbeit scheiterten. Schließlich waren auch seine späteren gesundheitlichen Einschränkungen durch den Bandscheibenvorfall im Jahr 1997 nicht der Grund seiner damaligen Arbeitslosigkeit. Zum einen war er nach dem Gutachten des Gesundheitsamts vom August 1997 mit Einschränkungen arbeitsfähig und zum anderen hat er im Juni 1998 eine Arbeitsstelle gefunden, die ihm erst 14 Monate später aus anderen als gesundheitlichen Gründen gekündigt wurde.
28 
Die Abhängigkeit von Leistungen nach dem SGB II/XII beruht auch heute noch auf dieser zu vertretenden Arbeitslosigkeit. Hat ein erwerbsverpflichteter Ausländer ihm zurechenbar den Verlust eines Arbeitsplatzes mit hinreichendem Einkommen verursacht oder wie hier seine Arbeitslosigkeit aus anderen Gründen zu vertreten, liegt dies aber einen erheblichen Zeitraum zurück, so hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der Zurechnungszusammenhang fortbesteht oder durch weitere Entwicklungen unterbrochen ist. Hierfür sind grundsätzlich auch Art und Maß der nachfolgenden Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz sowie die individuellen Arbeitsmarktchancen und der zeitliche Abstand zur zurechenbaren Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen. Der Zurechnungszusammenhang kann auch durch zusätzliche Ereignisse wie etwa eine nachträglich eingetretene Erwerbsunfähigkeit unterbrochen werden, nicht jedoch allein durch die mit zunehmendem Alter sinkenden Arbeitsmarktchancen. Eine zeitlich unbegrenzte „Ewigkeitswirkung“ ist abzulehnen (Berlit, a.a.O., Rn. 249 f.).
29 
Beim Kläger wird der Zurechnungszusammenhang entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts weder durch die erneute Beschäftigung im Jahr 2001 noch durch den Herzinfarkt im Jahr 2004 noch durch den Eintritt ins Rentenalter unterbrochen, sondern besteht fort. Bei der gebotenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles fällt hier in besonderer Weise ins Gewicht, dass der Kläger durch die zu vertretende Arbeitslosigkeit heute geringere Rentenansprüche hat. Deshalb hat er die Abhängigkeit von Leistungen nach dem SGB II/XII - jedenfalls teilweise - auch heute noch zu vertreten. Er hat es über längere Zeit unterlassen, durch zumutbare Arbeit Rentenanwartschaften zu erwerben, die wenigstens einen Teil seines Bedarfs abdecken. Er hätte sich damals nicht nur deshalb auf Stellen bewerben müssen, um durch das Erwerbseinkommen von Sozialhilfe unabhängig zu sein, sondern auch um sich Rentenansprüche für die Alterssicherung aufzubauen. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass sonst die Einbürgerungsvoraussetzung der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts ab Eintritt in das Rentenalter praktisch leer liefe, weil dann alle Ausländer, die sich aus eigenem Verschulden nicht wirtschaftlich integriert hätten, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen mit Erreichen des Rentenalters eingebürgert werden müssten. Zu Lasten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er seine Asylanerkennung und den Erhalt einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis im Jahr 1994 nicht als Anlass gesehen hat, sich um die dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu bemühen. Vielmehr hat er umgekehrt seine anfänglichen Bemühungen – immerhin hatte er während seines Asylverfahrens unmittelbar nach der Einreise für neun Monate gearbeitet und dann im April 1994 noch einmal in seinem eigenen Fachgebiet bei einem Steinmetzen eine Stelle gefunden – fast vollständig eingestellt, als er mit der Asylanerkennung im Mai 1994 die Perspektive eines dauerhaften Bleiberechts hatte. Obwohl ihm die Notwendigkeit der Integration in den Arbeitsmarkt, wie dargelegt, in dieser Zeit besonders bewusst sein musste, hat er sich von der Asylanerkennung an weit über zwei Jahre bei keinem Arbeitgeber beworben und nach seiner Kündigung vom Dezember 1996 auch nicht bei dem Arbeitgeber seiner Ehefrau nach einer Stelle gefragt, obwohl das aufgrund derselben Branche besonders nahegelegen hätte. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger mit angemessenen Bemühungen auch für längere Zeit Arbeit gefunden und aufgrund der Renteneinzahlungen heute einen höheren Rentenanspruch hätte, weil dann zu den Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung und den zurückgelegten Versicherungszeiten in Serbien (vgl. den vorgelegten Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 24.9.2007) noch weitere Versicherungszeiten hinzuzurechnen wären. Dass ihm diese Rentenansprüche jetzt fehlen, muss er deshalb vertreten, weil er sich in der Zeit von Mai 1994 bis Juni 1998 nicht ausreichend um Arbeit gekümmert hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es ihm wegen seines fortgeschrittenen Alters bei der Einreise wohl nicht gelungen wäre, Rentenansprüche oberhalb des Regelbedarfssatzes zu verdienen. Denn die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach SGB II oder XII ist auch dann einbürgerungsschädlich, wenn der Ausländer sie nur teilweise zu vertreten hat. Dass seine Rente auch mit diesen Einzahlungszeiten unterhalb des Sozialhilferegelsatzes bliebe, kann ihn daher nicht entlasten. Im übrigen obliegt dem Einbürgerungsbewerber hier eine besondere Darlegungspflicht, was die fehlende Kausalität zwischen Arbeitslosigkeit und Sozialleistungsbezug angeht.
30 
2. Die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG scheidet ebenfalls aus. Sie setzt nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG unter anderem voraus, dass der Ausländer sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist. Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Von diesen Voraussetzungen kann wegen Fehlens einer besonderen Härte auch nicht gemäß § 8 Abs. 2 StAG abgesehen werden. Nachdem die Anspruchseinbürgerung daran scheitert, dass der Kläger die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach dem SGB II/XII wegen des fehlenden Erwerbs von Rentenanwartschaften zu vertreten hat, ist eine besondere Härte weder unter dem Gesichtspunkt des unverschuldeten Sozialhilfebezugs noch unter dem Aspekt der älteren Person mit langem Inlandsaufenthalt zu bejahen (vgl. hierzu Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise Baden-Württembergs vom Dezember 2007; Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG, 2006, Rn. 107.9 und 107.12 mit Verweis auf Nr. 8.1 Abs. 3 StAR-VwV). Unerheblich ist daher, dass der Beklagte kein Ermessen zu § 8 Abs. 2 StAG ausgeübt hat.
31 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den § 154 Abs. 1 VwGO.
32 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen.
33 
Beschluss
vom 12. März 2008
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt (vgl. Nr. 42.1 des „Streitwertkatalogs 2004“, abgedr. bei Kopp/Schenke, a.a.O., Anh § 164 Rn. 14).
        
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.

(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass

1.
sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,
2.
die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt,
3.
die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,
4.
die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann,
5.
der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.

(2) Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil

1.
sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ausgebildet ist oder die früher ausgeübt wurde,
2.
sie im Hinblick auf die Ausbildung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person als geringerwertig anzusehen ist,
3.
der Beschäftigungsort vom Wohnort der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort,
4.
die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person,
5.
sie mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, es sei denn, es liegen begründete Anhaltspunkte vor, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit entsprechend.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 08. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am ...1976 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro und albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo. Mit Bescheid vom 16.07.1993 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu seinen Gunsten fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien und das Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien vorlägen. Der Kläger ist im Besitz eines am 21.12.1995 ausgestellten Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention. Am 05.11.2001 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.
Der Kläger beantragte unter dem 15.10.2002 seine Einbürgerung. Mit Schreiben vom 09.07.2003 fragte die Beklagte beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge an, ob das Abschiebungshindernis nach § 51 AuslG weiter vorliege. Mit Schreiben vom 30.10.2003 teilte sie dem Kläger mit, nach Auskunft des Innenministeriums Baden-Württemberg müsse vor der Einbürgerung die Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über das eventuell eingeleitete Widerrufsverfahren abgewartet werden. Der Antrag auf Einbürgerung werde daher vorerst zurückgestellt. Mit Schreiben vom 28.11.2003 teilte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit, dass es ein Widerrufsverfahren eingeleitet habe.
Auf die am 06.02.2004 erhobene Untätigkeitsklage verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Beklagte mit Urteil vom 08.12.2004 - 1 K 353/04 -, den Kläger einzubürgern. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, der Kläger erfülle alle gesetzlichen Anforderungen an den Einbürgerungsanspruch nach § 85 Abs. 1 AuslG. Von der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AuslG sei abzusehen, wenn der Ausländer politisch Verfolgter i.S.v. § 51 AuslG sei. Der Kläger erfülle diese Voraussetzungen, da das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt habe und dieser Bescheid bislang nicht widerrufen worden sei. Nur im Falle strafrechtlicher Ermittlungen sei das Einbürgerungsverfahren nach § 88 Abs. 3 AuslG bis zum Abschluss des Verfahrens auszusetzen. Eine entsprechende Regelung für das Verfahren nach § 73 AsylVfG gebe es nicht. Eine entsprechende Anwendung des § 88 Abs. 3 AuslG scheide aus.
Der Senat hat die Berufung auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 16.08.2005 - 12 S 505/05 - zugelassen. - Der Beschluss wurde der Beklagten am 05.09.2005 zugestellt.
Mit der am 29.09.2005 eingegangenen Berufungsbegründung trägt die Beklagte vor, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe mit Bescheid vom 24.02.2005 die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) widerrufen. Der Kläger habe beim Verwaltungsgericht Sigmaringen dagegen Klage erhoben. Vor diesem Hintergrund komme es auf die Frage, ob die Einbürgerungsbehörde das Einbürgerungsverfahren bereits ab Einleitung des Widerrufsverfahrens durch das Bundesamt aussetzen dürfe, nicht mehr an. Der Einbürgerungsanspruch des Klägers beurteile sich nunmehr nach §§ 10 ff. StAG. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 6 StAG komme es nunmehr darauf an, ob der Kläger einen Reiseausweis nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention oder eine nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 AufenthG erteilte Niederlassungserlaubnis besitze. Eine inhaltliche Änderung der Regelung habe nach dem Willen des Gesetzgebers mit dieser Modifikation nicht verbunden werden sollen. Vielmehr habe die Vorschrift an die Systematik des Aufenthaltsgesetzes angepasst werden sollen. Es komme nach der ab 01.01.2005 geltenden Rechtslage entscheidend darauf an, ob die Verfolgungssituation noch bestehe und demzufolge der Reiseausweis noch rechtmäßig besessen werde. Die Entscheidung über den Widerruf der asylrechtlichen Entscheidung durch das Bundesamt sei für das Einbürgerungsverfahren vorgreiflich, weshalb das Einbürgerungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung auszusetzen sei. Nach § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG entfalle bis zur Bestandskraft des Widerrufs die Verbindlichkeit der Asylentscheidung nach § 4 AsylVfG. Sei die asylrechtliche Entscheidung widerrufen oder zurückgenommen worden, könne nach § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG auch der Aufenthaltstitel widerrufen werden mit der Folge, dass der Betroffene ausreisepflichtig werde. Sofern keine besonderen Umstände vorlägen, die den weiteren Aufenthalt des Betroffenen in Deutschland nahe legten, sei regelmäßig vom Widerruf des Aufenthaltstitels auszugehen. Die Entscheidung über den Widerruf sei von der Ausländerbehörde unabhängig davon zu treffen, ob die Entscheidung nach § 73 AsylVfG unanfechtbar sei. Komme es zum Widerruf des Aufenthaltstitels, entfalle die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes und somit eine wesentliche Einbürgerungsvoraussetzung selbst dann, wenn hiergegen Widerspruch eingelegt und Klage erhoben werde (vgl. § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG). Demzufolge sei die Entscheidung über den asylrechtlichen Widerruf auch im Hinblick auf das Vorliegen der einbürgerungsrechtlichen Voraussetzungen vorgreiflich und erfordere die Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 StAG für eine Hinnahme der Mehrstaatigkeit dürften nicht vorliegen, da der Kläger seine Schulausbildung im wesentlichen im Heimatland absolviert habe. Bei § 12 Abs. 3 StAG und § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StAG sei Voraussetzung, dass der Herkunftsstaat die Entlassung von der Leistung des Wehrdienstes abhängig mache. Nach Aktenlage müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger bisher nicht nachgewiesen habe, dass er wehrpflichtig sei und dass deshalb die Entlassung verweigert werde. Könne der Kläger nicht durch eine Bescheinigung des Konsulats oder der serbischen Behörden nachweisen, dass die Entlassung von der Leistung des Wehrdienstes abhängig gemacht werde, so müsse er zumindest nachweisen, dass er sich um die Entlassung bemüht habe. Dauerten diese Entlassungsbemühungen mindestens zwei Jahre an, so seien weitere Bemühungen nicht mehr zumutbar und er könne unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert werden.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 08. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
10 
Zur Begründung führt er aus, die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 StAG lägen vor. Hilfsweise hätte die Beklagte den Kläger gemäß § 12 Abs. 3 StAG nach Ermessen einbürgern und entsprechende Erwägungen anstellen müssen. Insoweit beinhalte der Verpflichtungsantrag hilfsweise auch einen Antrag auf Neubescheidung. Als männlicher albanischer Volkszugehöriger, der der Wehrpflicht unterliege, werde er nach Erkenntnissen des Bundesinnenministeriums de facto nicht von den serbisch-montenegrinischen Behörden ausgebürgert. Die Länder Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen hätten daher entschieden, dass Kosovo-Albaner - wie er - nicht aus der Staatsangehörigkeit entlassen werden müssten, sondern unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert werden könnten. Auf den Erlass des niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 03.06.2005 werde hingewiesen. Danach seien vier Gruppen von Einbürgerungsbewerbern aus Serbien und Montenegro einzubürgern, unter anderem jeder albanische Volkszugehörige und uneingeschränkt Wehrpflichtige albanischer Volkszugehörigkeit. Die Erlasslage spiegele die tatsächliche Situation für albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo wider, die ihre Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit beantragen wollten oder dies bereits unternommen hätten. Die Beklagte werde aufgefordert mitzuteilen, wie viele Fälle serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit ihr bekannt seien, die in den letzten drei Jahren aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit entlassen worden seien. In dem von der Beklagten angeführten Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.03.2005 würden die Erklärungen des Bundesinnenministeriums und der Bericht der deutschen Botschaft vom 06.04.2005 nicht berücksichtigt. Im Staatsangehörigkeitsrecht sei eine gewisse Bundeseinheitlichkeit zu wahren. Der Verfassungsgrundsatz der Bundestreue enthalte unter anderem die Rechtspflicht der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten. Dieses Verfassungsprinzip sei beim Vollzug von Landesgesetzen durch das Land zu beachten, erst recht aber beim Vollzug eines Bundesgesetzes. Sein Anspruch auf Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit folge aus § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG. Nach den Erkenntnissen des Bundesinnenministeriums, der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad und den obersten Einbürgerungsbehörden in Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verweigerten die serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen bzw. Konsulate ethnisch-albanischen Personen serbisch-montenegrinischer Staatsangehörigkeit aus dem Kosovo (Kosovo-Albaner) ungeachtet der Rechtslage de facto die Gewährung konsularischer Dienstleistungen, so dass es ihnen nicht möglich sei, ihre Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit zu betreiben. Von einer regelmäßigen Verweigerung i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG sei auszugehen, wenn bei einer statistischen Betrachtungsweise über einen nennenswerten Zeitraum im Ergebnis die Zahl abgelehnter Entlassungsanträge die der Entlassung deutlich übersteige. Solche statistischen Betrachtungen könne er nicht vornehmen. Er habe mit Schreiben vom 18.11.2005 an die Beklagte einen formlosen Entlassungsantrag zur Weiterleitung an das Generalkonsulat übersandt. Der vorliegende Sachverhalt könne zumindest unter § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG subsumiert werden. Sei es zweifelsfrei absehbar, dass ein Entlassungsantrag erfolglos sein werde, da der Herkunftsstaat die Entlassung generell und unabhängig von einem bestimmten Antrag von unzumutbaren Bedingungen abhängig mache, sei es dem Bewerber nicht abzuverlangen, das Entlassungsverfahren nur der Form halber zu betreiben. Kosovo-Albaner seien de facto von der Gewährung konsularischer Dienstleitungen ausgeschlossen. Sie könnten ein Entlassungsverfahren somit zumindest derzeit niemals erfolgreich betreiben. Entsprechende Entlassungsbemühungen seien somit unzumutbar. Eine Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit könne nicht erfolgen, da nach dem Gesetz über die jugoslawische Staatsangehörigkeit die Ableistung des Wehrdienstes Voraussetzung für eine Entlassung sei. Er sei als männlicher Staatsangehöriger Serbiens und Montenegros im Hinblick auf sein Alter wehrdienstpflichtig. Als ethnischem Albaner sei ihm die Ableistung des Wehrdienstes in der Armee seines festgestellten Verfolgerstaates nicht zuzumuten. Die Ableistung des Wehrdienstes könne, auch wenn sie in § 12 Abs. 3 StAG spezialgesetzlich geregelt sei, im Einzelfall eine unzumutbare Bedingung i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG sein. Das Einbürgerungsbegehren stütze sich ergänzend auf § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG. Die Vorschrift stelle auf den Besitz des Reiseausweises ab. Dieser sei gemäß §§ 73 Abs. 6, 72 Abs. 2 AsylVfG erst nach Unanfechtbarkeit des Widerrufs der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abzugeben. Am Wortlaut des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG ändere auch § 73 Abs. 2 a Abs. 4 AsylVfG nichts, der entgegen der Regelung im Staatsangehörigkeitsgesetz auf die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag abstelle. Hilfsweise werde der Antrag auf § 12 Abs. 1 S. 1 StAG gestützt. § 12 Abs. 1 StAG beinhalte in S. 2 keine abschließende Aufzählung. Für die Auslegung der Vorschrift sei nämlich Art. 16 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 06.11.1997 (EuStAGÜbk) zu beachten. Zwar sei das Übereinkommen für die Bundesrepublik Deutschland noch nicht in Kraft getreten, das Zustimmungsgesetz datiere allerdings bereits vom 04.02.2002, sei also bei der Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes zum 01.01.2005 bereits beschlossen gewesen. Das deutsche Recht müsse sich daher zumindest für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe an diesem Übereinkommen messen lassen, zumal dieses auf Europaratsebene beratene Übereinkommen neben den bestehenden völkerrechtlichen Verträgen auch die Rechtsprechung des IGH, EuGH und EGMR habe zusammenfassen sollen und somit ein Teil des Völkerrechts bilde, der nach Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts sei. Die in Art. 16 EuStAGÜbk enthaltene Formulierung sei weitergehend als die in § 12 Abs. 1 S. 1 StAG und lasse eine abschließende Aufzählung einzelner Fallgruppen nicht zu. Da die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtliche Vorbehalte zu Art. 16 EuStAGÜbk nicht erklärt habe, sei nunmehr § 12 Abs. 1 S. 1 StAG als Generalklausel zu verstehen. Danach sei der Einbürgerungsanspruch auch dann gegeben, wenn die Aufgabe der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit unzumutbar sei, weil er de facto von der Gewährung konsularischer Dienstleistungen Serbien-Montenegros ausgeschlossen sei.
11 
Dem Senat liegen die einschlägige Akte der Beklagten und die Akte des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (1 K 353/04) vor.

Entscheidungsgründe

 
12 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte nicht in der mündlichen Verhandlung vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit ist sie in der Ladung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
13 
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung (1.). Allerdings hat die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (erstmals) über den Antrag des Klägers auf Ermessenseinbürgerung zu entscheiden (2.). Das Urteil des Verwaltungsgerichts war daher entsprechend abzuändern, und der Klage war (zum Teil) stattzugeben (§ 113 Abs. 5 VwGO).
14 
Die Klage ist als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) entscheidungsreif, da nach Erlass des Widerrufsbescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.02.2005 kein zureichender Grund (mehr) besteht, mit der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag weiter abzuwarten (im Einzelnen s.u. zu 1.1.).
15 
1.) Maßgeblich für die Frage, ob der Kläger einzubürgern ist, ist die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgebliche Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1996 - 1 B 82.95 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 49; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris). Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Einbürgerungsanspruch ist daher § 10 StAG i.d.F. des am 01.01.2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950).
16 
Der Kläger erfüllt mit Ausnahme der Voraussetzung der Aufgabe oder des Verlustes der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG) alle Voraussetzungen des gesetzlichen Einbürgerungsanspruchs des § 10 Abs. 1 S. 1 StAG. Zwar wurde er in der Vergangenheit mehrfach wegen Straftaten zu Geldstrafen verurteilt, was grundsätzlich den Einbürgerungsanspruch ausschließt (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StAG); die Verurteilungen bleiben aber nach § 12 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAG außer Betracht, weil mit keiner von ihnen eine Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verhängt wurde. Eine Zusammenrechnung mehrerer Geldstrafen ist nicht zulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.03.1997 - 1 B 217.96 -, InfAuslR 1997, 315 = NVwZ-RR 1997, 737; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., § 12 a RdNr. 2; Berlit in GK-StAR, Stand November 2000, IV-3 § 88 RdNr. 21).
17 
Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG kann nicht gemäß § 12 Abs. 1 S.1 StAG deshalb abgesehen werden, weil der Kläger seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Der Kläger kann sich auf keine der in § 12 Abs.1 S. 2 StAG genannten Fallgruppen, in denen von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG abzusehen ist, berufen.
18 
1.1.) Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG nicht vor. Danach ist die Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit vorzunehmen, wenn der Ausländer einen Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) - Genfer Flüchtlingskonvention - oder eine nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 AufenthG erteilte Niederlassungserlaubnis besitzt. Damit wird - anders als in § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG - nicht auf den Status eines politisch Verfolgten oder Flüchtlings abgestellt. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Modifikation die Regelung an die Systematik des Aufenthaltsgesetzes anpassen (BT-Drs. 15/420, S. 116). Damit scheidet trotz Flüchtlingseigenschaft eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit aus, wenn der Ausländer wegen Fehlens der Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention, etwa weil er sich nicht rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, nicht im Besitz eines Reiseausweises ist.
19 
Dass der Gesetzgeber nunmehr an den Besitz des durch den Flüchtlingsstatus erlangten Ausweises anknüpft, bedeutet allerdings nicht, dass die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Besitzes einbürgerungsrechtlich unbeachtlich wäre; so kann sich derjenige nicht mit Erfolg auf § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG berufen, der entgegen seiner aus §§ 73 Abs. 6 i.V.m. 72 Abs. 2 AsylVfG folgenden Verpflichtung den Reiseausweis nicht unverzüglich bei der Ausländerbehörde abgegeben hat (vgl. BayVGH, Urteil vom 17.02.2005 - 5 B 04.392 -juris).
20 
Im vorliegenden Fall „besitzt“ der Kläger zwar noch seinen Reiseausweis nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention; gleichwohl kann im vorliegenden Fall nicht nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG von der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs.1 S. 1 Nr. 4 StAG abgesehen werden. Unabhängig von der Problematik der Rechtmäßigkeit des Besitzes (vgl. dazu §§ 73 Abs. 6, 72 Abs. 2 AsylVfG und die allgemeine Regelung des § 52 S. 1 VwVfG) ist jedenfalls für das Einbürgerungsverfahren davon auszugehen, dass der Begünstigte sich in der Zeit vor der endgültigen gerichtlichen Klärung der Widerrufsproblematik nicht auf den Besitz des Reiseausweises berufen kann. Würde man allein den Besitz des Reiseausweises für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG genügen lassen, obwohl die Flüchtlingseigenschaft bereits widerrufen bzw. zurückgenommen ist, würde § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG in der seit 01.01.2005 geltenden Fassung leer laufen. Diese Vorschrift ordnet an, dass bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme für Einbürgerungsverfahren die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag entfällt. Zweck der Regelung ist es, in Einbürgerungsverfahren den Statusberechtigten so zu stellen, als wäre der Statusbescheid nicht ergangen (vgl. Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, § 73 RdNr. 209). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn der Ausländer im Einbürgerungsverfahren sich nach wie vor mit dem Vortrag, er besitze noch den Reiseausweis, im Ergebnis auf den Fortbestand der Flüchtlingseigenschaft berufen könnte.
21 
Hieraus ergibt sich auch, dass der Senat das Verfahren nicht nach § 94 VwGO bis zum Abschluss des Verfahrens beim Verwaltungsgericht Sigmaringen, in dem der Kläger die Aufhebung des Widerrufsbescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge begehrt, auszusetzen hat. Bis zum Eintritt der Bestandskraft des Widerrufsbescheides ist - wie dargelegt - davon auszugehen, dass der Einbürgerungsbewerber den Rechtsvorteil des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG nicht geltend machen kann. Ergeht im Widerrufsverfahren eine für den Einbürgerungsbewerber negative Gerichtsentscheidung, so folgt hieraus, dass der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG ohnehin nicht gegeben ist; in diesem Fall setzt auch die Rückgabeverpflichtung des § 73 Abs. 6 i.V.m. § 72 Abs. 2 AsylVfG ein. Wird der gegen den Widerrufsbescheid erhobenen Klage dagegen rechtskräftig stattgegeben, hat dies nicht zur Folge, dass damit die Rechtswirkung des § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG rückwirkend wieder beseitigt werden würde (a.A. Funke-Kaiser, in GK-AsylVfG, Stand: Dezember 2004, II-§ 4 RdNr. 19). Aus dem Gesetzeswortlaut („entfällt“) ergibt sich vielmehr, dass für die Zeit bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag endgültig wegfallen soll. Hätte der Gesetzgeber anderes regeln wollen, so hätte es nahe gelegen zu formulieren, dass die Entscheidung über den Asylantrag bis zur Bestandskraft des Widerrufs- oder Rücknahmebescheides als nicht verbindlich gilt oder vorläufig nicht verbindlich ist. Auch wurde keine § 84 Abs. 2 S. 3 AufenthG entsprechende Regelung getroffen. Danach tritt im Falle des Erfolgs eines Widerspruchs oder einer Klage, die unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt lassen, eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes nicht ein. Auch hat der Gesetzgeber nicht - wie in § 12 a Abs. 3 StAG im Falle eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat - angeordnet, dass das Einbürgerungsverfahren bis zur Bestandskraft des Widerrufs- oder Rücknahmebescheides auszusetzen ist.
22 
1.2.) Von der Einhaltung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG kann auch nicht nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG abgesehen werden. Danach ist eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert und der Ausländer der zuständigen Behörde einen Entlassungsantrag zur Weiterleitung an den ausländischen Staat übergeben hat. Der Entlassungsantrag muss unwiderruflich sein und denjenigen Voraussetzungen entsprechen, die im Recht des Heimatstaates für die Entlassung zwingend vorgeschrieben sind (vgl. Hailbronner/Renner, aaO § 12 RdNr. 12). Er hat vollständig und formgerecht zu sein, auch wenn § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG darauf im Gegensatz zu Nr. 3 nicht abhebt (vgl. Berlit, aaO, § 87 RdNr. 43 ff.). Diesen Anforderungen entspricht der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 18.11.2005 an die Beklagte übersandte Entlassungsantrag nicht. Ihm waren keinerlei Unterlagen beigefügt, obwohl nach dem dem Senat vom Innenministerium Baden-Württemberg übersandten Informationsblatt des Generalkonsulats von Serbien und Montenegro in Stuttgart ein Auszug aus dem Geburtsregister, ein Auszug aus dem Heiratsregister, falls der Antragsteller verheiratet ist, eine Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit von Serbien und Montenegro, die nicht älter als sechs Monate ist, eine Einbürgerungszusicherung, die mindestens noch ein Jahr zum Zeitpunkt der Antragstellung gültig ist, sowie ein Pass vorgelegt werden müssen. Darüber hinaus muss der Antrag (im Informationsblatt im einzelnen benannte) Angaben enthalten. Auch daran fehlt es hier.
23 
Darüber hinaus liegt eine regelmäßige Verweigerung der Entlassung durch den ausländischen Staat erst dann vor, wenn Entlassungen nie oder fast nie ausgesprochen werden (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 19; Nr. 87.1.2.2 StAR-VwV). Die regelmäßige Verweigerung der Entlassung allein hinsichtlich bestimmter Personengruppen bzw. besonderer Kategorien von Staatsangehörigen genügt nicht (vgl. Hailbronner/Renner aaO, § 12 StAG RdNr. 11). Dass - wie die Botschaft Belgrad in ihrem Schreiben vom 06.04.2005 an das Auswärtige Amt (Gz.: RK 512.00; Ber. Nr.: 209/05) ausführt - ethnisch albanische Personen serbisch-montenegrinischer Staatsangehörigkeit aus dem Kosovo von der Gewährung konsularischer Dienstleistungen seitens serbisch-montenegrinischer Auslandsvertretungen de facto ausgeschlossen sind, rechtfertigt die Annahme einer regelmäßigen Verweigerung der Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG nicht, da die Feststellung der Praxis der serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen weder Angehörige anderer Volksgruppen aus dem Kosovo noch serbisch-montenegrinische Staatsangehörige aus dem übrigen Teil Serbiens oder aus Montenegro betrifft. Darüber hinaus ist fraglich, ob die Feststellungen der Botschaft hinsichtlich aller serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen in der Bundesrepublik Deutschland zutreffen. Insofern wird in dem Botschaftsbericht nicht differenziert. Was z.B. das Generalkonsulat in Stuttgart angeht, führt das Innenministerium Baden-Württemberg in dem Protokoll vom 15.11.2004 über ein mit dem Generalkonsulat am 09.11.2004 geführtes Gespräch aus, es treffe nicht zu, dass Anträge kosovo-albanischer Antragsteller oder sonstiger Minderheiten nicht entgegengenommen würden. Weitere Erkenntnisse über die Behandlung von Entlassungsanträgen von aus dem Kosovo stammenden Staatsangehörigen Serbien und Montenegros albanischer Volkszugehörigkeit liegen dem Senat nicht vor.
24 
1.3.) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG wird auch dann abgesehen, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG). Danach stehen drei Fallgruppen der vom Einbürgerungsbewerber nicht zu vertretenen Nichtentlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit selbständig nebeneinander. Die erste Fallgestaltung (Versagung der Entlassung) setzt grundsätzlich eine einen vollständigen und formgerechten (vgl. Berlit aaO § 87 RdNr. 76) Entlassungsantrag ablehnende schriftliche Entscheidung voraus. Darüber hinaus liegt nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (vgl. Urteil vom 15.11.2002 - 13 S 810/02 -, DVBl. 2003, 469 = InfAuslR 2003, 160; vgl. auch Nr. 87.1.2.3.1 StAR-VwV) eine „Versagung“ der Entlassung auch dann vor, wenn die Stellung eines Antrags auf Entlassung trotz mehrerer ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen des Einbürgerungsbewerbers und trotz amtlicher Begleitung, soweit sie sinnvoll und durchführbar ist, über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten hinweg nicht ermöglicht wird; dies gilt bei mehrstufigen Entlassungsverfahren auch für die Einleitung der nächsten Stufen. Der Kläger hat bislang weder einen den Anforderungen des Generalkonsulats Stuttgart entsprechenden Entlassungsantrag gestellt - nach dem Informationsblatt des Generalkonsulats ist der Antrag beim Konsulat persönlich zu stellen - noch sich ernsthaft und nachhaltig, allerdings erfolglos um eine Antragstellung bemüht. Auch die dritte Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG (Nichtbescheidung eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrages in angemessener Zeit) ist daher nicht erfüllt.
25 
Der Kläger kann sich auch nicht auf die zweite Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG (Koppelung der Entlassung an unzumutbare Bedingungen) berufen. Sie scheidet derzeit aus, weil es (noch) an der entsprechenden Einleitung eines Entlassungsverfahrens fehlt.
26 
Berlit (aaO, § 87 RdNr. 77) vertritt hierzu die Auffassung, bei der zweiten Fallgruppe sei ungeachtet der systematischen Stellung zwischen zwei Fallgruppen mit vorausgesetztem Entlassungsantrag ein solcher u.U. nicht erforderlich (a.A. wohl BayVGH, Urteile vom 17.02.2005 - 5 BV 04.1225, 5 B 04.389 und 5 B 04.392 -). Es sei auch die Fallkonstellation umfasst, in der von vornherein klar sei, dass die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit generell und unabhängig von einem Entlassungsantrag zumindest für Angehörige bestimmter Personenkreise von unzumutbaren - sachlichen oder verfahrensmäßigen - Bedingungen abhängig gemacht werde, ein Entlassungsantrag könne dann wegen erkennbarer Erfolglosigkeit nicht abverlangt werden. Nach dieser Auffassung kommt hier das Vorliegen der Voraussetzungen der zweiten Fallgruppe in Betracht, weil die serbisch-montenegrinischen Behörden - wie das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport in dem vom Kläger-Vertreter vorgelegten Schreiben vom 03.06.2005 ausführt - die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit „durchweg“ an der Forderung nach Erfüllung der Wehrpflicht scheitern lassen (vgl. auch das Schreiben des Generalkonsulats Stuttgart vom 17.10.2005 an das Innenministerium Baden-Württemberg, wonach die Ableistung des Wehrdienstes nach dem Gesetz über die Staatsbürgerschaft von Serbien und Montenegro Voraussetzung für die Entlassung ist), in der Praxis aber wehrpflichtige albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo seit Jahren nicht zum Wehrdienst eingezogen werden (vgl. Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro - ohne Kosovo - vom 23.09.2005). Wohl aus diesem Grund geht das Innenministerium Baden-Württemberg vom Vorliegen einer unzumutbaren Bedingung aus, wenn die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig gemacht bzw. aus diesem Grund abgelehnt wird, sofern es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handelt (vgl. Erlass vom 10.03.2005 - Az.: 5 - 1015/ Serbien-Montenegro -, Nr. 6). Nach diesem Erlass ist daher - wohl anders als nach dem oben genannten Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport - die Kopplung der Entlassung an die Ableistung des Wehrdienstes bzw. die Ablehnung der Entlassung wegen der fehlenden Ableistung des Wehrdienstes im Einzelfall erforderlich, was wiederum die Durchführung eines Entlassungsverfahrens voraussetzt.
27 
Auch nach Auffassung des Senats kann hier für die zu prüfende Fallgruppe (unzumutbare Bedingung) auf das Erfordernis der Stellung eines ordnungsgemäßen Entlassungsantrages bzw. zumindest der Beantragung der dafür notwendigen Unterlagen nicht verzichtet werden. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG betrifft - in allen drei Fallgruppen - grundsätzlich Fälle, in denen ein Entlassungsantrag gestellt wird, das Entlassungsverfahren aber im Einzelfall scheitert (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 19), während die Nr. 2 sich auf die Fälle genereller Verweigerung bezieht. Von diesem Grundsatz abzuweichen besteht im vorliegenden Fall kein Anlass. Ob Serbien und Montenegro die Entlassung des Klägers aus der Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig machen wird, muss sich im Entlassungsverfahren herausstellen. Denn es kann mangels eines Nachweises für die Wehrpflicht des Klägers nicht ausgeschlossen werden, dass er gar nicht der Wehrpflicht unterliegt, etwa weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht wehrdienstfähig ist - wenn dies hier auch unwahrscheinlich sein mag - oder weil er aus anderen Gründen von der Wehrpflicht freigestellt ist. Die Erfüllung des Entlassungserfordernisses „Ableistung des Wehrdienstes“ kann nur dann unzumutbar sein, wenn es tatsächlich der Entlassung entgegensteht (vgl. Berlit, aaO § 87 RdNr. 159). Das Bestehen der Wehrpflicht kann, jedenfalls solange kein Nachweis über die Wehrpflicht vorliegt, nur im Entlassungsverfahren durch den ausländischen Staat zuverlässig festgestellt werden. Es obliegt daher dem Einbürgerungsbewerber, sich zunächst um die Entlassung aus seiner Staatsangehörigkeit zu bemühen, damit diese Prüfung durchgeführt werden kann.
28 
Die Einleitung des Entlassungsverfahrens ist dem Kläger auch zumutbar. Dass er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht im Besitz eines gültigen Passes von Serbien und Montenegro ist, steht dem nicht entgegen. Zwar wird - wie sich aus dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.03.2003 sowie aus dem oben genannten Protokoll vom 15.11.2004 ergibt - ohne einen gültigen Pass vom Generalkonsulat Stuttgart ein Entlassungsverfahren nicht eingeleitet, andererseits wird dem Kläger ein Pass nur dann ausgestellt, wenn er durch eine behördliche Bescheinigung nachweist, dass die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft erloschen ist. Auch kann ihm wohl eine Rücknahme seiner Klage gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamtes bzw. ein Verzicht auf die Flüchtlingseigenschaft nicht zugemutet werden (vgl. Hailbronner/Renner, aaO § 12 RdNr. 17; Berlit, aaO § 87 RdNr. 128). Im derzeitigen Stadium des Verfahrens steht jedoch der Verzicht auf die Rechtsstellung eines politischen Flüchtlings durch den Kläger noch gar nicht im Raum, da nach dem vom Innenministerium Baden-Württemberg vorgelegten Merkblatt des Generalkonsulats Stuttgart u.a. Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses ist, dass ein Staatsangehörigkeitsnachweis vom Kläger beschafft wird. Erst wenn dieser vorliegt - das Innenministerium spricht im Protokoll vom 15.11.2004 von längeren, unter Umständen mehrjährigen Verfahrenszeiten - kann ein Reisepass beantragt werden. Möglicherweise ist das Schicksal des Widerrufsbescheids des Bundesamtes bis dahin geklärt. Es ist also keineswegs zwangsläufig, dass die Ausstellung eines Reisepasses von unzumutbaren Bedingungen abhängig gemacht werden würde.
29 
Festzuhalten ist, dass die Entlassungsvoraussetzungen von Serbien und Montenegro, insbesondere die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsnachweises, als solche nicht von vornherein unzumutbar sind. Dass die Behörden des Herkunftsstaates den Einbürgerungsbewerber auffordern, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, stellt grundsätzlich keine unzumutbare Bedingung dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002, aaO). Sollte sich aber herausstellen, dass dem Kläger aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die Beibringung der erforderlichen Unterlagen in absehbarer Zeit nicht möglich ist, kommt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 2. Fallgestaltung StAG allerdings ernsthaft in Betracht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002, aaO). Zum jetzigen Zeitpunkt kann davon aber noch nicht ausgegangen werden, da der Kläger bislang keine Bemühungen zur Beschaffung der für die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Dokumente unternommen hat.
30 
1.4.) Der Kläger kann auch nicht abweichend von den Voraussetzungen der in § 12 Abs. 1 S. 2 StAG genannten Fälle auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 S. 1 StAG unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert werden. Nach ganz überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur sind die in S. 2 genannten Tatbestände abschließend und nicht nur Beispielsfälle (vgl. OVG Münster, Urteil vom 16.09.1997 - 25 A 1816/96 -, InfAuslR 1998, 186; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.1991 - 13 S 1627/90 -, InfAuslR 1992, 98; Hailbronner/Renner, aaO § 12 StAG RdNr. 4 ff.; Renner, Ausländerrecht, Nachtrag zur 7. Auflage, § 87 AuslG RdNr. 2; Göbel-Zimmermann, Das neue Staatsangehörigkeitsrecht - Erfahrungen und Reformvorschläge, ZAR 2003, 65, 70; Nr. 87.1.1 StAR-VwV). Selbst wenn aber § 12 Abs. 1 S. 1 StAG als (Auffang-)Generalklausel zu verstehen sein sollte, kommt deren Anwendung nur in Betracht, soweit keine der in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 6 StAG genannten Fallgruppen einschlägig ist. Soweit - wie hier - die geltend gemachten Gründe für eine Hinnahme der Mehrstaatigkeit diesen Fallgruppen zuzuordnen sind, deren Voraussetzungen aber nicht vorliegen, kommt ein Rückgriff auf § 12 Abs. 1 S. 1 StAG nicht in Betracht (ebenso wohl Berlit, aaO, § 87 Rdnr. 27). Etwas anderes folgt hier auch nicht aus Art. 16 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 06.11.1997 (abgedruckt bei Hailbronner/Renner, aaO, Teil III Anhang A, II.8.). Danach darf ein Vertragsstaat den Erwerb oder die Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit nicht von der Aufgabe und dem Verlust einer anderen Staatsangehörigkeit abhängig machen, wenn die Aufgabe oder der Verlust unmöglich oder unzumutbar ist. Dass eine Entlassung des Klägers aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit unmöglich oder unzumutbar ist, steht derzeit gerade nicht fest.
31 
1.5.) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG kann auch nicht gemäß § 12 Abs. 3 StAG abgesehen werden. Der am ...1976 geborene Kläger ist im Juli 1993, mithin im Alter von 16 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er hat daher nicht den überwiegenden Teil seiner Schulausbildung in deutschen Schulen erhalten.
32 
2.) Eine Ermessenseinbürgerung auf der Grundlage des § 8 StAG ist allerdings rechtlich nicht ausgeschlossen. Eine Entscheidung darüber hat die Beklagte bislang nicht getroffen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 StAG liegen unstreitig vor. Die Einbürgerung des Klägers steht demnach im gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Ermessen (§ 114 S. 1 VwGO) der Beklagten. Die Einbürgerung nach § 8 StAG ist auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit ausgeschlossen. Der Grundsatz ist nicht auf der Tatbestandsseite der Vorschrift zu beachten. Er findet vielmehr (nur) im Rahmen der Ermessensbetätigung Berücksichtigung und kann mithin „überwunden“ werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11.11.2004 - 5 ZB 04.916 - juris). Auch nach Nrn. 8.1.2.6 und 8.1.2.6.3 StAR-VwV sowie den vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums (Nrn. 8.1.2.6 und 8.1.2.6.3) ist der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei der Ermessensausübung zu beachten. Ausnahmen von diesem Einbürgerungshindernis werden dort nur beispielhaft aufgeführt.
33 
Allerdings kann der Kläger nicht die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Einbürgerung nach § 8 StAG beanspruchen. Zwar erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich auch im Rahmen eines auf § 8 StAG gestützten Einbürgerungsbegehrens die Frage einer durch eine Folgenbeseitigungslast ausgelösten Ermessensverdichtung stellen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1996, aaO; BayVGH, Urteil vom 17.02.2005 - 5 BV 04.1225 -). Dies würde aber voraussetzen, dass sich eine rechtswidrige Untätigkeit der Beklagten feststellen ließe, die aufgrund des späteren Erlasses des Widerrufsbescheids gem. § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG zum (zumindest vorübergehenden) Untergang des Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG geführt hat (vgl. zur Folgenbeseitigungslast im Ausländerrecht aufgrund Untätigkeit der Behörde: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.11.2005 - 13 S 1547/05 - sowie Beschlüsse vom 28.07.1998 - 13 S 1588/97 -, InfAuslR 1999, 27 = DVBl. 1999, 176 und vom 27.09.1993 - 13 S 547/93 -).
34 
Eine solche rechtswidrige Untätigkeit lag hier aber nicht vor. Die nach § 9 VwVfG zu zweckmäßiger Durchführung des Verfahrens verpflichtete Beklagte hat zu Recht zunächst mit Schreiben vom 09.07.2003 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge angefragt, ob die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nach wie vor Bestand habe. Denn die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft war Voraussetzung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG.
35 
Die Beklagte war auch berechtigt, nachdem das Bundesamt mit Schreiben vom 28.11.2003 mitgeteilt hatte, gegen den Kläger sei ein Widerrufs-/Rücknahmeverfahren eingeleitet worden, den rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens - bzw. nach der ab 01.01.2005 geltenden Rechtslage den Erlass des Widerrufsbescheids - abzuwarten. Zwar lag, solange noch kein Widerrufsbescheid ergangen war, eine nach § 4 AsylVfG für die Beklagte verbindliche Entscheidung über die Flüchtlingseigenschaft vor. Die Beklagte war daher nicht berechtigt gewesen, davon abweichend die Flüchtlingseigenschaft aufgrund eigener Beurteilung zu verneinen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2000 - 13 S 2740/99 -, VBlBW 2001, 30 = InfAuslR 2001, 98). Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit auf der Grundlage des § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG bzw. des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG trotz Einleitung des Widerrufsverfahrens (vgl. § 73 Abs. 4 AsylVfG) einzubürgern und vor der veränderten Sachlage sozusagen die Augen zu verschließen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 26.07.2004 - 12 TG 1820/04 -, NVwZ-RR 2005, 139; VG Hannover, Urteil vom 25.06.2001 - 10 A 5544/00 -, NVwZ 2002 -Beilage, S. 63; a.A. wohl BayVGH, Beschlüsse vom 09.02.2004 - 5 ZB 03.2842 - juris, und vom 14.10.2003 - 5 C 03.2024 -, BayVBl 2004, 182, wonach erst der Erlass des Widerrufsbescheids den Zeitpunkt markierte, ab dem Zweifel über die tatsächlichen Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG vorlagen; a.A. auch VG Ansbach, Urteil vom 17.10.2001 - 15 K 01.01081 -, NVwZ-RR 2002, 604). Als statusveränderndem Verwaltungsakt mit weit reichenden Folgen kommt der Einbürgerung erhebliche rechtliche Bedeutung und Dauerwirkung zu. Aufgrund des in Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG normierten Verbots, die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen, ist ein Verlust der Staatsangehörigkeit durch Widerruf, also die nachträgliche Aufhebung einer rechtmäßig vollzogenen Einbürgerung nach § 49 VwVfG nicht zulässig (vgl. Hailbronner, aaO § 17 StAG RdNr. 15; Marx in GK-StAR, Stand 2000 - IV - 2 § 17 RdNr. 25). Erfolgt die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, weil der Einbürgerungsbewerber politisch Verfolgter i.S.v. § 51 Abs. 1 AuslG bzw. im Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, kann die Einbürgerung daher nicht widerrufen werden, wenn später die Flüchtlingseigenschaft durch Rücknahme oder Widerruf des anerkennenden Bescheides nach § 73 AsylVfG entfällt. Von daher hat die Beklagte ein berechtigtes Anliegen verfolgt, durch vorläufiges Abwarten mit der Entscheidung dafür Sorge zu tragen, dass die Einbürgerungsvoraussetzungen möglichst dauerhaft erfüllt sind und nicht - möglicherweise kurz nach erfolgter Einbürgerung - wieder wegfallen (vgl. VG Hannover, aaO). Berücksichtigt werden können in diesem Zusammenhang konkrete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Flüchtlingsstatus in absehbarer Zeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2000 - 13 S 2740/99 -, VBlBW 2001, 30 = InfAuslR 2001, 98; BVerwG, Urteil vom 21.09.1999 - 9 C 12.99 -, BVerwGE 109, 305). Solche Anhaltspunkte lagen hier im Hinblick auf die Mitteilung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über die Einleitung des Widerrufs - bzw. Rücknahmeverfahrens und die Änderung der politischen Verhältnisse in Serbien und Montenegro vor. Kosovo-Albaner sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 29.03.2001 - A 14 S 2078/99 - juris) auf dem gesamten serbischen Staatsgebiet hinreichend sicher vor politischer Verfolgung. Unter diesen Umständen ist die von der Beklagten im Rahmen des Ermessens bei der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens getroffene Entscheidung, den Ausgang des Widerrufsverfahrens abzuwarten, in dem über die für das Einbürgerungsverfahren nach § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG vorgreifliche Frage der politischen Verfolgung zu entscheiden war, bzw. den für das Einbürgerungsverfahren nach § 73 Abs. 2a S. 4 AsylVfG n.F. maßgeblichen Erlass des Widerrufsbescheids abzuwarten, nicht zu beanstanden (vgl. Knack, VwVfG 8. Aufl., § 9 RdNr. 23; Obermayer VwVfG, 3. Aufl., § 9 RdNr. 61; Kopp, VwVfG 6. Aufl., 1996, Vorbemerkung § 9 RdNr. 19).
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO.
37 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Gründe

 
12 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte nicht in der mündlichen Verhandlung vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit ist sie in der Ladung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
13 
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung (1.). Allerdings hat die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (erstmals) über den Antrag des Klägers auf Ermessenseinbürgerung zu entscheiden (2.). Das Urteil des Verwaltungsgerichts war daher entsprechend abzuändern, und der Klage war (zum Teil) stattzugeben (§ 113 Abs. 5 VwGO).
14 
Die Klage ist als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) entscheidungsreif, da nach Erlass des Widerrufsbescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.02.2005 kein zureichender Grund (mehr) besteht, mit der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag weiter abzuwarten (im Einzelnen s.u. zu 1.1.).
15 
1.) Maßgeblich für die Frage, ob der Kläger einzubürgern ist, ist die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgebliche Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1996 - 1 B 82.95 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 49; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris). Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Einbürgerungsanspruch ist daher § 10 StAG i.d.F. des am 01.01.2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950).
16 
Der Kläger erfüllt mit Ausnahme der Voraussetzung der Aufgabe oder des Verlustes der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG) alle Voraussetzungen des gesetzlichen Einbürgerungsanspruchs des § 10 Abs. 1 S. 1 StAG. Zwar wurde er in der Vergangenheit mehrfach wegen Straftaten zu Geldstrafen verurteilt, was grundsätzlich den Einbürgerungsanspruch ausschließt (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StAG); die Verurteilungen bleiben aber nach § 12 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAG außer Betracht, weil mit keiner von ihnen eine Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verhängt wurde. Eine Zusammenrechnung mehrerer Geldstrafen ist nicht zulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.03.1997 - 1 B 217.96 -, InfAuslR 1997, 315 = NVwZ-RR 1997, 737; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., § 12 a RdNr. 2; Berlit in GK-StAR, Stand November 2000, IV-3 § 88 RdNr. 21).
17 
Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG kann nicht gemäß § 12 Abs. 1 S.1 StAG deshalb abgesehen werden, weil der Kläger seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Der Kläger kann sich auf keine der in § 12 Abs.1 S. 2 StAG genannten Fallgruppen, in denen von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG abzusehen ist, berufen.
18 
1.1.) Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG nicht vor. Danach ist die Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit vorzunehmen, wenn der Ausländer einen Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) - Genfer Flüchtlingskonvention - oder eine nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 AufenthG erteilte Niederlassungserlaubnis besitzt. Damit wird - anders als in § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG - nicht auf den Status eines politisch Verfolgten oder Flüchtlings abgestellt. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Modifikation die Regelung an die Systematik des Aufenthaltsgesetzes anpassen (BT-Drs. 15/420, S. 116). Damit scheidet trotz Flüchtlingseigenschaft eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit aus, wenn der Ausländer wegen Fehlens der Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention, etwa weil er sich nicht rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, nicht im Besitz eines Reiseausweises ist.
19 
Dass der Gesetzgeber nunmehr an den Besitz des durch den Flüchtlingsstatus erlangten Ausweises anknüpft, bedeutet allerdings nicht, dass die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Besitzes einbürgerungsrechtlich unbeachtlich wäre; so kann sich derjenige nicht mit Erfolg auf § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG berufen, der entgegen seiner aus §§ 73 Abs. 6 i.V.m. 72 Abs. 2 AsylVfG folgenden Verpflichtung den Reiseausweis nicht unverzüglich bei der Ausländerbehörde abgegeben hat (vgl. BayVGH, Urteil vom 17.02.2005 - 5 B 04.392 -juris).
20 
Im vorliegenden Fall „besitzt“ der Kläger zwar noch seinen Reiseausweis nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention; gleichwohl kann im vorliegenden Fall nicht nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG von der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs.1 S. 1 Nr. 4 StAG abgesehen werden. Unabhängig von der Problematik der Rechtmäßigkeit des Besitzes (vgl. dazu §§ 73 Abs. 6, 72 Abs. 2 AsylVfG und die allgemeine Regelung des § 52 S. 1 VwVfG) ist jedenfalls für das Einbürgerungsverfahren davon auszugehen, dass der Begünstigte sich in der Zeit vor der endgültigen gerichtlichen Klärung der Widerrufsproblematik nicht auf den Besitz des Reiseausweises berufen kann. Würde man allein den Besitz des Reiseausweises für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG genügen lassen, obwohl die Flüchtlingseigenschaft bereits widerrufen bzw. zurückgenommen ist, würde § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG in der seit 01.01.2005 geltenden Fassung leer laufen. Diese Vorschrift ordnet an, dass bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme für Einbürgerungsverfahren die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag entfällt. Zweck der Regelung ist es, in Einbürgerungsverfahren den Statusberechtigten so zu stellen, als wäre der Statusbescheid nicht ergangen (vgl. Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, § 73 RdNr. 209). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn der Ausländer im Einbürgerungsverfahren sich nach wie vor mit dem Vortrag, er besitze noch den Reiseausweis, im Ergebnis auf den Fortbestand der Flüchtlingseigenschaft berufen könnte.
21 
Hieraus ergibt sich auch, dass der Senat das Verfahren nicht nach § 94 VwGO bis zum Abschluss des Verfahrens beim Verwaltungsgericht Sigmaringen, in dem der Kläger die Aufhebung des Widerrufsbescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge begehrt, auszusetzen hat. Bis zum Eintritt der Bestandskraft des Widerrufsbescheides ist - wie dargelegt - davon auszugehen, dass der Einbürgerungsbewerber den Rechtsvorteil des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG nicht geltend machen kann. Ergeht im Widerrufsverfahren eine für den Einbürgerungsbewerber negative Gerichtsentscheidung, so folgt hieraus, dass der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG ohnehin nicht gegeben ist; in diesem Fall setzt auch die Rückgabeverpflichtung des § 73 Abs. 6 i.V.m. § 72 Abs. 2 AsylVfG ein. Wird der gegen den Widerrufsbescheid erhobenen Klage dagegen rechtskräftig stattgegeben, hat dies nicht zur Folge, dass damit die Rechtswirkung des § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG rückwirkend wieder beseitigt werden würde (a.A. Funke-Kaiser, in GK-AsylVfG, Stand: Dezember 2004, II-§ 4 RdNr. 19). Aus dem Gesetzeswortlaut („entfällt“) ergibt sich vielmehr, dass für die Zeit bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag endgültig wegfallen soll. Hätte der Gesetzgeber anderes regeln wollen, so hätte es nahe gelegen zu formulieren, dass die Entscheidung über den Asylantrag bis zur Bestandskraft des Widerrufs- oder Rücknahmebescheides als nicht verbindlich gilt oder vorläufig nicht verbindlich ist. Auch wurde keine § 84 Abs. 2 S. 3 AufenthG entsprechende Regelung getroffen. Danach tritt im Falle des Erfolgs eines Widerspruchs oder einer Klage, die unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt lassen, eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes nicht ein. Auch hat der Gesetzgeber nicht - wie in § 12 a Abs. 3 StAG im Falle eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat - angeordnet, dass das Einbürgerungsverfahren bis zur Bestandskraft des Widerrufs- oder Rücknahmebescheides auszusetzen ist.
22 
1.2.) Von der Einhaltung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG kann auch nicht nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG abgesehen werden. Danach ist eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert und der Ausländer der zuständigen Behörde einen Entlassungsantrag zur Weiterleitung an den ausländischen Staat übergeben hat. Der Entlassungsantrag muss unwiderruflich sein und denjenigen Voraussetzungen entsprechen, die im Recht des Heimatstaates für die Entlassung zwingend vorgeschrieben sind (vgl. Hailbronner/Renner, aaO § 12 RdNr. 12). Er hat vollständig und formgerecht zu sein, auch wenn § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG darauf im Gegensatz zu Nr. 3 nicht abhebt (vgl. Berlit, aaO, § 87 RdNr. 43 ff.). Diesen Anforderungen entspricht der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 18.11.2005 an die Beklagte übersandte Entlassungsantrag nicht. Ihm waren keinerlei Unterlagen beigefügt, obwohl nach dem dem Senat vom Innenministerium Baden-Württemberg übersandten Informationsblatt des Generalkonsulats von Serbien und Montenegro in Stuttgart ein Auszug aus dem Geburtsregister, ein Auszug aus dem Heiratsregister, falls der Antragsteller verheiratet ist, eine Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit von Serbien und Montenegro, die nicht älter als sechs Monate ist, eine Einbürgerungszusicherung, die mindestens noch ein Jahr zum Zeitpunkt der Antragstellung gültig ist, sowie ein Pass vorgelegt werden müssen. Darüber hinaus muss der Antrag (im Informationsblatt im einzelnen benannte) Angaben enthalten. Auch daran fehlt es hier.
23 
Darüber hinaus liegt eine regelmäßige Verweigerung der Entlassung durch den ausländischen Staat erst dann vor, wenn Entlassungen nie oder fast nie ausgesprochen werden (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 19; Nr. 87.1.2.2 StAR-VwV). Die regelmäßige Verweigerung der Entlassung allein hinsichtlich bestimmter Personengruppen bzw. besonderer Kategorien von Staatsangehörigen genügt nicht (vgl. Hailbronner/Renner aaO, § 12 StAG RdNr. 11). Dass - wie die Botschaft Belgrad in ihrem Schreiben vom 06.04.2005 an das Auswärtige Amt (Gz.: RK 512.00; Ber. Nr.: 209/05) ausführt - ethnisch albanische Personen serbisch-montenegrinischer Staatsangehörigkeit aus dem Kosovo von der Gewährung konsularischer Dienstleistungen seitens serbisch-montenegrinischer Auslandsvertretungen de facto ausgeschlossen sind, rechtfertigt die Annahme einer regelmäßigen Verweigerung der Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG nicht, da die Feststellung der Praxis der serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen weder Angehörige anderer Volksgruppen aus dem Kosovo noch serbisch-montenegrinische Staatsangehörige aus dem übrigen Teil Serbiens oder aus Montenegro betrifft. Darüber hinaus ist fraglich, ob die Feststellungen der Botschaft hinsichtlich aller serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen in der Bundesrepublik Deutschland zutreffen. Insofern wird in dem Botschaftsbericht nicht differenziert. Was z.B. das Generalkonsulat in Stuttgart angeht, führt das Innenministerium Baden-Württemberg in dem Protokoll vom 15.11.2004 über ein mit dem Generalkonsulat am 09.11.2004 geführtes Gespräch aus, es treffe nicht zu, dass Anträge kosovo-albanischer Antragsteller oder sonstiger Minderheiten nicht entgegengenommen würden. Weitere Erkenntnisse über die Behandlung von Entlassungsanträgen von aus dem Kosovo stammenden Staatsangehörigen Serbien und Montenegros albanischer Volkszugehörigkeit liegen dem Senat nicht vor.
24 
1.3.) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG wird auch dann abgesehen, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG). Danach stehen drei Fallgruppen der vom Einbürgerungsbewerber nicht zu vertretenen Nichtentlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit selbständig nebeneinander. Die erste Fallgestaltung (Versagung der Entlassung) setzt grundsätzlich eine einen vollständigen und formgerechten (vgl. Berlit aaO § 87 RdNr. 76) Entlassungsantrag ablehnende schriftliche Entscheidung voraus. Darüber hinaus liegt nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (vgl. Urteil vom 15.11.2002 - 13 S 810/02 -, DVBl. 2003, 469 = InfAuslR 2003, 160; vgl. auch Nr. 87.1.2.3.1 StAR-VwV) eine „Versagung“ der Entlassung auch dann vor, wenn die Stellung eines Antrags auf Entlassung trotz mehrerer ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen des Einbürgerungsbewerbers und trotz amtlicher Begleitung, soweit sie sinnvoll und durchführbar ist, über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten hinweg nicht ermöglicht wird; dies gilt bei mehrstufigen Entlassungsverfahren auch für die Einleitung der nächsten Stufen. Der Kläger hat bislang weder einen den Anforderungen des Generalkonsulats Stuttgart entsprechenden Entlassungsantrag gestellt - nach dem Informationsblatt des Generalkonsulats ist der Antrag beim Konsulat persönlich zu stellen - noch sich ernsthaft und nachhaltig, allerdings erfolglos um eine Antragstellung bemüht. Auch die dritte Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG (Nichtbescheidung eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrages in angemessener Zeit) ist daher nicht erfüllt.
25 
Der Kläger kann sich auch nicht auf die zweite Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG (Koppelung der Entlassung an unzumutbare Bedingungen) berufen. Sie scheidet derzeit aus, weil es (noch) an der entsprechenden Einleitung eines Entlassungsverfahrens fehlt.
26 
Berlit (aaO, § 87 RdNr. 77) vertritt hierzu die Auffassung, bei der zweiten Fallgruppe sei ungeachtet der systematischen Stellung zwischen zwei Fallgruppen mit vorausgesetztem Entlassungsantrag ein solcher u.U. nicht erforderlich (a.A. wohl BayVGH, Urteile vom 17.02.2005 - 5 BV 04.1225, 5 B 04.389 und 5 B 04.392 -). Es sei auch die Fallkonstellation umfasst, in der von vornherein klar sei, dass die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit generell und unabhängig von einem Entlassungsantrag zumindest für Angehörige bestimmter Personenkreise von unzumutbaren - sachlichen oder verfahrensmäßigen - Bedingungen abhängig gemacht werde, ein Entlassungsantrag könne dann wegen erkennbarer Erfolglosigkeit nicht abverlangt werden. Nach dieser Auffassung kommt hier das Vorliegen der Voraussetzungen der zweiten Fallgruppe in Betracht, weil die serbisch-montenegrinischen Behörden - wie das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport in dem vom Kläger-Vertreter vorgelegten Schreiben vom 03.06.2005 ausführt - die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit „durchweg“ an der Forderung nach Erfüllung der Wehrpflicht scheitern lassen (vgl. auch das Schreiben des Generalkonsulats Stuttgart vom 17.10.2005 an das Innenministerium Baden-Württemberg, wonach die Ableistung des Wehrdienstes nach dem Gesetz über die Staatsbürgerschaft von Serbien und Montenegro Voraussetzung für die Entlassung ist), in der Praxis aber wehrpflichtige albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo seit Jahren nicht zum Wehrdienst eingezogen werden (vgl. Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro - ohne Kosovo - vom 23.09.2005). Wohl aus diesem Grund geht das Innenministerium Baden-Württemberg vom Vorliegen einer unzumutbaren Bedingung aus, wenn die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig gemacht bzw. aus diesem Grund abgelehnt wird, sofern es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handelt (vgl. Erlass vom 10.03.2005 - Az.: 5 - 1015/ Serbien-Montenegro -, Nr. 6). Nach diesem Erlass ist daher - wohl anders als nach dem oben genannten Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport - die Kopplung der Entlassung an die Ableistung des Wehrdienstes bzw. die Ablehnung der Entlassung wegen der fehlenden Ableistung des Wehrdienstes im Einzelfall erforderlich, was wiederum die Durchführung eines Entlassungsverfahrens voraussetzt.
27 
Auch nach Auffassung des Senats kann hier für die zu prüfende Fallgruppe (unzumutbare Bedingung) auf das Erfordernis der Stellung eines ordnungsgemäßen Entlassungsantrages bzw. zumindest der Beantragung der dafür notwendigen Unterlagen nicht verzichtet werden. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG betrifft - in allen drei Fallgruppen - grundsätzlich Fälle, in denen ein Entlassungsantrag gestellt wird, das Entlassungsverfahren aber im Einzelfall scheitert (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 19), während die Nr. 2 sich auf die Fälle genereller Verweigerung bezieht. Von diesem Grundsatz abzuweichen besteht im vorliegenden Fall kein Anlass. Ob Serbien und Montenegro die Entlassung des Klägers aus der Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig machen wird, muss sich im Entlassungsverfahren herausstellen. Denn es kann mangels eines Nachweises für die Wehrpflicht des Klägers nicht ausgeschlossen werden, dass er gar nicht der Wehrpflicht unterliegt, etwa weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht wehrdienstfähig ist - wenn dies hier auch unwahrscheinlich sein mag - oder weil er aus anderen Gründen von der Wehrpflicht freigestellt ist. Die Erfüllung des Entlassungserfordernisses „Ableistung des Wehrdienstes“ kann nur dann unzumutbar sein, wenn es tatsächlich der Entlassung entgegensteht (vgl. Berlit, aaO § 87 RdNr. 159). Das Bestehen der Wehrpflicht kann, jedenfalls solange kein Nachweis über die Wehrpflicht vorliegt, nur im Entlassungsverfahren durch den ausländischen Staat zuverlässig festgestellt werden. Es obliegt daher dem Einbürgerungsbewerber, sich zunächst um die Entlassung aus seiner Staatsangehörigkeit zu bemühen, damit diese Prüfung durchgeführt werden kann.
28 
Die Einleitung des Entlassungsverfahrens ist dem Kläger auch zumutbar. Dass er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht im Besitz eines gültigen Passes von Serbien und Montenegro ist, steht dem nicht entgegen. Zwar wird - wie sich aus dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.03.2003 sowie aus dem oben genannten Protokoll vom 15.11.2004 ergibt - ohne einen gültigen Pass vom Generalkonsulat Stuttgart ein Entlassungsverfahren nicht eingeleitet, andererseits wird dem Kläger ein Pass nur dann ausgestellt, wenn er durch eine behördliche Bescheinigung nachweist, dass die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft erloschen ist. Auch kann ihm wohl eine Rücknahme seiner Klage gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamtes bzw. ein Verzicht auf die Flüchtlingseigenschaft nicht zugemutet werden (vgl. Hailbronner/Renner, aaO § 12 RdNr. 17; Berlit, aaO § 87 RdNr. 128). Im derzeitigen Stadium des Verfahrens steht jedoch der Verzicht auf die Rechtsstellung eines politischen Flüchtlings durch den Kläger noch gar nicht im Raum, da nach dem vom Innenministerium Baden-Württemberg vorgelegten Merkblatt des Generalkonsulats Stuttgart u.a. Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses ist, dass ein Staatsangehörigkeitsnachweis vom Kläger beschafft wird. Erst wenn dieser vorliegt - das Innenministerium spricht im Protokoll vom 15.11.2004 von längeren, unter Umständen mehrjährigen Verfahrenszeiten - kann ein Reisepass beantragt werden. Möglicherweise ist das Schicksal des Widerrufsbescheids des Bundesamtes bis dahin geklärt. Es ist also keineswegs zwangsläufig, dass die Ausstellung eines Reisepasses von unzumutbaren Bedingungen abhängig gemacht werden würde.
29 
Festzuhalten ist, dass die Entlassungsvoraussetzungen von Serbien und Montenegro, insbesondere die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsnachweises, als solche nicht von vornherein unzumutbar sind. Dass die Behörden des Herkunftsstaates den Einbürgerungsbewerber auffordern, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, stellt grundsätzlich keine unzumutbare Bedingung dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002, aaO). Sollte sich aber herausstellen, dass dem Kläger aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die Beibringung der erforderlichen Unterlagen in absehbarer Zeit nicht möglich ist, kommt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 2. Fallgestaltung StAG allerdings ernsthaft in Betracht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002, aaO). Zum jetzigen Zeitpunkt kann davon aber noch nicht ausgegangen werden, da der Kläger bislang keine Bemühungen zur Beschaffung der für die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Dokumente unternommen hat.
30 
1.4.) Der Kläger kann auch nicht abweichend von den Voraussetzungen der in § 12 Abs. 1 S. 2 StAG genannten Fälle auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 S. 1 StAG unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert werden. Nach ganz überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur sind die in S. 2 genannten Tatbestände abschließend und nicht nur Beispielsfälle (vgl. OVG Münster, Urteil vom 16.09.1997 - 25 A 1816/96 -, InfAuslR 1998, 186; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.1991 - 13 S 1627/90 -, InfAuslR 1992, 98; Hailbronner/Renner, aaO § 12 StAG RdNr. 4 ff.; Renner, Ausländerrecht, Nachtrag zur 7. Auflage, § 87 AuslG RdNr. 2; Göbel-Zimmermann, Das neue Staatsangehörigkeitsrecht - Erfahrungen und Reformvorschläge, ZAR 2003, 65, 70; Nr. 87.1.1 StAR-VwV). Selbst wenn aber § 12 Abs. 1 S. 1 StAG als (Auffang-)Generalklausel zu verstehen sein sollte, kommt deren Anwendung nur in Betracht, soweit keine der in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 6 StAG genannten Fallgruppen einschlägig ist. Soweit - wie hier - die geltend gemachten Gründe für eine Hinnahme der Mehrstaatigkeit diesen Fallgruppen zuzuordnen sind, deren Voraussetzungen aber nicht vorliegen, kommt ein Rückgriff auf § 12 Abs. 1 S. 1 StAG nicht in Betracht (ebenso wohl Berlit, aaO, § 87 Rdnr. 27). Etwas anderes folgt hier auch nicht aus Art. 16 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 06.11.1997 (abgedruckt bei Hailbronner/Renner, aaO, Teil III Anhang A, II.8.). Danach darf ein Vertragsstaat den Erwerb oder die Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit nicht von der Aufgabe und dem Verlust einer anderen Staatsangehörigkeit abhängig machen, wenn die Aufgabe oder der Verlust unmöglich oder unzumutbar ist. Dass eine Entlassung des Klägers aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit unmöglich oder unzumutbar ist, steht derzeit gerade nicht fest.
31 
1.5.) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG kann auch nicht gemäß § 12 Abs. 3 StAG abgesehen werden. Der am ...1976 geborene Kläger ist im Juli 1993, mithin im Alter von 16 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er hat daher nicht den überwiegenden Teil seiner Schulausbildung in deutschen Schulen erhalten.
32 
2.) Eine Ermessenseinbürgerung auf der Grundlage des § 8 StAG ist allerdings rechtlich nicht ausgeschlossen. Eine Entscheidung darüber hat die Beklagte bislang nicht getroffen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 StAG liegen unstreitig vor. Die Einbürgerung des Klägers steht demnach im gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Ermessen (§ 114 S. 1 VwGO) der Beklagten. Die Einbürgerung nach § 8 StAG ist auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit ausgeschlossen. Der Grundsatz ist nicht auf der Tatbestandsseite der Vorschrift zu beachten. Er findet vielmehr (nur) im Rahmen der Ermessensbetätigung Berücksichtigung und kann mithin „überwunden“ werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11.11.2004 - 5 ZB 04.916 - juris). Auch nach Nrn. 8.1.2.6 und 8.1.2.6.3 StAR-VwV sowie den vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums (Nrn. 8.1.2.6 und 8.1.2.6.3) ist der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei der Ermessensausübung zu beachten. Ausnahmen von diesem Einbürgerungshindernis werden dort nur beispielhaft aufgeführt.
33 
Allerdings kann der Kläger nicht die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Einbürgerung nach § 8 StAG beanspruchen. Zwar erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich auch im Rahmen eines auf § 8 StAG gestützten Einbürgerungsbegehrens die Frage einer durch eine Folgenbeseitigungslast ausgelösten Ermessensverdichtung stellen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1996, aaO; BayVGH, Urteil vom 17.02.2005 - 5 BV 04.1225 -). Dies würde aber voraussetzen, dass sich eine rechtswidrige Untätigkeit der Beklagten feststellen ließe, die aufgrund des späteren Erlasses des Widerrufsbescheids gem. § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG zum (zumindest vorübergehenden) Untergang des Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG geführt hat (vgl. zur Folgenbeseitigungslast im Ausländerrecht aufgrund Untätigkeit der Behörde: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.11.2005 - 13 S 1547/05 - sowie Beschlüsse vom 28.07.1998 - 13 S 1588/97 -, InfAuslR 1999, 27 = DVBl. 1999, 176 und vom 27.09.1993 - 13 S 547/93 -).
34 
Eine solche rechtswidrige Untätigkeit lag hier aber nicht vor. Die nach § 9 VwVfG zu zweckmäßiger Durchführung des Verfahrens verpflichtete Beklagte hat zu Recht zunächst mit Schreiben vom 09.07.2003 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge angefragt, ob die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nach wie vor Bestand habe. Denn die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft war Voraussetzung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG.
35 
Die Beklagte war auch berechtigt, nachdem das Bundesamt mit Schreiben vom 28.11.2003 mitgeteilt hatte, gegen den Kläger sei ein Widerrufs-/Rücknahmeverfahren eingeleitet worden, den rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens - bzw. nach der ab 01.01.2005 geltenden Rechtslage den Erlass des Widerrufsbescheids - abzuwarten. Zwar lag, solange noch kein Widerrufsbescheid ergangen war, eine nach § 4 AsylVfG für die Beklagte verbindliche Entscheidung über die Flüchtlingseigenschaft vor. Die Beklagte war daher nicht berechtigt gewesen, davon abweichend die Flüchtlingseigenschaft aufgrund eigener Beurteilung zu verneinen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2000 - 13 S 2740/99 -, VBlBW 2001, 30 = InfAuslR 2001, 98). Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit auf der Grundlage des § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG bzw. des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG trotz Einleitung des Widerrufsverfahrens (vgl. § 73 Abs. 4 AsylVfG) einzubürgern und vor der veränderten Sachlage sozusagen die Augen zu verschließen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 26.07.2004 - 12 TG 1820/04 -, NVwZ-RR 2005, 139; VG Hannover, Urteil vom 25.06.2001 - 10 A 5544/00 -, NVwZ 2002 -Beilage, S. 63; a.A. wohl BayVGH, Beschlüsse vom 09.02.2004 - 5 ZB 03.2842 - juris, und vom 14.10.2003 - 5 C 03.2024 -, BayVBl 2004, 182, wonach erst der Erlass des Widerrufsbescheids den Zeitpunkt markierte, ab dem Zweifel über die tatsächlichen Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG vorlagen; a.A. auch VG Ansbach, Urteil vom 17.10.2001 - 15 K 01.01081 -, NVwZ-RR 2002, 604). Als statusveränderndem Verwaltungsakt mit weit reichenden Folgen kommt der Einbürgerung erhebliche rechtliche Bedeutung und Dauerwirkung zu. Aufgrund des in Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG normierten Verbots, die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen, ist ein Verlust der Staatsangehörigkeit durch Widerruf, also die nachträgliche Aufhebung einer rechtmäßig vollzogenen Einbürgerung nach § 49 VwVfG nicht zulässig (vgl. Hailbronner, aaO § 17 StAG RdNr. 15; Marx in GK-StAR, Stand 2000 - IV - 2 § 17 RdNr. 25). Erfolgt die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, weil der Einbürgerungsbewerber politisch Verfolgter i.S.v. § 51 Abs. 1 AuslG bzw. im Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, kann die Einbürgerung daher nicht widerrufen werden, wenn später die Flüchtlingseigenschaft durch Rücknahme oder Widerruf des anerkennenden Bescheides nach § 73 AsylVfG entfällt. Von daher hat die Beklagte ein berechtigtes Anliegen verfolgt, durch vorläufiges Abwarten mit der Entscheidung dafür Sorge zu tragen, dass die Einbürgerungsvoraussetzungen möglichst dauerhaft erfüllt sind und nicht - möglicherweise kurz nach erfolgter Einbürgerung - wieder wegfallen (vgl. VG Hannover, aaO). Berücksichtigt werden können in diesem Zusammenhang konkrete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Flüchtlingsstatus in absehbarer Zeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2000 - 13 S 2740/99 -, VBlBW 2001, 30 = InfAuslR 2001, 98; BVerwG, Urteil vom 21.09.1999 - 9 C 12.99 -, BVerwGE 109, 305). Solche Anhaltspunkte lagen hier im Hinblick auf die Mitteilung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über die Einleitung des Widerrufs - bzw. Rücknahmeverfahrens und die Änderung der politischen Verhältnisse in Serbien und Montenegro vor. Kosovo-Albaner sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 29.03.2001 - A 14 S 2078/99 - juris) auf dem gesamten serbischen Staatsgebiet hinreichend sicher vor politischer Verfolgung. Unter diesen Umständen ist die von der Beklagten im Rahmen des Ermessens bei der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens getroffene Entscheidung, den Ausgang des Widerrufsverfahrens abzuwarten, in dem über die für das Einbürgerungsverfahren nach § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG vorgreifliche Frage der politischen Verfolgung zu entscheiden war, bzw. den für das Einbürgerungsverfahren nach § 73 Abs. 2a S. 4 AsylVfG n.F. maßgeblichen Erlass des Widerrufsbescheids abzuwarten, nicht zu beanstanden (vgl. Knack, VwVfG 8. Aufl., § 9 RdNr. 23; Obermayer VwVfG, 3. Aufl., § 9 RdNr. 61; Kopp, VwVfG 6. Aufl., 1996, Vorbemerkung § 9 RdNr. 19).
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO.
37 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Sonstige Literatur

 
38 
Rechtsmittelbelehrung
39 
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.
40 
Die Revision ist bei dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils schriftlich einzulegen. Die Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der Frist bei dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) eingelegt wird.
41 
Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
42 
Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen.
43 
Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.
44 
Für das Revisionsverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Revision und für die Revisionsbegründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
45 
Beschluss
46 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 42.1) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
47 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Einbürgerung.
Der am … in … geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Serbien (früher: Serbien und Montenegro), möglicherweise mittlerweile (auch) der Republik Kosovo, und albanischer Volkszugehöriger. Mit Bescheid vom 16.7.1993 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu seinen Gunsten fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien vorlägen. Der Kläger war im Besitz eines am 21.12.1995 ausgestellten Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention. Am 5.11.2001 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit dem 11.9.2008 besitzt er einen kosovarischen Reisepass.
Der Kläger beantragte unter dem 15.10.2002 seine Einbürgerung. Mit Schreiben vom 28.11.2003 teilte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit, dass es ein Widerrufsverfahren eingeleitet habe.
Auf die am 6.2.2004 erhobene Untätigkeitsklage des Klägers hin verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Beklagte mit Urteil vom 8.12.2004 - 1 K 353/04 -, ihn einzubürgern. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe einen Einbürgerungsanspruch. Von der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG sei abzusehen, wenn der Ausländer politisch Verfolgter i.S.v. § 51 AuslG sei. Der Kläger erfülle diese Voraussetzungen, da das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt habe und dieser Bescheid bislang nicht widerrufen worden sei.
Der früher zuständige 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs hat die Berufung auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 16.8.2005 - 12 S 505/05 -zugelassen.
Mit der fristgerecht eingegangenen Berufungsbegründung trägt die Beklagte vor, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) mittlerweile widerrufen. Der Kläger habe hiergegen Klage erhoben. Das Einbürgerungsverfahren sei bis zur rechtkräftigen Entscheidung auszusetzen.
Mit Urteil vom 24.11.2005 - 12 S 1695/05 - hat der 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs entschieden, der Kläger habe keinen Anspruch auf Einbürgerung; allerdings habe die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag des Klägers auf Ermessenseinbürgerung zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, der Kläger erfülle mit Ausnahme der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit alle Voraussetzungen des Einbürgerungsanspruchs des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG. Von der Einhaltung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG könne auch nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG abgesehen werden. Danach sei eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigere und der Ausländer der zuständigen Behörde einen Entlassungsantrag zur Weiterleitung an den ausländischen Staat übergeben habe. Der Entlassungsantrag müsse den Voraussetzungen entsprechen, die im Recht des Heimatstaates für die Entlassung zwingend vorgeschrieben seien. Diesen Anforderungen entspreche der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandte formlose Entlassungsantrag nicht. Die regelmäßige Verweigerung der Entlassung allein hinsichtlich bestimmter Personengruppen bzw. besonderer Kategorien von Staatsangehörigen genüge nicht. Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG werde auch dann abgesehen, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt habe, die der Ausländer nicht zu vertreten habe, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig mache oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden habe. Die erste Fallgestaltung (Versagung der Entlassung) setze grundsätzlich eine einen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag ablehnende schriftliche Entscheidung voraus. Auch die dritte Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG (Nichtbescheidung eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrages in angemessener Zeit) sei nicht erfüllt. Der Kläger könne sich auch nicht auf die zweite Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG (Koppelung der Entlassung an unzumutbare Bedingungen) berufen. Auf das Erfordernis eines ordnungsgemäßen Entlassungsantrages könne nicht verzichtet werden. Die Einleitung des Entlassungsverfahrens sei dem Kläger auch zumutbar. Dass er nach seinen Angaben nicht im Besitz eines gültigen Passes von Serbien und Montenegro sei, stehe dem nicht entgegen. Eine Ermessenseinbürgerung auf der Grundlage des § 8 StAG sei allerdings rechtlich nicht ausgeschlossen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 StAG lägen unstreitig vor. Der Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit finde (nur) im Rahmen der Ermessensbetätigung Berücksichtigung und könne mithin „überwunden“ werden.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat mit (mittlerweile rechtskräftigem) Urteil vom 27.12.2005 die gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gerichtete Klage des Klägers abgewiesen.
Auf die Revision des Klägers gegen das Urteil der 12. Senats hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 3.5.2007 - 5 C 3.06 - die Sache mit folgender Begründung zurückverwiesen: Der ursprünglich geltend gemachte Ausnahmegrund nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG (Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 GFK) sei entfallen, nachdem die gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gerichtete Klage mittlerweile abgewiesen worden sei. Der Senat lasse dahingestellt, ob der Revision bereits auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung stattzugeben gewesen wäre. Auch ein unvollständiger oder formwidriger Antrag könne ausnahmsweise ausreichen, wenn es dem Entlassungsbewerber unzumutbar sei, zur Vervollständigung des Antrags erforderliche Dokumente beizubringen. Der Senat halte es zudem für erwägenswert, in Fällen, in denen eine große, nach staatsangehörigkeitsrechtlich an sich irrelevanten Kriterien wie der Volkszugehörigkeit bestimmte Personengruppe einem diskriminierenden Sonderregime unterworfen werde, für die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG nicht auf die Entlassungspraxis in Bezug auf die Gesamtheit aller Staatsangehöriger, sondern auf die einer diskriminierenden Sonderbehandlung unterworfene Teilgruppe abzustellen. Es verstoße jedenfalls gegen die zweite Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG, dass der Verwaltungsgerichtshof vom Kläger die Stellung eines formgerechten Entlassungsantrages verlange, ohne aufgeklärt zu haben, ob für ihn überhaupt die Möglichkeit bestehe, seine Entlassung aus der - nunmehr serbischen - Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen. Das vom Verwaltungsgerichtshof bejahte Erfordernis der Stellung eines Entlassungsantrages sei für die Fallgestaltung der zweiten Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen und folge auch nicht aus der systematischen Stellung dieses Ausnahmegrundes. Die zweite Alternative erfasse die Entlassungsverweigerung bei - nach staatsangehörigkeitsrechtlich nicht anzuerkennenden Kriterien ethnischer Diskriminierung gebildeten - Untergruppen von Staatsangehörigen sowie weitere Fälle erkennbar aussichtsloser Anträge. Zwar beantworte sich die Frage, ob unzumutbare Entlassungsbedingungen gestellt würden, oft erst nach gestelltem Antrag. Dies rechtfertige es indes nicht, auch in solchen Fällen, in denen der negative Ausgang des Verfahrens absehbar sei bzw. nur durch Bestechung abgewendet werden könne, einen ordnungsgemäßen Entlassungsantrag zu verlangen. Da die im Zuge des Revisionsverfahrens vorgebrachten Fakten und die vom Verwaltungsgerichtshof nicht ausdrücklich ausgewerteten Akteninformationen vom Bundesverwaltungsgericht nicht selbst tatrichterlich geklärt werden könnten, sei eine Zurückverweisung geboten. Soweit der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger, der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen gültigen Pass besessen habe, auferlege, zunächst als Voraussetzung für den Passantrag beim Konsulat den erforderlichen Staatsangehörigkeitsnachweis zu beschaffen, bei dem "längere, unter Umständen mehrjährige Verfahrenszeiten" zu erwarten seien, könne dies für sich allein schon die Unzumutbarkeit begründen. Zu Recht gehe der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Ableistung der Wehrpflicht eine grundsätzlich zumutbare Entlassungsvoraussetzung bilde. Bei den aus dem Kosovo stammenden serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit sei nach dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10. März 2005 und einem Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 3. Juni 2005 davon auszugehen, dass bei ihnen die Wehrpflicht zwar grundsätzlich bestehe, aber mangels Einberufung nicht erfüllt werden könne. Unter diesen Umständen sei vom Kläger die Durchführung eines förmlichen Entlassungsverfahrens zwecks Klärung des Bestehens seiner Wehrpflicht nicht zu verlangen. Einem Einbürgerungsbewerber sei auch nicht zuzumuten, den Verlust seiner bisherigen Staatsangehörigkeit mit Hilfe von Bestechung herbeizuführen. Der Senat könne schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Ermessensreduzierung (§ 8 StAG) ohne Zurückverweisung zu Gunsten des Klägers entscheiden. Der vom Kläger behauptete Folgenbeseitigungs- bzw. Herstellungsanspruch vermöge eine solche Ermessensreduzierung nicht zu bewirken. Allein der Umstand, dass ihm bei Antragstellung noch der Reiseausweis nach Art. 28 GFK zugestanden habe, der als Abwägungselement bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sei, lasse eine Einbürgerung nicht als einzig richtige Ermessensentscheidung erscheinen, weil der Kläger nach den gesamten Umständen auf den Fortbestand seiner Anerkennung als politisch Verfolgter nicht habe vertrauen können.
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Die Beklagte begründet ihre Berufung wie folgt: Im Zeitraum 2005 bis 2007 sei es 193 Serben albanischer Volkszugehörigkeit in Baden-Württemberg gelungen, ihre Entlassung aus dem serbischen Staatsverband zu erreichen. In dem genannten Zeitraum seien 244 Entlassungsanträge abgelehnt worden. Hierunter hätten sich 214 Personen befunden, die den Wehrdienst nicht abgeleistet hätten. Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit dieser Meldung sprächen, seien nicht bekannt, eine Benennung der Namen und Anschriften der aus der Staatsangehörigkeit entlassenen Personen komme aus Datenschutzgründen nicht in Betracht. Wie viele der männlichen Kosovoalbaner, die in den Jahren 2005 bis 2007 aus der serbischen Staatsangehörigkeit entlassen worden seien, ihren Wehrdienst nicht abgeleistet hätten, sei nicht erhoben worden. Ob Personen im wehrpflichtigen Alter überhaupt wehrpflichtig gewesen seien und bereits ihren Wehrdienst abgeleistet hätten, sei unbekannt. Das Innenministerium gehe davon aus, dass serbische Staatsangehörige, die wehrpflichtig seien und ihren Wehrdienst nicht abgeleistet hätten, üblicherweise nicht entlassen würden. Soweit es sich dabei um albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo handle, sei nach den Vorläufigen Anwendungshinweisen eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit vorzunehmen, sofern diese 1991 oder später ihre Heimat verlassen hätten. Das Innenministerium gehe davon aus, dass von den 193 männlichen Serben albanischer Volkszugehörigkeit die meisten, wenn nicht alle, entweder nicht wehrpflichtig gewesen seien oder ihren Wehrdienst bereits abgeleistet hätten, während in 214 Fällen die Entlassung aus Wehrdienstgründen abgelehnt worden sei. Bei einer Zahl von 407 beschiedenen Entlassungsanträgen kosovo-albanischer männlicher Personen in den Jahren 2005 bis 2007 könne die Behauptung der Gegenseite nicht bestätigt werden, Entlassungsverfahren könnten von diesem Personenkreis nicht betrieben werden. Aus Bayern sei bekannt, dass bei entsprechenden Bemühungen die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit bzw. die Entscheidung über den Entlassungsantrag herbeigeführt werden könne. Bei den vorgelegten Entlassungsbescheinigungen bzw. Ablehnungen gestellter Entlassungsanträge handle es sich nicht um Fälschungen, da die Einbürgerungsbehörden angehalten seien, Entlassungsbescheinigungen vom serbischen Generalkonsulat bestätigen zu lassen, soweit sie nicht von diesem selbst ausgehändigt worden seien. Hin und wieder hätten Einbürgerungsbewerber berichtet, sie seien von Mitarbeitern des Generalkonsulats aufgefordert worden, zusätzliche Geldbeträge zu leisten. Konkrete Angaben seien jedoch trotz Aufforderung nie gemacht worden. Das serbische Generalkonsulat habe am 23.2.2007 mitgeteilt, dass es allein im Jahr 2006 über 7.000 Reisepässe für Serben kosovo-albanischer Abstammung ausgestellt habe. In diesem Jahr seien auch mehrere hundert Anträge auf Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit bearbeitet worden. Daneben seien etwa 10.000 Anträge auf Beschaffung von Dokumenten und Rekonstruktionsverfahren von Kosovoalbanern anhängig. Die deutsche Botschaft in Belgrad sei in das Entlassungsverfahren nicht eingebunden und könne daher nur allgemein berichten, wie entsprechende Urkunden in Serbien gekauft oder verfälscht werden könnten. Dies sei bei der Stellungnahme der deutschen Botschaft vom 6.4.2005 zu berücksichtigen, wonach Serben mit albanischer Volkszugehörigkeit von der Gewährung konsularischer Dienstleistungen seitens der serbischen Auslandsvertretungen de facto ausgeschlossen seien. Den Personen, die sich rechtzeitig nach Auslaufen ihrer jugoslawischen Ausweispapiere um die Ausstellung eines serbischen Passes bemüht hätten, sei es auch gelungen, in angemessener Zeit ihre Entlassung herbeizuführen. Einbürgerungsbewerber, die sich UNMIK-Papiere beschafft hätten, obwohl sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten, müssten erst ihre serbische Staatsangehörigkeit nachweisen und einen serbischen Pass besorgen. In diesen Fällen reiche der Zeitraum von zwei Jahren häufig nicht aus, um auch die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit herbeizuführen.
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Im Zuständigkeitsbereich der Beklagten hätten fünf männliche Serben albanischer Volkszugehörigkeit und eine weibliche Person ihre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit erreicht. Bei vier männlichen Personen und einer weiblichen Person sei es gelungen, telefonischen Kontakt aufzunehmen. Zwei männliche Personen und eine weibliche Person hätten die Entlassung über Rechtsanwälte in Belgrad erreicht. Zwei männliche Personen hätten die Entlassung über das Generalkonsulat erreicht. Die Frage nach Beschleunigungs- oder Bestechungsgeldern sei stets verneint worden. Personen, die die Entlassung über das Generalkonsulat Stuttgart beantragt hätten, hätten in der Regel 1.000,-- + x EUR bezahlen müssen. Bei der Entlassung über einen Rechtsanwalt in Belgrad hätten im Durchschnitt 650,-- EUR beglichen werden müssen. Bestechungsgelder habe auch auf Nachfrage niemand erwähnt. Bezüglich der im Zuständigkeitsbereich der Beklagten erhobenen Zahlen sei mitzuteilen, dass keiner der hier Eingebürgerten seinen Wehrdienst abgeleistet habe. Es sei eine Bescheinigung vorgelegt worden, die vom serbischen Generalkonsulat als Fälschung identifiziert worden sei. Bis zur Unabhängigkeit sei das Kosovo integrativer Bestandteil Serbiens gewesen. Serbische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit erhielten seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nach wie vor Pässe und Verlängerungen von Pässen. Das Generalkonsulat in Stuttgart sei besetzt und serbische Staatsangehörige mit albanischer Volkszugehörigkeit seien nicht von konsularischen Dienstleistungen ausgeschlossen.
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Der Kläger selbst habe - wenn überhaupt - nur wenige Bemühungen um eine Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen. Die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit bzw. der Nachweis nachhaltiger vergeblicher Entlassungsbemühungen werde von allen serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo verlangt.
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Nach Auskunft des Regierungspräsidiums Karlsruhe hätten betroffene albanische Volkszugehörige überwiegend berichtet, dass sie im serbischen Generalkonsulat Stuttgart - soweit sie überhaupt vorgelassen worden seien - sehr unfreundlich behandelt worden seien. Allerdings könne auch nicht gesagt werden, dass das Generalkonsulat seine konsularische Tätigkeit für albanische Volkszugehörige ganz eingestellt habe.
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Die serbische Staatsangehörigkeit sei durch die von Deutschland anerkannte Unabhängigkeit des Kosovo nicht verloren gegangen, denn § 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes lasse die Mehrstaatigkeit ausdrücklich zu. Das serbische Generalkonsulat Stuttgart habe dem Innenministerium Baden-Württemberg unter dem 7.7.2008 mitgeteilt, dass nach der serbischen Verfassung das Kosovo Teil des Staatsgebiets sei und das Konsulat weiterhin allen seinen Staatsbürgern aus dem Kosovo für konsularisch-juristische Dienstleistungen wie z.B. für Entlassungen aus der serbischen Staatsangehörigkeit zur Verfügung stehe. Nach dem Wortlaut des § 29 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes spreche viel dafür, dass die Staatsangehörigkeit des Kosovo kraft Gesetzes erworben werde und die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis lediglich deklaratorisch wirke. Ob sich dies in der Verwaltungspraxis der kosovarischen Behörden widerspiegeln werde, lasse sich derzeit - mangels funktionierender Behördenstruktur im Kosovo - weder vom Innenministerium Baden-Württemberg noch vom Bundesministerium des Innern vorhersagen.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - die Klage insgesamt abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger macht geltend: Das Land Hessen habe mit Erlass vom 14.8.2007 verfügt, dass serbische Staatsangehörige mit albanischer Volkszugehörigkeit unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit einzubürgern seien. Die inzwischen gesammelten Erfahrungen hätten gezeigt, dass sie ihre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit nicht in zumutbarer Weise erlangen könnten. Das Generalkonsulat des ehemaligen Serbien und Montenegro habe unter dem 17.10.2005 erklärt, Voraussetzung einer Entlassung aus der Staatsbürgerschaft sei die Erfüllung der Wehrpflicht. Soweit sich die Beklagte auf Entlassungen aus der serbischen Staatsangehörigkeit berufe, sei es keineswegs unwahrscheinlich, dass die Gewährung von Vorteilen an serbische Amtsträger unabdingbare Voraussetzung für die Entlassung sei. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht habe die Vertreterin des Bundesinteresses dargelegt, dass serbische Rechtsanwälte und serbische Behörden zahllose Urkundsdelikte begingen. Bescheinigungen über Entlassungen aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit wiesen eine Fälschungsquote von 75% auf. Es sei keineswegs ausgeschlossen, dass die serbischen Auslandsvertretungen oder die Behörden im Heimatstaat Fälschungen nicht erkennen könnten oder wollten. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, nach telefonischer Auskunft hätten Eingebürgerte keine Bestechungsgelder zahlen müssen, sei darauf hinzuweisen, dass diesen weder eine Unterscheidung zwischen Gebühren und Bestechungsgeldern möglich sei noch dass ihnen überhaupt bewusst sei, dass zwischen beidem differenziert werden könne. Weiter sei nicht klar, ob es sich bei den von der Beklagten genannten Fällen überhaupt um Kosovaren gehandelt habe. Nach den Vorläufigen Anwendungshinweisen des baden-württembergischen Innenministeriums könne es als unzumutbare Bedingung angesehen werden, wenn die Entlassung von Einbürgerungsbewerbern aus der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien von der Leistung des Wehrdienstes abhängig gemacht werde und es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handle.
20 
Seine serbische Staatsangehörigkeit sei mit der von Deutschland anerkannten Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosovo vom 17.2.2008 untergegangen. Auf dem Gebiet der „Sozialistischen Republik Serbien“ seien zwei Nachfolgestaaten entstanden, und zwar die Republik Serbien und die Republik Kosovo. Die Ausstellung von serbischen Reisepässen an Kosovaren entspreche einer völkerrechtswidrigen Inanspruchnahme fremder Staatsangehöriger als Staatsangehörige einer Annexions- oder Besatzungsmacht.
21 
Nach § 29 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes würden Personen, die am 1.1.1998 ihren ständigen Wohnsitz im Kosovo gehabt hätten oder Abkömmlinge solcher Personen seien, ohne weiteres Staatsangehörige des Kosovo und seien als solche in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis einzutragen. Eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit sei praktisch auf absehbare Zeit nicht möglich. Verfahren und Behörden müssten erst noch eingerichtet werden.
22 
Auf Anfrage des Berichterstatters hat das Hessische Ministerium des Innern und für Sport unter dem 13.12.2007 mitgeteilt, am 26.6.2007 sei bei den hessischen Einbürgerungsbehörden angefragt worden, wie viele serbische Einbürgerungsbewerber mit albanischer Volkszugehörigkeit seit dem 26.7.2006 die Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit erhalten hätten. Die Umfrage habe ergeben, dass in diesem Zeitraum keine Entlassungsbestätigungen eingegangen seien. Es seien lediglich zwei „Beschlüsse“ vorgelegt worden, die schon prima facie den Eindruck der Fälschung erweckt hätten. Als Anlage wurde ein Bericht der Botschaft Belgrad vom 6.12.2006 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, die Botschaft sei am Verfahren der Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit nicht unmittelbar beteiligt und verfüge insofern nur in eingeschränktem Maß über eigene Erfahrungen. Angesichts der der Botschaft bekannten hohen Zahl ge- und verfälschter wie auch echter, aber inhaltlich unrichtiger serbischer Urkunden hege die Botschaft gewisse Zweifel, ob vorgelegte Entlassungsurkunden von kosovo-albanischen Serben tatsächlich echt bzw. inhaltlich richtig seien. Auf Nachfrage der Botschaft seien die serbischen Behörden nicht bereit gewesen, konkrete Zahlen zu den in letzter Zeit aus der Staatsangehörigkeit Entlassenen zu nennen. Der Botschaft seien nur sehr wenige Fälle bekannt, in denen die Entlassung erfolgreich und innerhalb angemessener Zeit betrieben worden sei.
23 
Das Bundesministerium des Innern hat unter dem 14.5.2008 auf Anfrage des Berichterstatters ein Fernschreiben der Botschaft Belgrad vom 15.4.2005 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, das „RK-Referat“ der Botschaft habe für den Zeitraum April 2004 bis März 2005 die im Rahmen diverser konsularischer Amtshandlungen vorgelegten Dokumente überprüft. Bescheinigungen über die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit wiesen eine Fälschungsquote von 75% auf. In dieser - zum Teil wegen geringer Fallzahl nicht wissenschaftlich repräsentativen - Statistik seien authentische Urkunden unwahren Inhalts nicht erfasst. Tatsächlich seien indes nach Erfahrung der Botschaft aufgrund persönlicher Beziehungen oder gegen Entgelt faktisch von allen Behörden des Landes Urkunden beliebigen Inhalts zu erlangen. Das regelmäßige Auftreten charakteristischer Fälschungsmerkmale und die nicht selten bemerkenswerte Qualität der Fälschungen deuteten auf die Existenz organisierter Fälscherringe hin. In bestimmten Fällen liege die Vermutung nahe, dass die Verwender gefälschte Urkunden in gutem Glauben an deren zumindest formale Echtheit vorlegten. Dies gelte insbesondere für die hohe Zahl gefälschter Entlassungsbescheinigungen. Tatsächlich sei eine reguläre Entlassung aus dem serbisch-montenegrinischen Staatsverband mit hohem Zeit- und Finanzaufwand verbunden. Ethnische Albaner hätten wegen systematischer Diskriminierung durch die beteiligten Behörden einschließlich der Auslandsvertretungen in Deutschland de facto keine Möglichkeit, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Sie wendeten sich deshalb nicht selten an dubiose Vermittler, die ihnen gegen Entgelt eine unbürokratische Lösung in Aussicht stellten. Ob dies durch Bestechung von Amtsträgern und damit Erlangung einer authentischen Urkunde oder schlicht durch Aushändigung einer Fälschung geschehe, hänge von der Seriosität des Vermittlers ab.
24 
Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.3.2008 an das Verwaltungsgericht Münster nehme derzeit keine diplomatische Vertretung in Deutschland die konsularischen Belange der kosovarischen Staatsangehörigen bis zur Eröffnung einer kosovarischen Vertretung wahr.
25 
Auf Anfrage des Berichterstatters hat das Auswärtige Amt unter dem 7.8.2008 Auszüge aus den „Ergebnisniederschriften der Besprechung von Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsfragen“ aus den Jahren 2003 bis 2008 übersandt. In der Niederschrift über die Besprechung vom 8./9.5.2006 wird ausgeführt, nach Angaben des Vertreters Bayerns sei beabsichtigt, bei Kosovoalbanern nach Durchführung eines Verfahrens zur Entlassung aus der serbischen bzw. montenegrinischen Staatsangehörigkeit Mehrstaatigkeit in den Fällen hinzunehmen, in denen die Ableistung des Wehrdienstes verlangt würde. Der Vertreter Baden-Württembergs habe mitgeteilt, dass 115 Fälle bekannt seien, in denen Kosovoalbaner aus der serbischen bzw. montenegrinischen Staatsangehörigkeit entlassen worden seien. Die Entlassungsverfahren würden mindestens ein Jahr dauern. Daneben habe es auch Fälle gegeben, in denen offensichtlich gefälschte Entlassungsbescheinigungen vorgelegt worden seien. In der Niederschrift über die Besprechung vom 26./27.5.2008 heißt es, nach § 29 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes sollten diejenigen kosovarische Staatsangehörige sein, die am 1.1.1998 jugoslawische Staatsangehörige gewesen seien und an diesem Tag ihren ständigen Wohnsitz im Kosovo gehabt hätten. Dies gelte auch für Kinder dieser Personen. Die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis solle auf Antrag dessen, der diese Voraussetzungen erfülle, wirksam werden. Hierbei scheine es sich lediglich um ein Geltendmachen der bereits automatisch kraft Gesetzes erworbenen kosovarischen Staatsangehörigkeit zu handeln. Nach § 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes sei Mehrstaatigkeit ausdrücklich zugelassen. Kosovarische Staatsangehörige dürften von Serbien weiterhin als serbische Staatsangehörige angesehen werden. Die Probleme bei der Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit dürften fortbestehen. Es solle über das Auswärtige Amt ermittelt werden, ob und inwieweit schon handlungsfähige kosovarische Behörden existierten, bei denen staatsangehörigkeitsrechtliche Verfahren durchgeführt werden könnten.
26 
Dem Senat liegen die einschlägigen Einbürgerungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (1 K 353/04) vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Klage begründet ist. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert zu werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dass die sonstigen Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG erfüllt sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln.
28 
Grundsätzlich setzt eine Anspruchseinbürgerung voraus, dass Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG). Eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit ist ausnahmsweise unter anderem dann möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG).
29 
Hier ist jedenfalls die zweite Fallgestaltung (unzumutbare Bedingungen für eine Entlassung) des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG gegeben. Sie scheidet nicht bereits deshalb aus, weil es an der Einleitung eines Entlassungsverfahrens fehlt (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 5 C 3/06 -, BVerwGE 129, 20 = NVwZ 2007, 931; anders noch der 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs, Urteil vom 24.11.2005 - 12 S 1695/05 -, InfAuslR 2006, 230). Das Erfordernis eines Entlassungsantrages ist für diese Fallgestaltung nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen und folgt auch nicht aus der systematischen Stellung dieses Ausnahmegrundes. Die Gesetzesbegründung zur Vorläuferregelung in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG (BTDrucks 14/533, 19) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wenn es dort heißt, diese Bestimmung betreffe „hauptsächlich Fälle, in denen ein Entlassungsantrag gestellt wird, das Entlassungsverfahren aber im Einzelfall scheitert", erhellt dies, dass der Gesetzgeber auch andere Fallgruppen vor Augen hatte.
30 
Die hier einschlägige zweite Alternative erfasst - wie das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) entschieden hat - unter anderem die Fallgruppe der generellen Entlassungsverweigerung bei Untergruppen von Staatsangehörigen, die nach staatsangehörigkeitsrechtlich nicht anzuerkennenden Kriterien ethnischer Diskriminierung gebildet werden, soweit diese nicht bereits § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG unterfallen sollten, sowie weitere Fälle erkennbar aussichtsloser Anträge. Zwar lässt sich die Frage, ob unzumutbare Entlassungsbedingungen gestellt werden, in einer Reihe von Fällen erst im Verfahren nach gestelltem Antrag sinnvoll beantworten. Dies rechtfertigt indes nicht, auch in solchen Fällen, in denen der negative Ausgang des Verfahrens absehbar ist, einen ordnungsgemäßen Entlassungsantrag zu verlangen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Hier ist dem Kläger nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder die Entlassung aus einer (möglichen) kosovarischen (1.) noch aus der serbischen (2.) Staatsangehörigkeit in zumutbarer Weise möglich.
31 
1. Der Kläger kann aus einer (möglicherweise erworbenen) kosovarischen Staatsangehörigkeit (a) jedenfalls nicht in zumutbarer Weise entlassen werden (b).
32 
a) Die Republik Kosovo hat in § 29 ihres Staatsangehörigkeitsgesetzes geregelt, dass unter anderem die direkten Abkömmlinge derjenigen, die am 1.1.1998 jugoslawische Staatsangehörige gewesen sind und ihren Wohnsitz im Kosovo hatten, kosovarische Staatsangehörige sind (Abs. 1 i.V.m. Abs. 2). Die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis wird auf Antrag des Betroffenen wirksam (Abs. 3).
33 
Der Wortlaut des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Kosovo scheint darauf hinzudeuten, dass die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis nicht konstitutiv ist, sondern dass es sich lediglich um die deklaratorische Eintragung einer bereits kraft Gesetzes erworbenen Staatsangehörigkeit handeln soll (ebenso der Vertreter des BMI in der „Besprechung von Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsfragen“ vom 26./27.5.2008; BAMF, Entscheidungen Asyl 8/2008 „Kosovo: Staatsbürgerschaft“). Dafür spricht auch, dass die kosovarischen Behörden den Kläger offenkundig als kosovarischen Staatsangehörigen ansehen, denn sie haben ihm am 11.9.2008 einen Reisepass ausgestellt.
34 
Allerdings ist umstritten, ob eine automatische Erstreckung der Staatsangehörigkeit auf Personen wie den Kläger völkerrechtlich überhaupt zulässig ist. Das Ermessen eines Staates, im Falle einer einseitigen Sezession zu bestimmen, welche ehemaligen Angehörigen des Vorgängerstaates seine Staatsangehörigkeit erlangen sollen, ist nämlich durch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts begrenzt (s. auch Art. 25 GG). Danach setzt die Inanspruchnahme von Personen als eigene Staatsangehörige voraus, dass zwischen diesen und dem Staat eine nähere tatsächliche Beziehung („genuine connection“) besteht. Ob eine solche enge Beziehung zur Republik Kosovo bei Personen noch besteht, die wie der Kläger im Zeitpunkt der Unabhängigkeit ihren Wohnsitz nicht in dem Gebiet des neu gegründeten Staates hatten, sondern seit mehr als fünfzehn Jahren ihren Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland haben, und - wie durch den Einbürgerungsantrag belegt ist - nicht beabsichtigen, jemals auf Dauer in den Kosovo zurückzukehren, ist zumindest fraglich. Die automatische Einbeziehung könnte in diesen Fällen sowohl die Personalhoheit des Vorgängerstaates als auch das im modernen Völkerrecht anerkannte Recht des Individuums, nicht ohne seinen Willen einer neuen Staatsangehörigkeit unterworfen zu werden, verletzen (vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/2, 2. Aufl. 2003, S. 45 ff. und 64 ff.; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., Grundlagen Teil E, insbes. Rn. 44; Blumenwitz (2003) in Staudinger, Anh. I zu Art. 5 EGBGB, Rn. 42 ff.; VG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2007 - 11 K 3108/06 -, juris).
35 
b) Letztlich kann man diese Frage aber offenlassen. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass der Kläger kosovarischer Staatsangehöriger geworden ist, ist es ihm jedenfalls derzeit nicht in zumutbarer Weise möglich, aus dieser Staatsangehörigkeit entlassen zu lassen. Zwar regelt § 17 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit, und nach § 23 Abs. 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes können außerhalb des Kosovo wohnende Personen den Antrag auf Entlassung bei der nächsten Botschaft oder dem nächsten Konsulat einreichen, von welcher der Antrag an die zuständige Stelle weitergeleitet wird. Es ist indes nicht ersichtlich, welche Behörde für eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit letztlich zuständig ist. Die Verwaltungsstrukturen im Kosovo sind erst im Aufbau begriffen. Zwar werden mittlerweile wohl schon die ersten Reisepässe ausgestellt (BAMF, Informationszentrum Asyl, Briefing Notes vom 4.8. und vom 28.7.2008); außerdem sind nunmehr Botschafter u.a. auch für Deutschland ernannt worden (BAMF, Informationszentrum Asyl, Briefing Notes vom 1.9.2008). Es existiert aber zur Zeit nach den vorliegenden Erkenntnissen noch keine Botschaft und kein Konsulat der Republik Kosovo in Deutschland und seinen Nachbarländern. Es liegen auch keine Informationen darüber vor, wonach es im Kosovo Behörden geben könnte, die derzeit einen Entlassungsantrag bearbeiten dürften und könnten. Auch wohl erforderliche Regelungen über die Einzelheiten des Verfahrens liegen - soweit ersichtlich - nicht vor. Wann funktionsfähige kosovarische Behörden und Verfahrensvorschriften für ein Entlassungsverfahren vorhanden sein werden, ist derzeit nicht konkret absehbar.
36 
Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger in seiner individuellen Situation nicht zumutbar, weiter abzuwarten, bis geklärt sein wird, ob und unter welchen Bedingungen er seine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit erreichen kann. Bei der Frage der Zumutbarkeit ist nicht nur die objektive Lage, sondern auch die persönliche Situation des jeweiligen Einbürgerungsbewerbers zu berücksichtigen. Hier fällt zugunsten des Klägers erheblich ins Gewicht, dass er bereits 2002 seinen Einbürgerungsantrag gestellt hat und sein Einbürgerungsverfahren aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, bereits seit langem anhängig ist. Daher kann von ihm nicht verlangt werden, weiter zuzuwarten, bis der Aufbau der kosovarischen Verwaltung so weit abgeschlossen ist, dass ein Entlassungsverfahren bearbeitet werden kann und die konkret erforderlichen Voraussetzungen für eine Entlassung definitiv geklärt sind.
37 
2. Für den Kläger besteht nach der Überzeugung des Senats auch keine Möglichkeit, seine reguläre Entlassung aus der - nach wie vor bestehenden (a) - serbischen Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen (b).
38 
a) Der Senat geht nicht davon aus, dass die serbische Staatsangehörigkeit des Klägers durch die Unabhängigkeit des Kosovo „automatisch“ untergegangen ist (a.A. ohne nähere Begr. VG Göttingen, Urteil vom 21.5.2008 - 1 A 390/07 -, juris). Dabei kann auch hier dahinstehen, ob der Kläger überhaupt wirksam und in Einklang mit völkerrechtlichen Grundsätzen die kosovarische Staatsangehörigkeit erworben hat (s. oben unter 1.a). Denn § 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes erkennt die Mehrstaatigkeit ausdrücklich an. Die Republik Kosovo misst damit dem Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit keinen derartigen Rang zu, dass eine weitere Staatsangehörigkeit dem Erwerb ihrer Staatsangehörigkeit entgegenstehen könnte. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb das Fortbestehen der serbischen Staatsangehörigkeit von Personen wie dem Kläger, die sich im Zeitpunkt der Unabhängigkeit dauerhaft außerhalb des Kosovo aufgehalten haben, einen völkerrechtswidrigen Eingriff in die Souveränität der Republik Kosovo darstellen sollte.
39 
b) Dem Kläger ist es nicht möglich, seine reguläre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen. Auf Grund der Praxis ethnischer Diskriminierung albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo durch serbische Behörden wäre absehbar, dass ein Antrag auf Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit entweder keinen Erfolg in zumutbarer Zeit hätte oder dass dieser nur durch Bestechung erreicht werden könnte.
40 
Schon allgemein betrachtet ist die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit für den Kläger als albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo unzumutbar. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass er nach wie vor nicht im Besitz eines serbischen Passes ist. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln. In diesem Fall müsste er vor Durchführung des eigentlichen Entlassungsverfahrens zunächst seine serbische Staatsangehörigkeit nachweisen können. Denn wie sich aus dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.3.2003 sowie aus dem Protokoll vom 15.11.2004 ergibt, leitet das Generalkonsulat Stuttgart ein Entlassungsverfahren ohne einen gültigen Pass nicht ein. Nach einem vom Innenministerium Baden-Württemberg vorgelegten Merkblatt des Generalkonsulats Stuttgart ist u.a. Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses, dass ein aktueller Staatsangehörigkeitsnachweis vom Kläger beschafft wird. Erst wenn dieser vorliegt - das Innenministerium spricht im Protokoll vom 15.11.2004 selbst von längeren, unter Umständen mehrjährigen Verfahrenszeiten - kann ein Reisepass beantragt werden. Zwar ist die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsnachweises als solche nicht von vornherein unzumutbar. Dass die Behörden des Herkunftsstaates den Einbürgerungsbewerber auffordern, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, stellt grundsätzlich keine unzumutbare Bedingung dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002 auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002 - 13 S 810/02 -). Ist indes wie hier den Betroffenen aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen die Beibringung der erforderlichen Unterlagen in absehbarer Zeit nicht möglich, sind die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Fallgestaltung StAG erfüllt. Die Beklagte weist selbst darauf hin, dass ein Zeitraum von zwei Jahren oft nicht genüge, wenn ein Einbürgerungsbewerber erst seine serbische Staatsangehörigkeit nachweisen und einen serbischen Pass besorgen müsse. Mehrjährige Verfahrenslaufzeiten begründen für sich allein schon die Unzumutbarkeit. Dass die Ordnung der personenstandsrechtlichen Angelegenheiten keine - abstrakt - unzumutbare Entlassungsbedingung bildet, setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber eine realistische Chance hat, diese Entlassungsvoraussetzung unter zumutbaren Bedingungen in angemessener Zeit erfüllen zu können (vgl. BVerwG, a.a.O.).
41 
Für eine Unzumutbarkeit sprechen auch die Erkenntnisse mehrerer Bundesländer. Auf Anfrage des Berichterstatters teilte das Hessische Ministerium des Innern und für Sport unter dem 13.12.2007 mit, am 26.6.2007 sei bei den hessischen Einbürgerungsbehörden angefragt worden, wie viele serbische Einbürgerungsbewerber mit albanischer Volkszugehörigkeit seit dem 26.7.2006 die Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit erhalten hätten. Die Umfrage habe ergeben, dass in diesem Zeitraum keine Entlassungsbestätigungen eingegangen seien. Es seien lediglich zwei „Beschlüsse“ vorgelegt worden, die schon prima facie den Eindruck der Fälschung erweckt hätten. Auch Niedersachsen (Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 3.6.2005) und Nordrhein-Westfalen (vgl. die am 2.12.2005 erfolgte Ergänzung des Runderlasses des Innenministeriums vom 21.6.2005) gehen von einer Unzumutbarkeit aus.
42 
Weiter ist zu berücksichtigen, dass es dem Kläger wohl nicht möglich ist, sich persönlich um die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen zu kümmern. Die Personenstandsregister aus dem Kosovo sind nach Serbien ausgelagert worden. Ohne serbischen Reisepass hat der Kläger aber keine Möglichkeit, sich persönlich nach Serbien zu begeben, um dort die erforderlichen Unterlagen zu besorgen (vgl. bereits Senatsurteil vom 15.11.2002 auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002, a.a.O.). Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat, die für die Passausstellung zuständige kosovarische Behörde habe Unterlagen zur Verfügung gehabt, die dort als Nachweis seiner Identität ausgereicht hätten, ist nicht klar, um welche Dokumente es sich hierbei genau gehandelt hat; es bedeutet zudem nicht, dass auch serbische Behörden diese Unterlagen anerkennen würden.
43 
Auch ob der Kläger als albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo Zugang zu Dienstleistungen der serbischen Auslandsvertretungen hat, ist äußerst fraglich. Verschiedene Auskünfte deuten darauf hin, dass dies nicht der Fall ist (Botschaftsbericht der Botschaft Belgrad vom 6.4. und vom 6.6.2005; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration vom 10.3.2008). Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.3.2008 an das Verwaltungsgericht Münster nimmt derzeit keine diplomatische Vertretung in Deutschland die konsularischen Belange der kosovarischen Staatsangehörigen bis zur Eröffnung einer kosovarischen Vertretung wahr. Die Deutsche Botschaft Belgrad geht hierbei davon aus, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine systematische kriminelle Kollusion zwischen den Auslandsvertretungen und „dubiosen“ serbischen Rechtsanwälten handelt. Dem hält indes die Beklagte entgegen, das serbische Generalkonsulat Stuttgart habe dem Innenministerium Baden-Württemberg unter dem 7.7.2008 mitgeteilt, dass nach der serbischen Verfassung das Kosovo Teil des Staatsgebiets sei und das Konsulat weiterhin allen seinen Staatsbürgern aus dem Kosovo für konsularisch-juristische Dienstleistungen wie z.B. für Entlassungen aus der serbischen Staatsangehörigkeit zur Verfügung stehe. Diese Angabe beruht allerdings nur auf wenigen Referenzfällen, von denen der Kläger unwidersprochen behauptet, aus den vorgelegten Dokumenten gehe hervor, dass es sich um Roma und nicht um albanische Volkszugehörige gehandelt habe. Die Beklagte hat zudem auch mitgeteilt, nach Auskunft des Regierungspräsidiums Karlsruhe hätten betroffene albanische Volkszugehörige überwiegend berichtet, dass sie im serbischen Generalkonsulat Stuttgart - soweit sie überhaupt vorgelassen worden seien - sehr unfreundlich behandelt worden seien; allerdings könne auch nicht gesagt werden, dass das Generalkonsulat seine konsularische Tätigkeit für albanische Volkszugehörige ganz eingestellt habe. Zu denken gibt im Zusammenhang mit der in Serbien weit verbreiteten Korruption auch, dass der Kläger seinem Vortrag zufolge auf seinen formlosen Entlassungsantrag hin vom Generalkonsulat Stuttgart aufgefordert worden ist, nur einen Teil der Gebühren per Banküberweisung und den überwiegenden Teil in bar zu begleichen.
44 
Dem Kläger kann es auch nicht abverlangt werden, die Besorgung der erforderlichen Unterlagen und das Entlassungsverfahren einem Bevollmächtigten zu übertragen. Einem Einbürgerungsbewerber ist es nicht zuzumuten, den Verlust seiner bisherigen Staatsangehörigkeit nur mit Hilfe einer Bestechung herbeizuführen. Genau dies wäre mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aber der Fall, wenn der Kläger einen Vermittler beauftragen würde. Nach den Erkenntnissen der Deutschen Botschaft Belgrad (Fernschreiben vom 15.4.2005) beträgt die Fälschungsquote bei Bescheinigungen über die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit ca. 75%. Diese Zahl beruhe auf einer Überprüfung der im Rahmen konsularischer Amtshandlungen vorgelegter Dokumente im Zeitraum von April 2004 bis März 2005. In dieser - zum Teil wegen geringer Fallzahl nicht wissenschaftlich repräsentativen - Statistik seien authentische Urkunden unwahren Inhalts nicht erfasst. Die Verwendung ge- und verfälschter Urkunden sei im Rechts- und Behördenverkehr in Serbien alltäglich. Ethnische Albaner hätten wegen systematischer Diskriminierung de facto keine Möglichkeit, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Sie wendeten sich daher an dubiose Vermittler, die ihnen gegen Entgelt eine unbürokratische Lösung in Aussicht stellten. Ob diese durch die Bestechung von Amtsträgern oder Integralfälschungen geschehe, hänge von der „Seriosität“ des Vermittlers ab. Bei den Vermittlern handle es sich teilweise um ehemalige Botschaftsbedienstete, die nunmehr als Rechtsanwalt tätig seien und wohl nach wie vor Verbindungen zu den Auslandsvertretungen unterhielten (Botschaftsbericht vom 21.4.2005). In einer Stellungnahme vom 3.3.2006 hat die Botschaft diese Einschätzung nochmals bestätigt.
45 
Dem halten die Beklagte und das Innenministerium Baden-Württemberg zu Unrecht ihre eigenen und bayerische Erkenntnisse entgegen, wonach kosovarische Volkszugehörige nach Auskunft des serbischen Generalkonsulats Stuttgart nach wie vor konsularisch betreut würden und viele Entlassungsverfahren durchgeführt worden seien. Die oben erwähnte hohe Fälschungsquote von 75 % zuzüglich der nicht gefälschten, aber inhaltlich unwahren Entlassungsbescheinigungen lässt es vielmehr als naheliegend erscheinen, dass diese vermeintlichen Entlassungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sind (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 28.11.2007 - AN 15 K 06.01148 -). Sollte der Verdacht der Deutschen Botschaft Belgrad zutreffen, dass auch serbische Amtsträger in „unsaubere“ Verfahren einbezogen sind, würde dies ohne Weiteres erklären, weshalb diese vorgelegte Entlassungsbescheinigungen als echt bezeichnen. Dass die einzelnen Antragsteller auf Anfrage nichts von Fälschungen oder Bestechungsgeldern erwähnen, kann ohne weiteres auf der Furcht beruhen, dass die entsprechenden Dokumente nicht anerkannt werden oder dass strafrechtliche Verfahren eingeleitet werden. Zum anderen deutet der Botschaftsbericht darauf hin, dass die jeweiligen Antragsteller durchaus gutgläubig sein können, also darauf vertrauen, dass die eingeschalteten Vermittler ihnen echte und inhaltlich wahre Dokumente besorgen. Soweit die Beklagte geltend macht, die Deutsche Botschaft sei selbst nicht mit Entlassungs- oder Einbürgerungsverfahren befasst, und mit dieser Begründung die Auskünfte der Botschaft relativieren möchte, ist darauf hinzuweisen, dass in dem Fernschreiben der Botschaft Belgrad vom 15.4.2005 ausgeführt wird, die Botschaft habe immerhin für den Zeitraum April 2004 bis März 2005 die im Rahmen diverser konsularischer Amtshandlungen vorgelegten Dokumente überprüft. Auch wenn es sich hierbei einerseits um keine repräsentative Untersuchung gehandelt haben mag, ist es andererseits naheliegend, dass es sich nicht nur um eine wenige Einzelfälle gehandelt haben wird. Schließlich stehen die Erkenntnisse der Botschaft mit den vorliegenden allgemeinen Erkenntnissen in Einklang. Allgemein sind in Serbien gefälschte oder inhaltlich unwahre Dokumente weit verbreitet. Das Auswärtige Amt führt hierzu in seinem Lagebericht zu Serbien vom 23.4.2007 aus: Die Praxis habe gezeigt, dass viele Dokumente in formeller Hinsicht echt seien, jedoch ihr Inhalt nicht den Tatsachen und den Registereinträgen entspreche. Echte Urkunden und Bescheinigungen aller Art seien gegen Bezahlung praktisch mit jedem Inhalt zu erhalten. In Einzelfällen seien selbst das Außenministerium bzw. die ehemaligen serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen als Mitträger inhaltlich unwahrer Dokumente aufgetreten. Neben den echten Dokumenten unwahren Inhalts seien auch zahlreiche komplette Fälschungen, meist schlechter Qualität, im Umlauf. Besonders hoch sei die Fälschungsquote bei Dokumenten mit Kosovo-Bezug, da im Zuge der Schließung der serbischen bzw. jugoslawischen Ämter im Kosovo im Frühjahr 1999 eine Vielzahl von Formularen und Dienstsiegeln abhanden gekommen sei.
46 
Weiter führt auch die Nichtableistung der Wehrpflicht durch den Kläger zu einer unzumutbaren Entlassungsvoraussetzung (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 28.11.2007, a.a.O.). Bei den aus dem Kosovo stammenden serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit ist nach den vorliegenden Erkenntnissen (Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.3.2005; Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 3.6.2005; Schreiben des Generalkonsulats Stuttgart vom 17.10.2005 an das Innenministerium Baden-Württemberg; AA, Lagebericht Serbien und Montenegro vom 23.9.2005) davon auszugehen, dass einerseits die Wehrpflicht zwar grundsätzlich - bis zum 60. Lebensjahr in Form einer Wehrdienstpflicht im Reservekontingent - besteht, aber andererseits mangels Einberufung nicht erfüllt werden kann. Weiter ist auch zu berücksichtigen, dass keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Kläger nicht wehrpflichtig (gewesen) sein könnte. Gesundheitliche Einschränkungen oder sonstige Gründe für eine Ausnahme von der Wehrpflicht sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Er selbst hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat versichert, er sei „topfit“ und leide an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dass er nicht wehrpflichtig (gewesen) sein könnte, erscheint demzufolge als lebensfern und als bloße fernliegende theoretische Möglichkeit. Unter diesen Umständen ist vom Kläger die Durchführung eines förmlichen Entlassungsverfahrens zwecks Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Wehrpflicht nicht zu verlangen, zumal für ihn unabhängig davon, ob eine Wehrpflicht besteht oder durchgesetzt werden soll, de facto voraussichtlich keine Möglichkeit besteht, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Die Einleitung eines Entlassungsverfahrens, dessen negatives Ende feststeht und bei dem nur unklar ist, warum es legal nicht zum Erfolg führen kann, ist eine unzumutbare Entlassungsvoraussetzung.
47 
Auch das Innenministerium Baden-Württemberg geht in seinen Vorläufigen Anwendungshinweisen vom Vorliegen einer unzumutbaren Bedingung aus, wenn die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig gemacht bzw. aus diesem Grund abgelehnt wird, sofern es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handelt. Allerdings verlangt es zu Unrecht die vorherige Durchführung eines Entlassungsverfahrens. Ist wie hier von vornherein absehbar, dass dieses nicht zum Erfolg führen kann, wäre dies ein bloßer Formalismus, der den Betroffenen nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, a.a.O.). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass für das Entlassungsverfahren einschließlich der Beschaffung der notwendigen Unterlagen schon regulär (also ohne etwaige Bestechungsgelder) ein vierstelliger Betrag aufzuwenden ist.
48 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen. Insbesondere sind die grundsätzlichen Fragen, die sich in diesem Verfahren ursprünglich gestellt haben, mittlerweile durch die Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 3.5.2007, a.a.O.) geklärt.

