Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 26. Aug. 2015 - 9 A 1434/14
Gericht
Tenor
Die Berufung wird zugelassen.
Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens bleibt der Entscheidung im Berufungsverfahren vorbehalten.
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G r ü n d e
2Der Antrag hat Erfolg.
3Die Berufung ist gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier der Fall.
4Die Antragsbegründung, auf deren Prüfung der Senat im Zulassungsverfahren beschränkt ist, begründet ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils jedenfalls in Bezug auf den in der hier maßgeblichen Gebührensatzung vom 1. Februar 2010 zur Entwässerungssatzung in der Fassung der III. Änderungssatzung vom 14. Dezember 2012 (GS) geregelten Gebührenmaßstab für die streitbefangenen Niederschlagswasserbeseitigungsgebühren.
5Nach § 4 Abs. 4 GS werden die in dieser Vorschrift geregelten Gebührensätze für die kanalwirksame Fläche je „angefangene 25 m2“ erhoben. Diese Regelung führt dazu, dass die Gebührenpflichtigen trotz nominal gleichen Gebührensatzes in Abhängigkeit von der jeweiligen Grundstücksgröße mit unterschiedlichen Gebühren pro m2 versiegelter Fläche belastet werden, wobei sich dies bei Grundstücken mit geringeren kanalwirksamen Flächengrößen wie typischerweise Ein- und Zweifamilienhäusern mit Garten stärker auswirkt als etwa bei gewerblich genutzten Grundstücken und – erst recht – bei den in der Verwaltungspraxis der Beklagten zu jeweils einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefassten Straßenflächen der Gemeinde, des Kreises und des Landes. So beträgt der durchschnittliche Gebührensatz pro m2 bei einem Grundstück mit 200 m2 kanalwirksamer Fläche bei dem für das Jahr 2007 geltenden Gebührensatz von 14,32 Euro/angefangene 25 m2 0,57 Euro/m2, während für ein Grundstück mit 201 m2 kanalwirksamer Fläche 0,64 Euro/m2 anfallen; die Differenz liegt bei 12 %. Bei Grundstücken von 500 m2 (wiederum 0,57 Euro/m2) und 501 m2 (0,60 Euro/m2) beträgt die Differenz immerhin noch 5,3 %.
6Ein sachlicher Grund für die darin zu sehende Ungleichbehandlung ist nicht erkennbar. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes bzw. des Grundsatzes der Abgabengerechtigkeit aufgrund von Typisierung und Pauschalierung können zwar – insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen – unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im jeweiligen Entsorgungsgebiet durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht.
7Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2012 - 9 A 2646/11 -, NWVBl. 2013, 259, zur Unzulässigkeit einer Bagatellregelung für nachweislich der Abwasseranlage nicht zugeführte Wassermengen.
8Dafür sind hier indessen rechtfertigende Gründe von ausreichendem Gewicht nicht ersichtlich. Die Beklagte hat die kanalwirksamen Grundstücksflächen konkret ermittelt und – mit Ausnahme lediglich der Straßenflächen – gerade nicht nur grob abgeschätzt. Bei dieser Sachlage entfiele bei m2-genauer Abrechnung sogar ein zwischengeschalteter Rechenschritt zur Ermittlung der sog. Bemessungseinheiten (angefangene 25 m2). Die für verschiedene Nutzergruppen sich faktisch ergebenden unterschiedlichen Gebührensätze sind in ihrer absoluten Höhe nicht völlig unbedeutend.
9Zur Unzulässigkeit von Auf- und Abrundungen rechnerisch ermittelter Gebührensätze vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2008 - 9 A 208/05 -, ZKF 2008, 187.
10Sie können bei kleineren Wohnhäusern durchaus im Bereich von immerhin über 10 Euro liegen.
11Ausreichend gewichtige verwaltungspraktische Schwierigkeiten, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Hinweis auf mögliche Änderungen der maßgeblichen Flächen auf dem Grundstück dürfte kaum verfangen, wenn – wie hier – die Flächen zunächst konkret ermittelt worden sind. Nachträglicher Ermittlungs- und sonstiger Verwaltungsaufwand kann dadurch in Grenzen gehalten werden, dass dem Grundstückseigentümer – wie hier in § 4 Abs. 3 GS bereits geregelt – die Pflicht auferlegt wird, Veränderungen der überbauten und/oder befestigten Fläche der Gemeinde anzuzeigen. Dass es im Falle derartiger nachträglicher Änderungen häufig zu Rechtsstreitigkeiten kommt, ist dem Senat in seiner Rechtsprechungspraxis bislang nicht bekannt geworden.
Annotations
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.