Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 28. Sept. 2017 - 6 A 107/16
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) sind erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladenen gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Vorbescheiden für vier Windenergieanlagen.
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Der Kläger ist Eigentümer des Wohngrundstücks A-Straße in A-Stadt (Flurstücke A und B), auf dem sich ein Wohnhaus befindet. Die zusammenhängende Bebauung an dem X Weg endet vor dem Grundstück des Antragstellers.
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Die Beigeladene zu 1) plant die Errichtung und den Betrieb von vier Windenergieanlagen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 5 „Windpark Y“ der Beigeladenen zu 2). Dabei handelt es sich um Anlagen des Typs Enercon E 101 mit einer Nabenhöhe von 99 m, einem Rotordurchmesser von 101 m und einer Nennleistung von 3,05 MW. Die geplanten Anlagen sollen dabei im Rahmen des sogenannten Repowering sechs bestehende Windenergieanlagen vom Typ Vestas V 47 ersetzen. Diese stehen im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit den geplanten Neuanlagen.
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Auf den Antrag vom 12. Februar 2015 wurden unter dem 21. Mai 2015 die Vorbescheide für die vier Windkraftanlagen erteilt. In den Bescheiden heißt es jeweils, dass Errichtung und Betrieb der Anlagen bauplanungsrechtlich zulässig seien. Die Gemeinde A-Stadt habe den Bebauungsplan Nr. 5, erste Änderung, am 10.04.2013 als Satzung beschlossen und am 16.05.2013 in den L...er Nachrichten öffentlich bekannt gemacht. Der B-Plan sei 17.05.2013 in Kraft getreten.
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Den Vorhaben stünden auch keine Umweltauswirkungen entgegen. Dies ergebe sich aus der Umweltverträglichkeitsstudie vom 06.06. 2013. Es seien auch keine unzumutbaren Schallimmissionen zu erwarten. Dies ergebe sich aus dem Gutachten vom 06.02.2013. Zusammenfassend sei festzustellen, dass aus bauplanungsrechtlicher und bauordnungsrechtlicher Sicht die Errichtung und der Betrieb der geplanten Windkraftanlage am vorgesehenen Standort zulässig sei. Es liege eine positive Gesamtbeurteilung vor, die Auswirkungen der geplanten Anlage hätten ausreichend beurteilt werden können. Etwaige Nebenbestimmungen zur Sicherstellung der Betreiberpflichten (etwa zur Abschaltautomatik) seien im nachfolgenden Genehmigungsverfahren zu erlassen.
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Vor Erlass des Bescheides wurde das Vorhaben öffentlich bekanntgemacht. Auf die öffentlichen Bekanntmachungen vom 11.11.2013 im Amtsblatt SH und vom 12.11.2013 in den L...er Nachrichten sowie auf der Internetseite „Genehmigungsvorhaben“ des Umweltministeriums am 11.11.2013 wird insoweit Bezug genommen. Außerdem wurde ein Erörterungstermin durchgeführt, und zwar am 22.05.2014 in Z. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
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Mit Urteil vom 16. Juli 2015 (Az. 1 KN 8/14) hat das OVG Schleswig die erste Änderung des B-Plans Nr. 5 (Windpark Y) für unwirksam erklärt. Zur Begründung heißt es, dass der Bebauungsplan verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei. Die Auslegungsbekanntmachung vom 12.12.2012 werde den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 1 BauGB nicht gerecht. In der Auslegungsbekanntmachung werde im Wesentlichen auf den Umweltbericht, auf die Bilanzierung der Eingriffe in Natur und Landschaft und auf die Umweltverträglichkeitsstudie verwiesen. Aus diesen Verweisen sei nicht zu entnehmen, welche Umweltbelange in den genannten Unterlagen inhaltlich thematisiert worden seien. Ein abstrakter Hinweis auf Unterlagen mit umweltbezogenen Inhalten sei unzureichend. Dieser Verfahrensfehler wirke sich auch aus und sei beachtlich (§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz BauGB).
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Bereits mit Schreiben vom 10. Juli 2015 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Vorbescheide vom 21. Mai 2015. Er macht geltend, dass die bereits bestehenden Windenergieanlagen eine Umzingelungswirkung hätten und durch ihre Nähe zum Wohnhaus des Klägers erhebliche Lärm- und Schattenbelastungen verursachten. Die Klagebefugnis ergebe sich außerdem aus der Fehlerhaftigkeit der Umweltverträglichkeitsprüfung.
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Der Widerspruch sei auch begründet. Der zugrundeliegende Bebauungsplan sei unwirksam. Deswegen sei den Vorbescheiden rückwirkend die notwendige Grundlage entzogen worden. Dies habe der Beklagte bei der Entscheidung über den Widerspruch zu berücksichtigen. Die Bescheide seien rechtswidrig und noch nicht bestandskräftig und deshalb von der Beklagten zurückzunehmen. Die Entscheidung des OVG wirke auch ex tunc. Außerdem sei die Umweltverträglichkeitsuntersuchung unzureichend. Die Öffentlichkeit der betroffenen Gemeinde Q sei nicht beteiligt worden, obwohl sich die streitbefangenen Anlagen unmittelbar auch in der Gemeinde Q auswirkten. In der Gemeinde Q sei der Öffentlichkeit nicht einmal bekannt, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Gebiet des gesamten Windparks stattgefunden habe. Dies stelle einen beachtlichen Verfahrensfehler dar. Im Übrigen habe die Untere Naturschutzbehörde in ihrer Stellungnahme vom 31.01.2014 festgestellt, dass die im Rahmen dieses Antrags zur Genehmigung vorgelegte Umweltverträglichkeitsstudie für das Gesamtgebiet des Windparks naturschutzfachlich als nicht ausreichend betrachtet werde. Der Beklagte gehe auch von einer falschen Gebietsqualifikation aus. Tatsächlich sei der X Weg ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil. Dieser sei als allgemeines Wohngebiet zu qualifizieren.
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Die Auswirkungen des Infraschalles seien unzureichend beurteilt worden. Aktuelle Untersuchungen würden belegen, dass ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung wegen besonderer Sensibilität gesundheitliche Schäden durch niederfrequenten Schall erleiden könne. Eine aktuelle Studie weise darauf hin, dass tieffrequenter Schall in der Windenergieanlage bis in einer Entfernung von 20 km messbar sei.
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Außerdem würden bezüglich der WKA 2 im Vorbescheid abweichende Standortkoordinaten genannt. Die Anlagen würden damit näher an die Wohnbebauung rücken (ca. 6 – 7 m).
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Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2016 zurück. Darin heißt es, dass der Kläger nicht durch Vorschriften verletzt sei, die drittschützende Wirkung hätten. Auch aus der Aufhebung des B-Plans könne ein Anspruch auf Aufhebung der Vorbescheide nur hergeleitet werden, wenn der Kläger in seinen eigenen subjektiv öffentlichen Rechten verletzt sei. Der Kläger könne sich auch nicht auf einen beachtlichen Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Umweltrechtsbehelfegesetz (UmwRG) berufen. Die von ihm vorgetragenen Belange würden keinen Individualbezug zu den Interessen des Klägers aufweisen. Individualkläger könnten einen Fehler der UVP nur dann erfolgreich rügen, wenn dieser auch negative Folgen für die eigenen Belange habe. Soweit der Kläger deshalb vortrage, dass die Öffentlichkeit in Q nicht beteiligt worden sei, sei dies unerheblich, da er in A-Stadt wohne. Dort sei die Öffentlichkeit ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Umweltverträglichkeitsstudie sei im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung auch ausgelegt worden.
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In der Schattenwurfprognose vom 15.05.2014 sei das Wohnhaus A-Straße als Immissionsort 28 betrachtet worden. Es sei festgestellt worden, dass teilweise Überschreitungen der Gesamtbelastung nicht ausgeschlossen werden können. Insofern könne aber durch die Aufnahme entsprechender Nebenbestimmungen bezüglich einer Abschaltautomatik sichergestellt werden, dass der Kläger vor Schattenwurf hinreichend geschützt sei.
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Auch das Schallgutachten komme zum Ergebnis, dass die Immissionsrichtwerte von 60 dB (A) bzw. 45 dB (A) eingehalten werden. Das Haus des Klägers sei auch als Immissionsort betrachtet worden. Der Gutachter sei auch zu Recht von einem Dorf- bzw. Mischgebiet ausgegangen.
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Die von Windenergieanlagen erzeugten Infraschallpegel würden deutlich unterhalb der Hör- und Wahrnehmungsgrenzen liegen. Nach heutigem Stand der Wissenschaft würden keine schädlichen Auswirkungen für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen bestehen. Aufgrund der großen Entfernung sei hier nichts anderes zu erwarten.
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Es liege auch keine optisch bedrängende Wirkung vor. Nach der Rechtsprechung sei ein Abstand vom Dreifachen der Anlagenhöhe einzuhalten. Dies sei hier der Fall. Das Wohnhaus liege mehr als 600 m entfernt. Auch aus einer Einzelfallbetrachtung ergäbe sich hier nichts Anderes.
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Die vorgebrachte Abweichung von 6 bis 7 m zwischen den Koordinaten in den Antragsunterlagen und in den Vorbescheiden habe keine relevanten Auswirkungen.
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Der Kläger hat am 06. Mai 2016 Klage erhoben. Er macht geltend, dass die Anlagen eine optisch bedrängende Wirkung hätten. Dabei sei insbesondere die Umzingelungswirkung nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die Beklagte lege auch § 4 UmwRG falsch aus. Unabhängig von einer subjektiven Rechtsbetroffenheit würden Fehler einen Aufhebungsanspruch rechtfertigen. Es seien bereits Fehler bei der Bekanntmachung gemacht worden. Die Bekanntmachung enthalte keinerlei Bezug zu den ausgelegten Unterlagen. Dies verstoße gegen § 9 Abs. 1 a Nr. 5 UVPG. Dieser Verstoß führe auch kausalitätsunabhängig zum Erfolg des Aufhebungsanspruchs. Die Bekanntmachung sei zentral für die Anstoßfunktion und Mängel seien deshalb generell geeignet, der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung zu nehmen.
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Es sei auch unstreitig, dass die Unterlagen nicht in Q ausgelegen hätten. Dies würde gegen § 9 Abs. 1 UVPG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 der 9. Bundesimmissionsschutzverordnung verstoßen. Jeder Fehler, der der Öffentlichkeit die Teilnahme an der Entscheidung erschwere oder unmöglich mache, sei ein absoluter Verfahrensfehler. Dies ergebe sich aus dem EuGH-Urteil vom 07.11.2013 (Altrip). Wesentliche Unterlagen seien zudem gar nicht öffentlich ausgelegt worden (Schattenwurf, Vogelzuggutachten).
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Ein klagebefugter Individualkläger könne unabhängig von den Maßstäben des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO Fehler der UVP rügen. Bei der Nichtauslegung in Q handele es sich um einen absoluten Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 UmwRG, denn die Öffentlichkeit sei hier überhaupt nicht beteiligt worden. Der betroffenen Öffentlichkeit in Q sei die Beteiligung völlig genommen worden. Dort seien die Auswirkungen auch besonders groß.
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Auch der Bekanntmachungsfehler sei maßgeblich. Insoweit sei das UVPG gemäß § 4 Satz 1 UVPG ergänzend anwendbar. Die §§ 8 ff. der 9. Bundesimmissionsschutzverordnung würden nicht den Anforderungen des UVPG entsprechen. Das Gericht könne auch nicht davon ausgehen, dass die Beteiligung der Betroffenen in Q nicht zu einer anderen Entscheidung geführt haben könnte, insbesondere nicht im Hinblick auf die kumulativen Schallimmissionen. Auch die Gutachten zur Verschattungssituation hätten nicht ausgelegen, weder in A-Stadt noch in Q. Die Ist-Situation sei in Q im Rahmen der UVP auch gar nicht untersucht worden. Im Übrigen halte man an dem Vortrag zur erdrückenden Wirkung und zur Umzingelungswirkung fest.
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Der Kläger beantragt,
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die Vorbescheide vom 21.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2016 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Ein Bekanntmachungsfehler liege nicht vor. Das UVPG sei nicht anwendbar, weil die 9. BImSchV abschließend sei. Auch die fehlende Auslegung in Q sei unbeachtlich, weil der Kläger nicht in Q wohne und daher individuell nicht betroffen sei. Im Übrigen wird auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
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Die Beigeladene zu 1) beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, dass es allein auf die Frage ankomme, ob der Kläger in seinen subjektiven Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO verletzt sei. Dies sei hier nicht der Fall. Gegen einen rechtsfehlerhaft und ohne hinreichende rechtliche Grundlage in einem Bebauungsplan erteilte Baugenehmigung könne sich ein Nachbar nur dann wenden, wenn er durch die Genehmigung zugleich in eigenen Rechten verletzt werden würde. Insofern komme es auf die Unwirksamkeit der ersten Änderung des B-Plans Nr. 5 nicht an. Entscheidend seien subjektive Rechtsverletzungen. Diese lägen nicht vor. Insbesondere sei das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt und es würden auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen vorliegen. Dies ergebe sich aus dem Abstand von über 600 m sowie dem Schallgutachten. Auch eine Umzingelungswirkung liege nicht vor. Die in nordwestlicher Richtung belegenen Anlagen würden nicht im Blickwinkel des Klägers liegen, weil die Sichtachse aufgrund der Bebauung in Nord-Süd-Richtung verlaufe und weil das Grundstück mit einer bis zu 10 m hohen Buchenhecke die Sicht auf einen Großteil der Windkraftanlagen verdecke.
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Durch die Installation einer Abschaltautomatik würden auch die Schattenwurfzeiten effektiv begrenzt werden können. Der Kläger sei auch keinen unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt. Dies ergebe sich aus dem Schallgutachten. Die maßgeblichen Richtwerte für Dorf- und Mischgebiete würden eingehalten werden. Das Grundstück des Klägers liege im Außenbereich und könne deshalb nicht denselben Schutz vor Lärmbelästigungen beanspruchen, wie ein Grundstück im reinen oder allgemeinen Wohngebiet.
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Eine Impulshaltigkeit könne allenfalls in Ausnahmefällen berücksichtigt werden, wenn der zu beurteilende Anlagentyp eine solche aufweise. Dies sei aber vorliegend weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
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Auch Infraschall verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Bereits ab einem Abstand von 250 m zur Windkraftanlage sei mit erheblichen Belästigungen durch Infraschall nicht mehr zu rechnen. Bei einer Entfernung von mehr als 600 m werde dies nicht einmal mehr ansatzweise diskutiert.
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Es seien auch keine beachtlichen Fehler in der UVP gemacht worden. Maßgeblich sei auch hier eine subjektive Rechtsverletzung. Dies ergebe sich aus dem Urteil des EuGH vom 15.10.2015. An einer individuellen Betroffenheit fehle es hier aber. Soweit die Öffentlichkeit in Q nicht beteiligt worden sei, betreffe dies nicht den Kläger. Er habe auch seine Rechte wahrgenommen. Er habe umfangreiche Einwendungen vorgetragen. Im Übrigen trage der Kläger lediglich vor, die Bekanntmachung sei zentral für die Anstoßfunktion und Mängel seien daher generell geeignet, der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der vorgesehenen Beteiligung zu nehmen. Allerdings habe das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Bekanntmachungsmängel nicht mit den absoluten Verfahrensfehlern vergleichbar seien. Der Bekanntmachungsfehler sei auch im Übrigen von seiner Art der Schwere nicht vergleichbar mit einem völligen Unterbleiben der erforderlichen Öffentlichkeitsbeteiligung.
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Im Übrigen würden mögliche Fehleinschätzungen im Bereich des materiellen Umweltrechts nicht unter § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UmwRG fallen (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 15.12.2015; vgl. auch VG Bayreuth, Urteil vom 24.11.2015).
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Die Beigeladene zu 2. beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie schließt sich den Ausführungen des Beklagten und der Beigeladene zu 1. an.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene zu 1. klargestellt, dass der streitbefangene Vorbescheidsantrag nur darauf gerichtet ist, die Genehmigungsfähigkeit der Windkraftanlagen nach § 6 Abs.1 Nr.2 BImSchG in bauplanungsrechtlicher und bauordnungsrechtlicher Hinsicht festzustellen. Insbesondere sollte die immissionsrechtliche Zulässigkeit gemäß § 6 Abs.1 Nr.1 BImSchG nicht Antragsgegenstand sein. Dazu hat die Beklagte erklärt, dass sie dies auch so verstanden und auch nur so beschieden habe.
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Der Berichterstatter hat am 13.09.2017 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen des Ergebnisses wird auf die darüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten und Beiakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Vorbescheide vom 21.05.2015 verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten.
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Zunächst ist klarzustellen, dass Streitgegenstand nicht die Verletzung immissionsschutzrechtlicher Vorschriften ist. Die Beigeladene zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass es bei den Vorbescheidsanträgen nicht um die immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr.1 BImSchG der Vorhaben geht, sondern nur um die Genehmigungsfähigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr.2 BImSchG in bauplanungsrechtlicher und bauordnungsrechtlicher Hinsicht. Insofern betrifft diese Entscheidung nicht die geltend gemachten Lärmimmissionen, den Infraschall oder den Schattenwurf.
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Der Kläger ist klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Danach ist die Klage zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist bereits dann der Fall, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen subjektiven Rechten verletzt ist.
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Dies ist hier der Fall. Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr.2 BImSchG ist im Zusammenhang mit dem bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot drittschützend. Das Gebot der Rücksichtnahme schützt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen. Eine besondere gesetzliche Normierung hat es in § 35 Abs.3 Satz 1 Nr.3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es betrifft aber auch Fälle, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen. Dazu zählen auch optisch bedrängende Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf benachbarte Grundstücke ausgehen (BVerwG, Beschluss vom 11.12.2016, Az. 4 B 72/06, juris, Rn 5).
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Bei einem Abstand von etwas über 600m von dem klägerischen Wohnhaus zu den geplanten Anlagen ist eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen, zumal in der näheren Umgebung eine Vielzahl von Windkraftanlagen stehen.
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Die Klage ist aber unbegründet. Die angefochtenen Vorbescheide verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger macht im Ergebnis ohne Erfolg eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in Hinblick auf eine optisch bedrängende Wirkung der in Frage stehenden Windkraftanlagen geltend.
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Für die Frage, ob das tatsächliche Maß des Zumutbaren im Hinblick auf die optische Wirkung einer Windenergieanlage überschritten ist, ist – wie der Kläger zutreffend ausführt – regelmäßig eine Einzelfallbetrachtung durchzuführen. Es haben sich jedoch in der Rechtsprechung Kriterien entwickelt, die als erste Anhaltspunkte herangezogen werden können. Regelmäßig kann davon ausgegangen werden, dass bei einem Abstand der Wohnbebauung von der Windenergieanlage, der das dreifache der Anlagenhöhe beträgt, die Einzelfallprüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine optisch bedrängende Wirkung nicht gegeben ist (VGH München, Beschluss vom 13.10.2015, Az: 22 ZB 15.1186, Juris Rn 36; OVG Münster, Urteil vom 09.08.2006, Az: 8 A 3726/05, Juris Rn 91). Hintergrund ist, dass bei diesen Abständen sowohl die Rotorbewegung als auch die Wirkung des Baukörpers soweit in den Hintergrund treten, dass ihnen keine beherrschende Dominanz mehr zugeschrieben werden kann und es möglich ist, dem Anblick der Windenergieanlage auszuweichen.
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Im vorliegenden Fall haben die in Frage stehenden Anlagen eine Gesamthöhe von 150 Metern. Bereits bei einem Abstand von 450 Metern zum Wohnhaus des Klägers wäre in der Regel eine bedrängende Wirkung der Windkraftanlage nicht gegeben. Vorliegend beträgt die Entfernung sogar mehr als 600 Meter.
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Der Kläger hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die im Einzelfall hier eine andere Bewertung rechtfertigen. Insbesondere kann nicht von einer Umzingelungswirkung gesprochen werden. Zwar ist es richtig, dass sich im Sichtbereich des Wohnhauses viele Windkraftanlagen befinden. Beim Ortstermin am 13.09.2017 hat sich ergeben, dass von einer Rasenfläche hinter dem Wohnhaus einige Windkraftanlagen sichtbar sind. Allerdings ist insoweit die konkrete Landschafts- und Bebauungssituation zu berücksichtigen. Unmittelbar hinter der Rasenfläche befindet sich eine ca. 2 Meter hohe, dicht bewachsene Hecke. Außerdem befinden sich diverse Bäume und Büsche an der Grundstücksgrenze, die den Blick auf die Windenergieanlagen zum Teil versperren und der Annahme einer bedrängenden Wirkung bzw. Umzingelungswirkung entgegenstehen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Rasenfläche nicht um einen besonders geschützten Wohnbereich handelt. Dies gilt auch für den angrenzenden Wintergarten. Eine Sichtbarkeit mit Bedrängungswirkung ist nicht ersichtlich. Die Anlagen sind aus dem Wintergarten deutlich weniger sichtbar als von der Rasenfläche. Wenn schon von der Rasenfläche aus keine bedrängende Wirkung festzustellen ist, dann gilt dies erst Recht für den Blick aus dem Wintergarten.
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Auch im Übrigen ist eine Umzingelungswirkung nicht gegeben. Vom Innenhof des Hauses des Klägers sind in südlicher und süd-östlicher Richtung keine Windkraftanlagen sichtbar bzw. durch einen direkt an das Wohnhaus angrenzenden Geräteschuppen versperrt. Hinter dem Schuppen befindet sich eine ehemals zur Schweinemast verwendete Fläche, die derzeit als Holzlager für das Wohnhaus des Klägers verwendet wird. Soweit von hier aus hinter den Bäumen Windkraftanlagen sichtbar sind, haben diese keine umzingelnde Wirkung. Im Übrigen entfaltet sich von dieser Fläche aus ohnehin keine Schutzwirkung, weil gearbeitet und nicht gewohnt wird.
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Auch aus dem Wohnzimmer im Erdgeschoss des Hauses, dessen Fenster in südlicher Richtung liegen, ist keine Windkraftanlage zu sehen. Lediglich, wenn man sehr nahe an das Fenster herantritt, werden zwei bis drei Windkraftanlagen sichtbar, die aber zum Teil durch die Scheune verdeckt werden. Von einer Umzingelungswirkung kann keine Rede sein. Dies gilt auch für das Obergeschoss des Hauses, in dem der Kläger gerade ein Zimmer für seinen Neffen vorbereitet, das Ende 2018/Anfang 2019 fertig sein soll. Zwar sind aus diesem Zimmer ca. 16 Anlagen sichtbar. Ein Gefühl des Umzingeltseins ergibt sich aber auch aus diesem Zimmer bei dem Blick aus dem Fenster nicht. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es in den Verantwortungsbereich des Klägers fällt, gerade dieses Zimmer auszubauen. Sollte von einer Umzingelungswirkung gesprochen werden können – was nicht der Fall ist – obliegt es dem Kläger, Vorkehrungen zu treffen, um optische Auswirkungen von Windkraftanlagen zu minimieren. Es ist nämlich die planungsrechtliche Lage des Wohnhauses des Klägers zu berücksichtigen. Wer im Außenbereich wohnt, muss grundsätzlich mit der Errichtung von in diesem Bereich privilegierten Energieanlagen und ihren optischen Auswirkungen rechnen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 06.08.2002, Az: 10 B 939/02). Der Schutzanspruch entfällt zwar nicht im Außenbereich, jedoch vermindert er sich dahin, dass den Betroffenen eher Maßnahmen zumutbar sind, durch die er den Wirkungen der Windkraftanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 03.09.1999, Az: 10 B 1283/99). Insofern kann die Herrichtung eines Aufenthaltsraumes mit Blick auf viele Windkraftanlagen keinen Abwehranspruch gegen die Windkraftanlagen zur Folge haben.
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Die Klage hat auch nicht deshalb Erfolg, weil der für die Erteilung der Vorbescheide zugrundeliegende Bebauungsplan für unwirksam erklärt wurde. Zwar ist es richtig, dass das OVG Schleswig mit Urteil vom 16.07.2015 (Az. 1 KN 8/14) die erste Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 – Windpark Y „südlich der Ortschaften S sowie südlich der Landstraße L …“ – für unwirksam erklärt hat. Dieses Urteil ist auch rechtskräftig geworden. Insoweit fehlt es den Vorbescheiden – mittlerweile – an einer Rechtsgrundlage und die Vorbescheide erweisen sich objektiv – rechtlich mittlerweile als rechtswidrig. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine Drittanfechtungsklage nicht alleine deshalb Erfolg hat, weil der dem Bescheid zugrundeliegende Bebauungsplan für unwirksam erklärt wurde. Entscheidend ist vielmehr, ob der Dritte subjektiv – rechtliche Abwehransprüche geltend machen kann (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 16.07.2015, Az. 1 KN 8/14; Beschluss des OVG Münster, 02.05.2013, Az. 2 B 1010/13, juris, Rn 9; BVerwG, Beschluss vom 28.07.1994, Az. 4 B 94/94, juris, Rn 4).
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Eine solche subjektive Rechtsverletzung liegt aber nicht vor. Dabei ist auch in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften nach § 6 Abs. 1 Nr.1 iVm § 5 BImSchG nicht Streitgegenstand sind (siehe oben). Insbesondere kann sich der Kläger in diesem Verfahren deshalb nicht auf Lärm, Infraschall oder Schattenwurf berufen. Dies ist Gegenstand des weiteren Genehmigungsverfahrens. Er kann sich aber auch nicht auf eine optisch bedrängende Wirkung der Windkraftanlagen berufen (siehe oben).