Gründe

 
27 
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Klage begründet ist. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert zu werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dass die sonstigen Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG erfüllt sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln.
28 
Grundsätzlich setzt eine Anspruchseinbürgerung voraus, dass Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG). Eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit ist ausnahmsweise unter anderem dann möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG).
29 
Hier ist jedenfalls die zweite Fallgestaltung (unzumutbare Bedingungen für eine Entlassung) des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG gegeben. Sie scheidet nicht bereits deshalb aus, weil es an der Einleitung eines Entlassungsverfahrens fehlt (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 5 C 3/06 -, BVerwGE 129, 20 = NVwZ 2007, 931; anders noch der 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs, Urteil vom 24.11.2005 - 12 S 1695/05 -, InfAuslR 2006, 230). Das Erfordernis eines Entlassungsantrages ist für diese Fallgestaltung nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen und folgt auch nicht aus der systematischen Stellung dieses Ausnahmegrundes. Die Gesetzesbegründung zur Vorläuferregelung in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG (BTDrucks 14/533, 19) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wenn es dort heißt, diese Bestimmung betreffe „hauptsächlich Fälle, in denen ein Entlassungsantrag gestellt wird, das Entlassungsverfahren aber im Einzelfall scheitert", erhellt dies, dass der Gesetzgeber auch andere Fallgruppen vor Augen hatte.
30 
Die hier einschlägige zweite Alternative erfasst - wie das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) entschieden hat - unter anderem die Fallgruppe der generellen Entlassungsverweigerung bei Untergruppen von Staatsangehörigen, die nach staatsangehörigkeitsrechtlich nicht anzuerkennenden Kriterien ethnischer Diskriminierung gebildet werden, soweit diese nicht bereits § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG unterfallen sollten, sowie weitere Fälle erkennbar aussichtsloser Anträge. Zwar lässt sich die Frage, ob unzumutbare Entlassungsbedingungen gestellt werden, in einer Reihe von Fällen erst im Verfahren nach gestelltem Antrag sinnvoll beantworten. Dies rechtfertigt indes nicht, auch in solchen Fällen, in denen der negative Ausgang des Verfahrens absehbar ist, einen ordnungsgemäßen Entlassungsantrag zu verlangen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Hier ist dem Kläger nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder die Entlassung aus einer (möglichen) kosovarischen (1.) noch aus der serbischen (2.) Staatsangehörigkeit in zumutbarer Weise möglich.
31 
1. Der Kläger kann aus einer (möglicherweise erworbenen) kosovarischen Staatsangehörigkeit (a) jedenfalls nicht in zumutbarer Weise entlassen werden (b).
32 
a) Die Republik Kosovo hat in § 29 ihres Staatsangehörigkeitsgesetzes geregelt, dass unter anderem die direkten Abkömmlinge derjenigen, die am 1.1.1998 jugoslawische Staatsangehörige gewesen sind und ihren Wohnsitz im Kosovo hatten, kosovarische Staatsangehörige sind (Abs. 1 i.V.m. Abs. 2). Die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis wird auf Antrag des Betroffenen wirksam (Abs. 3).
33 
Der Wortlaut des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Kosovo scheint darauf hinzudeuten, dass die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis nicht konstitutiv ist, sondern dass es sich lediglich um die deklaratorische Eintragung einer bereits kraft Gesetzes erworbenen Staatsangehörigkeit handeln soll (ebenso der Vertreter des BMI in der „Besprechung von Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsfragen“ vom 26./27.5.2008; BAMF, Entscheidungen Asyl 8/2008 „Kosovo: Staatsbürgerschaft“). Dafür spricht auch, dass die kosovarischen Behörden den Kläger offenkundig als kosovarischen Staatsangehörigen ansehen, denn sie haben ihm am 11.9.2008 einen Reisepass ausgestellt.
34 
Allerdings ist umstritten, ob eine automatische Erstreckung der Staatsangehörigkeit auf Personen wie den Kläger völkerrechtlich überhaupt zulässig ist. Das Ermessen eines Staates, im Falle einer einseitigen Sezession zu bestimmen, welche ehemaligen Angehörigen des Vorgängerstaates seine Staatsangehörigkeit erlangen sollen, ist nämlich durch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts begrenzt (s. auch Art. 25 GG). Danach setzt die Inanspruchnahme von Personen als eigene Staatsangehörige voraus, dass zwischen diesen und dem Staat eine nähere tatsächliche Beziehung („genuine connection“) besteht. Ob eine solche enge Beziehung zur Republik Kosovo bei Personen noch besteht, die wie der Kläger im Zeitpunkt der Unabhängigkeit ihren Wohnsitz nicht in dem Gebiet des neu gegründeten Staates hatten, sondern seit mehr als fünfzehn Jahren ihren Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland haben, und - wie durch den Einbürgerungsantrag belegt ist - nicht beabsichtigen, jemals auf Dauer in den Kosovo zurückzukehren, ist zumindest fraglich. Die automatische Einbeziehung könnte in diesen Fällen sowohl die Personalhoheit des Vorgängerstaates als auch das im modernen Völkerrecht anerkannte Recht des Individuums, nicht ohne seinen Willen einer neuen Staatsangehörigkeit unterworfen zu werden, verletzen (vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/2, 2. Aufl. 2003, S. 45 ff. und 64 ff.; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., Grundlagen Teil E, insbes. Rn. 44; Blumenwitz (2003) in Staudinger, Anh. I zu Art. 5 EGBGB, Rn. 42 ff.; VG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2007 - 11 K 3108/06 -, juris).
35 
b) Letztlich kann man diese Frage aber offenlassen. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass der Kläger kosovarischer Staatsangehöriger geworden ist, ist es ihm jedenfalls derzeit nicht in zumutbarer Weise möglich, aus dieser Staatsangehörigkeit entlassen zu lassen. Zwar regelt § 17 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit, und nach § 23 Abs. 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes können außerhalb des Kosovo wohnende Personen den Antrag auf Entlassung bei der nächsten Botschaft oder dem nächsten Konsulat einreichen, von welcher der Antrag an die zuständige Stelle weitergeleitet wird. Es ist indes nicht ersichtlich, welche Behörde für eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit letztlich zuständig ist. Die Verwaltungsstrukturen im Kosovo sind erst im Aufbau begriffen. Zwar werden mittlerweile wohl schon die ersten Reisepässe ausgestellt (BAMF, Informationszentrum Asyl, Briefing Notes vom 4.8. und vom 28.7.2008); außerdem sind nunmehr Botschafter u.a. auch für Deutschland ernannt worden (BAMF, Informationszentrum Asyl, Briefing Notes vom 1.9.2008). Es existiert aber zur Zeit nach den vorliegenden Erkenntnissen noch keine Botschaft und kein Konsulat der Republik Kosovo in Deutschland und seinen Nachbarländern. Es liegen auch keine Informationen darüber vor, wonach es im Kosovo Behörden geben könnte, die derzeit einen Entlassungsantrag bearbeiten dürften und könnten. Auch wohl erforderliche Regelungen über die Einzelheiten des Verfahrens liegen - soweit ersichtlich - nicht vor. Wann funktionsfähige kosovarische Behörden und Verfahrensvorschriften für ein Entlassungsverfahren vorhanden sein werden, ist derzeit nicht konkret absehbar.
36 
Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger in seiner individuellen Situation nicht zumutbar, weiter abzuwarten, bis geklärt sein wird, ob und unter welchen Bedingungen er seine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit erreichen kann. Bei der Frage der Zumutbarkeit ist nicht nur die objektive Lage, sondern auch die persönliche Situation des jeweiligen Einbürgerungsbewerbers zu berücksichtigen. Hier fällt zugunsten des Klägers erheblich ins Gewicht, dass er bereits 2002 seinen Einbürgerungsantrag gestellt hat und sein Einbürgerungsverfahren aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, bereits seit langem anhängig ist. Daher kann von ihm nicht verlangt werden, weiter zuzuwarten, bis der Aufbau der kosovarischen Verwaltung so weit abgeschlossen ist, dass ein Entlassungsverfahren bearbeitet werden kann und die konkret erforderlichen Voraussetzungen für eine Entlassung definitiv geklärt sind.
37 
2. Für den Kläger besteht nach der Überzeugung des Senats auch keine Möglichkeit, seine reguläre Entlassung aus der - nach wie vor bestehenden (a) - serbischen Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen (b).
38 
a) Der Senat geht nicht davon aus, dass die serbische Staatsangehörigkeit des Klägers durch die Unabhängigkeit des Kosovo „automatisch“ untergegangen ist (a.A. ohne nähere Begr. VG Göttingen, Urteil vom 21.5.2008 - 1 A 390/07 -, juris). Dabei kann auch hier dahinstehen, ob der Kläger überhaupt wirksam und in Einklang mit völkerrechtlichen Grundsätzen die kosovarische Staatsangehörigkeit erworben hat (s. oben unter 1.a). Denn § 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes erkennt die Mehrstaatigkeit ausdrücklich an. Die Republik Kosovo misst damit dem Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit keinen derartigen Rang zu, dass eine weitere Staatsangehörigkeit dem Erwerb ihrer Staatsangehörigkeit entgegenstehen könnte. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb das Fortbestehen der serbischen Staatsangehörigkeit von Personen wie dem Kläger, die sich im Zeitpunkt der Unabhängigkeit dauerhaft außerhalb des Kosovo aufgehalten haben, einen völkerrechtswidrigen Eingriff in die Souveränität der Republik Kosovo darstellen sollte.
39 
b) Dem Kläger ist es nicht möglich, seine reguläre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen. Auf Grund der Praxis ethnischer Diskriminierung albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo durch serbische Behörden wäre absehbar, dass ein Antrag auf Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit entweder keinen Erfolg in zumutbarer Zeit hätte oder dass dieser nur durch Bestechung erreicht werden könnte.
40 
Schon allgemein betrachtet ist die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit für den Kläger als albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo unzumutbar. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass er nach wie vor nicht im Besitz eines serbischen Passes ist. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln. In diesem Fall müsste er vor Durchführung des eigentlichen Entlassungsverfahrens zunächst seine serbische Staatsangehörigkeit nachweisen können. Denn wie sich aus dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.3.2003 sowie aus dem Protokoll vom 15.11.2004 ergibt, leitet das Generalkonsulat Stuttgart ein Entlassungsverfahren ohne einen gültigen Pass nicht ein. Nach einem vom Innenministerium Baden-Württemberg vorgelegten Merkblatt des Generalkonsulats Stuttgart ist u.a. Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses, dass ein aktueller Staatsangehörigkeitsnachweis vom Kläger beschafft wird. Erst wenn dieser vorliegt - das Innenministerium spricht im Protokoll vom 15.11.2004 selbst von längeren, unter Umständen mehrjährigen Verfahrenszeiten - kann ein Reisepass beantragt werden. Zwar ist die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsnachweises als solche nicht von vornherein unzumutbar. Dass die Behörden des Herkunftsstaates den Einbürgerungsbewerber auffordern, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, stellt grundsätzlich keine unzumutbare Bedingung dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002 auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002 - 13 S 810/02 -). Ist indes wie hier den Betroffenen aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen die Beibringung der erforderlichen Unterlagen in absehbarer Zeit nicht möglich, sind die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Fallgestaltung StAG erfüllt. Die Beklagte weist selbst darauf hin, dass ein Zeitraum von zwei Jahren oft nicht genüge, wenn ein Einbürgerungsbewerber erst seine serbische Staatsangehörigkeit nachweisen und einen serbischen Pass besorgen müsse. Mehrjährige Verfahrenslaufzeiten begründen für sich allein schon die Unzumutbarkeit. Dass die Ordnung der personenstandsrechtlichen Angelegenheiten keine - abstrakt - unzumutbare Entlassungsbedingung bildet, setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber eine realistische Chance hat, diese Entlassungsvoraussetzung unter zumutbaren Bedingungen in angemessener Zeit erfüllen zu können (vgl. BVerwG, a.a.O.).
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Für eine Unzumutbarkeit sprechen auch die Erkenntnisse mehrerer Bundesländer. Auf Anfrage des Berichterstatters teilte das Hessische Ministerium des Innern und für Sport unter dem 13.12.2007 mit, am 26.6.2007 sei bei den hessischen Einbürgerungsbehörden angefragt worden, wie viele serbische Einbürgerungsbewerber mit albanischer Volkszugehörigkeit seit dem 26.7.2006 die Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit erhalten hätten. Die Umfrage habe ergeben, dass in diesem Zeitraum keine Entlassungsbestätigungen eingegangen seien. Es seien lediglich zwei „Beschlüsse“ vorgelegt worden, die schon prima facie den Eindruck der Fälschung erweckt hätten. Auch Niedersachsen (Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 3.6.2005) und Nordrhein-Westfalen (vgl. die am 2.12.2005 erfolgte Ergänzung des Runderlasses des Innenministeriums vom 21.6.2005) gehen von einer Unzumutbarkeit aus.
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Weiter ist zu berücksichtigen, dass es dem Kläger wohl nicht möglich ist, sich persönlich um die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen zu kümmern. Die Personenstandsregister aus dem Kosovo sind nach Serbien ausgelagert worden. Ohne serbischen Reisepass hat der Kläger aber keine Möglichkeit, sich persönlich nach Serbien zu begeben, um dort die erforderlichen Unterlagen zu besorgen (vgl. bereits Senatsurteil vom 15.11.2002 auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002, a.a.O.). Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat, die für die Passausstellung zuständige kosovarische Behörde habe Unterlagen zur Verfügung gehabt, die dort als Nachweis seiner Identität ausgereicht hätten, ist nicht klar, um welche Dokumente es sich hierbei genau gehandelt hat; es bedeutet zudem nicht, dass auch serbische Behörden diese Unterlagen anerkennen würden.
43 
Auch ob der Kläger als albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo Zugang zu Dienstleistungen der serbischen Auslandsvertretungen hat, ist äußerst fraglich. Verschiedene Auskünfte deuten darauf hin, dass dies nicht der Fall ist (Botschaftsbericht der Botschaft Belgrad vom 6.4. und vom 6.6.2005; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration vom 10.3.2008). Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.3.2008 an das Verwaltungsgericht Münster nimmt derzeit keine diplomatische Vertretung in Deutschland die konsularischen Belange der kosovarischen Staatsangehörigen bis zur Eröffnung einer kosovarischen Vertretung wahr. Die Deutsche Botschaft Belgrad geht hierbei davon aus, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine systematische kriminelle Kollusion zwischen den Auslandsvertretungen und „dubiosen“ serbischen Rechtsanwälten handelt. Dem hält indes die Beklagte entgegen, das serbische Generalkonsulat Stuttgart habe dem Innenministerium Baden-Württemberg unter dem 7.7.2008 mitgeteilt, dass nach der serbischen Verfassung das Kosovo Teil des Staatsgebiets sei und das Konsulat weiterhin allen seinen Staatsbürgern aus dem Kosovo für konsularisch-juristische Dienstleistungen wie z.B. für Entlassungen aus der serbischen Staatsangehörigkeit zur Verfügung stehe. Diese Angabe beruht allerdings nur auf wenigen Referenzfällen, von denen der Kläger unwidersprochen behauptet, aus den vorgelegten Dokumenten gehe hervor, dass es sich um Roma und nicht um albanische Volkszugehörige gehandelt habe. Die Beklagte hat zudem auch mitgeteilt, nach Auskunft des Regierungspräsidiums Karlsruhe hätten betroffene albanische Volkszugehörige überwiegend berichtet, dass sie im serbischen Generalkonsulat Stuttgart - soweit sie überhaupt vorgelassen worden seien - sehr unfreundlich behandelt worden seien; allerdings könne auch nicht gesagt werden, dass das Generalkonsulat seine konsularische Tätigkeit für albanische Volkszugehörige ganz eingestellt habe. Zu denken gibt im Zusammenhang mit der in Serbien weit verbreiteten Korruption auch, dass der Kläger seinem Vortrag zufolge auf seinen formlosen Entlassungsantrag hin vom Generalkonsulat Stuttgart aufgefordert worden ist, nur einen Teil der Gebühren per Banküberweisung und den überwiegenden Teil in bar zu begleichen.
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Dem Kläger kann es auch nicht abverlangt werden, die Besorgung der erforderlichen Unterlagen und das Entlassungsverfahren einem Bevollmächtigten zu übertragen. Einem Einbürgerungsbewerber ist es nicht zuzumuten, den Verlust seiner bisherigen Staatsangehörigkeit nur mit Hilfe einer Bestechung herbeizuführen. Genau dies wäre mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aber der Fall, wenn der Kläger einen Vermittler beauftragen würde. Nach den Erkenntnissen der Deutschen Botschaft Belgrad (Fernschreiben vom 15.4.2005) beträgt die Fälschungsquote bei Bescheinigungen über die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit ca. 75%. Diese Zahl beruhe auf einer Überprüfung der im Rahmen konsularischer Amtshandlungen vorgelegter Dokumente im Zeitraum von April 2004 bis März 2005. In dieser - zum Teil wegen geringer Fallzahl nicht wissenschaftlich repräsentativen - Statistik seien authentische Urkunden unwahren Inhalts nicht erfasst. Die Verwendung ge- und verfälschter Urkunden sei im Rechts- und Behördenverkehr in Serbien alltäglich. Ethnische Albaner hätten wegen systematischer Diskriminierung de facto keine Möglichkeit, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Sie wendeten sich daher an dubiose Vermittler, die ihnen gegen Entgelt eine unbürokratische Lösung in Aussicht stellten. Ob diese durch die Bestechung von Amtsträgern oder Integralfälschungen geschehe, hänge von der „Seriosität“ des Vermittlers ab. Bei den Vermittlern handle es sich teilweise um ehemalige Botschaftsbedienstete, die nunmehr als Rechtsanwalt tätig seien und wohl nach wie vor Verbindungen zu den Auslandsvertretungen unterhielten (Botschaftsbericht vom 21.4.2005). In einer Stellungnahme vom 3.3.2006 hat die Botschaft diese Einschätzung nochmals bestätigt.
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Dem halten die Beklagte und das Innenministerium Baden-Württemberg zu Unrecht ihre eigenen und bayerische Erkenntnisse entgegen, wonach kosovarische Volkszugehörige nach Auskunft des serbischen Generalkonsulats Stuttgart nach wie vor konsularisch betreut würden und viele Entlassungsverfahren durchgeführt worden seien. Die oben erwähnte hohe Fälschungsquote von 75 % zuzüglich der nicht gefälschten, aber inhaltlich unwahren Entlassungsbescheinigungen lässt es vielmehr als naheliegend erscheinen, dass diese vermeintlichen Entlassungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sind (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 28.11.2007 - AN 15 K 06.01148 -). Sollte der Verdacht der Deutschen Botschaft Belgrad zutreffen, dass auch serbische Amtsträger in „unsaubere“ Verfahren einbezogen sind, würde dies ohne Weiteres erklären, weshalb diese vorgelegte Entlassungsbescheinigungen als echt bezeichnen. Dass die einzelnen Antragsteller auf Anfrage nichts von Fälschungen oder Bestechungsgeldern erwähnen, kann ohne weiteres auf der Furcht beruhen, dass die entsprechenden Dokumente nicht anerkannt werden oder dass strafrechtliche Verfahren eingeleitet werden. Zum anderen deutet der Botschaftsbericht darauf hin, dass die jeweiligen Antragsteller durchaus gutgläubig sein können, also darauf vertrauen, dass die eingeschalteten Vermittler ihnen echte und inhaltlich wahre Dokumente besorgen. Soweit die Beklagte geltend macht, die Deutsche Botschaft sei selbst nicht mit Entlassungs- oder Einbürgerungsverfahren befasst, und mit dieser Begründung die Auskünfte der Botschaft relativieren möchte, ist darauf hinzuweisen, dass in dem Fernschreiben der Botschaft Belgrad vom 15.4.2005 ausgeführt wird, die Botschaft habe immerhin für den Zeitraum April 2004 bis März 2005 die im Rahmen diverser konsularischer Amtshandlungen vorgelegten Dokumente überprüft. Auch wenn es sich hierbei einerseits um keine repräsentative Untersuchung gehandelt haben mag, ist es andererseits naheliegend, dass es sich nicht nur um eine wenige Einzelfälle gehandelt haben wird. Schließlich stehen die Erkenntnisse der Botschaft mit den vorliegenden allgemeinen Erkenntnissen in Einklang. Allgemein sind in Serbien gefälschte oder inhaltlich unwahre Dokumente weit verbreitet. Das Auswärtige Amt führt hierzu in seinem Lagebericht zu Serbien vom 23.4.2007 aus: Die Praxis habe gezeigt, dass viele Dokumente in formeller Hinsicht echt seien, jedoch ihr Inhalt nicht den Tatsachen und den Registereinträgen entspreche. Echte Urkunden und Bescheinigungen aller Art seien gegen Bezahlung praktisch mit jedem Inhalt zu erhalten. In Einzelfällen seien selbst das Außenministerium bzw. die ehemaligen serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen als Mitträger inhaltlich unwahrer Dokumente aufgetreten. Neben den echten Dokumenten unwahren Inhalts seien auch zahlreiche komplette Fälschungen, meist schlechter Qualität, im Umlauf. Besonders hoch sei die Fälschungsquote bei Dokumenten mit Kosovo-Bezug, da im Zuge der Schließung der serbischen bzw. jugoslawischen Ämter im Kosovo im Frühjahr 1999 eine Vielzahl von Formularen und Dienstsiegeln abhanden gekommen sei.
46 
Weiter führt auch die Nichtableistung der Wehrpflicht durch den Kläger zu einer unzumutbaren Entlassungsvoraussetzung (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 28.11.2007, a.a.O.). Bei den aus dem Kosovo stammenden serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit ist nach den vorliegenden Erkenntnissen (Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.3.2005; Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 3.6.2005; Schreiben des Generalkonsulats Stuttgart vom 17.10.2005 an das Innenministerium Baden-Württemberg; AA, Lagebericht Serbien und Montenegro vom 23.9.2005) davon auszugehen, dass einerseits die Wehrpflicht zwar grundsätzlich - bis zum 60. Lebensjahr in Form einer Wehrdienstpflicht im Reservekontingent - besteht, aber andererseits mangels Einberufung nicht erfüllt werden kann. Weiter ist auch zu berücksichtigen, dass keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Kläger nicht wehrpflichtig (gewesen) sein könnte. Gesundheitliche Einschränkungen oder sonstige Gründe für eine Ausnahme von der Wehrpflicht sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Er selbst hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat versichert, er sei „topfit“ und leide an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dass er nicht wehrpflichtig (gewesen) sein könnte, erscheint demzufolge als lebensfern und als bloße fernliegende theoretische Möglichkeit. Unter diesen Umständen ist vom Kläger die Durchführung eines förmlichen Entlassungsverfahrens zwecks Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Wehrpflicht nicht zu verlangen, zumal für ihn unabhängig davon, ob eine Wehrpflicht besteht oder durchgesetzt werden soll, de facto voraussichtlich keine Möglichkeit besteht, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Die Einleitung eines Entlassungsverfahrens, dessen negatives Ende feststeht und bei dem nur unklar ist, warum es legal nicht zum Erfolg führen kann, ist eine unzumutbare Entlassungsvoraussetzung.
47 
Auch das Innenministerium Baden-Württemberg geht in seinen Vorläufigen Anwendungshinweisen vom Vorliegen einer unzumutbaren Bedingung aus, wenn die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig gemacht bzw. aus diesem Grund abgelehnt wird, sofern es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handelt. Allerdings verlangt es zu Unrecht die vorherige Durchführung eines Entlassungsverfahrens. Ist wie hier von vornherein absehbar, dass dieses nicht zum Erfolg führen kann, wäre dies ein bloßer Formalismus, der den Betroffenen nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, a.a.O.). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass für das Entlassungsverfahren einschließlich der Beschaffung der notwendigen Unterlagen schon regulär (also ohne etwaige Bestechungsgelder) ein vierstelliger Betrag aufzuwenden ist.
48 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen. Insbesondere sind die grundsätzlichen Fragen, die sich in diesem Verfahren ursprünglich gestellt haben, mittlerweile durch die Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 3.5.2007, a.a.O.) geklärt.

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 Abs. 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres 2005 (EStG).

2

Die Klägerin und ihr Ehemann B. sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Herr B. war Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der C-GmbH in S. (GmbH). Das Stammkapital von 50.000 DM (= 25.565 €) hielt Herr B. in seinem Privatvermögen. Über das Vermögen des Herrn B. wurde am ... Mai 2005 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet; der Schlusstermin fand am 20. November 2008 statt; am 16. Juni 2011 ist Herrn B. Restschuldbefreiung erteilt worden.

3

Mit Beschluss vom ... November 2003 eröffnete das Amtsgericht M. das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung und bestellte Dipl.-Betriebswirt R. zum Insolvenzverwalter. Nach einem Bericht des Insolvenzverwalters vom 03. Februar 2004 hatte die GmbH zu diesem Zeitpunkt unter Ansatz von Liquidationswerten ein Aktivvermögen von 23.800 € und fällige Verbindlichkeiten i.H.v. 415.700 €. Der Insolvenzverwalter ging jedoch davon aus, dass „aus den umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen voraussichtlich noch weitere Beträge für die Masse generiert werden können“. Im Übrigen stellte der Insolvenzverwalter fest, dass die GmbH „bei vorläufiger Betrachtung“ bereits 2002 überschuldet, seit Juli 2003 zahlungsunfähig und der Geschäftsbetrieb zum 31. Juli 2003 eingestellt war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht des Insolvenzverwalters vom 03. Februar 2004 verwiesen. Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2007 zeigte der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht an, dass Masseunzulänglichkeit nach § 208 Insolvenzordnung (InsO) vorliegt.

4

In seinen Schlussbericht vom 09. September 2013 führte der Insolvenzverwalter aus, seit dem 03. November 2004 ein Zivilverfahren gegen eine P-GmbH auf Bewilligung der Eigentumsumschreibung an im Bebauungsgebiet „...“ in S. gelegenen unerschlossenen Grundstücken mit einer Gesamtgröße von 27.333 qm, welche die GmbH mit notariellem Vertrag vom 08. Juli 2003 an die P-GmbH zu einem Kaufpreis von 342.032,54 € veräußert hatte, geführt zu haben. Geschäftsführer der P-GmbH war Herr B., der Ehemann der Klägerin; alleiniger Gesellschafter der P-GmbH war der Sohn der Eheleute B. Nach rechtskräftigem und - aus Sicht des Insolvenzverwalters - erfolgreichem Abschluss des Zivilverfahrens am 28. Dezember 2005 erfolgte im Frühjahr 2006 die Eigentumsumschreibung der Grundstücke auf die GmbH. Seitdem war Hauptaufgabe des Insolvenzverwalters, sich um die Verwertung dieser Grundstücke zu bemühen. Nachdem der Insolvenzverwalter in einem Bericht vom 06. Februar 2007 bezüglich zwei dieser Grundstücke, welche er nicht näher bezeichnete, noch von einem erzielbaren Veräußerungserlös von circa 25 bis 30 €/qm ausgegangen war, veräußerte er am 08. Juli 2009 an die Klägerin ein (Teil-) Grundstück mit einer Größe von 17.131 qm zu einem Preis von insgesamt (nur) 5.000 € und stellte in seinem Schlussbericht fest, dass die restlichen Grundstücke nicht verwertbar seien. Wegen der Einzelheiten zu den „Verwertungsbemühungen“ des Insolvenzverwalters wird auf dessen Berichte vom 09. Februar 2006, 06. Februar 2007 sowie dessen Schlussbericht und Schlussrechnung vom 09. September 2013 verwiesen.

5

Des Weiteren führte der Insolvenzverwalter ein Zivilverfahren gegen Herrn B. - den Ehemann der Klägerin - wegen der Rückzahlung überhöhter Geschäftsführervergütungen in den Jahren 1998 bis 2001 i.H.v. insgesamt 108.010,40 €, das am 13. Mai 2005 durch die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn B. unterbrochen wurde, ohne in der Folgezeit von den Parteien des Rechtsstreits aufgenommen zu werden. Ausweislich des Gläubigerverzeichnisses nach § 152 InsO des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn B., Stand 24. Juni 2005, hat der Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH die Forderungen am 16. Juni 2005 im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn B. zur Tabelle angemeldet. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn B. hat die angemeldeten Forderungen ausweislich seines Schlussberichts vom 26. November 2007 am 21. Juni 2007 in angemeldeter Höhe festgestellt. Im Schlusstermin des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn B. am 20. November 2008 sind - den Feststellungen im Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 26. November 2007 folgend - Insolvenzforderungen i.H.v. insgesamt 1.003.851,32 € zur Tabelle festgestellt worden; verwertbare Vermögensgegenstände waren nicht vorhanden. Wegen der Einzelheiten wird auf die in den Akten befindlichen Gläubigerverzeichnisse und den Schlussbericht aus dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn B. verwiesen.

6

Im Insolvenzverfahren der GmbH beschloss das Insolvenzgericht im Schlusstermin am 21. November 2013 - den Feststellungen im Schlussbericht des Insolvenzverwalter vom 09. September 2013 folgend -, dass für eine Verteilung auf die anerkannten Insolvenzforderungen i.H.v. 665.895,53 € keine Masse zur Verfügung stehe, und stellte das Insolvenzverfahren - da die Insolvenzmasse nicht ausreichte, um die Kosten des Verfahrens zu decken - mit Beschluss vom 04. Februar 2014 nach § 207 InsO ein.

7

Nachdem die Klägerin und ihr Ehemann am 28. September 2006 eine gemeinsame Steuererklärung eingereicht hatten, setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA - ) die Einkommensteuer 2005 mit Bescheid vom 01. November 2006 erklärungsgemäß fest. Hiergegen richteten sich die Klägerin und ihr Ehemann mit Einspruch vom 06. November 2006 und begehrten die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks hinsichtlich des Verlustes des Ehemanns der Klägerin aus seiner Beteiligung an der GmbH oder das Ruhen des Verfahrens bis endgültig geklärt sei, in welchem Jahr der Verlust zu berücksichtigen sei. Das FA hat den Einspruch gegenüber der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2010 als unbegründet zurückgewiesen.

8

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, es sei zumindest i.H. des Stammkapitals von 50.000 DM (= 25.565 €) ein Auflösungsverlust im Streitjahr zu berücksichtigen. Hierzu trägt sie im Wesentlichen vor: Zwar entstehe ein Auflösungsverlust regelmäßig erst mit Abschluss des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der insolventen GmbH. Andererseits könne der Verlust schon dann geltend gemacht werden, wenn - wie hier - der Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen könne und wenn feststehe, dass der Gesellschafter keine weiteren nach § 17 Abs. 2 EStG noch zusätzlich zu berücksichtigenden wesentlichen Aufwendungen haben werde. Unter Hinweis auf den Schlussbericht des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH vertritt die Klägerin den Standpunkt, dass spätestens seit dem 28. Dezember 2005 die Vermögenslage der GmbH mit der Folge festgestanden habe, dass an den Ehemann der Klägerin als alleinigen Gesellschafter der GmbH keine Ausschüttungen erfolgen würden. Anderseits habe der Ehemann der Klägerin aufgrund seiner Privatinsolvenz mit keinen weiteren Verbindlichkeiten aus der Insolvenz der GmbH belastet werden können.

9

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom 01. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2010 bei den Einkünften des Ehemanns der Klägerin einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 25.565 € zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen;
hilfsweise, den Insolvenzverwalter über das Vermögen der C-GmbH in S. - Dipl.-Betriebswirt R. - als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der Zeuge als Insolvenzverwalter der C-GmbH keine Forderungen der C- GmbH im Verbraucherinsolvenzverfahren des  B. angemeldet hat.

10

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

11

Das FA ist der Auffassung, die Berücksichtigung des Auflösungsverlusts vor Beendigung des Insolvenzverfahrens komme nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn ohne weitere Ermittlungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird, und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheine. Vorliegend seien diese Voraussetzungen nicht gegeben. Die GmbH habe bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch verwertbare Vermögenswerte besessen und die konkreten Verwertungsergebnisse seien noch nicht absehbar gewesen.

12

In der mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2013 ist ein an die Klägerin gerichteter Auflagenbeschluss verkündet worden, auf den Bezug genommen wird. Hierzu hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 03. April 2014 Stellung genommen.

13

Dem Senat haben die Verfahrensakten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der C-Bau GmbH in S. (Az. ... Amtsgericht M.) und des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des B. (Az. ... Amtsgericht M.) vorgelegen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung eines Verlustes des Ehemanns der Klägerin aus der Auflösung der GmbH gemäß § 17 Abs. 4 EStG sind im Streitjahr 2005 nicht erfüllt. Im Einzelnen:

15

Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter – wie im Streitfall der Ehemann der Klägerin – innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (BFH-Urteil vom 02. April 2008 IX R 76/06, BStBl II 2008, 706). Auflösungsgewinn oder -verlust i.S.d. § 17 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 und 2 EStG ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft und den Anschaffungskosten der Beteiligung (BFH-Urteil vom 08. April 1998 VIII R 21/94, BStBl II 1998, 660).

16

Im Streitfall ist die GmbH am ... November 2003 gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden. Die Entstehung eines nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Auflösungsverlusts setzt neben der zivilrechtlichen Auflösung der Kapitalgesellschaft weiter voraus, dass (auf Gesellschaftsebene) die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann und (auf Gesellschafterebene) absehbar ist, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG berücksichtigungsfähige Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen; insofern dürfen keine wesentlichen Änderungen mehr zu erwarten sein (BFH-Urteil vom 25. März 2003 VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305). Diese Voraussetzungen sind im Fall der Auflösung mit anschließender Liquidation regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761).

17

Im Streitfall war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH erst im Jahr 2014 abgeschlossen, sodass im Streitjahr 2005 der Regelfall der Entstehung eines Auflösungsverlustes noch nicht eingetreten war.

18

Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Auflösungsverlust realisiert ist, schon vor dem Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlusts nicht mehr zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 28. Oktober 2008 IX R 100/07, BFH/NV 2009, 561). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse rechtskräftig abgelehnt wurde (BFH-Beschluss vom 19. April 2004 VIII R 45/04, BFH/NV 2005, 1545) oder die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war (BFH-Beschluss vom 04. November 1997 VIII R 18/94, BStBl II 1999, 344).Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

19

Die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes kommt ausnahmsweise auch dann schon vor dem Abschluss des Liquidationsverfahrens in Betracht, wenn auf Grund des Inventars und der Insolvenzeröffnungsbilanz des Insolvenzverwalters (§§ 151, 153f. InsO) oder einer Zwischenrechnungslegung (§ 66 Abs. 2 InsO)ohne weitere Ermittlungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird (BFH-Urteile vom 25. Januar 2000 VIII R 63/98, BStBl II 2000, 343, und vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761).

20

Auch nach diesen Maßstäben liegt im Streitfall kein Ausnahmesachverhalt vor. Zwar standen nach dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 03. Februar 2004 bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am ... November 2003 unter Ansatz von Liquidationswerten einem Aktivvermögen von 23.800 € fällige Verbindlichkeiten von 415.700 € gegenüber. Der Insolvenzverwalter ging jedoch davon aus, dass „aus den umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen voraussichtlich noch weitere Beträge für die Masse generiert werden können“. Dies spricht nach Überzeugung des Senats dafür, dass bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen war, dass das Vermögen zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird.

21

Im Streitjahr 2005 dürfte dann zwar festgestanden haben, dass auf der Gesellschafterebene aufgrund des am ... Mai 2005 über das Vermögen des Ehemanns der Klägerin eröffneten Privatinsolvenzverfahrens absehbar war, dass bei der Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten der wesentlichen Beteiligung des Ehemanns der Klägerin keine wesentlichen Änderungen mehr eintreten werden und dementsprechend die Anschaffungskosten (nur) mit dem Stammkapital i.H.v. 50.000 DM (= 25.565 €) anzusetzen sind. Denn der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten i.S.d. § 17 EStG erfasst nicht solche Verpflichtungen des Gesellschafters aus dem Gesellschaftsverhältnis, die der Gesellschafter - wie hier - im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme wegen Zahlungsunfähigkeit nicht erfüllen kann (BFH-Urteile vom 25. März 2003 VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305, und vom 08. April 1998 VIII R 21/94, BStBl II 1998, 660).

22

Allerdings war im Streitjahr 2005 auf der Gesellschaftsebene die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an den Ehemann der Klägerin als Alleingesellschafter (noch) nicht ausgeschlossen. Der Insolvenzverwalter führte seit dem 03. November 2004 ein Zivilverfahren auf Bewilligung der Eigentumsumschreibung an im Bebauungsgebiet „...“ in S. gelegenen unerschlossenen Grundstücken mit einer Gesamtgröße von 27.333 qm, welche die GmbH mit notariellem Vertrag vom 08. Juli 2003 an die B-GmbH zu einem Kaufpreis von 342.032,54 € veräußert hatte. Mit rechtskräftigem Abschluss des Zivilverfahrens am 28. Dezember 2005 standen der GmbH mit diesen Grundstücken nicht unerhebliche Vermögenswerte zu. Zur Bewertung und Verwertung der Grundstücke konnten die Beteiligten bis zum Ende des Streitjahrs 2005 zwar (erste) Prognosen anstellen, ohne weitere umfangreiche Ermittlungen und Anstrengungen des Insolvenzverwalters zur Bewertung und Vermarktung der Grundstücke - welche der Insolvenzverwalter ausweislich seines Schlussberichts und seiner Schlussrechnung vom 09. September 2013 nach der Eigentumsumschreibung der Grundstücke im Frühjahr 2006 veranlasste - waren jedoch am 31. Dezember 2005 konkrete Verwertungsergebnisse noch nicht absehbar. Dies zeigt der Bericht des Insolvenzverwalters vom 09. Februar 2006, in dem er dem Insolvenzgericht mitteilte, die Grundstücke nach dem 28. Dezember 2005 (erstmals) in Augenschein genommen zu haben, und ankündigte, sich neben einer zeitnahen Eigentumsumschreibung der Grundstücke um deren Erschließung und Vermarktung zu bemühen. Entsprechend seiner Ankündigung unternahm der Insolvenzverwalter ausweislich seines Berichts vom 06. Februar 2007 in der Folgezeit umfangreiche Bemühungen, „die Erschließung des Baugebietes voranzutreiben“.

23

Im Übrigen führte der Insolvenzverwalter in seinem Bericht vom 06. Februar 2007 aus, für zwei der Grundstücke - die er nicht näher bezeichnete - sei ein Käufer vorhanden; er - der Insolvenzverwalter - gehe von einem erzielbaren Kaufpreis von circa 25 bis 30 €/qm aus. Hochgerechnet auf die Gesamtfläche der zu verwertenden Grundstücke von 27.333 qm hätte sich danach ein erzielbarer Kaufpreis von circa 683.325 € bis 819.990 € ergeben; mithin ein Kaufpreis, der jedenfalls zum Ausgleich der bei Insolvenzverfahrenseröffnung fälligen Verbindlichkeiten i.H.v. 415.700 € gereicht hätte. Andererseits veräußerte der Insolvenzverwalter am 08. Juli 2009 an die Klägerin zwar ein (Teil-) Grundstück mit einer Größe von 17.131 qm zu einem Kaufpreis von insgesamt (nur) 5.000 € und stellte im Schlussbericht vom 09. September 2013 sogar die Unverwertbarkeit der restlichen Grundstücke fest. Die Feststellung der Unverwertbarkeit der Grundstücke - und die damit einhergehende Feststellung, dass das Vermögen der GmbH die Schulden nicht mehr decken wird - war jedoch zum Ende des Streitjahrs 2005 noch nicht ansatzweise absehbar.

24

Erst im Jahr 2007 mit Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter am 14. Mai 2007 dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestanden haben, dass das Vermögen der GmbH zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und eine Auskehrung von Restvermögen an Herrn B. als Alleingesellschafter der GmbH ausgeschlossen werden kann.

25

Dem Antrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2014, den Insolvenzverwalter über das Vermögen der C-GmbH in S. - Dipl.-Betriebswirt R. – als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass er als Insolvenzverwalter der C-GmbH keine Forderungen der C-GmbH im Verbraucherinsolvenzverfahren des  B. angemeldet hat, folgt der Senat nicht. Denn die Tatsache, die bewiesen werden soll, ist für die Entscheidung unerheblich. Der Senat kann - da im Streitjahr die Voraussetzungen für die Entstehung eines Auflösungsverlusts auf der Gesellschaftsebene nicht vorlagen - dahinstehen lassen, ob auf der Gesellschafterebene aufgrund des am ... Mai 2005 über das Vermögen des Ehemanns der Klägerin eröffneten Privatinsolvenzverfahrens bereits im Streitjahr absehbar war, dass bei der Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten der wesentlichen Beteiligung des Ehemanns der Klägerin keine wesentlichen Änderungen mehr eintreten werden.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).


(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Oktober 2012 - 11 K 1376/12 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt eine erneute Entscheidung über seinen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der am ...1971 geborene Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger. Er reiste 1993 in das Bundesgebiet ein. Am 15.04.1994 heiratete er eine zwischenzeitlich eingebürgerte Landsmännin. Aus der Ehe gingen zwei 1995 und 1998 geborene Töchter hervor, die ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
Am 27.02.1995 wurde dem Kläger erstmals eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit dem 20.10.2011 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG.
Mit Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Hall vom 21.06.2000 wurde der Kläger wegen Diebstahls in drei Fällen in Tatmehrheit mit Urkundenfälschung, Diebstahl und Beihilfe zum Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Wirkung vom 31.07.2003 wurde die Strafe erlassen.
Erstmals hatte der Kläger im September 2006 seine Einbürgerung beantragt. Nachdem ihm das Landratsamt Schwäbisch Hall unter Hinweis auf die strafgerichtliche Verurteilung und die Dauer der Tilgungsfrist bis 2015 die Ablehnung des Antrags in Aussicht gestellt hatte, nahm er den Einbürgerungsantrag am 01.03.2007 zurück.
Am 19.01.2011 beantragte der Kläger erneut die Einbürgerung. Nach vorheriger Anhörung lehnte das Landratsamt Schwäbisch Hall den Antrag mit Bescheid vom 29.07.2011 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Ein Einbürgerungsanspruch bestehe nicht, weil die rechtskräftige Verurteilung vom 21.06.2000 nicht unberücksichtigt bleiben könne und auch keine nur unerhebliche Überschreitung der Erheblichkeitsgrenzen vorliege. Bei der Ermessenseinbürgerung gelte nichts anderes. Verurteilungen könnten im Einbürgerungsverfahren nur dann als unschädlich angesehen werden, wenn sie aus dem Bundeszentralregister getilgt seien. Davon sei hier frühestens im Jahr 2015 auszugehen. Es sei auch kein Grund ersichtlich, der beim Kläger eine Verkürzung der Vorwerfbarkeit der Straffälligkeit in Abweichung davon rechtfertigen könnte. Die Tilgung stehe nicht unmittelbar bevor und es drohe keine Staatenlosigkeit oder ein Verlust des Arbeitsplatzes. Derzeit bestehe auch kein öffentliches Interesse an der Einbürgerung des Klägers.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2012 als unbegründet zurück.
Am 24.04.2012 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über seinen Einbürgerungsanspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Er habe zwar keinen Rechtsanspruch auf Einbürgerung, doch sei deren Versagung ermessensfehlerhaft. Der Beklagte verkenne schon den Unterschied zwischen § 8 und § 10 StAG. § 12 a StAG schließe bei entsprechender strafgerichtlicher Verurteilung nur den Einbürgerungsanspruch aus. Für eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung reiche der bloße Verweis auf § 51 BZRG nicht aus. Vorliegend sei ermessensrelevant, dass der Kläger sich seit annähernd 20 Jahren in Deutschland aufhalte, die einzige Verurteilung im Jahr 2000 erfolgt sei, er sich seither vorbildlich verhalten habe und ihm die Strafe 2003 erlassen worden sei. Zudem habe der Beklagte § 9 StAG nicht beachtet. Trotz dieser Soll-Vorschrift habe der Beklagte keine Verkürzung der Tilgungsfrist erwogen, obwohl es sich um eine erstmalige Verurteilung gehandelt habe und die Gefahr künftiger Straftaten nicht bestehe. Der Beklagte handele auch widersprüchlich, wenn er dem Kläger einerseits eine Niederlassungserlaubnis erteile und andererseits die Einbürgerung verweigere.
Der Beklagte trat der Klage entgegen. Er führte aus, es sei kein Grund ersichtlich, der eine Verkürzung der Vorwerfbarkeit der Straffälligkeit in Abweichung von den Tilgungsfristen rechtfertigen könnte. Es bestehe auch im Rahmen von § 8 StAG kein öffentliches Interesse an der Einbürgerung und ein besonderer Härtegrund sei nicht ersichtlich. Ebenso scheide eine Einbürgerung nach § 9 StAG aus, weil dafür auch alle Voraussetzungen nach § 8 StAG erfüllt sein müssten. Die Niederlassungserlaubnis sei dem Kläger nicht von der Einbürgerungs-, sondern von der Ausländerbehörde erteilt worden und zudem seien die jeweiligen Voraussetzungen unterschiedlich.
10 
Mit Urteil vom 08.10.2012 (- 11 K 1376/12 - juris) hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Beklagten unter Aufhebung des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheides verpflichtet, über den Einbürgerungsanspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Zwar habe der Kläger aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 oder § 9 StAG, doch sei nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 StAG eine Ermessensentscheidung über den Einbürgerungsantrag aus Gründen des öffentlichen Interesses geboten. Der Begriff des öffentlichen Interesses sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der weit zu verstehen und insbesondere im Zusammenhang mit den zahlreichen Einbürgerungserleichterungen bei der Ermessensausübung nach § 8 StAG zu sehen sei, in welchen das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung des dadurch privilegierten Personenkreises zum Ausdruck komme. Jedenfalls in Fällen wie hier erweitere sich der privilegierte Personenkreis durch die Verweisung in § 9 Abs. 1 StAG, so dass bei der Bestimmung des öffentlichen Interesses und bei der Ausübung des Ermessens nach § 8 Abs. 2 StAG die Ziele zu berücksichtigen seien, die der Gesetzgeber mit § 9 Abs. 1 StAG verfolgt habe: Nach § 9 Abs. 1 StAG sollten Ehepartner Deutscher unter den Voraussetzungen des § 8 StAG zur Herstellung einer einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit in der Familie eingebürgert werden. Dies sei Ausfluss des Art. 6 Abs. 1 GG, der den Staat verpflichte, die Einheit und Selbstverantwortung der Familie zu respektieren und zu fördern und der dahin wirke, dass eine einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie wünschenswert sei, weil sie ihren Zusammenhalt regelmäßig fördere. Die Behörde halte sich regelmäßig im Rahmen ihres Ermessens nach § 8 Abs. 2 StAG, wenn sie sich bei der Beurteilung der Frage, ob die Einbürgerung im staatlichen Interesse liege, auch von dem Prinzip der einheitlichen Staatsangehörigkeit in der Familie leiten lasse, denn dieses Prinzip spreche dann, wenn andere von der Einbürgerung berührte staatliche Interessen gewahrt seien, für die Einbürgerung ausländischer Ehegatten deutscher Staatsangehöriger. Die Kernfamilie des Klägers bestehe aus deutschen Staatsangehörigen, nur der Kläger verfüge nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit. Somit könne nach diesen Grundsätzen durch seine Einbürgerung dem Grundsatz der einheitlichen Staatsangehörigkeit in der Familie Rechnung getragen werden. Es sei damit grundsätzlich vom Vorliegen eines dahin gehenden öffentlichen Interesses an der Einbürgerung des Klägers auszugehen. Dies habe vorliegend zur Folge, dass der Kläger eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über seine Einbürgerung zum jetzigen Zeitpunkt verlangen könne. Ob andere von der Einbürgerung berührte staatliche Interessen gewahrt würden, sei Gegenstand der Abwägung im Rahmen der Ermessensbetätigung. Dass dies nicht der Ausschluss der Ermessenseinbürgerung im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers sein könne, ergebe sich aber schon aus der eindeutigen Regelung in § 8 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 StAG.
11 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 31.01.2013 - 1 S 2357/12 - zugelassenen Berufung trägt der Beklagte unter Bezugnahme auf die Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung im Wesentlichen vor: Das öffentliche Interesse, die Einbürgerung bei fehlender strafrechtlicher Unbescholtenheit zu versagen, gehe dem Interesse des Klägers an der Einbürgerung vor. Eine strafgerichtliche Verurteilung könne grundsätzlich bis zur Tilgung im Bundeszentralregister vorgehalten werden. Die Privilegierung des § 9 StAG bestehe darin, dass aus einer Kann-Einbürgerung nach Maßgabe des § 8 StAG bei Ehegatten Deutscher eine Soll-Einbürgerung werde. § 9 StAG gehe aber nicht so weit, dass von den Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 StAG abgesehen werde. Das Verwaltungsgericht verkenne diese Systematik, indem es annehme, dass durch die Ehegatteneigenschaft des Klägers das Ermessen nach § 8 Abs. 2 StAG eröffnet werde. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie begründe nicht stets ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG. Ein solches bestehe vielmehr nur dann, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbewerbers abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung bestehe, das es ausnahmsweise rechtfertigen könne, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit einzubürgern. Diese Voraussetzungen lägen hier gerade nicht vor. Dass die Ehefrau des Klägers Deutsche sei, sei der Anwendung des § 9 StAG immanent. Auch die deutsche Staatsangehörigkeit der Kinder vermöge ein staatliches Interesse an der Einbürgerung des Klägers nicht zu begründen.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Oktober 2012 - 11 K 1376/12 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Nur bei Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Kernfamilie werde die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates zum Schutz der Ehe und Familie ausreichend erfüllt. Wenn der Beklagte Recht hätte, wäre im Falle einer Straffälligkeit die Staatsangehörigkeit des Ehepartners und der Kernfamilie völlig bedeutungslos. Dies habe der Gesetzgeber nicht gewollt und hätte es verfassungsrechtlich auch nicht wollen dürfen. Das angefochtene Urteil habe keineswegs zur Folge, dass jeder straffällige Ausländer mit deutschem Ehepartner eingebürgert werden müsse. Vielmehr sei lediglich eine Ermessensbetätigung erforderlich. Eine strafgerichtliche Verurteilung könne dabei im Einzelfall durchaus die Einbürgerung ausschließen.
17 
Dem Senat liegen die Einbürgerungsakten des Landratsamtes Schwäbisch Hall, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart und die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
18 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
II.
19 
Die Berufung ist auch begründet. Die zulässige Klage des Klägers auf Neubescheidung seines Antrags auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht begründet. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach § 10, § 9 und § 8 StAG nicht vorliegen und auch kein Einbürgerungsermessen eröffnet ist, kann der Kläger keine Neubescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO beanspruchen.
20 
1. Zutreffend gehen alle Beteiligten davon aus, dass der Kläger keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG hat. Einem solchen Anspruch steht entgegen, dass der Kläger die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG (Straffreiheit) nicht erfüllt.
21 
a) Die im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung kann noch verwertet werden, weil sie noch nicht getilgt und die Tilgungsfrist, die gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 BZRG 17 Jahre beträgt, noch nicht abgelaufen ist. Damit besteht noch kein Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG. Eine Verurteilung ist zu berücksichtigen, solange noch keine Tilgung im Bundeszentralregister erfolgt ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005 - 13 S 2223/04 - InfAuslR 2006, 93; Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris). Die Einbürgerungsbehörde ist grundsätzlich an die Tilgungsentscheidungen des Bundeszentralregisters gebunden (vgl. Berlit, in: GK-StAR, § 12 a Rn. 16). Dies ist mit Blick auf die Möglichkeit des Einbürgerungsbewerbers, in besonderen Fällen eine vorzeitige Tilgung gemäß § 49 BZRG zu beantragen, auch bei atypischen Fallgestaltungen nicht unangemessen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005 - 13 S 2223/04 - a.a.O.; VG Gießen, Urt. v. 10.09.2001 - 10 E 4067/00 - InfAuslR 2002, 40; OVG NRW, Beschl. v. 28.09.2009 - 18 B 1398/09 - juris zur vergleichbaren Problematik bei Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis).
22 
b) Welche Verurteilungen bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben, ist in § 12 a Abs. 1 StAG abschließend geregelt. Die hier erfolgte Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung kann nicht nach § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG außer Betracht bleiben, weil sie die Unbeachtlichkeits-grenze des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG (drei Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung) erheblich übersteigt. Bereits ein Überschreiten der Unbeachtlich-keitsgrenze um ein Drittel ist nicht mehr geringfügig im Sinn des § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - BVerwGE 142, 145 = NVwZ 2012, 1250 = InfAuslR 2012, 273).
23 
2. Die Verurteilung des Klägers steht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch der Ermessenseinbürgerung und nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 StAG der Solleinbürgerung als Ehegatte einer Deutschen entgegen. § 12 a Abs. 1 StAG findet in der seit dem 28.08.2007 geltenden Fassung des Gesetzes vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970) nicht mehr nur bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG, sondern auch bei der Einbürgerung nach den §§ 8, 9 StAG Anwendung (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 37; Berlit, a.a.O., § 12 a Rn. 13.3). Die Verurteilung kann daher auch bei Anwendung dieser Vorschriften nicht außer Betracht bleiben.
24 
3. Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, eine Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 (i.V.m. § 9 Abs. 1) StAG zu treffen. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von der Voraussetzung der Straffreiheit in § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG abgesehen werden. § 8 Abs. 2 StAG ist auch dann noch anwendbar, wenn - wie hier - die Grenze der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 38).
25 
a) Eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG liegt nicht vor. Denn eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 39). Als Beispiel für einen Härtefall, der durch diese Ausnahmeregelung vermieden werden kann und soll, führt der Gesetzgeber die Konstellation an, dass etwa die ausländische Ehefrau aufgrund einer zur Durchführung eines Entlassungsverfahrens erteilten Einbürgerungszusicherung aus ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit ausgeschieden ist, nun aber ihrer Einbürgerung - auch bei unverschuldet eingetretener Arbeitslosigkeit ihres deutschen Ehegatten - mangelnde Unterhaltsfähigkeit entgegensteht und sie dadurch staatenlos geworden ist (BT-Drs. 15/420, S. 116). Dieser Beispielsfall zeigt zum einen, dass der Gesetzgeber für die Annahme einer „besonderen Härte“ mehr verlangt, als dass Gründe vorliegen, die einer Einbürgerung zwar grundsätzlich entgegenstehen, von denen jedoch unter bestimmten Umständen - wie etwa im Falle der nicht zu vertretenden Inanspruchnahme von Sozialleistungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG) - abgesehen werden kann. Zum anderen verdeutlicht er die Zielrichtung der Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG: Sie soll es ermöglichen, solchen Härten zu begegnen, die gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden bzw. durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert würden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O.; HessVGH, Beschl. v. 21.10.2008 - 5 A 1820/08.Z -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -; OVG Bln-Bbg, Beschl. v. 11.06.2009 - OVG 5 M 30.08 -; SaarlOVG, Beschl. v. 10.06.2010 - 1 A 88/10 -; alle in juris). Für ein Absehen vom Erfordernis der Straffreiheit gelten zudem besonders strenge Anforderungen, weil bereits die Voraussetzungen des § 12 a Abs. 1 StAG zugunsten des Einbürgerungsbewerbers eingreifen (vgl. Marx, in: GK-AufenthG, § 8 Rn. 113). Daran gemessen sind hier keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Versagung der Ermessenseinbürgerung und der Solleinbürgerung nach § 9 Abs. 1 StAG wegen Straffälligkeit den Kläger gegenüber anderen Einbürgerungsbewerbern in vergleichbarer Lage besonders hart trifft. Er hat eine unbefristete Niederlassungserlaubnis und damit einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Zudem hat er mit Blick darauf, dass die im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung bei weiterer Straffreiheit im Jahr 2017 zu tilgen sein wird, mittelfristig eine konkrete Einbürgerungsperspektive. Es wird nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, dass die Versagung der Einbürgerung zum jetzigen Zeitpunkt negative Auswirkungen auf die ehelichen und familiären Lebensverhältnisse des Klägers hätte.
26 
b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts fehlt es auch an einem öffentlichen Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG.
27 
Der Gesetzgeber hat den Begriff des öffentlichen Interesses nicht näher definiert. Auch die Gesetzesmaterialien sind insoweit unergiebig. In der Gesetzesbegründung wird lediglich ein Beispielsfall für eine besondere Härte angeführt (BT-Drs. 15/420, S. 116).
28 
In der Kommentarliteratur wird teilweise gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens zu beachten seien (vgl. Marx, in: GK-StAR, § 8 Rn. 157 ff.).
29 
Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Sie übersieht den Ausnahmecharakter des § 8 Abs. 2 StAG und verträgt sich auch schlecht mit der - allgemein anerkannten - engen Auslegung des Begriffs der besonderen Härte in derselben Vorschrift (vgl. oben a). Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV (ebenso jetzt: Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Integration BW zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 08.07.2013 - VwV StAG -) umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Absatz 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der Verwaltungsvorschriften zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist (so zutreffend SaarlOVG, Urt. v. 28.06.2012 - 1 A 35/12 - juris Rn. 50 ff.). Zu Recht führt das Saarländische Oberverwaltungsgericht aus, dass eine weite Auslegung zu widersinnigen Ergebnissen führen würde und die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben wären, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre. Das öffentliche Interesse in den Verwaltungsvorschriften zu § 8 Abs. 1 und in § 8 Abs. 2 StAG jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbe-standlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach den Verwaltungsvorschriften zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht erfüllt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. (SaarlOVG, a.a.O. Rn. 54).
30 
Ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG ist danach nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG) und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG) einzubürgern (SaarlOVG, a.a.O., Rn. 61; ebenso NdsOVG, Beschl. v. 07.01.2013 - 13 PA 243/12 - juris; so jetzt auch Nr. 8.2 VwV StAG vom 08.07.2013).
31 
Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts finden sich Anhaltspunkte für eine solche enge Auslegung des Begriffs des öffentlichen Interesses. In seinem Urteil vom 20.03.2012 (a.a.O. Rn. 40) hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbe-standlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 2 und/oder Nr. 4 besteht (SaarlOVG, Urt. v. 28.06.2012 - 1 A 35/12 - a.a.O. Rn. 62).
32 
Für ein öffentliches Interesse in diesem Sinne ist vorliegend nichts ersichtlich.
33 
c) Nichts anderes gilt bei der Anwendung des § 8 Abs. 2 StAG auf einen Einbürgerungsbewerber, dessen Ehegatte oder Lebenspartner Deutscher ist, im Rahmen des § 9 StAG. Mit der Verweisung in § 9 Abs. 1 StAG macht der Gesetzgeber die Solleinbürgerung eines mit einem Deutschen verheirateten Einbürgerungsbewerbers von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 8 StAG abhängig. Diese Entscheidung des Gesetzgebers würde konterkariert, wenn man bei Ehegatten Deutscher, die die Einbürgerung begehren, jedoch keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 oder § 9 StAG haben, stets ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung bejahen würde. Eine Regelung des Inhalts, dass bei Ehegatten oder Lebenspartnern Deutscher unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 stets nach Ermessen über die Einbürgerung zu entscheiden ist, hat der Gesetzgeber gerade nicht getroffen.
34 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine solche Regelung, soweit es um Ehegatten Deutscher geht, auch nicht verfassungsrechtlich aufgrund des Schutzgebotes des Art. 6 Abs. 1 GG geboten. Dieses Schutzgebot hat zwar auch für staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen Bedeutung. Es wirkt hier vornehmlich dahin, dass eine einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie wünschenswert erscheint (BVerfG, Beschl. v. 21.05.1974 - 1 BvL 22/71 u.a. - BVerfGE 37, 217 <253>). Dabei handelt es sich aber nicht um ein Prinzip, das allen anderen staatsangehörigkeitsrechtlichen Grundsätzen gegenüber ohne weiteres Vorrang hätte. Der Grundsatz der Familieneinheit hat ohnehin im deutschen und ausländischen Staatsangehörigkeitsrecht an Bedeutung verloren, seitdem die Eheschließung im allgemeinen nicht mehr zur Änderung der Staatsangehörigkeit der Frau führt (BVerfG, Beschl. v. 21.05.1974, a.a.O. S. 253; BVerwG, Urt. v. 18.08.1981 - 1 C 185.79 - BVerwGE 64, 7 <11 f.>). Der Gesetzgeber hat in dem vorliegend maßgebenden Zusammenhang den Schutz von Ehe und Familie durch § 9 StAG innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, der es erlaubt, anderen öffentlichen Belangen den Vorrang einzuräumen, verfassungskonform ausgestaltet (Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl., § 9 StAG Rn. 9 m.w.N.). Bei Fehlen der in § 9 StAG normierten Voraussetzungen ist daher die Behörde regelmäßig nicht verpflichtet, allein wegen der Ehe des Ausländers mit einem Deutschen die Einbürgerung nach § 8 StAG vorzunehmen (BVerwG, Urt. v. 18.08.1981, a.a.O. S. 11 f.; BVerwG, Urt. v. 17.05.1983 - 1 C 163.80 - BVerwGE 67, 177 <183>) oder auch nur von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG abzusehen (NdsOVG, Urt. v. 13.02.2013 - 13 LC 33/11 - EZAR NF 75 Nr. 11 = juris Rn. 53). Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - die unterschiedliche Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie aufgrund des gesicherten unbefristeten Aufenthaltsrechts des Einbürgerungsbewerbers und der mittelfristig bestehenden Einbürgerungsperspektive keine erkennbaren negativen Auswirkungen auf seine ehelichen und familiären Lebensverhältnisse hat.
III.
35 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
36 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
37 
Beschluss vom 6. November 2013
38 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Anh. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
39 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
I.
18 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
II.
19 
Die Berufung ist auch begründet. Die zulässige Klage des Klägers auf Neubescheidung seines Antrags auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht begründet. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach § 10, § 9 und § 8 StAG nicht vorliegen und auch kein Einbürgerungsermessen eröffnet ist, kann der Kläger keine Neubescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO beanspruchen.
20 
1. Zutreffend gehen alle Beteiligten davon aus, dass der Kläger keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG hat. Einem solchen Anspruch steht entgegen, dass der Kläger die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG (Straffreiheit) nicht erfüllt.
21 
a) Die im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung kann noch verwertet werden, weil sie noch nicht getilgt und die Tilgungsfrist, die gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 BZRG 17 Jahre beträgt, noch nicht abgelaufen ist. Damit besteht noch kein Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG. Eine Verurteilung ist zu berücksichtigen, solange noch keine Tilgung im Bundeszentralregister erfolgt ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005 - 13 S 2223/04 - InfAuslR 2006, 93; Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris). Die Einbürgerungsbehörde ist grundsätzlich an die Tilgungsentscheidungen des Bundeszentralregisters gebunden (vgl. Berlit, in: GK-StAR, § 12 a Rn. 16). Dies ist mit Blick auf die Möglichkeit des Einbürgerungsbewerbers, in besonderen Fällen eine vorzeitige Tilgung gemäß § 49 BZRG zu beantragen, auch bei atypischen Fallgestaltungen nicht unangemessen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005 - 13 S 2223/04 - a.a.O.; VG Gießen, Urt. v. 10.09.2001 - 10 E 4067/00 - InfAuslR 2002, 40; OVG NRW, Beschl. v. 28.09.2009 - 18 B 1398/09 - juris zur vergleichbaren Problematik bei Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis).
22 
b) Welche Verurteilungen bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben, ist in § 12 a Abs. 1 StAG abschließend geregelt. Die hier erfolgte Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung kann nicht nach § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG außer Betracht bleiben, weil sie die Unbeachtlichkeits-grenze des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG (drei Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung) erheblich übersteigt. Bereits ein Überschreiten der Unbeachtlich-keitsgrenze um ein Drittel ist nicht mehr geringfügig im Sinn des § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - BVerwGE 142, 145 = NVwZ 2012, 1250 = InfAuslR 2012, 273).
23 
2. Die Verurteilung des Klägers steht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch der Ermessenseinbürgerung und nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 StAG der Solleinbürgerung als Ehegatte einer Deutschen entgegen. § 12 a Abs. 1 StAG findet in der seit dem 28.08.2007 geltenden Fassung des Gesetzes vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970) nicht mehr nur bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG, sondern auch bei der Einbürgerung nach den §§ 8, 9 StAG Anwendung (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 37; Berlit, a.a.O., § 12 a Rn. 13.3). Die Verurteilung kann daher auch bei Anwendung dieser Vorschriften nicht außer Betracht bleiben.
24 
3. Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, eine Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 (i.V.m. § 9 Abs. 1) StAG zu treffen. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von der Voraussetzung der Straffreiheit in § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG abgesehen werden. § 8 Abs. 2 StAG ist auch dann noch anwendbar, wenn - wie hier - die Grenze der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 38).
25 
a) Eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG liegt nicht vor. Denn eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 39). Als Beispiel für einen Härtefall, der durch diese Ausnahmeregelung vermieden werden kann und soll, führt der Gesetzgeber die Konstellation an, dass etwa die ausländische Ehefrau aufgrund einer zur Durchführung eines Entlassungsverfahrens erteilten Einbürgerungszusicherung aus ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit ausgeschieden ist, nun aber ihrer Einbürgerung - auch bei unverschuldet eingetretener Arbeitslosigkeit ihres deutschen Ehegatten - mangelnde Unterhaltsfähigkeit entgegensteht und sie dadurch staatenlos geworden ist (BT-Drs. 15/420, S. 116). Dieser Beispielsfall zeigt zum einen, dass der Gesetzgeber für die Annahme einer „besonderen Härte“ mehr verlangt, als dass Gründe vorliegen, die einer Einbürgerung zwar grundsätzlich entgegenstehen, von denen jedoch unter bestimmten Umständen - wie etwa im Falle der nicht zu vertretenden Inanspruchnahme von Sozialleistungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG) - abgesehen werden kann. Zum anderen verdeutlicht er die Zielrichtung der Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG: Sie soll es ermöglichen, solchen Härten zu begegnen, die gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden bzw. durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert würden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O.; HessVGH, Beschl. v. 21.10.2008 - 5 A 1820/08.Z -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -; OVG Bln-Bbg, Beschl. v. 11.06.2009 - OVG 5 M 30.08 -; SaarlOVG, Beschl. v. 10.06.2010 - 1 A 88/10 -; alle in juris). Für ein Absehen vom Erfordernis der Straffreiheit gelten zudem besonders strenge Anforderungen, weil bereits die Voraussetzungen des § 12 a Abs. 1 StAG zugunsten des Einbürgerungsbewerbers eingreifen (vgl. Marx, in: GK-AufenthG, § 8 Rn. 113). Daran gemessen sind hier keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Versagung der Ermessenseinbürgerung und der Solleinbürgerung nach § 9 Abs. 1 StAG wegen Straffälligkeit den Kläger gegenüber anderen Einbürgerungsbewerbern in vergleichbarer Lage besonders hart trifft. Er hat eine unbefristete Niederlassungserlaubnis und damit einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Zudem hat er mit Blick darauf, dass die im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung bei weiterer Straffreiheit im Jahr 2017 zu tilgen sein wird, mittelfristig eine konkrete Einbürgerungsperspektive. Es wird nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, dass die Versagung der Einbürgerung zum jetzigen Zeitpunkt negative Auswirkungen auf die ehelichen und familiären Lebensverhältnisse des Klägers hätte.
26 
b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts fehlt es auch an einem öffentlichen Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG.
27 
Der Gesetzgeber hat den Begriff des öffentlichen Interesses nicht näher definiert. Auch die Gesetzesmaterialien sind insoweit unergiebig. In der Gesetzesbegründung wird lediglich ein Beispielsfall für eine besondere Härte angeführt (BT-Drs. 15/420, S. 116).
28 
In der Kommentarliteratur wird teilweise gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens zu beachten seien (vgl. Marx, in: GK-StAR, § 8 Rn. 157 ff.).
29 
Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Sie übersieht den Ausnahmecharakter des § 8 Abs. 2 StAG und verträgt sich auch schlecht mit der - allgemein anerkannten - engen Auslegung des Begriffs der besonderen Härte in derselben Vorschrift (vgl. oben a). Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV (ebenso jetzt: Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Integration BW zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 08.07.2013 - VwV StAG -) umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Absatz 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der Verwaltungsvorschriften zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist (so zutreffend SaarlOVG, Urt. v. 28.06.2012 - 1 A 35/12 - juris Rn. 50 ff.). Zu Recht führt das Saarländische Oberverwaltungsgericht aus, dass eine weite Auslegung zu widersinnigen Ergebnissen führen würde und die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben wären, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre. Das öffentliche Interesse in den Verwaltungsvorschriften zu § 8 Abs. 1 und in § 8 Abs. 2 StAG jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbe-standlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach den Verwaltungsvorschriften zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht erfüllt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. (SaarlOVG, a.a.O. Rn. 54).
30 
Ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG ist danach nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG) und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG) einzubürgern (SaarlOVG, a.a.O., Rn. 61; ebenso NdsOVG, Beschl. v. 07.01.2013 - 13 PA 243/12 - juris; so jetzt auch Nr. 8.2 VwV StAG vom 08.07.2013).
31 
Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts finden sich Anhaltspunkte für eine solche enge Auslegung des Begriffs des öffentlichen Interesses. In seinem Urteil vom 20.03.2012 (a.a.O. Rn. 40) hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbe-standlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 2 und/oder Nr. 4 besteht (SaarlOVG, Urt. v. 28.06.2012 - 1 A 35/12 - a.a.O. Rn. 62).
32 
Für ein öffentliches Interesse in diesem Sinne ist vorliegend nichts ersichtlich.
33 
c) Nichts anderes gilt bei der Anwendung des § 8 Abs. 2 StAG auf einen Einbürgerungsbewerber, dessen Ehegatte oder Lebenspartner Deutscher ist, im Rahmen des § 9 StAG. Mit der Verweisung in § 9 Abs. 1 StAG macht der Gesetzgeber die Solleinbürgerung eines mit einem Deutschen verheirateten Einbürgerungsbewerbers von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 8 StAG abhängig. Diese Entscheidung des Gesetzgebers würde konterkariert, wenn man bei Ehegatten Deutscher, die die Einbürgerung begehren, jedoch keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 oder § 9 StAG haben, stets ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung bejahen würde. Eine Regelung des Inhalts, dass bei Ehegatten oder Lebenspartnern Deutscher unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 stets nach Ermessen über die Einbürgerung zu entscheiden ist, hat der Gesetzgeber gerade nicht getroffen.
34 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine solche Regelung, soweit es um Ehegatten Deutscher geht, auch nicht verfassungsrechtlich aufgrund des Schutzgebotes des Art. 6 Abs. 1 GG geboten. Dieses Schutzgebot hat zwar auch für staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen Bedeutung. Es wirkt hier vornehmlich dahin, dass eine einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie wünschenswert erscheint (BVerfG, Beschl. v. 21.05.1974 - 1 BvL 22/71 u.a. - BVerfGE 37, 217 <253>). Dabei handelt es sich aber nicht um ein Prinzip, das allen anderen staatsangehörigkeitsrechtlichen Grundsätzen gegenüber ohne weiteres Vorrang hätte. Der Grundsatz der Familieneinheit hat ohnehin im deutschen und ausländischen Staatsangehörigkeitsrecht an Bedeutung verloren, seitdem die Eheschließung im allgemeinen nicht mehr zur Änderung der Staatsangehörigkeit der Frau führt (BVerfG, Beschl. v. 21.05.1974, a.a.O. S. 253; BVerwG, Urt. v. 18.08.1981 - 1 C 185.79 - BVerwGE 64, 7 <11 f.>). Der Gesetzgeber hat in dem vorliegend maßgebenden Zusammenhang den Schutz von Ehe und Familie durch § 9 StAG innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, der es erlaubt, anderen öffentlichen Belangen den Vorrang einzuräumen, verfassungskonform ausgestaltet (Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl., § 9 StAG Rn. 9 m.w.N.). Bei Fehlen der in § 9 StAG normierten Voraussetzungen ist daher die Behörde regelmäßig nicht verpflichtet, allein wegen der Ehe des Ausländers mit einem Deutschen die Einbürgerung nach § 8 StAG vorzunehmen (BVerwG, Urt. v. 18.08.1981, a.a.O. S. 11 f.; BVerwG, Urt. v. 17.05.1983 - 1 C 163.80 - BVerwGE 67, 177 <183>) oder auch nur von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG abzusehen (NdsOVG, Urt. v. 13.02.2013 - 13 LC 33/11 - EZAR NF 75 Nr. 11 = juris Rn. 53). Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - die unterschiedliche Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie aufgrund des gesicherten unbefristeten Aufenthaltsrechts des Einbürgerungsbewerbers und der mittelfristig bestehenden Einbürgerungsperspektive keine erkennbaren negativen Auswirkungen auf seine ehelichen und familiären Lebensverhältnisse hat.
III.
35 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
36 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
37 
Beschluss vom 6. November 2013
38 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Anh. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
39 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. November 2007 - 11 K 3108/06 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der am … 1971 geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Er kam Ende 1991 in das Bundesgebiet und stellte einen Asylantrag. Nachdem er am 01.09.1995 eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hatte, nahm er seinen Asylantrag zurück. In der Folgezeit erhielt er fortlaufend verlängerte Aufenthaltserlaubnisse, zuletzt bis 06.12.2002. Seit 21.05.2002 ist der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, jetzt Niederlassungserlaubnis. Der Kläger lebt nach wie vor in ehelicher Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen. Aus dieser Ehe sind mittlerweile zwei Kinder hervorgegangen, die ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit haben.
Nach einer aktuellen Auskunft aus dem Zentralregister vom 11.03.2009 wurde der Kläger bestraft durch
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 09.05.1993 (2 C 222/93) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen je 60,- DM;
- Urteil des Amtsgerichts S. vom 29.03.1994 (11 CS 156/94) wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit einer wiederholten Zuwiderhandlung gegen eine Aufenthaltsbeschränkung nach dem Asylverfahrensgesetz zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen je 60,- DM;
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 29.09.1994 (2 DS 166/94) wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen je 45,- DM;
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 19.01.1995 (2 DS 316/94) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde;
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 20.07.1995 (2 DS 18/95) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung unter Einbeziehung der Verurteilung vom 19.01.1995 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sieben Monaten und zwei Wochen, die zur Bewährung ausgesetzt wurde;
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 09.05.1996 (2 DS 61/96) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der Verurteilungen vom 19.01.1995 und 20.07.1995 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten und zwei Wochen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde;
10 
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 14.05.1998 (2 DS 23938/98 1248 VRS) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, wobei eine Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt und schließlich mit Wirkung vom 03.11.2002 erlassen wurde;
11 
- Strafbefehl des Amtsgerichts W. vom 14.02.2008 (5 Cs 12 Js 9814/07) wegen Betrugs zu einer Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen je 30,- EUR.
12 
Am 07.02.2003 beantragte der Kläger beim Landratsamt Schwäbisch Hall, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern, nachdem er einen ersten Einbürgerungsantrag im Jahre 2000 zurückgenommen hatte.
13 
Am 19.09.2003 erteilte der Beklagte dem Kläger eine bis 18.09.2005 gültige Einbürgerungszusicherung. Darin wird dem Kläger die Einbürgerung für den Fall zugesagt, dass der Verlust der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde.
14 
In der Folgezeit zog sich die Ausstellung serbisch-montenegrinischer Dokumente durch das Generalkonsulat vom Serbien-Montenegro hin.
15 
Im April 2005 verweigerte das Regierungspräsidium Stuttgart seine Zustimmung zur Einbürgerung. Da die letzte Verurteilung des Klägers im Jahre 1998 nicht insgesamt zur Bewährung ausgesetzt worden sei, sondern lediglich ein Strafrest nach Teilverbüßung dieser Haftstrafe, sei die Grundlage für eine Ermessensentscheidung schon nicht gegeben. Mit Erlass vom 19.05.2005 wies das Regierungspräsidium Stuttgart das Landratsamt auf eine seit dem 10.03.2005 geänderte Erlasslage für serbisch-montenegrinische Staatsangehörige hin, wonach erst dann eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgen könne, wenn von Seiten der serbisch-montenegrinischen Behörden nicht innerhalb eines Zeitraumes von nunmehr zwei Jahren über einen entsprechenden Antrag des Einbürgerungsbewerbers auf Ausstellung eines Reisepasses, eines Staatsangehörigkeitsnachweises bzw. auf Nachregistrierung entschieden sei.
16 
Das Landratsamt hörte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 07.07.2005 zu einer beabsichtigten Ablehnung seines Einbürgerungsantrages an. Zur Begründung wurde auf seine im Bundeszentralregister eingetragenen Vorstrafen verwiesen, die erst im Jahre 2013 Tilgungsreife erreichten.
17 
Daraufhin beantragte der Kläger beim Generalbundesanwalt die vorzeitige Tilgung sämtlicher Freiheitsstrafen, die über ihn im Bundeszentralregister geführt werden. Diesen Antrag lehnte der Generalbundesanwalt ab unter Hinweis darauf, damit würde im Fall des Klägers eine Voraussetzung für seine Einbürgerung erst geschaffen. Dies liefe aber im Ergebnis auf eine Entscheidung des Generalbundesanwalts anstelle der eigentlich zuständigen Behörde über den Einbürgerungsantrag des Klägers hinaus. Dies sei kein zweckentsprechender Gebrauch der Tilgungsmöglichkeit des § 49 Abs. 1 BZRG.
18 
Mit Verfügung vom 19.01.2006 lehnte das Landratsamt Schwäbisch Hall den Einbürgerungsantrag ab und führte zur Begründung aus: Der noch unter Geltung des § 85 AuslG gestellte Einbürgerungsantrag sei nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 nach den Vorschriften des Staatsangehörigkeitsgesetzes zu bescheiden. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG setze ein Einbürgerungsanspruch voraus, dass der Einbürgerungsbewerber nicht wegen einer Straftat verurteilt sei. Ausnahmen von dieser Regelung ergäben sich aus § 12 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StAG sowie in Einzelfällen aus Satz 2 dieser Vorschrift. Vorliegend ergebe sich, dass die nach der Auskunft aus dem Bundeszentralregister beim Kläger vorliegenden strafrechtlichen Verurteilungen Nr. 5 und 6 eine Ermessensentscheidung der Einbürgerungsbehörde über ihre Berücksichtigung erforderten. Diese führe im jetzigen Zeitpunkt unter Abwägung des Für und Wider dazu, dass diese nicht außer Betracht bleiben könnten. Hinsichtlich der letzten Verurteilung durch das Amtsgericht Backnang im Jahre 1998 lägen noch nicht einmal die Voraussetzungen einer Einzelfallentscheidung vor. Die damalige Freiheitsstrafe von sechs Monaten sei nicht insgesamt zur Bewährung ausgesetzt worden. Der Kläger könne auch nicht nach § 8 StAG eingebürgert werden. Voraussetzung hierfür sei, dass der Einbürgerungsbewerber keinen Ausweisungsgrund nach den §§ 53, 54 oder 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AufenthG erfülle. Mit den abgeurteilten Straftaten lägen bei ihm aber Rechtsverstöße vor, die weder vereinzelt noch geringfügig gewesen seien. Wie lange ihm danach eine Straftat im Einbürgerungsverfahren auch nach § 8 StAG vorgeworfen werden könne, richte sich mangels eigener Regelungen nach den Eintragungen im Bundeszentralregister. Da die Tilgungsreife frühestens im Jahre 2013 eintreten könne, sei eine Einbürgerung auch nach § 8 StAG derzeit nicht möglich.
19 
Gegen diesen ihm am 23.01.2006 zugestellten Bescheid legte der Kläger am 23.02.2006 Widerspruch ein.
20 
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2006 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde nach Bezugnahme auf den Bescheid des Landratsamts ergänzend ausgeführt: Zwar werde nicht verkannt, dass beim Kläger in letzter Zeit eine charakterliche Stabilisierung eingetreten sei. Er lebe seit einigen Jahren straffrei in Deutschland mit Frau und Kindern. Das öffentliche Interesse, die Einbürgerung bei fehlender strafrechtlicher Unbescholtenheit grundsätzlich zu versagen, überlagere jedoch seine Interessen. Vor Ablauf der Tilgungsfrist im Bundeszentralregister sei eine Einbürgerung daher nicht möglich. Auch die leichteren Reisemöglichkeiten mit einem deutschen Pass, die Schwierigkeiten bei der Erlangung eines serbisch-montenegrinischen Reisepasses für Kosovaren und schließlich eine dem Kläger in Aussicht gestellte Arbeitsstelle bei einer Schweizer Firma rechtfertigten keinen Ausnahmetatbestand.
21 
Der Kläger hat am 18. August 2006 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und ausgeführt: Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles müssten auch die gegen ihn am 20.07.1995 und am 09.05.1996 verhängten Freiheitsstrafen, die insgesamt zur Bewährung ausgesetzt worden seien, außer Betracht bleiben. Er lebe nunmehr seit acht Jahren straffrei in der Bundesrepublik Deutschland. Bei den abgeurteilten Straftaten habe es sich ausschließlich um Straßenverkehrsdelikte gehandelt. Er sei auf die Einbürgerung dringend angewiesen, um die ihm angebotene Arbeitsstelle in der Schweiz anzunehmen und dadurch für seine Familie den Unterhalt zu sichern. Sämtliche anderen Familienmitglieder, die Ehefrau und zwei Kinder, besäßen die deutsche Staatsangehörigkeit.
22 
Der Kläger ist im laufenden Verfahren in den Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes Waldshut verzogen. Mit Schreiben vom 28.08.2007 erteilte das Landratsamts Waldshut gemäß § 3 Abs. 3 LVwVfG seine Zustimmung zur Fortsetzung des Verfahrens durch das Landratsamt Schwäbisch Hall.
23 
Durch Urteil vom 26.11.2007 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, über den Einbürgerungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es den weitergehenden Verpflichtungsantrag abgewiesen.
24 
Zur Begründung hat es ausgeführt: Gemäß § 40c StAG in der seit 28.08.2007 geltenden Fassung seien auf Einbürgerungsanträge, die - wie hier - vor dem 30.03.2007 gestellt worden seien, die §§ 8 bis 14 StAG in ihrer vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit diese günstigere Bestimmungen enthielten. Da dies für die hier in Rede stehenden Rechtsfragen sämtlich der Fall sei, kämen für die begehrte Einbürgerung als Rechtsgrundlage daher die §§ 8 ff. StAG i.d.F. des Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 zur Anwendung.
25 
Zutreffend gehe der Beklagte allerdings davon aus, dass dem Kläger eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. habe versagt werden dürfen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehle es zumindest an der Voraussetzung nach Nr. 5 der Norm, da der Kläger bereits mehrfach wegen einer Straftat verurteilt worden sei. Für diesen Fall bestimme § 12 a StAG a.F., dass Strafen bis zu einer bestimmten Höhe außer Betracht zu bleiben hätten und darüber hinausgehend, dass die Einbürgerungsbehörde im Einzelfall nach Ermessen zu entscheiden habe, ob eine Straftat außer Betracht bleiben könne, wenn der Einbürgerungsbewerber zu einer höheren Strafe verurteilt worden sei. Das Gericht könne sich nicht der Rechtsansicht des Beklagten anschließen, die letzte gegen den Kläger ausgesprochene Verurteilung vom 14.05.1998 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung stelle eine Straftat dar, die in keinem Fall im Ermessenswege infolge einer Entscheidung der Einbürgerungsbehörde außer Betracht bleiben könne. Soweit sich der Beklagte auf den Standpunkt stelle, eine das „Nichtberücksichtigungsermessen“ gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. eröffnende „höhere Strafe“ könne nur eine Strafe sein, die insgesamt zur Bewährung ausgesetzt worden sei, gehe dies fehl. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Wortlaut nicht eindeutig. Das der Einbürgerungsbehörde eingeräumte Nichtberücksichtigungsermessen könne hinsichtlich jedweder Strafe ausgeübt werden, die, weil sie ein einzelnes Merkmal überschreite, nicht unter Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 der Vorschrift falle. Auch angesichts der Weite des nach § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. eingeräumten Nichtberücksichtigungsermessens bestehe kein überzeugender Grund, die Strafaussetzung zur Bewährung bereits als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in Abs. 1 Satz 2 „hineinzuinterpretieren“, indem bei kurzzeitigen Freiheitsstrafen , die nicht zur Bewährung ausgesetzt worden seien, eine Ermessensmöglichkeit schon von vorneherein verneint werde. Gleichwohl ergebe sich daraus nicht die Rechtswidrigkeit der Entscheidung, dem Kläger eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG a.F. zu versagen. Denn zu Recht habe der Beklagte erkannt, schon wegen Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. auch eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der beiden zur Bewährung ausgesetzten Verurteilungen nach Nr. 5 und Nr. 6 des Strafregisterauszuges treffen zu müssen. Diese Ermessensentscheidung sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG a. F. i.V.m. § 12 a Abs. 1 StAG a. F. sei bei der Prüfung, ob eine strafrechtliche Verurteilung den Einbürgerungsanspruch eines Ausländers aus § 10 StAG a.F. hindere, eine jeweils einzelne Betrachtung geboten. Lägen (eine oder mehrere) strafrechtliche Verurteilungen vor, die nicht generell gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StAG a. F. außer Betracht bleiben müssten, so erfolge nicht etwa eine generelle Ermessensprüfung, ob der Betreffende gleichwohl eingebürgert werden könne. Die Ermessensprüfung orientiere sich vielmehr an jeder einzelnen strafrechtlichen Verurteilung. Entscheide sich die Einbürgerungsbehörde in Ausübung des ihr so eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens, auch nur hinsichtlich einer einzigen insoweit zu prüfenden strafrechtlichen Verurteilung, diese nicht außer Betracht zu lassen und sei ihr jedenfalls insoweit kein Ermessensfehler anzulasten, scheide eine Einbürgerung in Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG a. F. aus. So liege es hier. Der Beklagte habe erkannt, dass die strafrechtlichen Verurteilungen nach Nr. 5 und nach Nr. 6 des Strafregisterauszuges des Klägers nicht generell nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. außer Betracht bleiben könnten, da der Strafausspruch jeweils zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Die Ermessensbetätigung der Behörden, diese beiden strafrechtlichen Verurteilungen einbürgerungsrechtlich nicht unberücksichtigt zu lassen, sei nicht zu beanstanden. Es komme hinsichtlich der zu prüfenden Ermessensbetätigung auf die letzte behördliche Entscheidung, also auf den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.07.2006 an. Dessen Ausführungen berücksichtigten zutreffend alle mit den strafrechtlichen Verurteilungen in Zusammenhang stehenden Umstände und hätten diese in nicht zu beanstandender Weise abgewogen. Es sei nicht zu verkennen, dass - wie dort ausgeführt - eine Verurteilung zu einer, wenn auch zur Bewährung ausgesetzten, Freiheitsstrafe von zehn Monaten und zwei Wochen bereits eine erhebliche Strafe darstelle. Ebenfalls habe vom Beklagten negativ berücksichtigt werden dürfen, dass der Kläger immer wieder wegen desselben Deliktes strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und daher eine gewisse Renitenz in der Missachtung der Rechtsordnung aufgewiesen habe. Soweit demgegenüber der angegriffene Ausgangsbescheid des Beklagten im Rahmen der Betätigung des Nichtberücksichtigungsermessens möglicherweise die persönlichen Interessen des Klägers zu wenig berücksichtigt habe, sei dieser Mangel jedenfalls durch den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.07.2006 geheilt worden. Dort seien die in letzter Zeit offenbar eingetretene charakterliche Stabilisierung des Klägers, seine familiären Umstände, seine Arbeitsplatzsituation, die mit einem deutschen Pass verbundenen besseren Reisemöglichkeiten sowie allgemein die Passproblematik serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo berücksichtigt worden.
26 
Der Kläger erfülle aber die wesentlichen Voraussetzungen für einen Einbürgerungsanspruch nach den §§ 8 und 9 StAG a.F. Auch insoweit finde gemäß § 40 c StAG die bis zum 28.08.2007 geltende Fassung des § 9 StAG Anwendung, da diese für den Kläger günstiger sei. Die maßgeblichen Voraussetzungen für die Einbürgerung des Klägers lägen insoweit auch vor. Soweit § 9 StAG a.F. auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 StAG a. F. verweise, seien auch diese erfüllt. Für die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 StAG a. F. sei dies zwischen den Beteiligten unstrittig. Dies gelte aber auch für die Voraussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F., da der Kläger, jedenfalls derzeit, keinen Ausweisungsgrund nach §§ 53, 54 oder 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes mehr erfülle. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a.F. sei durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30.06.1993 neu gefasst worden. Mit der Gesetzesänderung habe der Begriff des „unbescholtenen Lebenswandels" durch wesentlich konkretere Kriterien ersetzt werden sollen, nämlich das Vorliegen bestimmter Ausweisungsgründe im Zeitpunkt der Entscheidung über das Einbürgerungsbegehren. Die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG a.F. enthalte ebenso wenig wie vergleichbare ausländerrechtliche Vorschriften (vgl. etwa §§ 5 Abs. 1 Nr. 2; 28 Abs. 2 AufenthG) eine zeitlich genau bestimmbare Grenze für die Erfüllung bzw. das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes. Allerdings ergebe sich bereits aus der Verwendung der jeweiligen Präsens-Form, dass es sich jedenfalls um eine aktuelle Betrachtungsweise und nicht um die Berücksichtigung historischer Vorgänge („...erfüllt hat.“ bzw. „... vorgelegen haben.“) handeln müsse. Wann ein Ausweisungsgrund nicht mehr aktuell vorliege und daher nicht mehr herangezogen werden dürfe, lasse sich nicht allgemein festlegen; hierzu komme es auf die Art und den Inhalt des jeweiligen Ausweisungsgrundes an.
27 
Nicht überzeugend sei die vom Beklagten vertretene Auffassung, die aus den Jahren 1993 bis 1998 herrührenden Ausweisungsgründe stünden einer Einbürgerung des Klägers bis zur Tilgung im Bundeszentralregister entgegen. Der Beklagte stelle damit auf das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG ab. Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG markiere auch für Einbürgerungsverfahren grundsätzlich - von der vorliegend nicht einschlägigen Ausnahme des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG abgesehen - die äußerste zeitliche Grenze einer im Rechtsverkehr möglichen Verwertung. Aus dem Verwertungsverbot lasse sich jedoch nicht - aufgrund eines Umkehrschlusses - auf die rechtlich gebotene Verwertbarkeit der Eintragung vor Ablauf der Tilgungsfrist schließen. Denn es könne nicht übersehen werden, dass die Tilgungsfristen in § 46 Abs. 1 Nr. 1 - 4 BZRG - fünf, zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre, gegebenenfalls erhöht um die jeweils ausgesprochene Freiheitsstrafe - äußerst pauschal gehalten seien und mit ihren Fünf-Jahres-Sprüngen auch vergleichsweise wenig Raum für eine Einzelfallbetrachtung böten. Dies möge für ein Registergesetz im Sinne einer Verwaltungspraktikabilität hinnehmbar sein. Um den früher in § 8 Abs. 1 StAG verwendeten Begriff des „unbescholtenen Lebenswandels“ durch wesentlich konkretere Kriterien zu ersetzen, was ausdrücklich Sinn der gesetzgeberischen Reform des Jahres 1993 gewesen sei, erscheine ein generelles Abstellen auf noch nicht getilgte Eintragungen im Bundeszentralregister zur Beantwortung der Frage, ob ein Einbürgerungsbewerber aktuell einen Ausweisungsgrund erfülle, daher eher ungeeignet. Insbesondere, wenn ein Einbürgerungsbewerber etwa die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) - c) BZRG nur geringfügig überschreite, sei es kaum zu rechtfertigen, ihm deshalb die Möglichkeit einer Einbürgerung statt für zehn Jahre sogleich für fünfzehn Jahre zu versagen. Bei der Frage, wie lange eine Straftat nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a.F. als Ausweisungsgrund einem Einbürgerungsbewerber entgegengehalten werden dürfe, seien vielmehr Sinn und Zweck des jeweiligen Ausweisungsgrundes von maßgeblicher Bedeutung. Liege dem Ausweisungsgrund eine Straftat zugrunde, so seien das der Verurteilung zugrunde liegende Verhalten zu berücksichtigen, die Schwere und Eigenart des Delikts sowie die ausgesprochene Strafhöhe. Lägen die vorwerfbaren Taten mehrere Jahre zurück, so sei von Bedeutung, wie sich der Ausländer in der Folgezeit verhalten habe und auch, welche künftige Rückfallprognose dem Einbürgerungsbewerber noch ausgestellt werden müsse. Danach könne heute nicht mehr davon ausgegangen werden, der Kläger erfülle noch einen Ausweisungsgrund. Bei den vom Kläger in den Jahren 1993 bis 1998 begangenen Straftaten handele es sich jeweils um Straßenverkehrsdelikte, nahezu ausschließlich um Fahren ohne Fahrerlaubnis. Eigentums- oder gar Gewaltkriminalität sei dem Kläger nicht vorzuwerfen. Innerhalb der Biografie des Klägers nähmen sich diese Straftaten „episodenhaft“ aus. Seit 1998 sei der Kläger nicht mehr auffällig geworden. Nachdem er zwischenzeitlich im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis sei, könne nahezu ausgeschlossen werden, dass sich bei ihm Vergleichbares wiederhole. Zwar habe der Kläger in dem genannten Zeitraum eine auffällige Renitenz zur Missachtung der Rechtsordnung an den Tag gelegt, in dem er sich zahlreichen jeweils vorangegangenen Urteilen wegen einer Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht gebeugt, sondern sein Verhalten zunächst fortgesetzt habe. Allerdings habe der Kläger offenkundig dieses Verhalten lediglich auf diesem einen Rechtsgebiet gezeigt. Eine anderweitige Neigung zur Missachtung der Rechtsordnung sei beim Kläger weder in dem genannten Zeitraum zu Tage getreten, noch habe sich solches in den vergangenen beinahe 10 Jahren anderweitig gezeigt. Nachdem der Kläger zwischenzeitlich mit einer deutschen Staatsangehörigen eine Familie gegründet habe, sei ersichtlich, dass bei ihm eine charakterliche Stabilisierung eingetreten sei. Die vor beinahe 10 Jahren teilweise und kurzzeitig verbüßte Haftstrafe habe offenkundig beim Kläger in seinem Verhalten eine Zäsur bewirkt. Es könne daher heute nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Kläger aktuell noch einen Ausweisungsgrund erfülle. Unabhängig von Vorstehendem lägen beim Kläger die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAG a. F. aber auch noch aus einem weiteren Grund vor. Der Kläger erfülle schon deshalb keinen Ausweisungsgrund nach §§ 54 Nr. 1, 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG mehr, weil diese ursprünglich gegebenen Ausweisungsgründe zwischenzeitlich staatsangehörigkeitsrechtlich „verbraucht“ seien. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass ein Ausweisungsgrund in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes einem Ausländer nur dann und solange entgegengehalten werden dürfe, als er noch „aktuell" und nicht „verbraucht“ sei bzw. die zuständige Behörde auf seine Geltendmachung nicht ausdrücklich oder konkludent "verzichtet" habe. Ein solcher Verbrauch der beim Kläger ursprünglich vorliegenden Ausweisungsgründe sei im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hier durch die dem Kläger am 19.09.2003 erteilte Einbürgerungszusicherung eingetreten. Nachdem der Beklagte nach Erkennen seines Fehlers insoweit die vorangegangene Einbürgerungszusicherung auch nicht etwa zurückgenommen habe, liege zum jetzigen Zeitpunkt ein Ausweisungsgrund, der dem Kläger gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a. F. entgegengehalten werden könnte, nicht mehr vor. Der Kläger habe somit einen Anspruch darauf, dass der Beklagte sein Einbürgerungsbegehren nach §§ 8, 9 StAG a. F. neu bescheide.
28 
Das Urteil wurde dem Beklagten am 20.03.2008 zugestellt. Auf den von ihm am 15.04.2008 gestellten und am 15.05.2008 begründeten Antrag hat der Senat durch Beschluss vom 25.08.2008 die Berufung zugelassen.
29 
Am 23.09.2008 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung wie folgt begründet:
30 
Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht § 8 StAG in der bis 27.08.2007 geltenden Fassung angewandt. Der nach § 40c StAG anzustellende Günstigkeitsvergleich, der für jede Einbürgerungsvoraussetzung anzustellen sei, führe zu den Ergebnis, dass die neue Fassung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG die günstigere Bestimmung sei. Denn während es nach der alten Fassung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 auf das bloße Vorliegen von bestimmten Ausweisungsgründen angekommen sei und daher auch strafrechtlich unerhebliches Verhalten der Einbürgerung habe entgegen stehen können, seien jetzt nur noch Verurteilungen wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe oder die Anordnung einer Maßregel relevant, soweit die in § 12a Abs. 1 Nr. 1 StAG genannten Bagatellgrenzen überschritten würden. Derartige Verurteilungen, welche die Grenze des § 12a Abs. 1 StAG überstiegen, seien auch unter den Begriff der vereinzelten und geringfügigen Rechtsversstöße nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zu rechnen und stellten daher regelmäßig einen Ausweisungsgrund dar, machten jedoch nur eine Teilmenge aller denkbaren Ausweisungsgründe aus, weshalb die neue Fassung günstiger sei. Bei Anwendung des neuen Rechts stünden die vom Kläger begangenen Straftaten, die nicht getilgt seien, einer Einbürgerung entgegen und seien auch im Rahmen des durch § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. eröffneten Ermessens zu Recht unberücksichtigt geblieben und auch nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG n.F. nicht zu berücksichtigen. Die Taten könnten auch ausnahmslos berücksichtigt werden, da gem. § 46 Abs. 1 Nr. 2 BZRG Tilgungsreife erst im Jahre 2013 eintreten werde.
31 
Die Entscheidung sei allerdings auch dann unrichtig, wenn man § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG in der alten Fassung anwende. Denn der Kläger erfülle einen Ausweisungsgrund, der nicht verbraucht sei. Für die Frage, ob ein Ausweisungsgrund vorliege, komme es allein darauf an, ob dieser erfüllt sei, nicht jedoch darauf, ob tatsächlich eine Ausweisung erfolgen könne. Im vorliegenden Fall sei der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG einschlägig, weil der Kläger insgesamt wegen desselben Vergehens zu erheblichen Freiheitsstrafen verurteilt worden sei. Beim Kläger habe ein unbelehrbares Verhalten vorgelegen. Die Verstöße seien weder vereinzelt noch geringfügig gewesen. Die Vorwerfbarkeit sei auch nicht nachträglich entfallen. In Ermangelung einschlägiger Regelungen in den §§ 8 und 9 StAG könne hinsichtlich der Verwertbarkeit strafrechtlicher Verurteilungen auf die Bestimmungen des Bundeszentralregistergesetzes zurückgegriffen werden. Der Ausweisungsgrund wäre daher nur dann unbeachtlich, wenn die zugrunde liegenden Straftaten getilgt wären, was jedoch nicht der Fall sei. Entgegen der früheren Rechtslage, nach der auf einen „unbescholtenen Lebenswandel“ abgestellt worden sei, sei nunmehr auch aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit keine umfassende Abwägungsentscheidung mehr zu treffen, sofern festgestellt worden sei, dass der Verstoß weder vereinzelt noch geringfügig gewesen sei. Im Übrigen könne der Sichtweise des Verwaltungsgerichts auch aus systematischen Erwägungen nicht gefolgt werden. Denn in der bis 27.08.2007 geltenden Fassung sei eine Abwägungsentscheidung bei Straftaten auf den Fall des § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG beschränkt gewesen. Wäre bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 StAG auch eine solche Abwägungsentscheidung gewollt gewesen, so hätte es nahe gelegen, in § 8 Abs. 2 nicht nur die Möglichkeit eines Dispenses von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 vorzusehen, sondern dort auch auf § 8 Abs. 1 Nr. 2 Bezug zu nehmen. Erst die neue Fassung des § 8 Abs. 2 habe eine Erweiterung um den Fall des Abs. 1 Nr. 2 vorgenommen. Wäre die Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtig, so hätte es dieser Anpassung nicht bedurft.
32 
Die vom Kläger begangenen Straftaten seien auch nicht durch die Einbürgerungszusicherung verbraucht. Mit der Einbürgerungszusicherung nach § 38 LVwVfG werde dem Einbürgerungsbewerber die Einbürgerung für den Fall zugesagt, dass er den Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit nachweise. Mit Ablauf der Frist von zwei Jahren habe deren Wirkung geendet, eine Verlängerung sei nicht erfolgt. Hätte die Einbürgerungszusicherung die ihr vom Verwaltungsgericht beigemessene Wirkung, so nähme sie im Hinblick auf sämtliche Einzelfragen der Einbürgerung mit Ausnahme der Hinnahme der Mehrstaatigkeit die endgültige Entscheidung über den Einbürgerungsantrag verbindlich vorweg und wäre ein vorgezogener Ausschnitt aus der umfassenderen Einbürgerung und als solcher eine Art feststellender Verwaltungsakt. Ihre Wirkungen glichen denjenigen des Vorbescheids im Baurecht. Dies entspreche jedoch nicht den gesetzlichen Vorgaben. Die Einbürgerungszusicherung nehme nicht einen Abschnitt des später erlassenen Verwaltungsakts vorweg, sondern sage lediglich dessen Erlass zu. Dies habe zur Folge, dass die Zusicherung mit Ablauf der Frist ihre Wirkungen verliere. Zwar könne es ausnahmsweise Fälle geben, in denen die Behörde nach Treu und Glauben sich nicht auf einen Fristablauf berufen könne, wenn der Einbürgerungsbewerber die einzige Bedingung erfüllt habe, sich die Behörde jedoch gleichwohl geweigert habe, die Einbürgerung vorzunehmen und deshalb die Frist abgelaufen sei. So lägen die Dinge hier jedoch nicht. Ein schutzwürdiges Vertrauen und Interesse des Klägers bestehe daher nicht.
33 
Der Beklagte beantragt,
34 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. November 2007 - 11 K 3108/06 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
35 
Der Kläger beantragt,
36 
die Berufung zurückzuweisen.
37 
Er verteidigt das angegriffene Urteil und führt noch aus: Der vom Beklagten befürwortete Rückgriff auf die Regelungen des Bundeszentralregistergesetz finde im Gesetz keine Stütze und sei nicht sachgerecht. Das Verwaltungsgericht führe richtigerweise aus, dass die Tilgungsfristen wegen der großen Zeitsprünge wenig Raum für eine Einzelfallbetrachtung böten. Es müsse berücksichtigt werden, dass er die Taten nicht mehr begehen könne, weil er seit 2002 einen Führerschein besitze. Er lebe seit 10 Jahren völlig straffrei. Seine aktuelle Arbeitslosigkeit stehe der Einbürgerung nicht entgegen. Er habe Leistungen der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung erworben, die mindestens 12 Monate bezahlt würden. Durch eine zusätzliche Tätigkeit bei Mc Donalds werde er rund 200,00 EUR hinzuverdienen. Er habe auch seit Januar eine Stelle in der Schweiz erhalten. Er sei Grenzgänger, was aber auf Dauer nur möglich sei, wenn er deutscher Staatsangehöriger sei. Ansonsten könne er nur mit einem Visum zwischen den Ländern verkehren. Ohne die deutsche Staatsangehörigkeit werde er die Stelle wieder verlieren. Er habe sich im Übrigen bei verschiedenen Zeitarbeitsfirmen beworben.
38 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf deren Schriftsätze verwiesen.
39 
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten des Landratsamts Schwäbisch Hall, die Widerspruchakten des Regierungspräsidiums Stuttgart, die Strafakten des Amtsgerichts Backnang und Waldshut-Tiengen und die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
40 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags ordnungsgemäß begründete Berufung hat in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage in vollem Umfang abweisen müssen. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
41 
1. Was die Behandlung und Beurteilung eines möglichen Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG betrifft, kann der Senat auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verweisen, denen nichts Wesentliches hinzuzufügen ist und die er sich zu Eigen macht (vgl. § 130b Satz 2 VWGO).
42 
Der Senat lässt dabei ausdrücklich offen, ob dem Verwaltungsgericht zu folgen wäre, dass „eine höhere Strafe“ im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. auch eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Strafe sein kann. Denn diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, wovon letztlich das Verwaltungsgericht selbst ausgegangen ist.
43 
2. Der Kläger, der mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, kann seine Einbürgerung auch nicht nach § 9 (i.V.m. § 8) StAG beanspruchen; auch eine Neubescheidung seines Antrags kommt nicht in Betracht.
44 
Nachdem der Kläger seinen Einbürgerungsantrag am 07.02.2003 und damit vor dem 01.04.2007 gestellt hatte, ist mit Rücksicht auf § 40c StAG zunächst der Frage nachzugehen, ob insoweit das bis 27.08.2007 geltende Recht für den Kläger günstigere Einbürgerungsvoraussetzungen aufgestellt hatte und damit - was die rechtliche Beurteilung, nicht allerdings die tatsächlichen Verhältnisse betrifft - entgegen dem allgemeinen Grundsatz, nicht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen wäre. Zur Beantwortung der Frage, welche Bestimmungen für den Einbürgerungsbewerber günstiger sind, ist jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung getrennt in den Blick zu nehmen (vgl. Berlit InfAuslR 2007, 457 <466>). Beim dem hiernach anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist anhand des konkreten Sachverhalts eine Alternativprüfung vorzunehmen.
45 
a) Unverändert geblieben ist allerdings die zwingende Einbürgerungsvoraussetzung, dass der Einbürgerungsbewerber seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben muss. Dieses ist nach dem im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegebenen Sachverhalt nicht mehr der Fall.
46 
Seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er dort nicht vorübergehend, sondern grundsätzlich auf nicht im Einzelnen absehbare Zeit verweilt bzw. verweilen wird und an dem der Schwerpunkt der Bindungen, insbesondere familiärer oder beruflicher Hinsicht liegt. Grundsätzlich sind hiernach alle Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen und zu würdigen, wobei es in erster Linie auf die objektiv feststellbaren Umstände ankommt (vgl. Berlit, in: GK-StAR, § 10 Rdn. 81, 85). Ausgehend hiervon hat der Kläger jedenfalls zu Beginn dieses Jahres seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet aufgegeben. Dies ergibt sich aus folgendem: Nachdem er Ende des vergangenen Jahres eine Stelle in der Schweiz, nämlich in B. gefunden hat und nach dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten schweizerischen Aufenthaltstitel sich seit 01.12.2008 regelmäßig in der Schweiz aufhält, ist er im April diesen Jahres mit der gesamten Familie in die Schweiz nach W. gezogen. Die Wohnung in W. wurde vollständig aufgegeben. Unter der von ihm angegebenen Anschrift in G. leben seine Schwiegereltern in einem Haus, ohne dass dem Kläger und seiner Familie dort eine vollständige eigene Wohnung zur Verfügung steht. Dort können sich der Kläger und seine Familie an den Wochenenden und in den Ferien aufhalten, was sie auch tun. Allerdings ist nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung der in der Schweiz abgeschlossene Arbeitsvertrag zunächst bis 07.09.2009 befristet. Befristet ist in gleicher Weise zunächst der von der Schweiz erteilte Aufenthaltstitel. Dieser Umstand könnte möglicherweise der Annahme entgegenstehen, der Kläger habe inzwischen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz genommen. Dieser Schluss ist aber nicht gerechtfertigt. Denn aus der Tatsache, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben insbesondere seine Kinder mitgenommen und in der Schweiz eingeschult hat, und das sogar noch während des laufenden Schuljahrs, kann nur der Schluss gezogenen werden, dass der Aufenthalt in der Schweiz auf Dauer angelegt ist und nicht nur auf kurze Zeit bis Anfang September 2009, und der Kläger selbst davon ausgeht, dass der Aufenthalt nicht zu diesem Zeitpunkt enden soll.
47 
b) Nach der aktuellen Rechtslage stehen gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers einer Einbürgerung zwingend entgegen. In diesem Zusammenhang stellt sich die im Rahmen der Anwendung der früher geltenden Fassung vom Verwaltungsgericht erörterte Frage, ob auch vor Eintritt der Tilgungsreife eine Straftat nicht mehr verwertet bzw. vorgehalten werden kann, von vornherein nicht (vgl. hierzu im Folgenden). Verurteilungen können - wie im Anwendungsbereich des § 10 StAG - vor Eintritt der Tilgungsreife allein nach Maßgabe des § 12a Abs. 1 StAG außer Betracht bleiben. Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 liegen ersichtlich nicht vor. Die höhere Strafe kann auch nicht nach Satz 3 außer Betracht bleiben, da von einem nur geringfügigen Überschreiten des Rahmens nach den Sätzen 1 und 2 nicht die Rede sein kann.
48 
Von der Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG kann auch nicht nach dessen Absatz 2 abgesehen werden. Ein öffentliches Interesse ist nicht erkennbar. Aber auch eine besondere Härte liegt nicht vor. Hierzu muss zunächst ein atypischer Sachverhalt gegeben sein, der den Einbürgerungsbewerber in besonderer Weise, d.h. qualifiziert beschwert, wenn und weil er nicht bzw. erst später eingebürgert würde; die Härte muss also gerade infolge der Einbürgerung bzw. der frühzeitigeren Einbürgerung beseitigt werden können. Dies wäre vielleicht in Betracht zu ziehen, wenn allein die letzte Straftat aus dem Jahre 2008 dazu geführt hätte, dass die früheren Straftaten nicht getilgt werden können, diese letzte Tat Bagatellcharakter hätte und ihm ein weiteres vorläufiges Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten wäre. Dies ist allerdings hier nicht der Fall, wie noch im Folgenden dargestellt wird. Dann jedoch liegt eine typische einbürgerungschädliche Folge der erheblichen und beharrlichen Kriminalität des Klägers und der hiermit verbundenen längeren Tilgungsfristen vor. Ob eine besondere Härte darin zu erblicken sein könnte, dass der Kläger ohne Einbürgerung nicht unter erleichterten Bedingungen in die Schweiz zu einem Arbeitsplatz pendeln kann, bedarf keiner abschließenden Bewertung. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger von seiner Ausbildung oder seinen Befähigungen her zwingend auf den Arbeitsmarkt der Schweiz angewiesen sein könnte.
49 
Nach der früheren Rechtslage steht der Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG zwingend entgegen, dass Kläger einen der im Einzelnen enumerativ aufgezählten Ausweisungsgründe erfüllt. Relevant ist hier § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Zweifelsfrei lagen diese Voraussetzungen mit Rücksicht auf die erheblichen strafgerichtlichen Verurteilungen vor. Sie können mangels Tilgungsreife dem Kläger auch heute noch vorgehalten werden.
50 
Zunächst ist festzuhalten, dass die zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG 1990 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ergangene Rechtsprechung über den ausländerrechtlichen „Verbrauch“ von Ausweisungsgründen bei Erteilung oder Verlängerung eines Titels in Kenntnis des Vorliegens eines Ausweisungsgrundes (vgl. hierzu Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 106 ff m.w.N.) nicht in das Staatsangehörigkeitsrecht übertragen werden kann. Die die gegenteilige Sichtweise befürwortende Literatur (vgl. etwa Marx, in: StAR § 8 Rdn. 67 f.), der das Verwaltungsgericht zuzuneigen scheint, übersieht, dass es keinen nachvollziehbaren Grund geben kann, insoweit eine Bindung der Staatsangehörigkeitsbehörde durch eine Ausländerbehörde vorzunehmen, die „lediglich“ über eine weitere aufenthaltsrechtliche Hinnahme des Aufenthalts eines Ausländers oder einer Ausländerin zu entscheiden hat (vgl. etwa Senatsurteil vom 12.09.2002 - 13 S 880/00 - EzAR 271 Nr. 37). Weiter ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen eines Ausweisungsgrundes nicht erst dann erfüllt sind, wenn im konkreten Fall eine Ausweisung rechtmäßig verfügt werden könnte. Dies entspricht der einhelligen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zum Ausländer- bzw. Aufenthaltsrecht (vgl. Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 95 ff m.w.N.). Im Staatsangehörigkeitsrecht gilt nichts anderes (vgl. ausdrücklich BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 1 C 23.03 - juris).
51 
Allerdings finden sich in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig dahin gehende Formulierungen, dass ein Ausweisungsgrund im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG 1990 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nur vorliegen könne, wenn dieser noch gegenwärtig aktuell und nicht durch die zeitliche Entwicklung überholt ist. Dies soll, wie auch das Verwaltungsgericht meint, aus dem Tatbestandsmerkmal „vorliegen“ bzw. „erfüllt“ folgen (so wohl auch Senatsbeschluss vom 17.10.1996 - 13 S 1279/96 - InfAuslR 1997, 111; vgl. auch Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 104 ff m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Gesichtspunkt der Aktualität im Schwerpunkt und vornehmlich für die Fälle eines „Verbrauchs“ des Ausweisungsgrundes infolge einer entsprechenden regelmäßig vertrauenstiftenden Handlung der Ausländerbehörde, wie etwa der Verlängerung eines Aufenthaltstitels, erörtert wird (vgl. ausdrücklich Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 106). Gleichwohl bedarf die Auffassung, wonach ausnahmslos nur „aktuelle“ Ausweisungsgründe vorgehalten werden können, der Präzisierung. Denn das Aufenthaltsgesetz unterscheidet ausdrücklich zwischen den verschiedenen Ausweisungsgründen. Diese haben nämlich keine identische Struktur. So kennt das Aufenthaltsgesetz Ausweisungsgründe, die allein darauf abstellen, dass es in der Vergangenheit zu einer strafgerichtlichen Verurteilung gekommen ist (vgl. §§ 53, 54 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; „…verurteilt worden ist…“) bzw. der Ausländer oder die Ausländerin in der Vergangenheit eine bestimmte Handlung begangen hat (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG; „…gemacht hat…“ bzw. „…nicht mitgewirkt hat…“). Die anderen Ausweisungsgründe stellen hingegen allein darauf ab, dass gegenwärtig bestimmte Handlungen begangen werden und hieraus aktuell eine bestimmte Gefahrensituation resultiert. Deshalb „liegt“ ein Ausweisungsgrund im Falle einer strafgerichtlichen Verurteilung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auch und bereits dann „vor“, wenn der Zeitpunkt der Verurteilung schon länger zurück liegt. Im aufenthaltsrechtlichen Kontext kommt im Falle der vergangenheitsbezogenen Ausweisungsgründe des § 55 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG dem Gesichtspunkt der Aktualität auf einer anderen - zweiten - Stufe Bedeutung zu. Zum einen ist dieser Gesichtspunkt bei der konkreten Ermessensausübung, ob eine Ausweisung verfügt werden soll, zu erörtern; zum anderen bei der Prüfung der Frage, ob eine von der Regel des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abweichende Atypik besteht (in diesem Sinn wohl auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 5 AufenthG Rdn. 31). Denn es liegt auf der Hand, dass ein vor Jahren begangener Rechtsverstoß, so er nicht ohnehin nur vereinzelt oder geringfügig begangen wurde und damit gar keinen Ausweisungsgrund ausmacht, nicht in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügenden Art und Weise eine Ausweisungsverfügung oder eine Verweigerung eines Aufenthaltsrechts tragen kann, wenn kein innerer und zeitlicher Zusammenhang mit den aktuellen Lebensverhältnissen des Ausländers oder der Ausländerin mehr besteht. Dies gilt umso mehr für andere Rechtsverstöße und unzutreffende Angaben (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG), die gar keiner Tilgung im Bundeszentralregister unterliegen können.
52 
Indem jedoch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG pauschal und undifferenziert auf bestimmte Ausweisungsgründe verweist und damit nur unvollständig die dargestellte aufenthaltsrechtliche Struktur übernimmt, fällt der zweite Prüfungsschritt gewissermaßen aus. Der Gesichtspunkt der Aktualität des Ausweisungsgrundes muss daher im staatsangehörigkeitsrechtlichen Kontext als eine im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verortende immanente Grenze des Einbürgerungshindernisses des Ausweisungsgrundes begriffen und das Tatbestandsmerkmal „erfüllt“ entsprechend verfassungskonform interpretiert werden.
53 
Was die Berücksichtigung von strafgerichtlichen Verurteilungen als Ausweisungsgrund im aufenthaltsrechtlichen wie im staatsangehörigkeitsrechtlichen Zusammenhang betrifft, ist es in Ermangelung anderer aussagekräftiger Hinweise im Aufenthalts- wie im Staatsangehörigkeitsgesetz im Ausgangspunkt folgerichtig, wenn die Verurteilung so lange als Ausweisungsgrund im Rechtsverkehr vorgehalten werden kann, als noch keine Tilgung im Bundeszentralregister erfolgt ist (vgl. in diesem Sinn schon Senatsurteil vom 21.08.2003 - 13 S 888/03 - juris; a.A. etwa Bäuerle, a.a.O., § 5 Rdn. 111). Denn die Länge der Tilgungsfrist bildet die Schwere der begangenen Straftat durchaus realitätsgerecht ab (vgl. § 45 Abs. 3 Nr. 1, § 46 Abs. 1 BZRG) und ist daher grundsätzlich durchaus geeignet, auch gegenwartsbezogen Schlüsse auf die Aktualität des Ausweisungsgrundes und damit ein weiterhin gegen eine Einbürgerung sprechendes öffentliches Interesse zu ermöglichen. Es ist in diesem Zusammenhang anerkannt, dass unter dem Aspekt der Aktualität und damit auch dem der Verhältnismäßigkeit das Gewicht des Ausweisungsgrundes und hier insbesondere die Schwere der Straftat bzw. die Höhe der verhängten Strafe von erheblicher Aussagekraft dafür sein kann, ob gegenwärtig der Ausweisungsgrund noch vorgehalten werden soll oder auch nur kann (vgl. etwa Bäuerle, a.a.O., § 5 Rdn. 105; Hailbronner, a.a.O., § 5 AufenthG Rdn. 31). Allerdings kann es der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit erforderlich machen, auch noch nicht getilgte Straftaten auszuscheiden, wenn der Tilgungsmechanismus des Bundeszentralregistergesetzes zu unangemessenen und daher unverhältnismäßigen Ergebnissen führen würde. Da infolge der Bestimmung des § 47 BZRG zeitlich vorher eingetragene, aber an sich tilgungsreife Verurteilungen erst getilgt werden, wenn bei der letzten vorangegangenen Verurteilung Tilgungsreife eingetreten ist, muss hier unmittelbar die Systematik des Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrechts korrigierend in den Blick genommen werden. Denn handelt es sich bei der letzten Verurteilung um eine Straftat, die nur einen vereinzelten oder aber v.a. geringfügigen Charakter im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hatte und daher gar keinen Ausweisungsgrund ausmacht, so wäre es von vornherein verfehlt, länger zurückliegende strafgerichtliche Verurteilungen, die bereits getilgt werden könnten, wenn die letzte Verurteilung nicht eingetragen wäre, noch vorzuhalten. Daneben kann es im Einzelfall darüber hinaus mit Blick auf die zugrunde liegenden Straftaten erforderlich werden, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine abweichende Beurteilung vorzunehmen.
54 
So liegen die Verhältnisse hier jedoch nicht. Eine vollständige Tilgung wird hier erst im Jahre 2013 erfolgen. Dies hat seine Ursachen nicht darin, dass zuletzt die Verurteilung durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vom 14.02.2008 eingetragen ist, sondern beruht auf der Verurteilung durch das Amtsgericht Backnang vom 14.05.1998, die eine Tilgungsfrist gem. § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG von 15 Jahren ausgelöst hat. Selbst wenn man daher zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass die nach knapp 9-jähriger Straffreiheit im November 2006 begangene erst am 14.02.2008 abgeurteilte Straftat als vereinzelter oder geringfügiger Verstoß im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 1 C 23.03 - juris) zu werten wäre, so hat diese und die hiermit verbundene Tilgungsfrist von 5 Jahren (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG) keine Verlängerung der laufenden Tilgungsfrist nach sich gezogen. Der Senat kann daher offen lassen, ob die immerhin vorsätzlich begangene Straftat als vereinzelt oder geringfügig anzusehen wäre und ob den vom Kläger erhobenen Einwänden gegen die Verurteilung in Anbetracht der eingetretenen Rechtskraft überhaupt nachzugehen wäre. Es besteht auch im Übrigen kein ausreichend tragfähiger Grund ausnahmsweise trotz nicht erfolgter Tilgung die früheren Verurteilungen nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen. Denn in der Kette der von ihm begangenen Straftaten kommt eine hartnäckige und unbelehrbare Missachtung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck. Der Kläger hat durch seine Taten unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er gesetzliche Beschränkungen seiner Handlungsfreiheit, die insbesondere der Sicherheit von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer dienen, bei der Verfolgung seiner Interessen nicht hinzunehmen bereit ist. Demzufolge wurden dem Kläger im Urteil des Amtsgerichts Backnang vom 14.05.1998 auch erhebliche charakterliche Mängel bescheinigt. Bei dieser Sachlage ist es jedenfalls gegenwärtig auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Straffreiheit nicht geboten, ausnahmsweise von diesen Verurteilungen abzusehen. Es ist nicht unangemessen, durch weiteren Zeitablauf zusätzliche und endgültige Gewissheit zu erlangen, dass die zutiefst rechtsfeindliche Einstellung des Klägers zur Rechtsordnung überwunden ist.
55 
Auch § 8 Abs. 2 StAG a.F. ermöglicht keine Entscheidung zugunsten des Klägers. Denn die Bestimmung des 8 Abs. 2 StAG erlaubte in ihrer alten Fassung überhaupt nur eine Ausnahme von der Voraussetzung des Abs. 1 Nr. 4; § 12a StAG war in der alten Fassung nur auf den Fall des § 10 StAG anzuwenden. Da, wie dargelegt, schon keine Härte vorliegt, kann der Senat auch offen lassen, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen im Falle eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Umständen eine einfach-gesetzlich nicht vorgesehene Ausnahme zugelassen werden müsste, soweit diesem Gesichtspunkt nicht ohnehin schon bei der Beurteilung, ob aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise noch nicht getilgte Verurteilung nicht entgegengehalten werden dürfen, Rechnung getragen wurde. Gleichermaßen kann offen bleiben, ob im Rahmen des Günstigkeitsprinzips u. U. nach neuem Recht günstigere Teile einer Norm (hier: § 8 Abs. 2 n.F.) neben anderen Teilen nach altem Recht (Absatz 1 Nr. 2) angewendet werden könnten.
56 
c) Ein „Verbrauch“ der Ausweisungsgründe ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch nicht deshalb erfolgt, weil der Beklagte dem Kläger unter dem 19.09.2003 eine Einbürgerungszusicherung (vgl. § 38 LVwVfG) erteilt hatte. Diese war auf zwei Jahre befristet und hat damit nach Ablauf der Frist ihre rechtlichen Wirkungen verloren und ist demzufolge für den Beklagten nicht mehr bindend. Jede andere Sicht der Dinge würde die zeitliche Befristung unterlaufen und der Zusicherung eine über diesen Zeitpunkt hinausreichende Wirkung verleihen, die - auch aus der Sicht des Empfängers erkennbar (vgl. den Rechtsgedanken der §§ 133, 157 BGB) - vom Beklagten dieser gerade nicht beigemessen werden sollte, weshalb auch kein über die zeitliche Geltung hinausgehender Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Sinn und Zweck einer Befristung der Zusicherung ist es gerade, deren Perpetuierung zu verhindern und insbesondere eine Rücknahme nach erkannter Fehlerhaftigkeit überflüssig zu machen. Andernfalls käme der Zusicherung, wie der Beklagte zutreffend ausführt, der Charakter einer bereits endgültigen „Teilgenehmigung“ zu, mit der einzelne Tatbestandsvoraussetzungen im Sinne einer Abschichtung bereits verbindlich und auf Dauer zwischen den Beteiligten entschieden und geregelt würden. Wegen dieser andersartigen Struktur einer befristeten Zusicherung ist auch die vom Verwaltungsgericht gezogene Parallele zu der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach durch einen in Kenntnis eines verwirklichten Ausweisungsgrundes erteilten Aufenthaltstitel diese Ausweisungsgründe verbraucht sind und später nicht mehr entgegen gehalten werden können, nicht tragfähig. Denn mit der Erteilung des Aufenthaltstitels wird in jeder Hinsicht uneingeschränkt und endgültig die begehrte Rechtsposition eingeräumt, und nicht nur im Sinne einer Vorstufe auf Zeit. Gegen Treu und Glauben würde eine Berufung auf den Fristablauf nur dann verstoßen, wenn der Einbürgerungsbewerber mittlerweile die einzige mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hätte und die Behörde sich nunmehr auf den Fristablauf berufen würde. Dieser Fall ist aber hier nicht gegeben.
57 
3. Eine Einbürgerung nach § 8 StAG scheitert aus den genannten Gründen.
58 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
60 
Beschluss vom 06. Mai .2009
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar

Gründe

 
40 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags ordnungsgemäß begründete Berufung hat in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage in vollem Umfang abweisen müssen. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
41 
1. Was die Behandlung und Beurteilung eines möglichen Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG betrifft, kann der Senat auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verweisen, denen nichts Wesentliches hinzuzufügen ist und die er sich zu Eigen macht (vgl. § 130b Satz 2 VWGO).
42 
Der Senat lässt dabei ausdrücklich offen, ob dem Verwaltungsgericht zu folgen wäre, dass „eine höhere Strafe“ im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. auch eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Strafe sein kann. Denn diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, wovon letztlich das Verwaltungsgericht selbst ausgegangen ist.
43 
2. Der Kläger, der mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, kann seine Einbürgerung auch nicht nach § 9 (i.V.m. § 8) StAG beanspruchen; auch eine Neubescheidung seines Antrags kommt nicht in Betracht.
44 
Nachdem der Kläger seinen Einbürgerungsantrag am 07.02.2003 und damit vor dem 01.04.2007 gestellt hatte, ist mit Rücksicht auf § 40c StAG zunächst der Frage nachzugehen, ob insoweit das bis 27.08.2007 geltende Recht für den Kläger günstigere Einbürgerungsvoraussetzungen aufgestellt hatte und damit - was die rechtliche Beurteilung, nicht allerdings die tatsächlichen Verhältnisse betrifft - entgegen dem allgemeinen Grundsatz, nicht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen wäre. Zur Beantwortung der Frage, welche Bestimmungen für den Einbürgerungsbewerber günstiger sind, ist jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung getrennt in den Blick zu nehmen (vgl. Berlit InfAuslR 2007, 457 <466>). Beim dem hiernach anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist anhand des konkreten Sachverhalts eine Alternativprüfung vorzunehmen.
45 
a) Unverändert geblieben ist allerdings die zwingende Einbürgerungsvoraussetzung, dass der Einbürgerungsbewerber seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben muss. Dieses ist nach dem im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegebenen Sachverhalt nicht mehr der Fall.
46 
Seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er dort nicht vorübergehend, sondern grundsätzlich auf nicht im Einzelnen absehbare Zeit verweilt bzw. verweilen wird und an dem der Schwerpunkt der Bindungen, insbesondere familiärer oder beruflicher Hinsicht liegt. Grundsätzlich sind hiernach alle Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen und zu würdigen, wobei es in erster Linie auf die objektiv feststellbaren Umstände ankommt (vgl. Berlit, in: GK-StAR, § 10 Rdn. 81, 85). Ausgehend hiervon hat der Kläger jedenfalls zu Beginn dieses Jahres seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet aufgegeben. Dies ergibt sich aus folgendem: Nachdem er Ende des vergangenen Jahres eine Stelle in der Schweiz, nämlich in B. gefunden hat und nach dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten schweizerischen Aufenthaltstitel sich seit 01.12.2008 regelmäßig in der Schweiz aufhält, ist er im April diesen Jahres mit der gesamten Familie in die Schweiz nach W. gezogen. Die Wohnung in W. wurde vollständig aufgegeben. Unter der von ihm angegebenen Anschrift in G. leben seine Schwiegereltern in einem Haus, ohne dass dem Kläger und seiner Familie dort eine vollständige eigene Wohnung zur Verfügung steht. Dort können sich der Kläger und seine Familie an den Wochenenden und in den Ferien aufhalten, was sie auch tun. Allerdings ist nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung der in der Schweiz abgeschlossene Arbeitsvertrag zunächst bis 07.09.2009 befristet. Befristet ist in gleicher Weise zunächst der von der Schweiz erteilte Aufenthaltstitel. Dieser Umstand könnte möglicherweise der Annahme entgegenstehen, der Kläger habe inzwischen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz genommen. Dieser Schluss ist aber nicht gerechtfertigt. Denn aus der Tatsache, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben insbesondere seine Kinder mitgenommen und in der Schweiz eingeschult hat, und das sogar noch während des laufenden Schuljahrs, kann nur der Schluss gezogenen werden, dass der Aufenthalt in der Schweiz auf Dauer angelegt ist und nicht nur auf kurze Zeit bis Anfang September 2009, und der Kläger selbst davon ausgeht, dass der Aufenthalt nicht zu diesem Zeitpunkt enden soll.
47 
b) Nach der aktuellen Rechtslage stehen gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers einer Einbürgerung zwingend entgegen. In diesem Zusammenhang stellt sich die im Rahmen der Anwendung der früher geltenden Fassung vom Verwaltungsgericht erörterte Frage, ob auch vor Eintritt der Tilgungsreife eine Straftat nicht mehr verwertet bzw. vorgehalten werden kann, von vornherein nicht (vgl. hierzu im Folgenden). Verurteilungen können - wie im Anwendungsbereich des § 10 StAG - vor Eintritt der Tilgungsreife allein nach Maßgabe des § 12a Abs. 1 StAG außer Betracht bleiben. Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 liegen ersichtlich nicht vor. Die höhere Strafe kann auch nicht nach Satz 3 außer Betracht bleiben, da von einem nur geringfügigen Überschreiten des Rahmens nach den Sätzen 1 und 2 nicht die Rede sein kann.
48 
Von der Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG kann auch nicht nach dessen Absatz 2 abgesehen werden. Ein öffentliches Interesse ist nicht erkennbar. Aber auch eine besondere Härte liegt nicht vor. Hierzu muss zunächst ein atypischer Sachverhalt gegeben sein, der den Einbürgerungsbewerber in besonderer Weise, d.h. qualifiziert beschwert, wenn und weil er nicht bzw. erst später eingebürgert würde; die Härte muss also gerade infolge der Einbürgerung bzw. der frühzeitigeren Einbürgerung beseitigt werden können. Dies wäre vielleicht in Betracht zu ziehen, wenn allein die letzte Straftat aus dem Jahre 2008 dazu geführt hätte, dass die früheren Straftaten nicht getilgt werden können, diese letzte Tat Bagatellcharakter hätte und ihm ein weiteres vorläufiges Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten wäre. Dies ist allerdings hier nicht der Fall, wie noch im Folgenden dargestellt wird. Dann jedoch liegt eine typische einbürgerungschädliche Folge der erheblichen und beharrlichen Kriminalität des Klägers und der hiermit verbundenen längeren Tilgungsfristen vor. Ob eine besondere Härte darin zu erblicken sein könnte, dass der Kläger ohne Einbürgerung nicht unter erleichterten Bedingungen in die Schweiz zu einem Arbeitsplatz pendeln kann, bedarf keiner abschließenden Bewertung. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger von seiner Ausbildung oder seinen Befähigungen her zwingend auf den Arbeitsmarkt der Schweiz angewiesen sein könnte.
49 
Nach der früheren Rechtslage steht der Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG zwingend entgegen, dass Kläger einen der im Einzelnen enumerativ aufgezählten Ausweisungsgründe erfüllt. Relevant ist hier § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Zweifelsfrei lagen diese Voraussetzungen mit Rücksicht auf die erheblichen strafgerichtlichen Verurteilungen vor. Sie können mangels Tilgungsreife dem Kläger auch heute noch vorgehalten werden.
50 
Zunächst ist festzuhalten, dass die zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG 1990 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ergangene Rechtsprechung über den ausländerrechtlichen „Verbrauch“ von Ausweisungsgründen bei Erteilung oder Verlängerung eines Titels in Kenntnis des Vorliegens eines Ausweisungsgrundes (vgl. hierzu Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 106 ff m.w.N.) nicht in das Staatsangehörigkeitsrecht übertragen werden kann. Die die gegenteilige Sichtweise befürwortende Literatur (vgl. etwa Marx, in: StAR § 8 Rdn. 67 f.), der das Verwaltungsgericht zuzuneigen scheint, übersieht, dass es keinen nachvollziehbaren Grund geben kann, insoweit eine Bindung der Staatsangehörigkeitsbehörde durch eine Ausländerbehörde vorzunehmen, die „lediglich“ über eine weitere aufenthaltsrechtliche Hinnahme des Aufenthalts eines Ausländers oder einer Ausländerin zu entscheiden hat (vgl. etwa Senatsurteil vom 12.09.2002 - 13 S 880/00 - EzAR 271 Nr. 37). Weiter ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen eines Ausweisungsgrundes nicht erst dann erfüllt sind, wenn im konkreten Fall eine Ausweisung rechtmäßig verfügt werden könnte. Dies entspricht der einhelligen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zum Ausländer- bzw. Aufenthaltsrecht (vgl. Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 95 ff m.w.N.). Im Staatsangehörigkeitsrecht gilt nichts anderes (vgl. ausdrücklich BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 1 C 23.03 - juris).
51 
Allerdings finden sich in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig dahin gehende Formulierungen, dass ein Ausweisungsgrund im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG 1990 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nur vorliegen könne, wenn dieser noch gegenwärtig aktuell und nicht durch die zeitliche Entwicklung überholt ist. Dies soll, wie auch das Verwaltungsgericht meint, aus dem Tatbestandsmerkmal „vorliegen“ bzw. „erfüllt“ folgen (so wohl auch Senatsbeschluss vom 17.10.1996 - 13 S 1279/96 - InfAuslR 1997, 111; vgl. auch Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 104 ff m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Gesichtspunkt der Aktualität im Schwerpunkt und vornehmlich für die Fälle eines „Verbrauchs“ des Ausweisungsgrundes infolge einer entsprechenden regelmäßig vertrauenstiftenden Handlung der Ausländerbehörde, wie etwa der Verlängerung eines Aufenthaltstitels, erörtert wird (vgl. ausdrücklich Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 106). Gleichwohl bedarf die Auffassung, wonach ausnahmslos nur „aktuelle“ Ausweisungsgründe vorgehalten werden können, der Präzisierung. Denn das Aufenthaltsgesetz unterscheidet ausdrücklich zwischen den verschiedenen Ausweisungsgründen. Diese haben nämlich keine identische Struktur. So kennt das Aufenthaltsgesetz Ausweisungsgründe, die allein darauf abstellen, dass es in der Vergangenheit zu einer strafgerichtlichen Verurteilung gekommen ist (vgl. §§ 53, 54 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; „…verurteilt worden ist…“) bzw. der Ausländer oder die Ausländerin in der Vergangenheit eine bestimmte Handlung begangen hat (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG; „…gemacht hat…“ bzw. „…nicht mitgewirkt hat…“). Die anderen Ausweisungsgründe stellen hingegen allein darauf ab, dass gegenwärtig bestimmte Handlungen begangen werden und hieraus aktuell eine bestimmte Gefahrensituation resultiert. Deshalb „liegt“ ein Ausweisungsgrund im Falle einer strafgerichtlichen Verurteilung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auch und bereits dann „vor“, wenn der Zeitpunkt der Verurteilung schon länger zurück liegt. Im aufenthaltsrechtlichen Kontext kommt im Falle der vergangenheitsbezogenen Ausweisungsgründe des § 55 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG dem Gesichtspunkt der Aktualität auf einer anderen - zweiten - Stufe Bedeutung zu. Zum einen ist dieser Gesichtspunkt bei der konkreten Ermessensausübung, ob eine Ausweisung verfügt werden soll, zu erörtern; zum anderen bei der Prüfung der Frage, ob eine von der Regel des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abweichende Atypik besteht (in diesem Sinn wohl auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 5 AufenthG Rdn. 31). Denn es liegt auf der Hand, dass ein vor Jahren begangener Rechtsverstoß, so er nicht ohnehin nur vereinzelt oder geringfügig begangen wurde und damit gar keinen Ausweisungsgrund ausmacht, nicht in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügenden Art und Weise eine Ausweisungsverfügung oder eine Verweigerung eines Aufenthaltsrechts tragen kann, wenn kein innerer und zeitlicher Zusammenhang mit den aktuellen Lebensverhältnissen des Ausländers oder der Ausländerin mehr besteht. Dies gilt umso mehr für andere Rechtsverstöße und unzutreffende Angaben (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG), die gar keiner Tilgung im Bundeszentralregister unterliegen können.
52 
Indem jedoch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG pauschal und undifferenziert auf bestimmte Ausweisungsgründe verweist und damit nur unvollständig die dargestellte aufenthaltsrechtliche Struktur übernimmt, fällt der zweite Prüfungsschritt gewissermaßen aus. Der Gesichtspunkt der Aktualität des Ausweisungsgrundes muss daher im staatsangehörigkeitsrechtlichen Kontext als eine im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verortende immanente Grenze des Einbürgerungshindernisses des Ausweisungsgrundes begriffen und das Tatbestandsmerkmal „erfüllt“ entsprechend verfassungskonform interpretiert werden.
53 
Was die Berücksichtigung von strafgerichtlichen Verurteilungen als Ausweisungsgrund im aufenthaltsrechtlichen wie im staatsangehörigkeitsrechtlichen Zusammenhang betrifft, ist es in Ermangelung anderer aussagekräftiger Hinweise im Aufenthalts- wie im Staatsangehörigkeitsgesetz im Ausgangspunkt folgerichtig, wenn die Verurteilung so lange als Ausweisungsgrund im Rechtsverkehr vorgehalten werden kann, als noch keine Tilgung im Bundeszentralregister erfolgt ist (vgl. in diesem Sinn schon Senatsurteil vom 21.08.2003 - 13 S 888/03 - juris; a.A. etwa Bäuerle, a.a.O., § 5 Rdn. 111). Denn die Länge der Tilgungsfrist bildet die Schwere der begangenen Straftat durchaus realitätsgerecht ab (vgl. § 45 Abs. 3 Nr. 1, § 46 Abs. 1 BZRG) und ist daher grundsätzlich durchaus geeignet, auch gegenwartsbezogen Schlüsse auf die Aktualität des Ausweisungsgrundes und damit ein weiterhin gegen eine Einbürgerung sprechendes öffentliches Interesse zu ermöglichen. Es ist in diesem Zusammenhang anerkannt, dass unter dem Aspekt der Aktualität und damit auch dem der Verhältnismäßigkeit das Gewicht des Ausweisungsgrundes und hier insbesondere die Schwere der Straftat bzw. die Höhe der verhängten Strafe von erheblicher Aussagekraft dafür sein kann, ob gegenwärtig der Ausweisungsgrund noch vorgehalten werden soll oder auch nur kann (vgl. etwa Bäuerle, a.a.O., § 5 Rdn. 105; Hailbronner, a.a.O., § 5 AufenthG Rdn. 31). Allerdings kann es der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit erforderlich machen, auch noch nicht getilgte Straftaten auszuscheiden, wenn der Tilgungsmechanismus des Bundeszentralregistergesetzes zu unangemessenen und daher unverhältnismäßigen Ergebnissen führen würde. Da infolge der Bestimmung des § 47 BZRG zeitlich vorher eingetragene, aber an sich tilgungsreife Verurteilungen erst getilgt werden, wenn bei der letzten vorangegangenen Verurteilung Tilgungsreife eingetreten ist, muss hier unmittelbar die Systematik des Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrechts korrigierend in den Blick genommen werden. Denn handelt es sich bei der letzten Verurteilung um eine Straftat, die nur einen vereinzelten oder aber v.a. geringfügigen Charakter im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hatte und daher gar keinen Ausweisungsgrund ausmacht, so wäre es von vornherein verfehlt, länger zurückliegende strafgerichtliche Verurteilungen, die bereits getilgt werden könnten, wenn die letzte Verurteilung nicht eingetragen wäre, noch vorzuhalten. Daneben kann es im Einzelfall darüber hinaus mit Blick auf die zugrunde liegenden Straftaten erforderlich werden, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine abweichende Beurteilung vorzunehmen.
54 
So liegen die Verhältnisse hier jedoch nicht. Eine vollständige Tilgung wird hier erst im Jahre 2013 erfolgen. Dies hat seine Ursachen nicht darin, dass zuletzt die Verurteilung durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vom 14.02.2008 eingetragen ist, sondern beruht auf der Verurteilung durch das Amtsgericht Backnang vom 14.05.1998, die eine Tilgungsfrist gem. § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG von 15 Jahren ausgelöst hat. Selbst wenn man daher zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass die nach knapp 9-jähriger Straffreiheit im November 2006 begangene erst am 14.02.2008 abgeurteilte Straftat als vereinzelter oder geringfügiger Verstoß im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 1 C 23.03 - juris) zu werten wäre, so hat diese und die hiermit verbundene Tilgungsfrist von 5 Jahren (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG) keine Verlängerung der laufenden Tilgungsfrist nach sich gezogen. Der Senat kann daher offen lassen, ob die immerhin vorsätzlich begangene Straftat als vereinzelt oder geringfügig anzusehen wäre und ob den vom Kläger erhobenen Einwänden gegen die Verurteilung in Anbetracht der eingetretenen Rechtskraft überhaupt nachzugehen wäre. Es besteht auch im Übrigen kein ausreichend tragfähiger Grund ausnahmsweise trotz nicht erfolgter Tilgung die früheren Verurteilungen nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen. Denn in der Kette der von ihm begangenen Straftaten kommt eine hartnäckige und unbelehrbare Missachtung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck. Der Kläger hat durch seine Taten unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er gesetzliche Beschränkungen seiner Handlungsfreiheit, die insbesondere der Sicherheit von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer dienen, bei der Verfolgung seiner Interessen nicht hinzunehmen bereit ist. Demzufolge wurden dem Kläger im Urteil des Amtsgerichts Backnang vom 14.05.1998 auch erhebliche charakterliche Mängel bescheinigt. Bei dieser Sachlage ist es jedenfalls gegenwärtig auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Straffreiheit nicht geboten, ausnahmsweise von diesen Verurteilungen abzusehen. Es ist nicht unangemessen, durch weiteren Zeitablauf zusätzliche und endgültige Gewissheit zu erlangen, dass die zutiefst rechtsfeindliche Einstellung des Klägers zur Rechtsordnung überwunden ist.
55 
Auch § 8 Abs. 2 StAG a.F. ermöglicht keine Entscheidung zugunsten des Klägers. Denn die Bestimmung des 8 Abs. 2 StAG erlaubte in ihrer alten Fassung überhaupt nur eine Ausnahme von der Voraussetzung des Abs. 1 Nr. 4; § 12a StAG war in der alten Fassung nur auf den Fall des § 10 StAG anzuwenden. Da, wie dargelegt, schon keine Härte vorliegt, kann der Senat auch offen lassen, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen im Falle eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Umständen eine einfach-gesetzlich nicht vorgesehene Ausnahme zugelassen werden müsste, soweit diesem Gesichtspunkt nicht ohnehin schon bei der Beurteilung, ob aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise noch nicht getilgte Verurteilung nicht entgegengehalten werden dürfen, Rechnung getragen wurde. Gleichermaßen kann offen bleiben, ob im Rahmen des Günstigkeitsprinzips u. U. nach neuem Recht günstigere Teile einer Norm (hier: § 8 Abs. 2 n.F.) neben anderen Teilen nach altem Recht (Absatz 1 Nr. 2) angewendet werden könnten.
56 
c) Ein „Verbrauch“ der Ausweisungsgründe ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch nicht deshalb erfolgt, weil der Beklagte dem Kläger unter dem 19.09.2003 eine Einbürgerungszusicherung (vgl. § 38 LVwVfG) erteilt hatte. Diese war auf zwei Jahre befristet und hat damit nach Ablauf der Frist ihre rechtlichen Wirkungen verloren und ist demzufolge für den Beklagten nicht mehr bindend. Jede andere Sicht der Dinge würde die zeitliche Befristung unterlaufen und der Zusicherung eine über diesen Zeitpunkt hinausreichende Wirkung verleihen, die - auch aus der Sicht des Empfängers erkennbar (vgl. den Rechtsgedanken der §§ 133, 157 BGB) - vom Beklagten dieser gerade nicht beigemessen werden sollte, weshalb auch kein über die zeitliche Geltung hinausgehender Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Sinn und Zweck einer Befristung der Zusicherung ist es gerade, deren Perpetuierung zu verhindern und insbesondere eine Rücknahme nach erkannter Fehlerhaftigkeit überflüssig zu machen. Andernfalls käme der Zusicherung, wie der Beklagte zutreffend ausführt, der Charakter einer bereits endgültigen „Teilgenehmigung“ zu, mit der einzelne Tatbestandsvoraussetzungen im Sinne einer Abschichtung bereits verbindlich und auf Dauer zwischen den Beteiligten entschieden und geregelt würden. Wegen dieser andersartigen Struktur einer befristeten Zusicherung ist auch die vom Verwaltungsgericht gezogene Parallele zu der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach durch einen in Kenntnis eines verwirklichten Ausweisungsgrundes erteilten Aufenthaltstitel diese Ausweisungsgründe verbraucht sind und später nicht mehr entgegen gehalten werden können, nicht tragfähig. Denn mit der Erteilung des Aufenthaltstitels wird in jeder Hinsicht uneingeschränkt und endgültig die begehrte Rechtsposition eingeräumt, und nicht nur im Sinne einer Vorstufe auf Zeit. Gegen Treu und Glauben würde eine Berufung auf den Fristablauf nur dann verstoßen, wenn der Einbürgerungsbewerber mittlerweile die einzige mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hätte und die Behörde sich nunmehr auf den Fristablauf berufen würde. Dieser Fall ist aber hier nicht gegeben.
57 
3. Eine Einbürgerung nach § 8 StAG scheitert aus den genannten Gründen.
58 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
60 
Beschluss vom 06. Mai .2009
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 530/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger. Er lebt seit dem Jahre 2000 in der Bundesrepublik Deutschland. Am 17.4.2003 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige. Die am 23.1.2004 geborene Tochter besitzt ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit.

Der Kläger ist wegen Urkundenfälschung, Verletzung der Buchführungspflicht und mehrfachen Betrugs vorbestraft (vgl. im Einzelnen die Auflistung auf S. 3/4 des erstinstanzlichen Urteils). Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Nürnberg am 13.9.2007 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungsfrist endet am 12.9.2010.

Den am 10.1.2008 gestellten Einbürgerungsantrag des Klägers wies der Beklagte durch Bescheid vom 12.5.2009 mit Blick auf dessen Vorstrafen zurück. Die anschließende Klage hat das Verwaltungsgericht durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9.2.2010 ergangenes Urteil abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Berufungszulassungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die in der Antragsbegründung vom 16.4.2010 angeführten Gründe, die allein der Senat zu prüfen hat (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO), geben keine Veranlassung, die Berufung gegen das Urteil vom 9.2.2010 zuzulassen. Insbesondere ergeben sich daraus im Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat, ohne dass eine Frage von besonderer rechtlicher und/oder tatsächlicher Schwierigkeit oder von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten wäre (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO).

a) Ein Anspruch des Klägers auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG scheitert an seinen Vorstrafen. Das ist in dem angegriffenen Urteil - ausgehend von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG - unter ausführlicher Würdigung sowohl der Unbeachtlichkeitsschwelle des § 12 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG als auch der Nichtberücksichtigungsregelung des § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG dargelegt. Nach der „Umrechnungsformel“ des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG ergeben die weiterhin berücksichtigungsfähigen Vorstrafen des Klägers eine Freiheitsstrafe von insgesamt 16 Monaten. Dass damit die bei drei Monaten liegende „Bagatellgrenze“ des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG mehr als nur „geringfügig“ überschritten ist, liegt auf der Hand. Ergänzende Ausführungen sind nicht veranlasst.

b) Eine Kann-Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG scheitert - auch bei der nach Auffassung des Senats

ebenso Marx in StAR - Gemeinschaftskommentar - Stand: April 2010 -, § 8 Rdnrn. 93 und 95/96, und Nr. 8.1.1.2 Abs. 2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern - VAH - vom 17.4.2009, abgedruckt in StAR - Gemeinschaftskommentar, VII-3; a.A. Berlit, Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457 (465),

schon vom Wortlaut der Bestimmung her („bei der Einbürgerung“) gebotenen unmittelbaren Anwendung des § 12 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG - ebenfalls an den Vorstrafen des Klägers (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG).

Allerdings eröffnet § 8 Abs. 2 StAG die Möglichkeit („kann“), im Einzelfall von der Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG „aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abzusehen“. Darauf, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein solcher Härtefall vorliegt, zielt ersichtlich die Begründung des Berufungszulassungsantrags des Klägers. Dem kann indes nicht gefolgt werden.

Zustimmung verdient allerdings die Auffassung, dass § 8 Abs. 2 StAG auch nach der gebotenen unmittelbaren Anwendung des § 12 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG „einen Restbestand an Flexibilität in Bezug auf das Unbescholtenheitserfordernis gewährt“

so die Formulierung bei Berlit, a.a.O., S. 465, linke Spalte unten,

das allerdings durch das Merkmal der Vermeidung einer besonderen Härte „tatbestandlich gebunden“ ist

so Berlit, a.a.O., rechte Spalte oben.

Dieses Tatbestandsmerkmal ist, wie der Kontext, in dem es steht, und die gesetzgeberische Entscheidung, die § 12 a Abs. 1 Sätze 1 bis 3 StAG enthält, belegen, eng auszulegen. Deshalb fällt an dieser Stelle - erneut - das beträchtliche Maß ins Gewicht, in dem die Vorstrafen des Klägers die „Bagatellgrenze“ des § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG überschreiten. Hinzu kommt, dass die aus der letzten Vorstrafe resultierende Bewährungszeit noch nicht abgelaufen ist (vgl. § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG). Ob dies allein bereits ausreicht, eine Anwendung des § 8 Abs. 2 StAG auszuschließen

so die Verwaltungspraxis; kritisch dazu Marx, a.a.O., § 8 Rdnr. 104,

liegt zwar nahe, lässt der Senat aber ebenso wie das Verwaltungsgericht letztlich offen. Den Ausschlag gibt jedenfalls, dass die in § 8 Abs. 2 StAG geforderte „besondere Härte“ durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt und zudem gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen sein muss, also - mit anderen Worten - durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert würde

so die einschlägige Rechtsprechung, u.a. HessVGH, Beschluss vom 21.10.2008 - 5 A 1820/08.Z -, juris Rdnr. 5; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9.10.2009 - 13 S 1609/09 -, juris Rdnr. 45, und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.6.2009 - 5 M 30.08 -, juris Rdnr. 2.

Daran fehlt es hier selbst unter Zugrundelegung des Vortrags des Klägers. Ganz in den Vordergrund stellt dieser in seinem Schriftsatz vom 16.4.2010, seine im Irak lebenden Eltern und Verwandten akzeptierten seine europäische Ehefrau nicht und bedrohten deshalb sowohl sein Leben als auch das seiner Ehefrau und seiner Tochter, wobei in diesem Zusammenhang auch der christliche Glaube seiner Ehefrau eine Rolle spiele. Was an dieser Problematik eine Einbürgerung des Klägers ändern würde, erschließt sich dem Senat nicht und wird vom Kläger auch nicht aufgezeigt. Dessen weiter ins Feld geführten, ebenfalls nicht näher konkretisierten Schwierigkeiten bei der Ausübung seines selbständigen Gewerbes dürften ihre Ursache zumindest ganz überwiegend in seinen zahlreichen gewerbebezogenen Vorstrafen, weniger dagegen in seiner Staatsangehörigkeit haben. Was das dann noch angesprochene Misstrauen beziehungsweise Vorurteil gegen ihn wegen von Irakern ausgehenden Terrorgefahren anlangt, dürfte Anknüpfungspunkt hierfür eher ein möglicherweise fremdländisches Aussehen als seine sich nicht ohne Weiteres erschließende Staatsangehörigkeit sein. Vor allem aber trifft das Argument des Verwaltungsgerichts zu, dass die angeführten Umstände eine Vielzahl anderer Einbürgerungsbewerber in gleicher Weise treffen und deshalb ungeeignet sind, gerade den Fall des Klägers zu einem besonderen Härtefall zu machen, in dem trotz der Zahl und des Gewichtes seiner Vorstrafen durch Einbürgerung Abhilfe zu schaffen wäre.

c) Aus der Sonderregelung des § 9 StAG über die Einbürgerung von mit Deutschen verheirateten Ausländern kann der Kläger ebenfalls nichts zu seinen Gunsten herleiten. Diese Bestimmung verstärkt lediglich für den darin genannten Personenkreis den Kann-Anspruch des § 8 Abs. 1 StAG zu einem Soll-Anspruch, setzt dabei aber voraus, dass die Voraussetzungen des § 8 StAG erfüllt sind. Gerade daran fehlt es indes fallbezogen.

d) Schließlich ist es nicht Aufgabe des Senats, im vorliegenden Zusammenhang den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem der Kläger frühestens eingebürgert werden kann. Vielmehr genügt an dieser Stelle die Feststellung, dass sich jedenfalls derzeit eine Einbürgerung verbietet.

Nach allem ist der Zulassungsantrag zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung rechtfertigt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 3 GKG in Verbindung mit der Empfehlung Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. September 2011 - 2 K 209/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, ein 1943 geborener libanesischer Staatsangehöriger, der seit 1979 mit Ehefrau und Kindern im Bundesgebiet lebt, begehrt seine Einbürgerung.

Nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens wurde ihm am 27.10.1992 eine befristete Aufenthaltsbefugnis bzw. -erlaubnis aus humanitären Gründen erteilt, deren Geltung von der Ausländerbehörde jeweils verlängert wurde und die ihre Rechtsgrundlage seit dem 1.1.2005 in § 23 Abs. 1 AufenthG findet. Der Kläger war vom 12.4. bis zum 30.9.1980 - damals ohne Arbeitserlaubnis - und vom 31.8. bis zum 22.12.1982 erwerbstätig. Seit dem 22.10.1991 verfügte er bis zum Eintritt in das Rentenalter durchgehend über eine Arbeitserlaubnis für eine berufliche Tätigkeit jeder Art.

Ein Antrag vom 31.8.1992 auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis wurde durch Bescheid der Ausländerbehörde vom 5.1.1993 unter Hinweis auf das gesetzlich vorgegebene Erfordernis, dass der Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert sein müsse, abgelehnt. In den Folgejahren sind drei Versuche, eine Arbeitsstelle anzutreten, aktenkundig geworden. Eine 1996 initiierte Beschäftigung in Berlin scheiterte daran, dass der Kläger die von der Ausländerbehörde Berlin insoweit geforderte Einstellungszusicherung des künftigen Arbeitgebers nicht beibrachte. Ein weiterer Versuch, 1996 zwecks Arbeitsaufnahme nach Hamburg umzuziehen, schlug fehl, weil die dortige Ausländerbehörde davon ausging, dass der Bezug weiterer Sozialhilfe nicht auszuschließen sei und den Umzug daher ablehnte. Aus den gleichen Gründen wurde 2005 ein erneuter Antrag, zwecks Aufnahme einer Beschäftigung nach Berlin umzusiedeln, von der dortigen Ausländerbehörde abgelehnt.

Am 6.3.2003 beantragte der Kläger seine Einbürgerung.

Er nahm am 17.4.2004 an einem Deutschkurs teil, den er nicht bestand, da er bei einer Bestehensgrenze von 61 Punkten lediglich 26 Punkte erreichte.

Unter Hinweis hierauf und die Tatsache, dass der Kläger den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen bestreiten konnte, wobei er letzteres nach den Auskünften der Arbeits- und Sozialverwaltung mangels ausreichender Bemühungen um eine Arbeitsstelle zu vertreten habe, teilte der Beklagte dem Kläger mit Anhörungsschreiben vom 27.6.2006 mit, dass eine positive Bescheidung seines Einbürgerungsantrags nicht in Betracht komme.

Mit Schreiben vom 17.7.2006 bekundete der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass dieser stets in der Lage sei, auch umfangreiche, schwierige Sachverhalte sowie deren rechtliche Bewertung in einem deutsch geführten Gespräch zu verstehen und richtig zu bewerten. Zudem dürften sich seine Sprachkenntnisse seit dem Sprachtest 2004 weiter verbessert haben. Die Inanspruchnahme von Sozialleistungen habe der Kläger nicht zu vertreten. Er habe sich bereits kurz nach seinem Eintreffen in Deutschland eigenständig um Arbeit bemüht, damals aber keine Arbeitserlaubnis erhalten. 2005 sei eine Arbeitsaufnahme in Berlin an der Verweigerung der Zustimmung der Ausländerbehörde Berlin gescheitert. Er habe keinen Beruf gelernt und sei 63 Jahre alt, weswegen es so gut wie ausgeschlossen sei, dass er noch eine Stelle finden werde. Von mutwilliger Nichtarbeit könne keine Rede sein. Im Übrigen sei im Rahmen der Ermessensentscheidung die Dauer seines Aufenthalts und die Tatsache zu berücksichtigen, dass sechs seiner sieben Kinder in Deutschland leben und größtenteils längst eingebürgert seien. Die Beziehungen zu seinem Heimatland seien - mit Ausnahme weniger Besuche - abgerissen. Er beabsichtige, seinen Lebensabend in Deutschland zu verbringen.

In der Folge absolvierte der Kläger auf Vorschlag des Beklagten einen Integrationskurs Deutsch und nahm am 7.11.2008 erneut an einem Deutschtest teil, bei dem er bei einer Bestehensgrenze von 61 Punkten 56 Punkte erreichte.

Bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nahm der Kläger keine Erwerbstätigkeit mehr auf und lebte mit seiner Familie von Sozialleistungen. Seit Erreichen des Rentenalters bezieht er mangels Anspruchs auf eine Altersrente Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch.

Auf erneute Anhörungsschreiben des Beklagten vom 8.12.2008 und vom 26.6.2009 machte der Kläger ergänzend geltend, sich seit vielen Jahren in die hiesigen Lebensverhältnisse eingefügt zu haben. Er habe auch nicht lediglich auf Veranlassung des Sozialamtes beim Arbeitsamt vorgesprochen, sondern sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet. Das Nichtbestehen der Sprachtests erkläre sich nicht aus mangelnden Sprachkenntnissen, sondern fehlender Vorbildung, die er altersbedingt nicht mehr ausgleichen könne.

Am 14.7.2009 beantragte der Kläger bei der Ausländerbehörde die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Der Antrag wurde durch Bescheid vom 19.11.2009 mangels dauerhafter Sicherung des Lebensunterhalts aus eigenen Mitteln abgelehnt. Der den diesbezüglich eingelegten Widerspruch zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 19.2.2010 ist in Bestandskraft erwachsen.

In einer beklagtenseits erbetenen Stellungnahme des Landesverwaltungsamtes vom 29.10.2009 heißt es, die 1980 seitens des Klägers begehrte Arbeitserlaubnis für eine Hilfsarbeitertätigkeit sei damals aus arbeitsmarktpolitischen Gründen abgelehnt worden. Am 31.8.1982 sei dem Kläger eine bis 22.12.1982 befristete Arbeitserlaubnis für eine Aushilfstätigkeit mit geringfügiger Beschäftigung erteilt worden. Einem Aktenvermerk vom 18.11.1996 zufolge wäre nach Auskunft der Ausländerbehörde Berlin eine Arbeitsaufnahme in Berlin möglich gewesen, wenn der Kläger eine Einstellungszusicherung vorgelegt und ein entsprechendes Einkommen nachgewiesen hätte. Dies sei nicht geschehen. Hinsichtlich des stattdessen am 12.12.1996 vorgelegten Arbeitsvertrags betreffend eine Beschäftigung in Hamburg sei ein Umzug von der dortigen Ausländerbehörde wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit weiterer Sozialhilfebedürftigkeit abgelehnt worden. Aus dem gleichen Grund habe die Ausländerbehörde Berlin einem Umzug zwecks Arbeitsaufnahme im Jahr 2005 nicht zugestimmt.

Mit Schreiben vom 26.11.2009 unterrichtete der Beklagte den Kläger über den Inhalt der Auskunft des Landesverwaltungsamtes. Der Kläger hielt dem entgegen, der Umstand, dass sich lediglich zwei Arbeitsverträge in den Akten befänden, könne nicht belegen, dass ansonsten keine Erwerbsbemühungen seinerseits stattgefunden hätten.

Durch Bescheid vom 3.3.2010, der am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, lehnte der Beklagte den Einbürgerungsantrag des Klägers ab. Ein Anspruch auf Einbürgerung scheitere am Fehlen ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache. Da der Kläger mit 36 Jahren eingereist sei, habe er in jungen Jahren Zeit genug gehabt, die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben, so dass er sich nicht auf altersbedingte Defizite berufen könne. Daneben fehle es an den wirtschaftlichen Voraussetzungen, da der Kläger den Bezug öffentlicher Mittel mangels hinreichender Eigenbemühungen zu vertreten habe. Hindernisse infolge der ausländerrechtlichen Situation hätten jedenfalls seit dem 22.10.1991 nicht bestanden, weil der Kläger seitdem durchgehend - zunächst befristet und seit dem 22.7.2001 unbefristet - über eine Arbeitserlaubnis für eine berufliche Tätigkeit jeder Art verfügt habe. Die Versuche, zwecks Arbeitsaufnahme nach Berlin beziehungsweise Hamburg umzusiedeln, seien - bedingt durch den fehlenden Nachweis eines ausreichenden Verdienstes - gescheitert. Eine Einbürgerung im Ermessensweg sei ausgeschlossen, weil der nach den Nrn. 8.1.2.1.1 und 8.1.2.1.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise erforderliche Nachweis der Sprachkenntnisse nicht erbracht sei und es zudem an der Unterhaltsfähigkeit fehle. Auch liege seine Einbürgerung weder im öffentlichen Interesse, noch stelle ihre Versagung eine besondere Härte für den Kläger dar.

Mit seiner durch seine nunmehrige Prozessbevollmächtigte am 12.3.2010 erhobenen Klage hat der Kläger sein Einbürgerungsbegehren unter Hinweis auf Nr. 8.1.3.7 der Vorläufigen Anwendungshinweise weiterverfolgt. Hiernach sei den Anforderungen an die Sprachkenntnisse ausnahmsweise Genüge getan, wenn Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben in deutscher Sprache mündlich verständigen können. Dies habe der Beklagte bei der nach § 8 StAG zu treffenden Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Voraussetzungen gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Vertretenmüssen im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG einen gewissen Gegenwartsbezug voraussetze. Hiernach dürften aktuell nicht rückgängig zu machende Fernwirkungen vergangenen zurechenbaren Verhaltens einem Einbürgerungsbewerber nicht ohne jede zeitliche Grenze entgegengehalten werden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3.3.2010 zu verpflichten, ihn einzubürgern,

hilfsweise,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3.3.2010 zu verpflichten, über den Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seine Ansicht bekräftigt, wonach einer Anspruchseinbürgerung die unzureichenden Sprachkenntnisse entgegenstünden und eine Ermessenseinbürgerung wegen des Leistungsbezugs des Klägers ausgeschlossen sei. Im Rahmen des § 8 StAG sei die Frage des Vertretenmüssens ohne Relevanz. Eine besondere Härte oder ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG liege offensichtlich nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27.09.2011.ergangenes Urteil, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 17.10.2011, abgewiesen. Eine Einbürgerung nach § 10 StAG scheide aus, da der Kläger keinen für die Einbürgerung geeigneten Aufenthaltstitel inne habe. Der Kläger verfüge nicht über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, sondern nur über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG, die nach den ausdrücklichen und durch Sinn und Zweck der Vorschrift gedeckten Vorgaben des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG zur Begründung eines Einbürgerungsanspruchs nicht ausreiche. Der auf Einbürgerung unter Ermessensgesichtspunkten nach Maßgabe des § 8 StAG gerichtete Hilfsantrag müsse ebenfalls ohne Erfolg bleiben. Insoweit sei entscheidend, dass der Kläger die in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG formulierten Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit nicht erfülle und die Voraussetzungen, unter denen nach § 8 Abs. 2 StAG eine Ausnahme von diesem Erfordernis möglich sei, nach den konkreten Umständen nicht vorlägen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG stehe der Leistungsbezug einer positiven Ermessensentscheidung auch dann entgegen, wenn dieser im Einzelfall nicht zu vertreten sei. Auf die klägerseits in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenwartsbezug des Vertretenmüssens komme es daher nicht an. Ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG sei nicht ersichtlich, da der Kläger keine besonderen Integrationsleistungen erbracht habe. Dass er geltend mache, sich in das soziale Leben der Bundesrepublik Deutschland eingegliedert zu haben und sich im Alltagsleben ohne Probleme in deutscher Sprache verständigen zu können, entspreche nur dem Mindeststandard und belege keine besondere Integrationsleistung. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür aktenkundig, dass der Kläger einen maßgeblichen Beitrag zur Ermöglichung der Einbürgerung seiner Kinder geleistet habe. Ebenso wenig sei die Annahme einer besonderen Härte gerechtfertigt. Zwar gehöre der Kläger als „ältere Person mit langem Inlandsaufenthalt“ zu dem in Nr. 8.2 letzter Satz der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren besonders erwähnten Personenkreis, bei dem Gesichtspunkte der Vermeidung einer besonderen Härte grundsätzlich in Betracht kämen. Allerdings sei nicht erkennbar, inwieweit sich seine persönliche Situation durch eine Einbürgerung verbessern würde. Eben sowenig sei dargelegt, dass ihm ein weiteres Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten wäre. Ihm werde auch ohne die begehrte Einbürgerung nicht verwehrt, seinen Lebensabend in Deutschland zu verbringen.

Auf den am 26.10.2011 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den den Hilfsantrag abweisenden Teil des erstinstanzlichen Urteils hat der Senat die Berufung beschränkt auf die Abweisung des Hilfsantrags durch Beschluss vom 2.2.2012, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 8.2.2012, unter gleichzeitiger Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung bekräftigt der Kläger in seinem am 29.2.2012 eingegangenen Schriftsatz seine Argumentation, wonach die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG nicht zwingend ausschließe. Es bedürfe im Rahmen der Ermessenserwägungen einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenwartsbezug des Vertretenmüssens. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass das Ermessen bei Prüfung der Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung nicht derart ausgeübt werden solle, dass der Maßstab ein strengerer sei als bei der Anspruchseinbürgerung. Hiernach sei im Rahmen des § 8 StAG nach Maßgabe der konkreten Umstände eine Absenkung der Sprachanforderungen bis hin zum vollständigen Verzicht auf Kenntnisse der Schriftsprache gestattet. Zudem sei Nr. 8.1.1.4 der Vorläufigen Anwendungshinweise in den Blick zu nehmen, wo auf die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG verwiesen werde. Hiernach sei der Einbürgerungsbehörde ein Ermessen eröffnet, das öffentliche Interesse zu werten und in Beziehung zu dem Versagungsinteresse wegen fehlender Unterhaltsfähigkeit zu setzen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27.9.2011 zu verpflichten, seinen Bescheid vom 3.3.2010 aufzuheben und über den Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, von dem einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG entgegenstehenden Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit könne nicht gem. § 8 Abs. 2 StAG abgesehen werden, denn es fehle - wie das Verwaltungsgericht ausgeführt habe - an einer besonderen Härte und ebenso am Bestehen eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift. In letzterem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Ausnahmevorschrift insbesondere die Einbürgerung staatsangehörigkeitsrechtlich besonders Schutzbedürftiger im Blick gehabt habe. Soweit daneben auch andere Gruppen - wie lebensältere Personen mit langem Inlandsaufenthalt - privilegiert sein könnten, sei zu beachten, dass die diesbezüglichen Vorgaben der Anwendungshinweise „60 Jahre“ und „12-jähriger Aufenthalt“ nur Ausdruck einer Regelvermutung der faktlichen Integration dieser Personen seien, die aber im Einzelfall durch die Persönlichkeit und Vita des Betroffenen widerlegt sein könne. Fallbezogen widerlege die gesamte Vita des Klägers auch bei Außerachtlassung des Leistungsbezugs dessen faktische Integration, so dass ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG tatbestandlich nicht bestehe. Dies spiegele sich auch in dem ungewöhnlichen Umstand wider, dass der Kläger trotz seines 30-jährigen Aufenthalts in Deutschland noch immer keinen verfestigten (Dauer-)Aufenthaltstitel habe. Fordere man - wie das Verwaltungsgericht - für die Feststellung eines öffentlichen Interesses zudem besondere Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers, so scheide die Annahme eines öffentlichen Interesses im Falle des Klägers erst recht aus. Selbst wenn man die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG noch bejahen und damit den Weg zu einer Ausübung des Ermessens unter umfassender Würdigung der für und gegen den Kläger bzw. dessen Integration sprechenden Umstände eröffnen würde, könne dies im Ergebnis nicht zu einer dem Kläger günstigen Entscheidung führen. Zugunsten des Klägers sei zu berücksichtigen, dass er bereits seit über 30 Jahren in Deutschland lebe und zwischenzeitlich „lebensälter“ sei, was Änderungen seines Integrationsstandes und seiner wirtschaftlichen Verhältnisse erschwere bzw. ausschließe. Außerdem könne er sich zumindest auf einfache Art verständigen. Gegebenenfalls könne für die Integration eines Einbürgerungsbewerbers auch eine positive und durchgängige Integration seiner gesamten Familie sprechen, die jedoch hinsichtlich der Familie des Klägers nach Aktenlage gerade nicht festzustellen sei. Gegen seine Integration sprächen seine (allenfalls) „alltagstauglichen Deutschkenntnisse“. Er erfülle noch nicht einmal das nach altem Recht zu fordernde Sprachniveau A 2, wobei nicht erkennbar sei, warum er, der bereits mit Mitte dreißig nach Deutschland gekommen sei, nicht erfolgreich Deutsch gelernt habe. Seit 1996 habe er freien Zugang zum Arbeitsmarkt gehabt. Dass er dennoch keine Erwerbsmöglichkeit gefunden habe, erkläre sich nicht allein aus seiner mangelnden beruflichen Vorbildung. Er habe wegen seiner unterbliebenen bzw. nur geringfügigen Erwerbstätigkeit hinreichende zeitliche Möglichkeiten gehabt, seine Deutschkenntnisse und damit auch seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Da Sprachkenntnisse ein wesentlicher Faktor für eine wirtschaftliche Integration seien, seien ihm seine fehlenden Spracherwerbsbemühungen vorzuhalten. In Folge der früheren Versäumnisse sei er nun zeitlebens auf öffentliche Leistungen angewiesen. Anders als im Rahmen eines Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG, der gerade einer gelungenen Integration entspringe, sei der Zeitfaktor im Rahmen der Ermessensausübung durchaus berücksichtigungsfähig. Insoweit könne nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG zurückgegriffen werden. Eine Beschränkung des Betrachtungszeitraums auf acht Jahre würde in diesem Zusammenhang stets dazu führen, dass bei „älteren Personen“ auf die Mindestvoraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG irgendwann generell zu verzichten wäre, was über die Zielsetzung des § 8 Abs. 2 StAG, eine umfassende Ermessensausübung zu eröffnen, hinausgehen würde. Fallbezogen seien die wirtschaftliche Situation und Erwerbsbiographie auch der Grund, weswegen der Kläger überhaupt „nur“ einen „schwachen“ Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG besitze, weswegen eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG ausgeschlossen sei. Eine Gewichtung der zeitlichen Komponente des Vertretenmüssens des Leistungsbezugs im Rahmen des § 8 StAG sei indes nach allem Gesagten nicht geboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (2 Hefte, 1 Ordner), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, muss aber in der Sache ohne Erfolg bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage hinsichtlich des Hilfsantrags, den allein der Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgt, zu Recht abgewiesen. Ihm ist zudem darin zuzustimmen, dass dem Kläger mit Blick auf das Fehlen eines insoweit geeigneten Aufenthaltstitels kein aus § 10 StAG herleitbarer Anspruch auf Einbürgerung zusteht. Dies hat der Kläger ausweislich der Beschränkung seines Berufungsbegehrens akzeptiert. Sein im Berufungsverfahren weiter verfolgter Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über seinen Einbürgerungsantrag in Anwendung des § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 StAG erneut nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ist unbegründet.

1. Ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch auf Neubescheidung setzt zunächst voraus, dass die durch die Vorschrift vorgegebenen gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist dies zu bejahen, so steht die Einbürgerung im grundsätzlich weiten Ermessen des Beklagten als zuständiger Einbürgerungsbehörde.(Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, Stand 25. Erg.lfg. August 2011, § 8 Rdnr. 170 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27.5.2010 - 5 C 8/09 -, NVwZ 2010, 1502 ff.)

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8 Abs. 1 StAG ist geklärt, dass der Einbürgerungsbehörde ein Einbürgerungsermessen nach dieser Vorschrift nur eingeräumt ist, wenn neben den sonstigen in der Vorschrift aufgeführten und vorliegend außer Streit stehenden Voraussetzungen das auf den Nachweis der wirtschaftlichen Integration zielende Tatbestandsmerkmal der Nr. 4 erfüllt ist.(BVerwG, Urteil vom 27.2.1958 - I C 99.56 -, BVerwGE 6, 207 ff.) Hiernach muss der Ausländer im Stande sein, sich und seine Angehörigen aus eigener Kraft zu ernähren. Ist dies nicht der Fall, weil der Ausländer auf den Bezug von (ergänzenden) Sozialleistungen angewiesen ist, spielt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der obergerichtlichen Rechtsprechung(OVG Berlin, Beschluss vom 9.10.1995 - 5 M 25.95 -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.3.1996 - 13 S 1908/95 -, jeweils juris) zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG keine Rolle, ob der Ausländer seine Bedürftigkeit zu vertreten hat. Auf Kritik von Seiten der Kommentarliteratur(GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnr. 124), wonach dieses keine Ausnahmen zulassende Verständnis des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG den seit Inkrafttreten der Vorschrift im Jahr 1914 zu verzeichnenden sozialpolitischen Veränderungen nicht angemessen Rechnung trage, hat das Bundesverwaltungsgericht seine am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift in der Vergangenheit mehrfach bekräftigt. Es hat dies damit begründet, dass der Gesetzgeber das Staatsangehörigkeitsrecht - u.a. auch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG - wiederholt geändert, dabei die Einbürgerung für bestimmte Personenkreise mit Wirkung zum 1.1.1991 erleichtert und geregelt habe, unter welchen Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Einbürgerung nicht entgegenstehe. Dies berücksichtigend verbiete es sich, die unverändert gebliebene Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, die in diese neuere Gesetzgebung nicht einbezogen worden sei, teleologisch zu reduzieren.(BVerwG, Beschlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 94/97 -, NVwZ-RR 1997, 738 f., und vom 10.7.1997 - 1 B 141/97 -, NVwZ 1998, 183 f.; Urteil vom 22.6.1999 - 1 C 16/98 -, InfAuslR 1999, 501 ff.) Zu der Frage, wann ein Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen auf Dauer aus eigenen Mitteln ernähren kann, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.1998 - 13 S 2212/96 -, InfAuslR 1998, 509 ff.) überzeugend ausgeführt, dass er zumindest über eigene Einnahmen in Höhe der Regelsätze der Sozialhilfe verfügen muss.

Fallbezogen scheitert ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags am Nichtvorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung der Nr. 4 der Vorschrift, da der Kläger für sich und seine Ehefrau fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII bezieht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass dieser Leistungsbezug einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG auch dann entgegensteht, wenn der Kläger den Umstand, der ihn zur Inanspruchnahme dieser Leistungen berechtigt, nicht zu vertreten hat.

Da es im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG nicht darauf ankommt, ob der Einbürgerungsbewerber seine Bedürftigkeit zu vertreten hat, ist aus Rechtsgründen kein Raum für die von dem Kläger reklamierte entsprechende Heranziehung der vom Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 19.2.2009 - 5 C 22/08 -, NVwZ 2009, 843 ff.) entwickelten Grundsätze zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich frühere Versäumnisse nicht mehr als wesentliche, prägende Ursache für den Leistungsbezug darstellen und daher vom Einbürgerungsbewerber nicht mehr im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zu vertreten sind. Dies ist sachgerecht, denn die gesetzlichen Erleichterungen, die diese Vorschrift gewährt, rechtfertigen sich - wie das Bundesverwaltungsgericht in dem klägerseits zitierten Urteil vom 19.2.2009 ausdrücklich hervorgehoben hat - daraus, dass bei zurechenbar unzureichender wirtschaftlicher Integration schon die erforderliche Voraufenthaltszeit eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts oder der für den Einbürgerungsanspruch erforderliche Aufenthaltsstatus gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht erreicht werden kann, weil die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) regelmäßig einen gesicherten Lebensunterhalt verlangen. Dies gilt insbesondere auch für die Ersetzung einer - wie im Fall des Klägers - nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen erteilten oder verlängerten befristeten Aufenthaltserlaubnis durch eine Niederlassungserlaubnis, da deren Erteilung nach den §§ 26 Abs. 4 i.V.m. 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ebenfalls voraussetzt, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist.

Der Kläger begründet seine Ansicht, im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG dürfe hinsichtlich der Unterhaltsfähigkeit kein strengerer Maßstab als im Rahmen des § 10 StAG angelegt werden, mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010.(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O.) Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Ausführungen, wonach die Anspruchsvoraussetzungen bzw. Ausschlussgründe der §§ 10 und 11 StAG der Sache nach bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG berücksichtigt werden dürfen, ausdrücklich unter dem Vorbehalt stehen, dass sie in § 8 Abs. 1 StAG nicht schon auf der Tatbestandsebene modifiziert sind. Gerade dies ist der Fall, denn die tatbestandlichen Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit sind in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG anders - insbesondere unter Anlegung strengerer Kriterien - geregelt als in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.

Im Übrigen verkennt der Kläger bei seiner Argumentation, ihm dürften die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zugerechnet werden, dass die diesbezüglich vom Bundesverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht entwickelten Kriterien in seinem Fall nicht erfüllt sind. Denn der hiernach maßgebliche Zeitraum von acht Jahren ist noch nicht verstrichen. Dem Kläger ist entgegenzuhalten, dass er und seine Ehefrau als Bedarfsgemeinschaft seit Erreichen des Rentenalters im Juli 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter beziehen, weil er sich seit Erhalt seiner Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nur unzureichend um eine Arbeitsstelle bemüht hat und daher keinen Anspruch auf eine Altersrente erwerben konnte. Ausweislich der Ausländerakte ist der Kläger seitens der Ausländerbehörde frühzeitig schriftlich darauf hingewiesen worden, dass eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden kann, wenn der Lebensunterhalt der Familie aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert ist (Schreiben der Ausländerbehörde vom 4.11.1992, Bl. 173 f. der Ausländerakte, und Bescheid vom 5.1.1993 betreffend die Ablehnung der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, Bl. 178 f. der Ausländerakte). Aktenkundig sind indes lediglich drei - von vornherein wenig erfolgversprechende - Versuche, eine Arbeitsstelle zu finden, nämlich seine Bewerbungen 1996 in Berlin bzw. Hamburg und 2005 erneut in Berlin. Die jeweiligen Ausländerbehörden lehnten eine Aufnahme des Klägers in ihren Zuständigkeitsbereich jeweils ab, und zwar wegen Nichtbeibringung der geforderten Einstellungszusicherung (Bl. 219 der Ausländerakte) bzw. weil nach der Höhe des voraussichtlichen Verdienstes nicht auszuschließen war, dass er weiterhin auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sein würde (Bl. 230 und 279 der Ausländerakte). Sonstige - insbesondere ortsnahe und insofern erfolgversprechendere - Bemühungen des Klägers um eine Beschäftigung trägt dieser selbst nicht vor. Er gibt lediglich an, sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet zu haben (Bl. 176 der Einbürgerungsakte). Erfolglos gebliebene Bewerbungen behauptet er nicht. Zudem tritt er der Feststellung in dem angefochtenen, die Einbürgerung ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 3.3.2010, es könne nicht von einem unverschuldeten Bezug öffentlicher Mittel ausgegangen werden, im Klage- und Berufungsverfahren nur insoweit entgegen, als er geltend macht, mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien ihm die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zurechenbar. Dies trifft indes gerade nicht zu. Denn der Sachverhalt stellt sich so dar, dass dem Kläger seit Erhalt einer Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 unzureichende Bemühungen um eine Arbeitsstelle entgegenzuhalten sind. Seit Beendigung dieser langen Zeit mangelnder Anstrengungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes sind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erst ca. vier Jahre verstrichen, so dass der Kläger aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schon aus tatsächlichen Gründen nicht zu seinen Gunsten herleiten kann, dass er für seine jahrelang unzureichenden Bemühungen nicht mehr einzustehen habe.

2. Aus § 8 Abs. 2 StAG leitet sich ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags ebenfalls nicht her.

Nach dieser Vorschrift kann von dem Unbescholtenheitserfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG und dem Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmevorschrift, die bezüglich der Nr. 4 am 1.1.2005 und bezüglich der Nr. 2 am 28.9.2007 in Kraft getreten ist, neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügt, weil er im Hinblick auf die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG mit ihren speziellen Voraussetzungen auch bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG eine Ausnahmeregelung als erforderlich ansah. Bei den Tatbestandsvoraussetzungen „Gründe des öffentlichen Interesses“ und „Vermeidung einer besonderen Härte“ handelt es sich jeweils um unbestimmte Rechtsbegriffe, die inhaltlicher Konkretisierung bedürfen und deren Auslegung und Anwendung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Fallbezogen spricht nichts für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands.

Die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 StAG ist für die Auslegung der Vorschrift nicht ergiebig. Sie führt lediglich einen - hier nicht einschlägigen - Beispielsfall einer besonderen Härte an. Hinweise zum Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Gründe des öffentlichen Interesses“ fehlen vollständig.(BT-Drs. 14/7387, S. 107, und 15/420, S. 116)

In der Rechtsprechung ist bisher nur in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Vermeidung einer besonderen Härte geklärt, welche konkreten Anforderungen die gesetzliche Neuregelung an das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls stellt.

Das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 - 5 C 5.11 -) hat vor kurzem entschieden, dass eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen sein muss und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden könnte. Es hat damit die bisher zu den Anforderungen an das Vorliegen einer besonderen Härte ergangene obergerichtliche Rechtsprechung(HessVGH, Beschluss vom 21.10.2008 - 5 A 1820.08.Z -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009 - 13 S 2428.08 -, jeweils juris), u.a. des Senats(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.6.2010 - 1 A 88/10 -, juris), bestätigt. Dies zugrundelegend kommt fallbezogen ein Einbürgerungsermessen des Beklagten zur Vermeidung einer besonderen Härte nicht in Betracht. Die Argumentation des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, eine besondere Härte liege darin, dass er wegen seines Alters außer Stande sei, an seinem Angewiesensein auf den Bezug von Sozialleistungen noch etwas zu ändern, geht fehl. Denn diese Situation wird weder durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen noch könnte sie durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Würdigung der Versagung der Einbürgerung als besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG selbst in Fällen, in denen der Betroffene den Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht zu vertreten hat, bereits mehrfach - u.a. in seinem vom Bundesverwaltungsgericht in dessen Urteil vom 20.3.2012 in Bezug genommenen Beschluss vom 11.6.2009 - eine Absage erteilt.(OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11.6.2009 - OVG 5 M 30.08 -, und vom 8.2.2010 - OVG 5 M 48.09 -, jeweils juris) Auch dies überzeugt.

Zur Frage, wann die Voraussetzungen des alternativen Tatbestandsmerkmals „aus Gründen des öffentlichen Interesses“ erfüllt sind, hat sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht dezidiert geäußert. In seinem Urteil vom 20.3.2012 hat es allerdings beanstandet, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des dortigen Einbürgerungsbewerbers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, in tatsächlicher Hinsicht nicht hinterfragt und nicht geprüft habe, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien.

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich zu den Anforderungen, die an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu stellen sind, ebenfalls noch nicht festgelegt. In den Entscheidungen, in denen § 8 Abs. 2 StAG Erwähnung findet, heißt es - sofern das Vorliegen eines öffentlichen Interesses angeprüft wird - jeweils ohne nähere Darlegung, ein solches sei nicht erkennbar.(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 21.10.2011 - 1 S 135/11 -, NVwZ-RR 2012, 160 f.) An erstinstanzlichen Entscheidungen finden sich ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach(VG Ansbach, Urteil vom 10.9.2008 - AN 15 K 08.00780 -, juris) und mehrere Urteile des Verwaltungsgerichts des Saarlandes(VG des Saarlandes, Urteile vom 9.2.2010 - 2 K 530/09 -, vom 14.12.2010 - 2 K 445/09 -, vom 22.11.2011 - 2 K 560/10 - und vom 31.1.2012 - 2 K 667/10 -, jeweils juris), u.a. auch das im Verfahren des Klägers ergangene Urteil vom 27.9.2011.

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat zu der dortigen Fallgestaltung ausgeführt, Anhaltspunkte für Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn von § 8 Abs. 2 StAG lägen nicht vor, auch wenn die Beachtung einer Staatenlosigkeit wegen der Verpflichtung, die Einbürgerung so weit wie möglich zu erleichtern, hierzu gezählt werde. Auch spiele die von dem Kläger angeführte, im öffentlichen Interesse liegende einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden Integration in die deutschen Verhältnisse keine ausschlaggebende Rolle. Eine klare Aussage dazu, wann Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn des Abs. 2 vorliegen, enthalten diese Ausführungen nicht.

Nach dem in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts des Saarlandes zum Ausdruck kommenden Verständnis der in § 8 Abs. 2 StAG getroffenen Ausnahmeregelung soll das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Interesses voraussetzen, dass der Einbürgerungsbewerber besondere Integrationsleistungen erbracht hat.

In der Kommentarliteratur wird gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Anknüpfungspunkt der Argumentation sind die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht - StAR-VwV - zur Handhabung des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens und die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG, die noch einer (für die Einbürgerungsbehörden) verbindlichen Umsetzung durch Änderung der StAR-VwV bedürfen. Das öffentliche Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei im Zusammenhang zu sehen mit den vom Bundesministerium des Inneren vorgegebenen Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen seien und das öffentliche Interesse an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck brächten. Seien die Voraussetzungen einer solchen Einbürgerungserleichterung erfüllt, sei regelmäßig auch ein Abweichen vom Unterhaltserfordernis angezeigt.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 157; Hailbronner/Renner/Maaßen, a.a.O., § 8 Rdnr. 48) Zu eng, jedenfalls nicht abschließend, seien die Vorgaben der Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise. Denn der Gesetzgeber habe - anders als dort gefordert - nicht ein „besonderes“ oder gar „herausragendes“ öffentliches Interesse zur Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung gemacht, sondern ein „schlichtes“ öffentliches Interesse. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 159 f.)

Diese Auslegung erscheint zu weitgehend. Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Abs. 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der StAG-VwV zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist.

In Bezug auf § 8 Abs. 1 StAG verlangt das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteile 27.2.1957 - I C 165.55 -, BVerwGE 4, 298 ff., vom 30.9.1958 - I C 20.58 -, BVerwGE 7, 237 ff., vom 21.10.1986 - 1 C 44.84 -, BVerwGE 75, 86 ff., und vom 27.5.2010, a.a.O., m.w.N.) bisher in ständiger Rechtsprechung von den Einbürgerungsbehörden, bei der Ermessensausübung darauf abzustellen, ob ein staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht. Die Behörde habe zu prüfen, ob die Einbürgerung sowohl nach den persönlichen Verhältnissen des Bewerbers als auch nach allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gesichtspunkten im staatlichen Interesse erwünscht ist, ohne dass eine Abwägung mit den persönlichen Interessen des Einbürgerungsbewerbers stattfinde. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner zuletzt zur Problematik ergangenen bereits in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.5.2010 offen gelassen, ob es ungeachtet der diesbezüglichen Kritik(Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 8 Rdnr. 50; GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnrn. 178 ff.) daran festhalten wird, dass bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG ohne Abwägung des privaten Interesses des Einbürgerungsbewerbers allein das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung zu berücksichtigen ist. Allerdings spricht im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 StAG - wie noch auszuführen sein wird - alles dafür, Einbürgerungserleichterungen, die den persönlichen Verhältnissen des Einbürgerungsbewerbers Rechnung tragen sollen, nicht als ausreichend zur Begründung eines öffentlichen Interesses zu erachten, sondern ein spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung als unverzichtbar zu fordern.

Die Vorgaben der StAR-VwV, insbesondere die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, die nach Ansicht der Kommentarliteratur ein öffentliches Interesse auch im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck bringen können, sind am 1.2.2001, also lange bevor der Gesetzgeber die Einfügung des heutigen § 8 Abs. 2 StAG beschlossen hat, in Kraft getreten. Nach Nr. 8.0 StAR-VwV kann bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG eine Einbürgerung nach Ermessen der Behörde erfolgen, wenn im Einzelfall ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung festgestellt werden kann. In diesem Zusammenhang heißt es unter Nr. 8.1.2, dass die Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 allgemeine Grundsätze für die Ermessensausübung enthalten und festlegen, unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung anzunehmen ist. Demgemäß sind die unter Nr. 8.1.2 StAR-VwV fixierten allgemeinen Grundsätze für die Ermessensausübung und die unter Nr. 8.1.3 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen für bestimmte Personengruppen vom Bundesministerium des Inneren mit dem Ziel konzipiert worden, den Einbürgerungsbehörden durch Konkretisierung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Rahmen für eine einheitliche Bewältigung der speziell bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 StAG zu erwartenden Problemstellungen vorzugeben.

Dass jede zu § 8 Abs. 1 StAG anerkannte Einbürgerungserleichterung gleichzeitig ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zum Ausdruck bringt, ist indes nicht anzunehmen.

Das öffentliche Interesse jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße zunächst, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach der StAR-VwV zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber den tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht genügt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Denn die unter Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 erfassten Kriterien für das Vorliegen des im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG von der Rechtsprechung geforderten öffentlichen Interesses tragen durchaus unterschiedlichen Anliegen Rechnung, die teils primär private Belange des Einbürgerungsbewerbers und teils ausschließlich staatliche Belange im Blick haben. Die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen sind von daher nicht in gleicher Weise geeignet, im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Abs. 2 Berücksichtigung zu finden. Die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG wären bei dem von der Kommentarliteratur vertretenen Verständnis des in Abs. 2 der Vorschrift verwendeten Begriffs des öffentlichen Interesses ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre.

Speziell mit Blick auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG spricht gegen eine begriffliche Identität, dass § 8 Abs. 2 StAG den Einbürgerungsbehörden die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung unabhängig davon einräumt, ob der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit selbst zu vertreten hat. In einer Vielzahl von Fällen, in denen einer positiven Entscheidung nach Abs. 1 das Nichtvorliegen der tatbestandlichen Anforderungen der Nr. 4 entgegensteht, stünde es auch im Falle rein privatnütziger, besondere persönliche Umstände berücksichtigender Einbürgerungserleichterungen im Ermessen der Einbürgerungsbehörde, ob sie grundsätzlich oder je nach den Umständen des Einzelfalls fordert, dass der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit nicht zu vertreten hat.

Die aufgezeigte Problematik wird anhand des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts deutlich. Ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG ist dem Beklagten mit Blick auf Nr. 4 der Vorschrift nicht eröffnet. Dessen ungeachtet genügt der Kläger allen unter Nr. 8.1.2 i.V.m. Nr. 8.1.3.7 und unter Nrn. 8.1.2.2 bis 8.1.2.6 festgelegten Kriterien, die im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG den Begriff des öffentlichen Interesses konkretisieren sollen. Denn auch dem Erfordernis ausreichender Sprachkenntnisse wäre mit Blick auf die - seinen persönlichen Belangen Rechnung tragende - Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 Genüge getan, da insoweit bei Personen, die - wie er - das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, ausreicht, wenn sie sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben mündlich in deutscher Sprache verständigen können. Zu Zweifeln, ob der Kläger sich in dieser Weise verständigen kann, besteht angesichts seiner Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Veranlassung. Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass der Senat der Ansicht des Beklagten, bei Anwendung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nicht die Vita des Einbürgerungsbewerbers der Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift entgegensteht, nicht zu folgen vermag. Sinn und Zweck dieser aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Verwaltungsvorschrift ist es, den besonderen persönlichen Verhältnissen und dem typischerweise nur noch eingeschränkten Leistungsvermögen älterer Personen im Falle eines langjährigen Inlandsaufenthalts im Rahmen der Ermessensausübung angemessen Rechnung zu tragen, und zwar unabhängig davon, ob ihnen der Erwerb weitergehender Sprachkenntnisse in jüngeren Jahren nach ihren persönlichen Fähigkeiten und ihren Lebensverhältnissen zumutbar gewesen wäre.

Die Annahme, dass der Tatbestand des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG mit dem durch die Vorgaben der StAR-VwV zu Abs. 1 der Vorschrift konkretisierten öffentlichen Interesse identisch ist, hätte somit fallbezogen zur Folge, dass der Beklagte den Kläger auf der Grundlage des Abs. 2 wegen Eingreifens der Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV einbürgern könnte, ohne dass er kraft Gesetzes oder auch nur kraft Verwaltungsvorschrift gehalten wäre zu prüfen, ob dieser seine fehlende Unterhaltsfähigkeit zu vertreten hat. Es erscheint fernliegend, dass dies der Intention des Gesetzgebers entspricht.

Die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG sprechen - ungeachtet des Umstands, dass sie die Gerichte nicht zu binden vermögen und selbst im Verhältnis zu den Behörden noch einer verbindlichen Umsetzung bedürfen - ebenfalls gegen die von der Kommentarliteratur befürwortete weite Auslegung der Vorschrift. Denn deren Nr. 8.2 verweist gerade nicht auf die Gesamtheit der in Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, deren Vorliegen ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG rechtfertigen kann. Vielmehr soll ein Absehen von dem Unbescholtenheitserfordernis bzw. der Unterhaltsfähigkeit nach Nr. 8.2 StAR-VwV z.B. in Betracht kommen, wenn bereits Einbürgerungserleichterungen, einschließlich vorübergehender oder dauerhafter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, bei einem besonderen (Nr. 8.1.3.5 StAR-VwV) oder herausragenden (Nr. 8.1.2.6.3.6 StAR-VwV) öffentlichen Interesse - Verkürzung der Mindestdauer des Inlandsaufenthalts bei Vorliegen eines besonderen Einbürgerungsinteresses oder Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei einem herausragenden öffentlichen Einbürgerungsinteresse - eingeräumt worden sind. In den beispielhaft genannten Anwendungsfällen setzt ein Absehen von der Unterhaltsfähigkeit mithin voraus, dass ein besonderes oder herausragendes Einbürgerungsinteresse besteht. Dazu, ob weitere, gegebenenfalls welche, Fallgestaltungen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG denkbar sind, verhalten sich die Vorläufigen Anwendungshinweise nicht. Allerdings spricht der Umstand, dass die in der StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen nicht allesamt in Bezug genommen werden, eindeutig dafür, dass jedenfalls nach dem Verständnis des Bundesministeriums des Inneren nicht jede zu Abs. 1 der Vorschrift vorgesehene Einbürgerungserleichterung den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG nahe legen soll, sondern vorrangig oder ausschließlich solche, die einem spezifisch staatlichen Interesse zu dienen bestimmt sind.

Allein ein solches Verständnis der Vorschrift erscheint aus Sicht des Senats sachgerecht. Ermessensgesichtspunkte und Einbürgerungserleichterungen, die nach der Rechtsprechung und den insoweit geltenden Verwaltungsvorschriften der StAR-VwV zwar im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG beachtlich und grundsätzlich dort geeignet sind, eine dem Ausländer positive Einbürgerungsentscheidung zu ermöglichen, aber nicht irgendwie gearteten staatlichen Interessen dienen, sondern vorrangig besonderen persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des Ausländers angemessen Rechnung tragen sollen, vermögen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nicht zu begründen.

So kann sich beispielsweise daraus, dass im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 StAG und zweifelsfrei ebenso des Absatzes 2 der Vorschrift eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen auf Dauer zugesagt ist, als erforderlicher Aufenthalt ausreichen soll (Nr. 8.1.2.4 StAR-VwV), kein im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG beachtliches öffentliches Interesse an der Einbürgerung ergeben. Gleiches gilt etwa hinsichtlich der die allgemein geltenden Sprachanforderungen einschränkenden Einbürgerungserleichterungen für minderjährige Kinder (Nr. 8.1.3.6 StAR-VwV) und ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV).

Nach allem ist ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit - insoweit gegebenenfalls auch im Falle eines Vertretenmüssens - einzubürgern. Nur bei Bestehen eines solchen durch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses verlangt die Vorschrift der Einbürgerungsbehörde die Betätigung ihres Einbürgerungsermessens ab.

Nach Einschätzung des Senats entspricht dies der - wenngleich bisher nicht ausdrücklich formulierten - Sichtweise des Bundesverwaltungsgerichts. Wie ausgeführt, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.3.2012 in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbestandlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nrn. 2 und/oder 4 besteht.

Mithin ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverwaltungsgericht den Vorschlag der Kommentarliteratur, jedwede anerkannte Einbürgerungserleichterung als geeignet anzusehen, ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu begründen, aufgreifen könnte.

Demgemäß füllt allein die dem Kläger zugute kommende Einbürgerungserleichterung für ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV) den Tatbestand eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift nicht aus. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Anhaltspunkte für das Bestehen eines durch spezifisch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses an der Einbürgerung des Klägers, also eines Erwünschtseins seiner Einbürgerung aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher und kultureller Gesichtspunkte, weder ersichtlich noch dargetan sind. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Ansicht vertreten, für ein „Erwünschtsein“ im Sinne eines staatlichen Interesses an seiner Einbürgerung müsse ausreichen, dass er schon über 30 Jahre und damit sehr lange in Deutschland lebe und hier auf Dauer bleibeberechtigt sei. Zudem hätten seine Kinder sich ebenfalls hier niedergelassen, seien zum Teil schon lange eingebürgert und berufstätig, so dass sie als Steuerzahler zum Gemeinwohl beitrügen. Dies reicht - so erfreulich die Entwicklung der Kinder sicherlich ist - mit Blick auf den hier allein interessierenden Kläger zur Begründung eines staatlichen Interesses im vorbezeichneten Sinne nicht aus. Dass das Alter und ein langjähriger Aufenthalt im Inland einem Einbürgerungsbewerber im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG einbürgerungserleichternd zugute kommen können, vermag - wie ausgeführt - für sich genommen nicht automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu rechtfertigen, und kann auch im Zusammenspiel mit einer gelungenen Integration der Kinder ein solches Interesse nicht begründen. Denn § 8 Abs. 2 StAG enthält nach der gesetzlichen Konzeption einen Ausnahmetatbestand und setzt daher voraus, dass der konkrete Fall sich in einer spezifischen Weise von der in der Mehrzahl der Zuwandererfamilien zu beobachtenden Integration der Kinder in die hiesigen Verhältnisse - zusätzlich - positiv abhebt. Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Dem Beklagten ist mithin ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 2 StAG nicht eröffnet.

Wegen Fehlens diesbezüglicher tatsächlicher Anhaltspunkte und damit mangels Entscheidungsrelevanz bedarf keiner Entscheidung, ob - wie das Verwaltungsgericht annimmt - ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG auch bei besonderen Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers zu bejahen ist. Angemerkt sei lediglich, dass für eine solche Auslegung der Vorschrift die - wenngleich in anderem Zusammenhang verwendete - Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010 „zur Vermeidung einer Härte oder wegen anderweitiger Integrationsleistungen“(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O., juris-Rdnr. 36 (vgl. auch Rdnr. 39)) sprechen mag.

3. Nach alldem bleibt festzuhalten, dass dem Kläger weder auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 StAG noch des § 8 Abs. 2 StAG ein Anspruch darauf zusteht, dass der Beklagte erneut über sein Einbürgerungsbegehren entscheidet.

Die Berufung gegen das den diesbezüglich gestellten Hilfsantrag des Klägers abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts unterliegt daher der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, muss aber in der Sache ohne Erfolg bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage hinsichtlich des Hilfsantrags, den allein der Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgt, zu Recht abgewiesen. Ihm ist zudem darin zuzustimmen, dass dem Kläger mit Blick auf das Fehlen eines insoweit geeigneten Aufenthaltstitels kein aus § 10 StAG herleitbarer Anspruch auf Einbürgerung zusteht. Dies hat der Kläger ausweislich der Beschränkung seines Berufungsbegehrens akzeptiert. Sein im Berufungsverfahren weiter verfolgter Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über seinen Einbürgerungsantrag in Anwendung des § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 StAG erneut nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ist unbegründet.

1. Ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch auf Neubescheidung setzt zunächst voraus, dass die durch die Vorschrift vorgegebenen gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist dies zu bejahen, so steht die Einbürgerung im grundsätzlich weiten Ermessen des Beklagten als zuständiger Einbürgerungsbehörde.(Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, Stand 25. Erg.lfg. August 2011, § 8 Rdnr. 170 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27.5.2010 - 5 C 8/09 -, NVwZ 2010, 1502 ff.)