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Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Zwar besteht ein möglicher Aufhebungsanspruch des Klägers aus § 6 Abs.1 Nr.2 BImSchG iVm § 4 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a Umweltrechtsbehelfegesetz (UmwRG) unabhängig von einer Verletzung subjektiver Rechte. Dies ergibt sich aus folgendem:
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§ 4 Abs. 1 UVPG ist mit Blick auf Art. 11 Abs. 1 UVP-RL (Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.09.2011 über die UVP bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, Abl. EU L 26 vom 28.01.2012, S. 1; zum Zeitpunkt der Schaffung des UmwRG noch Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. EG L 175 vom 05.07.1985, S. 40) in der Fassung, die diese durch die Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 (Abl. EU L 156 vom 25.06.2003, S. 17) erhalten hat) geschaffen worden (BTDrucks. 16/2494, S. 14).
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Dieser regelt unter anderem, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass innerstaatlich die Voraussetzungen gegeben sind, um auch die „verfahrensrechtliche Rechtsmäßigkeit“ von Zulassungsentscheidungen betreffend UVP-pflichtiger Vorhaben einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen. Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund mit § 4 Abs. 1 UmwRG eine Fehlerfolgenregelung normiert, nach der die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Verfahrensfehler im Rahmen der Begründetheit beachtlich sind, unabhängig davon, „ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung subjektiver Rechte dienen und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflussen können“ (BVerwG, Urteil vom 20.12.2011, Az. 9 A 30.10, juris Rn. 21; Urteil vom 02.10.2013, Az. 9 A 23/12, Rn. 21; vgl. auch BVerwG Urteil vom 17.12.2013, Az. 4 A 1/13, juris Rn. 41; Urteil vom 18.12.2014, Az. 4 C 36/13, juris Rn. 34). Diese Fehlerfolgenregelung ist zwar in erster Linie mit Blick auf die umweltrechtliche Verbandsklage entwickelt worden, gilt jedoch gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG entsprechend für Beteiligte im Sinne des § 61 Nr. 1 und 2 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.12.2011, Az. 9 A 30.10, juris Rn. 22; Urteil vom 17.12.2013, Az. 4 A 1/13, juris Rn. 41; Urteil vom 18.12.2014, Az. 4 C 36/13, juris Rn. 34; BVerwG, Urteil vom 22.10.2015, Az. 7 C 15/13, juris Rn. 23). Insoweit können die von § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Verfahrensfehler„unabhängig von den sonst nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geltenden einschränkenden Maßgaben zur Begründetheit der Klage führen“ (BVerwG, Urteil vom 20.12.2011, Az. 9 A 30.10, juris Rn. 22; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 02.10.2013, Az. 9 A 23/12, Rn. 21; Urteil vom 17.12.2013, Az. 4 A 1/13, juris Rn. 41; Urteil vom 18.12.2014, Az. 4 C 36/13, juris Rn. 34; BVerwG, Urteil vom 22.10.2015, Az. 7 C 15/13, juris Rn. 23). Daraus folgt im Ergebnis, dass Beteiligte in Sinne des § 61 Nr. 1 und 2 VwGO die Aufhebung einer Genehmigungsentscheidung, die unter Verletzung der sich aus dem UVPG ergebenden Verfahrensvorschriften ergangen ist, beanspruchen können, unabhängig davon, ob sie durch diese Entscheidung in eigenen Rechten verletzt werden und ob der Fehler das Ergebnis der Entscheidung beeinflusst hat (vgl. i.E. BVerwG, Urteil vom 22.10.2015, Az. 7 C 15/13, juris Rn. 23; Urteil vom 18.12.2014, Az. 4 C 36/13, juris Rn. 34; Urteil vom 02.10.2013, Az. 9 A 23/12, juris Rn. 21; Urteil vom 17.12.2013, Az. 4 A 1/13, juris Rn. 41).
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Maßgeblich ist insofern lediglich, dass der Kläger klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO ist. Sofern diese Voraussetzung erfüllt ist (wie hier, siehe oben), sind etwaige Verfahrensfehler unabhängig von der „Verletzung in eigenen Rechten“ im Sinne des § 113 Abs. I Satz 1 VwGO zu erörtern.
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Trotzdem führt dies nicht zum Erfolg der Klage. Zwar ist es richtig, dass ein Verfahrensfehler dadurch vorliegt, dass die erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung in Q nicht durchgeführt wurde. Die öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens erfolgte unter „Kreis R, Gemeinde A-Stadt“. An einer amtlichen Bekanntmachung bezogen auf die Gemeinde Q fehlt es. Auch der Umstand, dass die amtliche Bekanntmachung im Internet veröffentlicht wurde, ändert an dem Bekanntmachungsfehler nichts. Es war nicht gewährleistet, dass sich auch Einwohner der Gemeinde Q von dieser amtlichen Bekanntmachung angesprochen fühlten, weil sich die amtliche Bekanntmachung nach dem Text allein auf „Kreis R, Gemeinde A-Stadt“ bezog.
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Dieser Fehler ist auch beachtlich, weil das Vorhaben ausweichlich der Umweltverträglichkeitsstudie vom 06.06.2013 Auswirkungen auf das Gebiet der Gemeinde Q hat. Dies ergibt sich insbesondere schon aus der Einleitung der Studie, in der es heißt, dass es sich bei dem gemeindeübergreifenden Eignungsgebiet für Windenergieanlagen in den Gemeinden S, Q und A-Stadt sich um eine Windfarm handelt. Unter Ziffer A.3. heißt es, dass es sich um ein „kumulierendes Vorhaben“ nach § 3 b UVPG in diesen drei Gemeinden handelt. In der Studie wird auch im Folgenden immer wieder Q benannt und in die Untersuchungen mit einbezogen.
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Auch der Beklagte bestreitet im Übrigen nicht, dass eine amtliche Bekanntmachung bezogen auf die Gemeinde Q hätte erfolgen müssen.
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Dieser Fehler führt aber nicht zu einem Aufhebungsanspruch des Klägers. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Verfahrensfehler nach § 4 Abs.1 Ziffer 2 UmwRG. Danach kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 2 b verlangt werden, wenn eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 UVPG oder im Sinne von § 10 BImSchG weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Umstand, dass die Öffentlichkeit in der Gemeinde Q nicht beteiligt wurde, führt nicht zu der Annahme, dass eine Öffentlichkeitsbeteiligung „weder durchgeführt noch nachgeholt“ wurde. Vielmehr hat eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden, wobei allerdings nur ein Teil der betroffenen Öffentlichkeit beteiligt wurde. Insofern ist die Öffentlichkeitsbeteiligung zwar fehlerhaft erfolgt, aber nicht vollständig unterblieben. Nur das vollständige Fehlen einer Öffentlichkeitsbeteiligung würde aber die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG erfüllen. Dies ergibt sich auch daraus, dass auch ein Fehler nach § 4 Abs. 1 Ziffer 1 UmwRG nur vorliegt, wenn die danach erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung vollständig fehlt. Insofern hat das OVG Schleswig auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass dies auch der Gesetzesbegründung (BT- Drucksache 16/2495, Seite 14) entspreche (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 09.07.2010, Az. 1 MB 12/10, juris Rn 6).
- 61
Wenn aber nur das vollständige Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung die Annahme eines Fehlers im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziffer 1 UmwRG rechtfertigt, muss dies wegen des gleichen Wortlauts („weder durchgeführt noch nachgeholt“) auch für § 4 Abs. 1 Ziffer 2 UmwRG gelten.
- 62
Allerdings liegt ein Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Ziffer 3 UmwRG vor. Voraussetzung danach ist, dass ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der a) nicht geheilt worden ist, b) nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und c) der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
- 63
Die Voraussetzung der Ziffer c) liegt vor, weil einem Teil der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wurde. Dies folgt daraus, dass bezogen auf die Gemeinde Q keine amtliche Bekanntmachung erfolgte und den Einwohnern dieser Gemeinde die Möglichkeit der Beteiligung genommen wurde (siehe oben). Dieser Fehler ist auch nicht geheilt worden (Ziffer a) und auch seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar (Ziffer b). Die Nichtdurchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung in einer Gemeinde, die von den Auswirkungen des Vorhabens betroffen ist, wiegt schwer. Es ist davon auszugehen, dass die Nichtbekanntmachung des Vorhabens in der Gemeinde Q Betroffene und Einwohner davon abgehalten hat, Einwendungen zu erheben. Insofern ist nicht auszuschließen, dass eine Vielzahl von Gesichtspunkten der in diesem Gebiet betroffenen Einwohner nicht geltend gemacht worden sind und somit nicht berücksichtigt werden konnten. Dadurch leidet das gesamte Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren an einem erheblichen Fehler, der gravierende Auswirkungen auf die Berücksichtigung von Einwendungen hat und insoweit vergleichbar ist mit einer unterbliebenen Öffentlichkeitsbeteiligung.
- 64
Allerdings führt dieser Verfahrensfehler nicht zu einem Aufhebungsanspruch. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 3 letzter Satz UmwRG. Darin heißt es, dass auf Rechtsbehelfe von Personen und Vereinigungen nach Satz 1 Nr. 1 der Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Aufhebung einer Entscheidung nur verlangt werden kann, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat.
- 65
Diese (Ausschluss-) Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Kläger wohnt nicht in der Gemeinde Q, sondern in der Gemeinde A-Stadt. Hier wurde die Öffentlichkeit beteiligt. Insofern ist dem Kläger nicht die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen worden. Er hat die Beteiligung auch genutzt und intensiv am Entscheidungsprozess teilgenommen.
- 66
Ausweislich der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass durch diese Vorschrift sichergestellt werden soll, dass nur derjenige die Aufhebung einer Entscheidung verlangen kann, dem selbst die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wurde. Nicht ausreichend ist, wenn lediglich einem anderen Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wurde (vgl. BT-Drucksache 18/5927, Seite 10/11).
- 67
Diese einschränkende Vorschrift ist auch nicht europarechtswidrig. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15.10.2015 ergibt sich, dass es dem nationalen Gesetzgeber frei steht, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinne von Artikel 11 der Richtlinie 2011/92 geltend machen kann, auf subjektive Rechte zu beschränken. Von dieser Beschränkung werden nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur Umweltverbände ausgenommen (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15.10.2015, Az. C-137/14, DVBl. 2015, Seite 1514, 1517; juris, Rn 91). Es besteht deshalb für die erkennende Kammer kein Grund, die Anwendung des § 4 Abs. 3 letzter Satz UmwRG dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.
- 68
Selbst wenn man hier das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Ziffer 3 UmwRG nicht annehmen sollte, etwa in Hinblick auf Ziffer b (nicht nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar), ergibt sich kein anderes Ergebnis. Der Verfahrensfehler müsste dann nach § 4 Abs.1 a) UmwRG beurteilt werden. Auch diesbezüglich wäre aber die einschränkende Regelung des § 4 Abs. 3 letzter Satz UmwRG anwendbar. Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Wortlaut, weil dort ausdrücklich nur der Abs. 1 Satz 1 Nr.3 UmwRG als Anwendungsbereich genannt wird, nicht aber Absatz 1a. Allerdings ist die genannte einschränkende Vorschrift aus § 4 Abs. 3 letzter Satz UmwRG nach dem Argument des Erst-Recht-Schlusses auch hier anzuwenden. Es wäre ein Wertungswiderspruch, diese einschränkende Bestimmung für einen absoluten Verfahrensfehler nach § 4 Abs.1 Nr. 3 UmwRG anzuwenden, nicht aber auf einen nur relativen Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 a UmwRG. Wenn schon der Rechtsschutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 (absoluter Fehler) mit der genannten Einschränkung versehen ist, muss dies erst Recht auch für einen relativen Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 a UmwRG gelten. Relative Fehler einer Umweltverträglichkeitsprüfung führen insofern nur dann zu einem Aufhebungsanspruch, wenn sie sich beeinträchtigend auf eine materiell-rechtliche Rechtsposition des Rechtsbehelfsführers auswirken (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.11.2016, Az. 12 ME 132/16, juris, Rn 62).
- 69
Weitere Verfahrensfehler liegen nicht vor. Insbesondere ist es nicht verfahrensfehlerhaft, dass in der Bekanntmachung nicht auf die einzelnen Unterlagen der Umweltverträglichkeitsprüfung hingewiesen wurde. Insoweit liegt schon kein Fehler vor. Zwar ist es richtig, dass entgegen § 9 Abs. 1 a Nr. 5 UVPG alte Fassung (entspricht §19 Abs. 1 Nr. 5 und 6 UVPG geltende Fassung) eine Angabe zu den vorgelegten Unterlagen in der amtlichen Bekanntmachung fehlte. Allerdings ist das UVPG vorliegend nicht anwendbar, weil es durch die 9. Bundesimmissionsschutzverordnung verdrängt wird. Nach § 1 Abs. 2 der 9. Bundesimmissionsschutzverordnung ist das UVP-Verfahren ein unselbständiger Teil des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Die erkennende Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.09.2016, Az. 7 C 1/15, juris). Dort heißt es, dass die 9. Bundesimmissionsschutzverordnung abschließende Regelungen über die in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung enthält. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die UVP-Richtlinie hinsichtlich des hier in Rede stehenden Verfahrensrechts im deutschen Recht unzureichend umgesetzt sei. Europarechtlichen Bedenken gäbe es nicht (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn 14 f.). Darüber hinaus sind die Vorschriften des UVPG auch nicht ergänzend anwendbar (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 25.07.2017, Az. 8 B 10987/17, juris, Rn 6).
- 70
Nach der 9. Bundesimmissionsschutzverordnung liegt aber ein Bekanntmachungsfehler nicht vor. Einschlägig ist insoweit § 9. Danach muss die Bekanntmachung neben den Angaben nach § 10 Abs. 4 BImSchG die in § 3 bezeichneten Angaben und den Hinweis auf die Auslegungs- und Einwendungsfrist unter Angabe des jeweils ersten und letzten Tages enthalten. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. In der amtlichen Bekanntmachung wurde auch von dem Kläger insoweit kein Fehler nach diesen Vorschriften gerügt.
- 71
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, weil die Beigeladenen einen eigenen Antrag gestellt und sich dadurch am Kostenrisiko beteiligt haben (vgl. § 154 Abs.3 VwGO in Verbindung mit § 162 Abs. 3 VwGO).
- 72
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten folgt aus § 708 Nr. 11 in Verbindung mit § 711 ZPO bzw. § 709 ZPO (jeweils in Verbindung mit § 167 Abs. 2 VwGO).
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Urteil einreichenSchleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 28. Sept. 2017 - 6 A 107/16 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).
Tenor
Der Bebauungsplan zur 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 - Windpark Großenholz „südlich der Ortschaften Gosdorf sowie südöstlich der Landesstraße L 231“ - wird für unwirksam erklärt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene je zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Kostenschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Antragsteller vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Antragsteller wendet sich gegen die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 der Antragsgegnerin (Windpark Großenholz südwestlich der Ortschaft Gosdorf sowie südöstlich der Landesstraße L 231).
- 2
Er ist Eigentümer des Wohngrundstücks … (Flurstücke … und …), auf dem sich - in Alleinlage im Außenbereich - ein Wohnhaus befindet. Die zusammenhängende Bebauung an dem - von der Bäderstraße (L 231) in der Dorfmitte von Gosdorf abzweigenden - … endet „vor“ dem Grundstück des Antragstellers.
- 3
….(Karte)
- 4
Das Haus des Antragstellers steht in ca. 600 m Abstand zur Grenze des angegriffenen Bebauungsplans, in dessen Plangebiet bereits sechs Windenergieanlagen errichtet worden sind. Das ist auf der Grundlage des (vorherigen) Bebauungsplanes Nr. 5 erfolgt, der acht Flächen für Versorgungsanlagen mit der Zweckbestimmung Elektrizität - Windkraft - festsetzte. Die festgesetzte maximale Höhe der Anlagen sollte danach 100 m, die Nabenhöhe 60 m bis 75 m und der Rotordurchmesser 47 m bis 70 m betragen.
- 5
Die Antragsgegnerin verfolgt mit der angegriffenen 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 das Ziel, sechs bestehende Windenergieanlagen durch vier leistungsstärkere und höhere Windenergieanlagen zu ersetzen. Dazu sollen die bestehenden Anlagen zurückgebaut und durch neue Anlagen ersetzt werden.
- 6
Im Anschluss an den Beschluss über die Aufstellung des angegriffenen Änderungsbebauungsplanes am 22. März 2012 wurde der Planentwurf ausgelegt. Die Auslegungsbekanntmachung vom 12.12.2012 hatte folgenden Wortlaut:
- 7
„Folgende umweltrelevante Informationen sind verfügbar:
- 8
- Begründung mit Umweltbericht
- 9
- Fachgutachten Fledermäuse
- 10
- Fachgutachten Vögel
- 11
- Bilanzierung der Eingriffe in Natur und Landschaft
- 12
- Artenschutzrechtliche Prüfung gem. § 44 BNatSchG
- 13
- Umweltverträglichkeitsstudie
- 14
- Stellungnahme der AG29, Arbeitsgemeinschaft der anerkannten Naturschutzverbände in Schleswig-Holstein vom 06.09.2012
- 15
- Stellungnahme des NABU, Landesverband Schleswig-Holstein vom 29.08.2012
- 16
- Stellungnahme des BUND Ostholstein vom 10.08.2012.“
- 17
Der Antragsteller hat gegen den Planentwurf am 02.02.2013 Einwendungen erhoben. Die Antragsgegnerin ist diesen Einwendungen nicht gefolgt und hat den Änderungsbebauungsplan als Satzung beschlossen. Die Bekanntmachung der Satzung über den Änderungsbebauungsplan erfolgte am 16. Mai 2013.
- 18
In dem Bebauungsplan wird die Gesamthöhe der geplanten vier Windenergieanlagen auf 150 m begrenzt. Die Leistung der neuen Anlagen soll auf 2 bis 3,4 MW pro Anlage steigen. Die Grundnutzung des gesamten Geltungsbereichs im Änderungsplan ist als Fläche für die Landwirtschaft mit der Zusatznutzung „erneuerbare Energien“ (Windkraft) festgesetzt.
- 19
Der Abstand zwischen dem Haus des Antragstellers und den im Bebauungsplan vorgesehenen Standorten den neuen Windenergieanlagen an den Standorten 1 und 4 beträgt ca. 640 m. Die nächstgelegene zusammenhängende Bebauung der Ortslage Riepsdorf ist ca. 700 m von den Anlagenstandorten entfernt.
- 20
Für die im Plan vorgesehenen neuen Anlagen sind anschließend Genehmigungsanträge gestellt worden. Die zuständige Behörde (LLUR) hat am 21.05.2015 immissionsschutzrechtliche Vorbescheide erteilt, gegen die der Antragsteller Widerspruch eingelegt hat.
- 21
Am 14.05.2014 hat der Antragsteller gegen den Änderungsbebauungsplan einen Normenkontrollantrag gestellt.
- 22
Er ist der Ansicht, seine Antragsbefugnis ergebe sich aus der „erdrückenden“ Wirkung der vorgesehenen Windkraftanlagen und der zu erwartenden Schattenwurfbelastung. Mit einer solchen Belastung sei an 180 Tagen pro Jahr zu rechnen. Weiter würden die maßgeblichen Lärmgrenzwerte unter Berücksichtigung der Impulshaltigkeit der Belastung überschritten. Sein Rechtschutzbedürfnis sei gegeben, weil im Falle des Erfolges seines Normenkontrollantrages auf der Grundlage des vorherigen Bebauungsplans nur Anlagen mit 100 m Gesamthöhe errichtet werden dürften.
- 23
Der angegriffene Bebauungsplan sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die ausgelegten Unterlagen hätten wegen eines fehlerhaften „Maßstabsbalkens“ die notwendige Anstoßwirkung verfehlt, weil dadurch ein falscher Eindruck zu den Abständen entstanden sei. Weiter seien in der Auslegungsbekanntmachung die Umweltbelange nur unzureichend benannt worden; es fehlten Angaben zu Lärm- und Verschattungsuntersuchungen, ferner Angaben zum Schutzgut Landschaft, zum Bodenschutz oder zu Wasserbelangen. Ein pauschaler Hinweis auf den Umweltbericht genüge nicht. Die Anstoßwirkung sei auch in räumlicher Hinsicht verfehlt worden, weil das Plangebiet fehlerhaft bezeichnet worden sei, indem die - im Bereich des Bebauungsplans Nr. 7 gelegene - Ortschaft Schwienkuhl mit angegeben worden sei. Schließlich sei die Auslegung nicht auch in der Gemeinde Grömitz erfolgt, obwohl auch dort Einwirkungen nicht auszuschließen seien. Eine Beteiligung der Gemeinde Kabelhorst habe entgegen § 2 Abs. 2 BauGB nicht stattgefunden.
- 24
Der Bebauungsplan verstoße auch gegen Ziele der Raumordnung, weil der im Plan festgesetzte Standort 1 (einschließlich des Rotors) nicht vollständig innerhalb der Eignungsfläche für Windenergie liege. Die Standorte der im Plan vorgesehenen Windenergieanlagen seien mit der Teilfortschreibung des Raumordnungsplanes 2012 nicht vereinbar. Insoweit verstoße der Plan gegen § 1 Abs. 4 BauGB.
- 25
Die planerischen Festsetzungen seien nicht realisierbar, weil der Errichtung der Windkraftanlagen die nach § 18 a LuftVG zu beachtende Luftsicherheit entgegenstehe.
- 26
Der Umweltbericht zum angegriffenen Plan enthalte keine Alternativenbetrachtung, insbesondere zu dem Vorschlag, statt der jeweils 150 m hohen Anlagen neue Anlagen mit 100 m Höhe zu verwirklichen.
- 27
Die Abwägung sei fehlerhaft. Die Planung halte einen Mindestabstand von 800 m von Siedlungen in weiten Bereichen nicht ein. Unberücksichtigt geblieben sei auch eine optisch bedrängende Wirkung; im Blickfeld des Antragstellers und der Anwohner am … lägen 37 Windkraftanlagen, davon eine große Anzahl in weniger als 1000 m Entfernung. Die Horizontbelastung reiche von Süden bis Nordwesten (135 Grad), wodurch ein Umzingelungseffekt entstehe. Die vier neuen 150 m Anlagen würden die Belastung auf ein unerträgliches Maß steigern. Die Störwirkung werde aufgrund der größeren Rotorfläche der neuen Anlagen verstärkt. Eine gerechte Abwägung zum Lärm sei nicht erfolgt, weder eine Vorbelastungsmessung noch eine Schallprognose seien vorgelegt worden. Auch insoweit sei der Umweltbericht fehlerhaft. Bei der Lärmberechnung seien zu Unrecht keine Zuschläge für Impulshaltigkeit berücksichtigt worden; geschähe dies, würden die Richtwerte deutlich überschritten. Die Schutzwürdigkeit der Siedlungs- und Wohngebiete in der Plannachbarschaft seien falsch bewertet worden. Die Bebauung am … sei als reines Wohngebiet einzustufen und nicht - wie geschehen - als Dorfgebiet. Landwirtschaftliche Betriebe in diesem Bereich gebe es seit fast 30 Jahren nicht mehr. Die Gesamtbelastung nach Durchführung der Planung werde oberhalb der Orientierungswerte der DIN 18005 liegen, so dass die Realisierungsfähigkeit des Bebauungsplanes auch in dieser Hinsicht fraglich sei. Auch hinsichtlich der Verschattungswirkungen sei unberücksichtigt geblieben, dass die Vorbelastung bereits jetzt zu hoch sei. Eine Abschaltautomatik allein bei den neuen Anlagen könne die Einhaltung der Grenzwerte nicht sichern.
- 28
Durch die - inzwischen ergangenen - immissionsschutzrechtlichen Vorbescheide vom 21.05.2015 sei das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen, da diese Vorbescheide angegriffen würden.
- 29
Der Antragsteller beantragt,
- 30
den Bebauungsplan zur 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 WP Großenholz „südlich der Ortschaften Gosdorf sowie südöstlich der Landesstraße L 231“ für unwirksam zu erklären.
- 31
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,
- 32
den Normenkontrollantrag abzulehnen.
- 33
Die Antragsgegnerin hält den Normenkontrollantrag für unzulässig. Dem Antragsteller fehle – insbesondere – das Rechtsschutzbedürfnis. Für einen Erfolg seiner Widersprüche gegen die Genehmigung der neuen Windkraftanlagen im Plangebiet komme es auf die Wirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans nicht an.
- 34
Die Beigeladene hält den Normenkontrollantrag ebenfalls für unzulässig. Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt. Eine erdrückende Wirkung der Windkraftanlagen sei im Hinblick auf die Abstände im Umfang von mehr als dem vierfachen der Anlagenhöhe ersichtlich ausgeschlossen. Die zulässigen Lärmrichtwerte würden nicht überschritten; ein Impulszuschlag sei nicht anzusetzen. Für das Außenbereichsgrundstück des Antragstellers sei der Schutz nur nach den Richtwerten für Mischgebiete zu bestimmen. Hinsichtlich des Schattenwurfs würden die Richtwerte ebenfalls eingehalten. Abgesehen von der vorgesehenen Abschaltautomatik könne die Konfliktlösung auf das nachfolgende Genehmigungsverfahren verlagert werden.
- 35
Dem Antragsteller fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil er durch einen Erfolg des Normenkontrollantrags seine Rechtsposition im Hinblick auf seinen Widerspruch gegen die Genehmigung der neuen Windkraftanlagen nicht verbessern könne.
- 36
Unabhängig davon sei der Normenkontrollantrag unbegründet. Die Auslegung des Planentwurfs sei fehlerfrei erfolgt. Eine fehlerhafte „Maßstabsleiste“ sei insoweit unerheblich. Die Auslegungsbekanntmachung erfülle auch hinsichtlich der Umweltinformationen die gesetzlichen Anforderungen. Soweit die Auslegungsbekanntmachung im Hinblick auf § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB für unzureichend gehalten werde, sei dies gemäß § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB unbeachtlich, weil nur der Hinweis auf ein einziges der in § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB genannten Schutzgüter fehle und im Übrigen Angaben zu den Arten umweltbezogener Informationen weder unvollständig seien noch in überwiegender Zahl fehlten. Eine Aufzählung sämtlicher betroffener Belange sei zur Vermeidung einer Überfrachtung mit Informationen nicht geboten. Das Plangebiet sei in der Auslegungsbekanntmachung hinreichend genau bezeichnet worden. Ein Ergänzungsverfahren habe nicht stattgefunden.