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8 Abs. 1 StAG ist geklärt, dass der Einbürgerungsbehörde ein Einbürgerungsermessen nach dieser Vorschrift nur eingeräumt ist, wenn neben den sonstigen in der Vorschrift aufgeführten und vorliegend außer Streit stehenden Voraussetzungen das auf den Nachweis der wirtschaftlichen Integration zielende Tatbestandsmerkmal der Nr. 4 erfüllt ist.(BVerwG, Urteil vom 27.2.1958 - I C 99.56 -, BVerwGE 6, 207 ff.) Hiernach muss der Ausländer im Stande sein, sich und seine Angehörigen aus eigener Kraft zu ernähren. Ist dies nicht der Fall, weil der Ausländer auf den Bezug von (ergänzenden) Sozialleistungen angewiesen ist, spielt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der obergerichtlichen Rechtsprechung(OVG Berlin, Beschluss vom 9.10.1995 - 5 M 25.95 -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.3.1996 - 13 S 1908/95 -, jeweils juris) zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG keine Rolle, ob der Ausländer seine Bedürftigkeit zu vertreten hat. Auf Kritik von Seiten der Kommentarliteratur(GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnr. 124), wonach dieses keine Ausnahmen zulassende Verständnis des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG den seit Inkrafttreten der Vorschrift im Jahr 1914 zu verzeichnenden sozialpolitischen Veränderungen nicht angemessen Rechnung trage, hat das Bundesverwaltungsgericht seine am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift in der Vergangenheit mehrfach bekräftigt. Es hat dies damit begründet, dass der Gesetzgeber das Staatsangehörigkeitsrecht - u.a. auch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG - wiederholt geändert, dabei die Einbürgerung für bestimmte Personenkreise mit Wirkung zum 1.1.1991 erleichtert und geregelt habe, unter welchen Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Einbürgerung nicht entgegenstehe. Dies berücksichtigend verbiete es sich, die unverändert gebliebene Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, die in diese neuere Gesetzgebung nicht einbezogen worden sei, teleologisch zu reduzieren.(BVerwG, Beschlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 94/97 -, NVwZ-RR 1997, 738 f., und vom 10.7.1997 - 1 B 141/97 -, NVwZ 1998, 183 f.; Urteil vom 22.6.1999 - 1 C 16/98 -, InfAuslR 1999, 501 ff.) Zu der Frage, wann ein Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen auf Dauer aus eigenen Mitteln ernähren kann, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.1998 - 13 S 2212/96 -, InfAuslR 1998, 509 ff.) überzeugend ausgeführt, dass er zumindest über eigene Einnahmen in Höhe der Regelsätze der Sozialhilfe verfügen muss.

Fallbezogen scheitert ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags am Nichtvorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung der Nr. 4 der Vorschrift, da der Kläger für sich und seine Ehefrau fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII bezieht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass dieser Leistungsbezug einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG auch dann entgegensteht, wenn der Kläger den Umstand, der ihn zur Inanspruchnahme dieser Leistungen berechtigt, nicht zu vertreten hat.

Da es im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG nicht darauf ankommt, ob der Einbürgerungsbewerber seine Bedürftigkeit zu vertreten hat, ist aus Rechtsgründen kein Raum für die von dem Kläger reklamierte entsprechende Heranziehung der vom Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 19.2.2009 - 5 C 22/08 -, NVwZ 2009, 843 ff.) entwickelten Grundsätze zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich frühere Versäumnisse nicht mehr als wesentliche, prägende Ursache für den Leistungsbezug darstellen und daher vom Einbürgerungsbewerber nicht mehr im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zu vertreten sind. Dies ist sachgerecht, denn die gesetzlichen Erleichterungen, die diese Vorschrift gewährt, rechtfertigen sich - wie das Bundesverwaltungsgericht in dem klägerseits zitierten Urteil vom 19.2.2009 ausdrücklich hervorgehoben hat - daraus, dass bei zurechenbar unzureichender wirtschaftlicher Integration schon die erforderliche Voraufenthaltszeit eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts oder der für den Einbürgerungsanspruch erforderliche Aufenthaltsstatus gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht erreicht werden kann, weil die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) regelmäßig einen gesicherten Lebensunterhalt verlangen. Dies gilt insbesondere auch für die Ersetzung einer - wie im Fall des Klägers - nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen erteilten oder verlängerten befristeten Aufenthaltserlaubnis durch eine Niederlassungserlaubnis, da deren Erteilung nach den §§ 26 Abs. 4 i.V.m. 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ebenfalls voraussetzt, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist.

Der Kläger begründet seine Ansicht, im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG dürfe hinsichtlich der Unterhaltsfähigkeit kein strengerer Maßstab als im Rahmen des § 10 StAG angelegt werden, mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010.(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O.) Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Ausführungen, wonach die Anspruchsvoraussetzungen bzw. Ausschlussgründe der §§ 10 und 11 StAG der Sache nach bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG berücksichtigt werden dürfen, ausdrücklich unter dem Vorbehalt stehen, dass sie in § 8 Abs. 1 StAG nicht schon auf der Tatbestandsebene modifiziert sind. Gerade dies ist der Fall, denn die tatbestandlichen Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit sind in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG anders - insbesondere unter Anlegung strengerer Kriterien - geregelt als in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.

Im Übrigen verkennt der Kläger bei seiner Argumentation, ihm dürften die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zugerechnet werden, dass die diesbezüglich vom Bundesverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht entwickelten Kriterien in seinem Fall nicht erfüllt sind. Denn der hiernach maßgebliche Zeitraum von acht Jahren ist noch nicht verstrichen. Dem Kläger ist entgegenzuhalten, dass er und seine Ehefrau als Bedarfsgemeinschaft seit Erreichen des Rentenalters im Juli 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter beziehen, weil er sich seit Erhalt seiner Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nur unzureichend um eine Arbeitsstelle bemüht hat und daher keinen Anspruch auf eine Altersrente erwerben konnte. Ausweislich der Ausländerakte ist der Kläger seitens der Ausländerbehörde frühzeitig schriftlich darauf hingewiesen worden, dass eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden kann, wenn der Lebensunterhalt der Familie aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert ist (Schreiben der Ausländerbehörde vom 4.11.1992, Bl. 173 f. der Ausländerakte, und Bescheid vom 5.1.1993 betreffend die Ablehnung der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, Bl. 178 f. der Ausländerakte). Aktenkundig sind indes lediglich drei - von vornherein wenig erfolgversprechende - Versuche, eine Arbeitsstelle zu finden, nämlich seine Bewerbungen 1996 in Berlin bzw. Hamburg und 2005 erneut in Berlin. Die jeweiligen Ausländerbehörden lehnten eine Aufnahme des Klägers in ihren Zuständigkeitsbereich jeweils ab, und zwar wegen Nichtbeibringung der geforderten Einstellungszusicherung (Bl. 219 der Ausländerakte) bzw. weil nach der Höhe des voraussichtlichen Verdienstes nicht auszuschließen war, dass er weiterhin auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sein würde (Bl. 230 und 279 der Ausländerakte). Sonstige - insbesondere ortsnahe und insofern erfolgversprechendere - Bemühungen des Klägers um eine Beschäftigung trägt dieser selbst nicht vor. Er gibt lediglich an, sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet zu haben (Bl. 176 der Einbürgerungsakte). Erfolglos gebliebene Bewerbungen behauptet er nicht. Zudem tritt er der Feststellung in dem angefochtenen, die Einbürgerung ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 3.3.2010, es könne nicht von einem unverschuldeten Bezug öffentlicher Mittel ausgegangen werden, im Klage- und Berufungsverfahren nur insoweit entgegen, als er geltend macht, mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien ihm die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zurechenbar. Dies trifft indes gerade nicht zu. Denn der Sachverhalt stellt sich so dar, dass dem Kläger seit Erhalt einer Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 unzureichende Bemühungen um eine Arbeitsstelle entgegenzuhalten sind. Seit Beendigung dieser langen Zeit mangelnder Anstrengungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes sind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erst ca. vier Jahre verstrichen, so dass der Kläger aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schon aus tatsächlichen Gründen nicht zu seinen Gunsten herleiten kann, dass er für seine jahrelang unzureichenden Bemühungen nicht mehr einzustehen habe.

2. Aus § 8 Abs. 2 StAG leitet sich ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags ebenfalls nicht her.

Nach dieser Vorschrift kann von dem Unbescholtenheitserfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG und dem Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmevorschrift, die bezüglich der Nr. 4 am 1.1.2005 und bezüglich der Nr. 2 am 28.9.2007 in Kraft getreten ist, neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügt, weil er im Hinblick auf die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG mit ihren speziellen Voraussetzungen auch bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG eine Ausnahmeregelung als erforderlich ansah. Bei den Tatbestandsvoraussetzungen „Gründe des öffentlichen Interesses“ und „Vermeidung einer besonderen Härte“ handelt es sich jeweils um unbestimmte Rechtsbegriffe, die inhaltlicher Konkretisierung bedürfen und deren Auslegung und Anwendung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Fallbezogen spricht nichts für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands.

Die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 StAG ist für die Auslegung der Vorschrift nicht ergiebig. Sie führt lediglich einen - hier nicht einschlägigen - Beispielsfall einer besonderen Härte an. Hinweise zum Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Gründe des öffentlichen Interesses“ fehlen vollständig.(BT-Drs. 14/7387, S. 107, und 15/420, S. 116)

In der Rechtsprechung ist bisher nur in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Vermeidung einer besonderen Härte geklärt, welche konkreten Anforderungen die gesetzliche Neuregelung an das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls stellt.

Das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 - 5 C 5.11 -) hat vor kurzem entschieden, dass eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen sein muss und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden könnte. Es hat damit die bisher zu den Anforderungen an das Vorliegen einer besonderen Härte ergangene obergerichtliche Rechtsprechung(HessVGH, Beschluss vom 21.10.2008 - 5 A 1820.08.Z -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009 - 13 S 2428.08 -, jeweils juris), u.a. des Senats(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.6.2010 - 1 A 88/10 -, juris), bestätigt. Dies zugrundelegend kommt fallbezogen ein Einbürgerungsermessen des Beklagten zur Vermeidung einer besonderen Härte nicht in Betracht. Die Argumentation des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, eine besondere Härte liege darin, dass er wegen seines Alters außer Stande sei, an seinem Angewiesensein auf den Bezug von Sozialleistungen noch etwas zu ändern, geht fehl. Denn diese Situation wird weder durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen noch könnte sie durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Würdigung der Versagung der Einbürgerung als besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG selbst in Fällen, in denen der Betroffene den Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht zu vertreten hat, bereits mehrfach - u.a. in seinem vom Bundesverwaltungsgericht in dessen Urteil vom 20.3.2012 in Bezug genommenen Beschluss vom 11.6.2009 - eine Absage erteilt.(OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11.6.2009 - OVG 5 M 30.08 -, und vom 8.2.2010 - OVG 5 M 48.09 -, jeweils juris) Auch dies überzeugt.

Zur Frage, wann die Voraussetzungen des alternativen Tatbestandsmerkmals „aus Gründen des öffentlichen Interesses“ erfüllt sind, hat sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht dezidiert geäußert. In seinem Urteil vom 20.3.2012 hat es allerdings beanstandet, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des dortigen Einbürgerungsbewerbers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, in tatsächlicher Hinsicht nicht hinterfragt und nicht geprüft habe, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien.

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich zu den Anforderungen, die an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu stellen sind, ebenfalls noch nicht festgelegt. In den Entscheidungen, in denen § 8 Abs. 2 StAG Erwähnung findet, heißt es - sofern das Vorliegen eines öffentlichen Interesses angeprüft wird - jeweils ohne nähere Darlegung, ein solches sei nicht erkennbar.(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 21.10.2011 - 1 S 135/11 -, NVwZ-RR 2012, 160 f.) An erstinstanzlichen Entscheidungen finden sich ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach(VG Ansbach, Urteil vom 10.9.2008 - AN 15 K 08.00780 -, juris) und mehrere Urteile des Verwaltungsgerichts des Saarlandes(VG des Saarlandes, Urteile vom 9.2.2010 - 2 K 530/09 -, vom 14.12.2010 - 2 K 445/09 -, vom 22.11.2011 - 2 K 560/10 - und vom 31.1.2012 - 2 K 667/10 -, jeweils juris), u.a. auch das im Verfahren des Klägers ergangene Urteil vom 27.9.2011.

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat zu der dortigen Fallgestaltung ausgeführt, Anhaltspunkte für Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn von § 8 Abs. 2 StAG lägen nicht vor, auch wenn die Beachtung einer Staatenlosigkeit wegen der Verpflichtung, die Einbürgerung so weit wie möglich zu erleichtern, hierzu gezählt werde. Auch spiele die von dem Kläger angeführte, im öffentlichen Interesse liegende einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden Integration in die deutschen Verhältnisse keine ausschlaggebende Rolle. Eine klare Aussage dazu, wann Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn des Abs. 2 vorliegen, enthalten diese Ausführungen nicht.

Nach dem in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts des Saarlandes zum Ausdruck kommenden Verständnis der in § 8 Abs. 2 StAG getroffenen Ausnahmeregelung soll das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Interesses voraussetzen, dass der Einbürgerungsbewerber besondere Integrationsleistungen erbracht hat.

In der Kommentarliteratur wird gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Anknüpfungspunkt der Argumentation sind die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht - StAR-VwV - zur Handhabung des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens und die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG, die noch einer (für die Einbürgerungsbehörden) verbindlichen Umsetzung durch Änderung der StAR-VwV bedürfen. Das öffentliche Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei im Zusammenhang zu sehen mit den vom Bundesministerium des Inneren vorgegebenen Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen seien und das öffentliche Interesse an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck brächten. Seien die Voraussetzungen einer solchen Einbürgerungserleichterung erfüllt, sei regelmäßig auch ein Abweichen vom Unterhaltserfordernis angezeigt.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 157; Hailbronner/Renner/Maaßen, a.a.O., § 8 Rdnr. 48) Zu eng, jedenfalls nicht abschließend, seien die Vorgaben der Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise. Denn der Gesetzgeber habe - anders als dort gefordert - nicht ein „besonderes“ oder gar „herausragendes“ öffentliches Interesse zur Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung gemacht, sondern ein „schlichtes“ öffentliches Interesse. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 159 f.)

Diese Auslegung erscheint zu weitgehend. Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Abs. 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der StAG-VwV zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist.

In Bezug auf § 8 Abs. 1 StAG verlangt das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteile 27.2.1957 - I C 165.55 -, BVerwGE 4, 298 ff., vom 30.9.1958 - I C 20.58 -, BVerwGE 7, 237 ff., vom 21.10.1986 - 1 C 44.84 -, BVerwGE 75, 86 ff., und vom 27.5.2010, a.a.O., m.w.N.) bisher in ständiger Rechtsprechung von den Einbürgerungsbehörden, bei der Ermessensausübung darauf abzustellen, ob ein staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht. Die Behörde habe zu prüfen, ob die Einbürgerung sowohl nach den persönlichen Verhältnissen des Bewerbers als auch nach allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gesichtspunkten im staatlichen Interesse erwünscht ist, ohne dass eine Abwägung mit den persönlichen Interessen des Einbürgerungsbewerbers stattfinde. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner zuletzt zur Problematik ergangenen bereits in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.5.2010 offen gelassen, ob es ungeachtet der diesbezüglichen Kritik(Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 8 Rdnr. 50; GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnrn. 178 ff.) daran festhalten wird, dass bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG ohne Abwägung des privaten Interesses des Einbürgerungsbewerbers allein das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung zu berücksichtigen ist. Allerdings spricht im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 StAG - wie noch auszuführen sein wird - alles dafür, Einbürgerungserleichterungen, die den persönlichen Verhältnissen des Einbürgerungsbewerbers Rechnung tragen sollen, nicht als ausreichend zur Begründung eines öffentlichen Interesses zu erachten, sondern ein spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung als unverzichtbar zu fordern.

Die Vorgaben der StAR-VwV, insbesondere die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, die nach Ansicht der Kommentarliteratur ein öffentliches Interesse auch im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck bringen können, sind am 1.2.2001, also lange bevor der Gesetzgeber die Einfügung des heutigen § 8 Abs. 2 StAG beschlossen hat, in Kraft getreten. Nach Nr. 8.0 StAR-VwV kann bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG eine Einbürgerung nach Ermessen der Behörde erfolgen, wenn im Einzelfall ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung festgestellt werden kann. In diesem Zusammenhang heißt es unter Nr. 8.1.2, dass die Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 allgemeine Grundsätze für die Ermessensausübung enthalten und festlegen, unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung anzunehmen ist. Demgemäß sind die unter Nr. 8.1.2 StAR-VwV fixierten allgemeinen Grundsätze für die Ermessensausübung und die unter Nr. 8.1.3 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen für bestimmte Personengruppen vom Bundesministerium des Inneren mit dem Ziel konzipiert worden, den Einbürgerungsbehörden durch Konkretisierung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Rahmen für eine einheitliche Bewältigung der speziell bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 StAG zu erwartenden Problemstellungen vorzugeben.

Dass jede zu § 8 Abs. 1 StAG anerkannte Einbürgerungserleichterung gleichzeitig ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zum Ausdruck bringt, ist indes nicht anzunehmen.

Das öffentliche Interesse jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße zunächst, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach der StAR-VwV zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber den tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht genügt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Denn die unter Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 erfassten Kriterien für das Vorliegen des im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG von der Rechtsprechung geforderten öffentlichen Interesses tragen durchaus unterschiedlichen Anliegen Rechnung, die teils primär private Belange des Einbürgerungsbewerbers und teils ausschließlich staatliche Belange im Blick haben. Die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen sind von daher nicht in gleicher Weise geeignet, im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Abs. 2 Berücksichtigung zu finden. Die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG wären bei dem von der Kommentarliteratur vertretenen Verständnis des in Abs. 2 der Vorschrift verwendeten Begriffs des öffentlichen Interesses ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre.

Speziell mit Blick auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG spricht gegen eine begriffliche Identität, dass § 8 Abs. 2 StAG den Einbürgerungsbehörden die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung unabhängig davon einräumt, ob der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit selbst zu vertreten hat. In einer Vielzahl von Fällen, in denen einer positiven Entscheidung nach Abs. 1 das Nichtvorliegen der tatbestandlichen Anforderungen der Nr. 4 entgegensteht, stünde es auch im Falle rein privatnütziger, besondere persönliche Umstände berücksichtigender Einbürgerungserleichterungen im Ermessen der Einbürgerungsbehörde, ob sie grundsätzlich oder je nach den Umständen des Einzelfalls fordert, dass der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit nicht zu vertreten hat.

Die aufgezeigte Problematik wird anhand des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts deutlich. Ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG ist dem Beklagten mit Blick auf Nr. 4 der Vorschrift nicht eröffnet. Dessen ungeachtet genügt der Kläger allen unter Nr. 8.1.2 i.V.m. Nr. 8.1.3.7 und unter Nrn. 8.1.2.2 bis 8.1.2.6 festgelegten Kriterien, die im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG den Begriff des öffentlichen Interesses konkretisieren sollen. Denn auch dem Erfordernis ausreichender Sprachkenntnisse wäre mit Blick auf die - seinen persönlichen Belangen Rechnung tragende - Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 Genüge getan, da insoweit bei Personen, die - wie er - das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, ausreicht, wenn sie sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben mündlich in deutscher Sprache verständigen können. Zu Zweifeln, ob der Kläger sich in dieser Weise verständigen kann, besteht angesichts seiner Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Veranlassung. Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass der Senat der Ansicht des Beklagten, bei Anwendung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nicht die Vita des Einbürgerungsbewerbers der Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift entgegensteht, nicht zu folgen vermag. Sinn und Zweck dieser aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Verwaltungsvorschrift ist es, den besonderen persönlichen Verhältnissen und dem typischerweise nur noch eingeschränkten Leistungsvermögen älterer Personen im Falle eines langjährigen Inlandsaufenthalts im Rahmen der Ermessensausübung angemessen Rechnung zu tragen, und zwar unabhängig davon, ob ihnen der Erwerb weitergehender Sprachkenntnisse in jüngeren Jahren nach ihren persönlichen Fähigkeiten und ihren Lebensverhältnissen zumutbar gewesen wäre.

Die Annahme, dass der Tatbestand des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG mit dem durch die Vorgaben der StAR-VwV zu Abs. 1 der Vorschrift konkretisierten öffentlichen Interesse identisch ist, hätte somit fallbezogen zur Folge, dass der Beklagte den Kläger auf der Grundlage des Abs. 2 wegen Eingreifens der Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV einbürgern könnte, ohne dass er kraft Gesetzes oder auch nur kraft Verwaltungsvorschrift gehalten wäre zu prüfen, ob dieser seine fehlende Unterhaltsfähigkeit zu vertreten hat. Es erscheint fernliegend, dass dies der Intention des Gesetzgebers entspricht.

Die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG sprechen - ungeachtet des Umstands, dass sie die Gerichte nicht zu binden vermögen und selbst im Verhältnis zu den Behörden noch einer verbindlichen Umsetzung bedürfen - ebenfalls gegen die von der Kommentarliteratur befürwortete weite Auslegung der Vorschrift. Denn deren Nr. 8.2 verweist gerade nicht auf die Gesamtheit der in Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, deren Vorliegen ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG rechtfertigen kann. Vielmehr soll ein Absehen von dem Unbescholtenheitserfordernis bzw. der Unterhaltsfähigkeit nach Nr. 8.2 StAR-VwV z.B. in Betracht kommen, wenn bereits Einbürgerungserleichterungen, einschließlich vorübergehender oder dauerhafter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, bei einem besonderen (Nr. 8.1.3.5 StAR-VwV) oder herausragenden (Nr. 8.1.2.6.3.6 StAR-VwV) öffentlichen Interesse - Verkürzung der Mindestdauer des Inlandsaufenthalts bei Vorliegen eines besonderen Einbürgerungsinteresses oder Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei einem herausragenden öffentlichen Einbürgerungsinteresse - eingeräumt worden sind. In den beispielhaft genannten Anwendungsfällen setzt ein Absehen von der Unterhaltsfähigkeit mithin voraus, dass ein besonderes oder herausragendes Einbürgerungsinteresse besteht. Dazu, ob weitere, gegebenenfalls welche, Fallgestaltungen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG denkbar sind, verhalten sich die Vorläufigen Anwendungshinweise nicht. Allerdings spricht der Umstand, dass die in der StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen nicht allesamt in Bezug genommen werden, eindeutig dafür, dass jedenfalls nach dem Verständnis des Bundesministeriums des Inneren nicht jede zu Abs. 1 der Vorschrift vorgesehene Einbürgerungserleichterung den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG nahe legen soll, sondern vorrangig oder ausschließlich solche, die einem spezifisch staatlichen Interesse zu dienen bestimmt sind.

Allein ein solches Verständnis der Vorschrift erscheint aus Sicht des Senats sachgerecht. Ermessensgesichtspunkte und Einbürgerungserleichterungen, die nach der Rechtsprechung und den insoweit geltenden Verwaltungsvorschriften der StAR-VwV zwar im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG beachtlich und grundsätzlich dort geeignet sind, eine dem Ausländer positive Einbürgerungsentscheidung zu ermöglichen, aber nicht irgendwie gearteten staatlichen Interessen dienen, sondern vorrangig besonderen persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des Ausländers angemessen Rechnung tragen sollen, vermögen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nicht zu begründen.

So kann sich beispielsweise daraus, dass im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 StAG und zweifelsfrei ebenso des Absatzes 2 der Vorschrift eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen auf Dauer zugesagt ist, als erforderlicher Aufenthalt ausreichen soll (Nr. 8.1.2.4 StAR-VwV), kein im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG beachtliches öffentliches Interesse an der Einbürgerung ergeben. Gleiches gilt etwa hinsichtlich der die allgemein geltenden Sprachanforderungen einschränkenden Einbürgerungserleichterungen für minderjährige Kinder (Nr. 8.1.3.6 StAR-VwV) und ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV).

Nach allem ist ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit - insoweit gegebenenfalls auch im Falle eines Vertretenmüssens - einzubürgern. Nur bei Bestehen eines solchen durch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses verlangt die Vorschrift der Einbürgerungsbehörde die Betätigung ihres Einbürgerungsermessens ab.

Nach Einschätzung des Senats entspricht dies der - wenngleich bisher nicht ausdrücklich formulierten - Sichtweise des Bundesverwaltungsgerichts. Wie ausgeführt, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.3.2012 in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbestandlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nrn. 2 und/oder 4 besteht.

Mithin ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverwaltungsgericht den Vorschlag der Kommentarliteratur, jedwede anerkannte Einbürgerungserleichterung als geeignet anzusehen, ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu begründen, aufgreifen könnte.

Demgemäß füllt allein die dem Kläger zugute kommende Einbürgerungserleichterung für ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV) den Tatbestand eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift nicht aus. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Anhaltspunkte für das Bestehen eines durch spezifisch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses an der Einbürgerung des Klägers, also eines Erwünschtseins seiner Einbürgerung aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher und kultureller Gesichtspunkte, weder ersichtlich noch dargetan sind. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Ansicht vertreten, für ein „Erwünschtsein“ im Sinne eines staatlichen Interesses an seiner Einbürgerung müsse ausreichen, dass er schon über 30 Jahre und damit sehr lange in Deutschland lebe und hier auf Dauer bleibeberechtigt sei. Zudem hätten seine Kinder sich ebenfalls hier niedergelassen, seien zum Teil schon lange eingebürgert und berufstätig, so dass sie als Steuerzahler zum Gemeinwohl beitrügen. Dies reicht - so erfreulich die Entwicklung der Kinder sicherlich ist - mit Blick auf den hier allein interessierenden Kläger zur Begründung eines staatlichen Interesses im vorbezeichneten Sinne nicht aus. Dass das Alter und ein langjähriger Aufenthalt im Inland einem Einbürgerungsbewerber im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG einbürgerungserleichternd zugute kommen können, vermag - wie ausgeführt - für sich genommen nicht automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu rechtfertigen, und kann auch im Zusammenspiel mit einer gelungenen Integration der Kinder ein solches Interesse nicht begründen. Denn § 8 Abs. 2 StAG enthält nach der gesetzlichen Konzeption einen Ausnahmetatbestand und setzt daher voraus, dass der konkrete Fall sich in einer spezifischen Weise von der in der Mehrzahl der Zuwandererfamilien zu beobachtenden Integration der Kinder in die hiesigen Verhältnisse - zusätzlich - positiv abhebt. Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Dem Beklagten ist mithin ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 2 StAG nicht eröffnet.

Wegen Fehlens diesbezüglicher tatsächlicher Anhaltspunkte und damit mangels Entscheidungsrelevanz bedarf keiner Entscheidung, ob - wie das Verwaltungsgericht annimmt - ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG auch bei besonderen Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers zu bejahen ist. Angemerkt sei lediglich, dass für eine solche Auslegung der Vorschrift die - wenngleich in anderem Zusammenhang verwendete - Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010 „zur Vermeidung einer Härte oder wegen anderweitiger Integrationsleistungen“(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O., juris-Rdnr. 36 (vgl. auch Rdnr. 39)) sprechen mag.

3. Nach alldem bleibt festzuhalten, dass dem Kläger weder auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 StAG noch des § 8 Abs. 2 StAG ein Anspruch darauf zusteht, dass der Beklagte erneut über sein Einbürgerungsbegehren entscheidet.

Die Berufung gegen das den diesbezüglich gestellten Hilfsantrag des Klägers abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts unterliegt daher der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine neue, auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt ein Viertel, die Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Hinsichtlich der Entscheidung über die Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung wird für die Beklagte die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der Kläger, ein am ... geborener türkischer Staatsangehöriger, der im Jahr 1978 im Wege des Familiennachzugs in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, besitzt seit 1986 ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Im Jahr 1987 erlangte er den Hauptschulabschluss. Aus seiner am 20.06.1990 geschlossenen Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen sind drei 1993, 1998 und 2008 geborene Kinder hervorgegangen.
Am 14.06.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Einbürgerung. Hierbei gab er u.a. die geforderte Loyalitätserklärung ab. Nachdem die Beklagte das Vorliegen der Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 85 AuslG festgestellt und insbesondere das Landesamt für Verfassungsschutz ihr unter dem 13.07.2000 mitgeteilt hatte, dass die Einbürgerung unbedenklich sei, erteilte sie dem Kläger am 15.08.2000 eine bis zum 14.08.2002 befristete Zusage der Einbürgerung für den Fall, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde. Am 27.09.2001 ging der Beklagten die dem Kläger am 19.09.2001 erteilte Erlaubnis der türkischen Behörden zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit zu.
Auf Anfrage der Beklagten teilte das Landesamt für Verfassungsschutz am 12.12.2001 mit, dass es den Einbürgerungsvorgang dem Innenministerium Baden-Württemberg zur weiteren Entscheidung vorgelegt habe.
Am 18.02.2002 gab der Kläger auf Aufforderung der Beklagten erneut ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und eine entsprechende Loyalitätserklärung ab.
Unter dem 29.08.2003 teilte das Innenministerium dem Regierungspräsidium Karlsruhe mit, dass es der Einbürgerung des Klägers zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zustimme, da dieser sich in der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V.“ - IGMG - engagiere und zumindest im Jahr 2000 dem Vorstand dieser Gemeinschaft in Mannheim angehört habe.
Ausweislich eines Aktenvermerks vom 15.01.2004 (Bl. 159 der Einbürgerungsakten) gab der Kläger bei einer Vorsprache auf der Einbürgerungsbehörde an, sich seit Jahren in der IGMG in Mannheim zu engagieren und sich mit deren Gedankengut zu identifizieren. Ein Austritt käme für ihn allenfalls bei einem Verbot des Vereins in Frage.
Mit Verfügung vom 15.01.2004 lehnte die Beklagte nach vorheriger Anhörung die Einbürgerung des Klägers ab, da es an der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG fehle und ein Ausschlussgrund nach § 86 Nr. 2 AuslG bestehe.
Den gegen diese Verfügung am 12.02.2004 eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Karlsruhe, nachdem das Widerspruchsverfahren zunächst einvernehmlich geruht hatte, mit Bescheid vom 21.02.2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Einbürgerung sei nach den §§ 10 ff. StAG, hilfsweise nach § 8 StAG zu bewerten. Nach § 40 c StAG seien die §§ 8 - 14 in ihrer vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthielten als die Neufassung. Der Kläger erfülle die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. nicht, zudem liege der Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. vor. Er habe die IGMG durch seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied in Mannheim zu einer Zeit unterstützt, als diese noch als homogene verfassungsfeindliche Organisation zu betrachten gewesen sei. Die späteren inneren Veränderungen, die die IGMG heute im Hinblick auf ihre Verfassungsfeindlichkeit als inhomogene Organisation erscheinen ließen, seien für die Bewertung des vorliegenden Einbürgerungsbegehrens ohne Belang. Aufgrund der Unterstützung der IGMG, die nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. die Einbürgerung ausschließe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich vorbehaltlos zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekenne. Eine Abwendung von den verfassungsfeindlichen Bestrebungen sei nicht erfolgt.
10 
Am 03.03.2011 erhob der Kläger Verpflichtungsklage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe, zu deren Begründung er u.a. vortrug, er habe nie Bestrebungen verfolgt oder unterstützt, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten. Im Jahr 2000 sei er Mitglied des Vorstandes der IGMG in Mannheim gewesen. Der Vorstand habe aus neun bis zwölf Personen bestanden. Er sei insbesondere für Hausaufgabenbetreuung verantwortlich gewesen. Schon damals sei er gegen die insbesondere von der Gründergeneration vertretene „Erbakan-Linie“ gewesen. Er sei gegen jeden Absolutheitsanspruch der islamischen Religion gewesen und für ein tolerantes Zusammenleben mit anderen Religionen eingetreten. Etwa seit 2006 habe er keinen Kontakt mehr zur IGMG. Er besuche zwar manchmal das Freitagsgebet, aber keine Mitgliederversammlungen und nehme auch sonst nicht an Aktivitäten der Organisation teil. Er befürworte den Vorrang der Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats vor etwaigen islamischen Ge- oder Verboten und sehe keinen grundsätzlichen Konflikt zwischen den westlichen Werten und den Werten der islamischen Religion.
11 
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie führte aus, die Ausführungen des Klägers zum Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. und zur Abwendung von etwaigen verfassungsfeindlichen Bestrebungen seien nicht überzeugend.
12 
Mit Urteil vom 07.03.2012 - 1 K 576/11 - hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15.01.2004 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.02.2011 verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Es könne offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. vorlägen und ob der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. der Einbürgerung entgegenstehe. Der Kläger habe jedenfalls einen Anspruch auf Einbürgerung aus der ihm erteilten Einbürgerungszusage. In dieser Zusage habe die Beklagte sich für den Fall, dass der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachweise, verpflichtet, ihn einzubürgern. Dabei habe sie die Bindungswirkung auf den 14.08.2002 befristet. Da der Kläger am 27.09.2001 den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen und die Bindungswirkung zu diesem Zeitpunkt noch bestanden habe, ergebe sich aus der Zusage weiterhin ein Anspruch auf Einbürgerung. Die Bindungswirkung sei weder nach § 38 Abs. 3 LVwVfG noch nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG entfallen.
13 
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 08.10.2012 - 1 S 939/12 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Der Kläger könne sich aus mehreren Gründen nicht mehr auf die ihm am 15.08.2000 erteilte Einbürgerungszusicherung berufen. Zum einen sei die Bindungswirkung der Zusicherung mit Ablauf des 14.08.2002 entfallen. Zum anderen sei die Zusicherung unter dem Vorbehalt erteilt worden, dass sich die für die Einbürgerung maßgebliche Sach- und Rechtslage bis zur Einbürgerung nicht ändere. Hier sei die Bindungswirkung nach § 38 Abs. 3 LVwVfG durch Änderung der Sachlage entfallen. Zwar sei der Kläger bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Zusicherung Mitglied der IGMG gewesen, doch hätten die für die Entscheidung zuständigen Behörden keine Kenntnis davon gehabt, weil der Kläger im Einbürgerungsverfahren diesbezüglich falsche Angaben gemacht habe. Die Zusage wäre nämlich nicht erteilt worden, wenn der Kläger bei Abgabe der Loyalitätserklärung seine Mitgliedschaft bzw. Funktionärstätigkeit in der IGMG angegeben hätte. Diese Vereinigung sei vom Verfassungsschutz bereits damals als extremistisch eingestuft worden, weil sie auf die Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abziele. Die erst durch eine erneute Überprüfung bekannt gewordenen Tatsachen für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. bedingten somit eine Änderung der Sachlage und führten zum Wegfall der Bindungswirkung. Ebenfalls zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger innerhalb der Geltungsdauer der Zusicherung deren Bedingung erfüllt habe. Bei der von ihm vorgelegten Entscheidung der türkischen Behörden vom 19.09.2001 handele es sich nicht um eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, sondern lediglich um eine Erlaubnis zum Austritt aus der türkischen und zur Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit. Diese Erlaubnisbescheinigung habe nur eine Geltungsdauer von drei Jahren gehabt und sei daher nicht mehr gültig. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung des Klägers unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit lägen nicht vor. Ein Einbürgerungsanspruch ergebe sich wegen Vorliegens des Ausschlussgrundes des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. und Nichterfüllung der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG a.F. auch nicht aus der gesetzlichen Anspruchsgrundlage des § 10 StAG.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen,
18 
hilfsweise, das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine neue Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
19 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Mit Vorlage der Erlaubnis zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit habe er die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt. Die eigentliche Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit erfolge stets erst nach erfolgter Einbürgerung in einen anderen Staatsverband. Unabhängig von der Einbürgerungszusicherung habe er jedenfalls einen gesetzlichen Anspruch auf Einbürgerung, hilfsweise auf erneute Einbürgerungszusicherung, weil alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt seien. Insbesondere liege der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. nicht vor.
20 
Wegen der Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
21 
Dem Senat liegen die einschlägigen Einbürgerungsakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe und die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
23 
Die Berufung ist in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband oder auf Neubescheidung seines darauf gerichteten Antrags. Insoweit hätte das Verwaltungsgericht die Klage abweisen müssen (1.). Der Kläger hat jedoch im Wege der Folgenbeseitigung einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist (2.).
24 
1. Den Einbürgerungsantrag des Klägers hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Versagung der Einbürgerung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
25 
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei auf Einbürgerung gerichteten Verpflichtungsbegehren, soweit sich aus der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG nichts Abweichendes ergibt, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Nach der Übergangsregelung des § 40 c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 StAG weiter in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach früherem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008 - 13 S 1487/06 - NVwZ-RR 2008, 839; Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 29). Hinsichtlich der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) nicht geändert, so dass die Sach- und Rechtslage sich insgesamt nach dem StAG in der derzeit geltenden Fassung des Gesetzes vom 01.06.2012 (BGBl. I S. 1224) beurteilt. Dies gilt auch für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, der inhaltlich mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung übereinstimmt.
26 
Eine Anwendung der zum Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags am 14.06.2000 geltenden §§ 85, 86 AuslG kommt nicht in Betracht, da nach der insoweit maßgeblichen Übergangsregelung des § 40 c StAG a.F. das bis zum 31.12.2000 geltende Recht nur auf vor dem 16.03.1999 gestellte Einbürgerungsanträge Anwendung findet (Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 37).
27 
b) Einen Anspruch auf Einbürgerung aufgrund der Einbürgerungszusicherung, die eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Einbürgerungsanspruch darstellt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 22.06.2010 - 19 E 777/09 - EZAR NF 76 Nr. 6), hat der Kläger bereits deshalb nicht, weil er zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der anstehenden Berufungsverhandlung den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen hat. Zwar hat er zunächst während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung nachgewiesen, dass er die Einbürgerungsvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit erfüllt (aa). Mit Ablauf der Geltungsdauer der ihm vom türkischen Innenministerium erteilten Genehmigung ist diese Voraussetzung jedoch wieder entfallen (bb).
28 
aa) Mit der Vorlage der Genehmigung des Innenministeriums der Türkischen Republik zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vom 19.09.2001 bei der Beklagten am 27.09.2001 hat der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit für den Fall seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nachgewiesen und damit innerhalb der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die zum damaligen Zeitpunkt einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt. Die Einbürgerungszusicherung verfolgt den Zweck, einerseits Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit, andererseits aber auch temporäre Staatenlosigkeit zu vermeiden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.07.1994 - 13 S 2147/93 - InfAuslR 1995, 116). Sie soll dem Einbürgerungsbewerber die Sicherheit vermitteln, dass er nach Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit eingebürgert werden wird (Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG Rn. 493). Unschädlich ist dabei, dass mit der Genehmigung vom 19.09.2001 die Ausbürgerung aus dem türkischen Staatsverband noch nicht vollzogen wurde. Nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsrecht vollzieht sich der Verlust der Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit in einem zweistufigen Verfahren. Nach Art. 22 Abs. 2 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der damals geltenden Fassung (abgedr. bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschafts-recht, Stichwort Türkei S. 12) wird die Ausbürgerung durch Erteilung der Ausbürgerungsurkunde erst nach Vorlage der Einbürgerungsurkunde des ausländischen Staates vollzogen. Wollte man die Einbürgerungszusicherung dahin auslegen, dass die Einbürgerung nur für den Fall des Nachweises des Vollzugs der Ausbürgerung zugesagt wurde, wäre sie auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet und von Anfang an gegenstandslos gewesen. Dies kann nicht angenommen werden und entspräche auch nicht der ständigen Verwaltungspraxis der Einbürgerungsbehörden.
29 
bb) Zu Recht weist jedoch die Beklagte darauf hin, dass die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit nach Art. 22 Abs. 4 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes nur eine Geltungsdauer von drei Jahren hatte. Dies ist vom Kläger bestätigt worden, der nach Vorsprache auf dem türkischen Generalkonsulat mitgeteilt hat, dass eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit aufgrund der ihm im Jahr 2001 erteilten Genehmigung nicht mehr möglich sei, es vielmehr zuvor der Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung bedürfe. Damit fehlt es gegenwärtig an der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, von der vorliegend auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit liegen bei dem Kläger ersichtlich nicht vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass es ihm nach Erteilung einer erneuten Einbürgerungszusicherung ohne Weiteres möglich wäre, wiederum eine Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit zu erlangen.
30 
c) Soweit der Einbürgerungsanspruch auf § 10 StAG gestützt wird, steht ihm ebenfalls entgegen, dass die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht erfüllt ist, von der - wie bereits ausgeführt - auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann.
31 
d) Auch ein Anspruch auf Einbürgerung auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs scheidet aus. Anders als im Sozialrecht, das bei der Verletzung behördlicher Auskunfts- und Hinweispflichten einen Anspruch auf Herstellung desjenigen Zustands kennt, der entstanden wäre, wenn sich der Sozialleistungsträger von vornherein rechtmäßig verhalten hätte, kann auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts unrechtmäßiges Verwaltungshandeln oder Unterlassen nur im Rahmen zulässigen Verwaltungshandelns ausgeglichen werden. Ein Folgenbeseitigungsanspruch kommt generell nur im Hinblick auf die Wiederherstellung eines früheren Zustandes, nicht aber im Hinblick auf die Einräumung einer Rechtsstellung, die der Betroffene bislang nicht innehatte, in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Hier war der Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt eingebürgert.
32 
e) Ein Einbürgerungsanspruch folgt auch nicht daraus, dass der Kläger während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung die einzige damals offene, mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hat. Zwar folgt der Senat im Grundsatz der Rechtsprechung des früher für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständigen 13. Senats, nach der die Berufung der Einbürgerungsbehörde auf den Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn ein Einbürgerungsbewerber noch während der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt und die Bindungswirkung der Zusicherung während dieses Zeitraums nicht entfallen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris Rn. 56; ebenso VG Stuttgart, Urt. v. 26.10.2005 - 11 K 2083/04 - juris Rn. 83). Mit dieser Begründung kann jedoch nach Auffassung des Senats dann kein Einbürgerungsanspruch bejaht werden, wenn der Einbürgerungsbewerber im Ergebnis - wie hier - unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert würde, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu keinem Zeitpunkt vorlagen und die Einbürgerungszusicherung gerade dem Zweck dient, Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Die Einbürgerung wurde nur für den Fall zugesagt, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen wird. Diesen Nachweis kann der Kläger nicht mehr führen. Er hat selbst vorgetragen, dass er ohne Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung seine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit nicht mehr erreichen kann.
33 
f) Dem Kläger steht schließlich kein Anspruch auf Einbürgerung oder auf Neubescheidung seines Antrags nach § 8 Abs. 1 StAG zu, da bei der Ermessenseinbürgerung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach den einschlägigen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die nicht zu beanstanden sind, die gleichen Maßstäbe gelten wie bei der Anspruchseinbürgerung (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - juris).
34 
2. Der Kläger hat jedoch auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist.
35 
a) Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag stellt - jedenfalls soweit er auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung im Wege der Folgenbeseitigung gerichtet ist - keine Klageänderung im Sinn des § 91 VwGO dar, weil er auf Wiederherstellung eines früheren Zustandes gerichtet ist, den der Kläger bereits innehatte. Es handelt sich vielmehr um eine Beschränkung des Klageantrags, die nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung zu behandeln ist. Wollte man dies anders sehen, so wäre eine Klageänderung im Übrigen als sachdienlich zuzulassen, weil sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.08.2005 - 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136>).
36 
b) Der Anspruch auf Folgenbeseitigung, der ein Verschulden der Behörde nicht voraussetzt, ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustands gerichtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Er ist hier gegeben, weil die Beklagte die Realisierung des aufgrund der Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung - die nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist (aa) und auch nicht hätte zurückgenommen oder widerrufen werden können (bb) - gegebenen Einbürgerungsanspruchs objektiv wesentlich erschwert hat, indem sie den Kläger, nachdem dieser die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vorgelegt und damit aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte, über den Stand und den Fortgang des Verwaltungsverfahrens im Unklaren ließ, obwohl sie aufgrund des Grundsatzes der Verfahrensklarheit und auch mit Blick auf die Vorwirkungen des Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet gewesen wäre, ihn darauf hinzuweisen, dass sie die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat (dd).
37 
aa) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Bindungswirkung der Zusicherung nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist.
38 
(1) Die entscheidungserhebliche Rechtslage hat sich nicht geändert. Bereits nach dem zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung geltenden § 86 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 15.07.1999 bestand ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Dieser Ausschlussgrund wurde später ohne inhaltliche Änderungen in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG (heute: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) übernommen.
39 
(2) Die Änderung der Erkenntnislage, auf die die Beklagte sich beruft, stellt keine Änderung der Sachlage dar. Die nachträgliche Erkenntnis einer Behörde, dass sie die Zusicherung aufgrund falscher tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen gegeben hat, steht einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht gleich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 38 Rn. 37; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 38 Rn. 99; BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 3 A 2.03 - NVwZ 2004, 1125 <1126>; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.07.1990 - 8 S 524/90 - NVwZ 1991, 79).
40 
bb) Eine Rücknahme oder ein Widerruf der Einbürgerungszusicherung nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG wäre ebenfalls nicht möglich gewesen.
41 
(1) Eine Rücknahme scheidet aus, weil der Kläger die Einbürgerungszusicherung nicht durch arglistige Täuschung oder durch unvollständige Angaben erwirkt hat.
42 
Zwar dürfte die Einbürgerungszusicherung rechtswidrig gewesen sein, weil der Einbürgerung - was die Beklagte damals nicht wusste - der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) entgegenstand. Die IGMG wird in der Rechtsprechung als eine Organisation angesehen, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29 m.w.N., bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 02.12.2009 - 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 302; NdsOVG, Urt. v. 15.09.2009 - 11 LB 487/07 - EZAR NF 41 Nr. 4; OVG Bln-Bbg, Urt. v. 10.02.2011 - OVG 5 B 6.07 - juris; BayVGH, Beschl. v. 28.03.2012 - 5 B 11.404 - juris). Aktivitäten von Funktionären oder Mitgliedern der IGMG werden in der Rechtsprechung überwiegend als einbürgerungsschädlich angesehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - a.a.O. m.w.N.). Erst für die Zeit ab 2004 hat der 13. Senat des erkennenden Gerichtshofs Reformbestrebungen innerhalb der IGMG ausgemacht, die dazu führen, dass diese nunmehr nicht mehr als eine homogene und - bezogen auf die Frage der Akzeptanz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - in ihrer Zielrichtung einheitliche Bewegung anzusehen sein soll (a.a.O. ). Die Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied im Jahr 2000, d.h. in einem Zeitraum, in dem die IGMG als eine homogene, insgesamt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bewegung anzusehen war, stellt somit eine Unterstützungshandlung im Sinn des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) dar, die von hinreichendem Gewicht sein dürfte, um den Verdacht zu rechtfertigen, dass er die IGMG unterstützt.
43 
Der Kläger hat seine Einbürgerung jedoch nicht durch arglistige Täuschung im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG, durch unvollständige Angaben im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten erwirkt. „Erwirken“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 48 Rn. 116 m.w.N.). Es lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass der Kläger bei Abgabe seiner Loyalitätserklärung bei Stellung des Einbürgerungsantrags im Juni 2000 bzw. bei Abgabe der weiteren Loyalitätserklärung im Februar 2002 wissentlich und zweckgerichtet, um seine Einbürgerung rechtswidrigerweise zu erreichen, von ihm unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat. Anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung musste der Kläger zum einen selbst bewerten, ob er diesen Grundsätzen für sich zustimmen kann oder ob er im Wege seiner Aktivitäten für die IGMG die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen und letztlich überwinden will. Zum anderen musste der Kläger einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden.
44 
Danach war für den Kläger kein Anlass gegeben, seine Aktivitäten bei Milli Görüs, die er selbst in erster Linie als religiös und sozial motivierte Betätigung für einen religiös ausgerichteten Verein ansah, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach Mitgliedschaften in derartigen Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen (ebenso zu einem vergleichbaren Fall: HessVGH, Urt. v. 18.01.2007 - 11 UE 111/06 - ESVGH 57, 139 = InfAuslR 2007, 207; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132.07 - juris). Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er sich zusammen mit Gleichgesinnten in erster Linie deshalb bei Milli Görüs engagiert, um im Rahmen eines islamischen Vereins Jugendarbeit zu leisten und Hausaufgabenbetreuung zu organisieren. Es konnte ihm nicht abverlangt werden, die Bewertung der Tätigkeit von Milli Görüs, die erst der Behörde im Rahmen der Anwendung von § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG obliegt, bereits selbst vorzunehmen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der verfassungsfeindliche Charakter der Bestrebungen von Milli Görüs damals (zum Zeitpunkt der Abgabe der Loyalitätserklärungen) so eindeutig und offensichtlich war, dass angenommen werden muss, jedes Vorstandsmitglied von örtlichen Mitgliedsvereinigungen hätte erkennen können und müssen, dass es verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt. Immerhin war die Frage, ob Aktivitäten für die Vereinigung Milli Görüs die Annahme des Unterstützens verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen, damals auch in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen worden (einerseits etwa BayVGH, Urt. v. 16.07.2003 - 20 BV 02.2747, 20 CS 02.2850 - BayVBl. 2004, 84 -; andererseits VG Karlsruhe, Urt. v. 26.02.2003 - 4 K 2234/01 - juris -). Eine höchstrichterliche Klärung ist erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.12.2009 (- 5 C 24.08 - a.a.O.) erfolgt.
45 
(2) Ein Widerruf nach § 49 LVwVfG scheidet aus, weil kein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 LVwVfG vorliegt. Zudem enthält § 38 Abs. 3 LVwVfG eine Spezialregelung gegenüber § 49 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 LVwVfG, die die Anwendung der genannten Widerrufstatbestände ausschließt (BVerwG, Urt. v. 25.01.1995 - 11 C 29.93 - BVerwGE 97, 323; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 38 Rn. 35, 36).
46 
cc) Die Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung ist nach alledem erst mit Ablauf ihrer Geltungsdauer am 14.08.2002 entfallen. Die Beklagte hätte sich jedoch gegenüber dem Kläger auch nach diesem Zeitpunkt nach Treu und Glauben solange nicht auf den Fristablauf berufen können, wie dieser die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt hat (siehe dazu oben 1. e).
47 
dd) Bei dieser Sachlage war die Beklagte verpflichtet, den Kläger, der aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte und der damit rechnen konnte und durfte, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde, darauf hinzuweisen, dass sie mit Blick auf die Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 12.12.2001 die Einbürgerungsakten ebenfalls auf dem Dienstweg dem Innenministerium vorgelegt hat und dass sie ihre Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat. Durch einen derartigen Hinweis wäre der Kläger in die Lage versetzt worden, seinen Einbürgerungsanspruch zeitnah durch Erhebung einer Untätigkeitsklage gerichtlich geltend zu machen und so möglicherweise rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer der Erlaubnis zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit ein Verpflichtungsurteil zu erstreiten.
48 
Das aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Gebot eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens wirkt sich auch auf die Verfahrensgestaltung aus. Unter dem Aspekt des Grundsatzes der Formen- und Verfahrensklarheit verlangt es, dass die Behörde die Verfahrensbeteiligten nicht über die Gestaltung des Verfahrensgangs im Unklaren lässt. Dies gilt in besonderem Maße gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten. Über den Stand des Verfahrens ist der Betroffene zu unterrichten (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 9 Rn. 57 f. m.w.N.; Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., Vor § 9 Rn. 17). Art. 19 Abs. 4 GG wirkt auf die Ausgestaltung des dem Gerichtsverfahren vorgelagerten Verwaltungsverfahrens dergestalt ein, dass es den Rechtsschutz weder vereiteln noch unzumutbar erschweren darf (BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <110>; Urt. v. 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - BVerfGE 69, 1; Schmitz, a.a.O. Rn. 63).
49 
Hier hat die Beklagte, indem sie den damals noch nicht anwaltlich vertretenen Kläger nicht über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet hat, gegen den Grundsatz der Verfahrensklarheit verstoßen und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unzumutbar erschwert. Der Kläger hatte von sich aus keine Veranlassung, Untätigkeitsklage mit dem Ziel zu erheben, seinen Anspruch auf Einbürgerung vor Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gerichtlich durchzusetzen. Er konnte und durfte darauf vertrauen, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde. Das Schreiben vom 07.02.2002, mit welchem der Kläger um persönliche Vorsprache zwecks Aktualisierung seines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und schriftlicher Dokumentierung seiner Grundkenntnisse im deutschen Staatsrecht gebeten wurde, war nicht geeignet, sein diesbezügliches Vertrauen zu erschüttern. Auch bei der Vorsprache selbst war die Unterstützung bestimmter Organisationen wie Milli Görüs kein Thema. Vielmehr musste der Kläger die Loyalitätserklärung wiederum allein anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben. Seine Kenntnisse bezüglich der staatlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wurden als gut bewertet, so dass der Kläger davon ausgehen konnte, dass auch insoweit der Einbürgerung nichts entgegenstehe. Erst durch das Anhörungsschreiben vom 06.11.2003 wurde er darüber unterrichtet, dass man beabsichtige, seinen Einbürgerungsantrag wegen seines Engagements für die IGMG abzulehnen. Der auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene Kläger wurde somit über einen Zeitraum von über zwei Jahren über den Stand und den Fortgang des Verfahrens im Unklaren gelassen. Hierdurch wurde die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes objektiv erheblich erschwert. Er ist daher im Wege der Folgenbeseitigung so zu stellen, wie er vor Verletzung der Verfahrenspflichten durch die Beklagte stand, d.h. ihm ist eine neue, wiederum auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
51 
Die teilweise Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Sache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vor.
52 
Beschluss vom 8. Mai 2013
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., Ahn. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
22 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
23 
Die Berufung ist in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband oder auf Neubescheidung seines darauf gerichteten Antrags. Insoweit hätte das Verwaltungsgericht die Klage abweisen müssen (1.). Der Kläger hat jedoch im Wege der Folgenbeseitigung einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist (2.).
24 
1. Den Einbürgerungsantrag des Klägers hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Versagung der Einbürgerung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
25 
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei auf Einbürgerung gerichteten Verpflichtungsbegehren, soweit sich aus der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG nichts Abweichendes ergibt, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Nach der Übergangsregelung des § 40 c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 StAG weiter in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach früherem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008 - 13 S 1487/06 - NVwZ-RR 2008, 839; Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 29). Hinsichtlich der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) nicht geändert, so dass die Sach- und Rechtslage sich insgesamt nach dem StAG in der derzeit geltenden Fassung des Gesetzes vom 01.06.2012 (BGBl. I S. 1224) beurteilt. Dies gilt auch für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, der inhaltlich mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung übereinstimmt.
26 
Eine Anwendung der zum Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags am 14.06.2000 geltenden §§ 85, 86 AuslG kommt nicht in Betracht, da nach der insoweit maßgeblichen Übergangsregelung des § 40 c StAG a.F. das bis zum 31.12.2000 geltende Recht nur auf vor dem 16.03.1999 gestellte Einbürgerungsanträge Anwendung findet (Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 37).
27 
b) Einen Anspruch auf Einbürgerung aufgrund der Einbürgerungszusicherung, die eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Einbürgerungsanspruch darstellt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 22.06.2010 - 19 E 777/09 - EZAR NF 76 Nr. 6), hat der Kläger bereits deshalb nicht, weil er zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der anstehenden Berufungsverhandlung den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen hat. Zwar hat er zunächst während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung nachgewiesen, dass er die Einbürgerungsvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit erfüllt (aa). Mit Ablauf der Geltungsdauer der ihm vom türkischen Innenministerium erteilten Genehmigung ist diese Voraussetzung jedoch wieder entfallen (bb).
28 
aa) Mit der Vorlage der Genehmigung des Innenministeriums der Türkischen Republik zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vom 19.09.2001 bei der Beklagten am 27.09.2001 hat der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit für den Fall seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nachgewiesen und damit innerhalb der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die zum damaligen Zeitpunkt einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt. Die Einbürgerungszusicherung verfolgt den Zweck, einerseits Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit, andererseits aber auch temporäre Staatenlosigkeit zu vermeiden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.07.1994 - 13 S 2147/93 - InfAuslR 1995, 116). Sie soll dem Einbürgerungsbewerber die Sicherheit vermitteln, dass er nach Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit eingebürgert werden wird (Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG Rn. 493). Unschädlich ist dabei, dass mit der Genehmigung vom 19.09.2001 die Ausbürgerung aus dem türkischen Staatsverband noch nicht vollzogen wurde. Nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsrecht vollzieht sich der Verlust der Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit in einem zweistufigen Verfahren. Nach Art. 22 Abs. 2 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der damals geltenden Fassung (abgedr. bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschafts-recht, Stichwort Türkei S. 12) wird die Ausbürgerung durch Erteilung der Ausbürgerungsurkunde erst nach Vorlage der Einbürgerungsurkunde des ausländischen Staates vollzogen. Wollte man die Einbürgerungszusicherung dahin auslegen, dass die Einbürgerung nur für den Fall des Nachweises des Vollzugs der Ausbürgerung zugesagt wurde, wäre sie auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet und von Anfang an gegenstandslos gewesen. Dies kann nicht angenommen werden und entspräche auch nicht der ständigen Verwaltungspraxis der Einbürgerungsbehörden.
29 
bb) Zu Recht weist jedoch die Beklagte darauf hin, dass die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit nach Art. 22 Abs. 4 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes nur eine Geltungsdauer von drei Jahren hatte. Dies ist vom Kläger bestätigt worden, der nach Vorsprache auf dem türkischen Generalkonsulat mitgeteilt hat, dass eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit aufgrund der ihm im Jahr 2001 erteilten Genehmigung nicht mehr möglich sei, es vielmehr zuvor der Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung bedürfe. Damit fehlt es gegenwärtig an der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, von der vorliegend auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit liegen bei dem Kläger ersichtlich nicht vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass es ihm nach Erteilung einer erneuten Einbürgerungszusicherung ohne Weiteres möglich wäre, wiederum eine Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit zu erlangen.
30 
c) Soweit der Einbürgerungsanspruch auf § 10 StAG gestützt wird, steht ihm ebenfalls entgegen, dass die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht erfüllt ist, von der - wie bereits ausgeführt - auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann.
31 
d) Auch ein Anspruch auf Einbürgerung auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs scheidet aus. Anders als im Sozialrecht, das bei der Verletzung behördlicher Auskunfts- und Hinweispflichten einen Anspruch auf Herstellung desjenigen Zustands kennt, der entstanden wäre, wenn sich der Sozialleistungsträger von vornherein rechtmäßig verhalten hätte, kann auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts unrechtmäßiges Verwaltungshandeln oder Unterlassen nur im Rahmen zulässigen Verwaltungshandelns ausgeglichen werden. Ein Folgenbeseitigungsanspruch kommt generell nur im Hinblick auf die Wiederherstellung eines früheren Zustandes, nicht aber im Hinblick auf die Einräumung einer Rechtsstellung, die der Betroffene bislang nicht innehatte, in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Hier war der Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt eingebürgert.
32 
e) Ein Einbürgerungsanspruch folgt auch nicht daraus, dass der Kläger während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung die einzige damals offene, mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hat. Zwar folgt der Senat im Grundsatz der Rechtsprechung des früher für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständigen 13. Senats, nach der die Berufung der Einbürgerungsbehörde auf den Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn ein Einbürgerungsbewerber noch während der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt und die Bindungswirkung der Zusicherung während dieses Zeitraums nicht entfallen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris Rn. 56; ebenso VG Stuttgart, Urt. v. 26.10.2005 - 11 K 2083/04 - juris Rn. 83). Mit dieser Begründung kann jedoch nach Auffassung des Senats dann kein Einbürgerungsanspruch bejaht werden, wenn der Einbürgerungsbewerber im Ergebnis - wie hier - unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert würde, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu keinem Zeitpunkt vorlagen und die Einbürgerungszusicherung gerade dem Zweck dient, Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Die Einbürgerung wurde nur für den Fall zugesagt, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen wird. Diesen Nachweis kann der Kläger nicht mehr führen. Er hat selbst vorgetragen, dass er ohne Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung seine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit nicht mehr erreichen kann.
33 
f) Dem Kläger steht schließlich kein Anspruch auf Einbürgerung oder auf Neubescheidung seines Antrags nach § 8 Abs. 1 StAG zu, da bei der Ermessenseinbürgerung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach den einschlägigen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die nicht zu beanstanden sind, die gleichen Maßstäbe gelten wie bei der Anspruchseinbürgerung (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - juris).
34 
2. Der Kläger hat jedoch auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist.
35 
a) Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag stellt - jedenfalls soweit er auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung im Wege der Folgenbeseitigung gerichtet ist - keine Klageänderung im Sinn des § 91 VwGO dar, weil er auf Wiederherstellung eines früheren Zustandes gerichtet ist, den der Kläger bereits innehatte. Es handelt sich vielmehr um eine Beschränkung des Klageantrags, die nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung zu behandeln ist. Wollte man dies anders sehen, so wäre eine Klageänderung im Übrigen als sachdienlich zuzulassen, weil sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.08.2005 - 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136>).
36 
b) Der Anspruch auf Folgenbeseitigung, der ein Verschulden der Behörde nicht voraussetzt, ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustands gerichtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Er ist hier gegeben, weil die Beklagte die Realisierung des aufgrund der Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung - die nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist (aa) und auch nicht hätte zurückgenommen oder widerrufen werden können (bb) - gegebenen Einbürgerungsanspruchs objektiv wesentlich erschwert hat, indem sie den Kläger, nachdem dieser die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vorgelegt und damit aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte, über den Stand und den Fortgang des Verwaltungsverfahrens im Unklaren ließ, obwohl sie aufgrund des Grundsatzes der Verfahrensklarheit und auch mit Blick auf die Vorwirkungen des Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet gewesen wäre, ihn darauf hinzuweisen, dass sie die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat (dd).
37 
aa) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Bindungswirkung der Zusicherung nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist.
38 
(1) Die entscheidungserhebliche Rechtslage hat sich nicht geändert. Bereits nach dem zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung geltenden § 86 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 15.07.1999 bestand ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Dieser Ausschlussgrund wurde später ohne inhaltliche Änderungen in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG (heute: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) übernommen.
39 
(2) Die Änderung der Erkenntnislage, auf die die Beklagte sich beruft, stellt keine Änderung der Sachlage dar. Die nachträgliche Erkenntnis einer Behörde, dass sie die Zusicherung aufgrund falscher tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen gegeben hat, steht einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht gleich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 38 Rn. 37; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 38 Rn. 99; BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 3 A 2.03 - NVwZ 2004, 1125 <1126>; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.07.1990 - 8 S 524/90 - NVwZ 1991, 79).
40 
bb) Eine Rücknahme oder ein Widerruf der Einbürgerungszusicherung nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG wäre ebenfalls nicht möglich gewesen.
41 
(1) Eine Rücknahme scheidet aus, weil der Kläger die Einbürgerungszusicherung nicht durch arglistige Täuschung oder durch unvollständige Angaben erwirkt hat.
42 
Zwar dürfte die Einbürgerungszusicherung rechtswidrig gewesen sein, weil der Einbürgerung - was die Beklagte damals nicht wusste - der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) entgegenstand. Die IGMG wird in der Rechtsprechung als eine Organisation angesehen, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29 m.w.N., bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 02.12.2009 - 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 302; NdsOVG, Urt. v. 15.09.2009 - 11 LB 487/07 - EZAR NF 41 Nr. 4; OVG Bln-Bbg, Urt. v. 10.02.2011 - OVG 5 B 6.07 - juris; BayVGH, Beschl. v. 28.03.2012 - 5 B 11.404 - juris). Aktivitäten von Funktionären oder Mitgliedern der IGMG werden in der Rechtsprechung überwiegend als einbürgerungsschädlich angesehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - a.a.O. m.w.N.). Erst für die Zeit ab 2004 hat der 13. Senat des erkennenden Gerichtshofs Reformbestrebungen innerhalb der IGMG ausgemacht, die dazu führen, dass diese nunmehr nicht mehr als eine homogene und - bezogen auf die Frage der Akzeptanz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - in ihrer Zielrichtung einheitliche Bewegung anzusehen sein soll (a.a.O. ). Die Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied im Jahr 2000, d.h. in einem Zeitraum, in dem die IGMG als eine homogene, insgesamt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bewegung anzusehen war, stellt somit eine Unterstützungshandlung im Sinn des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) dar, die von hinreichendem Gewicht sein dürfte, um den Verdacht zu rechtfertigen, dass er die IGMG unterstützt.
43 
Der Kläger hat seine Einbürgerung jedoch nicht durch arglistige Täuschung im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG, durch unvollständige Angaben im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten erwirkt. „Erwirken“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 48 Rn. 116 m.w.N.). Es lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass der Kläger bei Abgabe seiner Loyalitätserklärung bei Stellung des Einbürgerungsantrags im Juni 2000 bzw. bei Abgabe der weiteren Loyalitätserklärung im Februar 2002 wissentlich und zweckgerichtet, um seine Einbürgerung rechtswidrigerweise zu erreichen, von ihm unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat. Anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung musste der Kläger zum einen selbst bewerten, ob er diesen Grundsätzen für sich zustimmen kann oder ob er im Wege seiner Aktivitäten für die IGMG die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen und letztlich überwinden will. Zum anderen musste der Kläger einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden.
44 
Danach war für den Kläger kein Anlass gegeben, seine Aktivitäten bei Milli Görüs, die er selbst in erster Linie als religiös und sozial motivierte Betätigung für einen religiös ausgerichteten Verein ansah, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach Mitgliedschaften in derartigen Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen (ebenso zu einem vergleichbaren Fall: HessVGH, Urt. v. 18.01.2007 - 11 UE 111/06 - ESVGH 57, 139 = InfAuslR 2007, 207; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132.07 - juris). Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er sich zusammen mit Gleichgesinnten in erster Linie deshalb bei Milli Görüs engagiert, um im Rahmen eines islamischen Vereins Jugendarbeit zu leisten und Hausaufgabenbetreuung zu organisieren. Es konnte ihm nicht abverlangt werden, die Bewertung der Tätigkeit von Milli Görüs, die erst der Behörde im Rahmen der Anwendung von § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG obliegt, bereits selbst vorzunehmen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der verfassungsfeindliche Charakter der Bestrebungen von Milli Görüs damals (zum Zeitpunkt der Abgabe der Loyalitätserklärungen) so eindeutig und offensichtlich war, dass angenommen werden muss, jedes Vorstandsmitglied von örtlichen Mitgliedsvereinigungen hätte erkennen können und müssen, dass es verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt. Immerhin war die Frage, ob Aktivitäten für die Vereinigung Milli Görüs die Annahme des Unterstützens verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen, damals auch in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen worden (einerseits etwa BayVGH, Urt. v. 16.07.2003 - 20 BV 02.2747, 20 CS 02.2850 - BayVBl. 2004, 84 -; andererseits VG Karlsruhe, Urt. v. 26.02.2003 - 4 K 2234/01 - juris -). Eine höchstrichterliche Klärung ist erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.12.2009 (- 5 C 24.08 - a.a.O.) erfolgt.
45 
(2) Ein Widerruf nach § 49 LVwVfG scheidet aus, weil kein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 LVwVfG vorliegt. Zudem enthält § 38 Abs. 3 LVwVfG eine Spezialregelung gegenüber § 49 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 LVwVfG, die die Anwendung der genannten Widerrufstatbestände ausschließt (BVerwG, Urt. v. 25.01.1995 - 11 C 29.93 - BVerwGE 97, 323; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 38 Rn. 35, 36).
46 
cc) Die Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung ist nach alledem erst mit Ablauf ihrer Geltungsdauer am 14.08.2002 entfallen. Die Beklagte hätte sich jedoch gegenüber dem Kläger auch nach diesem Zeitpunkt nach Treu und Glauben solange nicht auf den Fristablauf berufen können, wie dieser die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt hat (siehe dazu oben 1. e).
47 
dd) Bei dieser Sachlage war die Beklagte verpflichtet, den Kläger, der aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte und der damit rechnen konnte und durfte, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde, darauf hinzuweisen, dass sie mit Blick auf die Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 12.12.2001 die Einbürgerungsakten ebenfalls auf dem Dienstweg dem Innenministerium vorgelegt hat und dass sie ihre Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat. Durch einen derartigen Hinweis wäre der Kläger in die Lage versetzt worden, seinen Einbürgerungsanspruch zeitnah durch Erhebung einer Untätigkeitsklage gerichtlich geltend zu machen und so möglicherweise rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer der Erlaubnis zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit ein Verpflichtungsurteil zu erstreiten.
48 
Das aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Gebot eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens wirkt sich auch auf die Verfahrensgestaltung aus. Unter dem Aspekt des Grundsatzes der Formen- und Verfahrensklarheit verlangt es, dass die Behörde die Verfahrensbeteiligten nicht über die Gestaltung des Verfahrensgangs im Unklaren lässt. Dies gilt in besonderem Maße gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten. Über den Stand des Verfahrens ist der Betroffene zu unterrichten (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 9 Rn. 57 f. m.w.N.; Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., Vor § 9 Rn. 17). Art. 19 Abs. 4 GG wirkt auf die Ausgestaltung des dem Gerichtsverfahren vorgelagerten Verwaltungsverfahrens dergestalt ein, dass es den Rechtsschutz weder vereiteln noch unzumutbar erschweren darf (BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <110>; Urt. v. 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - BVerfGE 69, 1; Schmitz, a.a.O. Rn. 63).
49 
Hier hat die Beklagte, indem sie den damals noch nicht anwaltlich vertretenen Kläger nicht über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet hat, gegen den Grundsatz der Verfahrensklarheit verstoßen und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unzumutbar erschwert. Der Kläger hatte von sich aus keine Veranlassung, Untätigkeitsklage mit dem Ziel zu erheben, seinen Anspruch auf Einbürgerung vor Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gerichtlich durchzusetzen. Er konnte und durfte darauf vertrauen, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde. Das Schreiben vom 07.02.2002, mit welchem der Kläger um persönliche Vorsprache zwecks Aktualisierung seines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und schriftlicher Dokumentierung seiner Grundkenntnisse im deutschen Staatsrecht gebeten wurde, war nicht geeignet, sein diesbezügliches Vertrauen zu erschüttern. Auch bei der Vorsprache selbst war die Unterstützung bestimmter Organisationen wie Milli Görüs kein Thema. Vielmehr musste der Kläger die Loyalitätserklärung wiederum allein anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben. Seine Kenntnisse bezüglich der staatlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wurden als gut bewertet, so dass der Kläger davon ausgehen konnte, dass auch insoweit der Einbürgerung nichts entgegenstehe. Erst durch das Anhörungsschreiben vom 06.11.2003 wurde er darüber unterrichtet, dass man beabsichtige, seinen Einbürgerungsantrag wegen seines Engagements für die IGMG abzulehnen. Der auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene Kläger wurde somit über einen Zeitraum von über zwei Jahren über den Stand und den Fortgang des Verfahrens im Unklaren gelassen. Hierdurch wurde die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes objektiv erheblich erschwert. Er ist daher im Wege der Folgenbeseitigung so zu stellen, wie er vor Verletzung der Verfahrenspflichten durch die Beklagte stand, d.h. ihm ist eine neue, wiederum auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
51 
Die teilweise Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Sache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vor.
52 
Beschluss vom 8. Mai 2013
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., Ahn. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. September 2006 - 11 K 435/06 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Die am … 1957 geborene Klägerin war ursprünglich albanische Staatsangehörige und ist mittlerweile staatenlos. Sie kam 1990 als Botschaftsflüchtling in die Bundesrepublik Deutschland. Das Landratsamt Goslar erteilte ihr am 12.10.1990 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Am 04.12.1998 heiratete sie den deutschen Staatsangehörigen ... M., der Vater zweier 1990 und 1992 geborener Kinder ist. Sie erlernte in Albanien den Beruf der Bürokauffrau und arbeitete dort als Buchhalterin und Verkäuferin.
Am 20.04.2001 beantragte die Klägerin ihre Einbürgerung und gab an, in Deutschland bisher wie folgt erwerbstätig gewesen zu sein: 1991 bis 1992 als Küchenhelferin, 1992 bis 1993 Bedienung in der Gastronomie, 1993 bis 1995 Betrieb einer Gaststätte, 1996 bis 1999 Tätigkeit in einer Brauerei, seit 10.04.2000 Verkäuferin in einem Verbrauchermarkt. Ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen für Januar bis März 2001 verdiente sie dort mit Steuerklasse 3 monatlich 964,86 EUR netto. Nach einem Gesprächsvermerk des Landratsamts Ostalbkreis erklärte der Ehemann der Klägerin am 01.10.2001, er habe sein Gewerbe als freier Handelsvertreter - Finanzdienstleistung erweitert bzw. geändert und beziehe sein Einkommen durch die Entnahme von Erlösen. Er werde Ende 2001 erstmals Einkommensteuerausgleich beantragen. Er habe derzeit keine Altersabsicherung. Dies werde er durch Anlagengeschäfte später erledigen. Mit Schreiben vom 19.04.2002 forderte das Landratsamt Ostalbkreis nochmals aktuelle Einkommens- und Kranken- sowie Rentenversicherungsnachweise an. Darauf hin legte die Klägerin Lohnabrechnungen für eine Tätigkeit als Kassiererin vor, die für Januar bis April 2002 monatliche Auszahlungsbeträge zwischen 1.246,61 EUR und 1.067,74 EUR auswiesen.
Mit Bescheid vom 22.05.2002 erteilte das Landratsamt Ostalbkreis der Klägerin eine bis zum 21.05.2004 befristete Einbürgerungszusicherung für den Fall, dass der Verlust der albanischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde. Die Zusicherung wurde unter dem Vorbehalt erteilt, dass sich die für die Einbürgerung maßgebliche Sach- und Rechtslage, insbesondere die persönlichen Verhältnisse der Klägerin, nicht ändern. Mit Schreiben der Republik Albanien vom 16.09.2003 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass sie aus der albanischen Staatsangehörigkeit entlassen sei.
Nachdem das Landratsamt Ostalbkreis erfahren hatte, dass die Klägerin bereits am 17.04.2002 einen Pachtvertrag über eine Vereinsgaststätte geschlossen hatte, ohne dies der Einbürgerungsbehörde mitzuteilen, forderte es die Klägerin zu weiteren Nachweisen hinsichtlich ihrer Einkommensverhältnisse einschließlich der Altersvorsorge auf. Nach der Auskunft der Landesversicherungsanstalt Braunschweig vom 08.12.2003 hat die Klägerin für 28 Monate Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet, hinzu kommen drei Monate Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit. Nach dem an die Klägerin gerichteten Einkommenssteuerbescheid für 2002 erzielte sie Gesamteinkünfte in Höhe von 13.977 EUR, wobei 8.035 EUR aus Gewerbebetrieb stammten. 2003 wurden dem Steuerbescheid zufolge 14.253 EUR Einkünfte erzielt. Die Klägerin legte ferner den Nachweis über zwei Kapitallebensversicherungen vor: Seit dem 01.07.2002 besteht für sie eine Lebensversicherung bei der ... Lebensversicherung mit einer garantierten Versicherungssumme über 20.000 EUR zum 30.06.2017. Die Klägerin zahlt hierauf 108,95 EUR monatlich. Am 01.11.2004 wurde eine weitere Kapitallebensversicherung bei ... Versicherungen abgeschlossen, aus der die Klägerin zum 01.11.2022 23.180 EUR oder eine garantierte Rente von monatlich 106,56 EUR erhält. Ihr Einzahlungsbetrag beträgt monatlich 105 EUR. Die Klägerin ist seit 01.11.2002 bei der ... freiwillig kranken- und pflegeversichert.
Mit Bescheid vom 11.03.2005 lehnte das Landratsamt Ostalbkreis nach vorheriger Anhörung der Klägerin ihren Antrag auf Einbürgerung vom 20.04.2001 ab und führte zur Begründung aus: Nach § 10 StAG müsse der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können. Zur Lebensunterhaltssicherung zähle auch eine nachgewiesene ausreichende Altersvorsorge. Die vorgelegten Versicherungsverträge mit einer Versicherungssumme über 20.000 EUR und 28.180 EUR seien nicht ausreichend. Nach den Berechnungen des Landratsamts bräuchte die Klägerin eine Mindestvorsorge in Höhe von 144.000 EUR, damit eine ausreichende Alterssicherung gegeben sei. Dieser Betrag errechne sich anhand des für die Grundsicherung geltenden Betrags in Höhe von 800 EUR pro Monat für Alleinstehende und mit einem durchschnittlichen Rentenbezug von 15 Jahren bei Frauen. Nachdem die Klägerin keine gesetzlichen Rentenanwartschaften für eine Altersrente erworben habe, liege ihre Altersabsicherung somit um ca. 100.000 EUR unter der Mindestvorsorge. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des ursprünglich geltenden § 85 Abs. 1 AuslG seien während des laufenden Einbürgerungsverfahrens erfüllt gewesen. Die Klägerin habe sozialversicherungspflichtig bei einer Firma gearbeitet. Obwohl der Pachtvertrag bereits am 17.04.2002 geschlossen worden sei, habe sie die beabsichtigte Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht mitgeteilt. Sie habe am 06.05.2002 die Loyalitätserklärung unterzeichnet und nicht darauf hingewiesen, dass sich ihre Einkommenssituation wesentlich ändern werde. Seit Erteilung der Einbürgerungszusicherung hätten sich gravierende Änderungen in der wirtschaftlichen Situation ergeben, die die Klägerin zu vertreten habe. Eine Einbürgerung sei - trotz der bereits vollzogen Entlassung aus der albanischen Staatsangehörigkeit - wegen der nicht ausreichenden Alterssicherung nicht möglich. Der Wiedererwerb der albanischen Staatsangehörigkeit sei keine unzumutbare Härte.
Die Klägerin erhob am 01.04.2005 Widerspruch und trug im Wesentlichen vor, sie sei imstande, ihren Lebensunterhalt dauerhaft ohne Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zu bestreiten. Sie habe eine Einbürgerungszusicherung erhalten und sei aufgefordert worden, ihre Entlassung aus der albanischen Staatsbürgerschaft zu beantragen. Dem sei sie nachgekommen und nunmehr staatenlos. Ihr Verhalten sei allein auf die Einbürgerungszusicherung zurückzuführen, so dass sich hieraus ihr Rechtsanspruch auf Einbürgerung ergebe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2005 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück. Es führte aus, es sei nicht von einer nach § 10 StAG ausreichenden Altersabsicherung auszugehen. Die abgeschlossenen Lebensversicherungen genügten nicht für den Lebensunterhalt im Alter. Rentenanwartschaften in Deutschland bestünden nicht und seien auch für das Heimatland nicht nachgewiesen worden. Eine Unterhaltssicherung durch den Ehemann habe ebenfalls nicht festgestellt werden können. Eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG komme daher ebenfalls nicht in Betracht. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die erteilte Einbürgerungszusicherung berufen, da sich die maßgeblichen Verhältnisse geändert hätten.
Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 22.09.2006 - 11 K 435/06 - statt und verpflichtete den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts Ostalbkreis vom 11.03.2005 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 08.12.2005 die Klägerin in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Ob schon die Einbürgerungszusicherung Rechtsgrundlage für den Einbürgerungsanspruch der Klägerin sei, könne ebenso dahin stehen wie die Annahme des Beklagten, er sei von der Klägerin über die objektive Lage ihrer Existenzsicherung bei Erteilung der Zusicherung getäuscht worden, denn der Klägerin stehe ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 9 StAG i.V.m. § 8 StAG zu. Die grundsätzliche Anforderung an eine hinreichende Altersvorsorge sei vom Gesetz her nicht gerechtfertigt. § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG spreche selbst nur davon, dass der Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande sein müsse. Dies lege die Annahme nahe, dass der Einbürgerungsbewerber in der Lage sein müsse, seine Grundbedürfnisse und die seiner Angehörigen über einen absehbaren Zeitraum hinweg zu befriedigen. Diese Anforderung solle nicht nur den deutschen Staat vor künftigen finanziellen Lasten bewahren, sondern diene auch als Indiz für die wirtschaftliche Integration. Ob der Einbürgerungsbewerber in der Lage sei, seine Grundbedürfnisse zu befriedigen, werde davon abhängig gemacht, ob er ohne öffentliche Transferleistungen wie Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe bzw. Leistungen nach dem SGB II oder XII oder von Wohngeld aufgrund eigenen Einkommens auskomme. Die Gewährleistung von Grundsicherung könnte allenfalls im Alter mit der Befriedigung der Grundbedürfnisse gleichzusetzen sein, nicht jedoch deren Vorsorge. Hinzu komme, dass nicht einmal im Rahmen des Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG hinreichende Altersvorsorge verlangt werde. Dieser fordere in dieser Hinsicht nur, dass der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder XII bestreiten könne. Dies umfasse nur Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach diesen Gesetzbüchern, so dass nicht einmal die aktuelle Inanspruchnahme von Grundsicherung im Alter den Einbürgerungsanspruch ausschließe, und lasse erst recht nicht den Schluss zu, dass dort über die Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des sozialhilferechtlichen Bedarfs hinaus auch eine Anwartschaft auf eine Altersversorgung zur Vermeidung von Grundsicherung im Alter bestehen müsse. Auch aufenthaltsrechtlich werde grundsätzlich keine Altersvorsorge vorausgesetzt. Dies folge aus § 2 Abs. 3 AufenthG, wonach der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert sei, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten könne. Zwar werde darüber hinaus gehend für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG auch die Begründung von Rentenanwartschaften von mindestens 60 Monaten Pflichtbeiträgen (oder vergleichbare privatrechtliche Versicherungsansprüche) verlangt. Jedoch setze der Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG nicht die Niederlassungserlaubnis, sondern nur einen achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland voraus, für den auch z.B. eine Aufenthaltserlaubnis ausreichend sei. Selbst wenn im Übrigen im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG von der Notwendigkeit einer hinreichenden Alterssicherung auszugehen wäre, bestünde ein Anspruch der Klägerin auf Einbürgerung. Denn nach § 8 Abs. 2 StAG müsse von den hier fehlenden Voraussetzungen der Unterhaltsfähigkeit zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Maßgebend für die hier anzunehmende Ermessensreduzierung auf Null sei, dass der Klägerin die Einbürgerung zugesichert worden sei auf der Grundlage der Annahme ihrer Unterhaltsfähigkeit, die zwar auf eine lohnabhängige und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zurückgegangen sei, jedoch keineswegs eine sichere positive Prognose über ihre Versorgung im Alter zugelassen habe. Insbesondere habe sie noch keinen Rentenanspruch begründet gehabt, weil die von ihr erbrachten Beiträge noch weit unterhalb der 60 Monate gelegen seien. Auch unter Berücksichtigung der von ihr vorgetragenen Erwerbsbiographie habe der Beklagte bei Abgabe der Einbürgerungszusicherung keineswegs von einem Rentenanwartschaftserwerbsverlauf ausgehen können, der bei der bereits 1957 geborenen Klägerin noch zu den Grundsicherungsbedarf übersteigenden Rentenansprüchen hätte führen können. In dem der Einbürgerungszusicherung vorausgegangenem Verwaltungsverfahren seien die Voraussetzungen für einen künftigen Rentenanspruch nicht Gegenstand einer besonderen Prüfung gewesen. Der Beklagte habe sich damit zufrieden gegeben, dass die Klägerin sozial- und damit auch rentenversicherungsrechtlich abhängig beschäftigt gewesen sei und ihr gleichwohl eine Einbürgerungszusicherung gegeben.
10 
Auf den rechtzeitig vom Beklagten gestellten Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 22.08.2007 - zugestellt am 05.09.2007 - die Berufung zugelassen, die der Beklagte unter Stellung eines Antrags am 24.09.2007 wie folgt begründet: Der Einbürgerung der Klägerin stehe die fehlende ausreichende Absicherung im Alter und im Fall von Erwerbsunfähigkeit oder -minderung entgegen. Dies gelte sowohl für eine Einbürgerung nach § 10 StAG als auch für eine Einbürgerung nach § 9 i.V.m. § 8 StAG. Der Einbürgerungsbewerber müsse in der Lage sein, voraussichtlich dauerhaft seinen Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen zu sichern. Dies setzte voraus, dass der Lebensunterhalt im Zeitpunkt der Einbürgerungsentscheidung gesichert sei und auch für die Zukunft voraussichtlich gesichert sein werde. Anhaltspunkte für die voraussichtlich dauerhafte Sicherung des Lebensunterhalts seien z.B. die bisherige Lebensbewährung, eine abgeschlossene Berufsausbildung, Arbeitswilligkeit, privater oder öffentlicher Versicherungsschutz oder ausreichendes eigenes Vermögen. Die Regelung sei Ausdruck des staatlichen Interesses, nur solche Ausländer einzubürgern, die sich auch in wirtschaftlicher Hinsicht in die hiesigen sozialen und politischen Verhältnisse integriert hätten und dadurch ein Zugehörigkeitsgefühl vermittelt bekämen. Zu den wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften der Bundesrepublik Deutschland zählten insbesondere ein durch private und öffentliche Versicherungen geschaffenes „soziales Netz“, das der Absicherung bestimmter Lebensrisiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, vorzeitige Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, Alters- und Pflegebedürftigkeit diene. Da selbstständige Gewerbetreibende nicht kraft Gesetzes in das soziale Sicherungssystem eingebunden seien, sei von ihnen zu fordern, die bestehenden Lebensrisiken der vorzeitigen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit und des Alters auf sonstige Weise abzusichern, sei es durch privaten Versicherungsschutz, freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung oder durch entsprechende Vermögenswerte, die mindestens den sozialhilferechtlichen Regelbedarf abdeckten. Die Vorsorge für das Alter gehöre zum notwendigen Lebensunterhalt. Von einer ausreichenden Alterssicherung könne nur dann ausgegangen werden, wenn die durch die gesetzliche oder private Vorsorge erzielbare Rente im Alter bzw. bei Erwerbsminderung bzw. -unfähigkeit mindestens Leistungen in einer Höhe vorsehen würden, wie sie einer Grundsicherungsrente entsprächen. Dies bedeute nicht, dass bereits im Zeitpunkt der Einbürgerung entsprechende Anwartschaften in dieser Höhe vorhanden sein müssten, sondern nur, dass aufgrund der laufenden Einkünfte und/oder aufgrund bereits vorhandener Vermögenswerte (wie z.B. Wohneigentum) davon ausgegangen werden könne, dass der Einbürgerungsbewerber im Stande sei und nach einer Prognose auch weiterhin sein werde, entsprechende Beiträge für eine ausreichende Vorsorge für das Alter und die Folgen einer Erwerbsminderung oder -unfähigkeit aufzubringen. Zwar könne die Klägerin wohl ihren eigenen gegenwärtigen Unterhalt notdürftig aus eigener Kraft bestreiten; jedoch sei nicht belegt, dass sie auch für den Unterhalt ihres Ehegatten aufkommen könne. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ehemann in der Lage wäre, die Klägerin zukünftig zu unterhalten. Nach der bisherigen Erwerbsbiographie sei nicht gesichert, dass eine ausreichende Altersabsicherung der Klägerin begründet werden könnte. Sie habe, ebenso wie ihr Ehemann, über einen nicht unerheblichen Zeitraum von mindestens Mitte 1995 bis Juli 1999 Sozialhilfe bezogen. Zum aktuellen Zeitpunkt sei davon auszugehen, dass die Klägerin spätestens im Alter nach Aufgabe ihrer beruflichen Tätigkeit öffentliche Leistungen wie Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII in Anspruch nehmen müsse.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22.09.2006 - 11 K 435/06 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
13 
Die Klägerin beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Ein Einbürgerungsbewerber sei nicht verpflichtet, sich für jede Lebenslage abzusichern. Sie habe sich in vorbildlicher Weise in die hiesigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse integriert. Sie bediene inzwischen vier Versicherungen mit Versorgungscharakter. Neben den beiden Lebensversicherungsverträgen habe sie bei der ... einen Fonds, auf den sie monatlich 100 EUR überweise. Außerdem zahle sie seit 01.10.2006 100 EUR monatlich für eine fondsgebundene Rentenversicherung bei der ..., Rentenbeginn sei der 01.10.2022. Sie wende monatlich insgesamt etwa 400 EUR für ihre Absicherung im Alter auf. Dieser Betrag entspreche bei einem aktuellen Beitrag zur Rentenversicherung von 19,5 % einem Bruttoeinkommen von ca. 2.000 EUR. Von ihr dürfe nicht mehr verlangt werden als von jedem abhängigen Beschäftigten, der auch nur über ein relativ geringes Einkommen verfüge. Im Übrigen könne sie aufgrund ihres Alters noch viele Jahre vorsorgen. Davon abgesehen zeige die Diskussion über Rentenkürzungen und die Einheitsrente, dass die Renten in der Zukunft ohnehin nicht mehr sicher seien. Der Bezug von Sozialhilfe in den Jahren 1995 bis 1999 könne ihr nicht vorgehalten werden. Sie habe die Kinder ihres Ehemanns aus erster Ehe betreut und habe deshalb keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen können. Auch habe ein Einbruch während einer Urlaubsreise im Februar/März 1994 zu erheblichen finanziellen Verlusten geführt gehabt. Ihre Tätigkeit bei dem Verbrauchermarkt sei krankheitsbedingt zum 30.04.2001 gekündigt worden. Sie habe nach einer Operation über einen längeren Zeitraum keine schweren Gegenstände tragen dürfen. Nach ihrer Genesung habe sie eine Teilzeitbeschäftigung von monatlich 100 Stunden bei einem anderen Verbrauchermarkt erhalten. Als sie wegen einer Vollzeitstelle beim Personalleiter vorstellig geworden sei, sie ihr das Arbeitsverhältnis am 25.10.2001 gekündigt worden. Dann sei sie in einer Spielothek als Kassiererin beschäftigt gewesen und habe sich schließlich mit der Pacht der Vereinsgaststätte selbstständig gemacht. 2005 habe sie eine eigene Schank- und Speisegaststätte übernommen. Ihr Jahreseinkommen habe sich hinsichtlich der zu versteuernden Einnahmen aus Gewerbebetrieb ausweislich der Steuerbescheide und betriebswirtschaftlichen Auswertungen nach § 4 Abs. 3 EStG wie folgte entwickelt: 11.548,73 EUR im Jahre 2004, 13.115 EUR im Jahre 2005, 21.116 EUR im Jahre 2006 und 18.435,85 EUR für 2007. Für das Jahr 2008 liege bislang nur eine Auswertung bis einschließlich Oktober vor, danach habe sie bis von Januar bis Oktober 2008 einen Gewinn von 13.626,84 EUR erzielt. Ihre Ehe sei inzwischen gescheitert. Sie lebe seit mindestens drei Jahren von ihrem Ehemann getrennt. Dieser könne für sich selbst sorgen. Unterhaltsansprüche würden von keiner Seite erhoben.
16 
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten des Landratsamts (drei Bände), die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Stuttgart (ein Band) und die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die zulässige - insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig begründete - Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zur Recht stattgegeben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach § 10 StAG. Sie erfüllt in dem für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 5 C 8.05 -, DVBl 2006, 919, 920; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 16.02.2006 - 12 S 2430/05 -und vom 12.01.2005 - 13 S 2549/03 -, VBlBW 2006, 70; BayVGH, Urteil vom 20.11.2006 - 5 BV 04.35 -, juris Rn 24 mwN) auch die im vorliegenden Fall einzig zwischen den Beteiligten im Streit stehende Voraussetzung der grundsätzlich notwendigen eigenständigen Bestreitung des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.
18 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG ist in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 ( BGBl. I S. 1970) anzuwenden. Aus der Übergangsvorschrift des § 40c StAG ergibt sich kein abweichender Zeitpunkt. Nach dieser Regelung sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach bisherigem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (Berlit, Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457, 466).
19 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in der seit 28.8.2007 gültigen Fassung wurde gegenüber der früheren ab 01.01.2005 geltenden Fassung (Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004, BGBl. I S. 950) für Einbürgerungsbewerber, die - wie die Klägerin - über 23 Jahre alt sind, inhaltlich nicht geändert, sondern nur redaktionell neu gefasst (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 StAG a.F.; Berlit, a.a.O., Seite 465). Da die Klägerin ihre Einbürgerung erst am 20.04.2001 beantragt hat, unterfällt sich auch nicht der Übergangsvorschrift des § 40c StAG in der Fassung vom 01.01.2005, denn diese betrifft nur Einbürgerungsanträge, die vor dem 16.03.1999 gestellt worden sind.
20 
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG muss der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten haben. Die als Gastwirtin selbstständig tätige Klägerin kann derzeit und voraussichtlich auch in überschaubarer Zukunft ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern. Sie deckt ihren Unterhaltsbedarf im Hinblick auf die Bedürfnisse des täglichen Lebens aus eigenen Mitteln. Sie ist in einer gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig kranken- und pflegeversichert und entrichtet im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren Beiträge für eine private Altersvorsorge. Mehr ist im vorliegenden Fall für die Annahme, dass die Einbürgerungsbewerberin ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, nicht zu verlangen; insbesondere ist es unschädlich, dass die Klägerin gegen das Risiko der Erwerbsunfähigkeit nicht versichert ist.
21 
Was zum Lebensunterhalt gehört, der grundsätzlich selbst zu bestreiten ist, ist im Staatsangehörigkeitsrecht nicht eigenständig definiert. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis umfasst der Begriff das, was zur Führung eines menschenwürdigen Lebens in Deutschland nötig ist (so schon Makarov/v. Mangoldt, Staatsangehörigkeitsrecht, § 86 AuslG Rn 20). Dies lässt sich in Anlehnung an die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in Bezug genommen Regelungen des Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch näher konkretisieren. Durch die Formulierung, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können muss, wird zunächst festgelegt, dass ein Anspruch auf solche Leistungen grundsätzlich einbürgerungsschädlich ist. Darüber hinaus lässt der Verweis auf diese Sozialgesetzgebung auch darauf schließen, dass die auf dieser Grundlage erbrachten allgemeinen Leistungen typischer Weise zum Mindeststandard dessen gehören, was für den Lebensunterhalt gebraucht wird. Die Feststellung der Sicherung des Lebensunterhalts erfordert einen Vergleich des Unterhaltsbedarfs mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs, die sich früher am notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 BSHG orientierte, der wiederum durch die Regelsätze nach § 22 BSHG konkretisiert wurde (vgl. Senatsurteil vom 23.07.1998 - 13 S 2212/96 -, juris Rn 28 ff. - zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 RuStAG), richtet sich seit der Änderung des Rechts der Sozial- und Arbeitslosenhilfe vom 01.01.2005 an bei erwerbsfähigen Einbürgerungsbewerbern nach den entsprechenden Bestimmungen des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
22 
Zum Lebensunterhalt eines Einbürgerungsbewerbers zählt neben einer angemessenen Unterkunft (vgl. insoweit § 22 SGB II) und den Mitteln, die zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (wie etwa Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat) erforderlich sind und die nach § 20 SGB II anhand der Höhe der Regelleistung, die derzeit 351 EUR für einen Alleinstehenden beträgt (Bekanntmachung vom 26.06.2008 über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II ab 01.07.2008, BGBl. I S. 1102), bestimmt werden können, auch eine Kranken- und Pflegeversicherung. Eine Absicherung gegen das Risiko von Krankheit und Pflege ist Teil des sozialen Standards der Bundesrepublik, mit dem dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Krankheit und Pflegebedürftigkeit unabhängig von den physischen und psychischen Eigenschaften einer Person und ihrer individuellen Lebensumstände jederzeit eintreten und mit hohen Kosten verbunden sein können, die der einzelne regelmäßig nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen kann. Die besondere Bedeutung der Kranken- und Pflegeversicherung ist etwa daraus ersichtlich, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II kraft Gesetzes kranken- und pflegeversichert sind (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V); sie wird auch in den Regelungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 lit. a SGB II zum Ausdruck gebracht. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, was Kranken- und Pflegeversicherung einschließt (Hohm/Klaus, GK-SGB II, § 11 Rn 176), vom Einkommen abzusetzen. Für Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, sieht § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a SGB II vor, dass nach Grund und Höhe angemessene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und Pflegebedürftigkeit vom Einkommen abzusetzen sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 SGB II bezuschusst werden. Gegen die Einbeziehung der Kranken- und Pflegevorsorge in den Lebensunterhalt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG lässt sich nicht einwenden, dass es im Staatsangehörigkeitsrecht - anders als in verschiedenen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes - an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung für diese Anforderung fehle, die Erweiterung um Vorsorge für Krankheit (und Pflege) im Ausländerrecht konstitutiv sei und eher dagegen spreche, dies allgemein als Teil der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts anzusehen (vgl. Berlit, GK-StAR, § 10 Rn 218). Soweit im Aufenthaltsgesetz ausdrücklich besondere Regelungen zum Lebensunterhalt und zur Kranken- und Pflegeversicherung mit unterschiedlicher Reichweite und Absehensmöglichkeiten getroffen worden sind (vgl. etwa § 2 Abs. 3 AufenthG, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 9c Satz 1 Nr. 3 AufenthG, § 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG, § 29 Abs. 2 AufenthG und § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), knüpfen diese an spezifische ausländerrechtliche Situationen an und tragen dem differenzierten System unterschiedlicher Aufenthaltszwecke und -titel Rechnung. Schon aus diesem Grund können hieraus keine zwingenden Vorgaben für die Frage hergeleitet werden, was zur Sicherung des Lebensunterhalts einer Person gehört, die zukünftig deutsche Staatsangehörige sein will. Allerdings ist anhand der Bestimmungen für die Niederlassungserlaubnis, wonach deren Erteilung in der Regel unter anderem voraussetzt, dass das Risiko der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung oder einen gleichwertigen Versicherungsschutz abgesichert ist (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 9c Satz 1 Nr. 3 AufenthG), durchaus erkennbar, dass die Anforderungen an die soziale Absicherung um so höher sind, je verfestigter der Aufenthalt des Ausländers auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes ist. Das Erfordernis einer Kranken- und Pflegeversicherung führt auch nicht dazu, dass die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach § 10 StAG in unzumutbarer Weise angehoben würden. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind ohnehin regelmäßig entsprechend versichert. Kann im Übrigen ein eigener Versicherungsschutz des Einbürgerungsbewerbers nicht begründet werden, weil ihm ohnehin Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII gewährt werden oder er für die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung ergänzend solche Leistungen in Anspruch nehmen muss, ist dies nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG unschädlich, wenn der Bezug nicht zu vertreten ist.
23 
Ob und inwieweit auch eine Altersvorsorge Teil des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG ist, kann in Anbetracht der denkbaren vielfältigen Fallgestaltungen nicht generell festgelegt werden. Jedenfalls kann von einem Einbürgerungsbewerber nicht mehr verlangt werden als das, was bei einem deutschen Staatsangehörigen in vergleichbarer Lebenslage und Erwerbssituation üblich und zumutbar ist. Bei jungen Einbürgerungsbewerbern, die sich noch in Schule, Ausbildung oder Studium befinden, ist eine Altersvorsorge nicht Teil des Lebensunterhalts. Eine Altersvorsorge ist nämlich in diesem Lebensstadium grundsätzlich noch nicht oder jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang angelegt, weil sich das Rentenalter und damit auch der Eintritt des Rentenfalls noch in weiter Ferne befinden. Anders stellt sich die Situation bei einem Einbürgerungsbewerber in fortgeschrittenem Alter dar, bei dem der Rentenfall alsbald bevor steht, weil das allgemeine Rentenalter demnächst erreicht wird oder besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden wird. In diesem Fall wird regelmäßig der Frage nachzugehen sein, ob der Lebensunterhalt mit Mitteln aus der Altersvorsorge bestritten werden kann. Soweit sich der erwerbsfähige Einbürgerungsbewerber in einer Lebensphase befindet, die zwischen den beiden vorgenannten Konstellationen liegt, gehört zwar das Vorhandensein einer Altersvorsorge bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder bei einer anderen vergleichbaren Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens regelmäßig zum Lebensunterhalt. Allerdings muss zum Zeitpunkt der Einbürgerung nicht feststehen, dass im erst zukünftigen Rentenfall die bei ungestörtem Versicherungsverlauf zu erwartenden Leistungen voraussichtlich tatsächlich ausreichen werden, um den Lebensunterhalt im Alter dauerhaft zu sichern.
24 
Der Aufbau einer Altersvorsorge ist wesentlicher Bestandteil des sozialen Sicherungssystems in Deutschland und die Teilnahme hieran Ausdruck der wirtschaftlichen Integration. Die Bedeutung der obligatorischen oder fakultativen Altersvorsorge spiegelt sich im Übrigen auch in den Bestimmungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2, 3 lit. b und 4 SGB II wider, wonach vom Einkommen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung - hierzu gehören auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung - oder eine nach Grund und Höhe angemessene private Altersvorsorge sowie besonders geförderte Altersvorsorgebeiträge abzusetzen sind (vgl. näher Hohm/Klaus, GK-SGB II, § 11 Rn. 176, 206, 214, 242 ff.).
25 
Der von dem Beklagten vertretenen Ansicht, es müsste mindestens eine solche Altersvorsorge zur Verfügung stehen, dass bei Erreichen des Rentenalters die Inanspruchnahme von Grundsicherung nicht zu erwarten sei, kann allerdings nicht gefolgt werden. Vor allem Einbürgerungsbewerber, die - wie die damals 32 Jahre alte Klägerin - erst als Erwachsene in das Bundesgebiet gekommen und in Berufen mit niedrigen Löhnen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, haben selbst bei einer regelmäßigen Erwerbsbiographie, die sie in die Lage versetzt, ihre aktuellen Lebenshaltungskosten zu bestreiten, regelmäßig kaum Aussicht, eine Altersrente zu erwirtschaften, die sie auf jeden Fall von steuerfinanzierten Sozialleistungen im Alter unabhängig macht. Denn nach der an das Brutto-Einkommen anknüpfenden paritätisch durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanzierten Rentenvorsorge hängt die spätere Rente maßgeblich von der Anzahl der Beitragsjahre und dem während des Erwerbslebens jährlich erzielten Einkommen ab; so wird beispielsweise bei einem Brutto-Jahresgehalt von 24.000 EUR pro Jahr eine monatliche Rentenanwartschaft von 20,64 EUR erwirtschaftet (näher die auf der Internetseite www.deutsche-rentenversicherung.de zugängliche Informationsbroschüre Rente: So wird sie berechnet - alte Bundesländer -, S. 8). Liegt eine selbstständige Tätigkeit vor, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterfällt, so ist der Berufstätige darüber hinaus der Erschwernis ausgesetzt, dass er seine Altersvorsorge im Regelfall ausschließlich aus eigenen Einkünften bestreiten muss. Die Erzielung eines höheren Einkommens - und damit die Aussicht, auch im Alter über die entsprechenden Mittel zu verfügen erfordert regelmäßig eine nach Art und Umfang qualifizierte Erwerbstätigkeit. Der Anspruch auf Einbürgerung setzt jedoch weder direkt noch indirekt eine bestimmte berufliche Qualifikation oder quantitative Arbeitsleistung voraus. Soweit im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag die vorliegende Altersvorsorge - selbst bei regelmäßiger Weiterentwicklung - darauf hindeutet, dass ein späterer (ergänzender) Bezug von Sozialleistungen, insbesondere von Grundsicherung im Alter nach §§ 41 ff. SGB XII, nicht ausgeschlossen werden kann, ist dies hinzunehmen. Dem steht der Einwand, dass damit entgegen der gesetzgeberischen Intention eine Einbürgerung in die Sozialsysteme erfolge (vgl. Makarov/v. Mangoldt, aaO, Rn 20), nicht entgegen. Der Rechtsanspruch auf Einbürgerung setzt einen mindestens acht Jahre langen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland voraus. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass bei einem langjährigen Aufenthalt in typischer Weise eine hinreichende Eingliederung in die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Ordnung der Bundesrepublik unter Beachtung der hiesigen kulturellen und politischen Wertvorstellungen erfolgt ist und am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses auch im öffentlichen Interesse die Einbürgerung stehen sollte (vgl. hierzu schon die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 27.01.1990, BT-Drs. 11/6321, S. 47; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 27.10.1995 - 1 B 34.95 -, InfAuslR 1996, 54;). Den fiskalischen Interessen des Staates kommt dem gegenüber insoweit ein geringeres Gewicht zu (HessVGH, Urteil vom 08.05.2006 - 12 TP 357/06 -; OVG NRW, Urteil vom 01.07.1997 - 25 A 3613/95 -, juris Rn 42 mwN; Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht - Erläuterungen zum Staatsangehörigkeitsgesetz Anm. 12). Dies lässt sich auch daraus ersehen, dass der Gesetzgeber bei der Anspruchseinbürgerung den Bezug steuerfinanzierter Sozialleistungen für unschädlich erachtet, wenn der Einbürgerungsbewerber dies nicht zu vertreten hat. Im Übrigen ist selbst in den Fällen, in denen der derzeitige Versicherungsverlauf darauf hindeutet, dass eine ausreichende Versorgung im Alter vorliegen wird, dies aufgrund der vielfältigen und alltäglichen Risiken des Lebens nicht garantiert. Ebenso kann umgekehrt bei einer derzeit defizitär erscheinenden Altersvorsorge durch spätere positive Vermögensentwicklungen ein den Bedarf im Alter sicherndes Einkommen noch erreicht werden. Je jünger der Einbürgerungsbewerber ist, um so mehr sind Aussagen über eine zureichende Altersvorsorge prognoseimmanenten Grenzen ausgesetzt, die nicht zu Lasten des Einbürgerungsbewerbers gehen können. Dem lässt sich auch nicht entgegnen, dass die Anforderungen an die Alterssicherung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis damit im Einzelfall höher sein können als die für eine Einbürgerung. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG setzt zwar voraus, dass der eine Niederlassungserlaubnis begehrende Ausländer mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist. Aber auch zum Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungserlaubnis muss nicht feststehen, dass im erst zukünftigen Rentenfall die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einem anderen Versicherungs- bzw. Versorgungssystem tatsächlich ausreichen werden, um den Lebensunterhalt zu sichern. Der Gesetzgeber geht zwar im Rahmen des § 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG davon aus, dass auch nach Leistung von mindestens 60 Monatsbeiträgen weitere Beitragszahlungen erfolgen, macht dies aber nicht zum Prüfprogramm und damit zur Anspruchsvoraussetzung (Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 9c Rn 16 i.V.m. § 2 Rn 42.1).
26 
Ob über die Altersvorsorge hinaus auch eine Versicherung gegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorliegen muss, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Die Sicherung des Lebensunterhalts umfasst auch unter Berücksichtigung dessen, was bei deutschen Staatsangehörigen üblich ist, nicht die Absicherung aller erdenklichen Lebensrisiken. Die Klägerin, die nicht über die gesetzliche Rentenversicherung gegen Erwerbsminderung bzw. -unfähigkeit versichert ist, könnte allenfalls dann gehalten sein, dieses Risiko durch eine private Versicherung abzudecken, wenn ein besonderes, aus der konkreten Erwerbstätigkeit erwachsendes Risiko ersichtlich wird, dessen Absicherung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls vernünftiger Weise geboten ist. Die von der Klägerin ausgeübte Erwerbstätigkeit als Gastronomin bietet hierfür jedoch keine Anhaltspunkte.
27 
Gemessen an den genannten Grundsätzen ist die Klägerin derzeit und voraussichtlich auch zukünftig imstande, selbst ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Sicherung des Lebensunterhalts erstreckt sich nicht auf einen möglichen Unterhaltsbedarf ihres 1963 geborenen Ehemanns. Die Klägerin und ihr deutscher Ehemann leben seit mehreren Jahren getrennt, wobei nach den Angaben der Klägerin jeder von ihnen seinen Unterhaltsbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit deckt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Ehemann der Klägerin ungeachtet dessen ein Anspruch auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII zustehen könnte, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen würde dies dem Einbürgerungsbegehren der Klägerin auch nicht entgegenstehen. Erhalten lediglich Familienangehörige Leistungen nach SGB II oder SGX II ist die Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erst dann nicht erfüllt, wenn diese gegenüber dem Ausländer unterhaltsberechtigt sind. Hierfür genügt es nicht, dass abstrakt ein Unterhaltsanspruch gegen den einbürgerungswilligen Ausländer in Betracht kommt. Es muss vielmehr im konkreten Einzelfall ein (durchsetzungsfähiger) Unterhaltsanspruch bestehen, der nach § 1602 BGB dann ausscheidet, wenn das Familienmitglied imstande ist, sich selbst zu unterhalten oder hierzu lediglich deswegen nicht in der Lage ist, weil er ihm nach dem Unterhaltsrecht obliegenden Erwerbsobliegenheiten nicht (hinreichend) nachkommt; entsprechendes gilt für Unterhaltsansprüche für den Fall des Getrenntlebens oder des nachehelichen Unterhalts (Berlit, GK-StAG, § 10 Rn 226).
28 
Die Klägerin bezieht derzeit weder Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII noch hat sie einen Anspruch auf solche Leistungen. Sie ist seit 01.11.2002 in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig kranken- und pflegeversichert und zahlt bei einem Einkommen von derzeit etwa 1.400 EUR pro Monat ca. 400 EUR auf insgesamt vier verschiedene Versicherungen, die für ihre Altersvorsorge gedacht sind: Eine seit 01.07.2002 bestehende Lebensversicherung sieht die Zahlung einer garantierten Versicherungssumme von 20.000 EUR zum 30.06.2017 vor. Aus einer weiteren am 01.11.2004 abgeschlossenen Kapitallebensversicherung steht der Klägerin zum 01.11.2022 eine garantierte Rente von monatlich 106,56 EUR oder ein Gesamtbetrag von 23.180 EUR zu. Mit Wirkung zum 01.10.2006 wurde eine fondsgebundene Rentenversicherung abgeschlossen, die ebenfalls auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs der Klägerin bezogen ist und eine Auszahlung von 19.200 EUR vorsieht. Darüber hinaus bedient die Klägerin bei einer vorgesehenen Laufzeit vom 01.10.2006 bis 01.09.2022 einen Investment-Fonds mit monatlich 100 EUR, so dass ihr hieraus am Vertragsende ebenfalls etwa 19.000 EUR zur Verfügung stehen. Berücksichtigt man zu Lasten der Klägerin, dass sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung die Zahlungen an die beiden Lebensversicherungen 2008 für ein Jahr ausgesetzt hat, weil sie das Geld für betriebliche Investitionen gebraucht habe und sich daher der Auszahlungsbetrag mindern wird, bleibt insgesamt ihre private Vorsorge darauf gerichtet, nach der Vollendung ihres 65. Lebensjahres voraussichtlich fast 80.000 EUR zur Verfügung zu haben. Der Klägerin kann nicht vorgehalten werden, dass ihre private Altersvorsorge in der heutigen Form nicht schon mit Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit bestanden hat. Gerade bei Selbstständigen ist es nicht ungewöhnlich, dass die Altersvorsorge im Hinblick auf die Tatsache, dass diese ausschließlich selbst finanziert werden muss, erst nach und nach im Hinblick auf die Geschäftsentwicklung aufgebaut wird. Was die zu erwartenden Auszahlungen aus den Versicherungen anbelangt, so ist im Übrigen die Einschätzung des Beklagten, die Altersvorsorge der Klägerin sei auf jeden Fall defizitär, nicht zwingend. Zwar können derzeit höhere Ausgaben für die Altersvorsorge in Anbetracht der Höhe der Einkünfte der Klägerin aus dem Gewerbebetrieb realistischer Weise nicht erbracht werden, die Klägerin hat jedoch noch mehr als 14 Jahre Zeit bis sie das allgemeine Rentenalter erreicht, das für ihren Geburtsjahrgang mit 65 Jahren und 11 Monaten angesetzt ist (vgl. zur Leistungsberechtigung hinsichtlich Grundsicherung im Alter ab dieser Altersgrenze vgl. § 41 Abs. 2 SGB XII). Abgesehen davon, dass in dieser Zeit positive Entwicklungsmöglichkeiten in finanzieller Hinsicht eintreten können, sind selbstständige Gewerbetreibende häufig auch über die allgemeine Altersgrenze hinaus berufstätig.
29 
Abzüglich der auf das Einkommen zu entrichteten Steuern und der Aufwendungen für die Versicherungen, die die Klägerin ausweislich der vorgelegten Steuerbescheide als Selbstständige teilweise schon im Rahmen ihrer Betriebsausgaben, jedenfalls als beschränkt abziehbare Sonderausgaben nach § 10 EStG steuerlich geltend machen kann, stehen ihr ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung, um ihre Bedürfnisse des täglichen Lebens zu finanzieren. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Klägerin verfügt über eine angemessene Wohnung bestehend aus zwei Zimmern, Bad und Küche, die sich über der von ihr betriebenen Gaststätte befindet und deren Kosten bereits durch die von ihr zu zahlende Pacht abgedeckt sind. Im Übrigen verbleibt ihr ein monatliches Einkommen, das selbst unter Abzug von weiteren in § 11 Abs. 2 SGB II genannten Beträgen, soweit sie hier überhaupt relevant wären, noch über der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II von derzeit 351 EUR für Alleinstehende liegt, so dass im vorliegenden Fall auch offen bleiben kann, ob bei der Ermittlung des zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlichen Einkommens eines Einbürgerungsbewerbers von dem Erwerbseinkommen sämtliche der in § 11 Abs. 2 SGB II aufgeführten Beiträge abzuziehen wären (so VG Oldenburg, Urteil vom 25.02.2009 - 11 A 1907/07 -, juris Rn 20 unter Heranziehung des zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG ergangenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2008 - 1 C 32.07 -, NVwZ 2009, 248).
30 
Bei der Frage, ob der Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs gesichert ist, ist jedoch nicht nur auf die aktuelle Situation abzustellen ist, sondern es ist auch eine gewisse Nachhaltigkeit zu fordern. Es ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber voraussichtlich dauerhaft in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften zu sichern (Senatsbeschluss vom 10.02.2009 - 13 S 3074/08 - und vom 02.04.2008 - 13 S 171/08 -; Berlit, GK-StAR, § 10 Rn. 230 f.; vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 16.08.2005 - 2 A 99.04 -, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 15.07.2003 - 5 A 89/03 -, juris; zur vergleichbaren Situation im Ausländerrecht: BVerwG, Beschluss vom 13.10.1983 - 1 B 115/83 -, NVwZ 1984, 381; Beschluss des Senats vom 13.03.2008 - 13 S 2524/07 -). Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit gesichert ist, muss sowohl die bisherige Erwerbsbiographie als auch die gegenwärtige berufliche Situation des Einbürgerungsbewerbers in den Blick genommen werden. An die prognostische Beurteilung auch zukünftiger wirtschaftlicher Eigenständigkeit sind allerdings sowohl hinsichtlich des Prognosezeitraums als auch bei der Prognosesicherheit keine überspannte Anforderungen zu stellen. Wenn jemand langfristig in einem gesicherten Arbeitsverhältnis steht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dieses auch in Zukunft weiter bestehen wird. Allein die allgemeinen Risiken des Arbeitsmarktes oder das relativ höhere Arbeitsmarktrisiko von Ausländern stehen einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl. Berlit, GK-StAR, § 10 Rn. 232).
31 
Gemessen an diesen Anforderungen wird die Klägerin voraussichtlich auch zukünftig ihren Lebensunterhalt einschließlich der Vorsorge für Krankheit, Pflege und Alter eigenständig bestreiten. Sie verdient ihren Lebensunterhalt seit Mitte 2002 durch eine selbstständige Tätigkeit im Gaststättengewerbe. Nachdem sie zunächst ab Sommer 2002 eine Vereinsgaststätte gepachtet hatte, übernahm sie Mitte 2004 ein anderes Lokal mit nunmehr eigener Konzession. Die 2006 hinzugekommene Pizzeria ist mittlerweile wieder geschlossen, dafür betreibt die Klägerin einige Tage pro Woche ein Tanzlokal. Die von der Klägerin geführten Betriebe sind nach den Feststellungen des Beklagten ordnungsrechtlich nicht auffallend und ermöglichen der Klägerin ausweislich der von ihr vorlegten Steuerbescheide für 2003 bis 2006 und der Gewinnermittlungen für 2004 bis Oktober 2008 bisher ausreichende Einkünfte. In den der Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit im Mai 2002 vorausgegangenen zwei Jahren war die Klägerin ausweislich der von ihr vorgelegten Lohnabrechnungen in einer Weise beschäftigt gewesen, die ihr ebenfalls einen eigenständigen Lebensunterhalt gesichert hat. Sie erzielte als Verkäuferin und Kassiererin monatliche Nettoeinkünfte, die sich in einer Größenordnung von etwas über oder unter 1.000 EUR bewegten. Soweit sie in dieser Zeit bei drei verschiedenen Arbeitgebern tätig gewesen ist, hat die Klägerin dies plausibel erklärt. Ursache für den Wechsel der Tätigkeiten ist nicht ein unregelmäßiger Aushilfscharakter der Beschäftigungen gewesen, sondern hierfür gab es vielmehr gesundheitliche Gründe. Aufgrund einer Operation ist sie über einen längeren Zeitraum hinweg nicht in der Lage gewesen, schwere Gegenstände heben - was aber bei einer Berufstätigkeit im Supermarkt eine regelmäßige Begleiterscheinung ist. Ihre Erwerbsbiographie in den letzten acht Jahren - auf diesen Zeitraum dürfte es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wohl maßgeblich ankommen (Urteil vom 19.02.2009 - 5 C 22.08 -) - verdeutlicht, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt stets eigenständig bestritten hat. Die nunmehr selbstständige Erwerbstätigkeit der Klägerin als Gastronomin ist dabei gegenüber einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch nicht minder zu gewichten. Selbst wenn man ergänzend nicht nur die letzten acht Jahre betrachten, sondern auch die davor liegende Zeiten seit ihrer Einreise nach Deutschland in den Blick nehmen würde, ergäbe sich nichts anderes. Abgesehen von einem Sozialhilfebezug in den Jahren 1995 bis Juli 1999, den die Klägerin mit der Betreuung der 1990 und 1992 geborenen Söhne ihres Ehemanns aus erster Ehe erklärte und der mittlerweile zehn Jahre zurückliegt, hat die Klägerin ihren Lebensunterhalt seit ihrer Einreise nach Deutschland im Jahre 1990 selbstständig gesichert und war in jeder Lebenslage bestrebt, soweit wie möglich finanziell auf eigenen Füßen zu stehen.
32 
Auch im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie in einem überschaubaren Zeitraum oder gar demnächst ihren Lebensunterhalt nicht mehr sichern könnte. Soweit die Klägerin 2008 für ein Jahr keine Beträge für die beiden Lebensversicherungen gezahlt hat, weil sie nach ihren Angaben das Geld für betriebliche Investitionen gebraucht hat, handelt es sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand um einen einmaligen Vorgang, der die Ernsthaftigkeit ihrer Altersvorsorge nicht in Frage stellt. Im Übrigen ist derartiges kurzzeitiges Aussetzen bei selbstständig Erwerbstätigen, die ihre Altersvorsorge ausschließlich selbst finanzieren müssen, auch nicht untypisch. Ein allgemeines konjunkturelles Risiko, das gerade in der derzeitigen Wirtschaftssituation ein Rückgang der Einkünfte im Gaststättengewerbe mit sich bringen könnte, reicht nicht aus, der Prognose auch künftig gesicherten Lebensunterhalts entgegenzustehen.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
35 
Beschluss vom 06. März 2009
36 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 63 Abs. 2 GKG, § 47 GKG und § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt (vgl. Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs 2004).
37 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
17 
Die zulässige - insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig begründete - Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zur Recht stattgegeben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach § 10 StAG. Sie erfüllt in dem für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 5 C 8.05 -, DVBl 2006, 919, 920; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 16.02.2006 - 12 S 2430/05 -und vom 12.01.2005 - 13 S 2549/03 -, VBlBW 2006, 70; BayVGH, Urteil vom 20.11.2006 - 5 BV 04.35 -, juris Rn 24 mwN) auch die im vorliegenden Fall einzig zwischen den Beteiligten im Streit stehende Voraussetzung der grundsätzlich notwendigen eigenständigen Bestreitung des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.
18 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG ist in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 ( BGBl. I S. 1970) anzuwenden. Aus der Übergangsvorschrift des § 40c StAG ergibt sich kein abweichender Zeitpunkt. Nach dieser Regelung sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach bisherigem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (Berlit, Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457, 466).
19 
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in der seit 28.8.2007 gültigen Fassung wurde gegenüber der früheren ab 01.01.2005 geltenden Fassung (Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004, BGBl. I S. 950) für Einbürgerungsbewerber, die - wie die Klägerin - über 23 Jahre alt sind, inhaltlich nicht geändert, sondern nur redaktionell neu gefasst (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 StAG a.F.; Berlit, a.a.O., Seite 465). Da die Klägerin ihre Einbürgerung erst am 20.04.2001 beantragt hat, unterfällt sich auch nicht der Übergangsvorschrift des § 40c StAG in der Fassung vom 01.01.2005, denn diese betrifft nur Einbürgerungsanträge, die vor dem 16.03.1999 gestellt worden sind.
20 
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG muss der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten haben. Die als Gastwirtin selbstständig tätige Klägerin kann derzeit und voraussichtlich auch in überschaubarer Zukunft ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern. Sie deckt ihren Unterhaltsbedarf im Hinblick auf die Bedürfnisse des täglichen Lebens aus eigenen Mitteln. Sie ist in einer gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig kranken- und pflegeversichert und entrichtet im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren Beiträge für eine private Altersvorsorge. Mehr ist im vorliegenden Fall für die Annahme, dass die Einbürgerungsbewerberin ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, nicht zu verlangen; insbesondere ist es unschädlich, dass die Klägerin gegen das Risiko der Erwerbsunfähigkeit nicht versichert ist.
21 
Was zum Lebensunterhalt gehört, der grundsätzlich selbst zu bestreiten ist, ist im Staatsangehörigkeitsrecht nicht eigenständig definiert. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis umfasst der Begriff das, was zur Führung eines menschenwürdigen Lebens in Deutschland nötig ist (so schon Makarov/v. Mangoldt, Staatsangehörigkeitsrecht, § 86 AuslG Rn 20). Dies lässt sich in Anlehnung an die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in Bezug genommen Regelungen des Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch näher konkretisieren. Durch die Formulierung, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können muss, wird zunächst festgelegt, dass ein Anspruch auf solche Leistungen grundsätzlich einbürgerungsschädlich ist. Darüber hinaus lässt der Verweis auf diese Sozialgesetzgebung auch darauf schließen, dass die auf dieser Grundlage erbrachten allgemeinen Leistungen typischer Weise zum Mindeststandard dessen gehören, was für den Lebensunterhalt gebraucht wird. Die Feststellung der Sicherung des Lebensunterhalts erfordert einen Vergleich des Unterhaltsbedarfs mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs, die sich früher am notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 BSHG orientierte, der wiederum durch die Regelsätze nach § 22 BSHG konkretisiert wurde (vgl. Senatsurteil vom 23.07.1998 - 13 S 2212/96 -, juris Rn 28 ff. - zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 RuStAG), richtet sich seit der Änderung des Rechts der Sozial- und Arbeitslosenhilfe vom 01.01.2005 an bei erwerbsfähigen Einbürgerungsbewerbern nach den entsprechenden Bestimmungen des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
22 
Zum Lebensunterhalt eines Einbürgerungsbewerbers zählt neben einer angemessenen Unterkunft (vgl. insoweit § 22 SGB II) und den Mitteln, die zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (wie etwa Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat) erforderlich sind und die nach § 20 SGB II anhand der Höhe der Regelleistung, die derzeit 351 EUR für einen Alleinstehenden beträgt (Bekanntmachung vom 26.06.2008 über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II ab 01.07.2008, BGBl. I S. 1102), bestimmt werden können, auch eine Kranken- und Pflegeversicherung. Eine Absicherung gegen das Risiko von Krankheit und Pflege ist Teil des sozialen Standards der Bundesrepublik, mit dem dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Krankheit und Pflegebedürftigkeit unabhängig von den physischen und psychischen Eigenschaften einer Person und ihrer individuellen Lebensumstände jederzeit eintreten und mit hohen Kosten verbunden sein können, die der einzelne regelmäßig nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen kann. Die besondere Bedeutung der Kranken- und Pflegeversicherung ist etwa daraus ersichtlich, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II kraft Gesetzes kranken- und pflegeversichert sind (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V); sie wird auch in den Regelungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 lit. a SGB II zum Ausdruck gebracht. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, was Kranken- und Pflegeversicherung einschließt (Hohm/Klaus, GK-SGB II, § 11 Rn 176), vom Einkommen abzusetzen. Für Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, sieht § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a SGB II vor, dass nach Grund und Höhe angemessene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und Pflegebedürftigkeit vom Einkommen abzusetzen sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 SGB II bezuschusst werden. Gegen die Einbeziehung der Kranken- und Pflegevorsorge in den Lebensunterhalt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG lässt sich nicht einwenden, dass es im Staatsangehörigkeitsrecht - anders als in verschiedenen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes - an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung für diese Anforderung fehle, die Erweiterung um Vorsorge für Krankheit (und Pflege) im Ausländerrecht konstitutiv sei und eher dagegen spreche, dies allgemein als Teil der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts anzusehen (vgl. Berlit, GK-StAR, § 10 Rn 218). Soweit im Aufenthaltsgesetz ausdrücklich besondere Regelungen zum Lebensunterhalt und zur Kranken- und Pflegeversicherung mit unterschiedlicher Reichweite und Absehensmöglichkeiten getroffen worden sind (vgl. etwa § 2 Abs. 3 AufenthG, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 9c Satz 1 Nr. 3 AufenthG, § 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG, § 29 Abs. 2 AufenthG und § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), knüpfen diese an spezifische ausländerrechtliche Situationen an und tragen dem differenzierten System unterschiedlicher Aufenthaltszwecke und -titel Rechnung. Schon aus diesem Grund können hieraus keine zwingenden Vorgaben für die Frage hergeleitet werden, was zur Sicherung des Lebensunterhalts einer Person gehört, die zukünftig deutsche Staatsangehörige sein will. Allerdings ist anhand der Bestimmungen für die Niederlassungserlaubnis, wonach deren Erteilung in der Regel unter anderem voraussetzt, dass das Risiko der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung oder einen gleichwertigen Versicherungsschutz abgesichert ist (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 9c Satz 1 Nr. 3 AufenthG), durchaus erkennbar, dass die Anforderungen an die soziale Absicherung um so höher sind, je verfestigter der Aufenthalt des Ausländers auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes ist. Das Erfordernis einer Kranken- und Pflegeversicherung führt auch nicht dazu, dass die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach § 10 StAG in unzumutbarer Weise angehoben würden. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind ohnehin regelmäßig entsprechend versichert. Kann im Übrigen ein eigener Versicherungsschutz des Einbürgerungsbewerbers nicht begründet werden, weil ihm ohnehin Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII gewährt werden oder er für die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung ergänzend solche Leistungen in Anspruch nehmen muss, ist dies nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG unschädlich, wenn der Bezug nicht zu vertreten ist.
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Ob und inwieweit auch eine Altersvorsorge Teil des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG ist, kann in Anbetracht der denkbaren vielfältigen Fallgestaltungen nicht generell festgelegt werden. Jedenfalls kann von einem Einbürgerungsbewerber nicht mehr verlangt werden als das, was bei einem deutschen Staatsangehörigen in vergleichbarer Lebenslage und Erwerbssituation üblich und zumutbar ist. Bei jungen Einbürgerungsbewerbern, die sich noch in Schule, Ausbildung oder Studium befinden, ist eine Altersvorsorge nicht Teil des Lebensunterhalts. Eine Altersvorsorge ist nämlich in diesem Lebensstadium grundsätzlich noch nicht oder jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang angelegt, weil sich das Rentenalter und damit auch der Eintritt des Rentenfalls noch in weiter Ferne befinden. Anders stellt sich die Situation bei einem Einbürgerungsbewerber in fortgeschrittenem Alter dar, bei dem der Rentenfall alsbald bevor steht, weil das allgemeine Rentenalter demnächst erreicht wird oder besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden wird. In diesem Fall wird regelmäßig der Frage nachzugehen sein, ob der Lebensunterhalt mit Mitteln aus der Altersvorsorge bestritten werden kann. Soweit sich der erwerbsfähige Einbürgerungsbewerber in einer Lebensphase befindet, die zwischen den beiden vorgenannten Konstellationen liegt, gehört zwar das Vorhandensein einer Altersvorsorge bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder bei einer anderen vergleichbaren Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens regelmäßig zum Lebensunterhalt. Allerdings muss zum Zeitpunkt der Einbürgerung nicht feststehen, dass im erst zukünftigen Rentenfall die bei ungestörtem Versicherungsverlauf zu erwartenden Leistungen voraussichtlich tatsächlich ausreichen werden, um den Lebensunterhalt im Alter dauerhaft zu sichern.
24 
Der Aufbau einer Altersvorsorge ist wesentlicher Bestandteil des sozialen Sicherungssystems in Deutschland und die Teilnahme hieran Ausdruck der wirtschaftlichen Integration. Die Bedeutung der obligatorischen oder fakultativen Altersvorsorge spiegelt sich im Übrigen auch in den Bestimmungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2, 3 lit. b und 4 SGB II wider, wonach vom Einkommen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung - hierzu gehören auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung - oder eine nach Grund und Höhe angemessene private Altersvorsorge sowie besonders geförderte Altersvorsorgebeiträge abzusetzen sind (vgl. näher Hohm/Klaus, GK-SGB II, § 11 Rn. 176, 206, 214, 242 ff.).
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Der von dem Beklagten vertretenen Ansicht, es müsste mindestens eine solche Altersvorsorge zur Verfügung stehen, dass bei Erreichen des Rentenalters die Inanspruchnahme von Grundsicherung nicht zu erwarten sei, kann allerdings nicht gefolgt werden. Vor allem Einbürgerungsbewerber, die - wie die damals 32 Jahre alte Klägerin - erst als Erwachsene in das Bundesgebiet gekommen und in Berufen mit niedrigen Löhnen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, haben selbst bei einer regelmäßigen Erwerbsbiographie, die sie in die Lage versetzt, ihre aktuellen Lebenshaltungskosten zu bestreiten, regelmäßig kaum Aussicht, eine Altersrente zu erwirtschaften, die sie auf jeden Fall von steuerfinanzierten Sozialleistungen im Alter unabhängig macht. Denn nach der an das Brutto-Einkommen anknüpfenden paritätisch durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanzierten Rentenvorsorge hängt die spätere Rente maßgeblich von der Anzahl der Beitragsjahre und dem während des Erwerbslebens jährlich erzielten Einkommen ab; so wird beispielsweise bei einem Brutto-Jahresgehalt von 24.000 EUR pro Jahr eine monatliche Rentenanwartschaft von 20,64 EUR erwirtschaftet (näher die auf der Internetseite www.deutsche-rentenversicherung.de zugängliche Informationsbroschüre Rente: So wird sie berechnet - alte Bundesländer -, S. 8). Liegt eine selbstständige Tätigkeit vor, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterfällt, so ist der Berufstätige darüber hinaus der Erschwernis ausgesetzt, dass er seine Altersvorsorge im Regelfall ausschließlich aus eigenen Einkünften bestreiten muss. Die Erzielung eines höheren Einkommens - und damit die Aussicht, auch im Alter über die entsprechenden Mittel zu verfügen erfordert regelmäßig eine nach Art und Umfang qualifizierte Erwerbstätigkeit. Der Anspruch auf Einbürgerung setzt jedoch weder direkt noch indirekt eine bestimmte berufliche Qualifikation oder quantitative Arbeitsleistung voraus. Soweit im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag die vorliegende Altersvorsorge - selbst bei regelmäßiger Weiterentwicklung - darauf hindeutet, dass ein späterer (ergänzender) Bezug von Sozialleistungen, insbesondere von Grundsicherung im Alter nach §§ 41 ff. SGB XII, nicht ausgeschlossen werden kann, ist dies hinzunehmen. Dem steht der Einwand, dass damit entgegen der gesetzgeberischen Intention eine Einbürgerung in die Sozialsysteme erfolge (vgl. Makarov/v. Mangoldt, aaO, Rn 20), nicht entgegen. Der Rechtsanspruch auf Einbürgerung setzt einen mindestens acht Jahre langen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland voraus. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass bei einem langjährigen Aufenthalt in typischer Weise eine hinreichende Eingliederung in die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Ordnung der Bundesrepublik unter Beachtung der hiesigen kulturellen und politischen Wertvorstellungen erfolgt ist und am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses auch im öffentlichen Interesse die Einbürgerung stehen sollte (vgl. hierzu schon die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 27.01.1990, BT-Drs. 11/6321, S. 47; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 27.10.1995 - 1 B 34.95 -, InfAuslR 1996, 54;). Den fiskalischen Interessen des Staates kommt dem gegenüber insoweit ein geringeres Gewicht zu (HessVGH, Urteil vom 08.05.2006 - 12 TP 357/06 -; OVG NRW, Urteil vom 01.07.1997 - 25 A 3613/95 -, juris Rn 42 mwN; Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht - Erläuterungen zum Staatsangehörigkeitsgesetz Anm. 12). Dies lässt sich auch daraus ersehen, dass der Gesetzgeber bei der Anspruchseinbürgerung den Bezug steuerfinanzierter Sozialleistungen für unschädlich erachtet, wenn der Einbürgerungsbewerber dies nicht zu vertreten hat. Im Übrigen ist selbst in den Fällen, in denen der derzeitige Versicherungsverlauf darauf hindeutet, dass eine ausreichende Versorgung im Alter vorliegen wird, dies aufgrund der vielfältigen und alltäglichen Risiken des Lebens nicht garantiert. Ebenso kann umgekehrt bei einer derzeit defizitär erscheinenden Altersvorsorge durch spätere positive Vermögensentwicklungen ein den Bedarf im Alter sicherndes Einkommen noch erreicht werden. Je jünger der Einbürgerungsbewerber ist, um so mehr sind Aussagen über eine zureichende Altersvorsorge prognoseimmanenten Grenzen ausgesetzt, die nicht zu Lasten des Einbürgerungsbewerbers gehen können. Dem lässt sich auch nicht entgegnen, dass die Anforderungen an die Alterssicherung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis damit im Einzelfall höher sein können als die für eine Einbürgerung. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG setzt zwar voraus, dass der eine Niederlassungserlaubnis begehrende Ausländer mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist. Aber auch zum Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungserlaubnis muss nicht feststehen, dass im erst zukünftigen Rentenfall die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einem anderen Versicherungs- bzw. Versorgungssystem tatsächlich ausreichen werden, um den Lebensunterhalt zu sichern. Der Gesetzgeber geht zwar im Rahmen des § 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG davon aus, dass auch nach Leistung von mindestens 60 Monatsbeiträgen weitere Beitragszahlungen erfolgen, macht dies aber nicht zum Prüfprogramm und damit zur Anspruchsvoraussetzung (Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 9c Rn 16 i.V.m. § 2 Rn 42.1).
26 
Ob über die Altersvorsorge hinaus auch eine Versicherung gegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorliegen muss, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Die Sicherung des Lebensunterhalts umfasst auch unter Berücksichtigung dessen, was bei deutschen Staatsangehörigen üblich ist, nicht die Absicherung aller erdenklichen Lebensrisiken. Die Klägerin, die nicht über die gesetzliche Rentenversicherung gegen Erwerbsminderung bzw. -unfähigkeit versichert ist, könnte allenfalls dann gehalten sein, dieses Risiko durch eine private Versicherung abzudecken, wenn ein besonderes, aus der konkreten Erwerbstätigkeit erwachsendes Risiko ersichtlich wird, dessen Absicherung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls vernünftiger Weise geboten ist. Die von der Klägerin ausgeübte Erwerbstätigkeit als Gastronomin bietet hierfür jedoch keine Anhaltspunkte.
27 
Gemessen an den genannten Grundsätzen ist die Klägerin derzeit und voraussichtlich auch zukünftig imstande, selbst ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Sicherung des Lebensunterhalts erstreckt sich nicht auf einen möglichen Unterhaltsbedarf ihres 1963 geborenen Ehemanns. Die Klägerin und ihr deutscher Ehemann leben seit mehreren Jahren getrennt, wobei nach den Angaben der Klägerin jeder von ihnen seinen Unterhaltsbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit deckt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Ehemann der Klägerin ungeachtet dessen ein Anspruch auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII zustehen könnte, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen würde dies dem Einbürgerungsbegehren der Klägerin auch nicht entgegenstehen. Erhalten lediglich Familienangehörige Leistungen nach SGB II oder SGX II ist die Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erst dann nicht erfüllt, wenn diese gegenüber dem Ausländer unterhaltsberechtigt sind. Hierfür genügt es nicht, dass abstrakt ein Unterhaltsanspruch gegen den einbürgerungswilligen Ausländer in Betracht kommt. Es muss vielmehr im konkreten Einzelfall ein (durchsetzungsfähiger) Unterhaltsanspruch bestehen, der nach § 1602 BGB dann ausscheidet, wenn das Familienmitglied imstande ist, sich selbst zu unterhalten oder hierzu lediglich deswegen nicht in der Lage ist, weil er ihm nach dem Unterhaltsrecht obliegenden Erwerbsobliegenheiten nicht (hinreichend) nachkommt; entsprechendes gilt für Unterhaltsansprüche für den Fall des Getrenntlebens oder des nachehelichen Unterhalts (Berlit, GK-StAG, § 10 Rn 226).
28 
Die Klägerin bezieht derzeit weder Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII noch hat sie einen Anspruch auf solche Leistungen. Sie ist seit 01.11.2002 in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig kranken- und pflegeversichert und zahlt bei einem Einkommen von derzeit etwa 1.400 EUR pro Monat ca. 400 EUR auf insgesamt vier verschiedene Versicherungen, die für ihre Altersvorsorge gedacht sind: Eine seit 01.07.2002 bestehende Lebensversicherung sieht die Zahlung einer garantierten Versicherungssumme von 20.000 EUR zum 30.06.2017 vor. Aus einer weiteren am 01.11.2004 abgeschlossenen Kapitallebensversicherung steht der Klägerin zum 01.11.2022 eine garantierte Rente von monatlich 106,56 EUR oder ein Gesamtbetrag von 23.180 EUR zu. Mit Wirkung zum 01.10.2006 wurde eine fondsgebundene Rentenversicherung abgeschlossen, die ebenfalls auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs der Klägerin bezogen ist und eine Auszahlung von 19.200 EUR vorsieht. Darüber hinaus bedient die Klägerin bei einer vorgesehenen Laufzeit vom 01.10.2006 bis 01.09.2022 einen Investment-Fonds mit monatlich 100 EUR, so dass ihr hieraus am Vertragsende ebenfalls etwa 19.000 EUR zur Verfügung stehen. Berücksichtigt man zu Lasten der Klägerin, dass sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung die Zahlungen an die beiden Lebensversicherungen 2008 für ein Jahr ausgesetzt hat, weil sie das Geld für betriebliche Investitionen gebraucht habe und sich daher der Auszahlungsbetrag mindern wird, bleibt insgesamt ihre private Vorsorge darauf gerichtet, nach der Vollendung ihres 65. Lebensjahres voraussichtlich fast 80.000 EUR zur Verfügung zu haben. Der Klägerin kann nicht vorgehalten werden, dass ihre private Altersvorsorge in der heutigen Form nicht schon mit Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit bestanden hat. Gerade bei Selbstständigen ist es nicht ungewöhnlich, dass die Altersvorsorge im Hinblick auf die Tatsache, dass diese ausschließlich selbst finanziert werden muss, erst nach und nach im Hinblick auf die Geschäftsentwicklung aufgebaut wird. Was die zu erwartenden Auszahlungen aus den Versicherungen anbelangt, so ist im Übrigen die Einschätzung des Beklagten, die Altersvorsorge der Klägerin sei auf jeden Fall defizitär, nicht zwingend. Zwar können derzeit höhere Ausgaben für die Altersvorsorge in Anbetracht der Höhe der Einkünfte der Klägerin aus dem Gewerbebetrieb realistischer Weise nicht erbracht werden, die Klägerin hat jedoch noch mehr als 14 Jahre Zeit bis sie das allgemeine Rentenalter erreicht, das für ihren Geburtsjahrgang mit 65 Jahren und 11 Monaten angesetzt ist (vgl. zur Leistungsberechtigung hinsichtlich Grundsicherung im Alter ab dieser Altersgrenze vgl. § 41 Abs. 2 SGB XII). Abgesehen davon, dass in dieser Zeit positive Entwicklungsmöglichkeiten in finanzieller Hinsicht eintreten können, sind selbstständige Gewerbetreibende häufig auch über die allgemeine Altersgrenze hinaus berufstätig.
29 
Abzüglich der auf das Einkommen zu entrichteten Steuern und der Aufwendungen für die Versicherungen, die die Klägerin ausweislich der vorgelegten Steuerbescheide als Selbstständige teilweise schon im Rahmen ihrer Betriebsausgaben, jedenfalls als beschränkt abziehbare Sonderausgaben nach § 10 EStG steuerlich geltend machen kann, stehen ihr ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung, um ihre Bedürfnisse des täglichen Lebens zu finanzieren. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Klägerin verfügt über eine angemessene Wohnung bestehend aus zwei Zimmern, Bad und Küche, die sich über der von ihr betriebenen Gaststätte befindet und deren Kosten bereits durch die von ihr zu zahlende Pacht abgedeckt sind. Im Übrigen verbleibt ihr ein monatliches Einkommen, das selbst unter Abzug von weiteren in § 11 Abs. 2 SGB II genannten Beträgen, soweit sie hier überhaupt relevant wären, noch über der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II von derzeit 351 EUR für Alleinstehende liegt, so dass im vorliegenden Fall auch offen bleiben kann, ob bei der Ermittlung des zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlichen Einkommens eines Einbürgerungsbewerbers von dem Erwerbseinkommen sämtliche der in § 11 Abs. 2 SGB II aufgeführten Beiträge abzuziehen wären (so VG Oldenburg, Urteil vom 25.02.2009 - 11 A 1907/07 -, juris Rn 20 unter Heranziehung des zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG ergangenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2008 - 1 C 32.07 -, NVwZ 2009, 248).
30 
Bei der Frage, ob der Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs gesichert ist, ist jedoch nicht nur auf die aktuelle Situation abzustellen ist, sondern es ist auch eine gewisse Nachhaltigkeit zu fordern. Es ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber voraussichtlich dauerhaft in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften zu sichern (Senatsbeschluss vom 10.02.2009 - 13 S 3074/08 - und vom 02.04.2008 - 13 S 171/08 -; Berlit, GK-StAR, § 10 Rn. 230 f.; vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 16.08.2005 - 2 A 99.04 -, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 15.07.2003 - 5 A 89/03 -, juris; zur vergleichbaren Situation im Ausländerrecht: BVerwG, Beschluss vom 13.10.1983 - 1 B 115/83 -, NVwZ 1984, 381; Beschluss des Senats vom 13.03.2008 - 13 S 2524/07 -). Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit gesichert ist, muss sowohl die bisherige Erwerbsbiographie als auch die gegenwärtige berufliche Situation des Einbürgerungsbewerbers in den Blick genommen werden. An die prognostische Beurteilung auch zukünftiger wirtschaftlicher Eigenständigkeit sind allerdings sowohl hinsichtlich des Prognosezeitraums als auch bei der Prognosesicherheit keine überspannte Anforderungen zu stellen. Wenn jemand langfristig in einem gesicherten Arbeitsverhältnis steht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dieses auch in Zukunft weiter bestehen wird. Allein die allgemeinen Risiken des Arbeitsmarktes oder das relativ höhere Arbeitsmarktrisiko von Ausländern stehen einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl. Berlit, GK-StAR, § 10 Rn. 232).
31 
Gemessen an diesen Anforderungen wird die Klägerin voraussichtlich auch zukünftig ihren Lebensunterhalt einschließlich der Vorsorge für Krankheit, Pflege und Alter eigenständig bestreiten. Sie verdient ihren Lebensunterhalt seit Mitte 2002 durch eine selbstständige Tätigkeit im Gaststättengewerbe. Nachdem sie zunächst ab Sommer 2002 eine Vereinsgaststätte gepachtet hatte, übernahm sie Mitte 2004 ein anderes Lokal mit nunmehr eigener Konzession. Die 2006 hinzugekommene Pizzeria ist mittlerweile wieder geschlossen, dafür betreibt die Klägerin einige Tage pro Woche ein Tanzlokal. Die von der Klägerin geführten Betriebe sind nach den Feststellungen des Beklagten ordnungsrechtlich nicht auffallend und ermöglichen der Klägerin ausweislich der von ihr vorlegten Steuerbescheide für 2003 bis 2006 und der Gewinnermittlungen für 2004 bis Oktober 2008 bisher ausreichende Einkünfte. In den der Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit im Mai 2002 vorausgegangenen zwei Jahren war die Klägerin ausweislich der von ihr vorgelegten Lohnabrechnungen in einer Weise beschäftigt gewesen, die ihr ebenfalls einen eigenständigen Lebensunterhalt gesichert hat. Sie erzielte als Verkäuferin und Kassiererin monatliche Nettoeinkünfte, die sich in einer Größenordnung von etwas über oder unter 1.000 EUR bewegten. Soweit sie in dieser Zeit bei drei verschiedenen Arbeitgebern tätig gewesen ist, hat die Klägerin dies plausibel erklärt. Ursache für den Wechsel der Tätigkeiten ist nicht ein unregelmäßiger Aushilfscharakter der Beschäftigungen gewesen, sondern hierfür gab es vielmehr gesundheitliche Gründe. Aufgrund einer Operation ist sie über einen längeren Zeitraum hinweg nicht in der Lage gewesen, schwere Gegenstände heben - was aber bei einer Berufstätigkeit im Supermarkt eine regelmäßige Begleiterscheinung ist. Ihre Erwerbsbiographie in den letzten acht Jahren - auf diesen Zeitraum dürfte es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wohl maßgeblich ankommen (Urteil vom 19.02.2009 - 5 C 22.08 -) - verdeutlicht, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt stets eigenständig bestritten hat. Die nunmehr selbstständige Erwerbstätigkeit der Klägerin als Gastronomin ist dabei gegenüber einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch nicht minder zu gewichten. Selbst wenn man ergänzend nicht nur die letzten acht Jahre betrachten, sondern auch die davor liegende Zeiten seit ihrer Einreise nach Deutschland in den Blick nehmen würde, ergäbe sich nichts anderes. Abgesehen von einem Sozialhilfebezug in den Jahren 1995 bis Juli 1999, den die Klägerin mit der Betreuung der 1990 und 1992 geborenen Söhne ihres Ehemanns aus erster Ehe erklärte und der mittlerweile zehn Jahre zurückliegt, hat die Klägerin ihren Lebensunterhalt seit ihrer Einreise nach Deutschland im Jahre 1990 selbstständig gesichert und war in jeder Lebenslage bestrebt, soweit wie möglich finanziell auf eigenen Füßen zu stehen.
32 
Auch im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie in einem überschaubaren Zeitraum oder gar demnächst ihren Lebensunterhalt nicht mehr sichern könnte. Soweit die Klägerin 2008 für ein Jahr keine Beträge für die beiden Lebensversicherungen gezahlt hat, weil sie nach ihren Angaben das Geld für betriebliche Investitionen gebraucht hat, handelt es sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand um einen einmaligen Vorgang, der die Ernsthaftigkeit ihrer Altersvorsorge nicht in Frage stellt. Im Übrigen ist derartiges kurzzeitiges Aussetzen bei selbstständig Erwerbstätigen, die ihre Altersvorsorge ausschließlich selbst finanzieren müssen, auch nicht untypisch. Ein allgemeines konjunkturelles Risiko, das gerade in der derzeitigen Wirtschaftssituation ein Rückgang der Einkünfte im Gaststättengewerbe mit sich bringen könnte, reicht nicht aus, der Prognose auch künftig gesicherten Lebensunterhalts entgegenzustehen.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
35 
Beschluss vom 06. März 2009
36 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 63 Abs. 2 GKG, § 47 GKG und § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt (vgl. Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs 2004).
37 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, sind die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

Auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, sind die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.

(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht:

1.
die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,
2.
Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und
3.
Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Tat im Sinne von § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheits-, Geld- oder Jugendstrafe verurteilt und ein solcher Beweggrund im Rahmen des Urteils festgestellt worden ist. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 3, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 oder 6 des Strafgesetzbuches angeordnet worden, so wird im Einzelfall entschieden, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann.

(2) Ausländische Verurteilungen zu Strafen sind zu berücksichtigen, wenn die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und das Strafmaß verhältnismäßig ist. Eine solche Verurteilung kann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen wäre. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Wird gegen einen Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle der Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 des Jugendgerichtsgesetzes ausgesetzt ist.

(4) Im Ausland erfolgte Verurteilungen und im Ausland anhängige Ermittlungs- und Strafverfahren sind im Einbürgerungsantrag aufzuführen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Januar 2006 - 5 K 1868/04 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt eine Einbürgerungszusicherung.
Der am ...1942 geborene Kläger ist serbischer bzw. kosovarischer Staatsangehöriger und albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo, wo der als Kunstprofessor oder -lehrer tätig war (Bildhauer). Er reiste am ...1991 zusammen mit seiner Ehefrau und seinen vier Kindern in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom ...1994 als Asylberechtigter anerkannt; zugleich wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 hinsichtlich des Herkunftsstaates vorliegen. Mit Bescheid vom 9.6.2004 widerrief das Bundesamt seine Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen; zugleich stellte es fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen verpflichtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, nachdem der Kläger die hiergegen erhobene Klage im Übrigen zurückgenommen hatte, ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Bezug auf Serbien und Montenegro festzustellen (Urteil vom 12.1.2005 - A 1 K 11108/04 -).
Seit dem 27.9.1994 besitzt der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Er stand in folgenden Beschäftigungsverhältnissen, für die er jeweils auch die ausländerrechtlichen Arbeitserlaubnisse besaß:
04.02.1992 - 06.11.1992
 Firma ...
05.04.1994 - 15.04.1994
 Firma ...
22.10.1996 - 24.12.1996
 Firma ...
02.06.1998 - 31.08.1999
 Firma ...
23.02.2000 - 29.02.2000
 Firma ...
23.10.2001 - 30.11.2001
 Firma ...
Eine amtsärztliche Untersuchung vom ... 1997 führte zur Feststellung, dass er wegen eines Bandscheibenvorfalls auf Dauer keine körperlich schweren und wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ausüben könne, sondern nur noch solche in temperierten Räumen mit Bewegungswechsel mit zumindest zeitweiliger sitzender Körperhaltung. Das Arbeitsamt ... hielt am 25.6.2003 eine Vermittlung auf Grund seines Alters und der Stellensituation für derzeit unmöglich.
Von 1992 an erhielten er und seine Familie, abgesehen von kurzen Unterbrechungen in den Jahren 1997 und 1998, ergänzend laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und einmalige Sozialhilfeleistungen und Arbeitslosengeld bzw. Sozialgeld. Seit 1.5.2007 erhält er eine Rente (Altersrente) in Höhe von derzeit 120,98 EUR. Zurzeit bekommt er für sich selbst er keine Leistungen nach SGB II oder XII; seine Ehefrau und sein jüngster Sohn, der bei ihm im Haushalt wohnt und zur Schule geht, erhalten jedoch Leistungen nach SGB II. Er selbst hat inzwischen wieder Grundsicherung im Alter nach SGB XII beantragt, nachdem das Kindergeld für seine Tochter, weswegen sein entsprechender Antrag im Jahr 2007 abgelehnt worden war, weggefallen ist.
Der Kläger beantragte am 28.11.2002 seine Einbürgerung, nachdem er zuvor bereits im Jahr 2000 einen entsprechenden Antrag gestellt und wieder zurückgenommen hatte. Das Landratsamt ... lehnte den Einbürgerungsantrag am 1.3.2004 mit der Begründung ab, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einbürgerung lägen nicht vor, weil der Kläger die Inanspruchnahme von Sozial- und Arbeitslosenhilfe zu vertreten habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.9.2004 wies das Regierungspräsidium Tübingen den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid zurück. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe sich nicht hinreichend intensiv um eine Beschäftigung bemüht, wie die Kürze der Beschäftigungszeiten, die geringe Zahl der Beschäftigungsstellen und die fehlenden Nachweise über eine Arbeitssuche zeigten. Insbesondere in seiner (1999 gekündigten) Tätigkeit als Lagerist habe er es an Engagement und Interesse fehlen lassen. Als Kunstprofessor verfüge er über genügend intellektuelle Fähigkeiten, so dass der vom Arbeitgeber angegebene Kündigungsgrund, er habe die Tätigkeit nicht verstanden, nicht nachvollziehbar sei. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass es inzwischen wegen seines Alters und seines Gesundheitszustandes schwerer werde, eine neue Arbeit zu finden. Wenn er sich in früheren Zeiten stärker um einen Arbeitsplatz bemüht oder um den Erhalt seines Arbeitsplatzes gekümmert hätte, wäre durch die Einzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen eine Reduzierung des Sozialleistungsbezuges möglich gewesen.
Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil stattgegeben. Es hat die Entscheidung des Landratsamtes ... vom 26.3.2004 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 1.9.2004 aufgehoben, soweit sie den Kläger betrafen, und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen. In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, da nach dem Asylwiderruf eine Einbürgerung unter Hinnahmen der Mehrstaatigkeit nicht mehr in Betracht komme, habe der Kläger seinen Klagantrag zu Recht auf die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung beschränkt. Das Zusicherungsermessen sei hier auf die Pflicht zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung reduziert. Die Voraussetzungen des § 10 StAG seien – abgesehen von der Aufgabe oder dem Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit – gegeben. Dass er für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII in Anspruch nehmen müsse, habe er nicht zu vertreten. Ein „Vertretenmüssen“ im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 3 (jetzt Satz 1 Nr. 3) StAG liege etwa bei schuldhaftem Verlust des Arbeitsplatzes vor, nicht hingegen wenn er wegen seines Alters oder seines Gesundheitszustandes sozial(hilfe)rechtlich nicht erwerbsverpflichtet oder erwerbsfähig sei. Dies sei der Fall. Nach der im Gerichtsverfahren vorgelegten Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 21.12.2005 leide er unter mehreren, teilweise schwerwiegenden Krankheiten (Zustand nach Herzhinterwandinfarkt 04/2004, Zustand nach Rekanalisation und Stenteinlage bei Postinfarktangina, Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus Typ 2, Wirbelsäulensyndrom). Diese äußerten sich in Angina-Pectoris-Beschwerden, Rückenschmerzen, Schwindel, Müdigkeit und allgemeiner Schwäche. Hieraus folgere das Gesundheitsamt starke gesundheitliche Einschränkungen, so dass lediglich eine Pförtnertätigkeit o.ä. in Frage komme. Ein solcher Arbeitsplatz stehe für den Kläger nicht zur Verfügung. Das Arbeitsamt habe eine Vermittlung des Klägers schon vor seinem Herzhinterwandinfarkt im Hinblick auf sein Alter und die Stellensituation nicht mehr für möglich gehalten. Damit liege aktuell ein vom Kläger nicht zu vertretender Grund für die Inanspruchnahme von Leistungen nach SGB II/SGB XII vor. Ein solcher Grund könne entgegen der Meinung des Beklagten auch nicht aus dem Verlust des Arbeitsplatzes im Jahr 1999 hergeleitet werden. Ob der Kläger diesen Arbeitsplatzverlust zu vertreten habe, sei zwischen den Beteiligten streitig, bedürfe hier aber keiner Klärung. Denn der Zurechnungszusammenhang eines verschuldeten Arbeitsplatzverlustes könne keine unbegrenzte „Ewigkeitswirkung“ haben, sondern durch weitere Entwicklungen wie etwa eine nachträglich eintretende Erwerbsunfähigkeit unterbrochen werden. Mit der Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 3 (jetzt Satz 1 Nr. 3) StAG habe der Gesetzgeber für den Einbürgerungsanspruch nach langjährigem rechtmäßigem Aufenthalt den fiskalischen Interessen geringeres Gewicht beigemessen als bei den vorgelagerten aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 27 Abs. 3, § 28 Abs. 1 Satz 2, § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG). Damit habe er die Konsequenz daraus gezogen, dass eine Integration als Folge eines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts bereits stattgefunden habe und für eine Einbürgerung hinreichend abgeschlossen sei. Hier sei der Zurechnungszusammenhang des (möglicherweise verschuldeten) Arbeitsplatzverlustes von 1999 aufgehoben. Zum einen sei der Kläger später noch einmal in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, das ausweislich des Kündigungsschreibens nur deswegen beendet worden sei, weil der Kläger „trotz seiner außerordentlichen Mühe“ wegen seines Alters den Arbeiten als Fahrer und Hausmeister nicht mehr gewachsen gewesen sei. Zum andern habe die massive Verschlechterung seines Gesundheitszustands nach seinem Hinterwandinfarkt 2004 dazu geführt, dass er nach Stellungnahme des Gesundheitsamts praktisch keinen Arbeitsplatz mehr erhalten könne. Das Verhalten seiner Ehefrau, die ihre mangelnde Leistungsfähigkeit im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 zu vertreten habe, könne dem Kläger nicht zugerechnet werden. Das Staatsangehörigkeitsrecht enthalte keine Regelung, nach welcher der von einem Familienangehörigen zu vertretende Bezug von Leistungen nach dem SGB II/XII anderen Familienangehörigen zuzurechnen sei. Vielmehr stelle das Staatsangehörigkeitsrecht auf jeden Einbürgerungsbewerber gesondert ab, ausdrücklich etwa bei der Miteinbürgerung gemäß § 10 Abs. 2 StAG „nach Maßgabe des Absatzes 1“.
10 
Auf Antrag des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26.6.2006 - 12 S 644/06 - die Berufung zugelassen. In der rechtzeitig eingegangenen Berufungsbegründung nimmt der Beklagte auf den Zulassungsantrag Bezug und macht geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Zurechnungszusammenhang eines verschuldeten Arbeitsplatzverlustes und langjähriger Arbeitslosigkeit durch eine nachträglich eintretende Erwerbsunfähigkeit unterbrochen werde. Eine derartige Auslegung widerspreche dem Gesetzeszweck, wonach die (erleichterte) Anspruchseinbürgerung am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen solle. Nur wirtschaftlich voll integrierte Ausländer, die etwa aus arbeitsmarktpolitischen Gründen ihre Arbeit verlieren, sollten in den Genuss der Privilegierung des § 10 Abs. 1 Satz 3 (jetzt Satz 1 Nr. 3) StAG kommen und im Gegensatz zur Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG die Möglichkeit der Einbürgerung trotz einbürgerungsschädlicher öffentlicher Leistungen erhalten. Dies habe auch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt. Dem Kläger sei es auch vor seiner Erwerbsunfähigkeit nicht gelungen, sich in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Dezember 1991 eingereist, habe er den ersten Arbeitsplatz bereits zum 6.11.1992 verloren. Obwohl ihm wegen seines Alters die Notwendigkeit von Arbeitsbemühungen hätte klar sein müssen, sei er erst nach über fünf Jahren am 2.6.1998 ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, habe diesen Arbeitsplatz aber bereits am 31.8.1999 wieder verloren, und das nicht aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen. Seine Ehefrau habe noch weniger Integrationsbereitschaft gezeigt und sich nicht einmal als arbeitsuchend gemeldet. Vor seinen gesundheitlichen Einschränkungen sei er daher nicht erfolgreich wirtschaftlich integriert gewesen. Deshalb werde er von einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG dauerhaft ausgeschlossen. Der Umstand, dass er zwischenzeitlich wegen seines Alters und seiner gesundheitlichen Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar sei, könne nicht zu einer anderen Bewertung führen. Entsprechendes gelte für Behinderte und Eltern, die wegen der Erziehung mehrerer Kinder ihren Lebensunterhalt länger nicht selbst bestreiten könnten. Es sei auch nicht einzusehen, warum der Zurechnungszusammenhang eines verschuldeten Arbeitsplatzverlustes durch eine nachträglich eingetretene Erwerbsunfähigkeit unterbrochen werden solle, nicht aber durch die mit dem Alter sinkenden Arbeitsmarktchancen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts habe zur Konsequenz, dass mit dem Erreichen des Rentenalters die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen nicht mehr einbürgerungsschädlich sei. Bei der Bewertung der Frage, inwieweit der Kläger die fehlende eigene Sicherung des Lebensunterhalts selbst zu vertreten habe, müsse auch sein Verhalten vor dem Verlust des letzten Arbeitsplatzes berücksichtigt werden.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25.1.2006 - 5 K 1868/04 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend, dieses Ergebnis ergebe sich auch aus dem Wortlaut von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG, der in der Gegenwartsform gehalten sei. Daher komme es auf den im Moment der Entscheidung vorliegenden Sachverhalt an. Ferner trägt der Kläger vor, er habe erst im September 1994 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten und sei jedenfalls bis dahin auf dem Arbeitsmarkt als Asylbewerber benachteiligt gewesen. Er habe eine Arbeitserlaubnis gebraucht, die unter dem Vorbehalt der Arbeitsmarktprüfung gestanden habe. Außerdem hätten es damals auch Deutsche in seinem Alter (52 Jahre) schwer gehabt, einen Arbeitsplatz zu finden. Als ausgebildeter Lehrer sei er weder von Statur noch Praxis schwere körperliche Arbeit gewohnt gewesen. Auch habe er im Alter von über 50 Jahren erst deutsch lernen müssen. Selbst wenn die Vorwürfe der Firma O. in der Kündigung vom Sommer 1999 stimmen würden, sei ihm der Arbeitsplatzverlust heute nicht mehr vorzuwerfen. Spätestens nach seiner schweren Erkrankung im Sommer 2004 hätte er diesen Arbeitsplatz verloren. Auch das Arbeitsamt sei davon ausgegangen, dass er seine Kündigung im Jahr 1999 nicht schuldhaft verursacht habe; jedenfalls sei keine Sperrzeit verhängt worden. Selbst wenn er seit Ende 1994 bis zu seiner schweren Erkrankung ständig gearbeitet hätte, hätte er keine Rentenansprüche oberhalb des Sozialhilfesatzes erwirtschaften können. Derzeit beziehe er keine Leistungen nach dem SGB II und XII, ein entsprechender Antrag auf Grundsicherung sei 2007 abgelehnt worden.
16 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Tübingen vor; auf ihren Inhalt wird verwiesen. Sie waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die Berufung des Beklagten ist nach ihrer Zulassung durch den Verwaltungsgerichtshof statthaft und auch im übrigen zulässig. Insbesondere hat der Beklagte sie innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über ihre Zulassung ausreichend begründet und einen bestimmten Antrag gestellt (124a Abs. 6 Sätze 1 bis 3 VwGO). Die Berufung ist auch begründet. Der Beklagte hat dem Kläger die Einbürgerungszusicherung zu Recht versagt.
18 
Zutreffend ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Kläger seinen Klagantrag zu Recht auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung beschränkt hat, da eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach dem Widerruf der Asylberechtigung und der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG/§ 51 Abs. 1 AuslG wohl nicht mehr in Betracht kommt (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG). Es trifft auch zu, dass sich das Zusicherungsermessen auf eine Pflicht zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung reduziert, wenn der Einbürgerungsanspruch hierdurch leichter durchgesetzt werden kann (Senatsurteil vom 6.7.1994 - 13 S 2147/93 -, InfAuslR 1995, 116), und dass maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. Senatsurteil vom 12.1.2005 - 13 S 2549/03 -, VBlBW 2006, 70.). Das Verwaltungsgericht hätte die Klage jedoch abweisen müssen, da der Kläger keinen Anspruch auf die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung hat.
19 
1. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der sog. Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG nicht.
20 
Diese Vorschrift ist in der vor dem 28.8.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit diese günstigere Bestimmungen enthält (§ 40c StAG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der europäischen Union vom 19.8.2007, BGBl. I S. 1970). Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach bisherigem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (Berlit, InfAuslR 2007, 457, 466).
21 
Die Beteiligten streiten ausschließlich darüber, ob der Einbürgerungsanspruch des Klägers an § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG scheitert. Die übrigen Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG liegen bis auf Aufgabe oder Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG) vor. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in der seit 28.8.2007 geltenden Fassung – die bis dahin geltende Fassung war für den Kläger nicht günstiger und wurde, soweit sie ihn betrifft, nur redaktionell verändert (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 StAG a.F. und Berlit, a.a.O., Seite 465) – setzt der Einbürgerungsanspruch voraus, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat.
22 
a) Der Kläger kann den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach SGB II oder SGB XII bestreiten. Dieses Erfordernis der eigenständigen wirtschaftlichen Sicherung ist zukunftgerichtet und verlangt eine Prognose, ob der Lebensunterhalt auch künftig eigenständig gesichert ist (Berlit, GK-StAR, § 10, 2005, Rn. 230 f.). Dies ist nicht der Fall. Vielmehr ist zu erwarten, dass der Kläger für den Lebensunterhalt von sich und seiner Ehefrau sowie seinem jüngsten Sohn auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII angewiesen ist. Das ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig. Zwar bezieht der Kläger für sich selbst momentan keine Leistungen nach SGB II oder XII, jedoch erhalten seine Ehefrau und sein jüngster Sohn solche Leistungen, und auch er selbst hat inzwischen wieder einen Antrag auf Grundsicherung im Alter nach SGB XII gestellt, da das ihm als Einkommen angerechnete Kindergeld für seine Tochter inzwischen weggefallen ist. Der Kläger geht also auch selbst von der fortdauernden eigenen Bedürftigkeit aus.
23 
b) Diese Inanspruchnahme hat der Kläger zu vertreten, weil er über mehrere Jahre hinweg aus von ihm zu vertretenden Gründen arbeitslos war und es damit auch versäumt hat, Rentenansprüche für das Alter zu erwerben. Hierdurch hat er adäquat-kausal die (Mit-)Ursache für seinen jetzigen Leistungsbezug gesetzt. Im Einzelnen:
24 
Ein Einbürgerungsbewerber hat den Bezug von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Sozialgesetzbuchs zu vertreten, wenn er durch ihm zurechenbares Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für den fortdauernden Leistungsbezug gesetzt hat. Das Vertretenmüssen beschränkt sich nicht auf vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es setzt kein pflichtwidriges, schuldhaftes Verhalten voraus. Das Ergebnis muss lediglich auf Umständen beruhen, die dem Verantwortungsbereich der handelnden Person zurechenbar sind (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1.7.1997 - 25 A 3613/95 -, InfAuslR 1998, 34, 35; Bayerischer VGH, Beschluss vom 6.7.2007 - 5 ZB 06.1988 -, juris; Hessischer VGH, Beschluss vom 8.5.2006 - 12 TP 357/06 -, DÖV 2006, 878, zitiert nach juris; VG Göttingen, Urteil vom 7.9.2004 - 4 A 4184/01 -, juris; Hailbronner, in Hailbronner/ Renner, StAG, 5. Aufl. 2005, § 10 Rn. 23; Berlit, in: GK-StAR, § 10, 2005, Rn. 242 f. m.w.N.). Ob der Ausländer den Leistungsbezug zu vertreten hat, ist eine verwaltungsgerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Rechtsfrage, für die der Einbürgerungsbehörde kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zukommt. Ein Arbeitsloser hat den Leistungsbezug zu vertreten, wenn er nicht in dem sozialrechtlich gebotenen Umfang bereit ist, seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einzusetzen, ferner wenn er sich nicht um Arbeit bemüht oder bei der Arbeitssuche nachhaltig durch Gleichgültigkeit oder mögliche Arbeitgeber abschreckende Angaben zu erkennen gibt, dass er tatsächlich kein Interesse an einer Erwerbstätigkeit hat (Berlit, a.a.O., Rn. 247; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 9.12.2004 - 2 K 913/04 -, juris). Ebenso wird angenommen, dass der Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug zu vertreten hat, wenn sein Arbeitsverhältnis wegen Nichterfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten gekündigt oder aufgelöst und die Arbeitslosigkeit dadurch von ihm vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wird (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24, Berlit, a.a.O., Rn. 247). Als Indiz wird die Verhängung einer Sperrzeit angesehen (vgl. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Jedoch genügen auch andere Hinweise auf Arbeitsunwilligkeit (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24). Eine personenbedingte Kündigung, die in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren Bestand hat, steht der Einbürgerung entgegen, ohne dass es einer eigenständigen Prüfung der Kündigungsumstände durch die Einbürgerungsbehörde bedarf (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1.7.1997, a.a.O.). Umgekehrt wird das Vertretenmüssen des Leistungsbezugs allgemein verneint, wenn die Arbeitslosigkeit auf einer krankheits- oder betriebsbedingten Kündigung oder Konjunkturgründen beruht. Stets ist bei der Beurteilung des Vertretenmüssens auch der Grundsatz der selbstgesicherten wirtschaftlichen Existenz im Blick zu halten: Der Einbürgerungsbewerber hat den Lebensunterhalt grundsätzlich ohne Inanspruchnahme von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II oder XII zu bestreiten (Berlit, a.a.O., Rn. 215). Da der nicht zu vertretende Leistungsbezug eine Ausnahme von diesem Grundsatz darstellt, ist für die Frage, ob der Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug zu vertreten hat, ein strenger Maßstab anzulegen. Von diesen Anforderungen an die wirtschaftliche Integration ist auch nicht im Hinblick auf den Gesetzeszweck abzusehen; seit (mit Wirkung vom 1.1.2000) die Mindestaufenthaltsdauer auf acht Jahre herabgesetzt wurde, zieht der Einbürgerungsanspruch ohnehin nicht mehr die Konsequenz daraus, dass die Integration als Folge eines 15-jährigen rechtmäßigen Aufenthalts bereits erfolgreich abgeschlossen ist (so BVerwG, Beschluss vom 27.10.1995 - 1 B 34.95 -, InfAuslR 1996, 54 zur damaligen Rechtslage; vgl. hierzu Berlit, a.a.O., § 10 Rn. 241; siehe zur rechtspolitischen Diskussion um Integration als Einbürgerungsvoraussetzung allgemein auch Hailbronner, a.a.O., § 10 Rn. 1, S. 576 f.).
25 
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger zwar nicht zu vertreten, dass er jetzt kein Erwerbseinkommen hat und deshalb mit Ehefrau und Sohn auf Sozialleistungen nach SGB II oder XII angewiesen ist; denn er steht dem Arbeitsmarkt aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht mehr zur Verfügung, ohne dass er dies zu vertreten braucht.
26 
Jedoch kann ein Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug unter Umständen auch dann noch zu vertreten haben, wenn er auf einer früher zurechenbaren Arbeitslosigkeit beruht und der Zurechnungszusammenhang noch fortbesteht. So liegt der Fall hier: Nach Überzeugung des Senats hat der Kläger jedenfalls die Zeiten seiner Arbeitslosigkeit zwischen der Asylanerkennung im Mai 1994 und dem Beginn des Arbeitsverhältnisses im Juni 1998 im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StAG zu vertreten. Der Senat geht – anders als der Beklagte und das Verwaltungsgericht, das diese Frage offen gelassen hat – zu seinen Gunsten davon aus, dass ihm die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.08.1999 nicht zuzurechnen ist und er auch seine Arbeitslosigkeit danach im Hinblick auf die beiden kurzzeitigen Beschäftigungen in den Jahren 2000 und 2001 und seine gesundheits- und altersbedingten Einschränkungen nicht mehr zu vertreten hat. Jedoch hatte er seit seiner Asylanerkennung im Mai 1994 die Perspektive eines dauerhaften Bleiberechts in Deutschland. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte er sich aus Gründen der sozialen Sicherung verstärkt um einen Arbeitsplatz bemühen müssen. Gerade im Zeitraum von Mai 1994 bis Juni 1998 hat er jedoch keine ausreichenden Bemühungen unternommen. In diesen etwa vier Jahren hat er lediglich einmal für etwa acht Wochen bei einer Reinigungsfirma gearbeitet. Dieses Arbeitsverhältnis hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung von sich aus gekündigt, weil er täglich zwei bis drei unbezahlte Überstunden habe machen müssen. Die Frage des Senats, warum er sich damals nicht bei der Reinigungsfirma beworben habe, in der seine Frau seit 1996 arbeite, konnte er nicht beantworten. Auch um eine andere Arbeitsstelle hat er sich in diesem gesamten Zeitraum nicht gekümmert, auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung konnte er keine einzige Bewerbung nennen, die er in diesen vier Jahren eingereicht hat.
27 
Das Vertretenmüssen des Sozialleistungsbezugs ist auch nicht aus den vom Kläger angeführten Gründen zu verneinen. Seine Argumente, er habe auf dem Arbeitsmarkt schon deshalb kaum Chancen gehabt, weil er als Fünfzigjähriger zu alt gewesen sei und erst habe deutsch lernen und für seine Asylanerkennung kämpfen müssen, überzeugen nicht. Eine Benachteiligung am Arbeitsmarkt als Asylbewerber war nicht der entscheidende Grund für seine lange Arbeitslosigkeit. Bereits wenige Wochen nach der Einreise – also in der Zeit der ersten sprachlichen und kulturellen Eingewöhnung und des Asylverfahrens – konnte er einen Arbeitsplatz finden, den er auch für neun Monate behielt. Auch die Beschäftigung bei einem Steinmetz im April 1994 fiel noch in die Zeit des Asylverfahrens. Der Verlust seiner Stelle im August 1999 ist weder mit Sprach- noch mit Konjunkturproblemen zu erklären. Seine Einlassung, als ausgebildeter Lehrer sei er weder von Statur noch Praxis schwere körperliche Arbeit gewohnt gewesen, wiegt deshalb nicht schwer, weil er im Laufe der Jahre mehrere Arbeitsstellen gefunden hat, die nicht an der schweren körperlichen Arbeit scheiterten. Schließlich waren auch seine späteren gesundheitlichen Einschränkungen durch den Bandscheibenvorfall im Jahr 1997 nicht der Grund seiner damaligen Arbeitslosigkeit. Zum einen war er nach dem Gutachten des Gesundheitsamts vom August 1997 mit Einschränkungen arbeitsfähig und zum anderen hat er im Juni 1998 eine Arbeitsstelle gefunden, die ihm erst 14 Monate später aus anderen als gesundheitlichen Gründen gekündigt wurde.
28 
Die Abhängigkeit von Leistungen nach dem SGB II/XII beruht auch heute noch auf dieser zu vertretenden Arbeitslosigkeit. Hat ein erwerbsverpflichteter Ausländer ihm zurechenbar den Verlust eines Arbeitsplatzes mit hinreichendem Einkommen verursacht oder wie hier seine Arbeitslosigkeit aus anderen Gründen zu vertreten, liegt dies aber einen erheblichen Zeitraum zurück, so hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der Zurechnungszusammenhang fortbesteht oder durch weitere Entwicklungen unterbrochen ist. Hierfür sind grundsätzlich auch Art und Maß der nachfolgenden Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz sowie die individuellen Arbeitsmarktchancen und der zeitliche Abstand zur zurechenbaren Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen. Der Zurechnungszusammenhang kann auch durch zusätzliche Ereignisse wie etwa eine nachträglich eingetretene Erwerbsunfähigkeit unterbrochen werden, nicht jedoch allein durch die mit zunehmendem Alter sinkenden Arbeitsmarktchancen. Eine zeitlich unbegrenzte „Ewigkeitswirkung“ ist abzulehnen (Berlit, a.a.O., Rn. 249 f.).
29 
Beim Kläger wird der Zurechnungszusammenhang entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts weder durch die erneute Beschäftigung im Jahr 2001 noch durch den Herzinfarkt im Jahr 2004 noch durch den Eintritt ins Rentenalter unterbrochen, sondern besteht fort. Bei der gebotenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles fällt hier in besonderer Weise ins Gewicht, dass der Kläger durch die zu vertretende Arbeitslosigkeit heute geringere Rentenansprüche hat. Deshalb hat er die Abhängigkeit von Leistungen nach dem SGB II/XII - jedenfalls teilweise - auch heute noch zu vertreten. Er hat es über längere Zeit unterlassen, durch zumutbare Arbeit Rentenanwartschaften zu erwerben, die wenigstens einen Teil seines Bedarfs abdecken. Er hätte sich damals nicht nur deshalb auf Stellen bewerben müssen, um durch das Erwerbseinkommen von Sozialhilfe unabhängig zu sein, sondern auch um sich Rentenansprüche für die Alterssicherung aufzubauen. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass sonst die Einbürgerungsvoraussetzung der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts ab Eintritt in das Rentenalter praktisch leer liefe, weil dann alle Ausländer, die sich aus eigenem Verschulden nicht wirtschaftlich integriert hätten, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen mit Erreichen des Rentenalters eingebürgert werden müssten. Zu Lasten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er seine Asylanerkennung und den Erhalt einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis im Jahr 1994 nicht als Anlass gesehen hat, sich um die dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu bemühen. Vielmehr hat er umgekehrt seine anfänglichen Bemühungen – immerhin hatte er während seines Asylverfahrens unmittelbar nach der Einreise für neun Monate gearbeitet und dann im April 1994 noch einmal in seinem eigenen Fachgebiet bei einem Steinmetzen eine Stelle gefunden – fast vollständig eingestellt, als er mit der Asylanerkennung im Mai 1994 die Perspektive eines dauerhaften Bleiberechts hatte. Obwohl ihm die Notwendigkeit der Integration in den Arbeitsmarkt, wie dargelegt, in dieser Zeit besonders bewusst sein musste, hat er sich von der Asylanerkennung an weit über zwei Jahre bei keinem Arbeitgeber beworben und nach seiner Kündigung vom Dezember 1996 auch nicht bei dem Arbeitgeber seiner Ehefrau nach einer Stelle gefragt, obwohl das aufgrund derselben Branche besonders nahegelegen hätte. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger mit angemessenen Bemühungen auch für längere Zeit Arbeit gefunden und aufgrund der Renteneinzahlungen heute einen höheren Rentenanspruch hätte, weil dann zu den Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung und den zurückgelegten Versicherungszeiten in Serbien (vgl. den vorgelegten Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 24.9.2007) noch weitere Versicherungszeiten hinzuzurechnen wären. Dass ihm diese Rentenansprüche jetzt fehlen, muss er deshalb vertreten, weil er sich in der Zeit von Mai 1994 bis Juni 1998 nicht ausreichend um Arbeit gekümmert hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es ihm wegen seines fortgeschrittenen Alters bei der Einreise wohl nicht gelungen wäre, Rentenansprüche oberhalb des Regelbedarfssatzes zu verdienen. Denn die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach SGB II oder XII ist auch dann einbürgerungsschädlich, wenn der Ausländer sie nur teilweise zu vertreten hat. Dass seine Rente auch mit diesen Einzahlungszeiten unterhalb des Sozialhilferegelsatzes bliebe, kann ihn daher nicht entlasten. Im übrigen obliegt dem Einbürgerungsbewerber hier eine besondere Darlegungspflicht, was die fehlende Kausalität zwischen Arbeitslosigkeit und Sozialleistungsbezug angeht.
30 
2. Die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG scheidet ebenfalls aus. Sie setzt nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG unter anderem voraus, dass der Ausländer sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist. Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Von diesen Voraussetzungen kann wegen Fehlens einer besonderen Härte auch nicht gemäß § 8 Abs. 2 StAG abgesehen werden. Nachdem die Anspruchseinbürgerung daran scheitert, dass der Kläger die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach dem SGB II/XII wegen des fehlenden Erwerbs von Rentenanwartschaften zu vertreten hat, ist eine besondere Härte weder unter dem Gesichtspunkt des unverschuldeten Sozialhilfebezugs noch unter dem Aspekt der älteren Person mit langem Inlandsaufenthalt zu bejahen (vgl. hierzu Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise Baden-Württembergs vom Dezember 2007; Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG, 2006, Rn. 107.9 und 107.12 mit Verweis auf Nr. 8.1 Abs. 3 StAR-VwV). Unerheblich ist daher, dass der Beklagte kein Ermessen zu § 8 Abs. 2 StAG ausgeübt hat.
31 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den § 154 Abs. 1 VwGO.
32 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen.
33 
Beschluss
vom 12. März 2008
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt (vgl. Nr. 42.1 des „Streitwertkatalogs 2004“, abgedr. bei Kopp/Schenke, a.a.O., Anh § 164 Rn. 14).
        
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
17 
Die Berufung des Beklagten ist nach ihrer Zulassung durch den Verwaltungsgerichtshof statthaft und auch im übrigen zulässig. Insbesondere hat der Beklagte sie innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über ihre Zulassung ausreichend begründet und einen bestimmten Antrag gestellt (124a Abs. 6 Sätze 1 bis 3 VwGO). Die Berufung ist auch begründet. Der Beklagte hat dem Kläger die Einbürgerungszusicherung zu Recht versagt.
18 
Zutreffend ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Kläger seinen Klagantrag zu Recht auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung beschränkt hat, da eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach dem Widerruf der Asylberechtigung und der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG/§ 51 Abs. 1 AuslG wohl nicht mehr in Betracht kommt (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG). Es trifft auch zu, dass sich das Zusicherungsermessen auf eine Pflicht zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung reduziert, wenn der Einbürgerungsanspruch hierdurch leichter durchgesetzt werden kann (Senatsurteil vom 6.7.1994 - 13 S 2147/93 -, InfAuslR 1995, 116), und dass maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. Senatsurteil vom 12.1.2005 - 13 S 2549/03 -, VBlBW 2006, 70.). Das Verwaltungsgericht hätte die Klage jedoch abweisen müssen, da der Kläger keinen Anspruch auf die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung hat.
19 
1. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der sog. Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG nicht.
20 
Diese Vorschrift ist in der vor dem 28.8.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit diese günstigere Bestimmungen enthält (§ 40c StAG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der europäischen Union vom 19.8.2007, BGBl. I S. 1970). Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach bisherigem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (Berlit, InfAuslR 2007, 457, 466).
21 
Die Beteiligten streiten ausschließlich darüber, ob der Einbürgerungsanspruch des Klägers an § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG scheitert. Die übrigen Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG liegen bis auf Aufgabe oder Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG) vor. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG in der seit 28.8.2007 geltenden Fassung – die bis dahin geltende Fassung war für den Kläger nicht günstiger und wurde, soweit sie ihn betrifft, nur redaktionell verändert (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 StAG a.F. und Berlit, a.a.O., Seite 465) – setzt der Einbürgerungsanspruch voraus, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat.
22 
a) Der Kläger kann den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach SGB II oder SGB XII bestreiten. Dieses Erfordernis der eigenständigen wirtschaftlichen Sicherung ist zukunftgerichtet und verlangt eine Prognose, ob der Lebensunterhalt auch künftig eigenständig gesichert ist (Berlit, GK-StAR, § 10, 2005, Rn. 230 f.). Dies ist nicht der Fall. Vielmehr ist zu erwarten, dass der Kläger für den Lebensunterhalt von sich und seiner Ehefrau sowie seinem jüngsten Sohn auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII angewiesen ist. Das ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig. Zwar bezieht der Kläger für sich selbst momentan keine Leistungen nach SGB II oder XII, jedoch erhalten seine Ehefrau und sein jüngster Sohn solche Leistungen, und auch er selbst hat inzwischen wieder einen Antrag auf Grundsicherung im Alter nach SGB XII gestellt, da das ihm als Einkommen angerechnete Kindergeld für seine Tochter inzwischen weggefallen ist. Der Kläger geht also auch selbst von der fortdauernden eigenen Bedürftigkeit aus.
23 
b) Diese Inanspruchnahme hat der Kläger zu vertreten, weil er über mehrere Jahre hinweg aus von ihm zu vertretenden Gründen arbeitslos war und es damit auch versäumt hat, Rentenansprüche für das Alter zu erwerben. Hierdurch hat er adäquat-kausal die (Mit-)Ursache für seinen jetzigen Leistungsbezug gesetzt. Im Einzelnen:
24 
Ein Einbürgerungsbewerber hat den Bezug von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Sozialgesetzbuchs zu vertreten, wenn er durch ihm zurechenbares Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für den fortdauernden Leistungsbezug gesetzt hat. Das Vertretenmüssen beschränkt sich nicht auf vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es setzt kein pflichtwidriges, schuldhaftes Verhalten voraus. Das Ergebnis muss lediglich auf Umständen beruhen, die dem Verantwortungsbereich der handelnden Person zurechenbar sind (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1.7.1997 - 25 A 3613/95 -, InfAuslR 1998, 34, 35; Bayerischer VGH, Beschluss vom 6.7.2007 - 5 ZB 06.1988 -, juris; Hessischer VGH, Beschluss vom 8.5.2006 - 12 TP 357/06 -, DÖV 2006, 878, zitiert nach juris; VG Göttingen, Urteil vom 7.9.2004 - 4 A 4184/01 -, juris; Hailbronner, in Hailbronner/ Renner, StAG, 5. Aufl. 2005, § 10 Rn. 23; Berlit, in: GK-StAR, § 10, 2005, Rn. 242 f. m.w.N.). Ob der Ausländer den Leistungsbezug zu vertreten hat, ist eine verwaltungsgerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Rechtsfrage, für die der Einbürgerungsbehörde kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zukommt. Ein Arbeitsloser hat den Leistungsbezug zu vertreten, wenn er nicht in dem sozialrechtlich gebotenen Umfang bereit ist, seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einzusetzen, ferner wenn er sich nicht um Arbeit bemüht oder bei der Arbeitssuche nachhaltig durch Gleichgültigkeit oder mögliche Arbeitgeber abschreckende Angaben zu erkennen gibt, dass er tatsächlich kein Interesse an einer Erwerbstätigkeit hat (Berlit, a.a.O., Rn. 247; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 9.12.2004 - 2 K 913/04 -, juris). Ebenso wird angenommen, dass der Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug zu vertreten hat, wenn sein Arbeitsverhältnis wegen Nichterfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten gekündigt oder aufgelöst und die Arbeitslosigkeit dadurch von ihm vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wird (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24, Berlit, a.a.O., Rn. 247). Als Indiz wird die Verhängung einer Sperrzeit angesehen (vgl. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Jedoch genügen auch andere Hinweise auf Arbeitsunwilligkeit (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24). Eine personenbedingte Kündigung, die in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren Bestand hat, steht der Einbürgerung entgegen, ohne dass es einer eigenständigen Prüfung der Kündigungsumstände durch die Einbürgerungsbehörde bedarf (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1.7.1997, a.a.O.). Umgekehrt wird das Vertretenmüssen des Leistungsbezugs allgemein verneint, wenn die Arbeitslosigkeit auf einer krankheits- oder betriebsbedingten Kündigung oder Konjunkturgründen beruht. Stets ist bei der Beurteilung des Vertretenmüssens auch der Grundsatz der selbstgesicherten wirtschaftlichen Existenz im Blick zu halten: Der Einbürgerungsbewerber hat den Lebensunterhalt grundsätzlich ohne Inanspruchnahme von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II oder XII zu bestreiten (Berlit, a.a.O., Rn. 215). Da der nicht zu vertretende Leistungsbezug eine Ausnahme von diesem Grundsatz darstellt, ist für die Frage, ob der Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug zu vertreten hat, ein strenger Maßstab anzulegen. Von diesen Anforderungen an die wirtschaftliche Integration ist auch nicht im Hinblick auf den Gesetzeszweck abzusehen; seit (mit Wirkung vom 1.1.2000) die Mindestaufenthaltsdauer auf acht Jahre herabgesetzt wurde, zieht der Einbürgerungsanspruch ohnehin nicht mehr die Konsequenz daraus, dass die Integration als Folge eines 15-jährigen rechtmäßigen Aufenthalts bereits erfolgreich abgeschlossen ist (so BVerwG, Beschluss vom 27.10.1995 - 1 B 34.95 -, InfAuslR 1996, 54 zur damaligen Rechtslage; vgl. hierzu Berlit, a.a.O., § 10 Rn. 241; siehe zur rechtspolitischen Diskussion um Integration als Einbürgerungsvoraussetzung allgemein auch Hailbronner, a.a.O., § 10 Rn. 1, S. 576 f.).
25 
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger zwar nicht zu vertreten, dass er jetzt kein Erwerbseinkommen hat und deshalb mit Ehefrau und Sohn auf Sozialleistungen nach SGB II oder XII angewiesen ist; denn er steht dem Arbeitsmarkt aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht mehr zur Verfügung, ohne dass er dies zu vertreten braucht.
26 
Jedoch kann ein Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug unter Umständen auch dann noch zu vertreten haben, wenn er auf einer früher zurechenbaren Arbeitslosigkeit beruht und der Zurechnungszusammenhang noch fortbesteht. So liegt der Fall hier: Nach Überzeugung des Senats hat der Kläger jedenfalls die Zeiten seiner Arbeitslosigkeit zwischen der Asylanerkennung im Mai 1994 und dem Beginn des Arbeitsverhältnisses im Juni 1998 im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StAG zu vertreten. Der Senat geht – anders als der Beklagte und das Verwaltungsgericht, das diese Frage offen gelassen hat – zu seinen Gunsten davon aus, dass ihm die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.08.1999 nicht zuzurechnen ist und er auch seine Arbeitslosigkeit danach im Hinblick auf die beiden kurzzeitigen Beschäftigungen in den Jahren 2000 und 2001 und seine gesundheits- und altersbedingten Einschränkungen nicht mehr zu vertreten hat. Jedoch hatte er seit seiner Asylanerkennung im Mai 1994 die Perspektive eines dauerhaften Bleiberechts in Deutschland. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte er sich aus Gründen der sozialen Sicherung verstärkt um einen Arbeitsplatz bemühen müssen. Gerade im Zeitraum von Mai 1994 bis Juni 1998 hat er jedoch keine ausreichenden Bemühungen unternommen. In diesen etwa vier Jahren hat er lediglich einmal für etwa acht Wochen bei einer Reinigungsfirma gearbeitet. Dieses Arbeitsverhältnis hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung von sich aus gekündigt, weil er täglich zwei bis drei unbezahlte Überstunden habe machen müssen. Die Frage des Senats, warum er sich damals nicht bei der Reinigungsfirma beworben habe, in der seine Frau seit 1996 arbeite, konnte er nicht beantworten. Auch um eine andere Arbeitsstelle hat er sich in diesem gesamten Zeitraum nicht gekümmert, auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung konnte er keine einzige Bewerbung nennen, die er in diesen vier Jahren eingereicht hat.
27 
Das Vertretenmüssen des Sozialleistungsbezugs ist auch nicht aus den vom Kläger angeführten Gründen zu verneinen. Seine Argumente, er habe auf dem Arbeitsmarkt schon deshalb kaum Chancen gehabt, weil er als Fünfzigjähriger zu alt gewesen sei und erst habe deutsch lernen und für seine Asylanerkennung kämpfen müssen, überzeugen nicht. Eine Benachteiligung am Arbeitsmarkt als Asylbewerber war nicht der entscheidende Grund für seine lange Arbeitslosigkeit. Bereits wenige Wochen nach der Einreise – also in der Zeit der ersten sprachlichen und kulturellen Eingewöhnung und des Asylverfahrens – konnte er einen Arbeitsplatz finden, den er auch für neun Monate behielt. Auch die Beschäftigung bei einem Steinmetz im April 1994 fiel noch in die Zeit des Asylverfahrens. Der Verlust seiner Stelle im August 1999 ist weder mit Sprach- noch mit Konjunkturproblemen zu erklären. Seine Einlassung, als ausgebildeter Lehrer sei er weder von Statur noch Praxis schwere körperliche Arbeit gewohnt gewesen, wiegt deshalb nicht schwer, weil er im Laufe der Jahre mehrere Arbeitsstellen gefunden hat, die nicht an der schweren körperlichen Arbeit scheiterten. Schließlich waren auch seine späteren gesundheitlichen Einschränkungen durch den Bandscheibenvorfall im Jahr 1997 nicht der Grund seiner damaligen Arbeitslosigkeit. Zum einen war er nach dem Gutachten des Gesundheitsamts vom August 1997 mit Einschränkungen arbeitsfähig und zum anderen hat er im Juni 1998 eine Arbeitsstelle gefunden, die ihm erst 14 Monate später aus anderen als gesundheitlichen Gründen gekündigt wurde.
28 
Die Abhängigkeit von Leistungen nach dem SGB II/XII beruht auch heute noch auf dieser zu vertretenden Arbeitslosigkeit. Hat ein erwerbsverpflichteter Ausländer ihm zurechenbar den Verlust eines Arbeitsplatzes mit hinreichendem Einkommen verursacht oder wie hier seine Arbeitslosigkeit aus anderen Gründen zu vertreten, liegt dies aber einen erheblichen Zeitraum zurück, so hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der Zurechnungszusammenhang fortbesteht oder durch weitere Entwicklungen unterbrochen ist. Hierfür sind grundsätzlich auch Art und Maß der nachfolgenden Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz sowie die individuellen Arbeitsmarktchancen und der zeitliche Abstand zur zurechenbaren Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen. Der Zurechnungszusammenhang kann auch durch zusätzliche Ereignisse wie etwa eine nachträglich eingetretene Erwerbsunfähigkeit unterbrochen werden, nicht jedoch allein durch die mit zunehmendem Alter sinkenden Arbeitsmarktchancen. Eine zeitlich unbegrenzte „Ewigkeitswirkung“ ist abzulehnen (Berlit, a.a.O., Rn. 249 f.).
29 
Beim Kläger wird der Zurechnungszusammenhang entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts weder durch die erneute Beschäftigung im Jahr 2001 noch durch den Herzinfarkt im Jahr 2004 noch durch den Eintritt ins Rentenalter unterbrochen, sondern besteht fort. Bei der gebotenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles fällt hier in besonderer Weise ins Gewicht, dass der Kläger durch die zu vertretende Arbeitslosigkeit heute geringere Rentenansprüche hat. Deshalb hat er die Abhängigkeit von Leistungen nach dem SGB II/XII - jedenfalls teilweise - auch heute noch zu vertreten. Er hat es über längere Zeit unterlassen, durch zumutbare Arbeit Rentenanwartschaften zu erwerben, die wenigstens einen Teil seines Bedarfs abdecken. Er hätte sich damals nicht nur deshalb auf Stellen bewerben müssen, um durch das Erwerbseinkommen von Sozialhilfe unabhängig zu sein, sondern auch um sich Rentenansprüche für die Alterssicherung aufzubauen. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass sonst die Einbürgerungsvoraussetzung der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts ab Eintritt in das Rentenalter praktisch leer liefe, weil dann alle Ausländer, die sich aus eigenem Verschulden nicht wirtschaftlich integriert hätten, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen mit Erreichen des Rentenalters eingebürgert werden müssten. Zu Lasten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er seine Asylanerkennung und den Erhalt einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis im Jahr 1994 nicht als Anlass gesehen hat, sich um die dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu bemühen. Vielmehr hat er umgekehrt seine anfänglichen Bemühungen – immerhin hatte er während seines Asylverfahrens unmittelbar nach der Einreise für neun Monate gearbeitet und dann im April 1994 noch einmal in seinem eigenen Fachgebiet bei einem Steinmetzen eine Stelle gefunden – fast vollständig eingestellt, als er mit der Asylanerkennung im Mai 1994 die Perspektive eines dauerhaften Bleiberechts hatte. Obwohl ihm die Notwendigkeit der Integration in den Arbeitsmarkt, wie dargelegt, in dieser Zeit besonders bewusst sein musste, hat er sich von der Asylanerkennung an weit über zwei Jahre bei keinem Arbeitgeber beworben und nach seiner Kündigung vom Dezember 1996 auch nicht bei dem Arbeitgeber seiner Ehefrau nach einer Stelle gefragt, obwohl das aufgrund derselben Branche besonders nahegelegen hätte. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger mit angemessenen Bemühungen auch für längere Zeit Arbeit gefunden und aufgrund der Renteneinzahlungen heute einen höheren Rentenanspruch hätte, weil dann zu den Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung und den zurückgelegten Versicherungszeiten in Serbien (vgl. den vorgelegten Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 24.9.2007) noch weitere Versicherungszeiten hinzuzurechnen wären. Dass ihm diese Rentenansprüche jetzt fehlen, muss er deshalb vertreten, weil er sich in der Zeit von Mai 1994 bis Juni 1998 nicht ausreichend um Arbeit gekümmert hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es ihm wegen seines fortgeschrittenen Alters bei der Einreise wohl nicht gelungen wäre, Rentenansprüche oberhalb des Regelbedarfssatzes zu verdienen. Denn die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach SGB II oder XII ist auch dann einbürgerungsschädlich, wenn der Ausländer sie nur teilweise zu vertreten hat. Dass seine Rente auch mit diesen Einzahlungszeiten unterhalb des Sozialhilferegelsatzes bliebe, kann ihn daher nicht entlasten. Im übrigen obliegt dem Einbürgerungsbewerber hier eine besondere Darlegungspflicht, was die fehlende Kausalität zwischen Arbeitslosigkeit und Sozialleistungsbezug angeht.
30 
2. Die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG scheidet ebenfalls aus. Sie setzt nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG unter anderem voraus, dass der Ausländer sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist. Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Von diesen Voraussetzungen kann wegen Fehlens einer besonderen Härte auch nicht gemäß § 8 Abs. 2 StAG abgesehen werden. Nachdem die Anspruchseinbürgerung daran scheitert, dass der Kläger die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach dem SGB II/XII wegen des fehlenden Erwerbs von Rentenanwartschaften zu vertreten hat, ist eine besondere Härte weder unter dem Gesichtspunkt des unverschuldeten Sozialhilfebezugs noch unter dem Aspekt der älteren Person mit langem Inlandsaufenthalt zu bejahen (vgl. hierzu Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise Baden-Württembergs vom Dezember 2007; Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG, 2006, Rn. 107.9 und 107.12 mit Verweis auf Nr. 8.1 Abs. 3 StAR-VwV). Unerheblich ist daher, dass der Beklagte kein Ermessen zu § 8 Abs. 2 StAG ausgeübt hat.
31 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den § 154 Abs. 1 VwGO.
32 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen.
33 
Beschluss
vom 12. März 2008
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt (vgl. Nr. 42.1 des „Streitwertkatalogs 2004“, abgedr. bei Kopp/Schenke, a.a.O., Anh § 164 Rn. 14).
        
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.

(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass

1.
sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,
2.
die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt,
3.
die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,
4.
die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann,
5.
der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.

(2) Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil

1.
sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ausgebildet ist oder die früher ausgeübt wurde,
2.
sie im Hinblick auf die Ausbildung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person als geringerwertig anzusehen ist,
3.
der Beschäftigungsort vom Wohnort der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort,
4.
die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person,
5.
sie mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, es sei denn, es liegen begründete Anhaltspunkte vor, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit entsprechend.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 08. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am ...1976 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro und albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo. Mit Bescheid vom 16.07.1993 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu seinen Gunsten fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien und das Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien vorlägen. Der Kläger ist im Besitz eines am 21.12.1995 ausgestellten Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention. Am 05.11.2001 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.
Der Kläger beantragte unter dem 15.10.2002 seine Einbürgerung. Mit Schreiben vom 09.07.2003 fragte die Beklagte beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge an, ob das Abschiebungshindernis nach § 51 AuslG weiter vorliege. Mit Schreiben vom 30.10.2003 teilte sie dem Kläger mit, nach Auskunft des Innenministeriums Baden-Württemberg müsse vor der Einbürgerung die Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über das eventuell eingeleitete Widerrufsverfahren abgewartet werden. Der Antrag auf Einbürgerung werde daher vorerst zurückgestellt. Mit Schreiben vom 28.11.2003 teilte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit, dass es ein Widerrufsverfahren eingeleitet habe.
Auf die am 06.02.2004 erhobene Untätigkeitsklage verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Beklagte mit Urteil vom 08.12.2004 - 1 K 353/04 -, den Kläger einzubürgern. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, der Kläger erfülle alle gesetzlichen Anforderungen an den Einbürgerungsanspruch nach § 85 Abs. 1 AuslG. Von der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AuslG sei abzusehen, wenn der Ausländer politisch Verfolgter i.S.v. § 51 AuslG sei. Der Kläger erfülle diese Voraussetzungen, da das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt habe und dieser Bescheid bislang nicht widerrufen worden sei. Nur im Falle strafrechtlicher Ermittlungen sei das Einbürgerungsverfahren nach § 88 Abs. 3 AuslG bis zum Abschluss des Verfahrens auszusetzen. Eine entsprechende Regelung für das Verfahren nach § 73 AsylVfG gebe es nicht. Eine entsprechende Anwendung des § 88 Abs. 3 AuslG scheide aus.
Der Senat hat die Berufung auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 16.08.2005 - 12 S 505/05 - zugelassen. - Der Beschluss wurde der Beklagten am 05.09.2005 zugestellt.
Mit der am 29.09.2005 eingegangenen Berufungsbegründung trägt die Beklagte vor, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe mit Bescheid vom 24.02.2005 die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) widerrufen. Der Kläger habe beim Verwaltungsgericht Sigmaringen dagegen Klage erhoben. Vor diesem Hintergrund komme es auf die Frage, ob die Einbürgerungsbehörde das Einbürgerungsverfahren bereits ab Einleitung des Widerrufsverfahrens durch das Bundesamt aussetzen dürfe, nicht mehr an. Der Einbürgerungsanspruch des Klägers beurteile sich nunmehr nach §§ 10 ff. StAG. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 6 StAG komme es nunmehr darauf an, ob der Kläger einen Reiseausweis nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention oder eine nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 AufenthG erteilte Niederlassungserlaubnis besitze. Eine inhaltliche Änderung der Regelung habe nach dem Willen des Gesetzgebers mit dieser Modifikation nicht verbunden werden sollen. Vielmehr habe die Vorschrift an die Systematik des Aufenthaltsgesetzes angepasst werden sollen. Es komme nach der ab 01.01.2005 geltenden Rechtslage entscheidend darauf an, ob die Verfolgungssituation noch bestehe und demzufolge der Reiseausweis noch rechtmäßig besessen werde. Die Entscheidung über den Widerruf der asylrechtlichen Entscheidung durch das Bundesamt sei für das Einbürgerungsverfahren vorgreiflich, weshalb das Einbürgerungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung auszusetzen sei. Nach § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG entfalle bis zur Bestandskraft des Widerrufs die Verbindlichkeit der Asylentscheidung nach § 4 AsylVfG. Sei die asylrechtliche Entscheidung widerrufen oder zurückgenommen worden, könne nach § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG auch der Aufenthaltstitel widerrufen werden mit der Folge, dass der Betroffene ausreisepflichtig werde. Sofern keine besonderen Umstände vorlägen, die den weiteren Aufenthalt des Betroffenen in Deutschland nahe legten, sei regelmäßig vom Widerruf des Aufenthaltstitels auszugehen. Die Entscheidung über den Widerruf sei von der Ausländerbehörde unabhängig davon zu treffen, ob die Entscheidung nach § 73 AsylVfG unanfechtbar sei. Komme es zum Widerruf des Aufenthaltstitels, entfalle die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes und somit eine wesentliche Einbürgerungsvoraussetzung selbst dann, wenn hiergegen Widerspruch eingelegt und Klage erhoben werde (vgl. § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG). Demzufolge sei die Entscheidung über den asylrechtlichen Widerruf auch im Hinblick auf das Vorliegen der einbürgerungsrechtlichen Voraussetzungen vorgreiflich und erfordere die Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 StAG für eine Hinnahme der Mehrstaatigkeit dürften nicht vorliegen, da der Kläger seine Schulausbildung im wesentlichen im Heimatland absolviert habe. Bei § 12 Abs. 3 StAG und § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StAG sei Voraussetzung, dass der Herkunftsstaat die Entlassung von der Leistung des Wehrdienstes abhängig mache. Nach Aktenlage müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger bisher nicht nachgewiesen habe, dass er wehrpflichtig sei und dass deshalb die Entlassung verweigert werde. Könne der Kläger nicht durch eine Bescheinigung des Konsulats oder der serbischen Behörden nachweisen, dass die Entlassung von der Leistung des Wehrdienstes abhängig gemacht werde, so müsse er zumindest nachweisen, dass er sich um die Entlassung bemüht habe. Dauerten diese Entlassungsbemühungen mindestens zwei Jahre an, so seien weitere Bemühungen nicht mehr zumutbar und er könne unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert werden.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 08. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
10 
Zur Begründung führt er aus, die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 StAG lägen vor. Hilfsweise hätte die Beklagte den Kläger gemäß § 12 Abs. 3 StAG nach Ermessen einbürgern und entsprechende Erwägungen anstellen müssen. Insoweit beinhalte der Verpflichtungsantrag hilfsweise auch einen Antrag auf Neubescheidung. Als männlicher albanischer Volkszugehöriger, der der Wehrpflicht unterliege, werde er nach Erkenntnissen des Bundesinnenministeriums de facto nicht von den serbisch-montenegrinischen Behörden ausgebürgert. Die Länder Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen hätten daher entschieden, dass Kosovo-Albaner - wie er - nicht aus der Staatsangehörigkeit entlassen werden müssten, sondern unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert werden könnten. Auf den Erlass des niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 03.06.2005 werde hingewiesen. Danach seien vier Gruppen von Einbürgerungsbewerbern aus Serbien und Montenegro einzubürgern, unter anderem jeder albanische Volkszugehörige und uneingeschränkt Wehrpflichtige albanischer Volkszugehörigkeit. Die Erlasslage spiegele die tatsächliche Situation für albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo wider, die ihre Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit beantragen wollten oder dies bereits unternommen hätten. Die Beklagte werde aufgefordert mitzuteilen, wie viele Fälle serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit ihr bekannt seien, die in den letzten drei Jahren aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit entlassen worden seien. In dem von der Beklagten angeführten Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.03.2005 würden die Erklärungen des Bundesinnenministeriums und der Bericht der deutschen Botschaft vom 06.04.2005 nicht berücksichtigt. Im Staatsangehörigkeitsrecht sei eine gewisse Bundeseinheitlichkeit zu wahren. Der Verfassungsgrundsatz der Bundestreue enthalte unter anderem die Rechtspflicht der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten. Dieses Verfassungsprinzip sei beim Vollzug von Landesgesetzen durch das Land zu beachten, erst recht aber beim Vollzug eines Bundesgesetzes. Sein Anspruch auf Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit folge aus § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG. Nach den Erkenntnissen des Bundesinnenministeriums, der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad und den obersten Einbürgerungsbehörden in Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verweigerten die serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen bzw. Konsulate ethnisch-albanischen Personen serbisch-montenegrinischer Staatsangehörigkeit aus dem Kosovo (Kosovo-Albaner) ungeachtet der Rechtslage de facto die Gewährung konsularischer Dienstleistungen, so dass es ihnen nicht möglich sei, ihre Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit zu betreiben. Von einer regelmäßigen Verweigerung i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG sei auszugehen, wenn bei einer statistischen Betrachtungsweise über einen nennenswerten Zeitraum im Ergebnis die Zahl abgelehnter Entlassungsanträge die der Entlassung deutlich übersteige. Solche statistischen Betrachtungen könne er nicht vornehmen. Er habe mit Schreiben vom 18.11.2005 an die Beklagte einen formlosen Entlassungsantrag zur Weiterleitung an das Generalkonsulat übersandt. Der vorliegende Sachverhalt könne zumindest unter § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG subsumiert werden. Sei es zweifelsfrei absehbar, dass ein Entlassungsantrag erfolglos sein werde, da der Herkunftsstaat die Entlassung generell und unabhängig von einem bestimmten Antrag von unzumutbaren Bedingungen abhängig mache, sei es dem Bewerber nicht abzuverlangen, das Entlassungsverfahren nur der Form halber zu betreiben. Kosovo-Albaner seien de facto von der Gewährung konsularischer Dienstleitungen ausgeschlossen. Sie könnten ein Entlassungsverfahren somit zumindest derzeit niemals erfolgreich betreiben. Entsprechende Entlassungsbemühungen seien somit unzumutbar. Eine Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit könne nicht erfolgen, da nach dem Gesetz über die jugoslawische Staatsangehörigkeit die Ableistung des Wehrdienstes Voraussetzung für eine Entlassung sei. Er sei als männlicher Staatsangehöriger Serbiens und Montenegros im Hinblick auf sein Alter wehrdienstpflichtig. Als ethnischem Albaner sei ihm die Ableistung des Wehrdienstes in der Armee seines festgestellten Verfolgerstaates nicht zuzumuten. Die Ableistung des Wehrdienstes könne, auch wenn sie in § 12 Abs. 3 StAG spezialgesetzlich geregelt sei, im Einzelfall eine unzumutbare Bedingung i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG sein. Das Einbürgerungsbegehren stütze sich ergänzend auf § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG. Die Vorschrift stelle auf den Besitz des Reiseausweises ab. Dieser sei gemäß §§ 73 Abs. 6, 72 Abs. 2 AsylVfG erst nach Unanfechtbarkeit des Widerrufs der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abzugeben. Am Wortlaut des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG ändere auch § 73 Abs. 2 a Abs. 4 AsylVfG nichts, der entgegen der Regelung im Staatsangehörigkeitsgesetz auf die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag abstelle. Hilfsweise werde der Antrag auf § 12 Abs. 1 S. 1 StAG gestützt. § 12 Abs. 1 StAG beinhalte in S. 2 keine abschließende Aufzählung. Für die Auslegung der Vorschrift sei nämlich Art. 16 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 06.11.1997 (EuStAGÜbk) zu beachten. Zwar sei das Übereinkommen für die Bundesrepublik Deutschland noch nicht in Kraft getreten, das Zustimmungsgesetz datiere allerdings bereits vom 04.02.2002, sei also bei der Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes zum 01.01.2005 bereits beschlossen gewesen. Das deutsche Recht müsse sich daher zumindest für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe an diesem Übereinkommen messen lassen, zumal dieses auf Europaratsebene beratene Übereinkommen neben den bestehenden völkerrechtlichen Verträgen auch die Rechtsprechung des IGH, EuGH und EGMR habe zusammenfassen sollen und somit ein Teil des Völkerrechts bilde, der nach Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts sei. Die in Art. 16 EuStAGÜbk enthaltene Formulierung sei weitergehend als die in § 12 Abs. 1 S. 1 StAG und lasse eine abschließende Aufzählung einzelner Fallgruppen nicht zu. Da die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtliche Vorbehalte zu Art. 16 EuStAGÜbk nicht erklärt habe, sei nunmehr § 12 Abs. 1 S. 1 StAG als Generalklausel zu verstehen. Danach sei der Einbürgerungsanspruch auch dann gegeben, wenn die Aufgabe der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit unzumutbar sei, weil er de facto von der Gewährung konsularischer Dienstleistungen Serbien-Montenegros ausgeschlossen sei.
11 
Dem Senat liegen die einschlägige Akte der Beklagten und die Akte des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (1 K 353/04) vor.