- 37
Der Bebauungsplan sei materiell rechtmäßig. Derzeit könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Realisierung des Bebauungsplanes an § 18 a Abs. 1 LuftVG scheitern werde. Im Umweltbericht habe nicht jegliche Alternativenlösung, wie etwa die Errichtung von neuen 100 m hohen Anlagen - untersucht und dokumentiert werden müssen. Zudem sei eine Alternativenprüfung - mit drei Varianten - durchgeführt worden. Gegen Ziele der Raumordnung werde nicht verstoßen; es sei falsch, dass ein Teil der Fläche des Anlagenstandortes 1 außerhalb des Eignungsgebietes liege. Abwägungsmängel lägen im Übrigen nicht vor. Bei dem vorgesehenen Abstand zur Wohnbebauung von 600 m könne von einer erdrückenden Wirkung keine Rede sein. Der ministerielle „Windkrafterlass“ sei nicht bindend. Auch die Belastung durch Geräuschimmissionen sei einwandfrei abgewogen worden. Der für das Grundstück des Antragstellers prognostizierte Wert von 44 dB(A) sei nicht zu niedrig angesetzt worden. Ein Impulszuschlag sei diesem Wert nicht hinzuzufügen. Die Beurteilung der Schutzwürdigkeit der betroffenen Gebiete sei nicht zu beanstanden. Im bebauten Bereich des … seien neben Wohnnutzungen auch verschiedene gewerbliche Nutzungen (Malereibetrieb, Baggerbetrieb) sowie Ferienwohnungen und ein Diplomgeographenbüro vorhanden. Damit liege keine ausschließliche Wohnnutzung vor. Der … diene zudem als Verbindungsweg nach Cismar und Grömitz und werde von Landwirten mit großen Maschinen und Fahrzeugen genutzt. Für die Schutzbedürftigkeit komme es im Übrigen nicht nur auf den Bereich am … an, sondern auf den Ortsteil Gosdorf insgesamt, wo sich auch landwirtschaftliche und handwerkliche Betriebe befänden (Höfe, Lohnunternehmen). Die tatsächlichen Verhältnisse entsprächen damit einem Dorfgebiet. Immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen könnten noch im Genehmigungsverfahren erlassen werden; eine insoweit gegebene Genehmigungsunfähigkeit liege ersichtlich nicht vor. Auch eine unzumutbare Schattenwurfbelastung sei auszuschließen; die Einhaltung insoweit geltender Richtwerte könne noch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden, worin in den erteilten Vorbescheiden bereits hingewiesen worden sei.
- 38
Das am 05.06.2015 in Kraft getretene Windenergieplanungssicherstellungsgesetz (WEPSG; GVOBl. SH 2015, 132) sei für die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Änderungsbebauungsplanes ohne Bedeutung, da gemäß § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 10. April 2013 abzustellen sei. Ein Bürgerbegehren in Riepsdorf mit dem Ziel, die Höhe der Windkraftanlagen von bisher 150 m auf maximal 100 m zu beschränken, sei für die vorliegende Entscheidung ebenfalls irrelevant, denn es spiele keine Rolle, ob der Bebauungsplan zu einem späteren Zeitpunkt durch einen Bürgerentscheid inhaltlich abgeändert werden könne. Das Bürgerbegehren solle im Übrigen nicht zugelassen werden.
- 39
Die Schutzbedürftigkeit der für die Lärmbeurteilung relevanten Gebiete sei richtig eingestuft worden. Im Ortsteil Gosdorf (selbst) bestehe kein Bebauungsplan; im Flächennutzungsplan werde der Bereich als Dorfgebiet dargestellt. Dies gelte - einheitlich - für die Bereiche nördlich und südlich des Bäderstraße. Auch bei isolierter Betrachtung des … liege kein allgemeines Wohngebiet vor. Die Schutzwürdigkeit der genannten Bereiche sei auch gemindert, weil diese unmittelbar an den Außenbereich grenzten, so dass eine höhere Zumutbarkeitsschwelle gelte.
- 40
Durch Beschluss vom 21. August 2014 - 1 MR 7/14 - hat der Senat den Antrag des Antragstellers, den Vollzug des Änderungsbebauungsplanes einstweilen auszusetzen, abgelehnt.
- 41
Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben des Amtes Lensahn vom 22.04.2014 mit einer Einschätzung des … vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Verfahrens zur Aufstellung des angegriffenen Änderungsbebauungsplanes wird auf die eingereichten Schriftsätze - nebst Anlagen - sowie auf die Verfahrensvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 42
Der Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.)
- 43
I. 1. Der Normenkontrollantrag ist innerhalb der Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 VwGO) gestellt worden. Der Antragsteller hat gegen den Planentwurf Einwendungen erhoben, so dass auch aus § 47 Abs. 2a VwGO keine Einwände gegen die Zulässigkeit des Antrags abzuleiten sind.
- 44
2. Die Antragsbefugnis des Antragstellers hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 21.08.2014 – 1 MR 7/14 – bejaht (NordÖR 2015, 37; Nr. 1.1 der Beschlussgründe); der Senat nimmt darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Ergänzend ist auszuführen:
- 45
Die Antragsbefugnis ist allerdings nicht – bereits – aus einer (optisch) „bedrängenden“ Wirkung der im Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans zugelassenen Windkraftanlagen abzuleiten. Eine solche Wirkung ist im Hinblick auf den Abstand zwischen der „nächsten“ Windkraftanlage im Plangebiet und dem Haus des Antragstellers von mehr als 600 m, also dem 4-fachen der geplanten Anlagenhöhe, auszuschließen.
- 46
Der Antragsteller kann indes auch als „Planaußenlieger“ die Überprüfung beanspruchen, ob die Betroffenheit seines Grundstücks in Bezug auf Lärmwirkungen der im Plangebiet zugelassenen (neuen) Anlagen richtig ermittelt und abgewogen worden ist, da das Abwägungsgebot gem. § 1 Abs. 7 BauGB auch hinsichtlich planexterner privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind, nachbarschützenden Charakter hat. Dem "Plannachbarn" steht gegenüber der planenden Gemeinde ein Anspruch auf gerechte Abwägung seiner privaten Belange zu, es sei denn, diese wären – entweder – nicht schutzwürdig – oder – (objektiv) nur geringfügig (BVerwG, Urt. v. 21.03.2002, 4 CN 14.00, BVerwGE 116, 144/149). Es reicht aus, wenn der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen. (BVerwG, Beschl. v. 17.12.2012, 4 BN 19.12, BauR 2013, 753). Das ist hier der Fall: Der Antragsteller befürchtet eine Überschreitung der ihm zumutbaren (Nacht-)Lärmwerte, weil im Rahmen der in der Abwägung berücksichtigten Lärmprognose ein sog. Impulszuschlag nach A.2.5.3 der TA Lärm unberücksichtigt geblieben sei.
- 47
Die Beigeladene zweifelt dies an, weil die (planinduzierte) Lärmbetroffenheit des Grundstücks des Antragstellers – weit – unterhalb des Orientierungswerts nach der DIN 18005 (Nachtwert < 45 dB(A)) und des Immissionsrichtwerts nach Nr. 6.1 c der TA Lärm (nachts < 45 dB(A)) bleibe (lt. VV 351: IO 28 – nachts unter 40 dB(A); s. Isophonenkarte VV 349), wenn im Rahmen der Lärmprognose kein Impulszuschlag berücksichtigt werde und für das Außenbereichsgrundstück des Antragstellers der Schutzanspruch eines Grundstücks in einem Mischgebiet angewandt werde. Damit wird indes die – im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags maßgebliche – Möglichkeit einer rechtsfehlerhaften Berücksichtigung der Lärmschutzbelange des Antragstellers nicht in Frage gestellt. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 21.08.2014 (a.a.O.) ausgeführt hat, kann die Möglichkeit einer Orientierungs- bzw. Richtwertüberschreitung nicht ausgeschlossen werden; daran ist – unbeschadet der (in der Begründetheitsprüfung zu untersuchenden) Einwände gegen die rechtliche „Notwendigkeit“, einen Impulszuschlag wegen der Geräusche, die durch das Vorbeistreichen des Flügels am Mast einer Windkraftanlage entstehen – festzuhalten. Die Frage, ob – daneben – die Antragsbefugnis auch im Hinblick auf evtl. gegebene – mehr als nur geringfügige – Belästigungen infolge des von den im Plangebiet zugelassenen (neuen) Anlagen ausgehenden Schattenwurfs gegeben ist, kann danach offen bleiben. Anzumerken ist insoweit, dass diese Problematik – jedenfalls dann, wenn zwischen den zugelassenen Anlagen und dem betroffenen Grundstück ein Abstand (wie vorliegend) von mehr als 600 m liegt – die Bewältigung diesbezüglicher Konflikte abwägungsfehlerfrei in das Genehmigungsverfahren verlagert werden darf.
- 48
3. Dem Antragsteller steht auch ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Den dagegen – in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörterten – Einwänden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist nicht zu folgen. Die Einwände beziehen sich auf die vom Antragsteller angefochtenen Vorbescheide zur Errichtung der (neuen) Windkraftanlagen im Plangeltungsbereich.
- 49
Den genannten Einwänden ist – im Ausgangspunkt – insoweit zuzustimmen, als eine Drittanfechtung einer (bau- oder immissionsschutzrechtlichen) Genehmigung nicht allein deshalb Erfolg hat, weil der – der Genehmigungserteilung zugrunde liegende - Bebauungsplan unwirksam ist; entscheidend ist vielmehr, ob aus dem Bebauungsplan oder auch „planunabhängig“ Abwehransprüche des Dritten abzuleiten sind (vgl. OVG Münster, Beschl. vom 05.11.2013, 2 B 1010/13, BauR 2014, 834).
- 50
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag ist allerdings nicht – erst – dann gegeben, wenn dessen Erfolg gleichsam „automatisch“ zu einem Erfolg der Drittanfechtung führt; es genügt vielmehr, wenn der Antragsteller seine Rechtsstellung durch die von ihm angestrebte Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans verbessern kann (BVerwG; Beschl. v. 04.06.2008, 4 BN 13.08, BauR 2008, 2031). Das ist in Bezug auf die – noch anhängigen – Drittanfechtungen des Antragstellers der Fall; er kann seine Rechtsposition im Widerspruchsverfahren gegen die immissionsschutzrechtlichen Vorbescheide für die „neuen“ Windkraftanlagen verbessern. Im Fall einer Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans kann über den Widerspruch nicht mehr unter Bezugnahme auf dessen Festsetzungen oder die diesen zugrundeliegende („abschichtende“) planerische Abwägung entschieden werden. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 21.08.2014 (a.a.O. [bei Juris Rn. 27]; vgl. auch Urt. des Senats v. 22.04.2010, 1 KN 19/09, NordÖR 2011, 229 [bei Juris Rn. 77]) darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für neue "Repowering"-Windkraftanlagen auf der Grundlage des angegriffenen Änderungsbebauungsplans (einstweilen) verhindern kann. Solche Anlagen könnten auf der Grundlage des "alten" Bebauungsplans nicht genehmigt werden. Die Frage, ob die Antragsgegnerin nach einer Unwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans künftig gleiche planungsrechtlichen Grundlagen schaffen wird, muss offen bleiben, weil insoweit eine neue – auf eine spätere Sach- und Rechtslage bezogene – Abwägungsentscheidung zu treffen sein wird. Im Falle einer Unwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans bestünde für den Antragsteller die Chance, dass die Antragsgegnerin ihre Planung ändert. Diese tatsächliche Möglichkeit ist für den Antragsteller vorteilhaft (vgl. Urt. des Senats v. 15.09.2011, 1 KN 2/11, NordÖR 2012, 142 [bei Juris Rn. 24]; vgl auch Frey, NVwZ 2013, 1184/1188 [zu 3 b]).
- 51
II. Der Normenkontrollantrag ist begründet, denn der angegriffene Bebauungsplan ist – in rechtserheblicher Weise – verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.
- 52
1. Verfahrensfehler ergeben sich allerdings nicht aus den Einwänden des Antragstellers gegen die Bezeichnung des Plangeltungsbereichs (Gebietsbezeichnung) und den sog. „Maßstabsbalken“. Der Senat hält insoweit an den Gründen seines Beschlusses vom 21.08.2014 (a.a.O., zu 2.2.1) fest; im vorliegenden Verfahren sind dazu keine neuen Argumente vorgetragen worden.
- 53
2. Der Senat ist bereits in seinem Beschluss vom 21.08.2014 (a.a.O. [bei Juris Rn. 41]) auf das Erfordernis eingegangen, die vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen (nach „Themenblöcken“ geordnet) in der Bekanntmachung über die Auslegung des Planentwurfs (§ 3 Abs. 2 S. 2 BauGB) schlagwortartig zu charakterisieren, auch soweit diese für unwesentlich erachtet werden und deshalb nicht ausgelegt werden sollen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.07.2013, 4 CN 3.12, BVerwGE 147, 206; Urt. v. 11.09.2014, 4 CN 1.14, NVwZ 2015, 232).
- 54
2.1 Im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO konnte der Senat die Frage, ob insoweit ein Verfahrensmangel vorliegt, offen lassen; der Senat hat darauf hingewiesen, dass ein diesbezüglicher Verfahrensmangel im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB behoben werden könnte. Ein solches ergänzendes Verfahren hat – wie in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden ist - nicht stattgefunden.
- 55
2.2 Die Auslegungsbekanntmachung der Antragsgegnerin vom 12.12.2012 wird den gesetzlichen Anforderungen gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB nicht gerecht.
- 56
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an die erforderlichen Angaben über verfügbare umweltbezogene Informationen geklärt und hervorgehoben, dass diese Anforderungen keiner Ausnahme zugänglich sind. In seiner Entscheidung vom 11.09.2014 (a.a.O. [bei Juris Rn. 11]) heißt es:
- 57
» Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB sind Ort und Dauer der Auslegung der Entwürfe von Bauleitplänen sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, mindestens eine Woche vor der Auslegung ortsüblich bekannt zu machen. Wie der Senat bereits entschieden hat (…), sind die Gemeinden danach verpflichtet, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Das Bekanntmachungserfordernis erstreckt sich dabei auch auf solche Arten verfügbarer Umweltinformationen, die in Stellungnahmen enthalten sind, die die Gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt. Der (bloße) Hinweis auf den Umweltbericht genügt nicht, denn dieser ermöglicht keine inhaltliche Einschätzung darüber, welche Umweltbelange in einer konkreten Planung bisher thematisiert worden sind (…). Zur Begründung dieser Entscheidung hat der Senat - neben Vorgaben des Unionsrechts - vor allem auf den unterschiedlichen Wortlaut in § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauGB hingewiesen. Da § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB auf die „verfügbaren“ umweltbezogenen „Informationen“ abstelle, folge hieraus, dass der Gemeinde - anders als nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB - insofern keine Befugnis zur Selektion der bekannt zu machenden Umweltinformationen zustehe (…). Damit von der öffentlichen Bekanntmachung der Auslegung die gebotene Anstoßwirkung ausgehe, sei es unerlässlich, dass die bekannt gemachten Informationen der Öffentlichkeit bereits eine erste inhaltliche Einschätzung darüber ermöglichten, welche Umweltbelange in den der Gemeinde verfügbaren Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen behandelt würden (…). Der Verwaltungsgerichtshof ist folglich zu Recht davon ausgegangen, dass der von der Antragsgegnerin verwendete Hinweis auf „umweltrelevante Stellungnahmen allgemeiner Art“ und der pauschale Verweis auf den Umweltbericht diesen Anforderungen nicht genügt, zumal er sich auf die ausgelegten Stellungnahmen, nicht aber auf die der Gemeinde verfügbaren Informationen bezieht.«
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Der Senat folgt dieser Rechtsprechung.
- 59
Der Antragsteller rügt zu Recht, dass die am 12.12.2012 erfolgte Bekanntmachung diesen Anforderungen nicht entspricht. Das ergibt sich nicht nur aus den – vom Antragsteller beanstandeten – „Lücken“ zu den Themen „Schattenwurf“, „Lärmbelastung“ sowie zu den Schutzgütern „Mensch“, „Landschaft“ und zum Bodenschutz. Entscheidend ist vielmehr, dass in der Auslegungsbekanntmachung im Wesentlichen auf den Umweltbericht, auf die Bilanzierung der Eingriffe in Natur und Landschaft und auf die Umweltverträglichkeitsstudie verwiesen worden ist. Aus diesen Verweisen ist nicht zu entnehmen, welche Umweltbelange in den genannten Unterlagen – inhaltlich – thematisiert worden sind. Die nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB erforderliche, „nach Themenblöcken geordnete“ und „schlagwortartige“ Charakterisierung der Umweltinformationen (und ihres Inhalts) ist dem Text der Auslegungsbekanntmachung nicht zu entnehmen. Ein „abstrakter“ Hinweis auf Unterlagen mit umweltbezogenen Inhalten ist unzureichend. Auch eine bloße Auflistung der vorliegenden Stellungnahmen, d. h. ihrer Titel oder Überschriften reicht für die erforderliche erste Orientierung durch den Bekanntmachungstext nicht aus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.01.2014, 4 BN 41.13, Juris). Das gilt insbesondere dann, wenn die Unterlagen mehrere konkrete Umweltbelange oder „Themenblöcke“ betreffen; in diesem Fall bedarf es einer stichwortartigen Beschreibung der betroffenen Belange und unter Umständen auch einer Kennzeichnung der Art ihrer Betroffenheit (OVG Münster, Urt. v. 30.09.2014, 2 D 87/13.NE, BauR 2015, 934).
- 60
Soweit die Antragsgegnerin einwendet (Schriftsätze vom 24.06.2015, S. 20 und vom 03.07.2015, S.5 u. 6), das Landschaftsbild sei in der Bilanzierung der Eingriffe in Natur und Landschaft angesprochen worden und „Lärm“ und „Schatten“ seien keine Umweltbelange i. S. d. § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB, ist dem entgegenzuhalten, dass aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB keine Beschränkung auf Informationen i. S. d. § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB zu entnehmen ist; unabhängig davon wäre das Thema „Lärm“ von § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. c und lit. e BauGB umfasst. Das Thema „Landschaftsbild“ (das in § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB nicht ausdrücklich genannt wird) wird i. Ü. durch einen pauschalen Hinweis auf die Bilanzierung der Eingriffe in Natur und Landschaft unzureichend erfasst. Auch wenn – einer Formulierung des OVG Lüneburg (Beschl. v. 18.02.2014, 1 MN 195/13, BeckRS 2014, 56947) folgend – der Text der Auslegungsbekanntmachung „die Lektüre der Unterlagen/Stellungnahmen nicht ersetzen“ und auf den Inhalt der umweltbezogenen Informationen nur „Appetit“ machen soll, diesen aber nicht schon stillen muss, ist – jedenfalls – eine gesteigerte Anstoßwirkung des Bekanntmachungstextes erforderlich, die mit der Angabe von Themenblöcken und Stichworten „Basisinformationen“ für die Entscheidung liefert, ob „es sich lohnt/angezeigt ist, „aufs Planungsamt“ zu gehen und sich durch Lektüre der ausgelegten Unterlagen der Erforderlichkeit eigener Äußerung zu versichern.“ Der von der Antragsgegnerin veröffentlichte Bekanntmachungstext enthält die danach erforderlichen „Basisinformationen“ nicht und verfehlt damit die gesetzlich gebotene Anstoßwirkung.
- 61
2.3 Der in der unzureichenden Auslegungsbekanntmachung liegende Verfahrensfehler ist für die Rechtswirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans beachtlich (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Hs. BauGB).
- 62
Die Antragsgegnerin versucht dem mit Hinweis darauf entgegenzutreten, dass nur „einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt“ hätten (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Hs, 2. Variante BauGB). Diesem Ansatz könnte gefolgt werden, wenn „bei quantitativer Betrachtungsweise die überwiegende Anzahl der umweltbezogenen Informationen benannt worden ist und lediglich einzelne Angaben fehlen“ (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 07.11.2014, 8 S 1353/12, BauR 2015, 448 [bei Juris Rn. 31]). Im vorliegenden Fall trifft dies allerdings nicht zu, da die Antragsgegnerin in ihrem Bekanntmachungstext die Umweltinformationen allenfalls in Bezug auf „Fledermäuse“ und „Vögel“ schlagwortartig gekennzeichnet hat, im Übrigen aber nur auf den „Arbeitstitel“ von vorliegenden Unterlagen („Umweltbericht“, „Bilanzierung der Eingriffe …“, Artenschutzrechtliche Prüfung …“, „Umweltverträglichkeitsstudie“, „Stellungnahme …“) verwiesen hat, ohne die darin enthaltenen Themen auch nur stichwortartig „benannt“ zu haben. Eine Anstoßwirkung in dem vom Gesetzgeber gewollten Sinne geht von einer solchen Auflistung von „Arbeitstiteln“ nicht aus.
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3. Im Hinblick auf den – beachtlichen – Mangel der Auslegungsbekanntmachung sind die weiteren Einwände des Antragstellers gegen die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans nicht mehr entscheidungserheblich.
- 64
Der Senat hat zu den materiellen Fragen des angegriffenen Bebauungsplans bereits in seinem Beschluss vom 21.08.2014 (a.a.O.) Stellung genommen. Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass der Lärmschutzanspruch der (zusammenhängenden) Bebauung am … nicht demjenigen eines Allgemeinen Wohngebiets (WA) entspricht. Auch wenn die Straße (vom Amt Lensahn) als „Anwohnerstraße“ bezeichnet wird, sprechen die dort vorhandene Betriebe (landwirtschaftliche und handwerkliche Betriebe, Baggerbetrieb) sowie die Randlage der Bebauung zum Außenbereich gegen einen (Lärm-) Schutzanspruch, wie er einem WA-Gebiet eigen ist (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 12.02.2013, 2 B 1336/12, BauR 2013, 1078 [bei Juris Rn. 26]).
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III. Der Normenkontrollantrag ist nach alledem abzulehnen.
- 66
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 S. 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
- 67
Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
(1) Wird ein Vorhaben geändert, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, so besteht für das Änderungsvorhaben die UVP-Pflicht, wenn
- 1.
allein die Änderung die Größen- oder Leistungswerte für eine unbedingte UVP-Pflicht gemäß § 6 erreicht oder überschreitet oder - 2.
die allgemeine Vorprüfung ergibt, dass die Änderung zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann.
(2) Wird ein Vorhaben geändert, für das keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, so besteht für das Änderungsvorhaben die UVP-Pflicht, wenn das geänderte Vorhaben
- 1.
den Größen- oder Leistungswert für die unbedingte UVP-Pflicht gemäß § 6 erstmals erreicht oder überschreitet oder - 2.
einen in Anlage 1 angegebenen Prüfwert für die Vorprüfung erstmals oder erneut erreicht oder überschreitet und eine Vorprüfung ergibt, dass die Änderung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann.
(3) Wird ein Vorhaben geändert, für das keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, so wird für das Änderungsvorhaben eine Vorprüfung durchgeführt, wenn für das Vorhaben nach Anlage 1
- 1.
eine UVP-Pflicht besteht und dafür keine Größen- oder Leistungswerte vorgeschrieben sind oder - 2.
eine Vorprüfung, aber keine Prüfwerte vorgeschrieben sind.
(4) Für die Vorprüfung bei Änderungsvorhaben gilt § 7 entsprechend.
(5) Der in den jeweiligen Anwendungsbereich der Richtlinien 85/337/EWG und 97/11/EG fallende, aber vor Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfristen erreichte Bestand bleibt hinsichtlich des Erreichens oder Überschreitens der Größen- oder Leistungswerte und der Prüfwerte unberücksichtigt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die Zulassungsentscheidungen dienen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und - 2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.
(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber
- 1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, - 2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, - 3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und - 4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und - 2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.
(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber
- 1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, - 2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, - 3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und - 4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Antragsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner zu tragen.
III.
Der Streitwert des Antragsverfahrens wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
Tenor
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Im E. 62 in W. . Das Grundstück ist an seiner südöstlichen Grenze mit einem Wohnhaus bebaut. Die Antragstellerin und der Antragsteller, ihr Sohn, bewohnen je eine Wohnung in dem Haus. Eine Einliegerwohnung ist vermietet. Die Wohnzimmer und vorgelagerte Terrassen liegen an der Ostseite des Hauses. Auf dem Grundstück ist nordwestlich des Wohnhauses ein großes, verpachtetes Gewächshaus errichtet.
4Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks In der L. 5. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. Die Antragstellerin hat ein Nießbrauchsrecht an dem Haus.
5Der Beigeladene ist Inhaber einer landwirtschaftlichen Hofstelle auf dem Grundstück Im E. 78 in W. . Er errichtete in der Nähe seiner Hofstelle eine Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 65 m, einem Rotordurchmesser von gut 40 m und einer Nennleistung von 500 kW. Die Windenergieanlage ist in einer Entfernung von rund 225 m nordöstlich des Wohnhauses der Antragstellerin und rund 310 m südöstlich des Hauses In der L. 5 errichtet.
6Der Beigeladene legte ein schalltechnisches Gutachten vor. Es beruht auf Messungen beim Betrieb der bereits errichteten Anlage. Die Messungen sind unter anderem am Wohnhaus Im E. 62 der Antragstellerin vorgenommen worden. Die schalltechnische Untersuchung kommt bei einer Leistung der Anlage von 400 kW zu einem Beurteilungspegel von 45 db (A) bezogen auf das Wohnhaus Im E. 62.
7Das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen gab eine Stellungnahme zur Einwirkung von Schlagschatten unter anderem auf das Wohnhaus Im E. 62 ab. Das Landesumweltamt errechnete insoweit eine maximal mögliche jährliche Beschattungsdauer von etwas mehr als 33 Stunden innerhalb des Zeitraumes zwischen dem 22. Mai und dem 20. Juli. Die maximal mögliche Beschattungsdauer je Tag beträgt nach dieser Berechnung 41 Minuten. Sie liegt in den frühen Morgenstunden. Unter Berücksichtigung erfahrungsgemäß auftretender Bewölkung kommt das Landesumweltamt zu einer effektiven jährlichen Beschattungsdauer von über 13 Stunden.
8Der Antragsgegner erteilte dem Beigeladenen unter dem 2. November 1998 eine nachträgliche Baugenehmigung für die bereits errichtete Windenergieanlage. Die Baugenehmigung ist mit Auflagen versehen. Unter anderem hat der Beigeladene parallel zur östlichen Grenze des Grundstücks der Antragstellerin auf dem Nachbargrundstück in einem Abstand von 4 m zum Grundstück der Antragstellerin als Sichtschutz eine Reihe serbischer Fichten mit einer Höhe von etwa 4,50 m und eine Reihe Koreatannen mit einer Höhe von 2,50 m bis 3,00 m anzupflanzen. Die Anpflanzung muß auf Dauer eine Höhe von mindestens 9,14 m über Grund erreichen. Um die Einwirkung von Schlagschatten unter anderem auf die Häuser Im E. 62 und In der L. 5 zu verhindern, ist der Rotor der Windenergieanlage zu den Zeiten automatisch geregelt stillzulegen, zu denen solche Einwirkungen auf die Häuser und die zu ihnen gehörenden intensiv genutzten Außenbereiche (Terrassen, Sitzecken)zu erwarten sind. Um Immissionsrichtwerte von nachts 45 db (A) zu gewährleisten, ist die Windenergieanlage nachts so zu betreiben, daß die Nennleistung maximal 400 kW beträgt und die Rotordrehzahl 35 Umdrehungen in der Minute nicht überschreitet.
9Die Antragstellerin legte am 5. November 1998, der Antragsteller legte mit Schriftsatz vom 24. Februar 1999 Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein.
10Die Anträge der Antragsteller,
11die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 2. November 1998 anzuordnen,
12hat das Verwaltungsgericht durch den angefochtenen Beschluß abgelehnt.
13Mit ihren vom Senat zugelassenen Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihre Begehren erster Instanz weiter.
14Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte (3 Bände), der Verfahrensakte 10 L 3205/97 - VG Gelsenkirchen - sowie der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (2 Ordner und 8 Hefte).
16II.
17Die Beschwerden sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge der Antragsteller zu Recht abgelehnt. Die Anträge sind unbegründet. Das Interesse des Beigeladenen daran, die ihm erteilte Baugenehmigung sofort ausnutzen zu dürfen, überwiegt das Interesse der Antragsteller, das Vorhaben des Beigeladenen bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens vorerst zu verhindern.
18Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats verstößt die streitige Baugenehmigung nicht offensichtlich gegen solche öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutze der Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Danach spricht derzeit mehr dafür, daß die Widersprüche der Antragsteller gegen die streitige Baugenehmigung erfolglos bleiben werden. Ihnen ist deshalb der weitere Betrieb der Anlage vorerst zuzumuten.
19Die erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauordnungsrechts mit nachbarschützendem Charakter. Namentlich wahrt die genehmigte Anlage die gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW erforderliche Abstandfläche in Richtung auf die Grundstücke der Antragsteller.
20Bauplanungsrechtlich richtet sich das Vorhaben des Beigeladenen nach § 35 Abs. 1 BauGB. Das Vorhaben des Beigeladenen soll außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verwirklicht werden. An den Straßen Im E. und In der L. sind lediglich verstreut einzelne (Wohn- )Gebäude vorhanden. Diese Streubebauung bildet allenfalls eine Splittersiedlung. Die Baulichkeiten lassen nach ihrer Zahl und Anordnung keine organische Siedlungsstruktur erkennen und haben nicht das nötige Gewicht, um bereits als Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB angesehen werden zu können.
21Wird das Vorhaben des Beigeladenen danach im Außenbereich verwirklicht, verletzte die angefochtene Baugenehmigung Nachbarrechte der Antragsteller, wenn sie gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB und das darin enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstieße. Nach dieser Vorschrift beeinträchtigt ein Vorhaben im Außenbereich öffentliche Belange insbesondere dann, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann.
22Zu solchen schädlichen Umwelteinwirkungen können insbesondere Lärmimmissionen gehören, die von der Windenergieanlage auf benachbarte Wohnhäuser einwirken. Der Betrieb der genehmigten Anlage wird indes auf den Grundstücken der Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu unzumutbaren Lärmbelästigungen führen.
23Auch die Grundstücke der Antragsteller liegen im Außenbereich, nämlich innerhalb der beschriebenen Streubebauung. Die Antragsteller können zwar damit rechnen, daß in der Umgebung ihrer Grundstücke keine Nutzung zugelassen wird, die ihre Wohnnutzung unzumutbar beeinträchtigt. Die Schwelle zur Unzumutbarkeit ist aber noch nicht dann überschritten, wenn die Richtwerte nicht eingehalten werden, die nach den einschlägigen technischen Regelwerten für reine Wohngebiete gelten. Können Geräusche - wie diejenigen einer Windenergieanlage - nach den Richtwerten der VDI-Richtlinie 2058 oder nach der TA-Lärm beurteilt werden, so sind Geräusche mit einem Beurteilungspegel von 55 db (A) tagsüber und 40 db (A) nachts für ein Wohnhaus zuzumuten, das in einem reinen Wohngebiet, jedoch in Randlage zum Außenbereich liegt. Der Schutzmaßstab ist noch weiter herabzusetzen, wenn das Wohnhaus - wie hier diejenigen der Antragsteller - im Außenbereich liegt. Wer im Außenbereich wohnt, hat keinen Anspruch darauf, daß seine Umgebung von weiterer Bebauung freibleibt. Wie sich aus § 35 Abs. 1 BauGB ergibt, muß er unter Umständen mit belastenden Anlagen rechnen. Wer im Außenbereich wohnt, kann deshalb allenfalls die Einhaltung der Grenzwerte verlangen, die nach den einschlägigen technischen Regelwerken für Mischgebiete erarbeitet sind, also Beurteilungspegel von 60 db (A) tagsüber sowie 45 db (A) nachts,
24OVG NRW, Beschluß vom 9. September 1998 - 7 B 1591/98 -.
25Die Einhaltung dieser Werte ist für die Wohnhäuser der Antragsteller in der Baugenehmigung festgeschrieben. Die Werte können voraussichtlich eingehalten werden. Hierzu liegt die schalltechnische Untersuchung vor. Sie beruht nicht auf einer Prognose, sondern auf Messungen aus dem Betrieb der Anlage. Danach wird ein Beurteilungspegel von 45 db (A) an den Wohnhäusern der Antragsteller jedenfalls dann eingehalten, wenn die Nennleistung der Windenergieanlage bei maximal 400 kW liegt und die Rotordrehzahl 35 Umdrehungen in der Minute nicht überschreitet. Der Antragsgegner hat dem Beigeladenen in der Baugenehmigung zur Auflage gemacht,während der Nachtzeit diese Kennzahlen für den Betrieb der Anlage einzuhalten.
26Die Antragsteller greifen die schalltechnische Untersuchung deshalb an, weil der Sachverständige von dem gemessenen Wirkpegel einen Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheiten vorgenommen hat. Dieser Abzug dürfte indes nicht zu beanstanden sein. Der Sachverständige hat für seine schalltechnische Untersuchung noch die TA-Lärm (1968) zugrundegelegt. Sie sah in Nr. 2.422.5 Satz 1 Buchst. c einen Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheit vor. Dieser Abschlag trug dem Umstand Rechnung, daß in die Berechnungen Meßwerte einfließen, die wegen geräte- und umweltbedingter Toleranzen Wahrscheinlichkeitsgrößen sind, mit der Folge, daß auch das Berechnungsergebnis selbst eine gewisse Unsicherheit aufweist. Diese mit 3 db (A) bewertete Toleranz war untrennbar Bestandteil des Meß- und Berechnungsverfahrens nach der TA- Lärm. Wurden schädliche Umwelteinwirkungen nach Maßgabe der TA-Lärm ermittelt, durfte der Bewertungsmaßstab dieses Regelwerks nicht dadurch verschoben werden, daß der vorgeschriebene Meßunsicherheitsabschlag unberücksichtigt blieb,
27BVerwG, Beschluß vom 22. Oktober 1996 - 7 B 132.96 -, NVwZ-RR 1997, 279.
28Mit Blick auf die bevorstehende Einführung der TA-Lärm 1998 zum 1. November 1998 hat der Sachverständige sich auch zu der Frage geäußert, ob sich aus der TA-Lärm 1998 für das Ergebnis bedeutsame Änderungen ergeben. Er hat diese Frage verneint. Der Senat hat keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine abweichende Einschätzung. Die TA-Lärm 1998 sieht in ihrer Nr. 6.9 einen Abschlag um 3 db (A) vor, wenn bei der Überwachung einer Anlage die Geräuschimmissionen durch Messung ermittelt werden. Mit diesem Abzug dürfte der frühere Abschlag für Meßunsicherheiten fortgeschrieben sein. Der Abschlag dürfte somit auch heute noch untrennbarer Bestandteil des in der TA-Lärm vorgeschriebenen Meß- und Berechnungsverfahrens sein und deshalb weiterhin vorzunehmen sein,
29vgl. Kutscheidt, Die Neufassung der TA-Lärm, NVwZ 1999, 577, 583.
30Die Wohnnutzung der Grundstücke der Antragsteller könnte ferner durch Lichteffekte nachteilig betroffen werden, welche die Windkraftanlage verursacht. Steht die Sonne hinter dem Rotor, können bewegte Schatten über die Grundstücke laufen. Sie verursachen dadurch dort, je nach Umlaufgeschwindigkeit des Rotors, einen verschieden schnellen Wechsel von Schatten und Licht. Dadurch können sie das Wohnen erheblich stören. Durch die Fenster sind diese Effekte auch in allen Wohnräumen wahrnehmbar, die der Windkraftanlage zugewandt sind, und zwar derart, daß diese Schatten durch den ganzen Raum wandern und von Wänden, Fenstern und anderen Flächen widergespiegelt werden. Indes hat der Antragsgegner eine Auflage in die Baugenehmigung aufgenommen, die nicht ungeeignet erscheint, derartige belastende Auswirkungen der genehmigten Anlage auf die Wohngrundstücke der Antragsteller zu unterbinden. Nach dieser Auflage ist die Anlage automatisch geregelt stillzulegen, wenn Schlagschatten auf die Wohnhäuser unter anderem der Antragsteller und die von ihnen intensiv genutzten Außenbereiche einwirken würden. Die Auflage gibt selbst nicht die Daten vor, die in die automatische Schattenabschaltung einzugeben sind. Sie sind vielmehr erst in Umsetzung der Baugenehmigung und der Auflage zu ihr vom Landesumweltamt errechnet und dem Staatlichen Umweltamt Herten übermittelt worden. Der Senat geht derzeit - auch nach der Erörterung dieser Frage im Ortstermin - davon aus, daß die automatische Abschaltung entsprechend der vom Landesumweltamt ermittelten Zeiten so programmiert ist, daß die Ostseite des Wohnhauses, die der Anlage zugewandt ist, vor einer Einwirkung von Schlagschatten wirksam geschützt ist. Im übrigen gibt die Auflage zu der Baugenehmigung - zulässigerweise - insoweit nur das Ziel und das dafür einzusetzende Mittel vor. Die Abschaltautomatik ist in Umsetzung der Auflage so zu programmieren, daß mit ihr das vorgegebene Ziel erreicht wird. Erweisen sich Nachbesserungen als erforderlich, weil die eingegebenen Zeiten die Zeiten einer Einwirkung von Schlagschatten nicht oder nicht vollständig erfassen, ist der Beigeladene verpflichtet, zur Erfüllung der Auflage die eingegebenen Zeiten entsprechend zu ändern. Die Antragsteller haben hierauf einen durchsetzbaren Anspruch, weil die Auflage zu der Baugenehmigung auch ihrem Schutz zu dienen bestimmt ist.
31Aus diesem Grund geht der Senat derzeit davon aus, daß die genannte Auflage zu der Baugenehmigung auch geeignet ist, die Antragsteller vor der von ihnen beklagten Einwirkung von Lichteffekten auf die vorderen, der Anlage abgewandten Räume des Hauses zu schützen. Wie die Antragsteller vorgetragen und im Ortstermin durch Vorführung einer Videoaufzeichnung nachvollziehbar dargelegt haben, spiegelt das Gewächshaus im nordwestlichen Winkel ihres Grundstücks in seinen Seitenwänden den drehenden Rotor der Anlage einerseits wider und wirft andererseits dieses Spiegelbild auf das Wohnhaus der Antragsteller zurück, wo es sich in Form sich ständig bewegender Lichteffekte in den Glasflächen der Eingangstür, den Fenstern der Küche und den glatten Oberflächen der Küchenmöbel niederschlägt. Dieser Effekt tritt dann ein, wenn die Sonne hinter der Windenergieanlage steht, also Schlagschatten auf dem Gewächshaus erzeugt. Zwischen den Beteiligten blieb im Ortstermin streitig, ob die für die automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten auch die Zeiten erfaßt, in denen der beschriebene Effekt auftritt. Die nachgereichten Unterlagen sprechen dafür, daß die bisher für die automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten nur die Zeiten erfassen, zu denen der rückwärtige Bereich des Wohnhauses selbst von Schlagschatten erfaßt wird. Das Wohnhaus und das Gewächshaus stehen versetzt zueinander.
32Wie das Verwaltungsgericht legt auch der Senat die Auflage zu der Baugenehmigung so aus, daß mit ihr dem Beigeladenen aufgegeben ist, die Anlage automatisch geregelt auch zu solchen Zeiten stillzulegen, zu denen Schlagschatten auf die Wohnbereiche nicht nur unmittelbar, sondern auch durch Spiegelung mittelbar einwirken.
33Das Vorhaben des Beigeladenen könnte darüberhinaus durch die Eigenart der Anlage als solcher rücksichtslos auf die Wohnnutzung der nahegelegenen Grundstücke einwirken. Selbst wenn in Bodennähe nahezu Windstille herrscht, drehen die Rotorflügel leicht. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß eine derartige stete Bewegung im oder am Rande des Blickfeldes schon nach kurzer Zeit, erst recht auf Dauer, unerträglich werden kann. Ein sich drehendes Moment zieht den Blick des Menschen nahezu zwanghaft auf sich. Dies kann Irritationen hervorrufen. Eine Konzentration auf andere Tätigkeiten kann wegen der steten, kaum vermeidbaren Ablenkung erschwert werden. Die Anlage kann sich dabei in den Fenstern des Hauses oder an den Inneneinrichtungen der Wohnungen spiegeln, soweit diese reflektierende Oberflächen haben.
34Solche Wirkungen einer Windenergieanlage können auch dann eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens gegenüber benachbarter Wohnbebauung begründen, wenn - wie hier - die Abstände nach § 6 Abs. 10 BauO NW zu den benachbarten Grundstücken eingehalten sind. § 6 BauO NW regelt seinen Sachbereich zwar abschließend. Er legt insoweit fest, welches Maß an Rücksichtnahme der Bauherr seinem Nachbarn schuldet und was diesem zugemutet werden kann. Ein Gebäude kann einem benachbarten Grundstück Licht, Sonne und Luft nehmen, ferner einen Einblick in das Nachbargrundstück ermöglichen. Diese Belange werden regelmäßig durch das bauordnungsrechtliche Abstandflächenrecht aufgefangen. Windenergieanlagen sind keine Gebäude. Von ihnen können aber gebäudegleiche Wirkungen ausgehen, mit der Folge, daß gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW auf sie die für Gebäude geltenden Vorschriften über Abstandflächen anzuwenden sind. Die einem Gebäude gleiche Wirkung folgt insbesondere aus dem Rotor und seiner Drehbewegung. Diese vergrößern die Windenergieanlage in ihren optischen Dimensionen deutlich und bestimmen sie. Allein der Rotorkreis hat gebäudegleiche Abmessungen, die angesichts der sich über ihren gesamten Bereich bewegenden Rotorflügel insgesamt, nicht aber nur in dem jeweils von den Flügeln überdeckten Teilen in Erscheinung tritt. Hinzu kommt die Rotorbewegung, denn diese verstärkt die belastende Wirkung der Anlage auf die Nachbarschaft,
35vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. August 1997 - 7 A 629/95 -.
36Wird danach die bedrängende Wirkung, welche eine Windenergieanlage auf die Nachbarschaft ausübt, auch vom Schutzbereich des § 6 BauO NW erfaßt, so nimmt diese Vorschrift insoweit dennoch keine abschließende Bewertung vor. Die optisch bedrängende Wirkung, die von einer Windenergieanlage wegen der Drehbewegung als solcher ausgeht, ist in ihrer rechtlichen Bewertung vergleichbar der erdrückenden Wirkung, die von einem Gebäude wegen seiner Masse auf die unmittelbare Umgebung ausgeübt werden kann. Die erdrückende Wirkung eines Baukörpers kann selbst dann als planungsrechtlich rücksichtslos beurteilt werden, wenn der Baukörper die Abstandfläche nach dem Bauordnungsrecht einhält. Unter diesem Gesichtspunkt enthält das Abstandflächenrecht keine abschließende Regelung. Ähnlich ist zu urteilen für die optisch bedrängende Wirkung, die von dem sich drehenden Rotor einer Windenergieanlage ausgeht.
37Allerdings ist diese Wirkung einer Windenergieanlage nicht stets rücksichtslos, wenn sie auf angrenzenden Wohngrundstücken wahrgenommen wird. Wohnhäuser sind gegen sie nicht unterschiedslos geschützt. Der Schutz richtet sich vielmehr auch insoweit nach der planungsrechtlichen Lage des Wohnhauses. Liegt das Wohngrundstück in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet, das durch Bebauungsplan festgesetzt ist, genießt es erhöhten Schutz gegen Einwirkungen durch eine gebietsfremde Windenergieanlage, die durch ihre Eigenart als solche den Wohnfrieden stört. Anders verhält es sich hingegen bei einem Wohnhaus im Außenbereich. Im Außenbereich sind Windenergieanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert zulässig. Sie sind nicht gebietsfremd. Wer im Außenbereich wohnt, muß mit den auch optisch bedrängenden Wirkungen einer solchen Anlage rechnen.
38Der geminderte Schutzanspruch wirkt sich insbesondere auch insoweit aus, als dem Betroffenen eher Maßnahmen zumutbar sind, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich selbst vor ihnen schützt. Ihm ist eher zuzumuten, Gewohnheiten zu ändern und der veränderten Nachbarschaft anzupassen, während dies einem Betroffenen schwerlich angesonnen werden könnte, der sich gegen die Auswirkungen einer gebietsfremden Anlage wehrt.
39Von diesem Ansatz ist zu Recht auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Von ihm ausgehend wirkt die streitige Anlage nicht unzumutbar auf die Wohnnutzung des Hauses Im E. 62 ein. Der Rotor mit seinen Blättern ist nicht von jeder Stelle des Wohnhauses aus zu erblicken. Eine nahezu überall sichtbare, unerträgliche stete Bewegung der Rotorblätter, der man sich nicht entziehen könnte, ist nicht festzustellen. Diese Bewertung des Sachverhalts teilt der Senat aufgrund der Ortsbesichtigung zweiter Instanz. Eine Nutzung der Terrasse ist beispielsweise möglich, ohne daß die Windenergieanlage in den Blick gerät. In bestimmten Bereichen wird sie durch die Bäume an der Grundstücksgrenze verdeckt. Ähnliches gilt für das Wohnzimmer. Von Sitzplätzen nahe dem Fenster kann die Anlage gesehen werden, von anderen Plätzen aus hingegen nicht. Spiegelungen der Anlage waren ohne weiteres in der Glasplatte des Tisches zu erkennen, ohne daß indes im übrigen der Eindruck entstand, einem Phänomen ausgesetzt zu sein, dem man sich nicht entziehen könnte. Daß die Antragstellerin beispielsweise das Fernsehgerät an anderer Stelle als bisher aufgestellt hat, um eine Spiegelung der Windenergieanlage in dem Fernsehgerät auszuschließen, gehört zu den Maßnahmen, die nach dem rechtlichen Ausgangspunkt zumutbar sind.
40Die Antragsteller sind der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht entgegengetreten, für das Wohnhaus In der L. 5 seien unzumutbare Einwirkungen der Windenergieanlage nicht festzustellen. Der Senat sieht deshalb insoweit keinen Anlaß zu weiteren Ausführungen.
41Soweit in diesem Verfahren nicht abschließend geklärt werden kann, ob die streitige Baugenehmigung mit den nachbarschützenden Bestimmungen des Bauplanungsrechts vereinbar ist, hält der Senat nach alledem den Betrieb der Anlage für die Antragsteller bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens für zumutbar.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 4 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
43Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
44
Tenor
Der Bebauungsplan zur 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 - Windpark Großenholz „südlich der Ortschaften Gosdorf sowie südöstlich der Landesstraße L 231“ - wird für unwirksam erklärt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene je zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Kostenschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Antragsteller vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Antragsteller wendet sich gegen die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 der Antragsgegnerin (Windpark Großenholz südwestlich der Ortschaft Gosdorf sowie südöstlich der Landesstraße L 231).
- 2
Er ist Eigentümer des Wohngrundstücks … (Flurstücke … und …), auf dem sich - in Alleinlage im Außenbereich - ein Wohnhaus befindet. Die zusammenhängende Bebauung an dem - von der Bäderstraße (L 231) in der Dorfmitte von Gosdorf abzweigenden - … endet „vor“ dem Grundstück des Antragstellers.
- 3
….(Karte)
- 4
Das Haus des Antragstellers steht in ca. 600 m Abstand zur Grenze des angegriffenen Bebauungsplans, in dessen Plangebiet bereits sechs Windenergieanlagen errichtet worden sind. Das ist auf der Grundlage des (vorherigen) Bebauungsplanes Nr. 5 erfolgt, der acht Flächen für Versorgungsanlagen mit der Zweckbestimmung Elektrizität - Windkraft - festsetzte. Die festgesetzte maximale Höhe der Anlagen sollte danach 100 m, die Nabenhöhe 60 m bis 75 m und der Rotordurchmesser 47 m bis 70 m betragen.
- 5
Die Antragsgegnerin verfolgt mit der angegriffenen 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 das Ziel, sechs bestehende Windenergieanlagen durch vier leistungsstärkere und höhere Windenergieanlagen zu ersetzen. Dazu sollen die bestehenden Anlagen zurückgebaut und durch neue Anlagen ersetzt werden.
- 6
Im Anschluss an den Beschluss über die Aufstellung des angegriffenen Änderungsbebauungsplanes am 22. März 2012 wurde der Planentwurf ausgelegt. Die Auslegungsbekanntmachung vom 12.12.2012 hatte folgenden Wortlaut:
- 7
„Folgende umweltrelevante Informationen sind verfügbar:
- 8
- Begründung mit Umweltbericht
- 9
- Fachgutachten Fledermäuse
- 10
- Fachgutachten Vögel
- 11
- Bilanzierung der Eingriffe in Natur und Landschaft
- 12
- Artenschutzrechtliche Prüfung gem. § 44 BNatSchG
- 13
- Umweltverträglichkeitsstudie
- 14
- Stellungnahme der AG29, Arbeitsgemeinschaft der anerkannten Naturschutzverbände in Schleswig-Holstein vom 06.09.2012
- 15
- Stellungnahme des NABU, Landesverband Schleswig-Holstein vom 29.08.2012
- 16
- Stellungnahme des BUND Ostholstein vom 10.08.2012.“
- 17
Der Antragsteller hat gegen den Planentwurf am 02.02.2013 Einwendungen erhoben. Die Antragsgegnerin ist diesen Einwendungen nicht gefolgt und hat den Änderungsbebauungsplan als Satzung beschlossen. Die Bekanntmachung der Satzung über den Änderungsbebauungsplan erfolgte am 16. Mai 2013.
- 18
In dem Bebauungsplan wird die Gesamthöhe der geplanten vier Windenergieanlagen auf 150 m begrenzt. Die Leistung der neuen Anlagen soll auf 2 bis 3,4 MW pro Anlage steigen. Die Grundnutzung des gesamten Geltungsbereichs im Änderungsplan ist als Fläche für die Landwirtschaft mit der Zusatznutzung „erneuerbare Energien“ (Windkraft) festgesetzt.
- 19
Der Abstand zwischen dem Haus des Antragstellers und den im Bebauungsplan vorgesehenen Standorten den neuen Windenergieanlagen an den Standorten 1 und 4 beträgt ca. 640 m. Die nächstgelegene zusammenhängende Bebauung der Ortslage Riepsdorf ist ca. 700 m von den Anlagenstandorten entfernt.
- 20
Für die im Plan vorgesehenen neuen Anlagen sind anschließend Genehmigungsanträge gestellt worden. Die zuständige Behörde (LLUR) hat am 21.05.2015 immissionsschutzrechtliche Vorbescheide erteilt, gegen die der Antragsteller Widerspruch eingelegt hat.
- 21
Am 14.05.2014 hat der Antragsteller gegen den Änderungsbebauungsplan einen Normenkontrollantrag gestellt.
- 22
Er ist der Ansicht, seine Antragsbefugnis ergebe sich aus der „erdrückenden“ Wirkung der vorgesehenen Windkraftanlagen und der zu erwartenden Schattenwurfbelastung. Mit einer solchen Belastung sei an 180 Tagen pro Jahr zu rechnen. Weiter würden die maßgeblichen Lärmgrenzwerte unter Berücksichtigung der Impulshaltigkeit der Belastung überschritten. Sein Rechtschutzbedürfnis sei gegeben, weil im Falle des Erfolges seines Normenkontrollantrages auf der Grundlage des vorherigen Bebauungsplans nur Anlagen mit 100 m Gesamthöhe errichtet werden dürften.