Entscheidungsgründe

 
12 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte nicht in der mündlichen Verhandlung vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit ist sie in der Ladung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
13 
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung (1.). Allerdings hat die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (erstmals) über den Antrag des Klägers auf Ermessenseinbürgerung zu entscheiden (2.). Das Urteil des Verwaltungsgerichts war daher entsprechend abzuändern, und der Klage war (zum Teil) stattzugeben (§ 113 Abs. 5 VwGO).
14 
Die Klage ist als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) entscheidungsreif, da nach Erlass des Widerrufsbescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.02.2005 kein zureichender Grund (mehr) besteht, mit der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag weiter abzuwarten (im Einzelnen s.u. zu 1.1.).
15 
1.) Maßgeblich für die Frage, ob der Kläger einzubürgern ist, ist die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgebliche Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1996 - 1 B 82.95 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 49; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris). Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Einbürgerungsanspruch ist daher § 10 StAG i.d.F. des am 01.01.2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950).
16 
Der Kläger erfüllt mit Ausnahme der Voraussetzung der Aufgabe oder des Verlustes der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG) alle Voraussetzungen des gesetzlichen Einbürgerungsanspruchs des § 10 Abs. 1 S. 1 StAG. Zwar wurde er in der Vergangenheit mehrfach wegen Straftaten zu Geldstrafen verurteilt, was grundsätzlich den Einbürgerungsanspruch ausschließt (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StAG); die Verurteilungen bleiben aber nach § 12 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAG außer Betracht, weil mit keiner von ihnen eine Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verhängt wurde. Eine Zusammenrechnung mehrerer Geldstrafen ist nicht zulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.03.1997 - 1 B 217.96 -, InfAuslR 1997, 315 = NVwZ-RR 1997, 737; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., § 12 a RdNr. 2; Berlit in GK-StAR, Stand November 2000, IV-3 § 88 RdNr. 21).
17 
Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG kann nicht gemäß § 12 Abs. 1 S.1 StAG deshalb abgesehen werden, weil der Kläger seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Der Kläger kann sich auf keine der in § 12 Abs.1 S. 2 StAG genannten Fallgruppen, in denen von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG abzusehen ist, berufen.
18 
1.1.) Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG nicht vor. Danach ist die Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit vorzunehmen, wenn der Ausländer einen Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) - Genfer Flüchtlingskonvention - oder eine nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 AufenthG erteilte Niederlassungserlaubnis besitzt. Damit wird - anders als in § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG - nicht auf den Status eines politisch Verfolgten oder Flüchtlings abgestellt. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Modifikation die Regelung an die Systematik des Aufenthaltsgesetzes anpassen (BT-Drs. 15/420, S. 116). Damit scheidet trotz Flüchtlingseigenschaft eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit aus, wenn der Ausländer wegen Fehlens der Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention, etwa weil er sich nicht rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, nicht im Besitz eines Reiseausweises ist.
19 
Dass der Gesetzgeber nunmehr an den Besitz des durch den Flüchtlingsstatus erlangten Ausweises anknüpft, bedeutet allerdings nicht, dass die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Besitzes einbürgerungsrechtlich unbeachtlich wäre; so kann sich derjenige nicht mit Erfolg auf § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG berufen, der entgegen seiner aus §§ 73 Abs. 6 i.V.m. 72 Abs. 2 AsylVfG folgenden Verpflichtung den Reiseausweis nicht unverzüglich bei der Ausländerbehörde abgegeben hat (vgl. BayVGH, Urteil vom 17.02.2005 - 5 B 04.392 -juris).
20 
Im vorliegenden Fall „besitzt“ der Kläger zwar noch seinen Reiseausweis nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention; gleichwohl kann im vorliegenden Fall nicht nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG von der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs.1 S. 1 Nr. 4 StAG abgesehen werden. Unabhängig von der Problematik der Rechtmäßigkeit des Besitzes (vgl. dazu §§ 73 Abs. 6, 72 Abs. 2 AsylVfG und die allgemeine Regelung des § 52 S. 1 VwVfG) ist jedenfalls für das Einbürgerungsverfahren davon auszugehen, dass der Begünstigte sich in der Zeit vor der endgültigen gerichtlichen Klärung der Widerrufsproblematik nicht auf den Besitz des Reiseausweises berufen kann. Würde man allein den Besitz des Reiseausweises für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG genügen lassen, obwohl die Flüchtlingseigenschaft bereits widerrufen bzw. zurückgenommen ist, würde § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG in der seit 01.01.2005 geltenden Fassung leer laufen. Diese Vorschrift ordnet an, dass bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme für Einbürgerungsverfahren die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag entfällt. Zweck der Regelung ist es, in Einbürgerungsverfahren den Statusberechtigten so zu stellen, als wäre der Statusbescheid nicht ergangen (vgl. Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, § 73 RdNr. 209). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn der Ausländer im Einbürgerungsverfahren sich nach wie vor mit dem Vortrag, er besitze noch den Reiseausweis, im Ergebnis auf den Fortbestand der Flüchtlingseigenschaft berufen könnte.
21 
Hieraus ergibt sich auch, dass der Senat das Verfahren nicht nach § 94 VwGO bis zum Abschluss des Verfahrens beim Verwaltungsgericht Sigmaringen, in dem der Kläger die Aufhebung des Widerrufsbescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge begehrt, auszusetzen hat. Bis zum Eintritt der Bestandskraft des Widerrufsbescheides ist - wie dargelegt - davon auszugehen, dass der Einbürgerungsbewerber den Rechtsvorteil des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG nicht geltend machen kann. Ergeht im Widerrufsverfahren eine für den Einbürgerungsbewerber negative Gerichtsentscheidung, so folgt hieraus, dass der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG ohnehin nicht gegeben ist; in diesem Fall setzt auch die Rückgabeverpflichtung des § 73 Abs. 6 i.V.m. § 72 Abs. 2 AsylVfG ein. Wird der gegen den Widerrufsbescheid erhobenen Klage dagegen rechtskräftig stattgegeben, hat dies nicht zur Folge, dass damit die Rechtswirkung des § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG rückwirkend wieder beseitigt werden würde (a.A. Funke-Kaiser, in GK-AsylVfG, Stand: Dezember 2004, II-§ 4 RdNr. 19). Aus dem Gesetzeswortlaut („entfällt“) ergibt sich vielmehr, dass für die Zeit bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag endgültig wegfallen soll. Hätte der Gesetzgeber anderes regeln wollen, so hätte es nahe gelegen zu formulieren, dass die Entscheidung über den Asylantrag bis zur Bestandskraft des Widerrufs- oder Rücknahmebescheides als nicht verbindlich gilt oder vorläufig nicht verbindlich ist. Auch wurde keine § 84 Abs. 2 S. 3 AufenthG entsprechende Regelung getroffen. Danach tritt im Falle des Erfolgs eines Widerspruchs oder einer Klage, die unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt lassen, eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes nicht ein. Auch hat der Gesetzgeber nicht - wie in § 12 a Abs. 3 StAG im Falle eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat - angeordnet, dass das Einbürgerungsverfahren bis zur Bestandskraft des Widerrufs- oder Rücknahmebescheides auszusetzen ist.
22 
1.2.) Von der Einhaltung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG kann auch nicht nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG abgesehen werden. Danach ist eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert und der Ausländer der zuständigen Behörde einen Entlassungsantrag zur Weiterleitung an den ausländischen Staat übergeben hat. Der Entlassungsantrag muss unwiderruflich sein und denjenigen Voraussetzungen entsprechen, die im Recht des Heimatstaates für die Entlassung zwingend vorgeschrieben sind (vgl. Hailbronner/Renner, aaO § 12 RdNr. 12). Er hat vollständig und formgerecht zu sein, auch wenn § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG darauf im Gegensatz zu Nr. 3 nicht abhebt (vgl. Berlit, aaO, § 87 RdNr. 43 ff.). Diesen Anforderungen entspricht der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 18.11.2005 an die Beklagte übersandte Entlassungsantrag nicht. Ihm waren keinerlei Unterlagen beigefügt, obwohl nach dem dem Senat vom Innenministerium Baden-Württemberg übersandten Informationsblatt des Generalkonsulats von Serbien und Montenegro in Stuttgart ein Auszug aus dem Geburtsregister, ein Auszug aus dem Heiratsregister, falls der Antragsteller verheiratet ist, eine Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit von Serbien und Montenegro, die nicht älter als sechs Monate ist, eine Einbürgerungszusicherung, die mindestens noch ein Jahr zum Zeitpunkt der Antragstellung gültig ist, sowie ein Pass vorgelegt werden müssen. Darüber hinaus muss der Antrag (im Informationsblatt im einzelnen benannte) Angaben enthalten. Auch daran fehlt es hier.
23 
Darüber hinaus liegt eine regelmäßige Verweigerung der Entlassung durch den ausländischen Staat erst dann vor, wenn Entlassungen nie oder fast nie ausgesprochen werden (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 19; Nr. 87.1.2.2 StAR-VwV). Die regelmäßige Verweigerung der Entlassung allein hinsichtlich bestimmter Personengruppen bzw. besonderer Kategorien von Staatsangehörigen genügt nicht (vgl. Hailbronner/Renner aaO, § 12 StAG RdNr. 11). Dass - wie die Botschaft Belgrad in ihrem Schreiben vom 06.04.2005 an das Auswärtige Amt (Gz.: RK 512.00; Ber. Nr.: 209/05) ausführt - ethnisch albanische Personen serbisch-montenegrinischer Staatsangehörigkeit aus dem Kosovo von der Gewährung konsularischer Dienstleistungen seitens serbisch-montenegrinischer Auslandsvertretungen de facto ausgeschlossen sind, rechtfertigt die Annahme einer regelmäßigen Verweigerung der Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG nicht, da die Feststellung der Praxis der serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen weder Angehörige anderer Volksgruppen aus dem Kosovo noch serbisch-montenegrinische Staatsangehörige aus dem übrigen Teil Serbiens oder aus Montenegro betrifft. Darüber hinaus ist fraglich, ob die Feststellungen der Botschaft hinsichtlich aller serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen in der Bundesrepublik Deutschland zutreffen. Insofern wird in dem Botschaftsbericht nicht differenziert. Was z.B. das Generalkonsulat in Stuttgart angeht, führt das Innenministerium Baden-Württemberg in dem Protokoll vom 15.11.2004 über ein mit dem Generalkonsulat am 09.11.2004 geführtes Gespräch aus, es treffe nicht zu, dass Anträge kosovo-albanischer Antragsteller oder sonstiger Minderheiten nicht entgegengenommen würden. Weitere Erkenntnisse über die Behandlung von Entlassungsanträgen von aus dem Kosovo stammenden Staatsangehörigen Serbien und Montenegros albanischer Volkszugehörigkeit liegen dem Senat nicht vor.
24 
1.3.) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG wird auch dann abgesehen, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG). Danach stehen drei Fallgruppen der vom Einbürgerungsbewerber nicht zu vertretenen Nichtentlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit selbständig nebeneinander. Die erste Fallgestaltung (Versagung der Entlassung) setzt grundsätzlich eine einen vollständigen und formgerechten (vgl. Berlit aaO § 87 RdNr. 76) Entlassungsantrag ablehnende schriftliche Entscheidung voraus. Darüber hinaus liegt nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (vgl. Urteil vom 15.11.2002 - 13 S 810/02 -, DVBl. 2003, 469 = InfAuslR 2003, 160; vgl. auch Nr. 87.1.2.3.1 StAR-VwV) eine „Versagung“ der Entlassung auch dann vor, wenn die Stellung eines Antrags auf Entlassung trotz mehrerer ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen des Einbürgerungsbewerbers und trotz amtlicher Begleitung, soweit sie sinnvoll und durchführbar ist, über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten hinweg nicht ermöglicht wird; dies gilt bei mehrstufigen Entlassungsverfahren auch für die Einleitung der nächsten Stufen. Der Kläger hat bislang weder einen den Anforderungen des Generalkonsulats Stuttgart entsprechenden Entlassungsantrag gestellt - nach dem Informationsblatt des Generalkonsulats ist der Antrag beim Konsulat persönlich zu stellen - noch sich ernsthaft und nachhaltig, allerdings erfolglos um eine Antragstellung bemüht. Auch die dritte Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG (Nichtbescheidung eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrages in angemessener Zeit) ist daher nicht erfüllt.
25 
Der Kläger kann sich auch nicht auf die zweite Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG (Koppelung der Entlassung an unzumutbare Bedingungen) berufen. Sie scheidet derzeit aus, weil es (noch) an der entsprechenden Einleitung eines Entlassungsverfahrens fehlt.
26 
Berlit (aaO, § 87 RdNr. 77) vertritt hierzu die Auffassung, bei der zweiten Fallgruppe sei ungeachtet der systematischen Stellung zwischen zwei Fallgruppen mit vorausgesetztem Entlassungsantrag ein solcher u.U. nicht erforderlich (a.A. wohl BayVGH, Urteile vom 17.02.2005 - 5 BV 04.1225, 5 B 04.389 und 5 B 04.392 -). Es sei auch die Fallkonstellation umfasst, in der von vornherein klar sei, dass die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit generell und unabhängig von einem Entlassungsantrag zumindest für Angehörige bestimmter Personenkreise von unzumutbaren - sachlichen oder verfahrensmäßigen - Bedingungen abhängig gemacht werde, ein Entlassungsantrag könne dann wegen erkennbarer Erfolglosigkeit nicht abverlangt werden. Nach dieser Auffassung kommt hier das Vorliegen der Voraussetzungen der zweiten Fallgruppe in Betracht, weil die serbisch-montenegrinischen Behörden - wie das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport in dem vom Kläger-Vertreter vorgelegten Schreiben vom 03.06.2005 ausführt - die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit „durchweg“ an der Forderung nach Erfüllung der Wehrpflicht scheitern lassen (vgl. auch das Schreiben des Generalkonsulats Stuttgart vom 17.10.2005 an das Innenministerium Baden-Württemberg, wonach die Ableistung des Wehrdienstes nach dem Gesetz über die Staatsbürgerschaft von Serbien und Montenegro Voraussetzung für die Entlassung ist), in der Praxis aber wehrpflichtige albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo seit Jahren nicht zum Wehrdienst eingezogen werden (vgl. Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro - ohne Kosovo - vom 23.09.2005). Wohl aus diesem Grund geht das Innenministerium Baden-Württemberg vom Vorliegen einer unzumutbaren Bedingung aus, wenn die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig gemacht bzw. aus diesem Grund abgelehnt wird, sofern es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handelt (vgl. Erlass vom 10.03.2005 - Az.: 5 - 1015/ Serbien-Montenegro -, Nr. 6). Nach diesem Erlass ist daher - wohl anders als nach dem oben genannten Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport - die Kopplung der Entlassung an die Ableistung des Wehrdienstes bzw. die Ablehnung der Entlassung wegen der fehlenden Ableistung des Wehrdienstes im Einzelfall erforderlich, was wiederum die Durchführung eines Entlassungsverfahrens voraussetzt.
27 
Auch nach Auffassung des Senats kann hier für die zu prüfende Fallgruppe (unzumutbare Bedingung) auf das Erfordernis der Stellung eines ordnungsgemäßen Entlassungsantrages bzw. zumindest der Beantragung der dafür notwendigen Unterlagen nicht verzichtet werden. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG betrifft - in allen drei Fallgruppen - grundsätzlich Fälle, in denen ein Entlassungsantrag gestellt wird, das Entlassungsverfahren aber im Einzelfall scheitert (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 19), während die Nr. 2 sich auf die Fälle genereller Verweigerung bezieht. Von diesem Grundsatz abzuweichen besteht im vorliegenden Fall kein Anlass. Ob Serbien und Montenegro die Entlassung des Klägers aus der Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig machen wird, muss sich im Entlassungsverfahren herausstellen. Denn es kann mangels eines Nachweises für die Wehrpflicht des Klägers nicht ausgeschlossen werden, dass er gar nicht der Wehrpflicht unterliegt, etwa weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht wehrdienstfähig ist - wenn dies hier auch unwahrscheinlich sein mag - oder weil er aus anderen Gründen von der Wehrpflicht freigestellt ist. Die Erfüllung des Entlassungserfordernisses „Ableistung des Wehrdienstes“ kann nur dann unzumutbar sein, wenn es tatsächlich der Entlassung entgegensteht (vgl. Berlit, aaO § 87 RdNr. 159). Das Bestehen der Wehrpflicht kann, jedenfalls solange kein Nachweis über die Wehrpflicht vorliegt, nur im Entlassungsverfahren durch den ausländischen Staat zuverlässig festgestellt werden. Es obliegt daher dem Einbürgerungsbewerber, sich zunächst um die Entlassung aus seiner Staatsangehörigkeit zu bemühen, damit diese Prüfung durchgeführt werden kann.
28 
Die Einleitung des Entlassungsverfahrens ist dem Kläger auch zumutbar. Dass er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht im Besitz eines gültigen Passes von Serbien und Montenegro ist, steht dem nicht entgegen. Zwar wird - wie sich aus dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.03.2003 sowie aus dem oben genannten Protokoll vom 15.11.2004 ergibt - ohne einen gültigen Pass vom Generalkonsulat Stuttgart ein Entlassungsverfahren nicht eingeleitet, andererseits wird dem Kläger ein Pass nur dann ausgestellt, wenn er durch eine behördliche Bescheinigung nachweist, dass die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft erloschen ist. Auch kann ihm wohl eine Rücknahme seiner Klage gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamtes bzw. ein Verzicht auf die Flüchtlingseigenschaft nicht zugemutet werden (vgl. Hailbronner/Renner, aaO § 12 RdNr. 17; Berlit, aaO § 87 RdNr. 128). Im derzeitigen Stadium des Verfahrens steht jedoch der Verzicht auf die Rechtsstellung eines politischen Flüchtlings durch den Kläger noch gar nicht im Raum, da nach dem vom Innenministerium Baden-Württemberg vorgelegten Merkblatt des Generalkonsulats Stuttgart u.a. Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses ist, dass ein Staatsangehörigkeitsnachweis vom Kläger beschafft wird. Erst wenn dieser vorliegt - das Innenministerium spricht im Protokoll vom 15.11.2004 von längeren, unter Umständen mehrjährigen Verfahrenszeiten - kann ein Reisepass beantragt werden. Möglicherweise ist das Schicksal des Widerrufsbescheids des Bundesamtes bis dahin geklärt. Es ist also keineswegs zwangsläufig, dass die Ausstellung eines Reisepasses von unzumutbaren Bedingungen abhängig gemacht werden würde.
29 
Festzuhalten ist, dass die Entlassungsvoraussetzungen von Serbien und Montenegro, insbesondere die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsnachweises, als solche nicht von vornherein unzumutbar sind. Dass die Behörden des Herkunftsstaates den Einbürgerungsbewerber auffordern, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, stellt grundsätzlich keine unzumutbare Bedingung dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002, aaO). Sollte sich aber herausstellen, dass dem Kläger aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die Beibringung der erforderlichen Unterlagen in absehbarer Zeit nicht möglich ist, kommt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 2. Fallgestaltung StAG allerdings ernsthaft in Betracht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002, aaO). Zum jetzigen Zeitpunkt kann davon aber noch nicht ausgegangen werden, da der Kläger bislang keine Bemühungen zur Beschaffung der für die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Dokumente unternommen hat.
30 
1.4.) Der Kläger kann auch nicht abweichend von den Voraussetzungen der in § 12 Abs. 1 S. 2 StAG genannten Fälle auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 S. 1 StAG unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert werden. Nach ganz überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur sind die in S. 2 genannten Tatbestände abschließend und nicht nur Beispielsfälle (vgl. OVG Münster, Urteil vom 16.09.1997 - 25 A 1816/96 -, InfAuslR 1998, 186; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.1991 - 13 S 1627/90 -, InfAuslR 1992, 98; Hailbronner/Renner, aaO § 12 StAG RdNr. 4 ff.; Renner, Ausländerrecht, Nachtrag zur 7. Auflage, § 87 AuslG RdNr. 2; Göbel-Zimmermann, Das neue Staatsangehörigkeitsrecht - Erfahrungen und Reformvorschläge, ZAR 2003, 65, 70; Nr. 87.1.1 StAR-VwV). Selbst wenn aber § 12 Abs. 1 S. 1 StAG als (Auffang-)Generalklausel zu verstehen sein sollte, kommt deren Anwendung nur in Betracht, soweit keine der in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 6 StAG genannten Fallgruppen einschlägig ist. Soweit - wie hier - die geltend gemachten Gründe für eine Hinnahme der Mehrstaatigkeit diesen Fallgruppen zuzuordnen sind, deren Voraussetzungen aber nicht vorliegen, kommt ein Rückgriff auf § 12 Abs. 1 S. 1 StAG nicht in Betracht (ebenso wohl Berlit, aaO, § 87 Rdnr. 27). Etwas anderes folgt hier auch nicht aus Art. 16 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 06.11.1997 (abgedruckt bei Hailbronner/Renner, aaO, Teil III Anhang A, II.8.). Danach darf ein Vertragsstaat den Erwerb oder die Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit nicht von der Aufgabe und dem Verlust einer anderen Staatsangehörigkeit abhängig machen, wenn die Aufgabe oder der Verlust unmöglich oder unzumutbar ist. Dass eine Entlassung des Klägers aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit unmöglich oder unzumutbar ist, steht derzeit gerade nicht fest.
31 
1.5.) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG kann auch nicht gemäß § 12 Abs. 3 StAG abgesehen werden. Der am ...1976 geborene Kläger ist im Juli 1993, mithin im Alter von 16 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er hat daher nicht den überwiegenden Teil seiner Schulausbildung in deutschen Schulen erhalten.
32 
2.) Eine Ermessenseinbürgerung auf der Grundlage des § 8 StAG ist allerdings rechtlich nicht ausgeschlossen. Eine Entscheidung darüber hat die Beklagte bislang nicht getroffen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 StAG liegen unstreitig vor. Die Einbürgerung des Klägers steht demnach im gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Ermessen (§ 114 S. 1 VwGO) der Beklagten. Die Einbürgerung nach § 8 StAG ist auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit ausgeschlossen. Der Grundsatz ist nicht auf der Tatbestandsseite der Vorschrift zu beachten. Er findet vielmehr (nur) im Rahmen der Ermessensbetätigung Berücksichtigung und kann mithin „überwunden“ werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11.11.2004 - 5 ZB 04.916 - juris). Auch nach Nrn. 8.1.2.6 und 8.1.2.6.3 StAR-VwV sowie den vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums (Nrn. 8.1.2.6 und 8.1.2.6.3) ist der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei der Ermessensausübung zu beachten. Ausnahmen von diesem Einbürgerungshindernis werden dort nur beispielhaft aufgeführt.
33 
Allerdings kann der Kläger nicht die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Einbürgerung nach § 8 StAG beanspruchen. Zwar erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich auch im Rahmen eines auf § 8 StAG gestützten Einbürgerungsbegehrens die Frage einer durch eine Folgenbeseitigungslast ausgelösten Ermessensverdichtung stellen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1996, aaO; BayVGH, Urteil vom 17.02.2005 - 5 BV 04.1225 -). Dies würde aber voraussetzen, dass sich eine rechtswidrige Untätigkeit der Beklagten feststellen ließe, die aufgrund des späteren Erlasses des Widerrufsbescheids gem. § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG zum (zumindest vorübergehenden) Untergang des Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG geführt hat (vgl. zur Folgenbeseitigungslast im Ausländerrecht aufgrund Untätigkeit der Behörde: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.11.2005 - 13 S 1547/05 - sowie Beschlüsse vom 28.07.1998 - 13 S 1588/97 -, InfAuslR 1999, 27 = DVBl. 1999, 176 und vom 27.09.1993 - 13 S 547/93 -).
34 
Eine solche rechtswidrige Untätigkeit lag hier aber nicht vor. Die nach § 9 VwVfG zu zweckmäßiger Durchführung des Verfahrens verpflichtete Beklagte hat zu Recht zunächst mit Schreiben vom 09.07.2003 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge angefragt, ob die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nach wie vor Bestand habe. Denn die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft war Voraussetzung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG.
35 
Die Beklagte war auch berechtigt, nachdem das Bundesamt mit Schreiben vom 28.11.2003 mitgeteilt hatte, gegen den Kläger sei ein Widerrufs-/Rücknahmeverfahren eingeleitet worden, den rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens - bzw. nach der ab 01.01.2005 geltenden Rechtslage den Erlass des Widerrufsbescheids - abzuwarten. Zwar lag, solange noch kein Widerrufsbescheid ergangen war, eine nach § 4 AsylVfG für die Beklagte verbindliche Entscheidung über die Flüchtlingseigenschaft vor. Die Beklagte war daher nicht berechtigt gewesen, davon abweichend die Flüchtlingseigenschaft aufgrund eigener Beurteilung zu verneinen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2000 - 13 S 2740/99 -, VBlBW 2001, 30 = InfAuslR 2001, 98). Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit auf der Grundlage des § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG bzw. des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG trotz Einleitung des Widerrufsverfahrens (vgl. § 73 Abs. 4 AsylVfG) einzubürgern und vor der veränderten Sachlage sozusagen die Augen zu verschließen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 26.07.2004 - 12 TG 1820/04 -, NVwZ-RR 2005, 139; VG Hannover, Urteil vom 25.06.2001 - 10 A 5544/00 -, NVwZ 2002 -Beilage, S. 63; a.A. wohl BayVGH, Beschlüsse vom 09.02.2004 - 5 ZB 03.2842 - juris, und vom 14.10.2003 - 5 C 03.2024 -, BayVBl 2004, 182, wonach erst der Erlass des Widerrufsbescheids den Zeitpunkt markierte, ab dem Zweifel über die tatsächlichen Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG vorlagen; a.A. auch VG Ansbach, Urteil vom 17.10.2001 - 15 K 01.01081 -, NVwZ-RR 2002, 604). Als statusveränderndem Verwaltungsakt mit weit reichenden Folgen kommt der Einbürgerung erhebliche rechtliche Bedeutung und Dauerwirkung zu. Aufgrund des in Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG normierten Verbots, die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen, ist ein Verlust der Staatsangehörigkeit durch Widerruf, also die nachträgliche Aufhebung einer rechtmäßig vollzogenen Einbürgerung nach § 49 VwVfG nicht zulässig (vgl. Hailbronner, aaO § 17 StAG RdNr. 15; Marx in GK-StAR, Stand 2000 - IV - 2 § 17 RdNr. 25). Erfolgt die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, weil der Einbürgerungsbewerber politisch Verfolgter i.S.v. § 51 Abs. 1 AuslG bzw. im Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, kann die Einbürgerung daher nicht widerrufen werden, wenn später die Flüchtlingseigenschaft durch Rücknahme oder Widerruf des anerkennenden Bescheides nach § 73 AsylVfG entfällt. Von daher hat die Beklagte ein berechtigtes Anliegen verfolgt, durch vorläufiges Abwarten mit der Entscheidung dafür Sorge zu tragen, dass die Einbürgerungsvoraussetzungen möglichst dauerhaft erfüllt sind und nicht - möglicherweise kurz nach erfolgter Einbürgerung - wieder wegfallen (vgl. VG Hannover, aaO). Berücksichtigt werden können in diesem Zusammenhang konkrete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Flüchtlingsstatus in absehbarer Zeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2000 - 13 S 2740/99 -, VBlBW 2001, 30 = InfAuslR 2001, 98; BVerwG, Urteil vom 21.09.1999 - 9 C 12.99 -, BVerwGE 109, 305). Solche Anhaltspunkte lagen hier im Hinblick auf die Mitteilung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über die Einleitung des Widerrufs - bzw. Rücknahmeverfahrens und die Änderung der politischen Verhältnisse in Serbien und Montenegro vor. Kosovo-Albaner sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 29.03.2001 - A 14 S 2078/99 - juris) auf dem gesamten serbischen Staatsgebiet hinreichend sicher vor politischer Verfolgung. Unter diesen Umständen ist die von der Beklagten im Rahmen des Ermessens bei der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens getroffene Entscheidung, den Ausgang des Widerrufsverfahrens abzuwarten, in dem über die für das Einbürgerungsverfahren nach § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG vorgreifliche Frage der politischen Verfolgung zu entscheiden war, bzw. den für das Einbürgerungsverfahren nach § 73 Abs. 2a S. 4 AsylVfG n.F. maßgeblichen Erlass des Widerrufsbescheids abzuwarten, nicht zu beanstanden (vgl. Knack, VwVfG 8. Aufl., § 9 RdNr. 23; Obermayer VwVfG, 3. Aufl., § 9 RdNr. 61; Kopp, VwVfG 6. Aufl., 1996, Vorbemerkung § 9 RdNr. 19).
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO.
37 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Gründe

 
12 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte nicht in der mündlichen Verhandlung vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit ist sie in der Ladung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
13 
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung (1.). Allerdings hat die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (erstmals) über den Antrag des Klägers auf Ermessenseinbürgerung zu entscheiden (2.). Das Urteil des Verwaltungsgerichts war daher entsprechend abzuändern, und der Klage war (zum Teil) stattzugeben (§ 113 Abs. 5 VwGO).
14 
Die Klage ist als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) entscheidungsreif, da nach Erlass des Widerrufsbescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.02.2005 kein zureichender Grund (mehr) besteht, mit der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag weiter abzuwarten (im Einzelnen s.u. zu 1.1.).
15 
1.) Maßgeblich für die Frage, ob der Kläger einzubürgern ist, ist die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgebliche Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1996 - 1 B 82.95 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 49; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris). Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Einbürgerungsanspruch ist daher § 10 StAG i.d.F. des am 01.01.2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950).
16 
Der Kläger erfüllt mit Ausnahme der Voraussetzung der Aufgabe oder des Verlustes der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG) alle Voraussetzungen des gesetzlichen Einbürgerungsanspruchs des § 10 Abs. 1 S. 1 StAG. Zwar wurde er in der Vergangenheit mehrfach wegen Straftaten zu Geldstrafen verurteilt, was grundsätzlich den Einbürgerungsanspruch ausschließt (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StAG); die Verurteilungen bleiben aber nach § 12 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAG außer Betracht, weil mit keiner von ihnen eine Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verhängt wurde. Eine Zusammenrechnung mehrerer Geldstrafen ist nicht zulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.03.1997 - 1 B 217.96 -, InfAuslR 1997, 315 = NVwZ-RR 1997, 737; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., § 12 a RdNr. 2; Berlit in GK-StAR, Stand November 2000, IV-3 § 88 RdNr. 21).
17 
Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG kann nicht gemäß § 12 Abs. 1 S.1 StAG deshalb abgesehen werden, weil der Kläger seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Der Kläger kann sich auf keine der in § 12 Abs.1 S. 2 StAG genannten Fallgruppen, in denen von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG abzusehen ist, berufen.
18 
1.1.) Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG nicht vor. Danach ist die Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit vorzunehmen, wenn der Ausländer einen Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) - Genfer Flüchtlingskonvention - oder eine nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 AufenthG erteilte Niederlassungserlaubnis besitzt. Damit wird - anders als in § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG - nicht auf den Status eines politisch Verfolgten oder Flüchtlings abgestellt. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Modifikation die Regelung an die Systematik des Aufenthaltsgesetzes anpassen (BT-Drs. 15/420, S. 116). Damit scheidet trotz Flüchtlingseigenschaft eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit aus, wenn der Ausländer wegen Fehlens der Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention, etwa weil er sich nicht rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, nicht im Besitz eines Reiseausweises ist.
19 
Dass der Gesetzgeber nunmehr an den Besitz des durch den Flüchtlingsstatus erlangten Ausweises anknüpft, bedeutet allerdings nicht, dass die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Besitzes einbürgerungsrechtlich unbeachtlich wäre; so kann sich derjenige nicht mit Erfolg auf § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG berufen, der entgegen seiner aus §§ 73 Abs. 6 i.V.m. 72 Abs. 2 AsylVfG folgenden Verpflichtung den Reiseausweis nicht unverzüglich bei der Ausländerbehörde abgegeben hat (vgl. BayVGH, Urteil vom 17.02.2005 - 5 B 04.392 -juris).
20 
Im vorliegenden Fall „besitzt“ der Kläger zwar noch seinen Reiseausweis nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention; gleichwohl kann im vorliegenden Fall nicht nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG von der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs.1 S. 1 Nr. 4 StAG abgesehen werden. Unabhängig von der Problematik der Rechtmäßigkeit des Besitzes (vgl. dazu §§ 73 Abs. 6, 72 Abs. 2 AsylVfG und die allgemeine Regelung des § 52 S. 1 VwVfG) ist jedenfalls für das Einbürgerungsverfahren davon auszugehen, dass der Begünstigte sich in der Zeit vor der endgültigen gerichtlichen Klärung der Widerrufsproblematik nicht auf den Besitz des Reiseausweises berufen kann. Würde man allein den Besitz des Reiseausweises für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG genügen lassen, obwohl die Flüchtlingseigenschaft bereits widerrufen bzw. zurückgenommen ist, würde § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG in der seit 01.01.2005 geltenden Fassung leer laufen. Diese Vorschrift ordnet an, dass bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme für Einbürgerungsverfahren die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag entfällt. Zweck der Regelung ist es, in Einbürgerungsverfahren den Statusberechtigten so zu stellen, als wäre der Statusbescheid nicht ergangen (vgl. Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, § 73 RdNr. 209). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn der Ausländer im Einbürgerungsverfahren sich nach wie vor mit dem Vortrag, er besitze noch den Reiseausweis, im Ergebnis auf den Fortbestand der Flüchtlingseigenschaft berufen könnte.
21 
Hieraus ergibt sich auch, dass der Senat das Verfahren nicht nach § 94 VwGO bis zum Abschluss des Verfahrens beim Verwaltungsgericht Sigmaringen, in dem der Kläger die Aufhebung des Widerrufsbescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge begehrt, auszusetzen hat. Bis zum Eintritt der Bestandskraft des Widerrufsbescheides ist - wie dargelegt - davon auszugehen, dass der Einbürgerungsbewerber den Rechtsvorteil des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG nicht geltend machen kann. Ergeht im Widerrufsverfahren eine für den Einbürgerungsbewerber negative Gerichtsentscheidung, so folgt hieraus, dass der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG ohnehin nicht gegeben ist; in diesem Fall setzt auch die Rückgabeverpflichtung des § 73 Abs. 6 i.V.m. § 72 Abs. 2 AsylVfG ein. Wird der gegen den Widerrufsbescheid erhobenen Klage dagegen rechtskräftig stattgegeben, hat dies nicht zur Folge, dass damit die Rechtswirkung des § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG rückwirkend wieder beseitigt werden würde (a.A. Funke-Kaiser, in GK-AsylVfG, Stand: Dezember 2004, II-§ 4 RdNr. 19). Aus dem Gesetzeswortlaut („entfällt“) ergibt sich vielmehr, dass für die Zeit bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag endgültig wegfallen soll. Hätte der Gesetzgeber anderes regeln wollen, so hätte es nahe gelegen zu formulieren, dass die Entscheidung über den Asylantrag bis zur Bestandskraft des Widerrufs- oder Rücknahmebescheides als nicht verbindlich gilt oder vorläufig nicht verbindlich ist. Auch wurde keine § 84 Abs. 2 S. 3 AufenthG entsprechende Regelung getroffen. Danach tritt im Falle des Erfolgs eines Widerspruchs oder einer Klage, die unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt lassen, eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes nicht ein. Auch hat der Gesetzgeber nicht - wie in § 12 a Abs. 3 StAG im Falle eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat - angeordnet, dass das Einbürgerungsverfahren bis zur Bestandskraft des Widerrufs- oder Rücknahmebescheides auszusetzen ist.
22 
1.2.) Von der Einhaltung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG kann auch nicht nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG abgesehen werden. Danach ist eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert und der Ausländer der zuständigen Behörde einen Entlassungsantrag zur Weiterleitung an den ausländischen Staat übergeben hat. Der Entlassungsantrag muss unwiderruflich sein und denjenigen Voraussetzungen entsprechen, die im Recht des Heimatstaates für die Entlassung zwingend vorgeschrieben sind (vgl. Hailbronner/Renner, aaO § 12 RdNr. 12). Er hat vollständig und formgerecht zu sein, auch wenn § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG darauf im Gegensatz zu Nr. 3 nicht abhebt (vgl. Berlit, aaO, § 87 RdNr. 43 ff.). Diesen Anforderungen entspricht der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 18.11.2005 an die Beklagte übersandte Entlassungsantrag nicht. Ihm waren keinerlei Unterlagen beigefügt, obwohl nach dem dem Senat vom Innenministerium Baden-Württemberg übersandten Informationsblatt des Generalkonsulats von Serbien und Montenegro in Stuttgart ein Auszug aus dem Geburtsregister, ein Auszug aus dem Heiratsregister, falls der Antragsteller verheiratet ist, eine Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit von Serbien und Montenegro, die nicht älter als sechs Monate ist, eine Einbürgerungszusicherung, die mindestens noch ein Jahr zum Zeitpunkt der Antragstellung gültig ist, sowie ein Pass vorgelegt werden müssen. Darüber hinaus muss der Antrag (im Informationsblatt im einzelnen benannte) Angaben enthalten. Auch daran fehlt es hier.
23 
Darüber hinaus liegt eine regelmäßige Verweigerung der Entlassung durch den ausländischen Staat erst dann vor, wenn Entlassungen nie oder fast nie ausgesprochen werden (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 19; Nr. 87.1.2.2 StAR-VwV). Die regelmäßige Verweigerung der Entlassung allein hinsichtlich bestimmter Personengruppen bzw. besonderer Kategorien von Staatsangehörigen genügt nicht (vgl. Hailbronner/Renner aaO, § 12 StAG RdNr. 11). Dass - wie die Botschaft Belgrad in ihrem Schreiben vom 06.04.2005 an das Auswärtige Amt (Gz.: RK 512.00; Ber. Nr.: 209/05) ausführt - ethnisch albanische Personen serbisch-montenegrinischer Staatsangehörigkeit aus dem Kosovo von der Gewährung konsularischer Dienstleistungen seitens serbisch-montenegrinischer Auslandsvertretungen de facto ausgeschlossen sind, rechtfertigt die Annahme einer regelmäßigen Verweigerung der Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StAG nicht, da die Feststellung der Praxis der serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen weder Angehörige anderer Volksgruppen aus dem Kosovo noch serbisch-montenegrinische Staatsangehörige aus dem übrigen Teil Serbiens oder aus Montenegro betrifft. Darüber hinaus ist fraglich, ob die Feststellungen der Botschaft hinsichtlich aller serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen in der Bundesrepublik Deutschland zutreffen. Insofern wird in dem Botschaftsbericht nicht differenziert. Was z.B. das Generalkonsulat in Stuttgart angeht, führt das Innenministerium Baden-Württemberg in dem Protokoll vom 15.11.2004 über ein mit dem Generalkonsulat am 09.11.2004 geführtes Gespräch aus, es treffe nicht zu, dass Anträge kosovo-albanischer Antragsteller oder sonstiger Minderheiten nicht entgegengenommen würden. Weitere Erkenntnisse über die Behandlung von Entlassungsanträgen von aus dem Kosovo stammenden Staatsangehörigen Serbien und Montenegros albanischer Volkszugehörigkeit liegen dem Senat nicht vor.
24 
1.3.) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG wird auch dann abgesehen, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG). Danach stehen drei Fallgruppen der vom Einbürgerungsbewerber nicht zu vertretenen Nichtentlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit selbständig nebeneinander. Die erste Fallgestaltung (Versagung der Entlassung) setzt grundsätzlich eine einen vollständigen und formgerechten (vgl. Berlit aaO § 87 RdNr. 76) Entlassungsantrag ablehnende schriftliche Entscheidung voraus. Darüber hinaus liegt nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (vgl. Urteil vom 15.11.2002 - 13 S 810/02 -, DVBl. 2003, 469 = InfAuslR 2003, 160; vgl. auch Nr. 87.1.2.3.1 StAR-VwV) eine „Versagung“ der Entlassung auch dann vor, wenn die Stellung eines Antrags auf Entlassung trotz mehrerer ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen des Einbürgerungsbewerbers und trotz amtlicher Begleitung, soweit sie sinnvoll und durchführbar ist, über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten hinweg nicht ermöglicht wird; dies gilt bei mehrstufigen Entlassungsverfahren auch für die Einleitung der nächsten Stufen. Der Kläger hat bislang weder einen den Anforderungen des Generalkonsulats Stuttgart entsprechenden Entlassungsantrag gestellt - nach dem Informationsblatt des Generalkonsulats ist der Antrag beim Konsulat persönlich zu stellen - noch sich ernsthaft und nachhaltig, allerdings erfolglos um eine Antragstellung bemüht. Auch die dritte Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG (Nichtbescheidung eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrages in angemessener Zeit) ist daher nicht erfüllt.
25 
Der Kläger kann sich auch nicht auf die zweite Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG (Koppelung der Entlassung an unzumutbare Bedingungen) berufen. Sie scheidet derzeit aus, weil es (noch) an der entsprechenden Einleitung eines Entlassungsverfahrens fehlt.
26 
Berlit (aaO, § 87 RdNr. 77) vertritt hierzu die Auffassung, bei der zweiten Fallgruppe sei ungeachtet der systematischen Stellung zwischen zwei Fallgruppen mit vorausgesetztem Entlassungsantrag ein solcher u.U. nicht erforderlich (a.A. wohl BayVGH, Urteile vom 17.02.2005 - 5 BV 04.1225, 5 B 04.389 und 5 B 04.392 -). Es sei auch die Fallkonstellation umfasst, in der von vornherein klar sei, dass die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit generell und unabhängig von einem Entlassungsantrag zumindest für Angehörige bestimmter Personenkreise von unzumutbaren - sachlichen oder verfahrensmäßigen - Bedingungen abhängig gemacht werde, ein Entlassungsantrag könne dann wegen erkennbarer Erfolglosigkeit nicht abverlangt werden. Nach dieser Auffassung kommt hier das Vorliegen der Voraussetzungen der zweiten Fallgruppe in Betracht, weil die serbisch-montenegrinischen Behörden - wie das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport in dem vom Kläger-Vertreter vorgelegten Schreiben vom 03.06.2005 ausführt - die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit „durchweg“ an der Forderung nach Erfüllung der Wehrpflicht scheitern lassen (vgl. auch das Schreiben des Generalkonsulats Stuttgart vom 17.10.2005 an das Innenministerium Baden-Württemberg, wonach die Ableistung des Wehrdienstes nach dem Gesetz über die Staatsbürgerschaft von Serbien und Montenegro Voraussetzung für die Entlassung ist), in der Praxis aber wehrpflichtige albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo seit Jahren nicht zum Wehrdienst eingezogen werden (vgl. Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro - ohne Kosovo - vom 23.09.2005). Wohl aus diesem Grund geht das Innenministerium Baden-Württemberg vom Vorliegen einer unzumutbaren Bedingung aus, wenn die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig gemacht bzw. aus diesem Grund abgelehnt wird, sofern es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handelt (vgl. Erlass vom 10.03.2005 - Az.: 5 - 1015/ Serbien-Montenegro -, Nr. 6). Nach diesem Erlass ist daher - wohl anders als nach dem oben genannten Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport - die Kopplung der Entlassung an die Ableistung des Wehrdienstes bzw. die Ablehnung der Entlassung wegen der fehlenden Ableistung des Wehrdienstes im Einzelfall erforderlich, was wiederum die Durchführung eines Entlassungsverfahrens voraussetzt.
27 
Auch nach Auffassung des Senats kann hier für die zu prüfende Fallgruppe (unzumutbare Bedingung) auf das Erfordernis der Stellung eines ordnungsgemäßen Entlassungsantrages bzw. zumindest der Beantragung der dafür notwendigen Unterlagen nicht verzichtet werden. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG betrifft - in allen drei Fallgruppen - grundsätzlich Fälle, in denen ein Entlassungsantrag gestellt wird, das Entlassungsverfahren aber im Einzelfall scheitert (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 19), während die Nr. 2 sich auf die Fälle genereller Verweigerung bezieht. Von diesem Grundsatz abzuweichen besteht im vorliegenden Fall kein Anlass. Ob Serbien und Montenegro die Entlassung des Klägers aus der Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig machen wird, muss sich im Entlassungsverfahren herausstellen. Denn es kann mangels eines Nachweises für die Wehrpflicht des Klägers nicht ausgeschlossen werden, dass er gar nicht der Wehrpflicht unterliegt, etwa weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht wehrdienstfähig ist - wenn dies hier auch unwahrscheinlich sein mag - oder weil er aus anderen Gründen von der Wehrpflicht freigestellt ist. Die Erfüllung des Entlassungserfordernisses „Ableistung des Wehrdienstes“ kann nur dann unzumutbar sein, wenn es tatsächlich der Entlassung entgegensteht (vgl. Berlit, aaO § 87 RdNr. 159). Das Bestehen der Wehrpflicht kann, jedenfalls solange kein Nachweis über die Wehrpflicht vorliegt, nur im Entlassungsverfahren durch den ausländischen Staat zuverlässig festgestellt werden. Es obliegt daher dem Einbürgerungsbewerber, sich zunächst um die Entlassung aus seiner Staatsangehörigkeit zu bemühen, damit diese Prüfung durchgeführt werden kann.
28 
Die Einleitung des Entlassungsverfahrens ist dem Kläger auch zumutbar. Dass er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht im Besitz eines gültigen Passes von Serbien und Montenegro ist, steht dem nicht entgegen. Zwar wird - wie sich aus dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.03.2003 sowie aus dem oben genannten Protokoll vom 15.11.2004 ergibt - ohne einen gültigen Pass vom Generalkonsulat Stuttgart ein Entlassungsverfahren nicht eingeleitet, andererseits wird dem Kläger ein Pass nur dann ausgestellt, wenn er durch eine behördliche Bescheinigung nachweist, dass die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft erloschen ist. Auch kann ihm wohl eine Rücknahme seiner Klage gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamtes bzw. ein Verzicht auf die Flüchtlingseigenschaft nicht zugemutet werden (vgl. Hailbronner/Renner, aaO § 12 RdNr. 17; Berlit, aaO § 87 RdNr. 128). Im derzeitigen Stadium des Verfahrens steht jedoch der Verzicht auf die Rechtsstellung eines politischen Flüchtlings durch den Kläger noch gar nicht im Raum, da nach dem vom Innenministerium Baden-Württemberg vorgelegten Merkblatt des Generalkonsulats Stuttgart u.a. Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses ist, dass ein Staatsangehörigkeitsnachweis vom Kläger beschafft wird. Erst wenn dieser vorliegt - das Innenministerium spricht im Protokoll vom 15.11.2004 von längeren, unter Umständen mehrjährigen Verfahrenszeiten - kann ein Reisepass beantragt werden. Möglicherweise ist das Schicksal des Widerrufsbescheids des Bundesamtes bis dahin geklärt. Es ist also keineswegs zwangsläufig, dass die Ausstellung eines Reisepasses von unzumutbaren Bedingungen abhängig gemacht werden würde.
29 
Festzuhalten ist, dass die Entlassungsvoraussetzungen von Serbien und Montenegro, insbesondere die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsnachweises, als solche nicht von vornherein unzumutbar sind. Dass die Behörden des Herkunftsstaates den Einbürgerungsbewerber auffordern, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, stellt grundsätzlich keine unzumutbare Bedingung dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002, aaO). Sollte sich aber herausstellen, dass dem Kläger aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die Beibringung der erforderlichen Unterlagen in absehbarer Zeit nicht möglich ist, kommt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 2. Fallgestaltung StAG allerdings ernsthaft in Betracht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002, aaO). Zum jetzigen Zeitpunkt kann davon aber noch nicht ausgegangen werden, da der Kläger bislang keine Bemühungen zur Beschaffung der für die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Dokumente unternommen hat.
30 
1.4.) Der Kläger kann auch nicht abweichend von den Voraussetzungen der in § 12 Abs. 1 S. 2 StAG genannten Fälle auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 S. 1 StAG unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert werden. Nach ganz überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur sind die in S. 2 genannten Tatbestände abschließend und nicht nur Beispielsfälle (vgl. OVG Münster, Urteil vom 16.09.1997 - 25 A 1816/96 -, InfAuslR 1998, 186; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.1991 - 13 S 1627/90 -, InfAuslR 1992, 98; Hailbronner/Renner, aaO § 12 StAG RdNr. 4 ff.; Renner, Ausländerrecht, Nachtrag zur 7. Auflage, § 87 AuslG RdNr. 2; Göbel-Zimmermann, Das neue Staatsangehörigkeitsrecht - Erfahrungen und Reformvorschläge, ZAR 2003, 65, 70; Nr. 87.1.1 StAR-VwV). Selbst wenn aber § 12 Abs. 1 S. 1 StAG als (Auffang-)Generalklausel zu verstehen sein sollte, kommt deren Anwendung nur in Betracht, soweit keine der in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 6 StAG genannten Fallgruppen einschlägig ist. Soweit - wie hier - die geltend gemachten Gründe für eine Hinnahme der Mehrstaatigkeit diesen Fallgruppen zuzuordnen sind, deren Voraussetzungen aber nicht vorliegen, kommt ein Rückgriff auf § 12 Abs. 1 S. 1 StAG nicht in Betracht (ebenso wohl Berlit, aaO, § 87 Rdnr. 27). Etwas anderes folgt hier auch nicht aus Art. 16 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 06.11.1997 (abgedruckt bei Hailbronner/Renner, aaO, Teil III Anhang A, II.8.). Danach darf ein Vertragsstaat den Erwerb oder die Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit nicht von der Aufgabe und dem Verlust einer anderen Staatsangehörigkeit abhängig machen, wenn die Aufgabe oder der Verlust unmöglich oder unzumutbar ist. Dass eine Entlassung des Klägers aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit unmöglich oder unzumutbar ist, steht derzeit gerade nicht fest.
31 
1.5.) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG kann auch nicht gemäß § 12 Abs. 3 StAG abgesehen werden. Der am ...1976 geborene Kläger ist im Juli 1993, mithin im Alter von 16 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er hat daher nicht den überwiegenden Teil seiner Schulausbildung in deutschen Schulen erhalten.
32 
2.) Eine Ermessenseinbürgerung auf der Grundlage des § 8 StAG ist allerdings rechtlich nicht ausgeschlossen. Eine Entscheidung darüber hat die Beklagte bislang nicht getroffen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 StAG liegen unstreitig vor. Die Einbürgerung des Klägers steht demnach im gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Ermessen (§ 114 S. 1 VwGO) der Beklagten. Die Einbürgerung nach § 8 StAG ist auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit ausgeschlossen. Der Grundsatz ist nicht auf der Tatbestandsseite der Vorschrift zu beachten. Er findet vielmehr (nur) im Rahmen der Ermessensbetätigung Berücksichtigung und kann mithin „überwunden“ werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11.11.2004 - 5 ZB 04.916 - juris). Auch nach Nrn. 8.1.2.6 und 8.1.2.6.3 StAR-VwV sowie den vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums (Nrn. 8.1.2.6 und 8.1.2.6.3) ist der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei der Ermessensausübung zu beachten. Ausnahmen von diesem Einbürgerungshindernis werden dort nur beispielhaft aufgeführt.
33 
Allerdings kann der Kläger nicht die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Einbürgerung nach § 8 StAG beanspruchen. Zwar erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich auch im Rahmen eines auf § 8 StAG gestützten Einbürgerungsbegehrens die Frage einer durch eine Folgenbeseitigungslast ausgelösten Ermessensverdichtung stellen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1996, aaO; BayVGH, Urteil vom 17.02.2005 - 5 BV 04.1225 -). Dies würde aber voraussetzen, dass sich eine rechtswidrige Untätigkeit der Beklagten feststellen ließe, die aufgrund des späteren Erlasses des Widerrufsbescheids gem. § 73 Abs. 2 a S. 4 AsylVfG zum (zumindest vorübergehenden) Untergang des Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG geführt hat (vgl. zur Folgenbeseitigungslast im Ausländerrecht aufgrund Untätigkeit der Behörde: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.11.2005 - 13 S 1547/05 - sowie Beschlüsse vom 28.07.1998 - 13 S 1588/97 -, InfAuslR 1999, 27 = DVBl. 1999, 176 und vom 27.09.1993 - 13 S 547/93 -).
34 
Eine solche rechtswidrige Untätigkeit lag hier aber nicht vor. Die nach § 9 VwVfG zu zweckmäßiger Durchführung des Verfahrens verpflichtete Beklagte hat zu Recht zunächst mit Schreiben vom 09.07.2003 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge angefragt, ob die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nach wie vor Bestand habe. Denn die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft war Voraussetzung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG.
35 
Die Beklagte war auch berechtigt, nachdem das Bundesamt mit Schreiben vom 28.11.2003 mitgeteilt hatte, gegen den Kläger sei ein Widerrufs-/Rücknahmeverfahren eingeleitet worden, den rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens - bzw. nach der ab 01.01.2005 geltenden Rechtslage den Erlass des Widerrufsbescheids - abzuwarten. Zwar lag, solange noch kein Widerrufsbescheid ergangen war, eine nach § 4 AsylVfG für die Beklagte verbindliche Entscheidung über die Flüchtlingseigenschaft vor. Die Beklagte war daher nicht berechtigt gewesen, davon abweichend die Flüchtlingseigenschaft aufgrund eigener Beurteilung zu verneinen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2000 - 13 S 2740/99 -, VBlBW 2001, 30 = InfAuslR 2001, 98). Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit auf der Grundlage des § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG bzw. des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StAG trotz Einleitung des Widerrufsverfahrens (vgl. § 73 Abs. 4 AsylVfG) einzubürgern und vor der veränderten Sachlage sozusagen die Augen zu verschließen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 26.07.2004 - 12 TG 1820/04 -, NVwZ-RR 2005, 139; VG Hannover, Urteil vom 25.06.2001 - 10 A 5544/00 -, NVwZ 2002 -Beilage, S. 63; a.A. wohl BayVGH, Beschlüsse vom 09.02.2004 - 5 ZB 03.2842 - juris, und vom 14.10.2003 - 5 C 03.2024 -, BayVBl 2004, 182, wonach erst der Erlass des Widerrufsbescheids den Zeitpunkt markierte, ab dem Zweifel über die tatsächlichen Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG vorlagen; a.A. auch VG Ansbach, Urteil vom 17.10.2001 - 15 K 01.01081 -, NVwZ-RR 2002, 604). Als statusveränderndem Verwaltungsakt mit weit reichenden Folgen kommt der Einbürgerung erhebliche rechtliche Bedeutung und Dauerwirkung zu. Aufgrund des in Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG normierten Verbots, die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen, ist ein Verlust der Staatsangehörigkeit durch Widerruf, also die nachträgliche Aufhebung einer rechtmäßig vollzogenen Einbürgerung nach § 49 VwVfG nicht zulässig (vgl. Hailbronner, aaO § 17 StAG RdNr. 15; Marx in GK-StAR, Stand 2000 - IV - 2 § 17 RdNr. 25). Erfolgt die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, weil der Einbürgerungsbewerber politisch Verfolgter i.S.v. § 51 Abs. 1 AuslG bzw. im Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, kann die Einbürgerung daher nicht widerrufen werden, wenn später die Flüchtlingseigenschaft durch Rücknahme oder Widerruf des anerkennenden Bescheides nach § 73 AsylVfG entfällt. Von daher hat die Beklagte ein berechtigtes Anliegen verfolgt, durch vorläufiges Abwarten mit der Entscheidung dafür Sorge zu tragen, dass die Einbürgerungsvoraussetzungen möglichst dauerhaft erfüllt sind und nicht - möglicherweise kurz nach erfolgter Einbürgerung - wieder wegfallen (vgl. VG Hannover, aaO). Berücksichtigt werden können in diesem Zusammenhang konkrete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Flüchtlingsstatus in absehbarer Zeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2000 - 13 S 2740/99 -, VBlBW 2001, 30 = InfAuslR 2001, 98; BVerwG, Urteil vom 21.09.1999 - 9 C 12.99 -, BVerwGE 109, 305). Solche Anhaltspunkte lagen hier im Hinblick auf die Mitteilung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über die Einleitung des Widerrufs - bzw. Rücknahmeverfahrens und die Änderung der politischen Verhältnisse in Serbien und Montenegro vor. Kosovo-Albaner sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 29.03.2001 - A 14 S 2078/99 - juris) auf dem gesamten serbischen Staatsgebiet hinreichend sicher vor politischer Verfolgung. Unter diesen Umständen ist die von der Beklagten im Rahmen des Ermessens bei der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens getroffene Entscheidung, den Ausgang des Widerrufsverfahrens abzuwarten, in dem über die für das Einbürgerungsverfahren nach § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AuslG vorgreifliche Frage der politischen Verfolgung zu entscheiden war, bzw. den für das Einbürgerungsverfahren nach § 73 Abs. 2a S. 4 AsylVfG n.F. maßgeblichen Erlass des Widerrufsbescheids abzuwarten, nicht zu beanstanden (vgl. Knack, VwVfG 8. Aufl., § 9 RdNr. 23; Obermayer VwVfG, 3. Aufl., § 9 RdNr. 61; Kopp, VwVfG 6. Aufl., 1996, Vorbemerkung § 9 RdNr. 19).
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO.
37 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Sonstige Literatur

 
38 
Rechtsmittelbelehrung
39 
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.
40 
Die Revision ist bei dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils schriftlich einzulegen. Die Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der Frist bei dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) eingelegt wird.
41 
Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
42 
Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen.
43 
Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.
44 
Für das Revisionsverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Revision und für die Revisionsbegründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
45 
Beschluss
46 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 42.1) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
47 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Einbürgerung.
Der am … in … geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Serbien (früher: Serbien und Montenegro), möglicherweise mittlerweile (auch) der Republik Kosovo, und albanischer Volkszugehöriger. Mit Bescheid vom 16.7.1993 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu seinen Gunsten fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien vorlägen. Der Kläger war im Besitz eines am 21.12.1995 ausgestellten Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention. Am 5.11.2001 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit dem 11.9.2008 besitzt er einen kosovarischen Reisepass.
Der Kläger beantragte unter dem 15.10.2002 seine Einbürgerung. Mit Schreiben vom 28.11.2003 teilte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit, dass es ein Widerrufsverfahren eingeleitet habe.
Auf die am 6.2.2004 erhobene Untätigkeitsklage des Klägers hin verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Beklagte mit Urteil vom 8.12.2004 - 1 K 353/04 -, ihn einzubürgern. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe einen Einbürgerungsanspruch. Von der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG sei abzusehen, wenn der Ausländer politisch Verfolgter i.S.v. § 51 AuslG sei. Der Kläger erfülle diese Voraussetzungen, da das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt habe und dieser Bescheid bislang nicht widerrufen worden sei.
Der früher zuständige 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs hat die Berufung auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 16.8.2005 - 12 S 505/05 -zugelassen.
Mit der fristgerecht eingegangenen Berufungsbegründung trägt die Beklagte vor, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) mittlerweile widerrufen. Der Kläger habe hiergegen Klage erhoben. Das Einbürgerungsverfahren sei bis zur rechtkräftigen Entscheidung auszusetzen.
Mit Urteil vom 24.11.2005 - 12 S 1695/05 - hat der 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs entschieden, der Kläger habe keinen Anspruch auf Einbürgerung; allerdings habe die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag des Klägers auf Ermessenseinbürgerung zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, der Kläger erfülle mit Ausnahme der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit alle Voraussetzungen des Einbürgerungsanspruchs des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG. Von der Einhaltung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG könne auch nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG abgesehen werden. Danach sei eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigere und der Ausländer der zuständigen Behörde einen Entlassungsantrag zur Weiterleitung an den ausländischen Staat übergeben habe. Der Entlassungsantrag müsse den Voraussetzungen entsprechen, die im Recht des Heimatstaates für die Entlassung zwingend vorgeschrieben seien. Diesen Anforderungen entspreche der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandte formlose Entlassungsantrag nicht. Die regelmäßige Verweigerung der Entlassung allein hinsichtlich bestimmter Personengruppen bzw. besonderer Kategorien von Staatsangehörigen genüge nicht. Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG werde auch dann abgesehen, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt habe, die der Ausländer nicht zu vertreten habe, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig mache oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden habe. Die erste Fallgestaltung (Versagung der Entlassung) setze grundsätzlich eine einen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag ablehnende schriftliche Entscheidung voraus. Auch die dritte Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG (Nichtbescheidung eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrages in angemessener Zeit) sei nicht erfüllt. Der Kläger könne sich auch nicht auf die zweite Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG (Koppelung der Entlassung an unzumutbare Bedingungen) berufen. Auf das Erfordernis eines ordnungsgemäßen Entlassungsantrages könne nicht verzichtet werden. Die Einleitung des Entlassungsverfahrens sei dem Kläger auch zumutbar. Dass er nach seinen Angaben nicht im Besitz eines gültigen Passes von Serbien und Montenegro sei, stehe dem nicht entgegen. Eine Ermessenseinbürgerung auf der Grundlage des § 8 StAG sei allerdings rechtlich nicht ausgeschlossen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 StAG lägen unstreitig vor. Der Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit finde (nur) im Rahmen der Ermessensbetätigung Berücksichtigung und könne mithin „überwunden“ werden.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat mit (mittlerweile rechtskräftigem) Urteil vom 27.12.2005 die gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gerichtete Klage des Klägers abgewiesen.
Auf die Revision des Klägers gegen das Urteil der 12. Senats hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 3.5.2007 - 5 C 3.06 - die Sache mit folgender Begründung zurückverwiesen: Der ursprünglich geltend gemachte Ausnahmegrund nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG (Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 GFK) sei entfallen, nachdem die gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gerichtete Klage mittlerweile abgewiesen worden sei. Der Senat lasse dahingestellt, ob der Revision bereits auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung stattzugeben gewesen wäre. Auch ein unvollständiger oder formwidriger Antrag könne ausnahmsweise ausreichen, wenn es dem Entlassungsbewerber unzumutbar sei, zur Vervollständigung des Antrags erforderliche Dokumente beizubringen. Der Senat halte es zudem für erwägenswert, in Fällen, in denen eine große, nach staatsangehörigkeitsrechtlich an sich irrelevanten Kriterien wie der Volkszugehörigkeit bestimmte Personengruppe einem diskriminierenden Sonderregime unterworfen werde, für die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG nicht auf die Entlassungspraxis in Bezug auf die Gesamtheit aller Staatsangehöriger, sondern auf die einer diskriminierenden Sonderbehandlung unterworfene Teilgruppe abzustellen. Es verstoße jedenfalls gegen die zweite Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG, dass der Verwaltungsgerichtshof vom Kläger die Stellung eines formgerechten Entlassungsantrages verlange, ohne aufgeklärt zu haben, ob für ihn überhaupt die Möglichkeit bestehe, seine Entlassung aus der - nunmehr serbischen - Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen. Das vom Verwaltungsgerichtshof bejahte Erfordernis der Stellung eines Entlassungsantrages sei für die Fallgestaltung der zweiten Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen und folge auch nicht aus der systematischen Stellung dieses Ausnahmegrundes. Die zweite Alternative erfasse die Entlassungsverweigerung bei - nach staatsangehörigkeitsrechtlich nicht anzuerkennenden Kriterien ethnischer Diskriminierung gebildeten - Untergruppen von Staatsangehörigen sowie weitere Fälle erkennbar aussichtsloser Anträge. Zwar beantworte sich die Frage, ob unzumutbare Entlassungsbedingungen gestellt würden, oft erst nach gestelltem Antrag. Dies rechtfertige es indes nicht, auch in solchen Fällen, in denen der negative Ausgang des Verfahrens absehbar sei bzw. nur durch Bestechung abgewendet werden könne, einen ordnungsgemäßen Entlassungsantrag zu verlangen. Da die im Zuge des Revisionsverfahrens vorgebrachten Fakten und die vom Verwaltungsgerichtshof nicht ausdrücklich ausgewerteten Akteninformationen vom Bundesverwaltungsgericht nicht selbst tatrichterlich geklärt werden könnten, sei eine Zurückverweisung geboten. Soweit der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger, der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen gültigen Pass besessen habe, auferlege, zunächst als Voraussetzung für den Passantrag beim Konsulat den erforderlichen Staatsangehörigkeitsnachweis zu beschaffen, bei dem "längere, unter Umständen mehrjährige Verfahrenszeiten" zu erwarten seien, könne dies für sich allein schon die Unzumutbarkeit begründen. Zu Recht gehe der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Ableistung der Wehrpflicht eine grundsätzlich zumutbare Entlassungsvoraussetzung bilde. Bei den aus dem Kosovo stammenden serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit sei nach dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10. März 2005 und einem Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 3. Juni 2005 davon auszugehen, dass bei ihnen die Wehrpflicht zwar grundsätzlich bestehe, aber mangels Einberufung nicht erfüllt werden könne. Unter diesen Umständen sei vom Kläger die Durchführung eines förmlichen Entlassungsverfahrens zwecks Klärung des Bestehens seiner Wehrpflicht nicht zu verlangen. Einem Einbürgerungsbewerber sei auch nicht zuzumuten, den Verlust seiner bisherigen Staatsangehörigkeit mit Hilfe von Bestechung herbeizuführen. Der Senat könne schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Ermessensreduzierung (§ 8 StAG) ohne Zurückverweisung zu Gunsten des Klägers entscheiden. Der vom Kläger behauptete Folgenbeseitigungs- bzw. Herstellungsanspruch vermöge eine solche Ermessensreduzierung nicht zu bewirken. Allein der Umstand, dass ihm bei Antragstellung noch der Reiseausweis nach Art. 28 GFK zugestanden habe, der als Abwägungselement bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sei, lasse eine Einbürgerung nicht als einzig richtige Ermessensentscheidung erscheinen, weil der Kläger nach den gesamten Umständen auf den Fortbestand seiner Anerkennung als politisch Verfolgter nicht habe vertrauen können.
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Die Beklagte begründet ihre Berufung wie folgt: Im Zeitraum 2005 bis 2007 sei es 193 Serben albanischer Volkszugehörigkeit in Baden-Württemberg gelungen, ihre Entlassung aus dem serbischen Staatsverband zu erreichen. In dem genannten Zeitraum seien 244 Entlassungsanträge abgelehnt worden. Hierunter hätten sich 214 Personen befunden, die den Wehrdienst nicht abgeleistet hätten. Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit dieser Meldung sprächen, seien nicht bekannt, eine Benennung der Namen und Anschriften der aus der Staatsangehörigkeit entlassenen Personen komme aus Datenschutzgründen nicht in Betracht. Wie viele der männlichen Kosovoalbaner, die in den Jahren 2005 bis 2007 aus der serbischen Staatsangehörigkeit entlassen worden seien, ihren Wehrdienst nicht abgeleistet hätten, sei nicht erhoben worden. Ob Personen im wehrpflichtigen Alter überhaupt wehrpflichtig gewesen seien und bereits ihren Wehrdienst abgeleistet hätten, sei unbekannt. Das Innenministerium gehe davon aus, dass serbische Staatsangehörige, die wehrpflichtig seien und ihren Wehrdienst nicht abgeleistet hätten, üblicherweise nicht entlassen würden. Soweit es sich dabei um albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo handle, sei nach den Vorläufigen Anwendungshinweisen eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit vorzunehmen, sofern diese 1991 oder später ihre Heimat verlassen hätten. Das Innenministerium gehe davon aus, dass von den 193 männlichen Serben albanischer Volkszugehörigkeit die meisten, wenn nicht alle, entweder nicht wehrpflichtig gewesen seien oder ihren Wehrdienst bereits abgeleistet hätten, während in 214 Fällen die Entlassung aus Wehrdienstgründen abgelehnt worden sei. Bei einer Zahl von 407 beschiedenen Entlassungsanträgen kosovo-albanischer männlicher Personen in den Jahren 2005 bis 2007 könne die Behauptung der Gegenseite nicht bestätigt werden, Entlassungsverfahren könnten von diesem Personenkreis nicht betrieben werden. Aus Bayern sei bekannt, dass bei entsprechenden Bemühungen die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit bzw. die Entscheidung über den Entlassungsantrag herbeigeführt werden könne. Bei den vorgelegten Entlassungsbescheinigungen bzw. Ablehnungen gestellter Entlassungsanträge handle es sich nicht um Fälschungen, da die Einbürgerungsbehörden angehalten seien, Entlassungsbescheinigungen vom serbischen Generalkonsulat bestätigen zu lassen, soweit sie nicht von diesem selbst ausgehändigt worden seien. Hin und wieder hätten Einbürgerungsbewerber berichtet, sie seien von Mitarbeitern des Generalkonsulats aufgefordert worden, zusätzliche Geldbeträge zu leisten. Konkrete Angaben seien jedoch trotz Aufforderung nie gemacht worden. Das serbische Generalkonsulat habe am 23.2.2007 mitgeteilt, dass es allein im Jahr 2006 über 7.000 Reisepässe für Serben kosovo-albanischer Abstammung ausgestellt habe. In diesem Jahr seien auch mehrere hundert Anträge auf Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit bearbeitet worden. Daneben seien etwa 10.000 Anträge auf Beschaffung von Dokumenten und Rekonstruktionsverfahren von Kosovoalbanern anhängig. Die deutsche Botschaft in Belgrad sei in das Entlassungsverfahren nicht eingebunden und könne daher nur allgemein berichten, wie entsprechende Urkunden in Serbien gekauft oder verfälscht werden könnten. Dies sei bei der Stellungnahme der deutschen Botschaft vom 6.4.2005 zu berücksichtigen, wonach Serben mit albanischer Volkszugehörigkeit von der Gewährung konsularischer Dienstleistungen seitens der serbischen Auslandsvertretungen de facto ausgeschlossen seien. Den Personen, die sich rechtzeitig nach Auslaufen ihrer jugoslawischen Ausweispapiere um die Ausstellung eines serbischen Passes bemüht hätten, sei es auch gelungen, in angemessener Zeit ihre Entlassung herbeizuführen. Einbürgerungsbewerber, die sich UNMIK-Papiere beschafft hätten, obwohl sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten, müssten erst ihre serbische Staatsangehörigkeit nachweisen und einen serbischen Pass besorgen. In diesen Fällen reiche der Zeitraum von zwei Jahren häufig nicht aus, um auch die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit herbeizuführen.
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Im Zuständigkeitsbereich der Beklagten hätten fünf männliche Serben albanischer Volkszugehörigkeit und eine weibliche Person ihre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit erreicht. Bei vier männlichen Personen und einer weiblichen Person sei es gelungen, telefonischen Kontakt aufzunehmen. Zwei männliche Personen und eine weibliche Person hätten die Entlassung über Rechtsanwälte in Belgrad erreicht. Zwei männliche Personen hätten die Entlassung über das Generalkonsulat erreicht. Die Frage nach Beschleunigungs- oder Bestechungsgeldern sei stets verneint worden. Personen, die die Entlassung über das Generalkonsulat Stuttgart beantragt hätten, hätten in der Regel 1.000,-- + x EUR bezahlen müssen. Bei der Entlassung über einen Rechtsanwalt in Belgrad hätten im Durchschnitt 650,-- EUR beglichen werden müssen. Bestechungsgelder habe auch auf Nachfrage niemand erwähnt. Bezüglich der im Zuständigkeitsbereich der Beklagten erhobenen Zahlen sei mitzuteilen, dass keiner der hier Eingebürgerten seinen Wehrdienst abgeleistet habe. Es sei eine Bescheinigung vorgelegt worden, die vom serbischen Generalkonsulat als Fälschung identifiziert worden sei. Bis zur Unabhängigkeit sei das Kosovo integrativer Bestandteil Serbiens gewesen. Serbische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit erhielten seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nach wie vor Pässe und Verlängerungen von Pässen. Das Generalkonsulat in Stuttgart sei besetzt und serbische Staatsangehörige mit albanischer Volkszugehörigkeit seien nicht von konsularischen Dienstleistungen ausgeschlossen.
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Der Kläger selbst habe - wenn überhaupt - nur wenige Bemühungen um eine Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen. Die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit bzw. der Nachweis nachhaltiger vergeblicher Entlassungsbemühungen werde von allen serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo verlangt.
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Nach Auskunft des Regierungspräsidiums Karlsruhe hätten betroffene albanische Volkszugehörige überwiegend berichtet, dass sie im serbischen Generalkonsulat Stuttgart - soweit sie überhaupt vorgelassen worden seien - sehr unfreundlich behandelt worden seien. Allerdings könne auch nicht gesagt werden, dass das Generalkonsulat seine konsularische Tätigkeit für albanische Volkszugehörige ganz eingestellt habe.
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Die serbische Staatsangehörigkeit sei durch die von Deutschland anerkannte Unabhängigkeit des Kosovo nicht verloren gegangen, denn § 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes lasse die Mehrstaatigkeit ausdrücklich zu. Das serbische Generalkonsulat Stuttgart habe dem Innenministerium Baden-Württemberg unter dem 7.7.2008 mitgeteilt, dass nach der serbischen Verfassung das Kosovo Teil des Staatsgebiets sei und das Konsulat weiterhin allen seinen Staatsbürgern aus dem Kosovo für konsularisch-juristische Dienstleistungen wie z.B. für Entlassungen aus der serbischen Staatsangehörigkeit zur Verfügung stehe. Nach dem Wortlaut des § 29 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes spreche viel dafür, dass die Staatsangehörigkeit des Kosovo kraft Gesetzes erworben werde und die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis lediglich deklaratorisch wirke. Ob sich dies in der Verwaltungspraxis der kosovarischen Behörden widerspiegeln werde, lasse sich derzeit - mangels funktionierender Behördenstruktur im Kosovo - weder vom Innenministerium Baden-Württemberg noch vom Bundesministerium des Innern vorhersagen.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - die Klage insgesamt abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger macht geltend: Das Land Hessen habe mit Erlass vom 14.8.2007 verfügt, dass serbische Staatsangehörige mit albanischer Volkszugehörigkeit unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit einzubürgern seien. Die inzwischen gesammelten Erfahrungen hätten gezeigt, dass sie ihre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit nicht in zumutbarer Weise erlangen könnten. Das Generalkonsulat des ehemaligen Serbien und Montenegro habe unter dem 17.10.2005 erklärt, Voraussetzung einer Entlassung aus der Staatsbürgerschaft sei die Erfüllung der Wehrpflicht. Soweit sich die Beklagte auf Entlassungen aus der serbischen Staatsangehörigkeit berufe, sei es keineswegs unwahrscheinlich, dass die Gewährung von Vorteilen an serbische Amtsträger unabdingbare Voraussetzung für die Entlassung sei. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht habe die Vertreterin des Bundesinteresses dargelegt, dass serbische Rechtsanwälte und serbische Behörden zahllose Urkundsdelikte begingen. Bescheinigungen über Entlassungen aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit wiesen eine Fälschungsquote von 75% auf. Es sei keineswegs ausgeschlossen, dass die serbischen Auslandsvertretungen oder die Behörden im Heimatstaat Fälschungen nicht erkennen könnten oder wollten. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, nach telefonischer Auskunft hätten Eingebürgerte keine Bestechungsgelder zahlen müssen, sei darauf hinzuweisen, dass diesen weder eine Unterscheidung zwischen Gebühren und Bestechungsgeldern möglich sei noch dass ihnen überhaupt bewusst sei, dass zwischen beidem differenziert werden könne. Weiter sei nicht klar, ob es sich bei den von der Beklagten genannten Fällen überhaupt um Kosovaren gehandelt habe. Nach den Vorläufigen Anwendungshinweisen des baden-württembergischen Innenministeriums könne es als unzumutbare Bedingung angesehen werden, wenn die Entlassung von Einbürgerungsbewerbern aus der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien von der Leistung des Wehrdienstes abhängig gemacht werde und es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handle.
20 
Seine serbische Staatsangehörigkeit sei mit der von Deutschland anerkannten Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosovo vom 17.2.2008 untergegangen. Auf dem Gebiet der „Sozialistischen Republik Serbien“ seien zwei Nachfolgestaaten entstanden, und zwar die Republik Serbien und die Republik Kosovo. Die Ausstellung von serbischen Reisepässen an Kosovaren entspreche einer völkerrechtswidrigen Inanspruchnahme fremder Staatsangehöriger als Staatsangehörige einer Annexions- oder Besatzungsmacht.
21 
Nach § 29 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes würden Personen, die am 1.1.1998 ihren ständigen Wohnsitz im Kosovo gehabt hätten oder Abkömmlinge solcher Personen seien, ohne weiteres Staatsangehörige des Kosovo und seien als solche in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis einzutragen. Eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit sei praktisch auf absehbare Zeit nicht möglich. Verfahren und Behörden müssten erst noch eingerichtet werden.
22 
Auf Anfrage des Berichterstatters hat das Hessische Ministerium des Innern und für Sport unter dem 13.12.2007 mitgeteilt, am 26.6.2007 sei bei den hessischen Einbürgerungsbehörden angefragt worden, wie viele serbische Einbürgerungsbewerber mit albanischer Volkszugehörigkeit seit dem 26.7.2006 die Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit erhalten hätten. Die Umfrage habe ergeben, dass in diesem Zeitraum keine Entlassungsbestätigungen eingegangen seien. Es seien lediglich zwei „Beschlüsse“ vorgelegt worden, die schon prima facie den Eindruck der Fälschung erweckt hätten. Als Anlage wurde ein Bericht der Botschaft Belgrad vom 6.12.2006 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, die Botschaft sei am Verfahren der Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit nicht unmittelbar beteiligt und verfüge insofern nur in eingeschränktem Maß über eigene Erfahrungen. Angesichts der der Botschaft bekannten hohen Zahl ge- und verfälschter wie auch echter, aber inhaltlich unrichtiger serbischer Urkunden hege die Botschaft gewisse Zweifel, ob vorgelegte Entlassungsurkunden von kosovo-albanischen Serben tatsächlich echt bzw. inhaltlich richtig seien. Auf Nachfrage der Botschaft seien die serbischen Behörden nicht bereit gewesen, konkrete Zahlen zu den in letzter Zeit aus der Staatsangehörigkeit Entlassenen zu nennen. Der Botschaft seien nur sehr wenige Fälle bekannt, in denen die Entlassung erfolgreich und innerhalb angemessener Zeit betrieben worden sei.
23 
Das Bundesministerium des Innern hat unter dem 14.5.2008 auf Anfrage des Berichterstatters ein Fernschreiben der Botschaft Belgrad vom 15.4.2005 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, das „RK-Referat“ der Botschaft habe für den Zeitraum April 2004 bis März 2005 die im Rahmen diverser konsularischer Amtshandlungen vorgelegten Dokumente überprüft. Bescheinigungen über die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit wiesen eine Fälschungsquote von 75% auf. In dieser - zum Teil wegen geringer Fallzahl nicht wissenschaftlich repräsentativen - Statistik seien authentische Urkunden unwahren Inhalts nicht erfasst. Tatsächlich seien indes nach Erfahrung der Botschaft aufgrund persönlicher Beziehungen oder gegen Entgelt faktisch von allen Behörden des Landes Urkunden beliebigen Inhalts zu erlangen. Das regelmäßige Auftreten charakteristischer Fälschungsmerkmale und die nicht selten bemerkenswerte Qualität der Fälschungen deuteten auf die Existenz organisierter Fälscherringe hin. In bestimmten Fällen liege die Vermutung nahe, dass die Verwender gefälschte Urkunden in gutem Glauben an deren zumindest formale Echtheit vorlegten. Dies gelte insbesondere für die hohe Zahl gefälschter Entlassungsbescheinigungen. Tatsächlich sei eine reguläre Entlassung aus dem serbisch-montenegrinischen Staatsverband mit hohem Zeit- und Finanzaufwand verbunden. Ethnische Albaner hätten wegen systematischer Diskriminierung durch die beteiligten Behörden einschließlich der Auslandsvertretungen in Deutschland de facto keine Möglichkeit, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Sie wendeten sich deshalb nicht selten an dubiose Vermittler, die ihnen gegen Entgelt eine unbürokratische Lösung in Aussicht stellten. Ob dies durch Bestechung von Amtsträgern und damit Erlangung einer authentischen Urkunde oder schlicht durch Aushändigung einer Fälschung geschehe, hänge von der Seriosität des Vermittlers ab.
24 
Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.3.2008 an das Verwaltungsgericht Münster nehme derzeit keine diplomatische Vertretung in Deutschland die konsularischen Belange der kosovarischen Staatsangehörigen bis zur Eröffnung einer kosovarischen Vertretung wahr.
25 
Auf Anfrage des Berichterstatters hat das Auswärtige Amt unter dem 7.8.2008 Auszüge aus den „Ergebnisniederschriften der Besprechung von Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsfragen“ aus den Jahren 2003 bis 2008 übersandt. In der Niederschrift über die Besprechung vom 8./9.5.2006 wird ausgeführt, nach Angaben des Vertreters Bayerns sei beabsichtigt, bei Kosovoalbanern nach Durchführung eines Verfahrens zur Entlassung aus der serbischen bzw. montenegrinischen Staatsangehörigkeit Mehrstaatigkeit in den Fällen hinzunehmen, in denen die Ableistung des Wehrdienstes verlangt würde. Der Vertreter Baden-Württembergs habe mitgeteilt, dass 115 Fälle bekannt seien, in denen Kosovoalbaner aus der serbischen bzw. montenegrinischen Staatsangehörigkeit entlassen worden seien. Die Entlassungsverfahren würden mindestens ein Jahr dauern. Daneben habe es auch Fälle gegeben, in denen offensichtlich gefälschte Entlassungsbescheinigungen vorgelegt worden seien. In der Niederschrift über die Besprechung vom 26./27.5.2008 heißt es, nach § 29 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes sollten diejenigen kosovarische Staatsangehörige sein, die am 1.1.1998 jugoslawische Staatsangehörige gewesen seien und an diesem Tag ihren ständigen Wohnsitz im Kosovo gehabt hätten. Dies gelte auch für Kinder dieser Personen. Die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis solle auf Antrag dessen, der diese Voraussetzungen erfülle, wirksam werden. Hierbei scheine es sich lediglich um ein Geltendmachen der bereits automatisch kraft Gesetzes erworbenen kosovarischen Staatsangehörigkeit zu handeln. Nach § 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes sei Mehrstaatigkeit ausdrücklich zugelassen. Kosovarische Staatsangehörige dürften von Serbien weiterhin als serbische Staatsangehörige angesehen werden. Die Probleme bei der Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit dürften fortbestehen. Es solle über das Auswärtige Amt ermittelt werden, ob und inwieweit schon handlungsfähige kosovarische Behörden existierten, bei denen staatsangehörigkeitsrechtliche Verfahren durchgeführt werden könnten.
26 
Dem Senat liegen die einschlägigen Einbürgerungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (1 K 353/04) vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Klage begründet ist. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert zu werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dass die sonstigen Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG erfüllt sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln.
28 
Grundsätzlich setzt eine Anspruchseinbürgerung voraus, dass Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG). Eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit ist ausnahmsweise unter anderem dann möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG).
29 
Hier ist jedenfalls die zweite Fallgestaltung (unzumutbare Bedingungen für eine Entlassung) des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG gegeben. Sie scheidet nicht bereits deshalb aus, weil es an der Einleitung eines Entlassungsverfahrens fehlt (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 5 C 3/06 -, BVerwGE 129, 20 = NVwZ 2007, 931; anders noch der 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs, Urteil vom 24.11.2005 - 12 S 1695/05 -, InfAuslR 2006, 230). Das Erfordernis eines Entlassungsantrages ist für diese Fallgestaltung nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen und folgt auch nicht aus der systematischen Stellung dieses Ausnahmegrundes. Die Gesetzesbegründung zur Vorläuferregelung in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG (BTDrucks 14/533, 19) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wenn es dort heißt, diese Bestimmung betreffe „hauptsächlich Fälle, in denen ein Entlassungsantrag gestellt wird, das Entlassungsverfahren aber im Einzelfall scheitert", erhellt dies, dass der Gesetzgeber auch andere Fallgruppen vor Augen hatte.
30 
Die hier einschlägige zweite Alternative erfasst - wie das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) entschieden hat - unter anderem die Fallgruppe der generellen Entlassungsverweigerung bei Untergruppen von Staatsangehörigen, die nach staatsangehörigkeitsrechtlich nicht anzuerkennenden Kriterien ethnischer Diskriminierung gebildet werden, soweit diese nicht bereits § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG unterfallen sollten, sowie weitere Fälle erkennbar aussichtsloser Anträge. Zwar lässt sich die Frage, ob unzumutbare Entlassungsbedingungen gestellt werden, in einer Reihe von Fällen erst im Verfahren nach gestelltem Antrag sinnvoll beantworten. Dies rechtfertigt indes nicht, auch in solchen Fällen, in denen der negative Ausgang des Verfahrens absehbar ist, einen ordnungsgemäßen Entlassungsantrag zu verlangen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Hier ist dem Kläger nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder die Entlassung aus einer (möglichen) kosovarischen (1.) noch aus der serbischen (2.) Staatsangehörigkeit in zumutbarer Weise möglich.
31 
1. Der Kläger kann aus einer (möglicherweise erworbenen) kosovarischen Staatsangehörigkeit (a) jedenfalls nicht in zumutbarer Weise entlassen werden (b).
32 
a) Die Republik Kosovo hat in § 29 ihres Staatsangehörigkeitsgesetzes geregelt, dass unter anderem die direkten Abkömmlinge derjenigen, die am 1.1.1998 jugoslawische Staatsangehörige gewesen sind und ihren Wohnsitz im Kosovo hatten, kosovarische Staatsangehörige sind (Abs. 1 i.V.m. Abs. 2). Die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis wird auf Antrag des Betroffenen wirksam (Abs. 3).
33 
Der Wortlaut des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Kosovo scheint darauf hinzudeuten, dass die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis nicht konstitutiv ist, sondern dass es sich lediglich um die deklaratorische Eintragung einer bereits kraft Gesetzes erworbenen Staatsangehörigkeit handeln soll (ebenso der Vertreter des BMI in der „Besprechung von Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsfragen“ vom 26./27.5.2008; BAMF, Entscheidungen Asyl 8/2008 „Kosovo: Staatsbürgerschaft“). Dafür spricht auch, dass die kosovarischen Behörden den Kläger offenkundig als kosovarischen Staatsangehörigen ansehen, denn sie haben ihm am 11.9.2008 einen Reisepass ausgestellt.
34 
Allerdings ist umstritten, ob eine automatische Erstreckung der Staatsangehörigkeit auf Personen wie den Kläger völkerrechtlich überhaupt zulässig ist. Das Ermessen eines Staates, im Falle einer einseitigen Sezession zu bestimmen, welche ehemaligen Angehörigen des Vorgängerstaates seine Staatsangehörigkeit erlangen sollen, ist nämlich durch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts begrenzt (s. auch Art. 25 GG). Danach setzt die Inanspruchnahme von Personen als eigene Staatsangehörige voraus, dass zwischen diesen und dem Staat eine nähere tatsächliche Beziehung („genuine connection“) besteht. Ob eine solche enge Beziehung zur Republik Kosovo bei Personen noch besteht, die wie der Kläger im Zeitpunkt der Unabhängigkeit ihren Wohnsitz nicht in dem Gebiet des neu gegründeten Staates hatten, sondern seit mehr als fünfzehn Jahren ihren Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland haben, und - wie durch den Einbürgerungsantrag belegt ist - nicht beabsichtigen, jemals auf Dauer in den Kosovo zurückzukehren, ist zumindest fraglich. Die automatische Einbeziehung könnte in diesen Fällen sowohl die Personalhoheit des Vorgängerstaates als auch das im modernen Völkerrecht anerkannte Recht des Individuums, nicht ohne seinen Willen einer neuen Staatsangehörigkeit unterworfen zu werden, verletzen (vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/2, 2. Aufl. 2003, S. 45 ff. und 64 ff.; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., Grundlagen Teil E, insbes. Rn. 44; Blumenwitz (2003) in Staudinger, Anh. I zu Art. 5 EGBGB, Rn. 42 ff.; VG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2007 - 11 K 3108/06 -, juris).
35 
b) Letztlich kann man diese Frage aber offenlassen. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass der Kläger kosovarischer Staatsangehöriger geworden ist, ist es ihm jedenfalls derzeit nicht in zumutbarer Weise möglich, aus dieser Staatsangehörigkeit entlassen zu lassen. Zwar regelt § 17 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit, und nach § 23 Abs. 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes können außerhalb des Kosovo wohnende Personen den Antrag auf Entlassung bei der nächsten Botschaft oder dem nächsten Konsulat einreichen, von welcher der Antrag an die zuständige Stelle weitergeleitet wird. Es ist indes nicht ersichtlich, welche Behörde für eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit letztlich zuständig ist. Die Verwaltungsstrukturen im Kosovo sind erst im Aufbau begriffen. Zwar werden mittlerweile wohl schon die ersten Reisepässe ausgestellt (BAMF, Informationszentrum Asyl, Briefing Notes vom 4.8. und vom 28.7.2008); außerdem sind nunmehr Botschafter u.a. auch für Deutschland ernannt worden (BAMF, Informationszentrum Asyl, Briefing Notes vom 1.9.2008). Es existiert aber zur Zeit nach den vorliegenden Erkenntnissen noch keine Botschaft und kein Konsulat der Republik Kosovo in Deutschland und seinen Nachbarländern. Es liegen auch keine Informationen darüber vor, wonach es im Kosovo Behörden geben könnte, die derzeit einen Entlassungsantrag bearbeiten dürften und könnten. Auch wohl erforderliche Regelungen über die Einzelheiten des Verfahrens liegen - soweit ersichtlich - nicht vor. Wann funktionsfähige kosovarische Behörden und Verfahrensvorschriften für ein Entlassungsverfahren vorhanden sein werden, ist derzeit nicht konkret absehbar.
36 
Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger in seiner individuellen Situation nicht zumutbar, weiter abzuwarten, bis geklärt sein wird, ob und unter welchen Bedingungen er seine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit erreichen kann. Bei der Frage der Zumutbarkeit ist nicht nur die objektive Lage, sondern auch die persönliche Situation des jeweiligen Einbürgerungsbewerbers zu berücksichtigen. Hier fällt zugunsten des Klägers erheblich ins Gewicht, dass er bereits 2002 seinen Einbürgerungsantrag gestellt hat und sein Einbürgerungsverfahren aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, bereits seit langem anhängig ist. Daher kann von ihm nicht verlangt werden, weiter zuzuwarten, bis der Aufbau der kosovarischen Verwaltung so weit abgeschlossen ist, dass ein Entlassungsverfahren bearbeitet werden kann und die konkret erforderlichen Voraussetzungen für eine Entlassung definitiv geklärt sind.
37 
2. Für den Kläger besteht nach der Überzeugung des Senats auch keine Möglichkeit, seine reguläre Entlassung aus der - nach wie vor bestehenden (a) - serbischen Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen (b).
38 
a) Der Senat geht nicht davon aus, dass die serbische Staatsangehörigkeit des Klägers durch die Unabhängigkeit des Kosovo „automatisch“ untergegangen ist (a.A. ohne nähere Begr. VG Göttingen, Urteil vom 21.5.2008 - 1 A 390/07 -, juris). Dabei kann auch hier dahinstehen, ob der Kläger überhaupt wirksam und in Einklang mit völkerrechtlichen Grundsätzen die kosovarische Staatsangehörigkeit erworben hat (s. oben unter 1.a). Denn § 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes erkennt die Mehrstaatigkeit ausdrücklich an. Die Republik Kosovo misst damit dem Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit keinen derartigen Rang zu, dass eine weitere Staatsangehörigkeit dem Erwerb ihrer Staatsangehörigkeit entgegenstehen könnte. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb das Fortbestehen der serbischen Staatsangehörigkeit von Personen wie dem Kläger, die sich im Zeitpunkt der Unabhängigkeit dauerhaft außerhalb des Kosovo aufgehalten haben, einen völkerrechtswidrigen Eingriff in die Souveränität der Republik Kosovo darstellen sollte.
39 
b) Dem Kläger ist es nicht möglich, seine reguläre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen. Auf Grund der Praxis ethnischer Diskriminierung albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo durch serbische Behörden wäre absehbar, dass ein Antrag auf Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit entweder keinen Erfolg in zumutbarer Zeit hätte oder dass dieser nur durch Bestechung erreicht werden könnte.
40 
Schon allgemein betrachtet ist die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit für den Kläger als albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo unzumutbar. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass er nach wie vor nicht im Besitz eines serbischen Passes ist. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln. In diesem Fall müsste er vor Durchführung des eigentlichen Entlassungsverfahrens zunächst seine serbische Staatsangehörigkeit nachweisen können. Denn wie sich aus dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.3.2003 sowie aus dem Protokoll vom 15.11.2004 ergibt, leitet das Generalkonsulat Stuttgart ein Entlassungsverfahren ohne einen gültigen Pass nicht ein. Nach einem vom Innenministerium Baden-Württemberg vorgelegten Merkblatt des Generalkonsulats Stuttgart ist u.a. Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses, dass ein aktueller Staatsangehörigkeitsnachweis vom Kläger beschafft wird. Erst wenn dieser vorliegt - das Innenministerium spricht im Protokoll vom 15.11.2004 selbst von längeren, unter Umständen mehrjährigen Verfahrenszeiten - kann ein Reisepass beantragt werden. Zwar ist die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsnachweises als solche nicht von vornherein unzumutbar. Dass die Behörden des Herkunftsstaates den Einbürgerungsbewerber auffordern, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, stellt grundsätzlich keine unzumutbare Bedingung dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002 auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002 - 13 S 810/02 -). Ist indes wie hier den Betroffenen aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen die Beibringung der erforderlichen Unterlagen in absehbarer Zeit nicht möglich, sind die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Fallgestaltung StAG erfüllt. Die Beklagte weist selbst darauf hin, dass ein Zeitraum von zwei Jahren oft nicht genüge, wenn ein Einbürgerungsbewerber erst seine serbische Staatsangehörigkeit nachweisen und einen serbischen Pass besorgen müsse. Mehrjährige Verfahrenslaufzeiten begründen für sich allein schon die Unzumutbarkeit. Dass die Ordnung der personenstandsrechtlichen Angelegenheiten keine - abstrakt - unzumutbare Entlassungsbedingung bildet, setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber eine realistische Chance hat, diese Entlassungsvoraussetzung unter zumutbaren Bedingungen in angemessener Zeit erfüllen zu können (vgl. BVerwG, a.a.O.).
41 
Für eine Unzumutbarkeit sprechen auch die Erkenntnisse mehrerer Bundesländer. Auf Anfrage des Berichterstatters teilte das Hessische Ministerium des Innern und für Sport unter dem 13.12.2007 mit, am 26.6.2007 sei bei den hessischen Einbürgerungsbehörden angefragt worden, wie viele serbische Einbürgerungsbewerber mit albanischer Volkszugehörigkeit seit dem 26.7.2006 die Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit erhalten hätten. Die Umfrage habe ergeben, dass in diesem Zeitraum keine Entlassungsbestätigungen eingegangen seien. Es seien lediglich zwei „Beschlüsse“ vorgelegt worden, die schon prima facie den Eindruck der Fälschung erweckt hätten. Auch Niedersachsen (Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 3.6.2005) und Nordrhein-Westfalen (vgl. die am 2.12.2005 erfolgte Ergänzung des Runderlasses des Innenministeriums vom 21.6.2005) gehen von einer Unzumutbarkeit aus.
42 
Weiter ist zu berücksichtigen, dass es dem Kläger wohl nicht möglich ist, sich persönlich um die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen zu kümmern. Die Personenstandsregister aus dem Kosovo sind nach Serbien ausgelagert worden. Ohne serbischen Reisepass hat der Kläger aber keine Möglichkeit, sich persönlich nach Serbien zu begeben, um dort die erforderlichen Unterlagen zu besorgen (vgl. bereits Senatsurteil vom 15.11.2002 auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002, a.a.O.). Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat, die für die Passausstellung zuständige kosovarische Behörde habe Unterlagen zur Verfügung gehabt, die dort als Nachweis seiner Identität ausgereicht hätten, ist nicht klar, um welche Dokumente es sich hierbei genau gehandelt hat; es bedeutet zudem nicht, dass auch serbische Behörden diese Unterlagen anerkennen würden.
43 
Auch ob der Kläger als albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo Zugang zu Dienstleistungen der serbischen Auslandsvertretungen hat, ist äußerst fraglich. Verschiedene Auskünfte deuten darauf hin, dass dies nicht der Fall ist (Botschaftsbericht der Botschaft Belgrad vom 6.4. und vom 6.6.2005; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration vom 10.3.2008). Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.3.2008 an das Verwaltungsgericht Münster nimmt derzeit keine diplomatische Vertretung in Deutschland die konsularischen Belange der kosovarischen Staatsangehörigen bis zur Eröffnung einer kosovarischen Vertretung wahr. Die Deutsche Botschaft Belgrad geht hierbei davon aus, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine systematische kriminelle Kollusion zwischen den Auslandsvertretungen und „dubiosen“ serbischen Rechtsanwälten handelt. Dem hält indes die Beklagte entgegen, das serbische Generalkonsulat Stuttgart habe dem Innenministerium Baden-Württemberg unter dem 7.7.2008 mitgeteilt, dass nach der serbischen Verfassung das Kosovo Teil des Staatsgebiets sei und das Konsulat weiterhin allen seinen Staatsbürgern aus dem Kosovo für konsularisch-juristische Dienstleistungen wie z.B. für Entlassungen aus der serbischen Staatsangehörigkeit zur Verfügung stehe. Diese Angabe beruht allerdings nur auf wenigen Referenzfällen, von denen der Kläger unwidersprochen behauptet, aus den vorgelegten Dokumenten gehe hervor, dass es sich um Roma und nicht um albanische Volkszugehörige gehandelt habe. Die Beklagte hat zudem auch mitgeteilt, nach Auskunft des Regierungspräsidiums Karlsruhe hätten betroffene albanische Volkszugehörige überwiegend berichtet, dass sie im serbischen Generalkonsulat Stuttgart - soweit sie überhaupt vorgelassen worden seien - sehr unfreundlich behandelt worden seien; allerdings könne auch nicht gesagt werden, dass das Generalkonsulat seine konsularische Tätigkeit für albanische Volkszugehörige ganz eingestellt habe. Zu denken gibt im Zusammenhang mit der in Serbien weit verbreiteten Korruption auch, dass der Kläger seinem Vortrag zufolge auf seinen formlosen Entlassungsantrag hin vom Generalkonsulat Stuttgart aufgefordert worden ist, nur einen Teil der Gebühren per Banküberweisung und den überwiegenden Teil in bar zu begleichen.
44 
Dem Kläger kann es auch nicht abverlangt werden, die Besorgung der erforderlichen Unterlagen und das Entlassungsverfahren einem Bevollmächtigten zu übertragen. Einem Einbürgerungsbewerber ist es nicht zuzumuten, den Verlust seiner bisherigen Staatsangehörigkeit nur mit Hilfe einer Bestechung herbeizuführen. Genau dies wäre mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aber der Fall, wenn der Kläger einen Vermittler beauftragen würde. Nach den Erkenntnissen der Deutschen Botschaft Belgrad (Fernschreiben vom 15.4.2005) beträgt die Fälschungsquote bei Bescheinigungen über die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit ca. 75%. Diese Zahl beruhe auf einer Überprüfung der im Rahmen konsularischer Amtshandlungen vorgelegter Dokumente im Zeitraum von April 2004 bis März 2005. In dieser - zum Teil wegen geringer Fallzahl nicht wissenschaftlich repräsentativen - Statistik seien authentische Urkunden unwahren Inhalts nicht erfasst. Die Verwendung ge- und verfälschter Urkunden sei im Rechts- und Behördenverkehr in Serbien alltäglich. Ethnische Albaner hätten wegen systematischer Diskriminierung de facto keine Möglichkeit, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Sie wendeten sich daher an dubiose Vermittler, die ihnen gegen Entgelt eine unbürokratische Lösung in Aussicht stellten. Ob diese durch die Bestechung von Amtsträgern oder Integralfälschungen geschehe, hänge von der „Seriosität“ des Vermittlers ab. Bei den Vermittlern handle es sich teilweise um ehemalige Botschaftsbedienstete, die nunmehr als Rechtsanwalt tätig seien und wohl nach wie vor Verbindungen zu den Auslandsvertretungen unterhielten (Botschaftsbericht vom 21.4.2005). In einer Stellungnahme vom 3.3.2006 hat die Botschaft diese Einschätzung nochmals bestätigt.
45 
Dem halten die Beklagte und das Innenministerium Baden-Württemberg zu Unrecht ihre eigenen und bayerische Erkenntnisse entgegen, wonach kosovarische Volkszugehörige nach Auskunft des serbischen Generalkonsulats Stuttgart nach wie vor konsularisch betreut würden und viele Entlassungsverfahren durchgeführt worden seien. Die oben erwähnte hohe Fälschungsquote von 75 % zuzüglich der nicht gefälschten, aber inhaltlich unwahren Entlassungsbescheinigungen lässt es vielmehr als naheliegend erscheinen, dass diese vermeintlichen Entlassungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sind (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 28.11.2007 - AN 15 K 06.01148 -). Sollte der Verdacht der Deutschen Botschaft Belgrad zutreffen, dass auch serbische Amtsträger in „unsaubere“ Verfahren einbezogen sind, würde dies ohne Weiteres erklären, weshalb diese vorgelegte Entlassungsbescheinigungen als echt bezeichnen. Dass die einzelnen Antragsteller auf Anfrage nichts von Fälschungen oder Bestechungsgeldern erwähnen, kann ohne weiteres auf der Furcht beruhen, dass die entsprechenden Dokumente nicht anerkannt werden oder dass strafrechtliche Verfahren eingeleitet werden. Zum anderen deutet der Botschaftsbericht darauf hin, dass die jeweiligen Antragsteller durchaus gutgläubig sein können, also darauf vertrauen, dass die eingeschalteten Vermittler ihnen echte und inhaltlich wahre Dokumente besorgen. Soweit die Beklagte geltend macht, die Deutsche Botschaft sei selbst nicht mit Entlassungs- oder Einbürgerungsverfahren befasst, und mit dieser Begründung die Auskünfte der Botschaft relativieren möchte, ist darauf hinzuweisen, dass in dem Fernschreiben der Botschaft Belgrad vom 15.4.2005 ausgeführt wird, die Botschaft habe immerhin für den Zeitraum April 2004 bis März 2005 die im Rahmen diverser konsularischer Amtshandlungen vorgelegten Dokumente überprüft. Auch wenn es sich hierbei einerseits um keine repräsentative Untersuchung gehandelt haben mag, ist es andererseits naheliegend, dass es sich nicht nur um eine wenige Einzelfälle gehandelt haben wird. Schließlich stehen die Erkenntnisse der Botschaft mit den vorliegenden allgemeinen Erkenntnissen in Einklang. Allgemein sind in Serbien gefälschte oder inhaltlich unwahre Dokumente weit verbreitet. Das Auswärtige Amt führt hierzu in seinem Lagebericht zu Serbien vom 23.4.2007 aus: Die Praxis habe gezeigt, dass viele Dokumente in formeller Hinsicht echt seien, jedoch ihr Inhalt nicht den Tatsachen und den Registereinträgen entspreche. Echte Urkunden und Bescheinigungen aller Art seien gegen Bezahlung praktisch mit jedem Inhalt zu erhalten. In Einzelfällen seien selbst das Außenministerium bzw. die ehemaligen serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen als Mitträger inhaltlich unwahrer Dokumente aufgetreten. Neben den echten Dokumenten unwahren Inhalts seien auch zahlreiche komplette Fälschungen, meist schlechter Qualität, im Umlauf. Besonders hoch sei die Fälschungsquote bei Dokumenten mit Kosovo-Bezug, da im Zuge der Schließung der serbischen bzw. jugoslawischen Ämter im Kosovo im Frühjahr 1999 eine Vielzahl von Formularen und Dienstsiegeln abhanden gekommen sei.
46 
Weiter führt auch die Nichtableistung der Wehrpflicht durch den Kläger zu einer unzumutbaren Entlassungsvoraussetzung (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 28.11.2007, a.a.O.). Bei den aus dem Kosovo stammenden serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit ist nach den vorliegenden Erkenntnissen (Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.3.2005; Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 3.6.2005; Schreiben des Generalkonsulats Stuttgart vom 17.10.2005 an das Innenministerium Baden-Württemberg; AA, Lagebericht Serbien und Montenegro vom 23.9.2005) davon auszugehen, dass einerseits die Wehrpflicht zwar grundsätzlich - bis zum 60. Lebensjahr in Form einer Wehrdienstpflicht im Reservekontingent - besteht, aber andererseits mangels Einberufung nicht erfüllt werden kann. Weiter ist auch zu berücksichtigen, dass keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Kläger nicht wehrpflichtig (gewesen) sein könnte. Gesundheitliche Einschränkungen oder sonstige Gründe für eine Ausnahme von der Wehrpflicht sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Er selbst hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat versichert, er sei „topfit“ und leide an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dass er nicht wehrpflichtig (gewesen) sein könnte, erscheint demzufolge als lebensfern und als bloße fernliegende theoretische Möglichkeit. Unter diesen Umständen ist vom Kläger die Durchführung eines förmlichen Entlassungsverfahrens zwecks Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Wehrpflicht nicht zu verlangen, zumal für ihn unabhängig davon, ob eine Wehrpflicht besteht oder durchgesetzt werden soll, de facto voraussichtlich keine Möglichkeit besteht, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Die Einleitung eines Entlassungsverfahrens, dessen negatives Ende feststeht und bei dem nur unklar ist, warum es legal nicht zum Erfolg führen kann, ist eine unzumutbare Entlassungsvoraussetzung.
47 
Auch das Innenministerium Baden-Württemberg geht in seinen Vorläufigen Anwendungshinweisen vom Vorliegen einer unzumutbaren Bedingung aus, wenn die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig gemacht bzw. aus diesem Grund abgelehnt wird, sofern es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handelt. Allerdings verlangt es zu Unrecht die vorherige Durchführung eines Entlassungsverfahrens. Ist wie hier von vornherein absehbar, dass dieses nicht zum Erfolg führen kann, wäre dies ein bloßer Formalismus, der den Betroffenen nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, a.a.O.). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass für das Entlassungsverfahren einschließlich der Beschaffung der notwendigen Unterlagen schon regulär (also ohne etwaige Bestechungsgelder) ein vierstelliger Betrag aufzuwenden ist.
48 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen. Insbesondere sind die grundsätzlichen Fragen, die sich in diesem Verfahren ursprünglich gestellt haben, mittlerweile durch die Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 3.5.2007, a.a.O.) geklärt.