- 23
Der angegriffene Bebauungsplan sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die ausgelegten Unterlagen hätten wegen eines fehlerhaften „Maßstabsbalkens“ die notwendige Anstoßwirkung verfehlt, weil dadurch ein falscher Eindruck zu den Abständen entstanden sei. Weiter seien in der Auslegungsbekanntmachung die Umweltbelange nur unzureichend benannt worden; es fehlten Angaben zu Lärm- und Verschattungsuntersuchungen, ferner Angaben zum Schutzgut Landschaft, zum Bodenschutz oder zu Wasserbelangen. Ein pauschaler Hinweis auf den Umweltbericht genüge nicht. Die Anstoßwirkung sei auch in räumlicher Hinsicht verfehlt worden, weil das Plangebiet fehlerhaft bezeichnet worden sei, indem die - im Bereich des Bebauungsplans Nr. 7 gelegene - Ortschaft Schwienkuhl mit angegeben worden sei. Schließlich sei die Auslegung nicht auch in der Gemeinde Grömitz erfolgt, obwohl auch dort Einwirkungen nicht auszuschließen seien. Eine Beteiligung der Gemeinde Kabelhorst habe entgegen § 2 Abs. 2 BauGB nicht stattgefunden.
- 24
Der Bebauungsplan verstoße auch gegen Ziele der Raumordnung, weil der im Plan festgesetzte Standort 1 (einschließlich des Rotors) nicht vollständig innerhalb der Eignungsfläche für Windenergie liege. Die Standorte der im Plan vorgesehenen Windenergieanlagen seien mit der Teilfortschreibung des Raumordnungsplanes 2012 nicht vereinbar. Insoweit verstoße der Plan gegen § 1 Abs. 4 BauGB.
- 25
Die planerischen Festsetzungen seien nicht realisierbar, weil der Errichtung der Windkraftanlagen die nach § 18 a LuftVG zu beachtende Luftsicherheit entgegenstehe.
- 26
Der Umweltbericht zum angegriffenen Plan enthalte keine Alternativenbetrachtung, insbesondere zu dem Vorschlag, statt der jeweils 150 m hohen Anlagen neue Anlagen mit 100 m Höhe zu verwirklichen.
- 27
Die Abwägung sei fehlerhaft. Die Planung halte einen Mindestabstand von 800 m von Siedlungen in weiten Bereichen nicht ein. Unberücksichtigt geblieben sei auch eine optisch bedrängende Wirkung; im Blickfeld des Antragstellers und der Anwohner am … lägen 37 Windkraftanlagen, davon eine große Anzahl in weniger als 1000 m Entfernung. Die Horizontbelastung reiche von Süden bis Nordwesten (135 Grad), wodurch ein Umzingelungseffekt entstehe. Die vier neuen 150 m Anlagen würden die Belastung auf ein unerträgliches Maß steigern. Die Störwirkung werde aufgrund der größeren Rotorfläche der neuen Anlagen verstärkt. Eine gerechte Abwägung zum Lärm sei nicht erfolgt, weder eine Vorbelastungsmessung noch eine Schallprognose seien vorgelegt worden. Auch insoweit sei der Umweltbericht fehlerhaft. Bei der Lärmberechnung seien zu Unrecht keine Zuschläge für Impulshaltigkeit berücksichtigt worden; geschähe dies, würden die Richtwerte deutlich überschritten. Die Schutzwürdigkeit der Siedlungs- und Wohngebiete in der Plannachbarschaft seien falsch bewertet worden. Die Bebauung am … sei als reines Wohngebiet einzustufen und nicht - wie geschehen - als Dorfgebiet. Landwirtschaftliche Betriebe in diesem Bereich gebe es seit fast 30 Jahren nicht mehr. Die Gesamtbelastung nach Durchführung der Planung werde oberhalb der Orientierungswerte der DIN 18005 liegen, so dass die Realisierungsfähigkeit des Bebauungsplanes auch in dieser Hinsicht fraglich sei. Auch hinsichtlich der Verschattungswirkungen sei unberücksichtigt geblieben, dass die Vorbelastung bereits jetzt zu hoch sei. Eine Abschaltautomatik allein bei den neuen Anlagen könne die Einhaltung der Grenzwerte nicht sichern.
- 28
Durch die - inzwischen ergangenen - immissionsschutzrechtlichen Vorbescheide vom 21.05.2015 sei das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen, da diese Vorbescheide angegriffen würden.
- 29
Der Antragsteller beantragt,
- 30
den Bebauungsplan zur 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 WP Großenholz „südlich der Ortschaften Gosdorf sowie südöstlich der Landesstraße L 231“ für unwirksam zu erklären.
- 31
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,
- 32
den Normenkontrollantrag abzulehnen.
- 33
Die Antragsgegnerin hält den Normenkontrollantrag für unzulässig. Dem Antragsteller fehle – insbesondere – das Rechtsschutzbedürfnis. Für einen Erfolg seiner Widersprüche gegen die Genehmigung der neuen Windkraftanlagen im Plangebiet komme es auf die Wirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans nicht an.
- 34
Die Beigeladene hält den Normenkontrollantrag ebenfalls für unzulässig. Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt. Eine erdrückende Wirkung der Windkraftanlagen sei im Hinblick auf die Abstände im Umfang von mehr als dem vierfachen der Anlagenhöhe ersichtlich ausgeschlossen. Die zulässigen Lärmrichtwerte würden nicht überschritten; ein Impulszuschlag sei nicht anzusetzen. Für das Außenbereichsgrundstück des Antragstellers sei der Schutz nur nach den Richtwerten für Mischgebiete zu bestimmen. Hinsichtlich des Schattenwurfs würden die Richtwerte ebenfalls eingehalten. Abgesehen von der vorgesehenen Abschaltautomatik könne die Konfliktlösung auf das nachfolgende Genehmigungsverfahren verlagert werden.
- 35
Dem Antragsteller fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil er durch einen Erfolg des Normenkontrollantrags seine Rechtsposition im Hinblick auf seinen Widerspruch gegen die Genehmigung der neuen Windkraftanlagen nicht verbessern könne.
- 36
Unabhängig davon sei der Normenkontrollantrag unbegründet. Die Auslegung des Planentwurfs sei fehlerfrei erfolgt. Eine fehlerhafte „Maßstabsleiste“ sei insoweit unerheblich. Die Auslegungsbekanntmachung erfülle auch hinsichtlich der Umweltinformationen die gesetzlichen Anforderungen. Soweit die Auslegungsbekanntmachung im Hinblick auf § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB für unzureichend gehalten werde, sei dies gemäß § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB unbeachtlich, weil nur der Hinweis auf ein einziges der in § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB genannten Schutzgüter fehle und im Übrigen Angaben zu den Arten umweltbezogener Informationen weder unvollständig seien noch in überwiegender Zahl fehlten. Eine Aufzählung sämtlicher betroffener Belange sei zur Vermeidung einer Überfrachtung mit Informationen nicht geboten. Das Plangebiet sei in der Auslegungsbekanntmachung hinreichend genau bezeichnet worden. Ein Ergänzungsverfahren habe nicht stattgefunden.
- 37
Der Bebauungsplan sei materiell rechtmäßig. Derzeit könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Realisierung des Bebauungsplanes an § 18 a Abs. 1 LuftVG scheitern werde. Im Umweltbericht habe nicht jegliche Alternativenlösung, wie etwa die Errichtung von neuen 100 m hohen Anlagen - untersucht und dokumentiert werden müssen. Zudem sei eine Alternativenprüfung - mit drei Varianten - durchgeführt worden. Gegen Ziele der Raumordnung werde nicht verstoßen; es sei falsch, dass ein Teil der Fläche des Anlagenstandortes 1 außerhalb des Eignungsgebietes liege. Abwägungsmängel lägen im Übrigen nicht vor. Bei dem vorgesehenen Abstand zur Wohnbebauung von 600 m könne von einer erdrückenden Wirkung keine Rede sein. Der ministerielle „Windkrafterlass“ sei nicht bindend. Auch die Belastung durch Geräuschimmissionen sei einwandfrei abgewogen worden. Der für das Grundstück des Antragstellers prognostizierte Wert von 44 dB(A) sei nicht zu niedrig angesetzt worden. Ein Impulszuschlag sei diesem Wert nicht hinzuzufügen. Die Beurteilung der Schutzwürdigkeit der betroffenen Gebiete sei nicht zu beanstanden. Im bebauten Bereich des … seien neben Wohnnutzungen auch verschiedene gewerbliche Nutzungen (Malereibetrieb, Baggerbetrieb) sowie Ferienwohnungen und ein Diplomgeographenbüro vorhanden. Damit liege keine ausschließliche Wohnnutzung vor. Der … diene zudem als Verbindungsweg nach Cismar und Grömitz und werde von Landwirten mit großen Maschinen und Fahrzeugen genutzt. Für die Schutzbedürftigkeit komme es im Übrigen nicht nur auf den Bereich am … an, sondern auf den Ortsteil Gosdorf insgesamt, wo sich auch landwirtschaftliche und handwerkliche Betriebe befänden (Höfe, Lohnunternehmen). Die tatsächlichen Verhältnisse entsprächen damit einem Dorfgebiet. Immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen könnten noch im Genehmigungsverfahren erlassen werden; eine insoweit gegebene Genehmigungsunfähigkeit liege ersichtlich nicht vor. Auch eine unzumutbare Schattenwurfbelastung sei auszuschließen; die Einhaltung insoweit geltender Richtwerte könne noch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden, worin in den erteilten Vorbescheiden bereits hingewiesen worden sei.
- 38
Das am 05.06.2015 in Kraft getretene Windenergieplanungssicherstellungsgesetz (WEPSG; GVOBl. SH 2015, 132) sei für die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Änderungsbebauungsplanes ohne Bedeutung, da gemäß § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 10. April 2013 abzustellen sei. Ein Bürgerbegehren in Riepsdorf mit dem Ziel, die Höhe der Windkraftanlagen von bisher 150 m auf maximal 100 m zu beschränken, sei für die vorliegende Entscheidung ebenfalls irrelevant, denn es spiele keine Rolle, ob der Bebauungsplan zu einem späteren Zeitpunkt durch einen Bürgerentscheid inhaltlich abgeändert werden könne. Das Bürgerbegehren solle im Übrigen nicht zugelassen werden.
- 39
Die Schutzbedürftigkeit der für die Lärmbeurteilung relevanten Gebiete sei richtig eingestuft worden. Im Ortsteil Gosdorf (selbst) bestehe kein Bebauungsplan; im Flächennutzungsplan werde der Bereich als Dorfgebiet dargestellt. Dies gelte - einheitlich - für die Bereiche nördlich und südlich des Bäderstraße. Auch bei isolierter Betrachtung des … liege kein allgemeines Wohngebiet vor. Die Schutzwürdigkeit der genannten Bereiche sei auch gemindert, weil diese unmittelbar an den Außenbereich grenzten, so dass eine höhere Zumutbarkeitsschwelle gelte.
- 40
Durch Beschluss vom 21. August 2014 - 1 MR 7/14 - hat der Senat den Antrag des Antragstellers, den Vollzug des Änderungsbebauungsplanes einstweilen auszusetzen, abgelehnt.
- 41
Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben des Amtes Lensahn vom 22.04.2014 mit einer Einschätzung des … vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Verfahrens zur Aufstellung des angegriffenen Änderungsbebauungsplanes wird auf die eingereichten Schriftsätze - nebst Anlagen - sowie auf die Verfahrensvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 42
Der Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.)
- 43
I. 1. Der Normenkontrollantrag ist innerhalb der Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 VwGO) gestellt worden. Der Antragsteller hat gegen den Planentwurf Einwendungen erhoben, so dass auch aus § 47 Abs. 2a VwGO keine Einwände gegen die Zulässigkeit des Antrags abzuleiten sind.
- 44
2. Die Antragsbefugnis des Antragstellers hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 21.08.2014 – 1 MR 7/14 – bejaht (NordÖR 2015, 37; Nr. 1.1 der Beschlussgründe); der Senat nimmt darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Ergänzend ist auszuführen:
- 45
Die Antragsbefugnis ist allerdings nicht – bereits – aus einer (optisch) „bedrängenden“ Wirkung der im Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans zugelassenen Windkraftanlagen abzuleiten. Eine solche Wirkung ist im Hinblick auf den Abstand zwischen der „nächsten“ Windkraftanlage im Plangebiet und dem Haus des Antragstellers von mehr als 600 m, also dem 4-fachen der geplanten Anlagenhöhe, auszuschließen.
- 46
Der Antragsteller kann indes auch als „Planaußenlieger“ die Überprüfung beanspruchen, ob die Betroffenheit seines Grundstücks in Bezug auf Lärmwirkungen der im Plangebiet zugelassenen (neuen) Anlagen richtig ermittelt und abgewogen worden ist, da das Abwägungsgebot gem. § 1 Abs. 7 BauGB auch hinsichtlich planexterner privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind, nachbarschützenden Charakter hat. Dem "Plannachbarn" steht gegenüber der planenden Gemeinde ein Anspruch auf gerechte Abwägung seiner privaten Belange zu, es sei denn, diese wären – entweder – nicht schutzwürdig – oder – (objektiv) nur geringfügig (BVerwG, Urt. v. 21.03.2002, 4 CN 14.00, BVerwGE 116, 144/149). Es reicht aus, wenn der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen. (BVerwG, Beschl. v. 17.12.2012, 4 BN 19.12, BauR 2013, 753). Das ist hier der Fall: Der Antragsteller befürchtet eine Überschreitung der ihm zumutbaren (Nacht-)Lärmwerte, weil im Rahmen der in der Abwägung berücksichtigten Lärmprognose ein sog. Impulszuschlag nach A.2.5.3 der TA Lärm unberücksichtigt geblieben sei.
- 47
Die Beigeladene zweifelt dies an, weil die (planinduzierte) Lärmbetroffenheit des Grundstücks des Antragstellers – weit – unterhalb des Orientierungswerts nach der DIN 18005 (Nachtwert < 45 dB(A)) und des Immissionsrichtwerts nach Nr. 6.1 c der TA Lärm (nachts < 45 dB(A)) bleibe (lt. VV 351: IO 28 – nachts unter 40 dB(A); s. Isophonenkarte VV 349), wenn im Rahmen der Lärmprognose kein Impulszuschlag berücksichtigt werde und für das Außenbereichsgrundstück des Antragstellers der Schutzanspruch eines Grundstücks in einem Mischgebiet angewandt werde. Damit wird indes die – im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags maßgebliche – Möglichkeit einer rechtsfehlerhaften Berücksichtigung der Lärmschutzbelange des Antragstellers nicht in Frage gestellt. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 21.08.2014 (a.a.O.) ausgeführt hat, kann die Möglichkeit einer Orientierungs- bzw. Richtwertüberschreitung nicht ausgeschlossen werden; daran ist – unbeschadet der (in der Begründetheitsprüfung zu untersuchenden) Einwände gegen die rechtliche „Notwendigkeit“, einen Impulszuschlag wegen der Geräusche, die durch das Vorbeistreichen des Flügels am Mast einer Windkraftanlage entstehen – festzuhalten. Die Frage, ob – daneben – die Antragsbefugnis auch im Hinblick auf evtl. gegebene – mehr als nur geringfügige – Belästigungen infolge des von den im Plangebiet zugelassenen (neuen) Anlagen ausgehenden Schattenwurfs gegeben ist, kann danach offen bleiben. Anzumerken ist insoweit, dass diese Problematik – jedenfalls dann, wenn zwischen den zugelassenen Anlagen und dem betroffenen Grundstück ein Abstand (wie vorliegend) von mehr als 600 m liegt – die Bewältigung diesbezüglicher Konflikte abwägungsfehlerfrei in das Genehmigungsverfahren verlagert werden darf.
- 48
3. Dem Antragsteller steht auch ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Den dagegen – in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörterten – Einwänden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist nicht zu folgen. Die Einwände beziehen sich auf die vom Antragsteller angefochtenen Vorbescheide zur Errichtung der (neuen) Windkraftanlagen im Plangeltungsbereich.
- 49
Den genannten Einwänden ist – im Ausgangspunkt – insoweit zuzustimmen, als eine Drittanfechtung einer (bau- oder immissionsschutzrechtlichen) Genehmigung nicht allein deshalb Erfolg hat, weil der – der Genehmigungserteilung zugrunde liegende - Bebauungsplan unwirksam ist; entscheidend ist vielmehr, ob aus dem Bebauungsplan oder auch „planunabhängig“ Abwehransprüche des Dritten abzuleiten sind (vgl. OVG Münster, Beschl. vom 05.11.2013, 2 B 1010/13, BauR 2014, 834).
- 50
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag ist allerdings nicht – erst – dann gegeben, wenn dessen Erfolg gleichsam „automatisch“ zu einem Erfolg der Drittanfechtung führt; es genügt vielmehr, wenn der Antragsteller seine Rechtsstellung durch die von ihm angestrebte Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans verbessern kann (BVerwG; Beschl. v. 04.06.2008, 4 BN 13.08, BauR 2008, 2031). Das ist in Bezug auf die – noch anhängigen – Drittanfechtungen des Antragstellers der Fall; er kann seine Rechtsposition im Widerspruchsverfahren gegen die immissionsschutzrechtlichen Vorbescheide für die „neuen“ Windkraftanlagen verbessern. Im Fall einer Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans kann über den Widerspruch nicht mehr unter Bezugnahme auf dessen Festsetzungen oder die diesen zugrundeliegende („abschichtende“) planerische Abwägung entschieden werden. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 21.08.2014 (a.a.O. [bei Juris Rn. 27]; vgl. auch Urt. des Senats v. 22.04.2010, 1 KN 19/09, NordÖR 2011, 229 [bei Juris Rn. 77]) darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für neue "Repowering"-Windkraftanlagen auf der Grundlage des angegriffenen Änderungsbebauungsplans (einstweilen) verhindern kann. Solche Anlagen könnten auf der Grundlage des "alten" Bebauungsplans nicht genehmigt werden. Die Frage, ob die Antragsgegnerin nach einer Unwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans künftig gleiche planungsrechtlichen Grundlagen schaffen wird, muss offen bleiben, weil insoweit eine neue – auf eine spätere Sach- und Rechtslage bezogene – Abwägungsentscheidung zu treffen sein wird. Im Falle einer Unwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans bestünde für den Antragsteller die Chance, dass die Antragsgegnerin ihre Planung ändert. Diese tatsächliche Möglichkeit ist für den Antragsteller vorteilhaft (vgl. Urt. des Senats v. 15.09.2011, 1 KN 2/11, NordÖR 2012, 142 [bei Juris Rn. 24]; vgl auch Frey, NVwZ 2013, 1184/1188 [zu 3 b]).
- 51
II. Der Normenkontrollantrag ist begründet, denn der angegriffene Bebauungsplan ist – in rechtserheblicher Weise – verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.
- 52
1. Verfahrensfehler ergeben sich allerdings nicht aus den Einwänden des Antragstellers gegen die Bezeichnung des Plangeltungsbereichs (Gebietsbezeichnung) und den sog. „Maßstabsbalken“. Der Senat hält insoweit an den Gründen seines Beschlusses vom 21.08.2014 (a.a.O., zu 2.2.1) fest; im vorliegenden Verfahren sind dazu keine neuen Argumente vorgetragen worden.
- 53
2. Der Senat ist bereits in seinem Beschluss vom 21.08.2014 (a.a.O. [bei Juris Rn. 41]) auf das Erfordernis eingegangen, die vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen (nach „Themenblöcken“ geordnet) in der Bekanntmachung über die Auslegung des Planentwurfs (§ 3 Abs. 2 S. 2 BauGB) schlagwortartig zu charakterisieren, auch soweit diese für unwesentlich erachtet werden und deshalb nicht ausgelegt werden sollen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.07.2013, 4 CN 3.12, BVerwGE 147, 206; Urt. v. 11.09.2014, 4 CN 1.14, NVwZ 2015, 232).
- 54
2.1 Im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO konnte der Senat die Frage, ob insoweit ein Verfahrensmangel vorliegt, offen lassen; der Senat hat darauf hingewiesen, dass ein diesbezüglicher Verfahrensmangel im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB behoben werden könnte. Ein solches ergänzendes Verfahren hat – wie in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden ist - nicht stattgefunden.
- 55
2.2 Die Auslegungsbekanntmachung der Antragsgegnerin vom 12.12.2012 wird den gesetzlichen Anforderungen gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB nicht gerecht.
- 56
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an die erforderlichen Angaben über verfügbare umweltbezogene Informationen geklärt und hervorgehoben, dass diese Anforderungen keiner Ausnahme zugänglich sind. In seiner Entscheidung vom 11.09.2014 (a.a.O. [bei Juris Rn. 11]) heißt es:
- 57
» Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB sind Ort und Dauer der Auslegung der Entwürfe von Bauleitplänen sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, mindestens eine Woche vor der Auslegung ortsüblich bekannt zu machen. Wie der Senat bereits entschieden hat (…), sind die Gemeinden danach verpflichtet, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Das Bekanntmachungserfordernis erstreckt sich dabei auch auf solche Arten verfügbarer Umweltinformationen, die in Stellungnahmen enthalten sind, die die Gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt. Der (bloße) Hinweis auf den Umweltbericht genügt nicht, denn dieser ermöglicht keine inhaltliche Einschätzung darüber, welche Umweltbelange in einer konkreten Planung bisher thematisiert worden sind (…). Zur Begründung dieser Entscheidung hat der Senat - neben Vorgaben des Unionsrechts - vor allem auf den unterschiedlichen Wortlaut in § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauGB hingewiesen. Da § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB auf die „verfügbaren“ umweltbezogenen „Informationen“ abstelle, folge hieraus, dass der Gemeinde - anders als nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB - insofern keine Befugnis zur Selektion der bekannt zu machenden Umweltinformationen zustehe (…). Damit von der öffentlichen Bekanntmachung der Auslegung die gebotene Anstoßwirkung ausgehe, sei es unerlässlich, dass die bekannt gemachten Informationen der Öffentlichkeit bereits eine erste inhaltliche Einschätzung darüber ermöglichten, welche Umweltbelange in den der Gemeinde verfügbaren Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen behandelt würden (…). Der Verwaltungsgerichtshof ist folglich zu Recht davon ausgegangen, dass der von der Antragsgegnerin verwendete Hinweis auf „umweltrelevante Stellungnahmen allgemeiner Art“ und der pauschale Verweis auf den Umweltbericht diesen Anforderungen nicht genügt, zumal er sich auf die ausgelegten Stellungnahmen, nicht aber auf die der Gemeinde verfügbaren Informationen bezieht.«
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Der Senat folgt dieser Rechtsprechung.
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Der Antragsteller rügt zu Recht, dass die am 12.12.2012 erfolgte Bekanntmachung diesen Anforderungen nicht entspricht. Das ergibt sich nicht nur aus den – vom Antragsteller beanstandeten – „Lücken“ zu den Themen „Schattenwurf“, „Lärmbelastung“ sowie zu den Schutzgütern „Mensch“, „Landschaft“ und zum Bodenschutz. Entscheidend ist vielmehr, dass in der Auslegungsbekanntmachung im Wesentlichen auf den Umweltbericht, auf die Bilanzierung der Eingriffe in Natur und Landschaft und auf die Umweltverträglichkeitsstudie verwiesen worden ist. Aus diesen Verweisen ist nicht zu entnehmen, welche Umweltbelange in den genannten Unterlagen – inhaltlich – thematisiert worden sind. Die nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB erforderliche, „nach Themenblöcken geordnete“ und „schlagwortartige“ Charakterisierung der Umweltinformationen (und ihres Inhalts) ist dem Text der Auslegungsbekanntmachung nicht zu entnehmen. Ein „abstrakter“ Hinweis auf Unterlagen mit umweltbezogenen Inhalten ist unzureichend. Auch eine bloße Auflistung der vorliegenden Stellungnahmen, d. h. ihrer Titel oder Überschriften reicht für die erforderliche erste Orientierung durch den Bekanntmachungstext nicht aus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.01.2014, 4 BN 41.13, Juris). Das gilt insbesondere dann, wenn die Unterlagen mehrere konkrete Umweltbelange oder „Themenblöcke“ betreffen; in diesem Fall bedarf es einer stichwortartigen Beschreibung der betroffenen Belange und unter Umständen auch einer Kennzeichnung der Art ihrer Betroffenheit (OVG Münster, Urt. v. 30.09.2014, 2 D 87/13.NE, BauR 2015, 934).
- 60
Soweit die Antragsgegnerin einwendet (Schriftsätze vom 24.06.2015, S. 20 und vom 03.07.2015, S.5 u. 6), das Landschaftsbild sei in der Bilanzierung der Eingriffe in Natur und Landschaft angesprochen worden und „Lärm“ und „Schatten“ seien keine Umweltbelange i. S. d. § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB, ist dem entgegenzuhalten, dass aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB keine Beschränkung auf Informationen i. S. d. § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB zu entnehmen ist; unabhängig davon wäre das Thema „Lärm“ von § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. c und lit. e BauGB umfasst. Das Thema „Landschaftsbild“ (das in § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB nicht ausdrücklich genannt wird) wird i. Ü. durch einen pauschalen Hinweis auf die Bilanzierung der Eingriffe in Natur und Landschaft unzureichend erfasst. Auch wenn – einer Formulierung des OVG Lüneburg (Beschl. v. 18.02.2014, 1 MN 195/13, BeckRS 2014, 56947) folgend – der Text der Auslegungsbekanntmachung „die Lektüre der Unterlagen/Stellungnahmen nicht ersetzen“ und auf den Inhalt der umweltbezogenen Informationen nur „Appetit“ machen soll, diesen aber nicht schon stillen muss, ist – jedenfalls – eine gesteigerte Anstoßwirkung des Bekanntmachungstextes erforderlich, die mit der Angabe von Themenblöcken und Stichworten „Basisinformationen“ für die Entscheidung liefert, ob „es sich lohnt/angezeigt ist, „aufs Planungsamt“ zu gehen und sich durch Lektüre der ausgelegten Unterlagen der Erforderlichkeit eigener Äußerung zu versichern.“ Der von der Antragsgegnerin veröffentlichte Bekanntmachungstext enthält die danach erforderlichen „Basisinformationen“ nicht und verfehlt damit die gesetzlich gebotene Anstoßwirkung.
- 61
2.3 Der in der unzureichenden Auslegungsbekanntmachung liegende Verfahrensfehler ist für die Rechtswirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans beachtlich (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Hs. BauGB).
- 62
Die Antragsgegnerin versucht dem mit Hinweis darauf entgegenzutreten, dass nur „einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt“ hätten (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Hs, 2. Variante BauGB). Diesem Ansatz könnte gefolgt werden, wenn „bei quantitativer Betrachtungsweise die überwiegende Anzahl der umweltbezogenen Informationen benannt worden ist und lediglich einzelne Angaben fehlen“ (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 07.11.2014, 8 S 1353/12, BauR 2015, 448 [bei Juris Rn. 31]). Im vorliegenden Fall trifft dies allerdings nicht zu, da die Antragsgegnerin in ihrem Bekanntmachungstext die Umweltinformationen allenfalls in Bezug auf „Fledermäuse“ und „Vögel“ schlagwortartig gekennzeichnet hat, im Übrigen aber nur auf den „Arbeitstitel“ von vorliegenden Unterlagen („Umweltbericht“, „Bilanzierung der Eingriffe …“, Artenschutzrechtliche Prüfung …“, „Umweltverträglichkeitsstudie“, „Stellungnahme …“) verwiesen hat, ohne die darin enthaltenen Themen auch nur stichwortartig „benannt“ zu haben. Eine Anstoßwirkung in dem vom Gesetzgeber gewollten Sinne geht von einer solchen Auflistung von „Arbeitstiteln“ nicht aus.
- 63
3. Im Hinblick auf den – beachtlichen – Mangel der Auslegungsbekanntmachung sind die weiteren Einwände des Antragstellers gegen die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans nicht mehr entscheidungserheblich.
- 64
Der Senat hat zu den materiellen Fragen des angegriffenen Bebauungsplans bereits in seinem Beschluss vom 21.08.2014 (a.a.O.) Stellung genommen. Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass der Lärmschutzanspruch der (zusammenhängenden) Bebauung am … nicht demjenigen eines Allgemeinen Wohngebiets (WA) entspricht. Auch wenn die Straße (vom Amt Lensahn) als „Anwohnerstraße“ bezeichnet wird, sprechen die dort vorhandene Betriebe (landwirtschaftliche und handwerkliche Betriebe, Baggerbetrieb) sowie die Randlage der Bebauung zum Außenbereich gegen einen (Lärm-) Schutzanspruch, wie er einem WA-Gebiet eigen ist (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 12.02.2013, 2 B 1336/12, BauR 2013, 1078 [bei Juris Rn. 26]).
- 65
III. Der Normenkontrollantrag ist nach alledem abzulehnen.
- 66
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 S. 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
- 67
Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.
(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und - 2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.
(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber
- 1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, - 2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, - 3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und - 4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und - 2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.
(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber
- 1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, - 2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, - 3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und - 4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.
(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen bedürfen einer Genehmigung. Mit Ausnahme von Abfallentsorgungsanlagen bedürfen Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, der Genehmigung nur, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen, die einer Genehmigung bedürfen (genehmigungsbedürftige Anlagen); in der Rechtsverordnung kann auch vorgesehen werden, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, wenn eine Anlage insgesamt oder in ihren in der Rechtsverordnung bezeichneten wesentlichen Teilen der Bauart nach zugelassen ist und in Übereinstimmung mit der Bauartzulassung errichtet und betrieben wird. Anlagen nach Artikel 10 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2010/75/EU sind in der Rechtsverordnung nach Satz 3 zu kennzeichnen.
(2) Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen bedürfen der Genehmigung nach Absatz 1 nur, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden. Keiner Genehmigung nach Absatz 1 bedürfen Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen sowie die zur Wetterführung unerlässlichen Anlagen.
Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die Zulassungsentscheidungen dienen.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Tatbestand
- 1
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Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 13. August 2012, mit dem der Planfeststellungsbeschluss für den sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 3 (Frankfurt-Nürnberg) im Abschnitt Anschlussstelle (AS) Würzburg-Heidingsfeld/westlich Mainbrücke Randersacker vom 17. Dezember 2009 hinsichtlich der neuen Überführung des öffentlichen Feldwegs "Langer Kniebrecherweg" über die Bundesstraße B 19 (künftig: Überführung) geändert wird. Die lichte Weite der Überführung wird von 28 m auf 44,64 m und die Breite zwischen den Brückengeländern von 5,5 m auf 6 m vergrößert. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. März 2011 die Klage mehrerer Enteignungsbetroffener - darunter auch der Klägerin - gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 abgewiesen (- BVerwG 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 215).
- 2
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Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen wie folgt: Sie werde durch die mehrjährigen Bauarbeiten erheblichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt. Gerade die Überführung sei von zentraler Bedeutung für die Abwicklung des Bauverkehrs. Die an der Überführung geplanten Änderungen erlaubten einen noch stärkeren Bauverkehr mit zusätzlichen Immissionen. Hierüber hätte nicht isoliert entschieden werden dürfen, sondern nur zusammen mit den außerdem vorgesehenen Ergänzungen und Änderungen der Planung. Dies folge aus den Grundsätzen der Einheitlichkeit und Konzentration der Planfeststellung, der Pflicht zur Vorlage einer einheitlichen Ausführungsplanung nach der im Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss abgegebenen Protokollerklärung und dem aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes und dem Projektbegriff der UVP-Richtlinie herzuleitenden Gebot, die nachteiligen Auswirkungen aller unmittelbar mit dem Ausbau der A 3 verbundenen Maßnahmen auf Mensch und Umwelt insgesamt zu betrachten. Die Änderung der Überführung sei zudem Voraussetzung für den Bau der Behelfsbrücke über die B 19; sie hätte daher als Folgemaßnahme in das auf die Behelfsbrücke bezogene ergänzende Planfeststellungsverfahren einbezogen werden müssen. Von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht abgesehen worden. Diesen Verfahrensfehler könne nach Unionsrecht jeder zum Kreis der "betroffenen Öffentlichkeit" zählende Private unabhängig davon geltend machen, ob das Vorhaben seine eigenen Belange berühre.
- 3
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 13. August 2012 aufzuheben.
- 4
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verteidigt in der Sache die angefochtene Entscheidung.
Entscheidungsgründe
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1. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO für diesen Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Eine Streitigkeit "betrifft" im Sinne dieser Vorschrift das Planfeststellungsverfahren, wenn sie Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens ist (Beschlüsse vom 12. Juni 2007 - BVerwG 7 VR 1.07 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 25 Rn. 8 und vom 11. Juli 2013 - BVerwG 9 VR 5.13 - NVwZ 2013, 1219 Rn. 8; stRspr). Dazu zählt auch der hier in Rede stehende Streit darüber, ob eine Planänderung ohne erneutes Planfeststellungsverfahren zugelassen werden durfte (§ 17d Satz 1 FStrG i.V.m. § 76 Abs. 2 VwVfG).
- 7
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2. Die Klage ist mangels Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) unzulässig. Die Klägerin kann sich nicht auf eigene Rechte berufen, deren Verletzung zumindest möglich erscheint (vgl. Urteil vom 22. Mai 1980 - BVerwG 3 C 2.80 - BVerwGE 60, 154 <157 f.> = Buchholz 451.731 KHG Nr. 3 S. 20 f.).
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a) Die Verletzung einer der Klägerin zustehenden materiellen Rechtsposition ist ausgeschlossen.
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aa) Die Klägerin kann keine Verletzung ihres Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) geltend machen. Der Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 zum Ausbau der A 3, der den Zugriff auf das Grundeigentum der Klägerin eröffnet, ist ihr gegenüber bestandskräftig geworden. Daher kann sie Änderungen oder Ergänzungen dieser Planung nur angreifen, wenn sie gerade erstmals oder weitergehend als bisher betroffen wird (Urteil vom 19. Dezember 2007 - BVerwG 9 A 22.06 - BVerwGE 130, 138 = Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 15 jeweils Rn. 20 und Beschluss vom 17. September 2004 - BVerwG 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 4 f.; ebenso Beschluss vom 22. September 2005 - BVerwG 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189 Rn. 4 ff. zu im ergänzenden Verfahren ergangenen Planänderungen). Gegenstand des angefochtenen Änderungsbescheides ist lediglich eine Ausdehnung der lichten Weite der Überführung und der Breite zwischen den Brückengeländern. Hierfür wird nicht erneut auf das Grundeigentum der Klägerin zugegriffen.
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bb) Eine Verletzung des aus dem Abwägungsgebot (§ 17 Satz 2 FStrG) folgenden Rechts auf gerechte Abwägung schutzwürdiger und mehr als nur geringfügig berührter privater Belange ist ebenfalls nicht möglich (vgl. Urteile vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <66> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 19 S. 12 und vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 16; Beschluss vom 9. November 1979 - BVerwG 4 N 1.78 u.a. - BVerwGE 59, 87 <102 f.> = Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 18 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 6; stRspr).
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(1) Die Klägerin kann nicht die Berücksichtigung derjenigen bauzeitlichen Immissionen verlangen, die dem Ausbau der A 3 zuzurechnen sind. Aufgrund des ihr gegenüber bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 ist sie zur Duldung dieser Belastungen verpflichtet (§ 17c FStrG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Dazu gehören auch die Lärm- und Schadstoffeinwirkungen durch den Bauverkehr zur Verwirklichung des planfestgestellten Ausbaus, der auf eigens dafür planfestgestellten Baustraßen - u.a. auf dem "Langen Kniebrecherweg" samt Überführung über die B 19 - abgewickelt wird.
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(2) Es ist ausgeschlossen, dass die Änderungen am Überführungsbauwerk für sich genommen zu Belastungen der mehr als 2 km entfernt wohnenden Klägerin durch Lärm und Schadstoffe führen können.
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Die Aufweitung der Breite zwischen den Geländern der Überführung von 5,5 m auf 6 m ist für den Umfang des Bauverkehrs und dessen räumliche und zeitliche Verteilung ohne jede Bedeutung. Diese Maßnahme dient nach den von der Klägerin nicht in Abrede gestellten Angaben des Beklagten der Anpassung der Fahrbahnbreite zwischen den Geländern an die Fahrbahnbreite der Rampen der Überführung; dadurch soll die dort vorgesehene Betriebsumfahrt für den Winter- und Straßenbetriebsdienst auf der A 3 verbessert werden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass durch die Aufweitung kein Gegenverkehr der Baufahrzeuge auf der Überführung ermöglicht wird. Die Kapazität der Baustraße "Langer Kniebrecherweg" bleibt also im Wesentlichen unverändert.
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Das gilt auch mit Blick auf die Vergrößerung der lichten Weite der Überführung. Die Annahme der Klägerin, dadurch könnten entlang der B 19 verlaufende Baustraßen unterhalb der Überführung eingerichtet werden, trifft nicht zu. Solche Baustraßen sind weder Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses noch des angefochtenen Änderungsbescheides. Sie können im Übrigen ausweislich der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung gezeigten Lichtbilder der bereits errichteten Überführung auch tatsächlich nicht eingerichtet werden. Soweit die Klägerin darauf verweist, die Überführung ermögliche einen Bauverkehr in Richtung Süden, ist nicht erkennbar, dass gerade die streitgegenständlichen Änderungsmaßnahmen hierfür verantwortlich sein könnten. Der angefochtene Bescheid legt keine weiteren Baustraßen fest und nur die planfestgestellten Baustraßen dürfen über den Gemeingebrauch hinaus durch Baufahrzeuge genutzt werden (Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 S. 40, 510 und 519 f.). Sollte die Klägerin geltend machen wollen, die Auf- und Abfahrrampen der Überführung seien tatsächlich abweichend von der Planung errichtet worden, um Möglichkeiten für einen Bauverkehr in Richtung Süden zu schaffen, ist dies für den vorliegenden Rechtsstreit unbeachtlich. Denn die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Streitigkeiten über fernstraßenrechtliche Planfeststellungsverfahren gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO umfasst nicht Streitigkeiten darüber, ob die konkrete Bauausführung sich im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses hält (vgl. Beschluss vom 11. Juli 2013 a.a.O. Rn. 8 f. m.w.N.). Gegenstand der nicht unter die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO fallenden Ausführungsplanung ist im Übrigen auch die für die Beurteilung der bauzeitlichen Belastungen eigentlich relevante genaue räumliche und zeitliche Verteilung des Bauverkehrs. Schließlich können die Änderungen am Überführungsbauwerk selbst keinen nennenswerten zusätzlichen Bauverkehr auslösen, weil die dazu notwendigen Bauarbeiten nur einen geringen Umfang aufweisen.
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(3) Die Klägerin meint, eine gerechte Abwägung ihrer Belange könne nicht auf die durch die Änderungen am Überführungsbauwerk verursachten Auswirkungen beschränkt werden, sondern setze eine auf sämtliche Änderungen und Ergänzungen der Planfeststellung bezogene Gesamtbetrachtung aller Immissionen voraus, auch wenn über die einzelnen Maßnahmen gesondert entschieden worden sei. Jedenfalls bei der danach gebotenen Berücksichtigung der kumulativen Wirkung aller Planänderungen bzw. -ergänzungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie in abwägungserheblicher Weise zusätzlichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt werde. Dem kann nicht gefolgt werden. Dabei kann offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Kläger mit Blick auf das drittschützende Gebot gerechter Abwägung privater Belange überhaupt verlangen kann, dass eventuelle nachteilige Auswirkungen anderer, von ihm nicht angefochtener Maßnahmen zur Änderung oder Ergänzung der Planfeststellung berücksichtigt werden. Wie ausgeführt, wird die Klägerin durch die hier angefochtene Planänderung in keiner Weise belastet. Selbst wenn unterstellt wird, dass es eine von mehreren Maßnahmen ausgehende, kumulativ auf die Klägerin wirkende und daher nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sachgerecht zu bewertende Immissionsbelastung gibt, können jedenfalls die Änderungen an der Überführung hierzu keinen Beitrag leisten.
- 16
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b) Der Klägerin steht eine Klagebefugnis auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensrecht zu. Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften ist regelmäßig kein Selbstzweck, sondern dient der besseren Durchsetzung von materiellen Rechten und Belangen. Daher können Verfahrensrechte eine Klagebefugnis grundsätzlich nicht selbständig begründen, sondern nur unter der Voraussetzung, dass sich der behauptete Verfahrensverstoß auf eine materiell-rechtliche Position des Klägers ausgewirkt haben kann (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 19; stRspr). Hier liegen die von der Klägerin in Anspruch genommenen Verfahrensrechte bereits nicht vor.
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aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass über die Änderungen am Überführungsbauwerk isoliert und nicht zusammen mit weiteren Änderungen und Ergänzungen der Planung entschieden wurde. Den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (§ 17d FStrG i.V.m. § 76 VwVfG, § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG) lässt sich nicht entnehmen, dass über alle Modifikationen eines Planfeststellungsbeschlusses nur einheitlich entschieden werden kann. Eine solche Pflicht zur Entscheidungskonzentration wäre im Übrigen auch nicht sachgerecht, weil sich die Notwendigkeit punktueller Änderungen der Planung nicht notwendig zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern nicht selten in unterschiedlichen Phasen der Bauausführung herausstellen wird. Die Klägerin kann einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf einheitliche Entscheidung - insbesondere auf Einbeziehung der Änderungen an der Überführung in die Planergänzung zur Behelfsbrücke der B 19 unter dem Gesichtspunkt einer "Folgemaßnahme" - auch nicht aus dem Abwägungsgebot herleiten. Wie bereits ausgeführt, ist die hier angefochtene Maßnahme in keiner Weise konfliktträchtig. Daher kann das Gebot der umfassenden Bewältigung aller durch die Planung aufgeworfenen Konflikte einer isolierten Zulassung der Planänderung nicht entgegenstehen.
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bb) Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die in der mündlichen Verhandlung am 17. Februar 2011 zu Protokoll erklärte Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, wonach "dem Vorhabenträger aufgegeben wird, vor Baubeginn seine Ausführungsplanung der Planfeststellungsbehörde zur Ergänzung oder Änderung der Planfeststellung oder zur Genehmigung vorzulegen." Sie meint, aufgrund dieser Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 könne sie verlangen, dass der Vorhabenträger die Ausführungsplanung als Ganzes vorlegt und die Planfeststellungsbehörde hierüber einheitlich durch Genehmigung oder durch Änderung bzw. Ergänzung der Planfeststellung entscheidet. Das trifft nicht zu.
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Hintergrund der Protokollerklärung ist die nach ständiger Rechtsprechung eröffnete Möglichkeit, die Bauausführung aus der Planfeststellung auszuklammern, soweit sie lediglich nach dem Stand der Technik lösbare Probleme aufwirft; die Pflicht zur Vorlage der Ausführungsplanung vor Baubeginn ermöglicht der Planfeststellungsbehörde die Prüfung und Entscheidung darüber, ob diese Grenze eingehalten ist (vgl. Urteil vom 3. März 2011 a.a.O. Rn. 50 m.w.N.). Es ist nicht erkennbar, weshalb die Planfeststellungsbehörde diesen Prüfauftrag von vornherein nur dann sachgerecht sollte wahrnehmen können, wenn die Ausführungsplanung als Ganze vorgelegt wird. Dass dem nicht so ist, zeigt im Übrigen das Urteil vom 3. März 2011, mit dem die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau der A 3 abgewiesen wurde. Darin wird die Frage, ob die weitere Ausführung verschiedener baulicher Maßnahmen (Abbruch der alten Talbrücke Heidingsfeld und deren Neubau, Errichtung des Katzenbergtunnels, Behelfsfahrbahn der A 3 und Behelfsbrücke der B 19) aus der Planfeststellung ausgeklammert werden durfte, jeweils gesondert abgehandelt (vgl. Rn. 51 bis 57, 63). Erst recht erschließt sich nicht, weshalb sich aus der Protokollerklärung eine Pflicht der Planfeststellungsbehörde ergeben sollte, über alle von ihr nach Prüfung der Ausführungsplanung als notwendig erachteten Änderungen oder Ergänzungen der Planung einheitlich zu entscheiden. Unabhängig davon ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass hier eine besondere Situation vorliegt, die ausnahmsweise für die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung über alle Modifikationen der Planfeststellung sprechen könnte.
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c) Die Klägerin rügt schließlich, die angefochtene Planänderung bilde nach § 3b UVPG zusammen mit sonstigen Änderungen der Planfeststellung und allen bauzeitlichen Maßnahmen wie insbesondere der Behelfsbrücke der B 19 und der Behelfsfahrbahn der A 3 ein Projekt, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 UmwRG und mit Blick auf die Anforderungen des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl EU Nr. L 26 S. 1) - UVP-RL - könne sie diesen Fehler unabhängig von der Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte und Belange i.S.d. § 42 Abs. 1 VwGO geltend machen. Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen.
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In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass sich ein Einzelner nicht unabhängig von der Betroffenheit in eigenen materiellen Rechten auf die Verfahrensfehler einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung berufen kann. § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG stellt keine "andere gesetzliche Bestimmung" i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO dar, die Einzelnen eine von der möglichen eigenen Betroffenheit unabhängige Klagebefugnis verleiht, sondern betrifft die Begründetheitsprüfung. Die genannten Fehler führen abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Begründetheit der Klage, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften des UVP-Rechts der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts Einzelner dienen; abweichend von § 46 VwVfG erstreckt sich die Begründetheitsprüfung außerdem nicht auf die Frage, ob diese Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können (Urteile vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 21 f. und - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3 jeweils Rn. 34; ebenso Beschluss vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 37.12 - juris Rn. 10). Insoweit wird den Einzelnen folglich eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition eingeräumt. Für deren Klagebefugnis bleibt es hingegen bei dem allgemeinen Erfordernis, dass eine eigene Betroffenheit durch die Zulassung des UVP-pflichtigen Vorhabens möglich erscheint.
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Wie der Senat ebenfalls bereits ausgesprochen hat, können vernünftigerweise keine Zweifel daran bestehen, dass diese Ausgestaltung der Klagebefugnis mit Unionsrecht vereinbar ist (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 23). Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. b UVP-RL kann das nationale Recht den Zugang zu Gerichten davon abhängig machen, dass der Kläger eine Rechtsverletzung geltend macht. Das nationale Recht kann nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 UVP-RL ferner in Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als Rechtsverletzung gilt. Den Mitgliedstaaten steht es frei, diese Rechtspositionen auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - Rs. C-115/09, Trianel - NJW 2011, 2779 Rn. 45). Das Unionsrecht gebietet mithin nicht die Einführung einer UVP-rechtlichen Popular- oder Interessentenklage ohne die Notwendigkeit eigener Betroffenheit. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Spielraum genutzt und auch für den Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie an der Systementscheidung zugunsten eines auf subjektive Rechte Einzelner zugeschnittenen Rechtsschutzes festgehalten (BTDrucks 16/2495 S. 7 f.). Auch widerspricht es offenkundig weder dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gericht zu gewähren noch dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip, dass ein Einzelner nur dann gegen die Zulassung eines UVP-pflichtigen Vorhabens klagen kann, wenn überhaupt die Möglichkeit besteht, dass er dadurch betroffen wird (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 23).
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Das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gibt keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Der Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 7. Januar 2004 - Rs. C-201/02, Wells - (NVwZ 2004, 593) geht fehl. Die im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens ergangene Entscheidung betraf nicht die Frage, ob Einzelne den Verfahrensmangel einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von eigener Betroffenheit klageweise geltend machen können. Dasselbe gilt für das von der Klägerin außerdem in Bezug genommene, im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens ergangene Urteil des Gerichtshofs vom 11. August 1995 - Rs. C-431/92 - (NVwZ 1996, 369); auf Rügemöglichkeiten Einzelner kam es in diesem Zusammenhang nicht an (Rn. 26). Wenn die Klägerin meint, nach Unionsrecht dürfe der Zugang zu Gericht allein von der Zugehörigkeit des Einzelnen zur "betroffenen Öffentlichkeit" i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e UVP-RL abhängig gemacht werden, übersieht sie, dass sich die den Mitgliedstaaten eröffnete Systementscheidung zugunsten eines subjektiven Rechtsschutzes nach dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 UVP-RL gerade auf den Zugang der "Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit" zu den Gerichten bezieht; zu Klagemöglichkeiten der allgemeinen Öffentlichkeit trifft die UVP-Richtlinie ohnehin keine Aussagen.
Tatbestand
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Die Klägerin, eine Gemeinde, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Punkt F. - Punkt St. T., Bauleitnummer (Bl.) 4571.
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Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist die Errichtung und der Betrieb einer rund 7,4 km langen 380 kV-Höchstspannungsfreileitung einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Folgemaßnahmen sowie der Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die Leitung dient einem Lückenschluss und soll die Energieversorgung der Stadt K. und ihrer Umgebung langfristig sichern. Insgesamt werden 23 Masten unterschiedlichen Bautyps neu errichtet, zugleich 17 Masten demontiert. Die planfestgestellte Trasse beginnt am Punkt F. unter Anschluss an die Höchstspannungsfreileitung Bl. 4123. Sie kreuzt aus südöstlicher Richtung kommend die Bundesautobahn A 44 und wird dann weitgehend parallel zu dieser Bundesautobahn geführt, berührt bei Mast 5 das Gebiet des "Campus F.", kreuzt an der Anschlussstelle F. die Landesstraße L 382 und verläuft weiter in weitgehend westlicher Richtung bis zu einer stillgelegten, nach Norden verlaufenden Eisenbahntrasse. Parallel hierzu wird sie zum Edelstahlwerk geführt. Dort verschwenkt sie leicht nach Westen und führt zum Punkt St. T.. Auf diesem etwa 2,9 km langen Teilstück befindet sich die rückzubauende Freileitung Bl. 2339. Die Trasse verläuft hier am Ortsrand der Klägerin, dem sie sich bis auf knapp 30 m von der Trassenmitte nähert. Über die gesamte Strecke wird die Trasse parallel zur bestehenden Freileitung Bl. 2388 geführt.
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Im Juni 2007 übersandte eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen dem Beklagten ein Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) zur Prüfung, ob das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfe. Das Gutachten verneinte eine solche Pflicht. Für die Umweltauswirkungen legte es eine dreistufige Skala ("erheblich" - "deutlich" - "gering") zu Grunde. Erhebliche Umweltauswirkungen verneinte es durchgängig, deutliche Auswirkungen bejahte es hinsichtlich einzelner Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 2 zum UVPG. Die zu erwartenden Umweltverschmutzungen (Ziff. 1.4 der Anlage 2 zum UVPG) schätzte das Gutachten als gering ein, da die Immissionen durch elektromagnetische Felder die maßgeblichen Grenzwerte einhielten. Nach Beteiligung verschiedener Fachdezernate stellte die Planfeststellungsbehörde des Beklagten in einem Vermerk vom 8. Januar 2008 fest, der Eingriff werde in keinem relevanten Schutzgut zu erheblichen Umweltauswirkungen führen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei daher nicht erforderlich. Auf Nachfrage teilte der Beklagte dem Beigeladenen unter dem 20. Dezember 2010 mit, es bleibe bei dieser Einschätzung.
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Zu den im Jahr 2010 eingereichten Planfeststellungsunterlagen beteiligte die Beklagte im März 2011 die Träger der öffentlichen Belange, darunter die Klägerin. Die Unterlagen wurden in der Zeit vom 28. März bis 9. Mai 2011 bei der Stadt K. ausgelegt.