Gründe

 
27 
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Klage begründet ist. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert zu werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dass die sonstigen Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG erfüllt sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln.
28 
Grundsätzlich setzt eine Anspruchseinbürgerung voraus, dass Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG). Eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit ist ausnahmsweise unter anderem dann möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG).
29 
Hier ist jedenfalls die zweite Fallgestaltung (unzumutbare Bedingungen für eine Entlassung) des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG gegeben. Sie scheidet nicht bereits deshalb aus, weil es an der Einleitung eines Entlassungsverfahrens fehlt (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 5 C 3/06 -, BVerwGE 129, 20 = NVwZ 2007, 931; anders noch der 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs, Urteil vom 24.11.2005 - 12 S 1695/05 -, InfAuslR 2006, 230). Das Erfordernis eines Entlassungsantrages ist für diese Fallgestaltung nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen und folgt auch nicht aus der systematischen Stellung dieses Ausnahmegrundes. Die Gesetzesbegründung zur Vorläuferregelung in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG (BTDrucks 14/533, 19) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wenn es dort heißt, diese Bestimmung betreffe „hauptsächlich Fälle, in denen ein Entlassungsantrag gestellt wird, das Entlassungsverfahren aber im Einzelfall scheitert", erhellt dies, dass der Gesetzgeber auch andere Fallgruppen vor Augen hatte.
30 
Die hier einschlägige zweite Alternative erfasst - wie das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) entschieden hat - unter anderem die Fallgruppe der generellen Entlassungsverweigerung bei Untergruppen von Staatsangehörigen, die nach staatsangehörigkeitsrechtlich nicht anzuerkennenden Kriterien ethnischer Diskriminierung gebildet werden, soweit diese nicht bereits § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG unterfallen sollten, sowie weitere Fälle erkennbar aussichtsloser Anträge. Zwar lässt sich die Frage, ob unzumutbare Entlassungsbedingungen gestellt werden, in einer Reihe von Fällen erst im Verfahren nach gestelltem Antrag sinnvoll beantworten. Dies rechtfertigt indes nicht, auch in solchen Fällen, in denen der negative Ausgang des Verfahrens absehbar ist, einen ordnungsgemäßen Entlassungsantrag zu verlangen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Hier ist dem Kläger nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder die Entlassung aus einer (möglichen) kosovarischen (1.) noch aus der serbischen (2.) Staatsangehörigkeit in zumutbarer Weise möglich.
31 
1. Der Kläger kann aus einer (möglicherweise erworbenen) kosovarischen Staatsangehörigkeit (a) jedenfalls nicht in zumutbarer Weise entlassen werden (b).
32 
a) Die Republik Kosovo hat in § 29 ihres Staatsangehörigkeitsgesetzes geregelt, dass unter anderem die direkten Abkömmlinge derjenigen, die am 1.1.1998 jugoslawische Staatsangehörige gewesen sind und ihren Wohnsitz im Kosovo hatten, kosovarische Staatsangehörige sind (Abs. 1 i.V.m. Abs. 2). Die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis wird auf Antrag des Betroffenen wirksam (Abs. 3).
33 
Der Wortlaut des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Kosovo scheint darauf hinzudeuten, dass die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis nicht konstitutiv ist, sondern dass es sich lediglich um die deklaratorische Eintragung einer bereits kraft Gesetzes erworbenen Staatsangehörigkeit handeln soll (ebenso der Vertreter des BMI in der „Besprechung von Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsfragen“ vom 26./27.5.2008; BAMF, Entscheidungen Asyl 8/2008 „Kosovo: Staatsbürgerschaft“). Dafür spricht auch, dass die kosovarischen Behörden den Kläger offenkundig als kosovarischen Staatsangehörigen ansehen, denn sie haben ihm am 11.9.2008 einen Reisepass ausgestellt.
34 
Allerdings ist umstritten, ob eine automatische Erstreckung der Staatsangehörigkeit auf Personen wie den Kläger völkerrechtlich überhaupt zulässig ist. Das Ermessen eines Staates, im Falle einer einseitigen Sezession zu bestimmen, welche ehemaligen Angehörigen des Vorgängerstaates seine Staatsangehörigkeit erlangen sollen, ist nämlich durch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts begrenzt (s. auch Art. 25 GG). Danach setzt die Inanspruchnahme von Personen als eigene Staatsangehörige voraus, dass zwischen diesen und dem Staat eine nähere tatsächliche Beziehung („genuine connection“) besteht. Ob eine solche enge Beziehung zur Republik Kosovo bei Personen noch besteht, die wie der Kläger im Zeitpunkt der Unabhängigkeit ihren Wohnsitz nicht in dem Gebiet des neu gegründeten Staates hatten, sondern seit mehr als fünfzehn Jahren ihren Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland haben, und - wie durch den Einbürgerungsantrag belegt ist - nicht beabsichtigen, jemals auf Dauer in den Kosovo zurückzukehren, ist zumindest fraglich. Die automatische Einbeziehung könnte in diesen Fällen sowohl die Personalhoheit des Vorgängerstaates als auch das im modernen Völkerrecht anerkannte Recht des Individuums, nicht ohne seinen Willen einer neuen Staatsangehörigkeit unterworfen zu werden, verletzen (vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/2, 2. Aufl. 2003, S. 45 ff. und 64 ff.; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., Grundlagen Teil E, insbes. Rn. 44; Blumenwitz (2003) in Staudinger, Anh. I zu Art. 5 EGBGB, Rn. 42 ff.; VG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2007 - 11 K 3108/06 -, juris).
35 
b) Letztlich kann man diese Frage aber offenlassen. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass der Kläger kosovarischer Staatsangehöriger geworden ist, ist es ihm jedenfalls derzeit nicht in zumutbarer Weise möglich, aus dieser Staatsangehörigkeit entlassen zu lassen. Zwar regelt § 17 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit, und nach § 23 Abs. 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes können außerhalb des Kosovo wohnende Personen den Antrag auf Entlassung bei der nächsten Botschaft oder dem nächsten Konsulat einreichen, von welcher der Antrag an die zuständige Stelle weitergeleitet wird. Es ist indes nicht ersichtlich, welche Behörde für eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit letztlich zuständig ist. Die Verwaltungsstrukturen im Kosovo sind erst im Aufbau begriffen. Zwar werden mittlerweile wohl schon die ersten Reisepässe ausgestellt (BAMF, Informationszentrum Asyl, Briefing Notes vom 4.8. und vom 28.7.2008); außerdem sind nunmehr Botschafter u.a. auch für Deutschland ernannt worden (BAMF, Informationszentrum Asyl, Briefing Notes vom 1.9.2008). Es existiert aber zur Zeit nach den vorliegenden Erkenntnissen noch keine Botschaft und kein Konsulat der Republik Kosovo in Deutschland und seinen Nachbarländern. Es liegen auch keine Informationen darüber vor, wonach es im Kosovo Behörden geben könnte, die derzeit einen Entlassungsantrag bearbeiten dürften und könnten. Auch wohl erforderliche Regelungen über die Einzelheiten des Verfahrens liegen - soweit ersichtlich - nicht vor. Wann funktionsfähige kosovarische Behörden und Verfahrensvorschriften für ein Entlassungsverfahren vorhanden sein werden, ist derzeit nicht konkret absehbar.
36 
Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger in seiner individuellen Situation nicht zumutbar, weiter abzuwarten, bis geklärt sein wird, ob und unter welchen Bedingungen er seine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit erreichen kann. Bei der Frage der Zumutbarkeit ist nicht nur die objektive Lage, sondern auch die persönliche Situation des jeweiligen Einbürgerungsbewerbers zu berücksichtigen. Hier fällt zugunsten des Klägers erheblich ins Gewicht, dass er bereits 2002 seinen Einbürgerungsantrag gestellt hat und sein Einbürgerungsverfahren aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, bereits seit langem anhängig ist. Daher kann von ihm nicht verlangt werden, weiter zuzuwarten, bis der Aufbau der kosovarischen Verwaltung so weit abgeschlossen ist, dass ein Entlassungsverfahren bearbeitet werden kann und die konkret erforderlichen Voraussetzungen für eine Entlassung definitiv geklärt sind.
37 
2. Für den Kläger besteht nach der Überzeugung des Senats auch keine Möglichkeit, seine reguläre Entlassung aus der - nach wie vor bestehenden (a) - serbischen Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen (b).
38 
a) Der Senat geht nicht davon aus, dass die serbische Staatsangehörigkeit des Klägers durch die Unabhängigkeit des Kosovo „automatisch“ untergegangen ist (a.A. ohne nähere Begr. VG Göttingen, Urteil vom 21.5.2008 - 1 A 390/07 -, juris). Dabei kann auch hier dahinstehen, ob der Kläger überhaupt wirksam und in Einklang mit völkerrechtlichen Grundsätzen die kosovarische Staatsangehörigkeit erworben hat (s. oben unter 1.a). Denn § 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes erkennt die Mehrstaatigkeit ausdrücklich an. Die Republik Kosovo misst damit dem Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit keinen derartigen Rang zu, dass eine weitere Staatsangehörigkeit dem Erwerb ihrer Staatsangehörigkeit entgegenstehen könnte. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb das Fortbestehen der serbischen Staatsangehörigkeit von Personen wie dem Kläger, die sich im Zeitpunkt der Unabhängigkeit dauerhaft außerhalb des Kosovo aufgehalten haben, einen völkerrechtswidrigen Eingriff in die Souveränität der Republik Kosovo darstellen sollte.
39 
b) Dem Kläger ist es nicht möglich, seine reguläre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen. Auf Grund der Praxis ethnischer Diskriminierung albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo durch serbische Behörden wäre absehbar, dass ein Antrag auf Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit entweder keinen Erfolg in zumutbarer Zeit hätte oder dass dieser nur durch Bestechung erreicht werden könnte.
40 
Schon allgemein betrachtet ist die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit für den Kläger als albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo unzumutbar. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass er nach wie vor nicht im Besitz eines serbischen Passes ist. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln. In diesem Fall müsste er vor Durchführung des eigentlichen Entlassungsverfahrens zunächst seine serbische Staatsangehörigkeit nachweisen können. Denn wie sich aus dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.3.2003 sowie aus dem Protokoll vom 15.11.2004 ergibt, leitet das Generalkonsulat Stuttgart ein Entlassungsverfahren ohne einen gültigen Pass nicht ein. Nach einem vom Innenministerium Baden-Württemberg vorgelegten Merkblatt des Generalkonsulats Stuttgart ist u.a. Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses, dass ein aktueller Staatsangehörigkeitsnachweis vom Kläger beschafft wird. Erst wenn dieser vorliegt - das Innenministerium spricht im Protokoll vom 15.11.2004 selbst von längeren, unter Umständen mehrjährigen Verfahrenszeiten - kann ein Reisepass beantragt werden. Zwar ist die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsnachweises als solche nicht von vornherein unzumutbar. Dass die Behörden des Herkunftsstaates den Einbürgerungsbewerber auffordern, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, stellt grundsätzlich keine unzumutbare Bedingung dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002 auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002 - 13 S 810/02 -). Ist indes wie hier den Betroffenen aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen die Beibringung der erforderlichen Unterlagen in absehbarer Zeit nicht möglich, sind die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Fallgestaltung StAG erfüllt. Die Beklagte weist selbst darauf hin, dass ein Zeitraum von zwei Jahren oft nicht genüge, wenn ein Einbürgerungsbewerber erst seine serbische Staatsangehörigkeit nachweisen und einen serbischen Pass besorgen müsse. Mehrjährige Verfahrenslaufzeiten begründen für sich allein schon die Unzumutbarkeit. Dass die Ordnung der personenstandsrechtlichen Angelegenheiten keine - abstrakt - unzumutbare Entlassungsbedingung bildet, setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber eine realistische Chance hat, diese Entlassungsvoraussetzung unter zumutbaren Bedingungen in angemessener Zeit erfüllen zu können (vgl. BVerwG, a.a.O.).
41 
Für eine Unzumutbarkeit sprechen auch die Erkenntnisse mehrerer Bundesländer. Auf Anfrage des Berichterstatters teilte das Hessische Ministerium des Innern und für Sport unter dem 13.12.2007 mit, am 26.6.2007 sei bei den hessischen Einbürgerungsbehörden angefragt worden, wie viele serbische Einbürgerungsbewerber mit albanischer Volkszugehörigkeit seit dem 26.7.2006 die Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit erhalten hätten. Die Umfrage habe ergeben, dass in diesem Zeitraum keine Entlassungsbestätigungen eingegangen seien. Es seien lediglich zwei „Beschlüsse“ vorgelegt worden, die schon prima facie den Eindruck der Fälschung erweckt hätten. Auch Niedersachsen (Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 3.6.2005) und Nordrhein-Westfalen (vgl. die am 2.12.2005 erfolgte Ergänzung des Runderlasses des Innenministeriums vom 21.6.2005) gehen von einer Unzumutbarkeit aus.
42 
Weiter ist zu berücksichtigen, dass es dem Kläger wohl nicht möglich ist, sich persönlich um die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen zu kümmern. Die Personenstandsregister aus dem Kosovo sind nach Serbien ausgelagert worden. Ohne serbischen Reisepass hat der Kläger aber keine Möglichkeit, sich persönlich nach Serbien zu begeben, um dort die erforderlichen Unterlagen zu besorgen (vgl. bereits Senatsurteil vom 15.11.2002 auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002, a.a.O.). Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat, die für die Passausstellung zuständige kosovarische Behörde habe Unterlagen zur Verfügung gehabt, die dort als Nachweis seiner Identität ausgereicht hätten, ist nicht klar, um welche Dokumente es sich hierbei genau gehandelt hat; es bedeutet zudem nicht, dass auch serbische Behörden diese Unterlagen anerkennen würden.
43 
Auch ob der Kläger als albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo Zugang zu Dienstleistungen der serbischen Auslandsvertretungen hat, ist äußerst fraglich. Verschiedene Auskünfte deuten darauf hin, dass dies nicht der Fall ist (Botschaftsbericht der Botschaft Belgrad vom 6.4. und vom 6.6.2005; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration vom 10.3.2008). Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.3.2008 an das Verwaltungsgericht Münster nimmt derzeit keine diplomatische Vertretung in Deutschland die konsularischen Belange der kosovarischen Staatsangehörigen bis zur Eröffnung einer kosovarischen Vertretung wahr. Die Deutsche Botschaft Belgrad geht hierbei davon aus, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine systematische kriminelle Kollusion zwischen den Auslandsvertretungen und „dubiosen“ serbischen Rechtsanwälten handelt. Dem hält indes die Beklagte entgegen, das serbische Generalkonsulat Stuttgart habe dem Innenministerium Baden-Württemberg unter dem 7.7.2008 mitgeteilt, dass nach der serbischen Verfassung das Kosovo Teil des Staatsgebiets sei und das Konsulat weiterhin allen seinen Staatsbürgern aus dem Kosovo für konsularisch-juristische Dienstleistungen wie z.B. für Entlassungen aus der serbischen Staatsangehörigkeit zur Verfügung stehe. Diese Angabe beruht allerdings nur auf wenigen Referenzfällen, von denen der Kläger unwidersprochen behauptet, aus den vorgelegten Dokumenten gehe hervor, dass es sich um Roma und nicht um albanische Volkszugehörige gehandelt habe. Die Beklagte hat zudem auch mitgeteilt, nach Auskunft des Regierungspräsidiums Karlsruhe hätten betroffene albanische Volkszugehörige überwiegend berichtet, dass sie im serbischen Generalkonsulat Stuttgart - soweit sie überhaupt vorgelassen worden seien - sehr unfreundlich behandelt worden seien; allerdings könne auch nicht gesagt werden, dass das Generalkonsulat seine konsularische Tätigkeit für albanische Volkszugehörige ganz eingestellt habe. Zu denken gibt im Zusammenhang mit der in Serbien weit verbreiteten Korruption auch, dass der Kläger seinem Vortrag zufolge auf seinen formlosen Entlassungsantrag hin vom Generalkonsulat Stuttgart aufgefordert worden ist, nur einen Teil der Gebühren per Banküberweisung und den überwiegenden Teil in bar zu begleichen.
44 
Dem Kläger kann es auch nicht abverlangt werden, die Besorgung der erforderlichen Unterlagen und das Entlassungsverfahren einem Bevollmächtigten zu übertragen. Einem Einbürgerungsbewerber ist es nicht zuzumuten, den Verlust seiner bisherigen Staatsangehörigkeit nur mit Hilfe einer Bestechung herbeizuführen. Genau dies wäre mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aber der Fall, wenn der Kläger einen Vermittler beauftragen würde. Nach den Erkenntnissen der Deutschen Botschaft Belgrad (Fernschreiben vom 15.4.2005) beträgt die Fälschungsquote bei Bescheinigungen über die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit ca. 75%. Diese Zahl beruhe auf einer Überprüfung der im Rahmen konsularischer Amtshandlungen vorgelegter Dokumente im Zeitraum von April 2004 bis März 2005. In dieser - zum Teil wegen geringer Fallzahl nicht wissenschaftlich repräsentativen - Statistik seien authentische Urkunden unwahren Inhalts nicht erfasst. Die Verwendung ge- und verfälschter Urkunden sei im Rechts- und Behördenverkehr in Serbien alltäglich. Ethnische Albaner hätten wegen systematischer Diskriminierung de facto keine Möglichkeit, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Sie wendeten sich daher an dubiose Vermittler, die ihnen gegen Entgelt eine unbürokratische Lösung in Aussicht stellten. Ob diese durch die Bestechung von Amtsträgern oder Integralfälschungen geschehe, hänge von der „Seriosität“ des Vermittlers ab. Bei den Vermittlern handle es sich teilweise um ehemalige Botschaftsbedienstete, die nunmehr als Rechtsanwalt tätig seien und wohl nach wie vor Verbindungen zu den Auslandsvertretungen unterhielten (Botschaftsbericht vom 21.4.2005). In einer Stellungnahme vom 3.3.2006 hat die Botschaft diese Einschätzung nochmals bestätigt.
45 
Dem halten die Beklagte und das Innenministerium Baden-Württemberg zu Unrecht ihre eigenen und bayerische Erkenntnisse entgegen, wonach kosovarische Volkszugehörige nach Auskunft des serbischen Generalkonsulats Stuttgart nach wie vor konsularisch betreut würden und viele Entlassungsverfahren durchgeführt worden seien. Die oben erwähnte hohe Fälschungsquote von 75 % zuzüglich der nicht gefälschten, aber inhaltlich unwahren Entlassungsbescheinigungen lässt es vielmehr als naheliegend erscheinen, dass diese vermeintlichen Entlassungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sind (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 28.11.2007 - AN 15 K 06.01148 -). Sollte der Verdacht der Deutschen Botschaft Belgrad zutreffen, dass auch serbische Amtsträger in „unsaubere“ Verfahren einbezogen sind, würde dies ohne Weiteres erklären, weshalb diese vorgelegte Entlassungsbescheinigungen als echt bezeichnen. Dass die einzelnen Antragsteller auf Anfrage nichts von Fälschungen oder Bestechungsgeldern erwähnen, kann ohne weiteres auf der Furcht beruhen, dass die entsprechenden Dokumente nicht anerkannt werden oder dass strafrechtliche Verfahren eingeleitet werden. Zum anderen deutet der Botschaftsbericht darauf hin, dass die jeweiligen Antragsteller durchaus gutgläubig sein können, also darauf vertrauen, dass die eingeschalteten Vermittler ihnen echte und inhaltlich wahre Dokumente besorgen. Soweit die Beklagte geltend macht, die Deutsche Botschaft sei selbst nicht mit Entlassungs- oder Einbürgerungsverfahren befasst, und mit dieser Begründung die Auskünfte der Botschaft relativieren möchte, ist darauf hinzuweisen, dass in dem Fernschreiben der Botschaft Belgrad vom 15.4.2005 ausgeführt wird, die Botschaft habe immerhin für den Zeitraum April 2004 bis März 2005 die im Rahmen diverser konsularischer Amtshandlungen vorgelegten Dokumente überprüft. Auch wenn es sich hierbei einerseits um keine repräsentative Untersuchung gehandelt haben mag, ist es andererseits naheliegend, dass es sich nicht nur um eine wenige Einzelfälle gehandelt haben wird. Schließlich stehen die Erkenntnisse der Botschaft mit den vorliegenden allgemeinen Erkenntnissen in Einklang. Allgemein sind in Serbien gefälschte oder inhaltlich unwahre Dokumente weit verbreitet. Das Auswärtige Amt führt hierzu in seinem Lagebericht zu Serbien vom 23.4.2007 aus: Die Praxis habe gezeigt, dass viele Dokumente in formeller Hinsicht echt seien, jedoch ihr Inhalt nicht den Tatsachen und den Registereinträgen entspreche. Echte Urkunden und Bescheinigungen aller Art seien gegen Bezahlung praktisch mit jedem Inhalt zu erhalten. In Einzelfällen seien selbst das Außenministerium bzw. die ehemaligen serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen als Mitträger inhaltlich unwahrer Dokumente aufgetreten. Neben den echten Dokumenten unwahren Inhalts seien auch zahlreiche komplette Fälschungen, meist schlechter Qualität, im Umlauf. Besonders hoch sei die Fälschungsquote bei Dokumenten mit Kosovo-Bezug, da im Zuge der Schließung der serbischen bzw. jugoslawischen Ämter im Kosovo im Frühjahr 1999 eine Vielzahl von Formularen und Dienstsiegeln abhanden gekommen sei.
46 
Weiter führt auch die Nichtableistung der Wehrpflicht durch den Kläger zu einer unzumutbaren Entlassungsvoraussetzung (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 28.11.2007, a.a.O.). Bei den aus dem Kosovo stammenden serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit ist nach den vorliegenden Erkenntnissen (Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.3.2005; Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 3.6.2005; Schreiben des Generalkonsulats Stuttgart vom 17.10.2005 an das Innenministerium Baden-Württemberg; AA, Lagebericht Serbien und Montenegro vom 23.9.2005) davon auszugehen, dass einerseits die Wehrpflicht zwar grundsätzlich - bis zum 60. Lebensjahr in Form einer Wehrdienstpflicht im Reservekontingent - besteht, aber andererseits mangels Einberufung nicht erfüllt werden kann. Weiter ist auch zu berücksichtigen, dass keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Kläger nicht wehrpflichtig (gewesen) sein könnte. Gesundheitliche Einschränkungen oder sonstige Gründe für eine Ausnahme von der Wehrpflicht sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Er selbst hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat versichert, er sei „topfit“ und leide an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dass er nicht wehrpflichtig (gewesen) sein könnte, erscheint demzufolge als lebensfern und als bloße fernliegende theoretische Möglichkeit. Unter diesen Umständen ist vom Kläger die Durchführung eines förmlichen Entlassungsverfahrens zwecks Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Wehrpflicht nicht zu verlangen, zumal für ihn unabhängig davon, ob eine Wehrpflicht besteht oder durchgesetzt werden soll, de facto voraussichtlich keine Möglichkeit besteht, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Die Einleitung eines Entlassungsverfahrens, dessen negatives Ende feststeht und bei dem nur unklar ist, warum es legal nicht zum Erfolg führen kann, ist eine unzumutbare Entlassungsvoraussetzung.
47 
Auch das Innenministerium Baden-Württemberg geht in seinen Vorläufigen Anwendungshinweisen vom Vorliegen einer unzumutbaren Bedingung aus, wenn die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig gemacht bzw. aus diesem Grund abgelehnt wird, sofern es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handelt. Allerdings verlangt es zu Unrecht die vorherige Durchführung eines Entlassungsverfahrens. Ist wie hier von vornherein absehbar, dass dieses nicht zum Erfolg führen kann, wäre dies ein bloßer Formalismus, der den Betroffenen nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, a.a.O.). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass für das Entlassungsverfahren einschließlich der Beschaffung der notwendigen Unterlagen schon regulär (also ohne etwaige Bestechungsgelder) ein vierstelliger Betrag aufzuwenden ist.
48 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen. Insbesondere sind die grundsätzlichen Fragen, die sich in diesem Verfahren ursprünglich gestellt haben, mittlerweile durch die Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 3.5.2007, a.a.O.) geklärt.

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 Abs. 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres 2005 (EStG).

2

Die Klägerin und ihr Ehemann B. sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Herr B. war Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der C-GmbH in S. (GmbH). Das Stammkapital von 50.000 DM (= 25.565 €) hielt Herr B. in seinem Privatvermögen. Über das Vermögen des Herrn B. wurde am ... Mai 2005 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet; der Schlusstermin fand am 20. November 2008 statt; am 16. Juni 2011 ist Herrn B. Restschuldbefreiung erteilt worden.

3

Mit Beschluss vom ... November 2003 eröffnete das Amtsgericht M. das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung und bestellte Dipl.-Betriebswirt R. zum Insolvenzverwalter. Nach einem Bericht des Insolvenzverwalters vom 03. Februar 2004 hatte die GmbH zu diesem Zeitpunkt unter Ansatz von Liquidationswerten ein Aktivvermögen von 23.800 € und fällige Verbindlichkeiten i.H.v. 415.700 €. Der Insolvenzverwalter ging jedoch davon aus, dass „aus den umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen voraussichtlich noch weitere Beträge für die Masse generiert werden können“. Im Übrigen stellte der Insolvenzverwalter fest, dass die GmbH „bei vorläufiger Betrachtung“ bereits 2002 überschuldet, seit Juli 2003 zahlungsunfähig und der Geschäftsbetrieb zum 31. Juli 2003 eingestellt war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht des Insolvenzverwalters vom 03. Februar 2004 verwiesen. Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2007 zeigte der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht an, dass Masseunzulänglichkeit nach § 208 Insolvenzordnung (InsO) vorliegt.

4

In seinen Schlussbericht vom 09. September 2013 führte der Insolvenzverwalter aus, seit dem 03. November 2004 ein Zivilverfahren gegen eine P-GmbH auf Bewilligung der Eigentumsumschreibung an im Bebauungsgebiet „...“ in S. gelegenen unerschlossenen Grundstücken mit einer Gesamtgröße von 27.333 qm, welche die GmbH mit notariellem Vertrag vom 08. Juli 2003 an die P-GmbH zu einem Kaufpreis von 342.032,54 € veräußert hatte, geführt zu haben. Geschäftsführer der P-GmbH war Herr B., der Ehemann der Klägerin; alleiniger Gesellschafter der P-GmbH war der Sohn der Eheleute B. Nach rechtskräftigem und - aus Sicht des Insolvenzverwalters - erfolgreichem Abschluss des Zivilverfahrens am 28. Dezember 2005 erfolgte im Frühjahr 2006 die Eigentumsumschreibung der Grundstücke auf die GmbH. Seitdem war Hauptaufgabe des Insolvenzverwalters, sich um die Verwertung dieser Grundstücke zu bemühen. Nachdem der Insolvenzverwalter in einem Bericht vom 06. Februar 2007 bezüglich zwei dieser Grundstücke, welche er nicht näher bezeichnete, noch von einem erzielbaren Veräußerungserlös von circa 25 bis 30 €/qm ausgegangen war, veräußerte er am 08. Juli 2009 an die Klägerin ein (Teil-) Grundstück mit einer Größe von 17.131 qm zu einem Preis von insgesamt (nur) 5.000 € und stellte in seinem Schlussbericht fest, dass die restlichen Grundstücke nicht verwertbar seien. Wegen der Einzelheiten zu den „Verwertungsbemühungen“ des Insolvenzverwalters wird auf dessen Berichte vom 09. Februar 2006, 06. Februar 2007 sowie dessen Schlussbericht und Schlussrechnung vom 09. September 2013 verwiesen.

5

Des Weiteren führte der Insolvenzverwalter ein Zivilverfahren gegen Herrn B. - den Ehemann der Klägerin - wegen der Rückzahlung überhöhter Geschäftsführervergütungen in den Jahren 1998 bis 2001 i.H.v. insgesamt 108.010,40 €, das am 13. Mai 2005 durch die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn B. unterbrochen wurde, ohne in der Folgezeit von den Parteien des Rechtsstreits aufgenommen zu werden. Ausweislich des Gläubigerverzeichnisses nach § 152 InsO des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn B., Stand 24. Juni 2005, hat der Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH die Forderungen am 16. Juni 2005 im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn B. zur Tabelle angemeldet. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn B. hat die angemeldeten Forderungen ausweislich seines Schlussberichts vom 26. November 2007 am 21. Juni 2007 in angemeldeter Höhe festgestellt. Im Schlusstermin des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn B. am 20. November 2008 sind - den Feststellungen im Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 26. November 2007 folgend - Insolvenzforderungen i.H.v. insgesamt 1.003.851,32 € zur Tabelle festgestellt worden; verwertbare Vermögensgegenstände waren nicht vorhanden. Wegen der Einzelheiten wird auf die in den Akten befindlichen Gläubigerverzeichnisse und den Schlussbericht aus dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn B. verwiesen.

6

Im Insolvenzverfahren der GmbH beschloss das Insolvenzgericht im Schlusstermin am 21. November 2013 - den Feststellungen im Schlussbericht des Insolvenzverwalter vom 09. September 2013 folgend -, dass für eine Verteilung auf die anerkannten Insolvenzforderungen i.H.v. 665.895,53 € keine Masse zur Verfügung stehe, und stellte das Insolvenzverfahren - da die Insolvenzmasse nicht ausreichte, um die Kosten des Verfahrens zu decken - mit Beschluss vom 04. Februar 2014 nach § 207 InsO ein.

7

Nachdem die Klägerin und ihr Ehemann am 28. September 2006 eine gemeinsame Steuererklärung eingereicht hatten, setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA - ) die Einkommensteuer 2005 mit Bescheid vom 01. November 2006 erklärungsgemäß fest. Hiergegen richteten sich die Klägerin und ihr Ehemann mit Einspruch vom 06. November 2006 und begehrten die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks hinsichtlich des Verlustes des Ehemanns der Klägerin aus seiner Beteiligung an der GmbH oder das Ruhen des Verfahrens bis endgültig geklärt sei, in welchem Jahr der Verlust zu berücksichtigen sei. Das FA hat den Einspruch gegenüber der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2010 als unbegründet zurückgewiesen.

8

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, es sei zumindest i.H. des Stammkapitals von 50.000 DM (= 25.565 €) ein Auflösungsverlust im Streitjahr zu berücksichtigen. Hierzu trägt sie im Wesentlichen vor: Zwar entstehe ein Auflösungsverlust regelmäßig erst mit Abschluss des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der insolventen GmbH. Andererseits könne der Verlust schon dann geltend gemacht werden, wenn - wie hier - der Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen könne und wenn feststehe, dass der Gesellschafter keine weiteren nach § 17 Abs. 2 EStG noch zusätzlich zu berücksichtigenden wesentlichen Aufwendungen haben werde. Unter Hinweis auf den Schlussbericht des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH vertritt die Klägerin den Standpunkt, dass spätestens seit dem 28. Dezember 2005 die Vermögenslage der GmbH mit der Folge festgestanden habe, dass an den Ehemann der Klägerin als alleinigen Gesellschafter der GmbH keine Ausschüttungen erfolgen würden. Anderseits habe der Ehemann der Klägerin aufgrund seiner Privatinsolvenz mit keinen weiteren Verbindlichkeiten aus der Insolvenz der GmbH belastet werden können.

9

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom 01. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2010 bei den Einkünften des Ehemanns der Klägerin einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 25.565 € zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen;
hilfsweise, den Insolvenzverwalter über das Vermögen der C-GmbH in S. - Dipl.-Betriebswirt R. - als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der Zeuge als Insolvenzverwalter der C-GmbH keine Forderungen der C- GmbH im Verbraucherinsolvenzverfahren des  B. angemeldet hat.

10

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

11

Das FA ist der Auffassung, die Berücksichtigung des Auflösungsverlusts vor Beendigung des Insolvenzverfahrens komme nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn ohne weitere Ermittlungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird, und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheine. Vorliegend seien diese Voraussetzungen nicht gegeben. Die GmbH habe bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch verwertbare Vermögenswerte besessen und die konkreten Verwertungsergebnisse seien noch nicht absehbar gewesen.

12

In der mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2013 ist ein an die Klägerin gerichteter Auflagenbeschluss verkündet worden, auf den Bezug genommen wird. Hierzu hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 03. April 2014 Stellung genommen.

13

Dem Senat haben die Verfahrensakten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der C-Bau GmbH in S. (Az. ... Amtsgericht M.) und des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des B. (Az. ... Amtsgericht M.) vorgelegen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung eines Verlustes des Ehemanns der Klägerin aus der Auflösung der GmbH gemäß § 17 Abs. 4 EStG sind im Streitjahr 2005 nicht erfüllt. Im Einzelnen:

15

Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter – wie im Streitfall der Ehemann der Klägerin – innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (BFH-Urteil vom 02. April 2008 IX R 76/06, BStBl II 2008, 706). Auflösungsgewinn oder -verlust i.S.d. § 17 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 und 2 EStG ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft und den Anschaffungskosten der Beteiligung (BFH-Urteil vom 08. April 1998 VIII R 21/94, BStBl II 1998, 660).

16

Im Streitfall ist die GmbH am ... November 2003 gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden. Die Entstehung eines nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Auflösungsverlusts setzt neben der zivilrechtlichen Auflösung der Kapitalgesellschaft weiter voraus, dass (auf Gesellschaftsebene) die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann und (auf Gesellschafterebene) absehbar ist, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG berücksichtigungsfähige Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen; insofern dürfen keine wesentlichen Änderungen mehr zu erwarten sein (BFH-Urteil vom 25. März 2003 VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305). Diese Voraussetzungen sind im Fall der Auflösung mit anschließender Liquidation regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761).

17

Im Streitfall war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH erst im Jahr 2014 abgeschlossen, sodass im Streitjahr 2005 der Regelfall der Entstehung eines Auflösungsverlustes noch nicht eingetreten war.

18

Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Auflösungsverlust realisiert ist, schon vor dem Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlusts nicht mehr zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 28. Oktober 2008 IX R 100/07, BFH/NV 2009, 561). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse rechtskräftig abgelehnt wurde (BFH-Beschluss vom 19. April 2004 VIII R 45/04, BFH/NV 2005, 1545) oder die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war (BFH-Beschluss vom 04. November 1997 VIII R 18/94, BStBl II 1999, 344).Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

19

Die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes kommt ausnahmsweise auch dann schon vor dem Abschluss des Liquidationsverfahrens in Betracht, wenn auf Grund des Inventars und der Insolvenzeröffnungsbilanz des Insolvenzverwalters (§§ 151, 153f. InsO) oder einer Zwischenrechnungslegung (§ 66 Abs. 2 InsO)ohne weitere Ermittlungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird (BFH-Urteile vom 25. Januar 2000 VIII R 63/98, BStBl II 2000, 343, und vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761).

20

Auch nach diesen Maßstäben liegt im Streitfall kein Ausnahmesachverhalt vor. Zwar standen nach dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 03. Februar 2004 bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am ... November 2003 unter Ansatz von Liquidationswerten einem Aktivvermögen von 23.800 € fällige Verbindlichkeiten von 415.700 € gegenüber. Der Insolvenzverwalter ging jedoch davon aus, dass „aus den umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen voraussichtlich noch weitere Beträge für die Masse generiert werden können“. Dies spricht nach Überzeugung des Senats dafür, dass bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen war, dass das Vermögen zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird.

21

Im Streitjahr 2005 dürfte dann zwar festgestanden haben, dass auf der Gesellschafterebene aufgrund des am ... Mai 2005 über das Vermögen des Ehemanns der Klägerin eröffneten Privatinsolvenzverfahrens absehbar war, dass bei der Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten der wesentlichen Beteiligung des Ehemanns der Klägerin keine wesentlichen Änderungen mehr eintreten werden und dementsprechend die Anschaffungskosten (nur) mit dem Stammkapital i.H.v. 50.000 DM (= 25.565 €) anzusetzen sind. Denn der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten i.S.d. § 17 EStG erfasst nicht solche Verpflichtungen des Gesellschafters aus dem Gesellschaftsverhältnis, die der Gesellschafter - wie hier - im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme wegen Zahlungsunfähigkeit nicht erfüllen kann (BFH-Urteile vom 25. März 2003 VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305, und vom 08. April 1998 VIII R 21/94, BStBl II 1998, 660).

22

Allerdings war im Streitjahr 2005 auf der Gesellschaftsebene die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an den Ehemann der Klägerin als Alleingesellschafter (noch) nicht ausgeschlossen. Der Insolvenzverwalter führte seit dem 03. November 2004 ein Zivilverfahren auf Bewilligung der Eigentumsumschreibung an im Bebauungsgebiet „...“ in S. gelegenen unerschlossenen Grundstücken mit einer Gesamtgröße von 27.333 qm, welche die GmbH mit notariellem Vertrag vom 08. Juli 2003 an die B-GmbH zu einem Kaufpreis von 342.032,54 € veräußert hatte. Mit rechtskräftigem Abschluss des Zivilverfahrens am 28. Dezember 2005 standen der GmbH mit diesen Grundstücken nicht unerhebliche Vermögenswerte zu. Zur Bewertung und Verwertung der Grundstücke konnten die Beteiligten bis zum Ende des Streitjahrs 2005 zwar (erste) Prognosen anstellen, ohne weitere umfangreiche Ermittlungen und Anstrengungen des Insolvenzverwalters zur Bewertung und Vermarktung der Grundstücke - welche der Insolvenzverwalter ausweislich seines Schlussberichts und seiner Schlussrechnung vom 09. September 2013 nach der Eigentumsumschreibung der Grundstücke im Frühjahr 2006 veranlasste - waren jedoch am 31. Dezember 2005 konkrete Verwertungsergebnisse noch nicht absehbar. Dies zeigt der Bericht des Insolvenzverwalters vom 09. Februar 2006, in dem er dem Insolvenzgericht mitteilte, die Grundstücke nach dem 28. Dezember 2005 (erstmals) in Augenschein genommen zu haben, und ankündigte, sich neben einer zeitnahen Eigentumsumschreibung der Grundstücke um deren Erschließung und Vermarktung zu bemühen. Entsprechend seiner Ankündigung unternahm der Insolvenzverwalter ausweislich seines Berichts vom 06. Februar 2007 in der Folgezeit umfangreiche Bemühungen, „die Erschließung des Baugebietes voranzutreiben“.

23

Im Übrigen führte der Insolvenzverwalter in seinem Bericht vom 06. Februar 2007 aus, für zwei der Grundstücke - die er nicht näher bezeichnete - sei ein Käufer vorhanden; er - der Insolvenzverwalter - gehe von einem erzielbaren Kaufpreis von circa 25 bis 30 €/qm aus. Hochgerechnet auf die Gesamtfläche der zu verwertenden Grundstücke von 27.333 qm hätte sich danach ein erzielbarer Kaufpreis von circa 683.325 € bis 819.990 € ergeben; mithin ein Kaufpreis, der jedenfalls zum Ausgleich der bei Insolvenzverfahrenseröffnung fälligen Verbindlichkeiten i.H.v. 415.700 € gereicht hätte. Andererseits veräußerte der Insolvenzverwalter am 08. Juli 2009 an die Klägerin zwar ein (Teil-) Grundstück mit einer Größe von 17.131 qm zu einem Kaufpreis von insgesamt (nur) 5.000 € und stellte im Schlussbericht vom 09. September 2013 sogar die Unverwertbarkeit der restlichen Grundstücke fest. Die Feststellung der Unverwertbarkeit der Grundstücke - und die damit einhergehende Feststellung, dass das Vermögen der GmbH die Schulden nicht mehr decken wird - war jedoch zum Ende des Streitjahrs 2005 noch nicht ansatzweise absehbar.

24

Erst im Jahr 2007 mit Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter am 14. Mai 2007 dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestanden haben, dass das Vermögen der GmbH zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und eine Auskehrung von Restvermögen an Herrn B. als Alleingesellschafter der GmbH ausgeschlossen werden kann.

25

Dem Antrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2014, den Insolvenzverwalter über das Vermögen der C-GmbH in S. - Dipl.-Betriebswirt R. – als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass er als Insolvenzverwalter der C-GmbH keine Forderungen der C-GmbH im Verbraucherinsolvenzverfahren des  B. angemeldet hat, folgt der Senat nicht. Denn die Tatsache, die bewiesen werden soll, ist für die Entscheidung unerheblich. Der Senat kann - da im Streitjahr die Voraussetzungen für die Entstehung eines Auflösungsverlusts auf der Gesellschaftsebene nicht vorlagen - dahinstehen lassen, ob auf der Gesellschafterebene aufgrund des am ... Mai 2005 über das Vermögen des Ehemanns der Klägerin eröffneten Privatinsolvenzverfahrens bereits im Streitjahr absehbar war, dass bei der Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten der wesentlichen Beteiligung des Ehemanns der Klägerin keine wesentlichen Änderungen mehr eintreten werden.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).


(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Oktober 2012 - 11 K 1376/12 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt eine erneute Entscheidung über seinen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der am ...1971 geborene Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger. Er reiste 1993 in das Bundesgebiet ein. Am 15.04.1994 heiratete er eine zwischenzeitlich eingebürgerte Landsmännin. Aus der Ehe gingen zwei 1995 und 1998 geborene Töchter hervor, die ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
Am 27.02.1995 wurde dem Kläger erstmals eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit dem 20.10.2011 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG.
Mit Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Hall vom 21.06.2000 wurde der Kläger wegen Diebstahls in drei Fällen in Tatmehrheit mit Urkundenfälschung, Diebstahl und Beihilfe zum Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Wirkung vom 31.07.2003 wurde die Strafe erlassen.
Erstmals hatte der Kläger im September 2006 seine Einbürgerung beantragt. Nachdem ihm das Landratsamt Schwäbisch Hall unter Hinweis auf die strafgerichtliche Verurteilung und die Dauer der Tilgungsfrist bis 2015 die Ablehnung des Antrags in Aussicht gestellt hatte, nahm er den Einbürgerungsantrag am 01.03.2007 zurück.
Am 19.01.2011 beantragte der Kläger erneut die Einbürgerung. Nach vorheriger Anhörung lehnte das Landratsamt Schwäbisch Hall den Antrag mit Bescheid vom 29.07.2011 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Ein Einbürgerungsanspruch bestehe nicht, weil die rechtskräftige Verurteilung vom 21.06.2000 nicht unberücksichtigt bleiben könne und auch keine nur unerhebliche Überschreitung der Erheblichkeitsgrenzen vorliege. Bei der Ermessenseinbürgerung gelte nichts anderes. Verurteilungen könnten im Einbürgerungsverfahren nur dann als unschädlich angesehen werden, wenn sie aus dem Bundeszentralregister getilgt seien. Davon sei hier frühestens im Jahr 2015 auszugehen. Es sei auch kein Grund ersichtlich, der beim Kläger eine Verkürzung der Vorwerfbarkeit der Straffälligkeit in Abweichung davon rechtfertigen könnte. Die Tilgung stehe nicht unmittelbar bevor und es drohe keine Staatenlosigkeit oder ein Verlust des Arbeitsplatzes. Derzeit bestehe auch kein öffentliches Interesse an der Einbürgerung des Klägers.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2012 als unbegründet zurück.
Am 24.04.2012 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über seinen Einbürgerungsanspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Er habe zwar keinen Rechtsanspruch auf Einbürgerung, doch sei deren Versagung ermessensfehlerhaft. Der Beklagte verkenne schon den Unterschied zwischen § 8 und § 10 StAG. § 12 a StAG schließe bei entsprechender strafgerichtlicher Verurteilung nur den Einbürgerungsanspruch aus. Für eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung reiche der bloße Verweis auf § 51 BZRG nicht aus. Vorliegend sei ermessensrelevant, dass der Kläger sich seit annähernd 20 Jahren in Deutschland aufhalte, die einzige Verurteilung im Jahr 2000 erfolgt sei, er sich seither vorbildlich verhalten habe und ihm die Strafe 2003 erlassen worden sei. Zudem habe der Beklagte § 9 StAG nicht beachtet. Trotz dieser Soll-Vorschrift habe der Beklagte keine Verkürzung der Tilgungsfrist erwogen, obwohl es sich um eine erstmalige Verurteilung gehandelt habe und die Gefahr künftiger Straftaten nicht bestehe. Der Beklagte handele auch widersprüchlich, wenn er dem Kläger einerseits eine Niederlassungserlaubnis erteile und andererseits die Einbürgerung verweigere.
Der Beklagte trat der Klage entgegen. Er führte aus, es sei kein Grund ersichtlich, der eine Verkürzung der Vorwerfbarkeit der Straffälligkeit in Abweichung von den Tilgungsfristen rechtfertigen könnte. Es bestehe auch im Rahmen von § 8 StAG kein öffentliches Interesse an der Einbürgerung und ein besonderer Härtegrund sei nicht ersichtlich. Ebenso scheide eine Einbürgerung nach § 9 StAG aus, weil dafür auch alle Voraussetzungen nach § 8 StAG erfüllt sein müssten. Die Niederlassungserlaubnis sei dem Kläger nicht von der Einbürgerungs-, sondern von der Ausländerbehörde erteilt worden und zudem seien die jeweiligen Voraussetzungen unterschiedlich.
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Mit Urteil vom 08.10.2012 (- 11 K 1376/12 - juris) hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Beklagten unter Aufhebung des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheides verpflichtet, über den Einbürgerungsanspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Zwar habe der Kläger aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 oder § 9 StAG, doch sei nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 StAG eine Ermessensentscheidung über den Einbürgerungsantrag aus Gründen des öffentlichen Interesses geboten. Der Begriff des öffentlichen Interesses sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der weit zu verstehen und insbesondere im Zusammenhang mit den zahlreichen Einbürgerungserleichterungen bei der Ermessensausübung nach § 8 StAG zu sehen sei, in welchen das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung des dadurch privilegierten Personenkreises zum Ausdruck komme. Jedenfalls in Fällen wie hier erweitere sich der privilegierte Personenkreis durch die Verweisung in § 9 Abs. 1 StAG, so dass bei der Bestimmung des öffentlichen Interesses und bei der Ausübung des Ermessens nach § 8 Abs. 2 StAG die Ziele zu berücksichtigen seien, die der Gesetzgeber mit § 9 Abs. 1 StAG verfolgt habe: Nach § 9 Abs. 1 StAG sollten Ehepartner Deutscher unter den Voraussetzungen des § 8 StAG zur Herstellung einer einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit in der Familie eingebürgert werden. Dies sei Ausfluss des Art. 6 Abs. 1 GG, der den Staat verpflichte, die Einheit und Selbstverantwortung der Familie zu respektieren und zu fördern und der dahin wirke, dass eine einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie wünschenswert sei, weil sie ihren Zusammenhalt regelmäßig fördere. Die Behörde halte sich regelmäßig im Rahmen ihres Ermessens nach § 8 Abs. 2 StAG, wenn sie sich bei der Beurteilung der Frage, ob die Einbürgerung im staatlichen Interesse liege, auch von dem Prinzip der einheitlichen Staatsangehörigkeit in der Familie leiten lasse, denn dieses Prinzip spreche dann, wenn andere von der Einbürgerung berührte staatliche Interessen gewahrt seien, für die Einbürgerung ausländischer Ehegatten deutscher Staatsangehöriger. Die Kernfamilie des Klägers bestehe aus deutschen Staatsangehörigen, nur der Kläger verfüge nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit. Somit könne nach diesen Grundsätzen durch seine Einbürgerung dem Grundsatz der einheitlichen Staatsangehörigkeit in der Familie Rechnung getragen werden. Es sei damit grundsätzlich vom Vorliegen eines dahin gehenden öffentlichen Interesses an der Einbürgerung des Klägers auszugehen. Dies habe vorliegend zur Folge, dass der Kläger eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über seine Einbürgerung zum jetzigen Zeitpunkt verlangen könne. Ob andere von der Einbürgerung berührte staatliche Interessen gewahrt würden, sei Gegenstand der Abwägung im Rahmen der Ermessensbetätigung. Dass dies nicht der Ausschluss der Ermessenseinbürgerung im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers sein könne, ergebe sich aber schon aus der eindeutigen Regelung in § 8 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 StAG.
11 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 31.01.2013 - 1 S 2357/12 - zugelassenen Berufung trägt der Beklagte unter Bezugnahme auf die Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung im Wesentlichen vor: Das öffentliche Interesse, die Einbürgerung bei fehlender strafrechtlicher Unbescholtenheit zu versagen, gehe dem Interesse des Klägers an der Einbürgerung vor. Eine strafgerichtliche Verurteilung könne grundsätzlich bis zur Tilgung im Bundeszentralregister vorgehalten werden. Die Privilegierung des § 9 StAG bestehe darin, dass aus einer Kann-Einbürgerung nach Maßgabe des § 8 StAG bei Ehegatten Deutscher eine Soll-Einbürgerung werde. § 9 StAG gehe aber nicht so weit, dass von den Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 StAG abgesehen werde. Das Verwaltungsgericht verkenne diese Systematik, indem es annehme, dass durch die Ehegatteneigenschaft des Klägers das Ermessen nach § 8 Abs. 2 StAG eröffnet werde. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie begründe nicht stets ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG. Ein solches bestehe vielmehr nur dann, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbewerbers abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung bestehe, das es ausnahmsweise rechtfertigen könne, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit einzubürgern. Diese Voraussetzungen lägen hier gerade nicht vor. Dass die Ehefrau des Klägers Deutsche sei, sei der Anwendung des § 9 StAG immanent. Auch die deutsche Staatsangehörigkeit der Kinder vermöge ein staatliches Interesse an der Einbürgerung des Klägers nicht zu begründen.
12 
Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Oktober 2012 - 11 K 1376/12 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Nur bei Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Kernfamilie werde die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates zum Schutz der Ehe und Familie ausreichend erfüllt. Wenn der Beklagte Recht hätte, wäre im Falle einer Straffälligkeit die Staatsangehörigkeit des Ehepartners und der Kernfamilie völlig bedeutungslos. Dies habe der Gesetzgeber nicht gewollt und hätte es verfassungsrechtlich auch nicht wollen dürfen. Das angefochtene Urteil habe keineswegs zur Folge, dass jeder straffällige Ausländer mit deutschem Ehepartner eingebürgert werden müsse. Vielmehr sei lediglich eine Ermessensbetätigung erforderlich. Eine strafgerichtliche Verurteilung könne dabei im Einzelfall durchaus die Einbürgerung ausschließen.
17 
Dem Senat liegen die Einbürgerungsakten des Landratsamtes Schwäbisch Hall, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart und die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
18 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
II.
19 
Die Berufung ist auch begründet. Die zulässige Klage des Klägers auf Neubescheidung seines Antrags auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht begründet. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach § 10, § 9 und § 8 StAG nicht vorliegen und auch kein Einbürgerungsermessen eröffnet ist, kann der Kläger keine Neubescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO beanspruchen.
20 
1. Zutreffend gehen alle Beteiligten davon aus, dass der Kläger keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG hat. Einem solchen Anspruch steht entgegen, dass der Kläger die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG (Straffreiheit) nicht erfüllt.
21 
a) Die im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung kann noch verwertet werden, weil sie noch nicht getilgt und die Tilgungsfrist, die gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 BZRG 17 Jahre beträgt, noch nicht abgelaufen ist. Damit besteht noch kein Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG. Eine Verurteilung ist zu berücksichtigen, solange noch keine Tilgung im Bundeszentralregister erfolgt ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005 - 13 S 2223/04 - InfAuslR 2006, 93; Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris). Die Einbürgerungsbehörde ist grundsätzlich an die Tilgungsentscheidungen des Bundeszentralregisters gebunden (vgl. Berlit, in: GK-StAR, § 12 a Rn. 16). Dies ist mit Blick auf die Möglichkeit des Einbürgerungsbewerbers, in besonderen Fällen eine vorzeitige Tilgung gemäß § 49 BZRG zu beantragen, auch bei atypischen Fallgestaltungen nicht unangemessen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005 - 13 S 2223/04 - a.a.O.; VG Gießen, Urt. v. 10.09.2001 - 10 E 4067/00 - InfAuslR 2002, 40; OVG NRW, Beschl. v. 28.09.2009 - 18 B 1398/09 - juris zur vergleichbaren Problematik bei Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis).
22 
b) Welche Verurteilungen bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben, ist in § 12 a Abs. 1 StAG abschließend geregelt. Die hier erfolgte Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung kann nicht nach § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG außer Betracht bleiben, weil sie die Unbeachtlichkeits-grenze des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG (drei Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung) erheblich übersteigt. Bereits ein Überschreiten der Unbeachtlich-keitsgrenze um ein Drittel ist nicht mehr geringfügig im Sinn des § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - BVerwGE 142, 145 = NVwZ 2012, 1250 = InfAuslR 2012, 273).
23 
2. Die Verurteilung des Klägers steht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch der Ermessenseinbürgerung und nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 StAG der Solleinbürgerung als Ehegatte einer Deutschen entgegen. § 12 a Abs. 1 StAG findet in der seit dem 28.08.2007 geltenden Fassung des Gesetzes vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970) nicht mehr nur bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG, sondern auch bei der Einbürgerung nach den §§ 8, 9 StAG Anwendung (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 37; Berlit, a.a.O., § 12 a Rn. 13.3). Die Verurteilung kann daher auch bei Anwendung dieser Vorschriften nicht außer Betracht bleiben.
24 
3. Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, eine Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 (i.V.m. § 9 Abs. 1) StAG zu treffen. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von der Voraussetzung der Straffreiheit in § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG abgesehen werden. § 8 Abs. 2 StAG ist auch dann noch anwendbar, wenn - wie hier - die Grenze der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 38).
25 
a) Eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG liegt nicht vor. Denn eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 39). Als Beispiel für einen Härtefall, der durch diese Ausnahmeregelung vermieden werden kann und soll, führt der Gesetzgeber die Konstellation an, dass etwa die ausländische Ehefrau aufgrund einer zur Durchführung eines Entlassungsverfahrens erteilten Einbürgerungszusicherung aus ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit ausgeschieden ist, nun aber ihrer Einbürgerung - auch bei unverschuldet eingetretener Arbeitslosigkeit ihres deutschen Ehegatten - mangelnde Unterhaltsfähigkeit entgegensteht und sie dadurch staatenlos geworden ist (BT-Drs. 15/420, S. 116). Dieser Beispielsfall zeigt zum einen, dass der Gesetzgeber für die Annahme einer „besonderen Härte“ mehr verlangt, als dass Gründe vorliegen, die einer Einbürgerung zwar grundsätzlich entgegenstehen, von denen jedoch unter bestimmten Umständen - wie etwa im Falle der nicht zu vertretenden Inanspruchnahme von Sozialleistungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG) - abgesehen werden kann. Zum anderen verdeutlicht er die Zielrichtung der Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG: Sie soll es ermöglichen, solchen Härten zu begegnen, die gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden bzw. durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert würden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O.; HessVGH, Beschl. v. 21.10.2008 - 5 A 1820/08.Z -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -; OVG Bln-Bbg, Beschl. v. 11.06.2009 - OVG 5 M 30.08 -; SaarlOVG, Beschl. v. 10.06.2010 - 1 A 88/10 -; alle in juris). Für ein Absehen vom Erfordernis der Straffreiheit gelten zudem besonders strenge Anforderungen, weil bereits die Voraussetzungen des § 12 a Abs. 1 StAG zugunsten des Einbürgerungsbewerbers eingreifen (vgl. Marx, in: GK-AufenthG, § 8 Rn. 113). Daran gemessen sind hier keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Versagung der Ermessenseinbürgerung und der Solleinbürgerung nach § 9 Abs. 1 StAG wegen Straffälligkeit den Kläger gegenüber anderen Einbürgerungsbewerbern in vergleichbarer Lage besonders hart trifft. Er hat eine unbefristete Niederlassungserlaubnis und damit einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Zudem hat er mit Blick darauf, dass die im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung bei weiterer Straffreiheit im Jahr 2017 zu tilgen sein wird, mittelfristig eine konkrete Einbürgerungsperspektive. Es wird nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, dass die Versagung der Einbürgerung zum jetzigen Zeitpunkt negative Auswirkungen auf die ehelichen und familiären Lebensverhältnisse des Klägers hätte.
26 
b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts fehlt es auch an einem öffentlichen Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG.
27 
Der Gesetzgeber hat den Begriff des öffentlichen Interesses nicht näher definiert. Auch die Gesetzesmaterialien sind insoweit unergiebig. In der Gesetzesbegründung wird lediglich ein Beispielsfall für eine besondere Härte angeführt (BT-Drs. 15/420, S. 116).
28 
In der Kommentarliteratur wird teilweise gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens zu beachten seien (vgl. Marx, in: GK-StAR, § 8 Rn. 157 ff.).
29 
Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Sie übersieht den Ausnahmecharakter des § 8 Abs. 2 StAG und verträgt sich auch schlecht mit der - allgemein anerkannten - engen Auslegung des Begriffs der besonderen Härte in derselben Vorschrift (vgl. oben a). Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV (ebenso jetzt: Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Integration BW zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 08.07.2013 - VwV StAG -) umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Absatz 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der Verwaltungsvorschriften zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist (so zutreffend SaarlOVG, Urt. v. 28.06.2012 - 1 A 35/12 - juris Rn. 50 ff.). Zu Recht führt das Saarländische Oberverwaltungsgericht aus, dass eine weite Auslegung zu widersinnigen Ergebnissen führen würde und die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben wären, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre. Das öffentliche Interesse in den Verwaltungsvorschriften zu § 8 Abs. 1 und in § 8 Abs. 2 StAG jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbe-standlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach den Verwaltungsvorschriften zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht erfüllt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. (SaarlOVG, a.a.O. Rn. 54).
30 
Ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG ist danach nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG) und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG) einzubürgern (SaarlOVG, a.a.O., Rn. 61; ebenso NdsOVG, Beschl. v. 07.01.2013 - 13 PA 243/12 - juris; so jetzt auch Nr. 8.2 VwV StAG vom 08.07.2013).
31 
Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts finden sich Anhaltspunkte für eine solche enge Auslegung des Begriffs des öffentlichen Interesses. In seinem Urteil vom 20.03.2012 (a.a.O. Rn. 40) hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbe-standlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 2 und/oder Nr. 4 besteht (SaarlOVG, Urt. v. 28.06.2012 - 1 A 35/12 - a.a.O. Rn. 62).
32 
Für ein öffentliches Interesse in diesem Sinne ist vorliegend nichts ersichtlich.
33 
c) Nichts anderes gilt bei der Anwendung des § 8 Abs. 2 StAG auf einen Einbürgerungsbewerber, dessen Ehegatte oder Lebenspartner Deutscher ist, im Rahmen des § 9 StAG. Mit der Verweisung in § 9 Abs. 1 StAG macht der Gesetzgeber die Solleinbürgerung eines mit einem Deutschen verheirateten Einbürgerungsbewerbers von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 8 StAG abhängig. Diese Entscheidung des Gesetzgebers würde konterkariert, wenn man bei Ehegatten Deutscher, die die Einbürgerung begehren, jedoch keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 oder § 9 StAG haben, stets ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung bejahen würde. Eine Regelung des Inhalts, dass bei Ehegatten oder Lebenspartnern Deutscher unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 stets nach Ermessen über die Einbürgerung zu entscheiden ist, hat der Gesetzgeber gerade nicht getroffen.
34 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine solche Regelung, soweit es um Ehegatten Deutscher geht, auch nicht verfassungsrechtlich aufgrund des Schutzgebotes des Art. 6 Abs. 1 GG geboten. Dieses Schutzgebot hat zwar auch für staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen Bedeutung. Es wirkt hier vornehmlich dahin, dass eine einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie wünschenswert erscheint (BVerfG, Beschl. v. 21.05.1974 - 1 BvL 22/71 u.a. - BVerfGE 37, 217 <253>). Dabei handelt es sich aber nicht um ein Prinzip, das allen anderen staatsangehörigkeitsrechtlichen Grundsätzen gegenüber ohne weiteres Vorrang hätte. Der Grundsatz der Familieneinheit hat ohnehin im deutschen und ausländischen Staatsangehörigkeitsrecht an Bedeutung verloren, seitdem die Eheschließung im allgemeinen nicht mehr zur Änderung der Staatsangehörigkeit der Frau führt (BVerfG, Beschl. v. 21.05.1974, a.a.O. S. 253; BVerwG, Urt. v. 18.08.1981 - 1 C 185.79 - BVerwGE 64, 7 <11 f.>). Der Gesetzgeber hat in dem vorliegend maßgebenden Zusammenhang den Schutz von Ehe und Familie durch § 9 StAG innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, der es erlaubt, anderen öffentlichen Belangen den Vorrang einzuräumen, verfassungskonform ausgestaltet (Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl., § 9 StAG Rn. 9 m.w.N.). Bei Fehlen der in § 9 StAG normierten Voraussetzungen ist daher die Behörde regelmäßig nicht verpflichtet, allein wegen der Ehe des Ausländers mit einem Deutschen die Einbürgerung nach § 8 StAG vorzunehmen (BVerwG, Urt. v. 18.08.1981, a.a.O. S. 11 f.; BVerwG, Urt. v. 17.05.1983 - 1 C 163.80 - BVerwGE 67, 177 <183>) oder auch nur von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG abzusehen (NdsOVG, Urt. v. 13.02.2013 - 13 LC 33/11 - EZAR NF 75 Nr. 11 = juris Rn. 53). Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - die unterschiedliche Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie aufgrund des gesicherten unbefristeten Aufenthaltsrechts des Einbürgerungsbewerbers und der mittelfristig bestehenden Einbürgerungsperspektive keine erkennbaren negativen Auswirkungen auf seine ehelichen und familiären Lebensverhältnisse hat.
III.
35 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
36 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
37 
Beschluss vom 6. November 2013
38 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Anh. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
39 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
I.
18 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
II.
19 
Die Berufung ist auch begründet. Die zulässige Klage des Klägers auf Neubescheidung seines Antrags auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht begründet. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach § 10, § 9 und § 8 StAG nicht vorliegen und auch kein Einbürgerungsermessen eröffnet ist, kann der Kläger keine Neubescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO beanspruchen.
20 
1. Zutreffend gehen alle Beteiligten davon aus, dass der Kläger keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG hat. Einem solchen Anspruch steht entgegen, dass der Kläger die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG (Straffreiheit) nicht erfüllt.
21 
a) Die im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung kann noch verwertet werden, weil sie noch nicht getilgt und die Tilgungsfrist, die gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 BZRG 17 Jahre beträgt, noch nicht abgelaufen ist. Damit besteht noch kein Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG. Eine Verurteilung ist zu berücksichtigen, solange noch keine Tilgung im Bundeszentralregister erfolgt ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005 - 13 S 2223/04 - InfAuslR 2006, 93; Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris). Die Einbürgerungsbehörde ist grundsätzlich an die Tilgungsentscheidungen des Bundeszentralregisters gebunden (vgl. Berlit, in: GK-StAR, § 12 a Rn. 16). Dies ist mit Blick auf die Möglichkeit des Einbürgerungsbewerbers, in besonderen Fällen eine vorzeitige Tilgung gemäß § 49 BZRG zu beantragen, auch bei atypischen Fallgestaltungen nicht unangemessen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2005 - 13 S 2223/04 - a.a.O.; VG Gießen, Urt. v. 10.09.2001 - 10 E 4067/00 - InfAuslR 2002, 40; OVG NRW, Beschl. v. 28.09.2009 - 18 B 1398/09 - juris zur vergleichbaren Problematik bei Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis).
22 
b) Welche Verurteilungen bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben, ist in § 12 a Abs. 1 StAG abschließend geregelt. Die hier erfolgte Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung kann nicht nach § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG außer Betracht bleiben, weil sie die Unbeachtlichkeits-grenze des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG (drei Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung) erheblich übersteigt. Bereits ein Überschreiten der Unbeachtlich-keitsgrenze um ein Drittel ist nicht mehr geringfügig im Sinn des § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - BVerwGE 142, 145 = NVwZ 2012, 1250 = InfAuslR 2012, 273).
23 
2. Die Verurteilung des Klägers steht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch der Ermessenseinbürgerung und nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 StAG der Solleinbürgerung als Ehegatte einer Deutschen entgegen. § 12 a Abs. 1 StAG findet in der seit dem 28.08.2007 geltenden Fassung des Gesetzes vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970) nicht mehr nur bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG, sondern auch bei der Einbürgerung nach den §§ 8, 9 StAG Anwendung (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 37; Berlit, a.a.O., § 12 a Rn. 13.3). Die Verurteilung kann daher auch bei Anwendung dieser Vorschriften nicht außer Betracht bleiben.
24 
3. Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, eine Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 (i.V.m. § 9 Abs. 1) StAG zu treffen. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von der Voraussetzung der Straffreiheit in § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG abgesehen werden. § 8 Abs. 2 StAG ist auch dann noch anwendbar, wenn - wie hier - die Grenze der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 38).
25 
a) Eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG liegt nicht vor. Denn eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O. Rn. 39). Als Beispiel für einen Härtefall, der durch diese Ausnahmeregelung vermieden werden kann und soll, führt der Gesetzgeber die Konstellation an, dass etwa die ausländische Ehefrau aufgrund einer zur Durchführung eines Entlassungsverfahrens erteilten Einbürgerungszusicherung aus ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit ausgeschieden ist, nun aber ihrer Einbürgerung - auch bei unverschuldet eingetretener Arbeitslosigkeit ihres deutschen Ehegatten - mangelnde Unterhaltsfähigkeit entgegensteht und sie dadurch staatenlos geworden ist (BT-Drs. 15/420, S. 116). Dieser Beispielsfall zeigt zum einen, dass der Gesetzgeber für die Annahme einer „besonderen Härte“ mehr verlangt, als dass Gründe vorliegen, die einer Einbürgerung zwar grundsätzlich entgegenstehen, von denen jedoch unter bestimmten Umständen - wie etwa im Falle der nicht zu vertretenden Inanspruchnahme von Sozialleistungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG) - abgesehen werden kann. Zum anderen verdeutlicht er die Zielrichtung der Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG: Sie soll es ermöglichen, solchen Härten zu begegnen, die gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden bzw. durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert würden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 5.11 - a.a.O.; HessVGH, Beschl. v. 21.10.2008 - 5 A 1820/08.Z -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -; OVG Bln-Bbg, Beschl. v. 11.06.2009 - OVG 5 M 30.08 -; SaarlOVG, Beschl. v. 10.06.2010 - 1 A 88/10 -; alle in juris). Für ein Absehen vom Erfordernis der Straffreiheit gelten zudem besonders strenge Anforderungen, weil bereits die Voraussetzungen des § 12 a Abs. 1 StAG zugunsten des Einbürgerungsbewerbers eingreifen (vgl. Marx, in: GK-AufenthG, § 8 Rn. 113). Daran gemessen sind hier keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Versagung der Ermessenseinbürgerung und der Solleinbürgerung nach § 9 Abs. 1 StAG wegen Straffälligkeit den Kläger gegenüber anderen Einbürgerungsbewerbern in vergleichbarer Lage besonders hart trifft. Er hat eine unbefristete Niederlassungserlaubnis und damit einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Zudem hat er mit Blick darauf, dass die im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung bei weiterer Straffreiheit im Jahr 2017 zu tilgen sein wird, mittelfristig eine konkrete Einbürgerungsperspektive. Es wird nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, dass die Versagung der Einbürgerung zum jetzigen Zeitpunkt negative Auswirkungen auf die ehelichen und familiären Lebensverhältnisse des Klägers hätte.
26 
b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts fehlt es auch an einem öffentlichen Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG.
27 
Der Gesetzgeber hat den Begriff des öffentlichen Interesses nicht näher definiert. Auch die Gesetzesmaterialien sind insoweit unergiebig. In der Gesetzesbegründung wird lediglich ein Beispielsfall für eine besondere Härte angeführt (BT-Drs. 15/420, S. 116).
28 
In der Kommentarliteratur wird teilweise gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens zu beachten seien (vgl. Marx, in: GK-StAR, § 8 Rn. 157 ff.).
29 
Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Sie übersieht den Ausnahmecharakter des § 8 Abs. 2 StAG und verträgt sich auch schlecht mit der - allgemein anerkannten - engen Auslegung des Begriffs der besonderen Härte in derselben Vorschrift (vgl. oben a). Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV (ebenso jetzt: Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Integration BW zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 08.07.2013 - VwV StAG -) umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Absatz 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der Verwaltungsvorschriften zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist (so zutreffend SaarlOVG, Urt. v. 28.06.2012 - 1 A 35/12 - juris Rn. 50 ff.). Zu Recht führt das Saarländische Oberverwaltungsgericht aus, dass eine weite Auslegung zu widersinnigen Ergebnissen führen würde und die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben wären, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre. Das öffentliche Interesse in den Verwaltungsvorschriften zu § 8 Abs. 1 und in § 8 Abs. 2 StAG jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbe-standlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach den Verwaltungsvorschriften zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht erfüllt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. (SaarlOVG, a.a.O. Rn. 54).
30 
Ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG ist danach nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG) und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG) einzubürgern (SaarlOVG, a.a.O., Rn. 61; ebenso NdsOVG, Beschl. v. 07.01.2013 - 13 PA 243/12 - juris; so jetzt auch Nr. 8.2 VwV StAG vom 08.07.2013).
31 
Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts finden sich Anhaltspunkte für eine solche enge Auslegung des Begriffs des öffentlichen Interesses. In seinem Urteil vom 20.03.2012 (a.a.O. Rn. 40) hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbe-standlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 2 und/oder Nr. 4 besteht (SaarlOVG, Urt. v. 28.06.2012 - 1 A 35/12 - a.a.O. Rn. 62).
32 
Für ein öffentliches Interesse in diesem Sinne ist vorliegend nichts ersichtlich.
33 
c) Nichts anderes gilt bei der Anwendung des § 8 Abs. 2 StAG auf einen Einbürgerungsbewerber, dessen Ehegatte oder Lebenspartner Deutscher ist, im Rahmen des § 9 StAG. Mit der Verweisung in § 9 Abs. 1 StAG macht der Gesetzgeber die Solleinbürgerung eines mit einem Deutschen verheirateten Einbürgerungsbewerbers von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 8 StAG abhängig. Diese Entscheidung des Gesetzgebers würde konterkariert, wenn man bei Ehegatten Deutscher, die die Einbürgerung begehren, jedoch keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 oder § 9 StAG haben, stets ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung bejahen würde. Eine Regelung des Inhalts, dass bei Ehegatten oder Lebenspartnern Deutscher unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 stets nach Ermessen über die Einbürgerung zu entscheiden ist, hat der Gesetzgeber gerade nicht getroffen.
34 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine solche Regelung, soweit es um Ehegatten Deutscher geht, auch nicht verfassungsrechtlich aufgrund des Schutzgebotes des Art. 6 Abs. 1 GG geboten. Dieses Schutzgebot hat zwar auch für staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen Bedeutung. Es wirkt hier vornehmlich dahin, dass eine einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie wünschenswert erscheint (BVerfG, Beschl. v. 21.05.1974 - 1 BvL 22/71 u.a. - BVerfGE 37, 217 <253>). Dabei handelt es sich aber nicht um ein Prinzip, das allen anderen staatsangehörigkeitsrechtlichen Grundsätzen gegenüber ohne weiteres Vorrang hätte. Der Grundsatz der Familieneinheit hat ohnehin im deutschen und ausländischen Staatsangehörigkeitsrecht an Bedeutung verloren, seitdem die Eheschließung im allgemeinen nicht mehr zur Änderung der Staatsangehörigkeit der Frau führt (BVerfG, Beschl. v. 21.05.1974, a.a.O. S. 253; BVerwG, Urt. v. 18.08.1981 - 1 C 185.79 - BVerwGE 64, 7 <11 f.>). Der Gesetzgeber hat in dem vorliegend maßgebenden Zusammenhang den Schutz von Ehe und Familie durch § 9 StAG innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, der es erlaubt, anderen öffentlichen Belangen den Vorrang einzuräumen, verfassungskonform ausgestaltet (Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl., § 9 StAG Rn. 9 m.w.N.). Bei Fehlen der in § 9 StAG normierten Voraussetzungen ist daher die Behörde regelmäßig nicht verpflichtet, allein wegen der Ehe des Ausländers mit einem Deutschen die Einbürgerung nach § 8 StAG vorzunehmen (BVerwG, Urt. v. 18.08.1981, a.a.O. S. 11 f.; BVerwG, Urt. v. 17.05.1983 - 1 C 163.80 - BVerwGE 67, 177 <183>) oder auch nur von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG abzusehen (NdsOVG, Urt. v. 13.02.2013 - 13 LC 33/11 - EZAR NF 75 Nr. 11 = juris Rn. 53). Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - die unterschiedliche Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie aufgrund des gesicherten unbefristeten Aufenthaltsrechts des Einbürgerungsbewerbers und der mittelfristig bestehenden Einbürgerungsperspektive keine erkennbaren negativen Auswirkungen auf seine ehelichen und familiären Lebensverhältnisse hat.
III.
35 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
36 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
37 
Beschluss vom 6. November 2013
38 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Anh. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
39 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. November 2007 - 11 K 3108/06 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der am … 1971 geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Er kam Ende 1991 in das Bundesgebiet und stellte einen Asylantrag. Nachdem er am 01.09.1995 eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hatte, nahm er seinen Asylantrag zurück. In der Folgezeit erhielt er fortlaufend verlängerte Aufenthaltserlaubnisse, zuletzt bis 06.12.2002. Seit 21.05.2002 ist der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, jetzt Niederlassungserlaubnis. Der Kläger lebt nach wie vor in ehelicher Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen. Aus dieser Ehe sind mittlerweile zwei Kinder hervorgegangen, die ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit haben.
Nach einer aktuellen Auskunft aus dem Zentralregister vom 11.03.2009 wurde der Kläger bestraft durch
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 09.05.1993 (2 C 222/93) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen je 60,- DM;
- Urteil des Amtsgerichts S. vom 29.03.1994 (11 CS 156/94) wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit einer wiederholten Zuwiderhandlung gegen eine Aufenthaltsbeschränkung nach dem Asylverfahrensgesetz zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen je 60,- DM;
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 29.09.1994 (2 DS 166/94) wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen je 45,- DM;
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 19.01.1995 (2 DS 316/94) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde;
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 20.07.1995 (2 DS 18/95) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung unter Einbeziehung der Verurteilung vom 19.01.1995 zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sieben Monaten und zwei Wochen, die zur Bewährung ausgesetzt wurde;
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 09.05.1996 (2 DS 61/96) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der Verurteilungen vom 19.01.1995 und 20.07.1995 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten und zwei Wochen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde;
10 
- Urteil des Amtsgerichts B. vom 14.05.1998 (2 DS 23938/98 1248 VRS) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, wobei eine Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt und schließlich mit Wirkung vom 03.11.2002 erlassen wurde;
11 
- Strafbefehl des Amtsgerichts W. vom 14.02.2008 (5 Cs 12 Js 9814/07) wegen Betrugs zu einer Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen je 30,- EUR.
12 
Am 07.02.2003 beantragte der Kläger beim Landratsamt Schwäbisch Hall, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern, nachdem er einen ersten Einbürgerungsantrag im Jahre 2000 zurückgenommen hatte.
13 
Am 19.09.2003 erteilte der Beklagte dem Kläger eine bis 18.09.2005 gültige Einbürgerungszusicherung. Darin wird dem Kläger die Einbürgerung für den Fall zugesagt, dass der Verlust der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde.
14 
In der Folgezeit zog sich die Ausstellung serbisch-montenegrinischer Dokumente durch das Generalkonsulat vom Serbien-Montenegro hin.
15 
Im April 2005 verweigerte das Regierungspräsidium Stuttgart seine Zustimmung zur Einbürgerung. Da die letzte Verurteilung des Klägers im Jahre 1998 nicht insgesamt zur Bewährung ausgesetzt worden sei, sondern lediglich ein Strafrest nach Teilverbüßung dieser Haftstrafe, sei die Grundlage für eine Ermessensentscheidung schon nicht gegeben. Mit Erlass vom 19.05.2005 wies das Regierungspräsidium Stuttgart das Landratsamt auf eine seit dem 10.03.2005 geänderte Erlasslage für serbisch-montenegrinische Staatsangehörige hin, wonach erst dann eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgen könne, wenn von Seiten der serbisch-montenegrinischen Behörden nicht innerhalb eines Zeitraumes von nunmehr zwei Jahren über einen entsprechenden Antrag des Einbürgerungsbewerbers auf Ausstellung eines Reisepasses, eines Staatsangehörigkeitsnachweises bzw. auf Nachregistrierung entschieden sei.
16 
Das Landratsamt hörte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 07.07.2005 zu einer beabsichtigten Ablehnung seines Einbürgerungsantrages an. Zur Begründung wurde auf seine im Bundeszentralregister eingetragenen Vorstrafen verwiesen, die erst im Jahre 2013 Tilgungsreife erreichten.
17 
Daraufhin beantragte der Kläger beim Generalbundesanwalt die vorzeitige Tilgung sämtlicher Freiheitsstrafen, die über ihn im Bundeszentralregister geführt werden. Diesen Antrag lehnte der Generalbundesanwalt ab unter Hinweis darauf, damit würde im Fall des Klägers eine Voraussetzung für seine Einbürgerung erst geschaffen. Dies liefe aber im Ergebnis auf eine Entscheidung des Generalbundesanwalts anstelle der eigentlich zuständigen Behörde über den Einbürgerungsantrag des Klägers hinaus. Dies sei kein zweckentsprechender Gebrauch der Tilgungsmöglichkeit des § 49 Abs. 1 BZRG.
18 
Mit Verfügung vom 19.01.2006 lehnte das Landratsamt Schwäbisch Hall den Einbürgerungsantrag ab und führte zur Begründung aus: Der noch unter Geltung des § 85 AuslG gestellte Einbürgerungsantrag sei nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 nach den Vorschriften des Staatsangehörigkeitsgesetzes zu bescheiden. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG setze ein Einbürgerungsanspruch voraus, dass der Einbürgerungsbewerber nicht wegen einer Straftat verurteilt sei. Ausnahmen von dieser Regelung ergäben sich aus § 12 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StAG sowie in Einzelfällen aus Satz 2 dieser Vorschrift. Vorliegend ergebe sich, dass die nach der Auskunft aus dem Bundeszentralregister beim Kläger vorliegenden strafrechtlichen Verurteilungen Nr. 5 und 6 eine Ermessensentscheidung der Einbürgerungsbehörde über ihre Berücksichtigung erforderten. Diese führe im jetzigen Zeitpunkt unter Abwägung des Für und Wider dazu, dass diese nicht außer Betracht bleiben könnten. Hinsichtlich der letzten Verurteilung durch das Amtsgericht Backnang im Jahre 1998 lägen noch nicht einmal die Voraussetzungen einer Einzelfallentscheidung vor. Die damalige Freiheitsstrafe von sechs Monaten sei nicht insgesamt zur Bewährung ausgesetzt worden. Der Kläger könne auch nicht nach § 8 StAG eingebürgert werden. Voraussetzung hierfür sei, dass der Einbürgerungsbewerber keinen Ausweisungsgrund nach den §§ 53, 54 oder 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AufenthG erfülle. Mit den abgeurteilten Straftaten lägen bei ihm aber Rechtsverstöße vor, die weder vereinzelt noch geringfügig gewesen seien. Wie lange ihm danach eine Straftat im Einbürgerungsverfahren auch nach § 8 StAG vorgeworfen werden könne, richte sich mangels eigener Regelungen nach den Eintragungen im Bundeszentralregister. Da die Tilgungsreife frühestens im Jahre 2013 eintreten könne, sei eine Einbürgerung auch nach § 8 StAG derzeit nicht möglich.
19 
Gegen diesen ihm am 23.01.2006 zugestellten Bescheid legte der Kläger am 23.02.2006 Widerspruch ein.
20 
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2006 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde nach Bezugnahme auf den Bescheid des Landratsamts ergänzend ausgeführt: Zwar werde nicht verkannt, dass beim Kläger in letzter Zeit eine charakterliche Stabilisierung eingetreten sei. Er lebe seit einigen Jahren straffrei in Deutschland mit Frau und Kindern. Das öffentliche Interesse, die Einbürgerung bei fehlender strafrechtlicher Unbescholtenheit grundsätzlich zu versagen, überlagere jedoch seine Interessen. Vor Ablauf der Tilgungsfrist im Bundeszentralregister sei eine Einbürgerung daher nicht möglich. Auch die leichteren Reisemöglichkeiten mit einem deutschen Pass, die Schwierigkeiten bei der Erlangung eines serbisch-montenegrinischen Reisepasses für Kosovaren und schließlich eine dem Kläger in Aussicht gestellte Arbeitsstelle bei einer Schweizer Firma rechtfertigten keinen Ausnahmetatbestand.
21 
Der Kläger hat am 18. August 2006 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und ausgeführt: Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles müssten auch die gegen ihn am 20.07.1995 und am 09.05.1996 verhängten Freiheitsstrafen, die insgesamt zur Bewährung ausgesetzt worden seien, außer Betracht bleiben. Er lebe nunmehr seit acht Jahren straffrei in der Bundesrepublik Deutschland. Bei den abgeurteilten Straftaten habe es sich ausschließlich um Straßenverkehrsdelikte gehandelt. Er sei auf die Einbürgerung dringend angewiesen, um die ihm angebotene Arbeitsstelle in der Schweiz anzunehmen und dadurch für seine Familie den Unterhalt zu sichern. Sämtliche anderen Familienmitglieder, die Ehefrau und zwei Kinder, besäßen die deutsche Staatsangehörigkeit.
22 
Der Kläger ist im laufenden Verfahren in den Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes Waldshut verzogen. Mit Schreiben vom 28.08.2007 erteilte das Landratsamts Waldshut gemäß § 3 Abs. 3 LVwVfG seine Zustimmung zur Fortsetzung des Verfahrens durch das Landratsamt Schwäbisch Hall.
23 
Durch Urteil vom 26.11.2007 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, über den Einbürgerungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es den weitergehenden Verpflichtungsantrag abgewiesen.
24 
Zur Begründung hat es ausgeführt: Gemäß § 40c StAG in der seit 28.08.2007 geltenden Fassung seien auf Einbürgerungsanträge, die - wie hier - vor dem 30.03.2007 gestellt worden seien, die §§ 8 bis 14 StAG in ihrer vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit diese günstigere Bestimmungen enthielten. Da dies für die hier in Rede stehenden Rechtsfragen sämtlich der Fall sei, kämen für die begehrte Einbürgerung als Rechtsgrundlage daher die §§ 8 ff. StAG i.d.F. des Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 zur Anwendung.
25 
Zutreffend gehe der Beklagte allerdings davon aus, dass dem Kläger eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. habe versagt werden dürfen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehle es zumindest an der Voraussetzung nach Nr. 5 der Norm, da der Kläger bereits mehrfach wegen einer Straftat verurteilt worden sei. Für diesen Fall bestimme § 12 a StAG a.F., dass Strafen bis zu einer bestimmten Höhe außer Betracht zu bleiben hätten und darüber hinausgehend, dass die Einbürgerungsbehörde im Einzelfall nach Ermessen zu entscheiden habe, ob eine Straftat außer Betracht bleiben könne, wenn der Einbürgerungsbewerber zu einer höheren Strafe verurteilt worden sei. Das Gericht könne sich nicht der Rechtsansicht des Beklagten anschließen, die letzte gegen den Kläger ausgesprochene Verurteilung vom 14.05.1998 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung stelle eine Straftat dar, die in keinem Fall im Ermessenswege infolge einer Entscheidung der Einbürgerungsbehörde außer Betracht bleiben könne. Soweit sich der Beklagte auf den Standpunkt stelle, eine das „Nichtberücksichtigungsermessen“ gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. eröffnende „höhere Strafe“ könne nur eine Strafe sein, die insgesamt zur Bewährung ausgesetzt worden sei, gehe dies fehl. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Wortlaut nicht eindeutig. Das der Einbürgerungsbehörde eingeräumte Nichtberücksichtigungsermessen könne hinsichtlich jedweder Strafe ausgeübt werden, die, weil sie ein einzelnes Merkmal überschreite, nicht unter Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 der Vorschrift falle. Auch angesichts der Weite des nach § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. eingeräumten Nichtberücksichtigungsermessens bestehe kein überzeugender Grund, die Strafaussetzung zur Bewährung bereits als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in Abs. 1 Satz 2 „hineinzuinterpretieren“, indem bei kurzzeitigen Freiheitsstrafen , die nicht zur Bewährung ausgesetzt worden seien, eine Ermessensmöglichkeit schon von vorneherein verneint werde. Gleichwohl ergebe sich daraus nicht die Rechtswidrigkeit der Entscheidung, dem Kläger eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG a.F. zu versagen. Denn zu Recht habe der Beklagte erkannt, schon wegen Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. auch eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der beiden zur Bewährung ausgesetzten Verurteilungen nach Nr. 5 und Nr. 6 des Strafregisterauszuges treffen zu müssen. Diese Ermessensentscheidung sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG a. F. i.V.m. § 12 a Abs. 1 StAG a. F. sei bei der Prüfung, ob eine strafrechtliche Verurteilung den Einbürgerungsanspruch eines Ausländers aus § 10 StAG a.F. hindere, eine jeweils einzelne Betrachtung geboten. Lägen (eine oder mehrere) strafrechtliche Verurteilungen vor, die nicht generell gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StAG a. F. außer Betracht bleiben müssten, so erfolge nicht etwa eine generelle Ermessensprüfung, ob der Betreffende gleichwohl eingebürgert werden könne. Die Ermessensprüfung orientiere sich vielmehr an jeder einzelnen strafrechtlichen Verurteilung. Entscheide sich die Einbürgerungsbehörde in Ausübung des ihr so eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens, auch nur hinsichtlich einer einzigen insoweit zu prüfenden strafrechtlichen Verurteilung, diese nicht außer Betracht zu lassen und sei ihr jedenfalls insoweit kein Ermessensfehler anzulasten, scheide eine Einbürgerung in Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG a. F. aus. So liege es hier. Der Beklagte habe erkannt, dass die strafrechtlichen Verurteilungen nach Nr. 5 und nach Nr. 6 des Strafregisterauszuges des Klägers nicht generell nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. außer Betracht bleiben könnten, da der Strafausspruch jeweils zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Die Ermessensbetätigung der Behörden, diese beiden strafrechtlichen Verurteilungen einbürgerungsrechtlich nicht unberücksichtigt zu lassen, sei nicht zu beanstanden. Es komme hinsichtlich der zu prüfenden Ermessensbetätigung auf die letzte behördliche Entscheidung, also auf den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.07.2006 an. Dessen Ausführungen berücksichtigten zutreffend alle mit den strafrechtlichen Verurteilungen in Zusammenhang stehenden Umstände und hätten diese in nicht zu beanstandender Weise abgewogen. Es sei nicht zu verkennen, dass - wie dort ausgeführt - eine Verurteilung zu einer, wenn auch zur Bewährung ausgesetzten, Freiheitsstrafe von zehn Monaten und zwei Wochen bereits eine erhebliche Strafe darstelle. Ebenfalls habe vom Beklagten negativ berücksichtigt werden dürfen, dass der Kläger immer wieder wegen desselben Deliktes strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und daher eine gewisse Renitenz in der Missachtung der Rechtsordnung aufgewiesen habe. Soweit demgegenüber der angegriffene Ausgangsbescheid des Beklagten im Rahmen der Betätigung des Nichtberücksichtigungsermessens möglicherweise die persönlichen Interessen des Klägers zu wenig berücksichtigt habe, sei dieser Mangel jedenfalls durch den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.07.2006 geheilt worden. Dort seien die in letzter Zeit offenbar eingetretene charakterliche Stabilisierung des Klägers, seine familiären Umstände, seine Arbeitsplatzsituation, die mit einem deutschen Pass verbundenen besseren Reisemöglichkeiten sowie allgemein die Passproblematik serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo berücksichtigt worden.
26 
Der Kläger erfülle aber die wesentlichen Voraussetzungen für einen Einbürgerungsanspruch nach den §§ 8 und 9 StAG a.F. Auch insoweit finde gemäß § 40 c StAG die bis zum 28.08.2007 geltende Fassung des § 9 StAG Anwendung, da diese für den Kläger günstiger sei. Die maßgeblichen Voraussetzungen für die Einbürgerung des Klägers lägen insoweit auch vor. Soweit § 9 StAG a.F. auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 StAG a. F. verweise, seien auch diese erfüllt. Für die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 StAG a. F. sei dies zwischen den Beteiligten unstrittig. Dies gelte aber auch für die Voraussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F., da der Kläger, jedenfalls derzeit, keinen Ausweisungsgrund nach §§ 53, 54 oder 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes mehr erfülle. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a.F. sei durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30.06.1993 neu gefasst worden. Mit der Gesetzesänderung habe der Begriff des „unbescholtenen Lebenswandels" durch wesentlich konkretere Kriterien ersetzt werden sollen, nämlich das Vorliegen bestimmter Ausweisungsgründe im Zeitpunkt der Entscheidung über das Einbürgerungsbegehren. Die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG a.F. enthalte ebenso wenig wie vergleichbare ausländerrechtliche Vorschriften (vgl. etwa §§ 5 Abs. 1 Nr. 2; 28 Abs. 2 AufenthG) eine zeitlich genau bestimmbare Grenze für die Erfüllung bzw. das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes. Allerdings ergebe sich bereits aus der Verwendung der jeweiligen Präsens-Form, dass es sich jedenfalls um eine aktuelle Betrachtungsweise und nicht um die Berücksichtigung historischer Vorgänge („...erfüllt hat.“ bzw. „... vorgelegen haben.“) handeln müsse. Wann ein Ausweisungsgrund nicht mehr aktuell vorliege und daher nicht mehr herangezogen werden dürfe, lasse sich nicht allgemein festlegen; hierzu komme es auf die Art und den Inhalt des jeweiligen Ausweisungsgrundes an.
27 
Nicht überzeugend sei die vom Beklagten vertretene Auffassung, die aus den Jahren 1993 bis 1998 herrührenden Ausweisungsgründe stünden einer Einbürgerung des Klägers bis zur Tilgung im Bundeszentralregister entgegen. Der Beklagte stelle damit auf das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG ab. Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG markiere auch für Einbürgerungsverfahren grundsätzlich - von der vorliegend nicht einschlägigen Ausnahme des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG abgesehen - die äußerste zeitliche Grenze einer im Rechtsverkehr möglichen Verwertung. Aus dem Verwertungsverbot lasse sich jedoch nicht - aufgrund eines Umkehrschlusses - auf die rechtlich gebotene Verwertbarkeit der Eintragung vor Ablauf der Tilgungsfrist schließen. Denn es könne nicht übersehen werden, dass die Tilgungsfristen in § 46 Abs. 1 Nr. 1 - 4 BZRG - fünf, zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre, gegebenenfalls erhöht um die jeweils ausgesprochene Freiheitsstrafe - äußerst pauschal gehalten seien und mit ihren Fünf-Jahres-Sprüngen auch vergleichsweise wenig Raum für eine Einzelfallbetrachtung böten. Dies möge für ein Registergesetz im Sinne einer Verwaltungspraktikabilität hinnehmbar sein. Um den früher in § 8 Abs. 1 StAG verwendeten Begriff des „unbescholtenen Lebenswandels“ durch wesentlich konkretere Kriterien zu ersetzen, was ausdrücklich Sinn der gesetzgeberischen Reform des Jahres 1993 gewesen sei, erscheine ein generelles Abstellen auf noch nicht getilgte Eintragungen im Bundeszentralregister zur Beantwortung der Frage, ob ein Einbürgerungsbewerber aktuell einen Ausweisungsgrund erfülle, daher eher ungeeignet. Insbesondere, wenn ein Einbürgerungsbewerber etwa die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) - c) BZRG nur geringfügig überschreite, sei es kaum zu rechtfertigen, ihm deshalb die Möglichkeit einer Einbürgerung statt für zehn Jahre sogleich für fünfzehn Jahre zu versagen. Bei der Frage, wie lange eine Straftat nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a.F. als Ausweisungsgrund einem Einbürgerungsbewerber entgegengehalten werden dürfe, seien vielmehr Sinn und Zweck des jeweiligen Ausweisungsgrundes von maßgeblicher Bedeutung. Liege dem Ausweisungsgrund eine Straftat zugrunde, so seien das der Verurteilung zugrunde liegende Verhalten zu berücksichtigen, die Schwere und Eigenart des Delikts sowie die ausgesprochene Strafhöhe. Lägen die vorwerfbaren Taten mehrere Jahre zurück, so sei von Bedeutung, wie sich der Ausländer in der Folgezeit verhalten habe und auch, welche künftige Rückfallprognose dem Einbürgerungsbewerber noch ausgestellt werden müsse. Danach könne heute nicht mehr davon ausgegangen werden, der Kläger erfülle noch einen Ausweisungsgrund. Bei den vom Kläger in den Jahren 1993 bis 1998 begangenen Straftaten handele es sich jeweils um Straßenverkehrsdelikte, nahezu ausschließlich um Fahren ohne Fahrerlaubnis. Eigentums- oder gar Gewaltkriminalität sei dem Kläger nicht vorzuwerfen. Innerhalb der Biografie des Klägers nähmen sich diese Straftaten „episodenhaft“ aus. Seit 1998 sei der Kläger nicht mehr auffällig geworden. Nachdem er zwischenzeitlich im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis sei, könne nahezu ausgeschlossen werden, dass sich bei ihm Vergleichbares wiederhole. Zwar habe der Kläger in dem genannten Zeitraum eine auffällige Renitenz zur Missachtung der Rechtsordnung an den Tag gelegt, in dem er sich zahlreichen jeweils vorangegangenen Urteilen wegen einer Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht gebeugt, sondern sein Verhalten zunächst fortgesetzt habe. Allerdings habe der Kläger offenkundig dieses Verhalten lediglich auf diesem einen Rechtsgebiet gezeigt. Eine anderweitige Neigung zur Missachtung der Rechtsordnung sei beim Kläger weder in dem genannten Zeitraum zu Tage getreten, noch habe sich solches in den vergangenen beinahe 10 Jahren anderweitig gezeigt. Nachdem der Kläger zwischenzeitlich mit einer deutschen Staatsangehörigen eine Familie gegründet habe, sei ersichtlich, dass bei ihm eine charakterliche Stabilisierung eingetreten sei. Die vor beinahe 10 Jahren teilweise und kurzzeitig verbüßte Haftstrafe habe offenkundig beim Kläger in seinem Verhalten eine Zäsur bewirkt. Es könne daher heute nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Kläger aktuell noch einen Ausweisungsgrund erfülle. Unabhängig von Vorstehendem lägen beim Kläger die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAG a. F. aber auch noch aus einem weiteren Grund vor. Der Kläger erfülle schon deshalb keinen Ausweisungsgrund nach §§ 54 Nr. 1, 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG mehr, weil diese ursprünglich gegebenen Ausweisungsgründe zwischenzeitlich staatsangehörigkeitsrechtlich „verbraucht“ seien. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass ein Ausweisungsgrund in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes einem Ausländer nur dann und solange entgegengehalten werden dürfe, als er noch „aktuell" und nicht „verbraucht“ sei bzw. die zuständige Behörde auf seine Geltendmachung nicht ausdrücklich oder konkludent "verzichtet" habe. Ein solcher Verbrauch der beim Kläger ursprünglich vorliegenden Ausweisungsgründe sei im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hier durch die dem Kläger am 19.09.2003 erteilte Einbürgerungszusicherung eingetreten. Nachdem der Beklagte nach Erkennen seines Fehlers insoweit die vorangegangene Einbürgerungszusicherung auch nicht etwa zurückgenommen habe, liege zum jetzigen Zeitpunkt ein Ausweisungsgrund, der dem Kläger gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a. F. entgegengehalten werden könnte, nicht mehr vor. Der Kläger habe somit einen Anspruch darauf, dass der Beklagte sein Einbürgerungsbegehren nach §§ 8, 9 StAG a. F. neu bescheide.
28 
Das Urteil wurde dem Beklagten am 20.03.2008 zugestellt. Auf den von ihm am 15.04.2008 gestellten und am 15.05.2008 begründeten Antrag hat der Senat durch Beschluss vom 25.08.2008 die Berufung zugelassen.
29 
Am 23.09.2008 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung wie folgt begründet:
30 
Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht § 8 StAG in der bis 27.08.2007 geltenden Fassung angewandt. Der nach § 40c StAG anzustellende Günstigkeitsvergleich, der für jede Einbürgerungsvoraussetzung anzustellen sei, führe zu den Ergebnis, dass die neue Fassung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG die günstigere Bestimmung sei. Denn während es nach der alten Fassung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 auf das bloße Vorliegen von bestimmten Ausweisungsgründen angekommen sei und daher auch strafrechtlich unerhebliches Verhalten der Einbürgerung habe entgegen stehen können, seien jetzt nur noch Verurteilungen wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe oder die Anordnung einer Maßregel relevant, soweit die in § 12a Abs. 1 Nr. 1 StAG genannten Bagatellgrenzen überschritten würden. Derartige Verurteilungen, welche die Grenze des § 12a Abs. 1 StAG überstiegen, seien auch unter den Begriff der vereinzelten und geringfügigen Rechtsversstöße nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zu rechnen und stellten daher regelmäßig einen Ausweisungsgrund dar, machten jedoch nur eine Teilmenge aller denkbaren Ausweisungsgründe aus, weshalb die neue Fassung günstiger sei. Bei Anwendung des neuen Rechts stünden die vom Kläger begangenen Straftaten, die nicht getilgt seien, einer Einbürgerung entgegen und seien auch im Rahmen des durch § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. eröffneten Ermessens zu Recht unberücksichtigt geblieben und auch nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG n.F. nicht zu berücksichtigen. Die Taten könnten auch ausnahmslos berücksichtigt werden, da gem. § 46 Abs. 1 Nr. 2 BZRG Tilgungsreife erst im Jahre 2013 eintreten werde.
31 
Die Entscheidung sei allerdings auch dann unrichtig, wenn man § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG in der alten Fassung anwende. Denn der Kläger erfülle einen Ausweisungsgrund, der nicht verbraucht sei. Für die Frage, ob ein Ausweisungsgrund vorliege, komme es allein darauf an, ob dieser erfüllt sei, nicht jedoch darauf, ob tatsächlich eine Ausweisung erfolgen könne. Im vorliegenden Fall sei der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG einschlägig, weil der Kläger insgesamt wegen desselben Vergehens zu erheblichen Freiheitsstrafen verurteilt worden sei. Beim Kläger habe ein unbelehrbares Verhalten vorgelegen. Die Verstöße seien weder vereinzelt noch geringfügig gewesen. Die Vorwerfbarkeit sei auch nicht nachträglich entfallen. In Ermangelung einschlägiger Regelungen in den §§ 8 und 9 StAG könne hinsichtlich der Verwertbarkeit strafrechtlicher Verurteilungen auf die Bestimmungen des Bundeszentralregistergesetzes zurückgegriffen werden. Der Ausweisungsgrund wäre daher nur dann unbeachtlich, wenn die zugrunde liegenden Straftaten getilgt wären, was jedoch nicht der Fall sei. Entgegen der früheren Rechtslage, nach der auf einen „unbescholtenen Lebenswandel“ abgestellt worden sei, sei nunmehr auch aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit keine umfassende Abwägungsentscheidung mehr zu treffen, sofern festgestellt worden sei, dass der Verstoß weder vereinzelt noch geringfügig gewesen sei. Im Übrigen könne der Sichtweise des Verwaltungsgerichts auch aus systematischen Erwägungen nicht gefolgt werden. Denn in der bis 27.08.2007 geltenden Fassung sei eine Abwägungsentscheidung bei Straftaten auf den Fall des § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG beschränkt gewesen. Wäre bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 StAG auch eine solche Abwägungsentscheidung gewollt gewesen, so hätte es nahe gelegen, in § 8 Abs. 2 nicht nur die Möglichkeit eines Dispenses von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 vorzusehen, sondern dort auch auf § 8 Abs. 1 Nr. 2 Bezug zu nehmen. Erst die neue Fassung des § 8 Abs. 2 habe eine Erweiterung um den Fall des Abs. 1 Nr. 2 vorgenommen. Wäre die Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtig, so hätte es dieser Anpassung nicht bedurft.
32 
Die vom Kläger begangenen Straftaten seien auch nicht durch die Einbürgerungszusicherung verbraucht. Mit der Einbürgerungszusicherung nach § 38 LVwVfG werde dem Einbürgerungsbewerber die Einbürgerung für den Fall zugesagt, dass er den Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit nachweise. Mit Ablauf der Frist von zwei Jahren habe deren Wirkung geendet, eine Verlängerung sei nicht erfolgt. Hätte die Einbürgerungszusicherung die ihr vom Verwaltungsgericht beigemessene Wirkung, so nähme sie im Hinblick auf sämtliche Einzelfragen der Einbürgerung mit Ausnahme der Hinnahme der Mehrstaatigkeit die endgültige Entscheidung über den Einbürgerungsantrag verbindlich vorweg und wäre ein vorgezogener Ausschnitt aus der umfassenderen Einbürgerung und als solcher eine Art feststellender Verwaltungsakt. Ihre Wirkungen glichen denjenigen des Vorbescheids im Baurecht. Dies entspreche jedoch nicht den gesetzlichen Vorgaben. Die Einbürgerungszusicherung nehme nicht einen Abschnitt des später erlassenen Verwaltungsakts vorweg, sondern sage lediglich dessen Erlass zu. Dies habe zur Folge, dass die Zusicherung mit Ablauf der Frist ihre Wirkungen verliere. Zwar könne es ausnahmsweise Fälle geben, in denen die Behörde nach Treu und Glauben sich nicht auf einen Fristablauf berufen könne, wenn der Einbürgerungsbewerber die einzige Bedingung erfüllt habe, sich die Behörde jedoch gleichwohl geweigert habe, die Einbürgerung vorzunehmen und deshalb die Frist abgelaufen sei. So lägen die Dinge hier jedoch nicht. Ein schutzwürdiges Vertrauen und Interesse des Klägers bestehe daher nicht.
33 
Der Beklagte beantragt,
34 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. November 2007 - 11 K 3108/06 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
35 
Der Kläger beantragt,
36 
die Berufung zurückzuweisen.
37 
Er verteidigt das angegriffene Urteil und führt noch aus: Der vom Beklagten befürwortete Rückgriff auf die Regelungen des Bundeszentralregistergesetz finde im Gesetz keine Stütze und sei nicht sachgerecht. Das Verwaltungsgericht führe richtigerweise aus, dass die Tilgungsfristen wegen der großen Zeitsprünge wenig Raum für eine Einzelfallbetrachtung böten. Es müsse berücksichtigt werden, dass er die Taten nicht mehr begehen könne, weil er seit 2002 einen Führerschein besitze. Er lebe seit 10 Jahren völlig straffrei. Seine aktuelle Arbeitslosigkeit stehe der Einbürgerung nicht entgegen. Er habe Leistungen der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung erworben, die mindestens 12 Monate bezahlt würden. Durch eine zusätzliche Tätigkeit bei Mc Donalds werde er rund 200,00 EUR hinzuverdienen. Er habe auch seit Januar eine Stelle in der Schweiz erhalten. Er sei Grenzgänger, was aber auf Dauer nur möglich sei, wenn er deutscher Staatsangehöriger sei. Ansonsten könne er nur mit einem Visum zwischen den Ländern verkehren. Ohne die deutsche Staatsangehörigkeit werde er die Stelle wieder verlieren. Er habe sich im Übrigen bei verschiedenen Zeitarbeitsfirmen beworben.
38 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf deren Schriftsätze verwiesen.
39 
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten des Landratsamts Schwäbisch Hall, die Widerspruchakten des Regierungspräsidiums Stuttgart, die Strafakten des Amtsgerichts Backnang und Waldshut-Tiengen und die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
40 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags ordnungsgemäß begründete Berufung hat in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage in vollem Umfang abweisen müssen. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
41 
1. Was die Behandlung und Beurteilung eines möglichen Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG betrifft, kann der Senat auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verweisen, denen nichts Wesentliches hinzuzufügen ist und die er sich zu Eigen macht (vgl. § 130b Satz 2 VWGO).
42 
Der Senat lässt dabei ausdrücklich offen, ob dem Verwaltungsgericht zu folgen wäre, dass „eine höhere Strafe“ im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. auch eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Strafe sein kann. Denn diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, wovon letztlich das Verwaltungsgericht selbst ausgegangen ist.
43 
2. Der Kläger, der mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, kann seine Einbürgerung auch nicht nach § 9 (i.V.m. § 8) StAG beanspruchen; auch eine Neubescheidung seines Antrags kommt nicht in Betracht.
44 
Nachdem der Kläger seinen Einbürgerungsantrag am 07.02.2003 und damit vor dem 01.04.2007 gestellt hatte, ist mit Rücksicht auf § 40c StAG zunächst der Frage nachzugehen, ob insoweit das bis 27.08.2007 geltende Recht für den Kläger günstigere Einbürgerungsvoraussetzungen aufgestellt hatte und damit - was die rechtliche Beurteilung, nicht allerdings die tatsächlichen Verhältnisse betrifft - entgegen dem allgemeinen Grundsatz, nicht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen wäre. Zur Beantwortung der Frage, welche Bestimmungen für den Einbürgerungsbewerber günstiger sind, ist jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung getrennt in den Blick zu nehmen (vgl. Berlit InfAuslR 2007, 457 <466>). Beim dem hiernach anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist anhand des konkreten Sachverhalts eine Alternativprüfung vorzunehmen.
45 
a) Unverändert geblieben ist allerdings die zwingende Einbürgerungsvoraussetzung, dass der Einbürgerungsbewerber seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben muss. Dieses ist nach dem im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegebenen Sachverhalt nicht mehr der Fall.
46 
Seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er dort nicht vorübergehend, sondern grundsätzlich auf nicht im Einzelnen absehbare Zeit verweilt bzw. verweilen wird und an dem der Schwerpunkt der Bindungen, insbesondere familiärer oder beruflicher Hinsicht liegt. Grundsätzlich sind hiernach alle Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen und zu würdigen, wobei es in erster Linie auf die objektiv feststellbaren Umstände ankommt (vgl. Berlit, in: GK-StAR, § 10 Rdn. 81, 85). Ausgehend hiervon hat der Kläger jedenfalls zu Beginn dieses Jahres seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet aufgegeben. Dies ergibt sich aus folgendem: Nachdem er Ende des vergangenen Jahres eine Stelle in der Schweiz, nämlich in B. gefunden hat und nach dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten schweizerischen Aufenthaltstitel sich seit 01.12.2008 regelmäßig in der Schweiz aufhält, ist er im April diesen Jahres mit der gesamten Familie in die Schweiz nach W. gezogen. Die Wohnung in W. wurde vollständig aufgegeben. Unter der von ihm angegebenen Anschrift in G. leben seine Schwiegereltern in einem Haus, ohne dass dem Kläger und seiner Familie dort eine vollständige eigene Wohnung zur Verfügung steht. Dort können sich der Kläger und seine Familie an den Wochenenden und in den Ferien aufhalten, was sie auch tun. Allerdings ist nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung der in der Schweiz abgeschlossene Arbeitsvertrag zunächst bis 07.09.2009 befristet. Befristet ist in gleicher Weise zunächst der von der Schweiz erteilte Aufenthaltstitel. Dieser Umstand könnte möglicherweise der Annahme entgegenstehen, der Kläger habe inzwischen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz genommen. Dieser Schluss ist aber nicht gerechtfertigt. Denn aus der Tatsache, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben insbesondere seine Kinder mitgenommen und in der Schweiz eingeschult hat, und das sogar noch während des laufenden Schuljahrs, kann nur der Schluss gezogenen werden, dass der Aufenthalt in der Schweiz auf Dauer angelegt ist und nicht nur auf kurze Zeit bis Anfang September 2009, und der Kläger selbst davon ausgeht, dass der Aufenthalt nicht zu diesem Zeitpunkt enden soll.
47 
b) Nach der aktuellen Rechtslage stehen gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers einer Einbürgerung zwingend entgegen. In diesem Zusammenhang stellt sich die im Rahmen der Anwendung der früher geltenden Fassung vom Verwaltungsgericht erörterte Frage, ob auch vor Eintritt der Tilgungsreife eine Straftat nicht mehr verwertet bzw. vorgehalten werden kann, von vornherein nicht (vgl. hierzu im Folgenden). Verurteilungen können - wie im Anwendungsbereich des § 10 StAG - vor Eintritt der Tilgungsreife allein nach Maßgabe des § 12a Abs. 1 StAG außer Betracht bleiben. Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 liegen ersichtlich nicht vor. Die höhere Strafe kann auch nicht nach Satz 3 außer Betracht bleiben, da von einem nur geringfügigen Überschreiten des Rahmens nach den Sätzen 1 und 2 nicht die Rede sein kann.
48 
Von der Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG kann auch nicht nach dessen Absatz 2 abgesehen werden. Ein öffentliches Interesse ist nicht erkennbar. Aber auch eine besondere Härte liegt nicht vor. Hierzu muss zunächst ein atypischer Sachverhalt gegeben sein, der den Einbürgerungsbewerber in besonderer Weise, d.h. qualifiziert beschwert, wenn und weil er nicht bzw. erst später eingebürgert würde; die Härte muss also gerade infolge der Einbürgerung bzw. der frühzeitigeren Einbürgerung beseitigt werden können. Dies wäre vielleicht in Betracht zu ziehen, wenn allein die letzte Straftat aus dem Jahre 2008 dazu geführt hätte, dass die früheren Straftaten nicht getilgt werden können, diese letzte Tat Bagatellcharakter hätte und ihm ein weiteres vorläufiges Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten wäre. Dies ist allerdings hier nicht der Fall, wie noch im Folgenden dargestellt wird. Dann jedoch liegt eine typische einbürgerungschädliche Folge der erheblichen und beharrlichen Kriminalität des Klägers und der hiermit verbundenen längeren Tilgungsfristen vor. Ob eine besondere Härte darin zu erblicken sein könnte, dass der Kläger ohne Einbürgerung nicht unter erleichterten Bedingungen in die Schweiz zu einem Arbeitsplatz pendeln kann, bedarf keiner abschließenden Bewertung. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger von seiner Ausbildung oder seinen Befähigungen her zwingend auf den Arbeitsmarkt der Schweiz angewiesen sein könnte.
49 
Nach der früheren Rechtslage steht der Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG zwingend entgegen, dass Kläger einen der im Einzelnen enumerativ aufgezählten Ausweisungsgründe erfüllt. Relevant ist hier § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Zweifelsfrei lagen diese Voraussetzungen mit Rücksicht auf die erheblichen strafgerichtlichen Verurteilungen vor. Sie können mangels Tilgungsreife dem Kläger auch heute noch vorgehalten werden.
50 
Zunächst ist festzuhalten, dass die zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG 1990 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ergangene Rechtsprechung über den ausländerrechtlichen „Verbrauch“ von Ausweisungsgründen bei Erteilung oder Verlängerung eines Titels in Kenntnis des Vorliegens eines Ausweisungsgrundes (vgl. hierzu Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 106 ff m.w.N.) nicht in das Staatsangehörigkeitsrecht übertragen werden kann. Die die gegenteilige Sichtweise befürwortende Literatur (vgl. etwa Marx, in: StAR § 8 Rdn. 67 f.), der das Verwaltungsgericht zuzuneigen scheint, übersieht, dass es keinen nachvollziehbaren Grund geben kann, insoweit eine Bindung der Staatsangehörigkeitsbehörde durch eine Ausländerbehörde vorzunehmen, die „lediglich“ über eine weitere aufenthaltsrechtliche Hinnahme des Aufenthalts eines Ausländers oder einer Ausländerin zu entscheiden hat (vgl. etwa Senatsurteil vom 12.09.2002 - 13 S 880/00 - EzAR 271 Nr. 37). Weiter ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen eines Ausweisungsgrundes nicht erst dann erfüllt sind, wenn im konkreten Fall eine Ausweisung rechtmäßig verfügt werden könnte. Dies entspricht der einhelligen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zum Ausländer- bzw. Aufenthaltsrecht (vgl. Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 95 ff m.w.N.). Im Staatsangehörigkeitsrecht gilt nichts anderes (vgl. ausdrücklich BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 1 C 23.03 - juris).
51 
Allerdings finden sich in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig dahin gehende Formulierungen, dass ein Ausweisungsgrund im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG 1990 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nur vorliegen könne, wenn dieser noch gegenwärtig aktuell und nicht durch die zeitliche Entwicklung überholt ist. Dies soll, wie auch das Verwaltungsgericht meint, aus dem Tatbestandsmerkmal „vorliegen“ bzw. „erfüllt“ folgen (so wohl auch Senatsbeschluss vom 17.10.1996 - 13 S 1279/96 - InfAuslR 1997, 111; vgl. auch Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 104 ff m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Gesichtspunkt der Aktualität im Schwerpunkt und vornehmlich für die Fälle eines „Verbrauchs“ des Ausweisungsgrundes infolge einer entsprechenden regelmäßig vertrauenstiftenden Handlung der Ausländerbehörde, wie etwa der Verlängerung eines Aufenthaltstitels, erörtert wird (vgl. ausdrücklich Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 106). Gleichwohl bedarf die Auffassung, wonach ausnahmslos nur „aktuelle“ Ausweisungsgründe vorgehalten werden können, der Präzisierung. Denn das Aufenthaltsgesetz unterscheidet ausdrücklich zwischen den verschiedenen Ausweisungsgründen. Diese haben nämlich keine identische Struktur. So kennt das Aufenthaltsgesetz Ausweisungsgründe, die allein darauf abstellen, dass es in der Vergangenheit zu einer strafgerichtlichen Verurteilung gekommen ist (vgl. §§ 53, 54 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; „…verurteilt worden ist…“) bzw. der Ausländer oder die Ausländerin in der Vergangenheit eine bestimmte Handlung begangen hat (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG; „…gemacht hat…“ bzw. „…nicht mitgewirkt hat…“). Die anderen Ausweisungsgründe stellen hingegen allein darauf ab, dass gegenwärtig bestimmte Handlungen begangen werden und hieraus aktuell eine bestimmte Gefahrensituation resultiert. Deshalb „liegt“ ein Ausweisungsgrund im Falle einer strafgerichtlichen Verurteilung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auch und bereits dann „vor“, wenn der Zeitpunkt der Verurteilung schon länger zurück liegt. Im aufenthaltsrechtlichen Kontext kommt im Falle der vergangenheitsbezogenen Ausweisungsgründe des § 55 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG dem Gesichtspunkt der Aktualität auf einer anderen - zweiten - Stufe Bedeutung zu. Zum einen ist dieser Gesichtspunkt bei der konkreten Ermessensausübung, ob eine Ausweisung verfügt werden soll, zu erörtern; zum anderen bei der Prüfung der Frage, ob eine von der Regel des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abweichende Atypik besteht (in diesem Sinn wohl auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 5 AufenthG Rdn. 31). Denn es liegt auf der Hand, dass ein vor Jahren begangener Rechtsverstoß, so er nicht ohnehin nur vereinzelt oder geringfügig begangen wurde und damit gar keinen Ausweisungsgrund ausmacht, nicht in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügenden Art und Weise eine Ausweisungsverfügung oder eine Verweigerung eines Aufenthaltsrechts tragen kann, wenn kein innerer und zeitlicher Zusammenhang mit den aktuellen Lebensverhältnissen des Ausländers oder der Ausländerin mehr besteht. Dies gilt umso mehr für andere Rechtsverstöße und unzutreffende Angaben (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG), die gar keiner Tilgung im Bundeszentralregister unterliegen können.
52 
Indem jedoch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG pauschal und undifferenziert auf bestimmte Ausweisungsgründe verweist und damit nur unvollständig die dargestellte aufenthaltsrechtliche Struktur übernimmt, fällt der zweite Prüfungsschritt gewissermaßen aus. Der Gesichtspunkt der Aktualität des Ausweisungsgrundes muss daher im staatsangehörigkeitsrechtlichen Kontext als eine im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verortende immanente Grenze des Einbürgerungshindernisses des Ausweisungsgrundes begriffen und das Tatbestandsmerkmal „erfüllt“ entsprechend verfassungskonform interpretiert werden.
53 
Was die Berücksichtigung von strafgerichtlichen Verurteilungen als Ausweisungsgrund im aufenthaltsrechtlichen wie im staatsangehörigkeitsrechtlichen Zusammenhang betrifft, ist es in Ermangelung anderer aussagekräftiger Hinweise im Aufenthalts- wie im Staatsangehörigkeitsgesetz im Ausgangspunkt folgerichtig, wenn die Verurteilung so lange als Ausweisungsgrund im Rechtsverkehr vorgehalten werden kann, als noch keine Tilgung im Bundeszentralregister erfolgt ist (vgl. in diesem Sinn schon Senatsurteil vom 21.08.2003 - 13 S 888/03 - juris; a.A. etwa Bäuerle, a.a.O., § 5 Rdn. 111). Denn die Länge der Tilgungsfrist bildet die Schwere der begangenen Straftat durchaus realitätsgerecht ab (vgl. § 45 Abs. 3 Nr. 1, § 46 Abs. 1 BZRG) und ist daher grundsätzlich durchaus geeignet, auch gegenwartsbezogen Schlüsse auf die Aktualität des Ausweisungsgrundes und damit ein weiterhin gegen eine Einbürgerung sprechendes öffentliches Interesse zu ermöglichen. Es ist in diesem Zusammenhang anerkannt, dass unter dem Aspekt der Aktualität und damit auch dem der Verhältnismäßigkeit das Gewicht des Ausweisungsgrundes und hier insbesondere die Schwere der Straftat bzw. die Höhe der verhängten Strafe von erheblicher Aussagekraft dafür sein kann, ob gegenwärtig der Ausweisungsgrund noch vorgehalten werden soll oder auch nur kann (vgl. etwa Bäuerle, a.a.O., § 5 Rdn. 105; Hailbronner, a.a.O., § 5 AufenthG Rdn. 31). Allerdings kann es der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit erforderlich machen, auch noch nicht getilgte Straftaten auszuscheiden, wenn der Tilgungsmechanismus des Bundeszentralregistergesetzes zu unangemessenen und daher unverhältnismäßigen Ergebnissen führen würde. Da infolge der Bestimmung des § 47 BZRG zeitlich vorher eingetragene, aber an sich tilgungsreife Verurteilungen erst getilgt werden, wenn bei der letzten vorangegangenen Verurteilung Tilgungsreife eingetreten ist, muss hier unmittelbar die Systematik des Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrechts korrigierend in den Blick genommen werden. Denn handelt es sich bei der letzten Verurteilung um eine Straftat, die nur einen vereinzelten oder aber v.a. geringfügigen Charakter im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hatte und daher gar keinen Ausweisungsgrund ausmacht, so wäre es von vornherein verfehlt, länger zurückliegende strafgerichtliche Verurteilungen, die bereits getilgt werden könnten, wenn die letzte Verurteilung nicht eingetragen wäre, noch vorzuhalten. Daneben kann es im Einzelfall darüber hinaus mit Blick auf die zugrunde liegenden Straftaten erforderlich werden, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine abweichende Beurteilung vorzunehmen.
54 
So liegen die Verhältnisse hier jedoch nicht. Eine vollständige Tilgung wird hier erst im Jahre 2013 erfolgen. Dies hat seine Ursachen nicht darin, dass zuletzt die Verurteilung durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vom 14.02.2008 eingetragen ist, sondern beruht auf der Verurteilung durch das Amtsgericht Backnang vom 14.05.1998, die eine Tilgungsfrist gem. § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG von 15 Jahren ausgelöst hat. Selbst wenn man daher zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass die nach knapp 9-jähriger Straffreiheit im November 2006 begangene erst am 14.02.2008 abgeurteilte Straftat als vereinzelter oder geringfügiger Verstoß im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 1 C 23.03 - juris) zu werten wäre, so hat diese und die hiermit verbundene Tilgungsfrist von 5 Jahren (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG) keine Verlängerung der laufenden Tilgungsfrist nach sich gezogen. Der Senat kann daher offen lassen, ob die immerhin vorsätzlich begangene Straftat als vereinzelt oder geringfügig anzusehen wäre und ob den vom Kläger erhobenen Einwänden gegen die Verurteilung in Anbetracht der eingetretenen Rechtskraft überhaupt nachzugehen wäre. Es besteht auch im Übrigen kein ausreichend tragfähiger Grund ausnahmsweise trotz nicht erfolgter Tilgung die früheren Verurteilungen nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen. Denn in der Kette der von ihm begangenen Straftaten kommt eine hartnäckige und unbelehrbare Missachtung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck. Der Kläger hat durch seine Taten unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er gesetzliche Beschränkungen seiner Handlungsfreiheit, die insbesondere der Sicherheit von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer dienen, bei der Verfolgung seiner Interessen nicht hinzunehmen bereit ist. Demzufolge wurden dem Kläger im Urteil des Amtsgerichts Backnang vom 14.05.1998 auch erhebliche charakterliche Mängel bescheinigt. Bei dieser Sachlage ist es jedenfalls gegenwärtig auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Straffreiheit nicht geboten, ausnahmsweise von diesen Verurteilungen abzusehen. Es ist nicht unangemessen, durch weiteren Zeitablauf zusätzliche und endgültige Gewissheit zu erlangen, dass die zutiefst rechtsfeindliche Einstellung des Klägers zur Rechtsordnung überwunden ist.
55 
Auch § 8 Abs. 2 StAG a.F. ermöglicht keine Entscheidung zugunsten des Klägers. Denn die Bestimmung des 8 Abs. 2 StAG erlaubte in ihrer alten Fassung überhaupt nur eine Ausnahme von der Voraussetzung des Abs. 1 Nr. 4; § 12a StAG war in der alten Fassung nur auf den Fall des § 10 StAG anzuwenden. Da, wie dargelegt, schon keine Härte vorliegt, kann der Senat auch offen lassen, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen im Falle eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Umständen eine einfach-gesetzlich nicht vorgesehene Ausnahme zugelassen werden müsste, soweit diesem Gesichtspunkt nicht ohnehin schon bei der Beurteilung, ob aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise noch nicht getilgte Verurteilung nicht entgegengehalten werden dürfen, Rechnung getragen wurde. Gleichermaßen kann offen bleiben, ob im Rahmen des Günstigkeitsprinzips u. U. nach neuem Recht günstigere Teile einer Norm (hier: § 8 Abs. 2 n.F.) neben anderen Teilen nach altem Recht (Absatz 1 Nr. 2) angewendet werden könnten.
56 
c) Ein „Verbrauch“ der Ausweisungsgründe ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch nicht deshalb erfolgt, weil der Beklagte dem Kläger unter dem 19.09.2003 eine Einbürgerungszusicherung (vgl. § 38 LVwVfG) erteilt hatte. Diese war auf zwei Jahre befristet und hat damit nach Ablauf der Frist ihre rechtlichen Wirkungen verloren und ist demzufolge für den Beklagten nicht mehr bindend. Jede andere Sicht der Dinge würde die zeitliche Befristung unterlaufen und der Zusicherung eine über diesen Zeitpunkt hinausreichende Wirkung verleihen, die - auch aus der Sicht des Empfängers erkennbar (vgl. den Rechtsgedanken der §§ 133, 157 BGB) - vom Beklagten dieser gerade nicht beigemessen werden sollte, weshalb auch kein über die zeitliche Geltung hinausgehender Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Sinn und Zweck einer Befristung der Zusicherung ist es gerade, deren Perpetuierung zu verhindern und insbesondere eine Rücknahme nach erkannter Fehlerhaftigkeit überflüssig zu machen. Andernfalls käme der Zusicherung, wie der Beklagte zutreffend ausführt, der Charakter einer bereits endgültigen „Teilgenehmigung“ zu, mit der einzelne Tatbestandsvoraussetzungen im Sinne einer Abschichtung bereits verbindlich und auf Dauer zwischen den Beteiligten entschieden und geregelt würden. Wegen dieser andersartigen Struktur einer befristeten Zusicherung ist auch die vom Verwaltungsgericht gezogene Parallele zu der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach durch einen in Kenntnis eines verwirklichten Ausweisungsgrundes erteilten Aufenthaltstitel diese Ausweisungsgründe verbraucht sind und später nicht mehr entgegen gehalten werden können, nicht tragfähig. Denn mit der Erteilung des Aufenthaltstitels wird in jeder Hinsicht uneingeschränkt und endgültig die begehrte Rechtsposition eingeräumt, und nicht nur im Sinne einer Vorstufe auf Zeit. Gegen Treu und Glauben würde eine Berufung auf den Fristablauf nur dann verstoßen, wenn der Einbürgerungsbewerber mittlerweile die einzige mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hätte und die Behörde sich nunmehr auf den Fristablauf berufen würde. Dieser Fall ist aber hier nicht gegeben.
57 
3. Eine Einbürgerung nach § 8 StAG scheitert aus den genannten Gründen.
58 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
60 
Beschluss vom 06. Mai .2009
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar