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Die Klägerin nahm unter dem 5. Mai 2011, beim Beklagten eingegangen am 9. Mai 2011, zu dem Vorhaben Stellung. Die Trasse habe einen zu geringen Abstand zur Wohnbebauung im Bereich des Stadtteils B., es müsse geprüft werden, ob die Leitung negative gesundheitliche Wirkungen für die Bewohner der dortigen Wohngebiete habe. Die Unterlagen ließen die Stärke der elektromagnetischen Felder nicht erkennen. Es bedürfe einer Prüfung von Alternativen, sowohl einer Erdverkabelung als auch einer mindestens teilweisen Verlegung der Trasse. Die Planung berühre beim "Campus F." den Bebauungsplan Nr. 653, dort reiche der Schutzstreifen auf einer Breite von ca. 300 m bis zu 5 m in die festgesetzten Gewerbegebiete hinein. Weiter rügte die Klägerin Mängel hinsichtlich des Landschafts- und Artenschutzes sowie des Grund- und Trinkwasserschutzes während der Bauphase. Schließlich forderte sie, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.
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Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 legte die Klägerin ein Gutachten zu den Möglichkeiten und Auswirkungen einer 380-kV-Erdkabelverlegung vor. Es beschreibt die technischen, betrieblichen und umweltrelevanten Eigenschaften von Freileitungen und Erdkabeln und vergleicht die Wirtschaftlichkeit. Die Ausführung der Leitung als Freileitung stelle, so das Gutachten, aus technischer, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht eindeutig die zu bevorzugende Variante dar. Die Einwendungen der Klägerin wurden in einem nicht-öffentlichen Erörterungstermin am 28. Februar 2012 erörtert.
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Der Beklagte stellte den Plan mit Planfeststellungsbeschluss vom 7. November 2012 fest und stellte ihn der Klägerin am 27. November 2012 zu.
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Die Klägerin ist Eigentümerin zahlreicher Grundstücke, für die der Planfeststellungsbeschluss eine Enteignung für zulässig erklärt. Wegen der bereits bestehenden Leitung (Bl. 2388), aber auch wegen einer 1962 planfestgestellten, aber nicht verwirklichten Leitung ist eine Vielzahl dieser Grundstücke dinglich zugunsten von Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen belastet. Die privatrechtliche Situation weicht im Detail voneinander ab. Von elektromagnetischen Feldern und Lärm sind einzelne Grundstücke im Eigentum der Klägerin betroffen, die auf der Grundlage von Erbbaurechten zu Wohnzwecken genutzt werden.
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Die Klägerin hat am 20. Dezember 2012 Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung bedurfte das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Landschaftsschutz sei unzutreffend abgearbeitet. Die nur knapp unterschrittenen Grenzwerte der 26. BImSchV seien wissenschaftlich überholt und die entstehenden Immissionen unzumutbar. Die Richtwerte der TA Lärm seien überschritten, die hierzu vorgelegten Unterlagen unvollständig. Der Planfeststellungsbeschluss greife durch eine rechteckige Gestaltung der Schutzstreifen mehr als erforderlich auf ihr Eigentum zu. Den Gefahren durch Mastbrüche werde nicht ausreichend begegnet. Die Alternativenprüfung sei unzureichend. Mindestens teilweise dränge sich die Ausführung als Erdkabel auf, insbesondere im Bereich zwischen dem Edelstahlwerk und dem Punkt St. T..
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Die Klägerin beantragt,
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den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. November 2012 für den Neubau der 380 kV-Höchstspannungsleitung Punkt F. - Punkt St. T., Bl. 4571 in den Abschnitten Punkt F. - Punkt St. T. aufzuheben,
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hilfsweise,
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den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 7. November 2012 zu verpflichten, über Schutzvorkehrungen zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin und zum Schutz ihres Grundeigentums, insbesondere vor Immissionen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin sei hinsichtlich mehrerer Einwendungen präkludiert. Den Anforderungen an eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls habe die Beklagte genügt. Verstöße gegen Vorschriften des Landschaftsschutzes könne die Klägerin nicht rügen. Die Grenzwerte der 26. BImSchV seien gewahrt und in der Sache nicht zu beanstanden. Hinsichtlich des Lärmschutzes mache die Klägerin keine eigenen Belange geltend. Im Übrigen würden die maßgeblichen Werte der TA-Lärm eingehalten. Der Planfeststellungsbeschluss leide nicht an Abwägungsfehlern. Die Alternativenprüfung sei rechtmäßig. Insbesondere sei eine Führung als Erdkabel gesetzlich ausgeschlossen, jedenfalls fehlerfrei abgewogen und abgelehnt worden. Sicherheitsgefahren beständen nicht, weil die Anlage die allgemein anerkannten Regeln der Technik beachte.
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Die Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klage sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Der Klägerin fehle die Klagebefugnis. Sie sei als Gemeinde nicht Trägerin von Grundrechten und mache sich hinsichtlich einzelner Belange zur Sachwalterin fremder Interessen. Ihre Planungshoheit sei nicht betroffen. Die Klägerin habe kein subjektives öffentliches Recht auf Erdverkabelung. Schließlich sei die Klägerin mit einer Reihe von Einwänden präkludiert, so auch mit der Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung. In der Sache hält die Beigeladene die Klage für unbegründet und verteidigt den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss.
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Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat einen Eilantrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage mit Beschluss vom 28. Februar 2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 = ER 2013, 119) abgelehnt.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Dem Planfeststellungsbeschluss hätte eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorausgehen müssen. Dieser Mangel führt nicht zur Aufhebung des Beschlusses, aber zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit.
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A. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 3 des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) i.V.m. Nr. 14 der Anlage zum EnLAG im ersten und letzten Rechtszug, weil das Vorhaben ein Teil des Neubaus der Höchstspannungsleitung Niederrhein - Utfort - Osterath mit einer Nennspannung von 380 kV ist.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Eine Verletzung von Rechten der Klägerin kann nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden (vgl. Urteil vom 22. Februar 1984 - BVerwG 1 C 24.92 - BVerwGE 95, 133 <134> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 202 S. 2).
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Die Klägerin kann wie ein privater Grundstückseigentümer geltend machen, die (teilweise) Inanspruchnahme der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke verletze das Gebot einer gerechten Abwägung ihrer eigenen Belange (Urteil vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <101> = Buchholz 451.22 AbfG Nr. 48 S. 125 und Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17). Hiervon ist auch der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinen Beschlüssen vom 9. Oktober 2012 (BVerwG 7 VR 10.12 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 31 Rn. 7) und vom 28. Februar 2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 7) ausgegangen. Anders als die Beigeladene meint, spielt es nur für die Abwägung, nicht aber für die Klagebefugnis eine Rolle, ob die betroffenen Grundstücke der Klägerin einen Bezug zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben haben (vgl. Urteil vom 24. November 1994 - BVerwG 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <151 f.> = Buchholz 451.22 § 7 Abfallbeseitigung Nr. 1 S. 9 und Beschluss vom 18. März 2008 - BVerwG 9 VR 5.07 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 197 Rn. 16).
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Der Klagebefugnis steht nicht entgegen, dass im Bereich der zurückzubauenden Freileitung (Bl. 2339) - also zwischen dem Edelstahlwerk und dem Punkt St. T. - die vorhandenen Schutzstreifen ausreichen (S. 32 des Planfeststellungsbeschlusses) und mindestens zu einem Teil dinglich gesichert sind. Gegenstand der Planfeststellung ist ein Gesamtbauvorhaben, das die Errichtung einer Freileitung bei Rückbau einer bestehenden Freileitung umfasst. Gegenüber diesem Eigentumszugriff ist die Klägerin klagebefugt, da sie ihre Klage mit der Hoffnung verbinden kann, dass eine veränderte Planung bestehende Belastungen entfallen lässt, ohne neue Lasten zu begründen (Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17).
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Ob die Klagebefugnis auch aus einer möglichen Beeinträchtigung der Planungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, kann offen bleiben. Mit Bejahung der Klagebefugnis wegen der Eigentumsbetroffenheit ist die Klage insgesamt zulässig. § 42 Abs. 2 VwGO lässt es nicht zu, die Klage nach unterschiedlichen Klagegründen aufzuspalten mit der Folge, einzelne Klagegründe im Wege einer Art Vorprüfung endgültig auszuschalten und die sachliche Nachprüfung des klägerischen Vorbringens auf die verbleibenden Klagegründe zu beschränken (Urteil vom 20. Mai 1998 - BVerwG 11 C 3.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 S. 52). Gleiches gilt für den Einwand der Beigeladenen, die Klägerin sei mit bestimmten Einwendungen präkludiert. Denn die mögliche Präklusion von einzelnen Einwendungen berührt nicht die Klagebefugnis, sondern betrifft den Umfang der Begründetheitsprüfung.
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B. Die Klage ist überwiegend begründet. Zwar war der Hauptantrag auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses abzuweisen, die Klage hat aber mit dem in diesem Antrag als "Minus" enthaltenen Begehren Erfolg, die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72 <74> = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 36) (I.). Die übrigen Einwendungen der Klägerin führen nicht auf Rechtsfehler des Planfeststellungsbeschlusses (II.).
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I. 1. a) Die Klägerin als von der Fachplanung betroffene Gemeinde ist auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche Eigentum an den Grundstücken, die durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf Vollüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <391 f.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 114 S. 123, Beschlüsse vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 10 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 26). Auch eine enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses zu ihren Lasten führt nicht zu dem aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG hergeleiteten Anspruch auf vollumfängliche Prüfung, da die Klägerin nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ist (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <100 f.>).
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Damit scheidet eine Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses an naturschutzrechtlichen Regelungen von vornherein aus (Beschluss vom 18. März 2008 - a.a.O. Rn. 12). Dies gilt auch, soweit die Klägerin untere Landschaftsbehörde nach § 8 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft Nordrhein-Westfalen (Landschaftsgesetz - LG NRW) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV. NRW S. 568), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 16. März 2010 (GV. NRW S. 185) ist. Insoweit nimmt sie zwar Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (§ 8 Abs. 3 Satz 1 LG NRW) wahr, sie wird aber nicht Begünstigte des materiellen Naturschutzrechtes, wenn - wie hier die Planfeststellungsbehörde (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW) - eine andere Behörde für naturschutzrechtliche Entscheidungen zuständig ist.
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b) Maßgeblich für die Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses ist die Rechtslage bei dessen Erlass am 7. November 2012, soweit nicht spätere Rechtsänderungen einen vormaligen Rechtsverstoß entfallen lassen (Urteil vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 Rn. 52).
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2. Der Einwand der Klägerin, vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses habe es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft, ist nicht nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert (a). Er hat in der Sache Erfolg. Auch unter Berücksichtigung der durch § 3a Satz 4 UVPG eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (b) ist festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist, weil es vor seinem Erlass einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurfte (c). Dieser Fehler führt nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, aber nach § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit (d).
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a) Die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert.
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Gemäß § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG sind Äußerungen, Einwendungen und Stellungnahmen nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach Satz 1 ausgeschlossen. Diese Mitwirkungslast gilt uneingeschränkt auch für eine Gebietskörperschaft, die im Planfeststellungsverfahren als Behörde und damit als Trägerin öffentlicher Belange zur Stellungnahme aufgefordert worden ist (vgl. Urteil vom 9. Februar 2005 - BVerwG 9 A 62.03 - NVwZ 2005, 813 <815>
§ 78 vwvfg nr. 10 nicht abgedruckt> zur Mitwirkungslast nach § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG). Die Einwendungsfrist, über die entsprechend § 43b Satz 3 EnWG belehrt worden ist, lief hier am 9. Mai 2011 ab. Der damit eintretende Einwendungsausschluss erstreckt sich auch auf das gerichtliche Verfahren (Urteile vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 7.97 - BVerwGE 104, 337 <343> = Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 S. 32 und vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 - NVwZ 2013, 1605 Rn. 65).
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Der 7. Senat hat dargelegt (Beschluss vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 12), dass das Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 2011 den Anforderungen an ein Einwendungsschreiben einer Gebietskörperschaft genügt. Diese Einschätzung teilt der erkennende Senat. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen hat die Klägerin auch substantiiert eine Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert. Die Klägerin erhob diese Forderung vor dem Hintergrund, dass nach ihrer Auffassung "dem Antrag für das Planfeststellungsverfahren entscheidungserhebliche Unterlagen fehlen und darüber hinaus weitere Belange und umweltbezogene Auswirkungen geprüft" werden sollten. Welche Umweltbelange die Klägerin im Auge hatte, ergab sich aus dem Schreiben im Übrigen.
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Anders als die Beigeladene meint, ist die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht in Folge des Erörterungstermins vom 28. Februar 2012 präkludiert. Allerdings ist es unzulässig, im Klageverfahren auf frühere Einwendungen zurückzukommen, wenn im Anhörungsverfahren eine streitbefriedende Erörterung gelingt (Beschluss vom 17. Februar 1997 - BVerwG 4 VR 17.96 - LKV 1997, 328
§ 17 fstrg nr. 127 nicht abgedruckt>). Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor. Die auf naturschutzfachliche Erwägungen bezogene Äußerung eines Mitarbeiters der Klägerin in deren Funktion als untere Landschaftsschutzbehörde im Erörterungstermin vom 28. Februar 2012 konnte nicht dahin verstanden werden, für die Klägerin als planbetroffene Gebietskörperschaft solle die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung fallen gelassen werden.
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Hiervon ausgehend bedarf es weder einer Entscheidung, ob die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung den fachplanungsrechtlichen Regelungen über die Präklusion unterliegt (offengelassen in Beschluss vom 10. Oktober 2006 - BVerwG 9 B 27.05 - NVwZ 2007, 84 Rn. 19
§ 11 uvpg nr. 4 nicht abgedruckt>; dafür OVG Lüneburg, Urteil vom 19. September 2013 - 7 KS 209/11 - juris Rn. 63; Neumann, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 73 Rn. 98), noch, ob - bejahendenfalls - gegen eine solche nationale Regelung unionsrechtliche Bedenken bestehen.
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b) Gemäß § 3a Satz 4 UVPG unterliegt die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die behördliche Einschätzung ist im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat (Urteil vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 26 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2).
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Anknüpfend an diese der zuständigen Behörde in § 3a Satz 4 UVP eingeräumte Beurteilungsermächtigung stellt § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG klar, dass die behördliche Entscheidung im gerichtlichen Verfahren unter anderem darauf zu überprüfen ist, ob das anzuwendende Recht verkannt wurde. Das Umweltrechtsbehelfsgesetz findet hier Anwendung, weil infolge der von § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Ziffer 19.1.3 der Anlage 1 zum UVPG angeordneten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls für den in Rede stehenden Planfeststellungsbeschluss eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG bestehen kann (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 18 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: April 2013, § 1 UmwRG Rn. 29).
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Der Anwendung von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG steht nicht entgegen, dass die Vorschrift nach Art. 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) erst am 29. Januar 2013 und damit nach Klageerhebung in Kraft getreten ist. Die geänderten Vorschriften des Gesetzes gelten nach § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfsverfahren nach § 2, die am 12. Mai 2011 anhängig waren oder nach diesem Tag eingeleitet worden sind und die am 29. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Zwar handelt es sich hier nicht um den Rechtsbehelf einer anerkannten Vereinigung nach § 2 Abs. 1 UmwRG, der Gesetzgeber knüpft in § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG aber an allgemeine Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts an, die gleichfalls eine Anwendung des § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG fordern (vgl. BTDrucks 17/10957 S. 18; Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 194 Rn. 1).
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c) Der Beklagte hat die UVP-Vorprüfung nicht entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt und damit das anzuwendende Recht im Sinne von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG verkannt. Die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls hätte zu der Annahme führen müssen, dass das Vorhaben unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG haben kann, so dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte. Dies folgt aus der bei der Vorprüfung absehbaren Belastung der Wohnbevölkerung mit Immissionen durch elektromagnetische Felder.
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Das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls verneint erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen der Sache nach mit dem Hinweis, dass die Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV <1996>) i.d.F. vom 16. Dezember 1996 (BGBl I S. 1966) nicht überschritten werden. Sie setzt damit die Schwelle der erheblichen Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG mit der Schwelle der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 BImSchG i.V.m. der 26. BImSchV gleich, die durch Abwägung nicht überwindbar ist (vgl. Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 23). Dieser Sichtweise entspricht es, dass der Gutachter der Beigeladenen die Umweltauswirkungen durch elektromagnetische Felder auf einer dreistufigen Skala als "gering" einschätzt, ohne der Frage nachzugehen, inwieweit sich die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte bereits dem maßgeblichen Grenzwert nähern.
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Dies verkennt den rechtlichen Maßstab. Nach § 3c Satz 1 UVPG ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht erst dann, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können (Urteil vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 30). Denn die Umweltverträglichkeitsprüfung soll die Umweltbelange so herausarbeiten, dass sie in die Abwägung in gebündelter Form eingehen (Urteil vom 18. November 2004 - BVerwG 4 CN 11.03 - BVerwGE 122, 207 <211> = Buchholz 406.251 § 17 UVPG Nr. 1 S. 6). Sie ist ein formalisierter Zwischenschritt mit dem Ziel einer zunächst auf die Umweltbelange beschränkten Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens im Rahmen der Abwägung aller Belange und dient als wirkungsvolle Methode, die Umweltbelange in den Abwägungsprozess einzuführen (Urteil vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <247> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 62 f.). Gerade die Abwägungsentscheidung lässt das Planfeststellungsrecht als besonders geeignetes Trägerverfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung erscheinen (Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 12 UVPG Rn. 83). Hiervon ausgehend muss die Umweltverträglichkeitsprüfung daher grundsätzlich auch die Abwägungsentscheidung vorbereiten, wenn Umweltauswirkungen in die Abwägung eingehen und damit bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht (Urteile vom 13. Dezember 2007 a.a.O., vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 34 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2 und vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 32 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 32; vgl. auch BTDrucks 14/4599 S. 95).
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Im Luftverkehrsrecht hat der Senat angenommen, dass nachteilige betriebsbedingte Auswirkungen bei einer Änderungsgenehmigung zu berücksichtigen und damit grundsätzlich im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG erheblich sind, wenn sie mehr als geringfügig und damit abwägungserheblich sind (Urteile vom 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 30 und vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 30). Jedenfalls bei Überschreiten der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle könne die Erheblichkeit allenfalls verneint werden, wenn bereits der Vorhabenträger Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen vorgesehen habe und diese die nachteiligen Umweltauswirkungen offensichtlich ausschlössen. Auch in der Anordnung von Betriebsbeschränkungen zugunsten von Anwohnern hat der Senat einen Anhaltspunkt für die Abwägungserheblichkeit gesehen (Urteil vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 33). Hiervon ausgehend musste der Beklagte vorliegend ebenfalls erhebliche Umweltauswirkungen annehmen. Denn bei der Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung gehört zu den weiteren erheblichen Belangen in der Abwägung das Interesse an jeglicher Verschonung vor elektromagnetischen Feldern, auch wenn diese die Grenzwerte unterschreiten (Beschlüsse vom 22. Juli 2010 a.a.O. Rn. 35 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 59).
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Die Rechtsprechung des Senats ist auf Vorbehalte gestoßen. Ihr mag entgegnet werden, dass nach ihren Maßstäben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 1 UVPG im Widerspruch zur Konzeption des Gesetzgebers nahezu zwangsläufig zur Annahme erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen und damit zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung führe. Denn es erscheint kaum ein der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls unterliegendes Vorhaben der Fachplanung denkbar, das nicht jedenfalls abwägungserhebliche Umweltauswirkungen hat (zweifelnd daher etwa OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 5 Bs 24/10 - NordÖR 2010, 206 - juris Rn. 21). Diesen Vorbehalten braucht der Senat hier indes nicht nachzugehen. Zwar sind bei Höchstspannungsfreileitungen regelmäßig Immissionen elektromagnetischer Felder in der Abwägung zu bewältigen. Vorliegend war aber auf einem erheblichen Teilabschnitt eine Belastung der Wohnbevölkerung in einer Stärke zu erwarten, die so nah an einen Grenzwert heranreichte, dass im Zeitpunkt der Vorprüfung ein Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses nicht ausgeschlossen werden konnte. Denn die Abwägung des Schutzes vor elektromagnetischer Strahlung ist ausgehend von den Grenzwerten zu gewichten. Dieser Belang ist umso gewichtiger, je näher die Belastung an die Grenzwerte heranreicht, sein Gewicht ist umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleibt. Insoweit orientiert sich der Senat an dem im Fluglärmschutzrecht entwickelten Ansatz (Urteil vom 4. April 2012 - BVerwG 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 190 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 37). Nach einer Berechnung der Beigeladenen aus dem Mai 2010 - und damit vor der erneuten Vorprüfung (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 29 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3) - war zwischen Mast 21 und 22 angrenzend an Wohngebiete in B. eine elektrische Feldstärke von 3,8 kV/m und eine magnetische Flussdichte von 21,0 µT zu erwarten. Die elektrische Feldstärke näherte sich damit deutlich dem Grenzwert von 5,0 kV/m und betraf absehbar auf einer nicht unerheblichen Länge der Trasse Wohnbebauung. Die prognostizierte Belastung warf erkennbar die Frage auf, ob im Rahmen der Abwägung eine Senkung dieser Belastung in Betracht kam. Es wäre Aufgabe einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewesen, diese Abwägung vorzubereiten. Die Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG hätte die Planfeststellungsbehörde deshalb nicht verneinen dürfen.
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d) Die Fehlerfolge ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 UmwRG i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG. Namentlich ist § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG anzuwenden, der durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) mit Wirkung vom 29. Januar 2013 erlassen worden ist, und der die bisherige Rechtslage klarstellt (BTDrucks 17/10957 S. 17; vgl. bereits Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 33).
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Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Ein solcher Fall liegt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch vor, wenn - wie hier - eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Die Vorschrift gilt nach § 4 Abs. 3 UmwRG für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO und damit für die Klägerin entsprechend. Sie wird so auf Rechtsbehelfe erstreckt, deren Zulässigkeit von der Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte abhängt (BTDrucks 16/2495 S. 14). § 4 Abs. 3 UmwRG begründet damit nicht die Klagebefugnis, sondern verändert gegenüber der allgemeinen Regelung des § 46 VwVfG NRW die Begründetheitsprüfung (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 22). Hat die Behörde eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft unterlassen, ist dieser Fehler erheblich, ohne dass es nach nationalem Recht darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob dieser Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte. Der Verfahrensfehler führt damit zur Begründetheit der Klage, unabhängig von den sonst nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltenden einschränkenden Maßgaben (Beschluss vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014 Rn. 10).
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Ungeachtet des Wortlauts des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG führt der festgestellte Rechtsfehler hier nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Der auf den Regelfall des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugeschnittene Wortlaut ersetzt die spezielle Fehlerfolgenregelung des § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG nicht, vielmehr geht die letztgenannte Regelung als speziellere vor (ebenso Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 34 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3 zu § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG). Vorliegend kann es mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit nach § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG sein Bewenden haben. Denn der eingetretene Verfahrensfehler kann in einem ergänzenden Verfahren behoben werden.
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Dies begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 36). Denn die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit stellt sicher, dass die Zulassungsentscheidung nicht ausgeführt werden darf, bevor die unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung nachgeholt und die in ihrem Rahmen getroffenen Feststellungen und Bewertungen der Umweltauswirkungen des Vorhabens in einer erneuten Zulassungsentscheidung gewürdigt worden sind. Diese Würdigung muss ergebnisoffen erfolgen und ist wiederum mit Rechtsbehelfen angreifbar. Eine Umgehung oder Nichtanwendung der Regelungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung wird dadurch verhindert. Diese können vielmehr ihre volle Wirkkraft entfalten.
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II. Die weiteren von der Klägerin gerügten Rechtsverletzungen führen schon deshalb nicht zu einem weitergehenden Klageerfolg, weil sie - ihr Vorliegen unterstellt - nicht von einer solchen Art und Schwere wären, dass die Planung als Ganzes von vornherein in Frage gestellt schiene (vgl. Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 83 = Buchholz 406.11 § 7 BauGB Nr. 4). Es bedarf insoweit aber auch weder einer Planergänzung noch der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens mangels Rechtsfehlern zu Lasten der Klägerin. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob einzelne Einwendungen nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert sein könnten und - bejahendenfalls - ob diese Präklusion unionsrechtlichen Bedenken begegnet.
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1. Die Planrechtfertigung liegt vor. Das Vorhaben ist gemessen an den Zielen des zugrunde liegenden Fachplanungsgesetzes vernünftigerweise geboten (Urteile vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <168> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 59 S. 60 f. und vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 27). Die planfestgestellte Trasse ist Teil des Vorhabens Nr. 14 der Anlage zum EnLAG und entspricht damit nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EnLAG den Zielsetzungen des § 1 EnWG. Seine energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf stehen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EnLAG fest. Diese Feststellungen sind für die Planfeststellung und die Plangenehmigung nach den §§ 43 bis 43d EnWG gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 EnLAG verbindlich. Dies gilt auch für das gerichtliche Verfahren (Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 - NuR 2013, 794 Rn. 35 - zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen).
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Der Einwand der Klägerin, die Schutzstreifen griffen auf ihre Grundstücke zu umfangreich zu, betrifft nicht die Planrechtfertigung. Für sie reicht aus, dass die mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen generell geeignet sind, entgegenstehende Eigentumsrechte zu überwinden. Ob das Wohl der Allgemeinheit den Zugriff auf ein einzelnes Grundstück letztlich erfordert, hängt von der weiteren planerischen Konkretisierung des Vorhabens ab und ist eine Frage der fachplanerischen Abwägung (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 183 f. = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23).
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2. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt - abgesehen von dem unter B I. festgestellten Rechtsverstoß - kein zwingendes Recht. Die planfestgestellte Höchstspannungsfreileitung unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Da sie keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV bedarf, ist sie nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
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Diese Anforderungen dienen dem allgemeinen öffentlichen Interesse und dem Schutz Betroffener und sind nicht dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet (Urteil vom 18. Juli 2013 a.a.O. Rn. 64). Die Klägerin könnte indes einen Eingriff in ihr Eigentum rügen, wenn Nutzer und Bewohner ihrer Anlagen in rechtswidriger Weise Immissionen ausgesetzt würden (vgl. Urteil vom 26. März 2007 - BVerwG 7 B 73.06 - Buchholz 451.171 § 9b AtG Nr. 2 Rn. 10).
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a) Hinsichtlich elektromagnetischer Felder konkretisiert die 26. BImSchV (1996) die Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der 26. BImSchV <1996>).