Gründe

 
40 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags ordnungsgemäß begründete Berufung hat in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage in vollem Umfang abweisen müssen. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
41 
1. Was die Behandlung und Beurteilung eines möglichen Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG betrifft, kann der Senat auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verweisen, denen nichts Wesentliches hinzuzufügen ist und die er sich zu Eigen macht (vgl. § 130b Satz 2 VWGO).
42 
Der Senat lässt dabei ausdrücklich offen, ob dem Verwaltungsgericht zu folgen wäre, dass „eine höhere Strafe“ im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. auch eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Strafe sein kann. Denn diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, wovon letztlich das Verwaltungsgericht selbst ausgegangen ist.
43 
2. Der Kläger, der mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, kann seine Einbürgerung auch nicht nach § 9 (i.V.m. § 8) StAG beanspruchen; auch eine Neubescheidung seines Antrags kommt nicht in Betracht.
44 
Nachdem der Kläger seinen Einbürgerungsantrag am 07.02.2003 und damit vor dem 01.04.2007 gestellt hatte, ist mit Rücksicht auf § 40c StAG zunächst der Frage nachzugehen, ob insoweit das bis 27.08.2007 geltende Recht für den Kläger günstigere Einbürgerungsvoraussetzungen aufgestellt hatte und damit - was die rechtliche Beurteilung, nicht allerdings die tatsächlichen Verhältnisse betrifft - entgegen dem allgemeinen Grundsatz, nicht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen wäre. Zur Beantwortung der Frage, welche Bestimmungen für den Einbürgerungsbewerber günstiger sind, ist jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung getrennt in den Blick zu nehmen (vgl. Berlit InfAuslR 2007, 457 <466>). Beim dem hiernach anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist anhand des konkreten Sachverhalts eine Alternativprüfung vorzunehmen.
45 
a) Unverändert geblieben ist allerdings die zwingende Einbürgerungsvoraussetzung, dass der Einbürgerungsbewerber seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben muss. Dieses ist nach dem im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegebenen Sachverhalt nicht mehr der Fall.
46 
Seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er dort nicht vorübergehend, sondern grundsätzlich auf nicht im Einzelnen absehbare Zeit verweilt bzw. verweilen wird und an dem der Schwerpunkt der Bindungen, insbesondere familiärer oder beruflicher Hinsicht liegt. Grundsätzlich sind hiernach alle Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen und zu würdigen, wobei es in erster Linie auf die objektiv feststellbaren Umstände ankommt (vgl. Berlit, in: GK-StAR, § 10 Rdn. 81, 85). Ausgehend hiervon hat der Kläger jedenfalls zu Beginn dieses Jahres seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet aufgegeben. Dies ergibt sich aus folgendem: Nachdem er Ende des vergangenen Jahres eine Stelle in der Schweiz, nämlich in B. gefunden hat und nach dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten schweizerischen Aufenthaltstitel sich seit 01.12.2008 regelmäßig in der Schweiz aufhält, ist er im April diesen Jahres mit der gesamten Familie in die Schweiz nach W. gezogen. Die Wohnung in W. wurde vollständig aufgegeben. Unter der von ihm angegebenen Anschrift in G. leben seine Schwiegereltern in einem Haus, ohne dass dem Kläger und seiner Familie dort eine vollständige eigene Wohnung zur Verfügung steht. Dort können sich der Kläger und seine Familie an den Wochenenden und in den Ferien aufhalten, was sie auch tun. Allerdings ist nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung der in der Schweiz abgeschlossene Arbeitsvertrag zunächst bis 07.09.2009 befristet. Befristet ist in gleicher Weise zunächst der von der Schweiz erteilte Aufenthaltstitel. Dieser Umstand könnte möglicherweise der Annahme entgegenstehen, der Kläger habe inzwischen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz genommen. Dieser Schluss ist aber nicht gerechtfertigt. Denn aus der Tatsache, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben insbesondere seine Kinder mitgenommen und in der Schweiz eingeschult hat, und das sogar noch während des laufenden Schuljahrs, kann nur der Schluss gezogenen werden, dass der Aufenthalt in der Schweiz auf Dauer angelegt ist und nicht nur auf kurze Zeit bis Anfang September 2009, und der Kläger selbst davon ausgeht, dass der Aufenthalt nicht zu diesem Zeitpunkt enden soll.
47 
b) Nach der aktuellen Rechtslage stehen gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers einer Einbürgerung zwingend entgegen. In diesem Zusammenhang stellt sich die im Rahmen der Anwendung der früher geltenden Fassung vom Verwaltungsgericht erörterte Frage, ob auch vor Eintritt der Tilgungsreife eine Straftat nicht mehr verwertet bzw. vorgehalten werden kann, von vornherein nicht (vgl. hierzu im Folgenden). Verurteilungen können - wie im Anwendungsbereich des § 10 StAG - vor Eintritt der Tilgungsreife allein nach Maßgabe des § 12a Abs. 1 StAG außer Betracht bleiben. Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 liegen ersichtlich nicht vor. Die höhere Strafe kann auch nicht nach Satz 3 außer Betracht bleiben, da von einem nur geringfügigen Überschreiten des Rahmens nach den Sätzen 1 und 2 nicht die Rede sein kann.
48 
Von der Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG kann auch nicht nach dessen Absatz 2 abgesehen werden. Ein öffentliches Interesse ist nicht erkennbar. Aber auch eine besondere Härte liegt nicht vor. Hierzu muss zunächst ein atypischer Sachverhalt gegeben sein, der den Einbürgerungsbewerber in besonderer Weise, d.h. qualifiziert beschwert, wenn und weil er nicht bzw. erst später eingebürgert würde; die Härte muss also gerade infolge der Einbürgerung bzw. der frühzeitigeren Einbürgerung beseitigt werden können. Dies wäre vielleicht in Betracht zu ziehen, wenn allein die letzte Straftat aus dem Jahre 2008 dazu geführt hätte, dass die früheren Straftaten nicht getilgt werden können, diese letzte Tat Bagatellcharakter hätte und ihm ein weiteres vorläufiges Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten wäre. Dies ist allerdings hier nicht der Fall, wie noch im Folgenden dargestellt wird. Dann jedoch liegt eine typische einbürgerungschädliche Folge der erheblichen und beharrlichen Kriminalität des Klägers und der hiermit verbundenen längeren Tilgungsfristen vor. Ob eine besondere Härte darin zu erblicken sein könnte, dass der Kläger ohne Einbürgerung nicht unter erleichterten Bedingungen in die Schweiz zu einem Arbeitsplatz pendeln kann, bedarf keiner abschließenden Bewertung. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger von seiner Ausbildung oder seinen Befähigungen her zwingend auf den Arbeitsmarkt der Schweiz angewiesen sein könnte.
49 
Nach der früheren Rechtslage steht der Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG zwingend entgegen, dass Kläger einen der im Einzelnen enumerativ aufgezählten Ausweisungsgründe erfüllt. Relevant ist hier § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Zweifelsfrei lagen diese Voraussetzungen mit Rücksicht auf die erheblichen strafgerichtlichen Verurteilungen vor. Sie können mangels Tilgungsreife dem Kläger auch heute noch vorgehalten werden.
50 
Zunächst ist festzuhalten, dass die zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG 1990 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ergangene Rechtsprechung über den ausländerrechtlichen „Verbrauch“ von Ausweisungsgründen bei Erteilung oder Verlängerung eines Titels in Kenntnis des Vorliegens eines Ausweisungsgrundes (vgl. hierzu Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 106 ff m.w.N.) nicht in das Staatsangehörigkeitsrecht übertragen werden kann. Die die gegenteilige Sichtweise befürwortende Literatur (vgl. etwa Marx, in: StAR § 8 Rdn. 67 f.), der das Verwaltungsgericht zuzuneigen scheint, übersieht, dass es keinen nachvollziehbaren Grund geben kann, insoweit eine Bindung der Staatsangehörigkeitsbehörde durch eine Ausländerbehörde vorzunehmen, die „lediglich“ über eine weitere aufenthaltsrechtliche Hinnahme des Aufenthalts eines Ausländers oder einer Ausländerin zu entscheiden hat (vgl. etwa Senatsurteil vom 12.09.2002 - 13 S 880/00 - EzAR 271 Nr. 37). Weiter ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen eines Ausweisungsgrundes nicht erst dann erfüllt sind, wenn im konkreten Fall eine Ausweisung rechtmäßig verfügt werden könnte. Dies entspricht der einhelligen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zum Ausländer- bzw. Aufenthaltsrecht (vgl. Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 95 ff m.w.N.). Im Staatsangehörigkeitsrecht gilt nichts anderes (vgl. ausdrücklich BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 1 C 23.03 - juris).
51 
Allerdings finden sich in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig dahin gehende Formulierungen, dass ein Ausweisungsgrund im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG 1990 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nur vorliegen könne, wenn dieser noch gegenwärtig aktuell und nicht durch die zeitliche Entwicklung überholt ist. Dies soll, wie auch das Verwaltungsgericht meint, aus dem Tatbestandsmerkmal „vorliegen“ bzw. „erfüllt“ folgen (so wohl auch Senatsbeschluss vom 17.10.1996 - 13 S 1279/96 - InfAuslR 1997, 111; vgl. auch Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 104 ff m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Gesichtspunkt der Aktualität im Schwerpunkt und vornehmlich für die Fälle eines „Verbrauchs“ des Ausweisungsgrundes infolge einer entsprechenden regelmäßig vertrauenstiftenden Handlung der Ausländerbehörde, wie etwa der Verlängerung eines Aufenthaltstitels, erörtert wird (vgl. ausdrücklich Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 106). Gleichwohl bedarf die Auffassung, wonach ausnahmslos nur „aktuelle“ Ausweisungsgründe vorgehalten werden können, der Präzisierung. Denn das Aufenthaltsgesetz unterscheidet ausdrücklich zwischen den verschiedenen Ausweisungsgründen. Diese haben nämlich keine identische Struktur. So kennt das Aufenthaltsgesetz Ausweisungsgründe, die allein darauf abstellen, dass es in der Vergangenheit zu einer strafgerichtlichen Verurteilung gekommen ist (vgl. §§ 53, 54 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; „…verurteilt worden ist…“) bzw. der Ausländer oder die Ausländerin in der Vergangenheit eine bestimmte Handlung begangen hat (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG; „…gemacht hat…“ bzw. „…nicht mitgewirkt hat…“). Die anderen Ausweisungsgründe stellen hingegen allein darauf ab, dass gegenwärtig bestimmte Handlungen begangen werden und hieraus aktuell eine bestimmte Gefahrensituation resultiert. Deshalb „liegt“ ein Ausweisungsgrund im Falle einer strafgerichtlichen Verurteilung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auch und bereits dann „vor“, wenn der Zeitpunkt der Verurteilung schon länger zurück liegt. Im aufenthaltsrechtlichen Kontext kommt im Falle der vergangenheitsbezogenen Ausweisungsgründe des § 55 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG dem Gesichtspunkt der Aktualität auf einer anderen - zweiten - Stufe Bedeutung zu. Zum einen ist dieser Gesichtspunkt bei der konkreten Ermessensausübung, ob eine Ausweisung verfügt werden soll, zu erörtern; zum anderen bei der Prüfung der Frage, ob eine von der Regel des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abweichende Atypik besteht (in diesem Sinn wohl auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 5 AufenthG Rdn. 31). Denn es liegt auf der Hand, dass ein vor Jahren begangener Rechtsverstoß, so er nicht ohnehin nur vereinzelt oder geringfügig begangen wurde und damit gar keinen Ausweisungsgrund ausmacht, nicht in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügenden Art und Weise eine Ausweisungsverfügung oder eine Verweigerung eines Aufenthaltsrechts tragen kann, wenn kein innerer und zeitlicher Zusammenhang mit den aktuellen Lebensverhältnissen des Ausländers oder der Ausländerin mehr besteht. Dies gilt umso mehr für andere Rechtsverstöße und unzutreffende Angaben (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG), die gar keiner Tilgung im Bundeszentralregister unterliegen können.
52 
Indem jedoch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG pauschal und undifferenziert auf bestimmte Ausweisungsgründe verweist und damit nur unvollständig die dargestellte aufenthaltsrechtliche Struktur übernimmt, fällt der zweite Prüfungsschritt gewissermaßen aus. Der Gesichtspunkt der Aktualität des Ausweisungsgrundes muss daher im staatsangehörigkeitsrechtlichen Kontext als eine im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verortende immanente Grenze des Einbürgerungshindernisses des Ausweisungsgrundes begriffen und das Tatbestandsmerkmal „erfüllt“ entsprechend verfassungskonform interpretiert werden.
53 
Was die Berücksichtigung von strafgerichtlichen Verurteilungen als Ausweisungsgrund im aufenthaltsrechtlichen wie im staatsangehörigkeitsrechtlichen Zusammenhang betrifft, ist es in Ermangelung anderer aussagekräftiger Hinweise im Aufenthalts- wie im Staatsangehörigkeitsgesetz im Ausgangspunkt folgerichtig, wenn die Verurteilung so lange als Ausweisungsgrund im Rechtsverkehr vorgehalten werden kann, als noch keine Tilgung im Bundeszentralregister erfolgt ist (vgl. in diesem Sinn schon Senatsurteil vom 21.08.2003 - 13 S 888/03 - juris; a.A. etwa Bäuerle, a.a.O., § 5 Rdn. 111). Denn die Länge der Tilgungsfrist bildet die Schwere der begangenen Straftat durchaus realitätsgerecht ab (vgl. § 45 Abs. 3 Nr. 1, § 46 Abs. 1 BZRG) und ist daher grundsätzlich durchaus geeignet, auch gegenwartsbezogen Schlüsse auf die Aktualität des Ausweisungsgrundes und damit ein weiterhin gegen eine Einbürgerung sprechendes öffentliches Interesse zu ermöglichen. Es ist in diesem Zusammenhang anerkannt, dass unter dem Aspekt der Aktualität und damit auch dem der Verhältnismäßigkeit das Gewicht des Ausweisungsgrundes und hier insbesondere die Schwere der Straftat bzw. die Höhe der verhängten Strafe von erheblicher Aussagekraft dafür sein kann, ob gegenwärtig der Ausweisungsgrund noch vorgehalten werden soll oder auch nur kann (vgl. etwa Bäuerle, a.a.O., § 5 Rdn. 105; Hailbronner, a.a.O., § 5 AufenthG Rdn. 31). Allerdings kann es der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit erforderlich machen, auch noch nicht getilgte Straftaten auszuscheiden, wenn der Tilgungsmechanismus des Bundeszentralregistergesetzes zu unangemessenen und daher unverhältnismäßigen Ergebnissen führen würde. Da infolge der Bestimmung des § 47 BZRG zeitlich vorher eingetragene, aber an sich tilgungsreife Verurteilungen erst getilgt werden, wenn bei der letzten vorangegangenen Verurteilung Tilgungsreife eingetreten ist, muss hier unmittelbar die Systematik des Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrechts korrigierend in den Blick genommen werden. Denn handelt es sich bei der letzten Verurteilung um eine Straftat, die nur einen vereinzelten oder aber v.a. geringfügigen Charakter im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hatte und daher gar keinen Ausweisungsgrund ausmacht, so wäre es von vornherein verfehlt, länger zurückliegende strafgerichtliche Verurteilungen, die bereits getilgt werden könnten, wenn die letzte Verurteilung nicht eingetragen wäre, noch vorzuhalten. Daneben kann es im Einzelfall darüber hinaus mit Blick auf die zugrunde liegenden Straftaten erforderlich werden, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine abweichende Beurteilung vorzunehmen.
54 
So liegen die Verhältnisse hier jedoch nicht. Eine vollständige Tilgung wird hier erst im Jahre 2013 erfolgen. Dies hat seine Ursachen nicht darin, dass zuletzt die Verurteilung durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vom 14.02.2008 eingetragen ist, sondern beruht auf der Verurteilung durch das Amtsgericht Backnang vom 14.05.1998, die eine Tilgungsfrist gem. § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG von 15 Jahren ausgelöst hat. Selbst wenn man daher zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass die nach knapp 9-jähriger Straffreiheit im November 2006 begangene erst am 14.02.2008 abgeurteilte Straftat als vereinzelter oder geringfügiger Verstoß im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 1 C 23.03 - juris) zu werten wäre, so hat diese und die hiermit verbundene Tilgungsfrist von 5 Jahren (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG) keine Verlängerung der laufenden Tilgungsfrist nach sich gezogen. Der Senat kann daher offen lassen, ob die immerhin vorsätzlich begangene Straftat als vereinzelt oder geringfügig anzusehen wäre und ob den vom Kläger erhobenen Einwänden gegen die Verurteilung in Anbetracht der eingetretenen Rechtskraft überhaupt nachzugehen wäre. Es besteht auch im Übrigen kein ausreichend tragfähiger Grund ausnahmsweise trotz nicht erfolgter Tilgung die früheren Verurteilungen nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen. Denn in der Kette der von ihm begangenen Straftaten kommt eine hartnäckige und unbelehrbare Missachtung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck. Der Kläger hat durch seine Taten unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er gesetzliche Beschränkungen seiner Handlungsfreiheit, die insbesondere der Sicherheit von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer dienen, bei der Verfolgung seiner Interessen nicht hinzunehmen bereit ist. Demzufolge wurden dem Kläger im Urteil des Amtsgerichts Backnang vom 14.05.1998 auch erhebliche charakterliche Mängel bescheinigt. Bei dieser Sachlage ist es jedenfalls gegenwärtig auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Straffreiheit nicht geboten, ausnahmsweise von diesen Verurteilungen abzusehen. Es ist nicht unangemessen, durch weiteren Zeitablauf zusätzliche und endgültige Gewissheit zu erlangen, dass die zutiefst rechtsfeindliche Einstellung des Klägers zur Rechtsordnung überwunden ist.
55 
Auch § 8 Abs. 2 StAG a.F. ermöglicht keine Entscheidung zugunsten des Klägers. Denn die Bestimmung des 8 Abs. 2 StAG erlaubte in ihrer alten Fassung überhaupt nur eine Ausnahme von der Voraussetzung des Abs. 1 Nr. 4; § 12a StAG war in der alten Fassung nur auf den Fall des § 10 StAG anzuwenden. Da, wie dargelegt, schon keine Härte vorliegt, kann der Senat auch offen lassen, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen im Falle eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Umständen eine einfach-gesetzlich nicht vorgesehene Ausnahme zugelassen werden müsste, soweit diesem Gesichtspunkt nicht ohnehin schon bei der Beurteilung, ob aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise noch nicht getilgte Verurteilung nicht entgegengehalten werden dürfen, Rechnung getragen wurde. Gleichermaßen kann offen bleiben, ob im Rahmen des Günstigkeitsprinzips u. U. nach neuem Recht günstigere Teile einer Norm (hier: § 8 Abs. 2 n.F.) neben anderen Teilen nach altem Recht (Absatz 1 Nr. 2) angewendet werden könnten.
56 
c) Ein „Verbrauch“ der Ausweisungsgründe ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch nicht deshalb erfolgt, weil der Beklagte dem Kläger unter dem 19.09.2003 eine Einbürgerungszusicherung (vgl. § 38 LVwVfG) erteilt hatte. Diese war auf zwei Jahre befristet und hat damit nach Ablauf der Frist ihre rechtlichen Wirkungen verloren und ist demzufolge für den Beklagten nicht mehr bindend. Jede andere Sicht der Dinge würde die zeitliche Befristung unterlaufen und der Zusicherung eine über diesen Zeitpunkt hinausreichende Wirkung verleihen, die - auch aus der Sicht des Empfängers erkennbar (vgl. den Rechtsgedanken der §§ 133, 157 BGB) - vom Beklagten dieser gerade nicht beigemessen werden sollte, weshalb auch kein über die zeitliche Geltung hinausgehender Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Sinn und Zweck einer Befristung der Zusicherung ist es gerade, deren Perpetuierung zu verhindern und insbesondere eine Rücknahme nach erkannter Fehlerhaftigkeit überflüssig zu machen. Andernfalls käme der Zusicherung, wie der Beklagte zutreffend ausführt, der Charakter einer bereits endgültigen „Teilgenehmigung“ zu, mit der einzelne Tatbestandsvoraussetzungen im Sinne einer Abschichtung bereits verbindlich und auf Dauer zwischen den Beteiligten entschieden und geregelt würden. Wegen dieser andersartigen Struktur einer befristeten Zusicherung ist auch die vom Verwaltungsgericht gezogene Parallele zu der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach durch einen in Kenntnis eines verwirklichten Ausweisungsgrundes erteilten Aufenthaltstitel diese Ausweisungsgründe verbraucht sind und später nicht mehr entgegen gehalten werden können, nicht tragfähig. Denn mit der Erteilung des Aufenthaltstitels wird in jeder Hinsicht uneingeschränkt und endgültig die begehrte Rechtsposition eingeräumt, und nicht nur im Sinne einer Vorstufe auf Zeit. Gegen Treu und Glauben würde eine Berufung auf den Fristablauf nur dann verstoßen, wenn der Einbürgerungsbewerber mittlerweile die einzige mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hätte und die Behörde sich nunmehr auf den Fristablauf berufen würde. Dieser Fall ist aber hier nicht gegeben.
57 
3. Eine Einbürgerung nach § 8 StAG scheitert aus den genannten Gründen.
58 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
60 
Beschluss vom 06. Mai .2009
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 530/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger. Er lebt seit dem Jahre 2000 in der Bundesrepublik Deutschland. Am 17.4.2003 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige. Die am 23.1.2004 geborene Tochter besitzt ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit.

Der Kläger ist wegen Urkundenfälschung, Verletzung der Buchführungspflicht und mehrfachen Betrugs vorbestraft (vgl. im Einzelnen die Auflistung auf S. 3/4 des erstinstanzlichen Urteils). Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Nürnberg am 13.9.2007 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungsfrist endet am 12.9.2010.

Den am 10.1.2008 gestellten Einbürgerungsantrag des Klägers wies der Beklagte durch Bescheid vom 12.5.2009 mit Blick auf dessen Vorstrafen zurück. Die anschließende Klage hat das Verwaltungsgericht durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9.2.2010 ergangenes Urteil abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Berufungszulassungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die in der Antragsbegründung vom 16.4.2010 angeführten Gründe, die allein der Senat zu prüfen hat (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO), geben keine Veranlassung, die Berufung gegen das Urteil vom 9.2.2010 zuzulassen. Insbesondere ergeben sich daraus im Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat, ohne dass eine Frage von besonderer rechtlicher und/oder tatsächlicher Schwierigkeit oder von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten wäre (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO).

a) Ein Anspruch des Klägers auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG scheitert an seinen Vorstrafen. Das ist in dem angegriffenen Urteil - ausgehend von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG - unter ausführlicher Würdigung sowohl der Unbeachtlichkeitsschwelle des § 12 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG als auch der Nichtberücksichtigungsregelung des § 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG dargelegt. Nach der „Umrechnungsformel“ des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG ergeben die weiterhin berücksichtigungsfähigen Vorstrafen des Klägers eine Freiheitsstrafe von insgesamt 16 Monaten. Dass damit die bei drei Monaten liegende „Bagatellgrenze“ des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG mehr als nur „geringfügig“ überschritten ist, liegt auf der Hand. Ergänzende Ausführungen sind nicht veranlasst.

b) Eine Kann-Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG scheitert - auch bei der nach Auffassung des Senats

ebenso Marx in StAR - Gemeinschaftskommentar - Stand: April 2010 -, § 8 Rdnrn. 93 und 95/96, und Nr. 8.1.1.2 Abs. 2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern - VAH - vom 17.4.2009, abgedruckt in StAR - Gemeinschaftskommentar, VII-3; a.A. Berlit, Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457 (465),

schon vom Wortlaut der Bestimmung her („bei der Einbürgerung“) gebotenen unmittelbaren Anwendung des § 12 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG - ebenfalls an den Vorstrafen des Klägers (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG).

Allerdings eröffnet § 8 Abs. 2 StAG die Möglichkeit („kann“), im Einzelfall von der Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG „aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abzusehen“. Darauf, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein solcher Härtefall vorliegt, zielt ersichtlich die Begründung des Berufungszulassungsantrags des Klägers. Dem kann indes nicht gefolgt werden.

Zustimmung verdient allerdings die Auffassung, dass § 8 Abs. 2 StAG auch nach der gebotenen unmittelbaren Anwendung des § 12 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG „einen Restbestand an Flexibilität in Bezug auf das Unbescholtenheitserfordernis gewährt“

so die Formulierung bei Berlit, a.a.O., S. 465, linke Spalte unten,

das allerdings durch das Merkmal der Vermeidung einer besonderen Härte „tatbestandlich gebunden“ ist

so Berlit, a.a.O., rechte Spalte oben.

Dieses Tatbestandsmerkmal ist, wie der Kontext, in dem es steht, und die gesetzgeberische Entscheidung, die § 12 a Abs. 1 Sätze 1 bis 3 StAG enthält, belegen, eng auszulegen. Deshalb fällt an dieser Stelle - erneut - das beträchtliche Maß ins Gewicht, in dem die Vorstrafen des Klägers die „Bagatellgrenze“ des § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG überschreiten. Hinzu kommt, dass die aus der letzten Vorstrafe resultierende Bewährungszeit noch nicht abgelaufen ist (vgl. § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG). Ob dies allein bereits ausreicht, eine Anwendung des § 8 Abs. 2 StAG auszuschließen

so die Verwaltungspraxis; kritisch dazu Marx, a.a.O., § 8 Rdnr. 104,

liegt zwar nahe, lässt der Senat aber ebenso wie das Verwaltungsgericht letztlich offen. Den Ausschlag gibt jedenfalls, dass die in § 8 Abs. 2 StAG geforderte „besondere Härte“ durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt und zudem gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen sein muss, also - mit anderen Worten - durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert würde

so die einschlägige Rechtsprechung, u.a. HessVGH, Beschluss vom 21.10.2008 - 5 A 1820/08.Z -, juris Rdnr. 5; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9.10.2009 - 13 S 1609/09 -, juris Rdnr. 45, und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.6.2009 - 5 M 30.08 -, juris Rdnr. 2.

Daran fehlt es hier selbst unter Zugrundelegung des Vortrags des Klägers. Ganz in den Vordergrund stellt dieser in seinem Schriftsatz vom 16.4.2010, seine im Irak lebenden Eltern und Verwandten akzeptierten seine europäische Ehefrau nicht und bedrohten deshalb sowohl sein Leben als auch das seiner Ehefrau und seiner Tochter, wobei in diesem Zusammenhang auch der christliche Glaube seiner Ehefrau eine Rolle spiele. Was an dieser Problematik eine Einbürgerung des Klägers ändern würde, erschließt sich dem Senat nicht und wird vom Kläger auch nicht aufgezeigt. Dessen weiter ins Feld geführten, ebenfalls nicht näher konkretisierten Schwierigkeiten bei der Ausübung seines selbständigen Gewerbes dürften ihre Ursache zumindest ganz überwiegend in seinen zahlreichen gewerbebezogenen Vorstrafen, weniger dagegen in seiner Staatsangehörigkeit haben. Was das dann noch angesprochene Misstrauen beziehungsweise Vorurteil gegen ihn wegen von Irakern ausgehenden Terrorgefahren anlangt, dürfte Anknüpfungspunkt hierfür eher ein möglicherweise fremdländisches Aussehen als seine sich nicht ohne Weiteres erschließende Staatsangehörigkeit sein. Vor allem aber trifft das Argument des Verwaltungsgerichts zu, dass die angeführten Umstände eine Vielzahl anderer Einbürgerungsbewerber in gleicher Weise treffen und deshalb ungeeignet sind, gerade den Fall des Klägers zu einem besonderen Härtefall zu machen, in dem trotz der Zahl und des Gewichtes seiner Vorstrafen durch Einbürgerung Abhilfe zu schaffen wäre.

c) Aus der Sonderregelung des § 9 StAG über die Einbürgerung von mit Deutschen verheirateten Ausländern kann der Kläger ebenfalls nichts zu seinen Gunsten herleiten. Diese Bestimmung verstärkt lediglich für den darin genannten Personenkreis den Kann-Anspruch des § 8 Abs. 1 StAG zu einem Soll-Anspruch, setzt dabei aber voraus, dass die Voraussetzungen des § 8 StAG erfüllt sind. Gerade daran fehlt es indes fallbezogen.

d) Schließlich ist es nicht Aufgabe des Senats, im vorliegenden Zusammenhang den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem der Kläger frühestens eingebürgert werden kann. Vielmehr genügt an dieser Stelle die Feststellung, dass sich jedenfalls derzeit eine Einbürgerung verbietet.

Nach allem ist der Zulassungsantrag zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung rechtfertigt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 3 GKG in Verbindung mit der Empfehlung Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. September 2011 - 2 K 209/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, ein 1943 geborener libanesischer Staatsangehöriger, der seit 1979 mit Ehefrau und Kindern im Bundesgebiet lebt, begehrt seine Einbürgerung.

Nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens wurde ihm am 27.10.1992 eine befristete Aufenthaltsbefugnis bzw. -erlaubnis aus humanitären Gründen erteilt, deren Geltung von der Ausländerbehörde jeweils verlängert wurde und die ihre Rechtsgrundlage seit dem 1.1.2005 in § 23 Abs. 1 AufenthG findet. Der Kläger war vom 12.4. bis zum 30.9.1980 - damals ohne Arbeitserlaubnis - und vom 31.8. bis zum 22.12.1982 erwerbstätig. Seit dem 22.10.1991 verfügte er bis zum Eintritt in das Rentenalter durchgehend über eine Arbeitserlaubnis für eine berufliche Tätigkeit jeder Art.

Ein Antrag vom 31.8.1992 auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis wurde durch Bescheid der Ausländerbehörde vom 5.1.1993 unter Hinweis auf das gesetzlich vorgegebene Erfordernis, dass der Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert sein müsse, abgelehnt. In den Folgejahren sind drei Versuche, eine Arbeitsstelle anzutreten, aktenkundig geworden. Eine 1996 initiierte Beschäftigung in Berlin scheiterte daran, dass der Kläger die von der Ausländerbehörde Berlin insoweit geforderte Einstellungszusicherung des künftigen Arbeitgebers nicht beibrachte. Ein weiterer Versuch, 1996 zwecks Arbeitsaufnahme nach Hamburg umzuziehen, schlug fehl, weil die dortige Ausländerbehörde davon ausging, dass der Bezug weiterer Sozialhilfe nicht auszuschließen sei und den Umzug daher ablehnte. Aus den gleichen Gründen wurde 2005 ein erneuter Antrag, zwecks Aufnahme einer Beschäftigung nach Berlin umzusiedeln, von der dortigen Ausländerbehörde abgelehnt.

Am 6.3.2003 beantragte der Kläger seine Einbürgerung.

Er nahm am 17.4.2004 an einem Deutschkurs teil, den er nicht bestand, da er bei einer Bestehensgrenze von 61 Punkten lediglich 26 Punkte erreichte.

Unter Hinweis hierauf und die Tatsache, dass der Kläger den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen bestreiten konnte, wobei er letzteres nach den Auskünften der Arbeits- und Sozialverwaltung mangels ausreichender Bemühungen um eine Arbeitsstelle zu vertreten habe, teilte der Beklagte dem Kläger mit Anhörungsschreiben vom 27.6.2006 mit, dass eine positive Bescheidung seines Einbürgerungsantrags nicht in Betracht komme.

Mit Schreiben vom 17.7.2006 bekundete der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass dieser stets in der Lage sei, auch umfangreiche, schwierige Sachverhalte sowie deren rechtliche Bewertung in einem deutsch geführten Gespräch zu verstehen und richtig zu bewerten. Zudem dürften sich seine Sprachkenntnisse seit dem Sprachtest 2004 weiter verbessert haben. Die Inanspruchnahme von Sozialleistungen habe der Kläger nicht zu vertreten. Er habe sich bereits kurz nach seinem Eintreffen in Deutschland eigenständig um Arbeit bemüht, damals aber keine Arbeitserlaubnis erhalten. 2005 sei eine Arbeitsaufnahme in Berlin an der Verweigerung der Zustimmung der Ausländerbehörde Berlin gescheitert. Er habe keinen Beruf gelernt und sei 63 Jahre alt, weswegen es so gut wie ausgeschlossen sei, dass er noch eine Stelle finden werde. Von mutwilliger Nichtarbeit könne keine Rede sein. Im Übrigen sei im Rahmen der Ermessensentscheidung die Dauer seines Aufenthalts und die Tatsache zu berücksichtigen, dass sechs seiner sieben Kinder in Deutschland leben und größtenteils längst eingebürgert seien. Die Beziehungen zu seinem Heimatland seien - mit Ausnahme weniger Besuche - abgerissen. Er beabsichtige, seinen Lebensabend in Deutschland zu verbringen.

In der Folge absolvierte der Kläger auf Vorschlag des Beklagten einen Integrationskurs Deutsch und nahm am 7.11.2008 erneut an einem Deutschtest teil, bei dem er bei einer Bestehensgrenze von 61 Punkten 56 Punkte erreichte.

Bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nahm der Kläger keine Erwerbstätigkeit mehr auf und lebte mit seiner Familie von Sozialleistungen. Seit Erreichen des Rentenalters bezieht er mangels Anspruchs auf eine Altersrente Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch.

Auf erneute Anhörungsschreiben des Beklagten vom 8.12.2008 und vom 26.6.2009 machte der Kläger ergänzend geltend, sich seit vielen Jahren in die hiesigen Lebensverhältnisse eingefügt zu haben. Er habe auch nicht lediglich auf Veranlassung des Sozialamtes beim Arbeitsamt vorgesprochen, sondern sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet. Das Nichtbestehen der Sprachtests erkläre sich nicht aus mangelnden Sprachkenntnissen, sondern fehlender Vorbildung, die er altersbedingt nicht mehr ausgleichen könne.

Am 14.7.2009 beantragte der Kläger bei der Ausländerbehörde die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Der Antrag wurde durch Bescheid vom 19.11.2009 mangels dauerhafter Sicherung des Lebensunterhalts aus eigenen Mitteln abgelehnt. Der den diesbezüglich eingelegten Widerspruch zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 19.2.2010 ist in Bestandskraft erwachsen.

In einer beklagtenseits erbetenen Stellungnahme des Landesverwaltungsamtes vom 29.10.2009 heißt es, die 1980 seitens des Klägers begehrte Arbeitserlaubnis für eine Hilfsarbeitertätigkeit sei damals aus arbeitsmarktpolitischen Gründen abgelehnt worden. Am 31.8.1982 sei dem Kläger eine bis 22.12.1982 befristete Arbeitserlaubnis für eine Aushilfstätigkeit mit geringfügiger Beschäftigung erteilt worden. Einem Aktenvermerk vom 18.11.1996 zufolge wäre nach Auskunft der Ausländerbehörde Berlin eine Arbeitsaufnahme in Berlin möglich gewesen, wenn der Kläger eine Einstellungszusicherung vorgelegt und ein entsprechendes Einkommen nachgewiesen hätte. Dies sei nicht geschehen. Hinsichtlich des stattdessen am 12.12.1996 vorgelegten Arbeitsvertrags betreffend eine Beschäftigung in Hamburg sei ein Umzug von der dortigen Ausländerbehörde wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit weiterer Sozialhilfebedürftigkeit abgelehnt worden. Aus dem gleichen Grund habe die Ausländerbehörde Berlin einem Umzug zwecks Arbeitsaufnahme im Jahr 2005 nicht zugestimmt.

Mit Schreiben vom 26.11.2009 unterrichtete der Beklagte den Kläger über den Inhalt der Auskunft des Landesverwaltungsamtes. Der Kläger hielt dem entgegen, der Umstand, dass sich lediglich zwei Arbeitsverträge in den Akten befänden, könne nicht belegen, dass ansonsten keine Erwerbsbemühungen seinerseits stattgefunden hätten.

Durch Bescheid vom 3.3.2010, der am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, lehnte der Beklagte den Einbürgerungsantrag des Klägers ab. Ein Anspruch auf Einbürgerung scheitere am Fehlen ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache. Da der Kläger mit 36 Jahren eingereist sei, habe er in jungen Jahren Zeit genug gehabt, die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben, so dass er sich nicht auf altersbedingte Defizite berufen könne. Daneben fehle es an den wirtschaftlichen Voraussetzungen, da der Kläger den Bezug öffentlicher Mittel mangels hinreichender Eigenbemühungen zu vertreten habe. Hindernisse infolge der ausländerrechtlichen Situation hätten jedenfalls seit dem 22.10.1991 nicht bestanden, weil der Kläger seitdem durchgehend - zunächst befristet und seit dem 22.7.2001 unbefristet - über eine Arbeitserlaubnis für eine berufliche Tätigkeit jeder Art verfügt habe. Die Versuche, zwecks Arbeitsaufnahme nach Berlin beziehungsweise Hamburg umzusiedeln, seien - bedingt durch den fehlenden Nachweis eines ausreichenden Verdienstes - gescheitert. Eine Einbürgerung im Ermessensweg sei ausgeschlossen, weil der nach den Nrn. 8.1.2.1.1 und 8.1.2.1.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise erforderliche Nachweis der Sprachkenntnisse nicht erbracht sei und es zudem an der Unterhaltsfähigkeit fehle. Auch liege seine Einbürgerung weder im öffentlichen Interesse, noch stelle ihre Versagung eine besondere Härte für den Kläger dar.

Mit seiner durch seine nunmehrige Prozessbevollmächtigte am 12.3.2010 erhobenen Klage hat der Kläger sein Einbürgerungsbegehren unter Hinweis auf Nr. 8.1.3.7 der Vorläufigen Anwendungshinweise weiterverfolgt. Hiernach sei den Anforderungen an die Sprachkenntnisse ausnahmsweise Genüge getan, wenn Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben in deutscher Sprache mündlich verständigen können. Dies habe der Beklagte bei der nach § 8 StAG zu treffenden Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Voraussetzungen gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Vertretenmüssen im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG einen gewissen Gegenwartsbezug voraussetze. Hiernach dürften aktuell nicht rückgängig zu machende Fernwirkungen vergangenen zurechenbaren Verhaltens einem Einbürgerungsbewerber nicht ohne jede zeitliche Grenze entgegengehalten werden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3.3.2010 zu verpflichten, ihn einzubürgern,

hilfsweise,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3.3.2010 zu verpflichten, über den Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seine Ansicht bekräftigt, wonach einer Anspruchseinbürgerung die unzureichenden Sprachkenntnisse entgegenstünden und eine Ermessenseinbürgerung wegen des Leistungsbezugs des Klägers ausgeschlossen sei. Im Rahmen des § 8 StAG sei die Frage des Vertretenmüssens ohne Relevanz. Eine besondere Härte oder ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG liege offensichtlich nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27.09.2011.ergangenes Urteil, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 17.10.2011, abgewiesen. Eine Einbürgerung nach § 10 StAG scheide aus, da der Kläger keinen für die Einbürgerung geeigneten Aufenthaltstitel inne habe. Der Kläger verfüge nicht über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, sondern nur über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG, die nach den ausdrücklichen und durch Sinn und Zweck der Vorschrift gedeckten Vorgaben des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG zur Begründung eines Einbürgerungsanspruchs nicht ausreiche. Der auf Einbürgerung unter Ermessensgesichtspunkten nach Maßgabe des § 8 StAG gerichtete Hilfsantrag müsse ebenfalls ohne Erfolg bleiben. Insoweit sei entscheidend, dass der Kläger die in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG formulierten Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit nicht erfülle und die Voraussetzungen, unter denen nach § 8 Abs. 2 StAG eine Ausnahme von diesem Erfordernis möglich sei, nach den konkreten Umständen nicht vorlägen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG stehe der Leistungsbezug einer positiven Ermessensentscheidung auch dann entgegen, wenn dieser im Einzelfall nicht zu vertreten sei. Auf die klägerseits in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenwartsbezug des Vertretenmüssens komme es daher nicht an. Ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG sei nicht ersichtlich, da der Kläger keine besonderen Integrationsleistungen erbracht habe. Dass er geltend mache, sich in das soziale Leben der Bundesrepublik Deutschland eingegliedert zu haben und sich im Alltagsleben ohne Probleme in deutscher Sprache verständigen zu können, entspreche nur dem Mindeststandard und belege keine besondere Integrationsleistung. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür aktenkundig, dass der Kläger einen maßgeblichen Beitrag zur Ermöglichung der Einbürgerung seiner Kinder geleistet habe. Ebenso wenig sei die Annahme einer besonderen Härte gerechtfertigt. Zwar gehöre der Kläger als „ältere Person mit langem Inlandsaufenthalt“ zu dem in Nr. 8.2 letzter Satz der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren besonders erwähnten Personenkreis, bei dem Gesichtspunkte der Vermeidung einer besonderen Härte grundsätzlich in Betracht kämen. Allerdings sei nicht erkennbar, inwieweit sich seine persönliche Situation durch eine Einbürgerung verbessern würde. Eben sowenig sei dargelegt, dass ihm ein weiteres Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten wäre. Ihm werde auch ohne die begehrte Einbürgerung nicht verwehrt, seinen Lebensabend in Deutschland zu verbringen.

Auf den am 26.10.2011 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den den Hilfsantrag abweisenden Teil des erstinstanzlichen Urteils hat der Senat die Berufung beschränkt auf die Abweisung des Hilfsantrags durch Beschluss vom 2.2.2012, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 8.2.2012, unter gleichzeitiger Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung bekräftigt der Kläger in seinem am 29.2.2012 eingegangenen Schriftsatz seine Argumentation, wonach die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG nicht zwingend ausschließe. Es bedürfe im Rahmen der Ermessenserwägungen einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenwartsbezug des Vertretenmüssens. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass das Ermessen bei Prüfung der Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung nicht derart ausgeübt werden solle, dass der Maßstab ein strengerer sei als bei der Anspruchseinbürgerung. Hiernach sei im Rahmen des § 8 StAG nach Maßgabe der konkreten Umstände eine Absenkung der Sprachanforderungen bis hin zum vollständigen Verzicht auf Kenntnisse der Schriftsprache gestattet. Zudem sei Nr. 8.1.1.4 der Vorläufigen Anwendungshinweise in den Blick zu nehmen, wo auf die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG verwiesen werde. Hiernach sei der Einbürgerungsbehörde ein Ermessen eröffnet, das öffentliche Interesse zu werten und in Beziehung zu dem Versagungsinteresse wegen fehlender Unterhaltsfähigkeit zu setzen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27.9.2011 zu verpflichten, seinen Bescheid vom 3.3.2010 aufzuheben und über den Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, von dem einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG entgegenstehenden Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit könne nicht gem. § 8 Abs. 2 StAG abgesehen werden, denn es fehle - wie das Verwaltungsgericht ausgeführt habe - an einer besonderen Härte und ebenso am Bestehen eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift. In letzterem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Ausnahmevorschrift insbesondere die Einbürgerung staatsangehörigkeitsrechtlich besonders Schutzbedürftiger im Blick gehabt habe. Soweit daneben auch andere Gruppen - wie lebensältere Personen mit langem Inlandsaufenthalt - privilegiert sein könnten, sei zu beachten, dass die diesbezüglichen Vorgaben der Anwendungshinweise „60 Jahre“ und „12-jähriger Aufenthalt“ nur Ausdruck einer Regelvermutung der faktlichen Integration dieser Personen seien, die aber im Einzelfall durch die Persönlichkeit und Vita des Betroffenen widerlegt sein könne. Fallbezogen widerlege die gesamte Vita des Klägers auch bei Außerachtlassung des Leistungsbezugs dessen faktische Integration, so dass ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG tatbestandlich nicht bestehe. Dies spiegele sich auch in dem ungewöhnlichen Umstand wider, dass der Kläger trotz seines 30-jährigen Aufenthalts in Deutschland noch immer keinen verfestigten (Dauer-)Aufenthaltstitel habe. Fordere man - wie das Verwaltungsgericht - für die Feststellung eines öffentlichen Interesses zudem besondere Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers, so scheide die Annahme eines öffentlichen Interesses im Falle des Klägers erst recht aus. Selbst wenn man die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG noch bejahen und damit den Weg zu einer Ausübung des Ermessens unter umfassender Würdigung der für und gegen den Kläger bzw. dessen Integration sprechenden Umstände eröffnen würde, könne dies im Ergebnis nicht zu einer dem Kläger günstigen Entscheidung führen. Zugunsten des Klägers sei zu berücksichtigen, dass er bereits seit über 30 Jahren in Deutschland lebe und zwischenzeitlich „lebensälter“ sei, was Änderungen seines Integrationsstandes und seiner wirtschaftlichen Verhältnisse erschwere bzw. ausschließe. Außerdem könne er sich zumindest auf einfache Art verständigen. Gegebenenfalls könne für die Integration eines Einbürgerungsbewerbers auch eine positive und durchgängige Integration seiner gesamten Familie sprechen, die jedoch hinsichtlich der Familie des Klägers nach Aktenlage gerade nicht festzustellen sei. Gegen seine Integration sprächen seine (allenfalls) „alltagstauglichen Deutschkenntnisse“. Er erfülle noch nicht einmal das nach altem Recht zu fordernde Sprachniveau A 2, wobei nicht erkennbar sei, warum er, der bereits mit Mitte dreißig nach Deutschland gekommen sei, nicht erfolgreich Deutsch gelernt habe. Seit 1996 habe er freien Zugang zum Arbeitsmarkt gehabt. Dass er dennoch keine Erwerbsmöglichkeit gefunden habe, erkläre sich nicht allein aus seiner mangelnden beruflichen Vorbildung. Er habe wegen seiner unterbliebenen bzw. nur geringfügigen Erwerbstätigkeit hinreichende zeitliche Möglichkeiten gehabt, seine Deutschkenntnisse und damit auch seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Da Sprachkenntnisse ein wesentlicher Faktor für eine wirtschaftliche Integration seien, seien ihm seine fehlenden Spracherwerbsbemühungen vorzuhalten. In Folge der früheren Versäumnisse sei er nun zeitlebens auf öffentliche Leistungen angewiesen. Anders als im Rahmen eines Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG, der gerade einer gelungenen Integration entspringe, sei der Zeitfaktor im Rahmen der Ermessensausübung durchaus berücksichtigungsfähig. Insoweit könne nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG zurückgegriffen werden. Eine Beschränkung des Betrachtungszeitraums auf acht Jahre würde in diesem Zusammenhang stets dazu führen, dass bei „älteren Personen“ auf die Mindestvoraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG irgendwann generell zu verzichten wäre, was über die Zielsetzung des § 8 Abs. 2 StAG, eine umfassende Ermessensausübung zu eröffnen, hinausgehen würde. Fallbezogen seien die wirtschaftliche Situation und Erwerbsbiographie auch der Grund, weswegen der Kläger überhaupt „nur“ einen „schwachen“ Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG besitze, weswegen eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG ausgeschlossen sei. Eine Gewichtung der zeitlichen Komponente des Vertretenmüssens des Leistungsbezugs im Rahmen des § 8 StAG sei indes nach allem Gesagten nicht geboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (2 Hefte, 1 Ordner), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, muss aber in der Sache ohne Erfolg bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage hinsichtlich des Hilfsantrags, den allein der Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgt, zu Recht abgewiesen. Ihm ist zudem darin zuzustimmen, dass dem Kläger mit Blick auf das Fehlen eines insoweit geeigneten Aufenthaltstitels kein aus § 10 StAG herleitbarer Anspruch auf Einbürgerung zusteht. Dies hat der Kläger ausweislich der Beschränkung seines Berufungsbegehrens akzeptiert. Sein im Berufungsverfahren weiter verfolgter Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über seinen Einbürgerungsantrag in Anwendung des § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 StAG erneut nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ist unbegründet.

1. Ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch auf Neubescheidung setzt zunächst voraus, dass die durch die Vorschrift vorgegebenen gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist dies zu bejahen, so steht die Einbürgerung im grundsätzlich weiten Ermessen des Beklagten als zuständiger Einbürgerungsbehörde.(Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, Stand 25. Erg.lfg. August 2011, § 8 Rdnr. 170 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27.5.2010 - 5 C 8/09 -, NVwZ 2010, 1502 ff.)

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8 Abs. 1 StAG ist geklärt, dass der Einbürgerungsbehörde ein Einbürgerungsermessen nach dieser Vorschrift nur eingeräumt ist, wenn neben den sonstigen in der Vorschrift aufgeführten und vorliegend außer Streit stehenden Voraussetzungen das auf den Nachweis der wirtschaftlichen Integration zielende Tatbestandsmerkmal der Nr. 4 erfüllt ist.(BVerwG, Urteil vom 27.2.1958 - I C 99.56 -, BVerwGE 6, 207 ff.) Hiernach muss der Ausländer im Stande sein, sich und seine Angehörigen aus eigener Kraft zu ernähren. Ist dies nicht der Fall, weil der Ausländer auf den Bezug von (ergänzenden) Sozialleistungen angewiesen ist, spielt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der obergerichtlichen Rechtsprechung(OVG Berlin, Beschluss vom 9.10.1995 - 5 M 25.95 -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.3.1996 - 13 S 1908/95 -, jeweils juris) zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG keine Rolle, ob der Ausländer seine Bedürftigkeit zu vertreten hat. Auf Kritik von Seiten der Kommentarliteratur(GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnr. 124), wonach dieses keine Ausnahmen zulassende Verständnis des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG den seit Inkrafttreten der Vorschrift im Jahr 1914 zu verzeichnenden sozialpolitischen Veränderungen nicht angemessen Rechnung trage, hat das Bundesverwaltungsgericht seine am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift in der Vergangenheit mehrfach bekräftigt. Es hat dies damit begründet, dass der Gesetzgeber das Staatsangehörigkeitsrecht - u.a. auch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG - wiederholt geändert, dabei die Einbürgerung für bestimmte Personenkreise mit Wirkung zum 1.1.1991 erleichtert und geregelt habe, unter welchen Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Einbürgerung nicht entgegenstehe. Dies berücksichtigend verbiete es sich, die unverändert gebliebene Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, die in diese neuere Gesetzgebung nicht einbezogen worden sei, teleologisch zu reduzieren.(BVerwG, Beschlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 94/97 -, NVwZ-RR 1997, 738 f., und vom 10.7.1997 - 1 B 141/97 -, NVwZ 1998, 183 f.; Urteil vom 22.6.1999 - 1 C 16/98 -, InfAuslR 1999, 501 ff.) Zu der Frage, wann ein Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen auf Dauer aus eigenen Mitteln ernähren kann, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.1998 - 13 S 2212/96 -, InfAuslR 1998, 509 ff.) überzeugend ausgeführt, dass er zumindest über eigene Einnahmen in Höhe der Regelsätze der Sozialhilfe verfügen muss.

Fallbezogen scheitert ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags am Nichtvorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung der Nr. 4 der Vorschrift, da der Kläger für sich und seine Ehefrau fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII bezieht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass dieser Leistungsbezug einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG auch dann entgegensteht, wenn der Kläger den Umstand, der ihn zur Inanspruchnahme dieser Leistungen berechtigt, nicht zu vertreten hat.

Da es im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG nicht darauf ankommt, ob der Einbürgerungsbewerber seine Bedürftigkeit zu vertreten hat, ist aus Rechtsgründen kein Raum für die von dem Kläger reklamierte entsprechende Heranziehung der vom Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 19.2.2009 - 5 C 22/08 -, NVwZ 2009, 843 ff.) entwickelten Grundsätze zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich frühere Versäumnisse nicht mehr als wesentliche, prägende Ursache für den Leistungsbezug darstellen und daher vom Einbürgerungsbewerber nicht mehr im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zu vertreten sind. Dies ist sachgerecht, denn die gesetzlichen Erleichterungen, die diese Vorschrift gewährt, rechtfertigen sich - wie das Bundesverwaltungsgericht in dem klägerseits zitierten Urteil vom 19.2.2009 ausdrücklich hervorgehoben hat - daraus, dass bei zurechenbar unzureichender wirtschaftlicher Integration schon die erforderliche Voraufenthaltszeit eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts oder der für den Einbürgerungsanspruch erforderliche Aufenthaltsstatus gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht erreicht werden kann, weil die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) regelmäßig einen gesicherten Lebensunterhalt verlangen. Dies gilt insbesondere auch für die Ersetzung einer - wie im Fall des Klägers - nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen erteilten oder verlängerten befristeten Aufenthaltserlaubnis durch eine Niederlassungserlaubnis, da deren Erteilung nach den §§ 26 Abs. 4 i.V.m. 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ebenfalls voraussetzt, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist.

Der Kläger begründet seine Ansicht, im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG dürfe hinsichtlich der Unterhaltsfähigkeit kein strengerer Maßstab als im Rahmen des § 10 StAG angelegt werden, mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010.(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O.) Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Ausführungen, wonach die Anspruchsvoraussetzungen bzw. Ausschlussgründe der §§ 10 und 11 StAG der Sache nach bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG berücksichtigt werden dürfen, ausdrücklich unter dem Vorbehalt stehen, dass sie in § 8 Abs. 1 StAG nicht schon auf der Tatbestandsebene modifiziert sind. Gerade dies ist der Fall, denn die tatbestandlichen Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit sind in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG anders - insbesondere unter Anlegung strengerer Kriterien - geregelt als in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.

Im Übrigen verkennt der Kläger bei seiner Argumentation, ihm dürften die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zugerechnet werden, dass die diesbezüglich vom Bundesverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht entwickelten Kriterien in seinem Fall nicht erfüllt sind. Denn der hiernach maßgebliche Zeitraum von acht Jahren ist noch nicht verstrichen. Dem Kläger ist entgegenzuhalten, dass er und seine Ehefrau als Bedarfsgemeinschaft seit Erreichen des Rentenalters im Juli 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter beziehen, weil er sich seit Erhalt seiner Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nur unzureichend um eine Arbeitsstelle bemüht hat und daher keinen Anspruch auf eine Altersrente erwerben konnte. Ausweislich der Ausländerakte ist der Kläger seitens der Ausländerbehörde frühzeitig schriftlich darauf hingewiesen worden, dass eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden kann, wenn der Lebensunterhalt der Familie aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert ist (Schreiben der Ausländerbehörde vom 4.11.1992, Bl. 173 f. der Ausländerakte, und Bescheid vom 5.1.1993 betreffend die Ablehnung der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, Bl. 178 f. der Ausländerakte). Aktenkundig sind indes lediglich drei - von vornherein wenig erfolgversprechende - Versuche, eine Arbeitsstelle zu finden, nämlich seine Bewerbungen 1996 in Berlin bzw. Hamburg und 2005 erneut in Berlin. Die jeweiligen Ausländerbehörden lehnten eine Aufnahme des Klägers in ihren Zuständigkeitsbereich jeweils ab, und zwar wegen Nichtbeibringung der geforderten Einstellungszusicherung (Bl. 219 der Ausländerakte) bzw. weil nach der Höhe des voraussichtlichen Verdienstes nicht auszuschließen war, dass er weiterhin auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sein würde (Bl. 230 und 279 der Ausländerakte). Sonstige - insbesondere ortsnahe und insofern erfolgversprechendere - Bemühungen des Klägers um eine Beschäftigung trägt dieser selbst nicht vor. Er gibt lediglich an, sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet zu haben (Bl. 176 der Einbürgerungsakte). Erfolglos gebliebene Bewerbungen behauptet er nicht. Zudem tritt er der Feststellung in dem angefochtenen, die Einbürgerung ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 3.3.2010, es könne nicht von einem unverschuldeten Bezug öffentlicher Mittel ausgegangen werden, im Klage- und Berufungsverfahren nur insoweit entgegen, als er geltend macht, mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien ihm die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zurechenbar. Dies trifft indes gerade nicht zu. Denn der Sachverhalt stellt sich so dar, dass dem Kläger seit Erhalt einer Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 unzureichende Bemühungen um eine Arbeitsstelle entgegenzuhalten sind. Seit Beendigung dieser langen Zeit mangelnder Anstrengungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes sind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erst ca. vier Jahre verstrichen, so dass der Kläger aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schon aus tatsächlichen Gründen nicht zu seinen Gunsten herleiten kann, dass er für seine jahrelang unzureichenden Bemühungen nicht mehr einzustehen habe.

2. Aus § 8 Abs. 2 StAG leitet sich ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags ebenfalls nicht her.

Nach dieser Vorschrift kann von dem Unbescholtenheitserfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG und dem Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmevorschrift, die bezüglich der Nr. 4 am 1.1.2005 und bezüglich der Nr. 2 am 28.9.2007 in Kraft getreten ist, neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügt, weil er im Hinblick auf die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG mit ihren speziellen Voraussetzungen auch bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG eine Ausnahmeregelung als erforderlich ansah. Bei den Tatbestandsvoraussetzungen „Gründe des öffentlichen Interesses“ und „Vermeidung einer besonderen Härte“ handelt es sich jeweils um unbestimmte Rechtsbegriffe, die inhaltlicher Konkretisierung bedürfen und deren Auslegung und Anwendung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Fallbezogen spricht nichts für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands.

Die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 StAG ist für die Auslegung der Vorschrift nicht ergiebig. Sie führt lediglich einen - hier nicht einschlägigen - Beispielsfall einer besonderen Härte an. Hinweise zum Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Gründe des öffentlichen Interesses“ fehlen vollständig.(BT-Drs. 14/7387, S. 107, und 15/420, S. 116)

In der Rechtsprechung ist bisher nur in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Vermeidung einer besonderen Härte geklärt, welche konkreten Anforderungen die gesetzliche Neuregelung an das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls stellt.

Das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 - 5 C 5.11 -) hat vor kurzem entschieden, dass eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen sein muss und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden könnte. Es hat damit die bisher zu den Anforderungen an das Vorliegen einer besonderen Härte ergangene obergerichtliche Rechtsprechung(HessVGH, Beschluss vom 21.10.2008 - 5 A 1820.08.Z -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009 - 13 S 2428.08 -, jeweils juris), u.a. des Senats(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.6.2010 - 1 A 88/10 -, juris), bestätigt. Dies zugrundelegend kommt fallbezogen ein Einbürgerungsermessen des Beklagten zur Vermeidung einer besonderen Härte nicht in Betracht. Die Argumentation des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, eine besondere Härte liege darin, dass er wegen seines Alters außer Stande sei, an seinem Angewiesensein auf den Bezug von Sozialleistungen noch etwas zu ändern, geht fehl. Denn diese Situation wird weder durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen noch könnte sie durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Würdigung der Versagung der Einbürgerung als besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG selbst in Fällen, in denen der Betroffene den Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht zu vertreten hat, bereits mehrfach - u.a. in seinem vom Bundesverwaltungsgericht in dessen Urteil vom 20.3.2012 in Bezug genommenen Beschluss vom 11.6.2009 - eine Absage erteilt.(OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11.6.2009 - OVG 5 M 30.08 -, und vom 8.2.2010 - OVG 5 M 48.09 -, jeweils juris) Auch dies überzeugt.

Zur Frage, wann die Voraussetzungen des alternativen Tatbestandsmerkmals „aus Gründen des öffentlichen Interesses“ erfüllt sind, hat sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht dezidiert geäußert. In seinem Urteil vom 20.3.2012 hat es allerdings beanstandet, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des dortigen Einbürgerungsbewerbers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, in tatsächlicher Hinsicht nicht hinterfragt und nicht geprüft habe, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien.

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich zu den Anforderungen, die an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu stellen sind, ebenfalls noch nicht festgelegt. In den Entscheidungen, in denen § 8 Abs. 2 StAG Erwähnung findet, heißt es - sofern das Vorliegen eines öffentlichen Interesses angeprüft wird - jeweils ohne nähere Darlegung, ein solches sei nicht erkennbar.(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 21.10.2011 - 1 S 135/11 -, NVwZ-RR 2012, 160 f.) An erstinstanzlichen Entscheidungen finden sich ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach(VG Ansbach, Urteil vom 10.9.2008 - AN 15 K 08.00780 -, juris) und mehrere Urteile des Verwaltungsgerichts des Saarlandes(VG des Saarlandes, Urteile vom 9.2.2010 - 2 K 530/09 -, vom 14.12.2010 - 2 K 445/09 -, vom 22.11.2011 - 2 K 560/10 - und vom 31.1.2012 - 2 K 667/10 -, jeweils juris), u.a. auch das im Verfahren des Klägers ergangene Urteil vom 27.9.2011.

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat zu der dortigen Fallgestaltung ausgeführt, Anhaltspunkte für Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn von § 8 Abs. 2 StAG lägen nicht vor, auch wenn die Beachtung einer Staatenlosigkeit wegen der Verpflichtung, die Einbürgerung so weit wie möglich zu erleichtern, hierzu gezählt werde. Auch spiele die von dem Kläger angeführte, im öffentlichen Interesse liegende einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden Integration in die deutschen Verhältnisse keine ausschlaggebende Rolle. Eine klare Aussage dazu, wann Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn des Abs. 2 vorliegen, enthalten diese Ausführungen nicht.

Nach dem in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts des Saarlandes zum Ausdruck kommenden Verständnis der in § 8 Abs. 2 StAG getroffenen Ausnahmeregelung soll das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Interesses voraussetzen, dass der Einbürgerungsbewerber besondere Integrationsleistungen erbracht hat.

In der Kommentarliteratur wird gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Anknüpfungspunkt der Argumentation sind die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht - StAR-VwV - zur Handhabung des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens und die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG, die noch einer (für die Einbürgerungsbehörden) verbindlichen Umsetzung durch Änderung der StAR-VwV bedürfen. Das öffentliche Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei im Zusammenhang zu sehen mit den vom Bundesministerium des Inneren vorgegebenen Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen seien und das öffentliche Interesse an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck brächten. Seien die Voraussetzungen einer solchen Einbürgerungserleichterung erfüllt, sei regelmäßig auch ein Abweichen vom Unterhaltserfordernis angezeigt.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 157; Hailbronner/Renner/Maaßen, a.a.O., § 8 Rdnr. 48) Zu eng, jedenfalls nicht abschließend, seien die Vorgaben der Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise. Denn der Gesetzgeber habe - anders als dort gefordert - nicht ein „besonderes“ oder gar „herausragendes“ öffentliches Interesse zur Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung gemacht, sondern ein „schlichtes“ öffentliches Interesse. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 159 f.)

Diese Auslegung erscheint zu weitgehend. Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Abs. 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der StAG-VwV zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist.

In Bezug auf § 8 Abs. 1 StAG verlangt das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteile 27.2.1957 - I C 165.55 -, BVerwGE 4, 298 ff., vom 30.9.1958 - I C 20.58 -, BVerwGE 7, 237 ff., vom 21.10.1986 - 1 C 44.84 -, BVerwGE 75, 86 ff., und vom 27.5.2010, a.a.O., m.w.N.) bisher in ständiger Rechtsprechung von den Einbürgerungsbehörden, bei der Ermessensausübung darauf abzustellen, ob ein staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht. Die Behörde habe zu prüfen, ob die Einbürgerung sowohl nach den persönlichen Verhältnissen des Bewerbers als auch nach allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gesichtspunkten im staatlichen Interesse erwünscht ist, ohne dass eine Abwägung mit den persönlichen Interessen des Einbürgerungsbewerbers stattfinde. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner zuletzt zur Problematik ergangenen bereits in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.5.2010 offen gelassen, ob es ungeachtet der diesbezüglichen Kritik(Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 8 Rdnr. 50; GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnrn. 178 ff.) daran festhalten wird, dass bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG ohne Abwägung des privaten Interesses des Einbürgerungsbewerbers allein das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung zu berücksichtigen ist. Allerdings spricht im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 StAG - wie noch auszuführen sein wird - alles dafür, Einbürgerungserleichterungen, die den persönlichen Verhältnissen des Einbürgerungsbewerbers Rechnung tragen sollen, nicht als ausreichend zur Begründung eines öffentlichen Interesses zu erachten, sondern ein spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung als unverzichtbar zu fordern.

Die Vorgaben der StAR-VwV, insbesondere die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, die nach Ansicht der Kommentarliteratur ein öffentliches Interesse auch im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck bringen können, sind am 1.2.2001, also lange bevor der Gesetzgeber die Einfügung des heutigen § 8 Abs. 2 StAG beschlossen hat, in Kraft getreten. Nach Nr. 8.0 StAR-VwV kann bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG eine Einbürgerung nach Ermessen der Behörde erfolgen, wenn im Einzelfall ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung festgestellt werden kann. In diesem Zusammenhang heißt es unter Nr. 8.1.2, dass die Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 allgemeine Grundsätze für die Ermessensausübung enthalten und festlegen, unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung anzunehmen ist. Demgemäß sind die unter Nr. 8.1.2 StAR-VwV fixierten allgemeinen Grundsätze für die Ermessensausübung und die unter Nr. 8.1.3 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen für bestimmte Personengruppen vom Bundesministerium des Inneren mit dem Ziel konzipiert worden, den Einbürgerungsbehörden durch Konkretisierung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Rahmen für eine einheitliche Bewältigung der speziell bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 StAG zu erwartenden Problemstellungen vorzugeben.

Dass jede zu § 8 Abs. 1 StAG anerkannte Einbürgerungserleichterung gleichzeitig ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zum Ausdruck bringt, ist indes nicht anzunehmen.

Das öffentliche Interesse jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße zunächst, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach der StAR-VwV zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber den tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht genügt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Denn die unter Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 erfassten Kriterien für das Vorliegen des im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG von der Rechtsprechung geforderten öffentlichen Interesses tragen durchaus unterschiedlichen Anliegen Rechnung, die teils primär private Belange des Einbürgerungsbewerbers und teils ausschließlich staatliche Belange im Blick haben. Die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen sind von daher nicht in gleicher Weise geeignet, im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Abs. 2 Berücksichtigung zu finden. Die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG wären bei dem von der Kommentarliteratur vertretenen Verständnis des in Abs. 2 der Vorschrift verwendeten Begriffs des öffentlichen Interesses ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre.

Speziell mit Blick auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG spricht gegen eine begriffliche Identität, dass § 8 Abs. 2 StAG den Einbürgerungsbehörden die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung unabhängig davon einräumt, ob der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit selbst zu vertreten hat. In einer Vielzahl von Fällen, in denen einer positiven Entscheidung nach Abs. 1 das Nichtvorliegen der tatbestandlichen Anforderungen der Nr. 4 entgegensteht, stünde es auch im Falle rein privatnütziger, besondere persönliche Umstände berücksichtigender Einbürgerungserleichterungen im Ermessen der Einbürgerungsbehörde, ob sie grundsätzlich oder je nach den Umständen des Einzelfalls fordert, dass der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit nicht zu vertreten hat.

Die aufgezeigte Problematik wird anhand des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts deutlich. Ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG ist dem Beklagten mit Blick auf Nr. 4 der Vorschrift nicht eröffnet. Dessen ungeachtet genügt der Kläger allen unter Nr. 8.1.2 i.V.m. Nr. 8.1.3.7 und unter Nrn. 8.1.2.2 bis 8.1.2.6 festgelegten Kriterien, die im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG den Begriff des öffentlichen Interesses konkretisieren sollen. Denn auch dem Erfordernis ausreichender Sprachkenntnisse wäre mit Blick auf die - seinen persönlichen Belangen Rechnung tragende - Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 Genüge getan, da insoweit bei Personen, die - wie er - das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, ausreicht, wenn sie sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben mündlich in deutscher Sprache verständigen können. Zu Zweifeln, ob der Kläger sich in dieser Weise verständigen kann, besteht angesichts seiner Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Veranlassung. Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass der Senat der Ansicht des Beklagten, bei Anwendung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nicht die Vita des Einbürgerungsbewerbers der Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift entgegensteht, nicht zu folgen vermag. Sinn und Zweck dieser aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Verwaltungsvorschrift ist es, den besonderen persönlichen Verhältnissen und dem typischerweise nur noch eingeschränkten Leistungsvermögen älterer Personen im Falle eines langjährigen Inlandsaufenthalts im Rahmen der Ermessensausübung angemessen Rechnung zu tragen, und zwar unabhängig davon, ob ihnen der Erwerb weitergehender Sprachkenntnisse in jüngeren Jahren nach ihren persönlichen Fähigkeiten und ihren Lebensverhältnissen zumutbar gewesen wäre.

Die Annahme, dass der Tatbestand des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG mit dem durch die Vorgaben der StAR-VwV zu Abs. 1 der Vorschrift konkretisierten öffentlichen Interesse identisch ist, hätte somit fallbezogen zur Folge, dass der Beklagte den Kläger auf der Grundlage des Abs. 2 wegen Eingreifens der Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV einbürgern könnte, ohne dass er kraft Gesetzes oder auch nur kraft Verwaltungsvorschrift gehalten wäre zu prüfen, ob dieser seine fehlende Unterhaltsfähigkeit zu vertreten hat. Es erscheint fernliegend, dass dies der Intention des Gesetzgebers entspricht.

Die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG sprechen - ungeachtet des Umstands, dass sie die Gerichte nicht zu binden vermögen und selbst im Verhältnis zu den Behörden noch einer verbindlichen Umsetzung bedürfen - ebenfalls gegen die von der Kommentarliteratur befürwortete weite Auslegung der Vorschrift. Denn deren Nr. 8.2 verweist gerade nicht auf die Gesamtheit der in Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, deren Vorliegen ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG rechtfertigen kann. Vielmehr soll ein Absehen von dem Unbescholtenheitserfordernis bzw. der Unterhaltsfähigkeit nach Nr. 8.2 StAR-VwV z.B. in Betracht kommen, wenn bereits Einbürgerungserleichterungen, einschließlich vorübergehender oder dauerhafter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, bei einem besonderen (Nr. 8.1.3.5 StAR-VwV) oder herausragenden (Nr. 8.1.2.6.3.6 StAR-VwV) öffentlichen Interesse - Verkürzung der Mindestdauer des Inlandsaufenthalts bei Vorliegen eines besonderen Einbürgerungsinteresses oder Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei einem herausragenden öffentlichen Einbürgerungsinteresse - eingeräumt worden sind. In den beispielhaft genannten Anwendungsfällen setzt ein Absehen von der Unterhaltsfähigkeit mithin voraus, dass ein besonderes oder herausragendes Einbürgerungsinteresse besteht. Dazu, ob weitere, gegebenenfalls welche, Fallgestaltungen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG denkbar sind, verhalten sich die Vorläufigen Anwendungshinweise nicht. Allerdings spricht der Umstand, dass die in der StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen nicht allesamt in Bezug genommen werden, eindeutig dafür, dass jedenfalls nach dem Verständnis des Bundesministeriums des Inneren nicht jede zu Abs. 1 der Vorschrift vorgesehene Einbürgerungserleichterung den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG nahe legen soll, sondern vorrangig oder ausschließlich solche, die einem spezifisch staatlichen Interesse zu dienen bestimmt sind.

Allein ein solches Verständnis der Vorschrift erscheint aus Sicht des Senats sachgerecht. Ermessensgesichtspunkte und Einbürgerungserleichterungen, die nach der Rechtsprechung und den insoweit geltenden Verwaltungsvorschriften der StAR-VwV zwar im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG beachtlich und grundsätzlich dort geeignet sind, eine dem Ausländer positive Einbürgerungsentscheidung zu ermöglichen, aber nicht irgendwie gearteten staatlichen Interessen dienen, sondern vorrangig besonderen persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des Ausländers angemessen Rechnung tragen sollen, vermögen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nicht zu begründen.

So kann sich beispielsweise daraus, dass im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 StAG und zweifelsfrei ebenso des Absatzes 2 der Vorschrift eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen auf Dauer zugesagt ist, als erforderlicher Aufenthalt ausreichen soll (Nr. 8.1.2.4 StAR-VwV), kein im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG beachtliches öffentliches Interesse an der Einbürgerung ergeben. Gleiches gilt etwa hinsichtlich der die allgemein geltenden Sprachanforderungen einschränkenden Einbürgerungserleichterungen für minderjährige Kinder (Nr. 8.1.3.6 StAR-VwV) und ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV).

Nach allem ist ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit - insoweit gegebenenfalls auch im Falle eines Vertretenmüssens - einzubürgern. Nur bei Bestehen eines solchen durch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses verlangt die Vorschrift der Einbürgerungsbehörde die Betätigung ihres Einbürgerungsermessens ab.

Nach Einschätzung des Senats entspricht dies der - wenngleich bisher nicht ausdrücklich formulierten - Sichtweise des Bundesverwaltungsgerichts. Wie ausgeführt, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.3.2012 in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbestandlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nrn. 2 und/oder 4 besteht.

Mithin ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverwaltungsgericht den Vorschlag der Kommentarliteratur, jedwede anerkannte Einbürgerungserleichterung als geeignet anzusehen, ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu begründen, aufgreifen könnte.

Demgemäß füllt allein die dem Kläger zugute kommende Einbürgerungserleichterung für ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV) den Tatbestand eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift nicht aus. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Anhaltspunkte für das Bestehen eines durch spezifisch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses an der Einbürgerung des Klägers, also eines Erwünschtseins seiner Einbürgerung aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher und kultureller Gesichtspunkte, weder ersichtlich noch dargetan sind. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Ansicht vertreten, für ein „Erwünschtsein“ im Sinne eines staatlichen Interesses an seiner Einbürgerung müsse ausreichen, dass er schon über 30 Jahre und damit sehr lange in Deutschland lebe und hier auf Dauer bleibeberechtigt sei. Zudem hätten seine Kinder sich ebenfalls hier niedergelassen, seien zum Teil schon lange eingebürgert und berufstätig, so dass sie als Steuerzahler zum Gemeinwohl beitrügen. Dies reicht - so erfreulich die Entwicklung der Kinder sicherlich ist - mit Blick auf den hier allein interessierenden Kläger zur Begründung eines staatlichen Interesses im vorbezeichneten Sinne nicht aus. Dass das Alter und ein langjähriger Aufenthalt im Inland einem Einbürgerungsbewerber im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG einbürgerungserleichternd zugute kommen können, vermag - wie ausgeführt - für sich genommen nicht automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu rechtfertigen, und kann auch im Zusammenspiel mit einer gelungenen Integration der Kinder ein solches Interesse nicht begründen. Denn § 8 Abs. 2 StAG enthält nach der gesetzlichen Konzeption einen Ausnahmetatbestand und setzt daher voraus, dass der konkrete Fall sich in einer spezifischen Weise von der in der Mehrzahl der Zuwandererfamilien zu beobachtenden Integration der Kinder in die hiesigen Verhältnisse - zusätzlich - positiv abhebt. Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Dem Beklagten ist mithin ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 2 StAG nicht eröffnet.

Wegen Fehlens diesbezüglicher tatsächlicher Anhaltspunkte und damit mangels Entscheidungsrelevanz bedarf keiner Entscheidung, ob - wie das Verwaltungsgericht annimmt - ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG auch bei besonderen Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers zu bejahen ist. Angemerkt sei lediglich, dass für eine solche Auslegung der Vorschrift die - wenngleich in anderem Zusammenhang verwendete - Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010 „zur Vermeidung einer Härte oder wegen anderweitiger Integrationsleistungen“(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O., juris-Rdnr. 36 (vgl. auch Rdnr. 39)) sprechen mag.

3. Nach alldem bleibt festzuhalten, dass dem Kläger weder auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 StAG noch des § 8 Abs. 2 StAG ein Anspruch darauf zusteht, dass der Beklagte erneut über sein Einbürgerungsbegehren entscheidet.

Die Berufung gegen das den diesbezüglich gestellten Hilfsantrag des Klägers abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts unterliegt daher der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, muss aber in der Sache ohne Erfolg bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage hinsichtlich des Hilfsantrags, den allein der Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgt, zu Recht abgewiesen. Ihm ist zudem darin zuzustimmen, dass dem Kläger mit Blick auf das Fehlen eines insoweit geeigneten Aufenthaltstitels kein aus § 10 StAG herleitbarer Anspruch auf Einbürgerung zusteht. Dies hat der Kläger ausweislich der Beschränkung seines Berufungsbegehrens akzeptiert. Sein im Berufungsverfahren weiter verfolgter Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über seinen Einbürgerungsantrag in Anwendung des § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 StAG erneut nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ist unbegründet.

1. Ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch auf Neubescheidung setzt zunächst voraus, dass die durch die Vorschrift vorgegebenen gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist dies zu bejahen, so steht die Einbürgerung im grundsätzlich weiten Ermessen des Beklagten als zuständiger Einbürgerungsbehörde.(Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, Stand 25. Erg.lfg. August 2011, § 8 Rdnr. 170 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27.5.2010 - 5 C 8/09 -, NVwZ 2010, 1502 ff.)

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8 Abs. 1 StAG ist geklärt, dass der Einbürgerungsbehörde ein Einbürgerungsermessen nach dieser Vorschrift nur eingeräumt ist, wenn neben den sonstigen in der Vorschrift aufgeführten und vorliegend außer Streit stehenden Voraussetzungen das auf den Nachweis der wirtschaftlichen Integration zielende Tatbestandsmerkmal der Nr. 4 erfüllt ist.(BVerwG, Urteil vom 27.2.1958 - I C 99.56 -, BVerwGE 6, 207 ff.) Hiernach muss der Ausländer im Stande sein, sich und seine Angehörigen aus eigener Kraft zu ernähren. Ist dies nicht der Fall, weil der Ausländer auf den Bezug von (ergänzenden) Sozialleistungen angewiesen ist, spielt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der obergerichtlichen Rechtsprechung(OVG Berlin, Beschluss vom 9.10.1995 - 5 M 25.95 -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.3.1996 - 13 S 1908/95 -, jeweils juris) zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG keine Rolle, ob der Ausländer seine Bedürftigkeit zu vertreten hat. Auf Kritik von Seiten der Kommentarliteratur(GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnr. 124), wonach dieses keine Ausnahmen zulassende Verständnis des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG den seit Inkrafttreten der Vorschrift im Jahr 1914 zu verzeichnenden sozialpolitischen Veränderungen nicht angemessen Rechnung trage, hat das Bundesverwaltungsgericht seine am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift in der Vergangenheit mehrfach bekräftigt. Es hat dies damit begründet, dass der Gesetzgeber das Staatsangehörigkeitsrecht - u.a. auch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG - wiederholt geändert, dabei die Einbürgerung für bestimmte Personenkreise mit Wirkung zum 1.1.1991 erleichtert und geregelt habe, unter welchen Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Einbürgerung nicht entgegenstehe. Dies berücksichtigend verbiete es sich, die unverändert gebliebene Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, die in diese neuere Gesetzgebung nicht einbezogen worden sei, teleologisch zu reduzieren.(BVerwG, Beschlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 94/97 -, NVwZ-RR 1997, 738 f., und vom 10.7.1997 - 1 B 141/97 -, NVwZ 1998, 183 f.; Urteil vom 22.6.1999 - 1 C 16/98 -, InfAuslR 1999, 501 ff.) Zu der Frage, wann ein Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen auf Dauer aus eigenen Mitteln ernähren kann, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.1998 - 13 S 2212/96 -, InfAuslR 1998, 509 ff.) überzeugend ausgeführt, dass er zumindest über eigene Einnahmen in Höhe der Regelsätze der Sozialhilfe verfügen muss.

Fallbezogen scheitert ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags am Nichtvorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung der Nr. 4 der Vorschrift, da der Kläger für sich und seine Ehefrau fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII bezieht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass dieser Leistungsbezug einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG auch dann entgegensteht, wenn der Kläger den Umstand, der ihn zur Inanspruchnahme dieser Leistungen berechtigt, nicht zu vertreten hat.

Da es im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG nicht darauf ankommt, ob der Einbürgerungsbewerber seine Bedürftigkeit zu vertreten hat, ist aus Rechtsgründen kein Raum für die von dem Kläger reklamierte entsprechende Heranziehung der vom Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 19.2.2009 - 5 C 22/08 -, NVwZ 2009, 843 ff.) entwickelten Grundsätze zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich frühere Versäumnisse nicht mehr als wesentliche, prägende Ursache für den Leistungsbezug darstellen und daher vom Einbürgerungsbewerber nicht mehr im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zu vertreten sind. Dies ist sachgerecht, denn die gesetzlichen Erleichterungen, die diese Vorschrift gewährt, rechtfertigen sich - wie das Bundesverwaltungsgericht in dem klägerseits zitierten Urteil vom 19.2.2009 ausdrücklich hervorgehoben hat - daraus, dass bei zurechenbar unzureichender wirtschaftlicher Integration schon die erforderliche Voraufenthaltszeit eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts oder der für den Einbürgerungsanspruch erforderliche Aufenthaltsstatus gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht erreicht werden kann, weil die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) regelmäßig einen gesicherten Lebensunterhalt verlangen. Dies gilt insbesondere auch für die Ersetzung einer - wie im Fall des Klägers - nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen erteilten oder verlängerten befristeten Aufenthaltserlaubnis durch eine Niederlassungserlaubnis, da deren Erteilung nach den §§ 26 Abs. 4 i.V.m. 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ebenfalls voraussetzt, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist.

Der Kläger begründet seine Ansicht, im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG dürfe hinsichtlich der Unterhaltsfähigkeit kein strengerer Maßstab als im Rahmen des § 10 StAG angelegt werden, mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010.(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O.) Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Ausführungen, wonach die Anspruchsvoraussetzungen bzw. Ausschlussgründe der §§ 10 und 11 StAG der Sache nach bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG berücksichtigt werden dürfen, ausdrücklich unter dem Vorbehalt stehen, dass sie in § 8 Abs. 1 StAG nicht schon auf der Tatbestandsebene modifiziert sind. Gerade dies ist der Fall, denn die tatbestandlichen Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit sind in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG anders - insbesondere unter Anlegung strengerer Kriterien - geregelt als in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.

Im Übrigen verkennt der Kläger bei seiner Argumentation, ihm dürften die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zugerechnet werden, dass die diesbezüglich vom Bundesverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht entwickelten Kriterien in seinem Fall nicht erfüllt sind. Denn der hiernach maßgebliche Zeitraum von acht Jahren ist noch nicht verstrichen. Dem Kläger ist entgegenzuhalten, dass er und seine Ehefrau als Bedarfsgemeinschaft seit Erreichen des Rentenalters im Juli 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter beziehen, weil er sich seit Erhalt seiner Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nur unzureichend um eine Arbeitsstelle bemüht hat und daher keinen Anspruch auf eine Altersrente erwerben konnte. Ausweislich der Ausländerakte ist der Kläger seitens der Ausländerbehörde frühzeitig schriftlich darauf hingewiesen worden, dass eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden kann, wenn der Lebensunterhalt der Familie aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert ist (Schreiben der Ausländerbehörde vom 4.11.1992, Bl. 173 f. der Ausländerakte, und Bescheid vom 5.1.1993 betreffend die Ablehnung der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, Bl. 178 f. der Ausländerakte). Aktenkundig sind indes lediglich drei - von vornherein wenig erfolgversprechende - Versuche, eine Arbeitsstelle zu finden, nämlich seine Bewerbungen 1996 in Berlin bzw. Hamburg und 2005 erneut in Berlin. Die jeweiligen Ausländerbehörden lehnten eine Aufnahme des Klägers in ihren Zuständigkeitsbereich jeweils ab, und zwar wegen Nichtbeibringung der geforderten Einstellungszusicherung (Bl. 219 der Ausländerakte) bzw. weil nach der Höhe des voraussichtlichen Verdienstes nicht auszuschließen war, dass er weiterhin auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sein würde (Bl. 230 und 279 der Ausländerakte). Sonstige - insbesondere ortsnahe und insofern erfolgversprechendere - Bemühungen des Klägers um eine Beschäftigung trägt dieser selbst nicht vor. Er gibt lediglich an, sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet zu haben (Bl. 176 der Einbürgerungsakte). Erfolglos gebliebene Bewerbungen behauptet er nicht. Zudem tritt er der Feststellung in dem angefochtenen, die Einbürgerung ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 3.3.2010, es könne nicht von einem unverschuldeten Bezug öffentlicher Mittel ausgegangen werden, im Klage- und Berufungsverfahren nur insoweit entgegen, als er geltend macht, mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien ihm die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zurechenbar. Dies trifft indes gerade nicht zu. Denn der Sachverhalt stellt sich so dar, dass dem Kläger seit Erhalt einer Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 unzureichende Bemühungen um eine Arbeitsstelle entgegenzuhalten sind. Seit Beendigung dieser langen Zeit mangelnder Anstrengungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes sind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erst ca. vier Jahre verstrichen, so dass der Kläger aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schon aus tatsächlichen Gründen nicht zu seinen Gunsten herleiten kann, dass er für seine jahrelang unzureichenden Bemühungen nicht mehr einzustehen habe.

2. Aus § 8 Abs. 2 StAG leitet sich ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags ebenfalls nicht her.

Nach dieser Vorschrift kann von dem Unbescholtenheitserfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG und dem Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmevorschrift, die bezüglich der Nr. 4 am 1.1.2005 und bezüglich der Nr. 2 am 28.9.2007 in Kraft getreten ist, neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügt, weil er im Hinblick auf die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG mit ihren speziellen Voraussetzungen auch bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG eine Ausnahmeregelung als erforderlich ansah. Bei den Tatbestandsvoraussetzungen „Gründe des öffentlichen Interesses“ und „Vermeidung einer besonderen Härte“ handelt es sich jeweils um unbestimmte Rechtsbegriffe, die inhaltlicher Konkretisierung bedürfen und deren Auslegung und Anwendung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Fallbezogen spricht nichts für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands.

Die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 StAG ist für die Auslegung der Vorschrift nicht ergiebig. Sie führt lediglich einen - hier nicht einschlägigen - Beispielsfall einer besonderen Härte an. Hinweise zum Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Gründe des öffentlichen Interesses“ fehlen vollständig.(BT-Drs. 14/7387, S. 107, und 15/420, S. 116)

In der Rechtsprechung ist bisher nur in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Vermeidung einer besonderen Härte geklärt, welche konkreten Anforderungen die gesetzliche Neuregelung an das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls stellt.

Das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 - 5 C 5.11 -) hat vor kurzem entschieden, dass eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen sein muss und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden könnte. Es hat damit die bisher zu den Anforderungen an das Vorliegen einer besonderen Härte ergangene obergerichtliche Rechtsprechung(HessVGH, Beschluss vom 21.10.2008 - 5 A 1820.08.Z -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009 - 13 S 2428.08 -, jeweils juris), u.a. des Senats(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.6.2010 - 1 A 88/10 -, juris), bestätigt. Dies zugrundelegend kommt fallbezogen ein Einbürgerungsermessen des Beklagten zur Vermeidung einer besonderen Härte nicht in Betracht. Die Argumentation des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, eine besondere Härte liege darin, dass er wegen seines Alters außer Stande sei, an seinem Angewiesensein auf den Bezug von Sozialleistungen noch etwas zu ändern, geht fehl. Denn diese Situation wird weder durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen noch könnte sie durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Würdigung der Versagung der Einbürgerung als besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG selbst in Fällen, in denen der Betroffene den Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht zu vertreten hat, bereits mehrfach - u.a. in seinem vom Bundesverwaltungsgericht in dessen Urteil vom 20.3.2012 in Bezug genommenen Beschluss vom 11.6.2009 - eine Absage erteilt.(OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11.6.2009 - OVG 5 M 30.08 -, und vom 8.2.2010 - OVG 5 M 48.09 -, jeweils juris) Auch dies überzeugt.

Zur Frage, wann die Voraussetzungen des alternativen Tatbestandsmerkmals „aus Gründen des öffentlichen Interesses“ erfüllt sind, hat sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht dezidiert geäußert. In seinem Urteil vom 20.3.2012 hat es allerdings beanstandet, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des dortigen Einbürgerungsbewerbers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, in tatsächlicher Hinsicht nicht hinterfragt und nicht geprüft habe, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien.

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich zu den Anforderungen, die an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu stellen sind, ebenfalls noch nicht festgelegt. In den Entscheidungen, in denen § 8 Abs. 2 StAG Erwähnung findet, heißt es - sofern das Vorliegen eines öffentlichen Interesses angeprüft wird - jeweils ohne nähere Darlegung, ein solches sei nicht erkennbar.(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 21.10.2011 - 1 S 135/11 -, NVwZ-RR 2012, 160 f.) An erstinstanzlichen Entscheidungen finden sich ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach(VG Ansbach, Urteil vom 10.9.2008 - AN 15 K 08.00780 -, juris) und mehrere Urteile des Verwaltungsgerichts des Saarlandes(VG des Saarlandes, Urteile vom 9.2.2010 - 2 K 530/09 -, vom 14.12.2010 - 2 K 445/09 -, vom 22.11.2011 - 2 K 560/10 - und vom 31.1.2012 - 2 K 667/10 -, jeweils juris), u.a. auch das im Verfahren des Klägers ergangene Urteil vom 27.9.2011.

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat zu der dortigen Fallgestaltung ausgeführt, Anhaltspunkte für Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn von § 8 Abs. 2 StAG lägen nicht vor, auch wenn die Beachtung einer Staatenlosigkeit wegen der Verpflichtung, die Einbürgerung so weit wie möglich zu erleichtern, hierzu gezählt werde. Auch spiele die von dem Kläger angeführte, im öffentlichen Interesse liegende einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden Integration in die deutschen Verhältnisse keine ausschlaggebende Rolle. Eine klare Aussage dazu, wann Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn des Abs. 2 vorliegen, enthalten diese Ausführungen nicht.

Nach dem in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts des Saarlandes zum Ausdruck kommenden Verständnis der in § 8 Abs. 2 StAG getroffenen Ausnahmeregelung soll das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Interesses voraussetzen, dass der Einbürgerungsbewerber besondere Integrationsleistungen erbracht hat.

In der Kommentarliteratur wird gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Anknüpfungspunkt der Argumentation sind die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht - StAR-VwV - zur Handhabung des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens und die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG, die noch einer (für die Einbürgerungsbehörden) verbindlichen Umsetzung durch Änderung der StAR-VwV bedürfen. Das öffentliche Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei im Zusammenhang zu sehen mit den vom Bundesministerium des Inneren vorgegebenen Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen seien und das öffentliche Interesse an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck brächten. Seien die Voraussetzungen einer solchen Einbürgerungserleichterung erfüllt, sei regelmäßig auch ein Abweichen vom Unterhaltserfordernis angezeigt.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 157; Hailbronner/Renner/Maaßen, a.a.O., § 8 Rdnr. 48) Zu eng, jedenfalls nicht abschließend, seien die Vorgaben der Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise. Denn der Gesetzgeber habe - anders als dort gefordert - nicht ein „besonderes“ oder gar „herausragendes“ öffentliches Interesse zur Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung gemacht, sondern ein „schlichtes“ öffentliches Interesse. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 159 f.)

Diese Auslegung erscheint zu weitgehend. Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Abs. 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der StAG-VwV zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist.

In Bezug auf § 8 Abs. 1 StAG verlangt das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteile 27.2.1957 - I C 165.55 -, BVerwGE 4, 298 ff., vom 30.9.1958 - I C 20.58 -, BVerwGE 7, 237 ff., vom 21.10.1986 - 1 C 44.84 -, BVerwGE 75, 86 ff., und vom 27.5.2010, a.a.O., m.w.N.) bisher in ständiger Rechtsprechung von den Einbürgerungsbehörden, bei der Ermessensausübung darauf abzustellen, ob ein staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht. Die Behörde habe zu prüfen, ob die Einbürgerung sowohl nach den persönlichen Verhältnissen des Bewerbers als auch nach allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gesichtspunkten im staatlichen Interesse erwünscht ist, ohne dass eine Abwägung mit den persönlichen Interessen des Einbürgerungsbewerbers stattfinde. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner zuletzt zur Problematik ergangenen bereits in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.5.2010 offen gelassen, ob es ungeachtet der diesbezüglichen Kritik(Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 8 Rdnr. 50; GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnrn. 178 ff.) daran festhalten wird, dass bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG ohne Abwägung des privaten Interesses des Einbürgerungsbewerbers allein das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung zu berücksichtigen ist. Allerdings spricht im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 StAG - wie noch auszuführen sein wird - alles dafür, Einbürgerungserleichterungen, die den persönlichen Verhältnissen des Einbürgerungsbewerbers Rechnung tragen sollen, nicht als ausreichend zur Begründung eines öffentlichen Interesses zu erachten, sondern ein spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung als unverzichtbar zu fordern.

Die Vorgaben der StAR-VwV, insbesondere die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, die nach Ansicht der Kommentarliteratur ein öffentliches Interesse auch im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck bringen können, sind am 1.2.2001, also lange bevor der Gesetzgeber die Einfügung des heutigen § 8 Abs. 2 StAG beschlossen hat, in Kraft getreten. Nach Nr. 8.0 StAR-VwV kann bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG eine Einbürgerung nach Ermessen der Behörde erfolgen, wenn im Einzelfall ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung festgestellt werden kann. In diesem Zusammenhang heißt es unter Nr. 8.1.2, dass die Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 allgemeine Grundsätze für die Ermessensausübung enthalten und festlegen, unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung anzunehmen ist. Demgemäß sind die unter Nr. 8.1.2 StAR-VwV fixierten allgemeinen Grundsätze für die Ermessensausübung und die unter Nr. 8.1.3 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen für bestimmte Personengruppen vom Bundesministerium des Inneren mit dem Ziel konzipiert worden, den Einbürgerungsbehörden durch Konkretisierung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Rahmen für eine einheitliche Bewältigung der speziell bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 StAG zu erwartenden Problemstellungen vorzugeben.

Dass jede zu § 8 Abs. 1 StAG anerkannte Einbürgerungserleichterung gleichzeitig ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zum Ausdruck bringt, ist indes nicht anzunehmen.

Das öffentliche Interesse jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße zunächst, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach der StAR-VwV zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber den tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht genügt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Denn die unter Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 erfassten Kriterien für das Vorliegen des im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG von der Rechtsprechung geforderten öffentlichen Interesses tragen durchaus unterschiedlichen Anliegen Rechnung, die teils primär private Belange des Einbürgerungsbewerbers und teils ausschließlich staatliche Belange im Blick haben. Die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen sind von daher nicht in gleicher Weise geeignet, im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Abs. 2 Berücksichtigung zu finden. Die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG wären bei dem von der Kommentarliteratur vertretenen Verständnis des in Abs. 2 der Vorschrift verwendeten Begriffs des öffentlichen Interesses ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre.

Speziell mit Blick auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG spricht gegen eine begriffliche Identität, dass § 8 Abs. 2 StAG den Einbürgerungsbehörden die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung unabhängig davon einräumt, ob der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit selbst zu vertreten hat. In einer Vielzahl von Fällen, in denen einer positiven Entscheidung nach Abs. 1 das Nichtvorliegen der tatbestandlichen Anforderungen der Nr. 4 entgegensteht, stünde es auch im Falle rein privatnütziger, besondere persönliche Umstände berücksichtigender Einbürgerungserleichterungen im Ermessen der Einbürgerungsbehörde, ob sie grundsätzlich oder je nach den Umständen des Einzelfalls fordert, dass der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit nicht zu vertreten hat.

Die aufgezeigte Problematik wird anhand des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts deutlich. Ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG ist dem Beklagten mit Blick auf Nr. 4 der Vorschrift nicht eröffnet. Dessen ungeachtet genügt der Kläger allen unter Nr. 8.1.2 i.V.m. Nr. 8.1.3.7 und unter Nrn. 8.1.2.2 bis 8.1.2.6 festgelegten Kriterien, die im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG den Begriff des öffentlichen Interesses konkretisieren sollen. Denn auch dem Erfordernis ausreichender Sprachkenntnisse wäre mit Blick auf die - seinen persönlichen Belangen Rechnung tragende - Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 Genüge getan, da insoweit bei Personen, die - wie er - das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, ausreicht, wenn sie sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben mündlich in deutscher Sprache verständigen können. Zu Zweifeln, ob der Kläger sich in dieser Weise verständigen kann, besteht angesichts seiner Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Veranlassung. Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass der Senat der Ansicht des Beklagten, bei Anwendung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nicht die Vita des Einbürgerungsbewerbers der Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift entgegensteht, nicht zu folgen vermag. Sinn und Zweck dieser aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Verwaltungsvorschrift ist es, den besonderen persönlichen Verhältnissen und dem typischerweise nur noch eingeschränkten Leistungsvermögen älterer Personen im Falle eines langjährigen Inlandsaufenthalts im Rahmen der Ermessensausübung angemessen Rechnung zu tragen, und zwar unabhängig davon, ob ihnen der Erwerb weitergehender Sprachkenntnisse in jüngeren Jahren nach ihren persönlichen Fähigkeiten und ihren Lebensverhältnissen zumutbar gewesen wäre.

Die Annahme, dass der Tatbestand des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG mit dem durch die Vorgaben der StAR-VwV zu Abs. 1 der Vorschrift konkretisierten öffentlichen Interesse identisch ist, hätte somit fallbezogen zur Folge, dass der Beklagte den Kläger auf der Grundlage des Abs. 2 wegen Eingreifens der Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV einbürgern könnte, ohne dass er kraft Gesetzes oder auch nur kraft Verwaltungsvorschrift gehalten wäre zu prüfen, ob dieser seine fehlende Unterhaltsfähigkeit zu vertreten hat. Es erscheint fernliegend, dass dies der Intention des Gesetzgebers entspricht.

Die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG sprechen - ungeachtet des Umstands, dass sie die Gerichte nicht zu binden vermögen und selbst im Verhältnis zu den Behörden noch einer verbindlichen Umsetzung bedürfen - ebenfalls gegen die von der Kommentarliteratur befürwortete weite Auslegung der Vorschrift. Denn deren Nr. 8.2 verweist gerade nicht auf die Gesamtheit der in Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, deren Vorliegen ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG rechtfertigen kann. Vielmehr soll ein Absehen von dem Unbescholtenheitserfordernis bzw. der Unterhaltsfähigkeit nach Nr. 8.2 StAR-VwV z.B. in Betracht kommen, wenn bereits Einbürgerungserleichterungen, einschließlich vorübergehender oder dauerhafter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, bei einem besonderen (Nr. 8.1.3.5 StAR-VwV) oder herausragenden (Nr. 8.1.2.6.3.6 StAR-VwV) öffentlichen Interesse - Verkürzung der Mindestdauer des Inlandsaufenthalts bei Vorliegen eines besonderen Einbürgerungsinteresses oder Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei einem herausragenden öffentlichen Einbürgerungsinteresse - eingeräumt worden sind. In den beispielhaft genannten Anwendungsfällen setzt ein Absehen von der Unterhaltsfähigkeit mithin voraus, dass ein besonderes oder herausragendes Einbürgerungsinteresse besteht. Dazu, ob weitere, gegebenenfalls welche, Fallgestaltungen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG denkbar sind, verhalten sich die Vorläufigen Anwendungshinweise nicht. Allerdings spricht der Umstand, dass die in der StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen nicht allesamt in Bezug genommen werden, eindeutig dafür, dass jedenfalls nach dem Verständnis des Bundesministeriums des Inneren nicht jede zu Abs. 1 der Vorschrift vorgesehene Einbürgerungserleichterung den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG nahe legen soll, sondern vorrangig oder ausschließlich solche, die einem spezifisch staatlichen Interesse zu dienen bestimmt sind.

Allein ein solches Verständnis der Vorschrift erscheint aus Sicht des Senats sachgerecht. Ermessensgesichtspunkte und Einbürgerungserleichterungen, die nach der Rechtsprechung und den insoweit geltenden Verwaltungsvorschriften der StAR-VwV zwar im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG beachtlich und grundsätzlich dort geeignet sind, eine dem Ausländer positive Einbürgerungsentscheidung zu ermöglichen, aber nicht irgendwie gearteten staatlichen Interessen dienen, sondern vorrangig besonderen persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des Ausländers angemessen Rechnung tragen sollen, vermögen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nicht zu begründen.

So kann sich beispielsweise daraus, dass im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 StAG und zweifelsfrei ebenso des Absatzes 2 der Vorschrift eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen auf Dauer zugesagt ist, als erforderlicher Aufenthalt ausreichen soll (Nr. 8.1.2.4 StAR-VwV), kein im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG beachtliches öffentliches Interesse an der Einbürgerung ergeben. Gleiches gilt etwa hinsichtlich der die allgemein geltenden Sprachanforderungen einschränkenden Einbürgerungserleichterungen für minderjährige Kinder (Nr. 8.1.3.6 StAR-VwV) und ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV).

Nach allem ist ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit - insoweit gegebenenfalls auch im Falle eines Vertretenmüssens - einzubürgern. Nur bei Bestehen eines solchen durch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses verlangt die Vorschrift der Einbürgerungsbehörde die Betätigung ihres Einbürgerungsermessens ab.

Nach Einschätzung des Senats entspricht dies der - wenngleich bisher nicht ausdrücklich formulierten - Sichtweise des Bundesverwaltungsgerichts. Wie ausgeführt, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.3.2012 in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbestandlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nrn. 2 und/oder 4 besteht.

Mithin ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverwaltungsgericht den Vorschlag der Kommentarliteratur, jedwede anerkannte Einbürgerungserleichterung als geeignet anzusehen, ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu begründen, aufgreifen könnte.

Demgemäß füllt allein die dem Kläger zugute kommende Einbürgerungserleichterung für ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV) den Tatbestand eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift nicht aus. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Anhaltspunkte für das Bestehen eines durch spezifisch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses an der Einbürgerung des Klägers, also eines Erwünschtseins seiner Einbürgerung aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher und kultureller Gesichtspunkte, weder ersichtlich noch dargetan sind. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Ansicht vertreten, für ein „Erwünschtsein“ im Sinne eines staatlichen Interesses an seiner Einbürgerung müsse ausreichen, dass er schon über 30 Jahre und damit sehr lange in Deutschland lebe und hier auf Dauer bleibeberechtigt sei. Zudem hätten seine Kinder sich ebenfalls hier niedergelassen, seien zum Teil schon lange eingebürgert und berufstätig, so dass sie als Steuerzahler zum Gemeinwohl beitrügen. Dies reicht - so erfreulich die Entwicklung der Kinder sicherlich ist - mit Blick auf den hier allein interessierenden Kläger zur Begründung eines staatlichen Interesses im vorbezeichneten Sinne nicht aus. Dass das Alter und ein langjähriger Aufenthalt im Inland einem Einbürgerungsbewerber im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG einbürgerungserleichternd zugute kommen können, vermag - wie ausgeführt - für sich genommen nicht automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu rechtfertigen, und kann auch im Zusammenspiel mit einer gelungenen Integration der Kinder ein solches Interesse nicht begründen. Denn § 8 Abs. 2 StAG enthält nach der gesetzlichen Konzeption einen Ausnahmetatbestand und setzt daher voraus, dass der konkrete Fall sich in einer spezifischen Weise von der in der Mehrzahl der Zuwandererfamilien zu beobachtenden Integration der Kinder in die hiesigen Verhältnisse - zusätzlich - positiv abhebt. Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Dem Beklagten ist mithin ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 2 StAG nicht eröffnet.

Wegen Fehlens diesbezüglicher tatsächlicher Anhaltspunkte und damit mangels Entscheidungsrelevanz bedarf keiner Entscheidung, ob - wie das Verwaltungsgericht annimmt - ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG auch bei besonderen Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers zu bejahen ist. Angemerkt sei lediglich, dass für eine solche Auslegung der Vorschrift die - wenngleich in anderem Zusammenhang verwendete - Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010 „zur Vermeidung einer Härte oder wegen anderweitiger Integrationsleistungen“(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O., juris-Rdnr. 36 (vgl. auch Rdnr. 39)) sprechen mag.

3. Nach alldem bleibt festzuhalten, dass dem Kläger weder auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 StAG noch des § 8 Abs. 2 StAG ein Anspruch darauf zusteht, dass der Beklagte erneut über sein Einbürgerungsbegehren entscheidet.

Die Berufung gegen das den diesbezüglich gestellten Hilfsantrag des Klägers abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts unterliegt daher der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.