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Die planfestgestellte Leitung, eine Niederfrequenzanlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a der 26. BImSchV (1996), ist nach § 3 Satz 1 der 26. BImSchV (1996) i.V.m. dem Anhang 2 so zu errichten und zu betreiben, dass in ihrem Einwirkungsbereich in Gebäuden oder auf Grundstücken, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, bei höchster betrieblicher Auslastung unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere Niederfrequenzanlagen der Effektivwert der elektrischen Feldstärke 5 kV/m und der Effektivwert der magnetischen Flussdichte 100 µT nicht überschreitet. Zum Zwecke der Vorsorge haben nach § 4 der 26. BImSchV (1996) bei der Errichtung einer Niederfrequenzanlage in der Nähe von Wohnungen oder Schulen in diesen Gebäuden oder auf diesen Grundstücken auch die maximalen Effektivwerte diesen Anforderungen zu entsprechen. Diese Vorgaben wahrt das streitgegenständliche Vorhaben.
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Die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden (stRspr, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 25, vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 20 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 33 ff.). Die staatliche Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG fordert nach derzeitigem fachwissenschaftlichen Kenntnisstand keine niedrigeren Grenzwerte. Der Verordnungsgeber verfügt bei der Erfüllung seiner Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit über einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, der auch Raum lässt, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht wird erst verletzt, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Von einem solchen völlig unzureichenden Schutz kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 <202>, vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 - NJW 2002, 1638 <1639> sowie Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 - 1 BvR 382/05 - NVwZ 2007, 805 = juris Rn. 18).
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Gemessen hieran ist davon auszugehen, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) wirksam akute Beeinträchtigungen der Gesundheit verhindern. Der Verordnungsgeber hat bei der Novelle zur 26. BImSchV (Art. 1 der Verordnung vom 14. August 2013 - BGBl I S. 3259) an dem Grenzwert für die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte festgehalten (Anhang 1
i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV) und sich dabei auf Empfehlungen der 2010 veröffentlichten Guidelines der International Commission on non-Ionizing radiation protection (ICNIRP) berufen (veröffentlicht in Health Physics 99 <6>: S. 818 <2010>). Auch mögliche Langzeitfolgen lassen nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte. Die zu Langzeitfolgen vorliegende Befundlage erweist sich als "nicht stark genug, um einen Kausalzusammenhang zu belegen, aber ausreichend, um eine Besorgnis zu begründen" (Sachverständiger Matthes, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 17. WP, 92. Sitzung vom 27. Februar 2013, Protokoll 17/92 S. 10). Diese Bewertung entspricht im Kern der Einschätzung der Strahlenschutzkommission (Vergleichende Bewertung der Evidenz von Krebsrisiken durch elektromagnetische Felder und Strahlungen, Stellungnahme der Strahlenschutzkommission vom 14./15. April 2011, S. 52 ff.). Die von der Klägerin angeführten wissenschaftlichen Arbeiten ziehen diese Einschätzung nicht in Zweifel. Der Strahlenschutzkommission war der Standpunkt von J. Schütz und A. Ahlborn bekannt, auf die sich die Klägerin beruft (vgl. Stellungnahme, a.a.O. S. 77). Ob die weiter von der Klägerin vorgelegte Tabelle zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen bei Kindern und der Wohnentfernung zu Höchstspannungsfreileitungen eine Risikoerhöhung belegt, mag offen bleiben. Jedenfalls bietet sie keinen Anhalt für die Annahme, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte.
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b) Den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert für anlagenbezogene Lärmimmissionen die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503). Ihr kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmtem Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (Urteile vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 9 und vom 29. November 2012 - BVerwG 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 Rn. 18). Den Anforderungen der TA Lärm genügt das Vorhaben.
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Das vom Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Gutachten des TÜV Hessen prognostiziert an den am höchsten belasteten Immissionsorten einen nächtlichen Beurteilungspegel von geringfügig mehr als 35 dB(A). Substantiierte Einwendungen dagegen hat die Klägerin nicht erhoben. Insbesondere fehlt ein Anhaltspunkt für den Verdacht, bei den der Prognose zugrunde liegenden Messwerten sei ein Messabschlag nach Ziffer 6.9 TA Lärm in Abzug gebracht worden.
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Den Anforderungen der TA Lärm ist auch unter der Annahme genügt, dass die am höchsten belasteten Immissionsorte in reinen Wohngebieten liegen. Wegen ihrer Randlage zum Außenbereich gegenüber einem privilegierten Außenbereichsvorhaben (hier: § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) und ihrer Vorbelastung durch die fortbestehende Freileitung Bl. 2388 sind die Grundstücke nur vermindert schutzwürdig (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2000 - BVerwG 7 B 4.10 - BRS 78 Nr. 117 Rn. 32). Daher ist der maßgebliche Immissionsrichtwert nach Ziffer 6.7 der TA Lärm ("Gemengelage") zu ermitteln. Hier reicht der Schutz eines allgemeinen Wohngebiets aus. Der damit nach Ziffer 6.1 Buchst. d TA Lärm einzuhaltende Immissionsrichtwert von 40 dB(A) für die Nacht wird gewahrt.
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Diese Einschätzung liegt auf der sicheren Seite. Das Gutachten des TÜV Hessen geht von einem Datenpool aus, dem Messwerte für 4er-Bündel-Seile in der Ausführung 4 * Al/St 265/35 zugrunde liegen (S. 5, 12). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss in dem Abschnitt Edelstahlwerk bis Punkt Sankt T. die Verwendung dickerer Phasenseile (Al/St 550/70) zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm festsetzt (Erläuterungsbericht, S. 30). Diese Phasenseile lassen wegen der geringeren Randfeldstärken eine deutliche Minderung der Emissionen gegenüber den prognostizierten Werten erwarten (Gutachten TÜV Hessen S. 39).
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3. Nach § 43 Satz 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Dieses Abwägungsgebot ist nicht verletzt.
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Dabei ist die gerichtliche Kontrolle der Auswahl zwischen verschiedenen Planungsalternativen als Abwägungsentscheidung auf erhebliche Abwägungsmängel begrenzt (§ 43 Satz 3, § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG). Ihre Rechtmäßigkeit hängt nicht davon ab, ob für eine andere planerische Lösung einleuchtende Gründe angeführt werden können. Es reicht vielmehr aus, wenn die Behörde ernsthaft in Betracht kommende Alternativen prüft, sich mit dem Für und Wider der jeweiligen Lösung auseinandersetzt und tragfähige Gründe für die gewählte Lösung anführen kann. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit sind erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Lösung sich unter Berücksichtigung der abwägungserheblichen Belange als die eindeutig bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellt (vgl. Urteile vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <249 f.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 65 f. und vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41 m.w.N.
).
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a) Die planfestgestellte rechteckige statt der von der Klägerin geforderten elliptischen Form der Schutzstreifen ist im Ergebnis nicht abwägungsfehlerhaft. Der Beklagte hält die Nutzungsbeschränkungen bei rechteckigen Schutzstreifen für leichter erkennbar; diese Form entspreche der Eintragung im Grundbuch und ermögliche Wartungsarbeiten im Bereich der Masten. Diese Gesichtspunkte können die entgegenstehenden Eigentümerinteressen der Klägerin überwinden, die von der Form der festgelegten Schutzstreifen nur am Rande berührt werden. Dass entsprechende Darlegungen im Planfeststellungsbeschluss fehlen, ist jedenfalls nach § 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG unbeachtlich, weil ein etwaiger Mangel auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen ist.
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b) Besondere Vorkehrungen gegen die Gefahr von Mastbrüchen brauchte der Planfeststellungsbeschluss nicht zu treffen. Eine Planfeststellungsbehörde hat sich Gewissheit darüber zu verschaffen, dass ein durch das Vorhaben aufgeworfenes tatsächliches Problem bei der Ausführung des Planfeststellungsbeschlusses beherrschbar ist und das hierfür notwendige Instrumentarium bereit steht. Der Planfeststellungsbeschluss kann daher die Bauausführung ausklammern, soweit der Stand der Technik für die zu bewältigenden Probleme geeignete Lösungen zur Verfügung stellt und die Beachtung der entsprechenden technischen Vorgaben gewährleistet ist (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 97 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 201). Nach § 49 Abs. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Der Erläuterungsbericht nennt die zu beachtenden technischen Regelwerke (S. 16 f.). Der Planfeststellungsbeschluss durfte davon ausgehen, dass diese Regelungen ausreichende Möglichkeiten bereitstellen, um hinreichend vor Mastbrüchen zu schützen.
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c) Der Planfeststellungsbeschluss verletzt nicht die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnde Planungshoheit der Klägerin. Der 7. Senat hat dies in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 28. Februar 2013 dargelegt und dabei insbesondere das Gebiet des Bebauungsplans Nr. 653 in den Blick genommen (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 23). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Die Klägerin ist ihr in der mündlichen Verhandlung nicht mehr entgegengetreten.
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d) Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 1 Abs. 1 EnLAG i.V.m. der Anlage sowie § 43 Abs. 1 Nr. 1 EnWG die von der Klägerin geforderte Führung als Erdkabel ausschließt. Der Planfeststellungsbeschluss hat sich jedenfalls ohne Abwägungsfehler gegen diese Alternative ausgesprochen (Beschluss vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 32 f.).
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Er hat die Vor- und Nachteile einer Freileitung und eines Erdkabels in den Blick genommen, gewürdigt und der Ausführung als Freileitung in Übereinstimmung mit dem von der Klägerin beauftragten Gutachter den Vorrang eingeräumt. Störungen seien bei Freileitungen besser beherrschbar, der Reparaturaufwand geringer, die zu erwartende Lebensdauer höher und die Kosten erheblich niedriger. Ein Erdkabel entlaste zwar das Landschaftsbild, belaste aber die Schutzgüter Biotope, Boden und Wasser stärker. Das unterschiedliche Emissionsverhalten von Freileitung und Erdkabel sieht der Planfeststellungsbeschluss, misst ihm aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Diese Überlegungen genügen dem Abwägungsgebot.
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Die Einwände der Klägerin zeigen keinen im Ergebnis erheblichen Abwägungsfehler auf. Ob der Planfeststellungsbeschluss davon ausgehen durfte, dass bei Erdkabeln die technische Sicherheit im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG nicht gewährleistet ist, kann mangels Ergebnisrelevanz offen bleiben (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG). Denn die Abwägung des Beklagten wird gerade für den Fall angestellt, dass ein Erdkabel grundsätzlich planfeststellungsfähig ist und nicht von vornherein an rechtlichen Grenzen scheitert. Der Planfeststellungsbeschluss durfte auch - entgegen der Auffassung der Klägerin - die höhere Übertragungskapazität einer Freileitung berücksichtigen, da er diese nicht begrenzt. Welche Einwände die Klägerin gegen die Bewertung der Kabelübergabestation als nicht ganz unerhebliches Bauwerk erhebt, ist nicht erkennbar.
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Schließlich kann die Klägerin den Hinweis des Planfeststellungsbeschlusses auf die erheblichen Mehrkosten einer teilweisen Endverkabelung nicht entkräften. Es kommt dem Planfeststellungsbeschluss entscheidend auf die Mehrkosten an, nicht, jedenfalls nicht ergebnisrelevant (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG), auf die Frage des Investitionsbudgets. Ob die Mehrkosten ins Verhältnis zu den Gesamtkosten oder zu denjenigen der jeweiligen Teilstrecke gesetzt werden, ist eine Frage der Darstellung, spielt für die Abwägungskontrolle aber keine Rolle (Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 44).
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines "Negativzeugnisses", wonach für die Erweiterung des sogenannten Vorfeldes A des Flughafens A. weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung erforderlich ist, sowie um die Verpflichtung des Beklagten, der Beigeladenen die Nutzung der - inzwischen fertig gestellten und in Betrieb genommenen - erweiterten Vorfeldfläche bis zum Abschluss eines luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens zu untersagen.
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Die Kläger sind Eigentümer selbst bewohnter Hausgrundstücke, die sich in etwa einem Kilometer Entfernung zum Flughafen A. befinden. Das Grundstück der Klägerin zu 2 liegt zudem in der Nacht-Schutzzone nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG.
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Nach Durchführung eines wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens bei der Stadt A. zeigte die Beigeladene die geplante Vorfelderweiterung nach § 41 Abs. 1 LuftVZO luftverkehrsrechtlich an. Mit einem als Negativzeugnis bezeichneten Bescheid vom 26. April 2007 teilte das Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden Ministerium) der Beigeladenen mit, die Prüfung ihrer Anzeige habe ergeben, dass eine Planfeststellung und eine Plangenehmigung nicht erforderlich seien, weil das Vorhaben eine unwesentliche Erweiterung der Flughafenanlage darstelle. Den Antrag der Kläger, für den Ausbau des Vorfeldes A auf dem Flughafen der Beigeladenen die Erforderlichkeit eines Planfeststellungsverfahrens mit Umweltverträglichkeitsprüfung festzustellen und die im November 2007 aufgenommene Nutzung der Erweiterung des Vorfeldes A bis zum Abschluss des luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens zu untersagen, lehnte das Ministerium mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 ab.
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Das Oberverwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit die Kläger die Aufhebung des Negativzeugnisses vom 26. April 2007 beantragt haben, und die Klage abgewiesen, soweit die Kläger beantragt haben, den Beklagten zu verpflichten, der Beigeladenen die Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. bis zum Abschluss eines luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens und einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu untersagen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage gegen das Negativzeugnis sei zulässig. Bei dem Negativzeugnis handle es sich um einen für einen Dritten anfechtbaren Verwaltungsakt. Auch seien die Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Eine (mögliche) Verletzung subjektiver Rechte liege danach u.a. dann vor, wenn einem Drittbetroffenen die planerische Abwägung seiner dem Vorhaben entgegenstehenden Belange wegen der fehlerhaften Wahl der Verfahrensart versagt geblieben sei. Materiell-rechtlicher Anknüpfungspunkt sei insofern die (drittschützende) Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 LuftVG. Der in der Norm verwendete Begriff "beeinträchtigt" sei - wie bisher - im Sinne von "beeinflusst" auszulegen. Eine solche Beeinflussung sei bereits dann gegeben, wenn Belange anderer in mehr als nur unerheblicher, also abwägungsrelevanter Weise berührt würden. Das sei hier der Fall. Als in der Nachbarschaft oder im Einwirkungsbereich des Flughafens wohnende Personen könnten die Kläger jeweils als eigenen Belang geltend machen, von den Lärmauswirkungen des Erweiterungsvorhabens betroffen zu sein. Darauf, dass nach der Schalluntersuchung die - unstreitig zu erwartende - Lärmsteigerung im Bereich des Abwägungsunerheblichen liegen möge, könne hier nicht entscheidend abgestellt werden, weil die Schalluntersuchung und das ergänzende Gutachten, das die Beigeladene während des Gerichtsverfahrens beigebracht habe, auf einer fehlerhaften Verkehrsprognose beruhten. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die verfahrensgegenständliche Erweiterungsmaßnahme zu abwägungserheblichen Erhöhungen der Lärmbelastung der Kläger komme. Die Klage sei auch begründet. Für die Erweiterung des Vorfelds A bestehe eine Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung der Umweltverträglichkeit nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG. Diese sei - wegen der nicht plausiblen Bewertung der Lärmbelastung der Kläger - fehlerhaft. Hierauf könnten sich die Kläger gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 UmwRG berufen. Einer eigenen Rechtsverletzung bedürfe es insofern nicht. Die Klage auf Nutzungsuntersagung sei dagegen unzulässig. Den Klägern fehle insofern die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Diese ergebe sich weder aus dem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch noch aus § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 LuftVG, weil eine (mögliche) Rechtsverletzung hier noch nicht einmal ansatzweise erkennbar sei. Auf das subjektive Recht der Kläger auf abwägende Berücksichtigung ihrer Belange könne nicht abgestellt werden, weil ihm mit der beantragten Nutzungsuntersagung nicht Rechnung getragen würde oder werden könnte. Eine abwägungsfehlerhafte Verkürzung von Lärmschutzbelangen führe in der Regel nicht zur Blockierung des Vorhabens, weil den Lärmschutzbelangen durch Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, insbesondere in Gestalt von Lärmschutzauflagen, Rechnung getragen werden könne. Auch für eine Verletzung des Rechts der Kläger auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) fehle es an Anhaltspunkten. Schließlich ergebe sich auch aus europäischem Recht keine Klagebefugnis.
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Die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision haben die Beteiligten eingelegt, soweit sie jeweils unterlegen sind.
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Beklagter und Beigeladene sind der Meinung, die Klage sei bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Sie tragen vor, bei dem Negativzeugnis handele es sich um keine Entscheidung, die von einem Dritten angefochten werden könne. Sie weise keinerlei planungsrechtlichen Gehalt auf. Es handele sich vielmehr um eine Verfügung des Aufsichtsrechts nach den §§ 41, 47 LuftVZO. Unabhängig davon seien die Kläger jedenfalls nicht klagebefugt. Einen Anspruch auf die Durchführung des richtigen Verfahrens, namentlich eines Planfeststellungsverfahrens, gebe es nicht. Auch aus dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung ergäben sich keine einklagbaren Rechte Dritter. Schließlich lasse sich die Klagebefugnis auch nicht aus § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG herleiten; denn die Norm stelle auf eine Rechtsbeeinträchtigung und nicht auf eine bloße Rechtsbeeinflussung ab. Eine Beeinträchtigung von Rechten anderer sei aber nur dann gegeben, wenn ein direkter Zugriff auf fremde Rechte erfolge. Das sei hier nicht der Fall. Diese gesetzgeberische Entscheidung sei zu respektieren. Eine Klagebefugnis aus anderen Gründen sei nicht erkennbar.
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Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet. So habe das Oberverwaltungsgericht bereits verkannt, dass hier kein Vorhaben i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UVPG vorliege. Denn die verfahrensgegenständlichen Maßnahmen am Flughafen seien von den bisher erteilten Genehmigungen gedeckt. Das folge (auch) aus § 71 Abs. 2 LuftVG. Die UVP-Vorprüfung weise zudem weder Ermittlungsfehler noch Ermittlungsdefizite auf. Unabhängig davon verstoße die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, das Ergebnis der UVP-Vorprüfung sei nicht nachvollziehbar, gegen § 3a Satz 4 UVPG, weil das Gericht die Anforderungen an deren Überprüfung überspannt habe.
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Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht die Klage auf Nutzungsuntersagung abgewiesen. Es habe die Anforderungen an die Klagebefugnis verkannt. Diese folge auch insoweit aus dem klägerischen Anspruch auf gerechte Abwägung ihrer Lärmschutzbelange. § 42 Abs. 2 VwGO i.V.m. dem allgemeinen (Vollzugs-)Folgenbeseitigungsanspruch und § 29 Abs. 1 LuftVG seien zudem dahingehend auszulegen, dass eine Verletzung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorgaben des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und der sog. UVP-Richtlinie zugleich eine die Klagebefugnis begründende Rechtsverletzung zumindest der - wie die Kläger - qualifiziert in ihren Rechten Betroffenen vermittele. Hieraus resultiere auch ein Anspruch auf Nutzungsuntersagung der Vorfelderweiterung zugunsten der Kläger.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen von Beklagtem und Beigeladener sind unbegründet (1.). Auf die Revision der Kläger war das angefochtene Urteil zu ändern und der Beklagte antragsgemäß zu verpflichten, die Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. bis zur luftverkehrsrechtlichen Zulassung der Ausbaumaßnahme gegenüber der Beigeladenen zu untersagen (2.).
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1. a) Die Klage gegen die Unterbleibensentscheidung ("Negativzeugnis") vom 26. April 2007 ist zulässig. Sie ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft (aa), und die Kläger besitzen die hierfür erforderliche Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (bb).
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aa) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 3 des Luftverkehrsgesetzes - LuftVG - einen - auch für einen Dritten anfechtbaren - Verwaltungsakt darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - BVerwGE 115, 158 <163> = juris Rn. 60; ferner Urteile vom 8. Oktober 1976 - 7 C 24.73 - Buchholz 442.01 § 28 PBefG Nr. 3 zum Personenbeförderungsrecht und vom 15. Januar 1982 - 4 C 26.78 - BVerwGE 64, 325 = juris Rn. 21 zum Fernstraßenrecht). Hieran ist festzuhalten. So hat der 7. Senat die Verwaltungsakteigenschaft einer Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - wiederholt bejaht (BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2010 - 7 C 2.10 - Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 8 Rn. 21 und vom 7. August 2012 - 7 C 7.11 - Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 9 Rn. 13). Für die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG kann nichts anderes gelten, zumal diese - anders als die Freistellungserklärung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG - zusätzlich eine entsprechende Ermessensausübung durch die Planfeststellungsbehörde erfordert. Hiervon geht offenbar auch das Ministerium aus, denn es hat seiner Unterbleibensentscheidung Nebenbestimmungen in Form von zwei Auflagen und einem Auflagenvorbehalt beigefügt, die auf § 36 Abs. 2 Nr. 4 und 5 VwVfG NW gestützt wurden.
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Der Regelungsgehalt einer Entscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG besteht dabei zum einen in der Feststellung, dass es sich um eine Änderung/Erweiterung eines Flughafens handelt (i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG), die jedoch i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 bis 3 LuftVG von unwesentlicher Bedeutung ist, zum anderen in dem auf pflichtgemäßer Ermessensausübung beruhenden Verzicht der Behörde auf die Durchführung eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens sowie der hiermit verbundenen Freigabe der Maßnahme nach Luftverkehrsrecht. Die Entscheidung ergeht gegenüber dem Vorhabenträger (Anzeigender i.S.v. § 41 Abs. 1 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung - LuftVZO -) und besitzt damit Außenwirkung. Da nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG ein Fall von unwesentlicher Bedeutung nur dann vorliegt, wenn Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden, wirkt die Unterbleibensentscheidung auch gegenüber Dritten. Denn aufgrund dieser Entscheidung muss weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung und damit auch keine gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG umfassende Abwägung aller von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange erfolgen.
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bb) Die Kläger sind gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Es erscheint zumindest möglich, dass sie durch die Unterbleibensentscheidung in ihren durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geschützten Rechten verletzt werden.
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Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Ist der Kläger nicht Adressat eines Verwaltungsakts, sondern lediglich als Dritter betroffen, so ist für seine Klagebefugnis erforderlich, dass er die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt ist (stRspr; vgl. BVerwG, etwa Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 Rn. 14), und die Verletzung dieser Norm zumindest möglich erscheint. Eine Anfechtungsklage ist nur dann nach § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 - 11 C 17.93 - BVerwGE 95, 333 <334 f.>). Die insoweit an den klägerischen Sachvortrag zu stellenden Anforderungen dürfen - mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG - dabei nicht überspannt werden (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 = juris Rn. 41).
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Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG a. F. drittschützend ist (BVerwG, Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - BVerwGE 115, 158 = juris Rn. 27). Auch in der jetzigen Fassung ist die Vorschrift drittschützend, weil - trotz der durch das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2833) erfolgten Änderung (Ersetzung des Begriffs "beeinflusst" durch den Begriff "beeinträchtigt") - sich die von § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geforderte "Berücksichtigung von Rechten Dritter" nicht auf den direkten Zugriff auf Rechte beschränkt, sondern - nach wie vor - im Sinne einer "Beeinflussung der Rechte Dritter" zu verstehen ist; die Norm erfasst damit auch Drittbelange, die in mehr als unerheblicher, mithin abwägungsrelevanter Weise (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG ) berührt werden (in diese Richtung bereits BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 4 B 66.08 - juris Rn. 8 unter Verweis auf das Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - a.a.O. S. 164). Dies folgt aus einer an Wortlaut, Sinn und Zweck und der Systematik ausgerichteten Auslegung.
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§ 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG formuliert in seinem 1. Halbsatz dahingehend, dass "Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden". Diese Formulierung lehnt sich wohl an § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 1 LuftVG an (dort heißt es "Rechte anderer nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden"), so dass hieraus gefolgert werden könnte, dass mit den Formulierungen das Gleiche gemeint ist. Ein solches Verständnis ließe jedoch den jeweiligen Halbsatz 2 der Regelungen unberücksichtigt, der Rückschlüsse auf die Reichweite der "Rechte anderer" zulässt. Während § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG zum Inhalt hat, dass "die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben", heißt es in § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG lediglich, dass "mit den vom Plan Betroffenen entsprechende Vereinbarungen getroffen werden". § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG rechtfertigt somit den Schluss, dass "Rechte anderer" i.S.d. Halbsatzes 1 nur solche sein können, auf die durch ein Vorhaben unmittelbar zugegriffen werden soll. Zu einem solchen Schluss zwingt § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG mit seiner offeneren Formulierung von den "entsprechenden Vereinbarungen" jedoch nicht. Vielmehr rechtfertigt er die Annahme, dass die in Halbsatz 1 angesprochenen Rechte anderer weiter zu fassen sind (mithin in Richtung auf die abwägungserheblichen Belange i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG) als die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 genannten.
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Auch die Systematik, die § 8 LuftVG zugrunde liegt, spricht für diese Auslegung. In § 8 LuftVG ist die Genehmigungsbedürftigkeit u.a. von Änderungen an bestehenden Flughäfen normiert. Die Vorschrift stellt dabei eine gewisse Rangfolge in Bezug auf die durchzuführenden Genehmigungsverfahren auf. Grundsätzlich ist für die Änderung von Flughäfen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG ein Planfeststellungsverfahren erforderlich. In bestimmten Fällen kann unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 LuftVG von einer Planfeststellung abgesehen und nur eine Plangenehmigung erteilt werden. Im Sonderfall der unwesentlichen Änderung kann nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG auch eine Unterbleibensentscheidung ergehen, mit der Folge, dass dann weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung erforderlich sind. Insbesondere der Vergleich zwischen den Regelungen in § 8 Abs. 2 Satz 1 und § 8 Abs. 3 Satz 2 LuftVG belegt, dass bei einer identischen Auslegung der Wörter "Rechte anderer nicht beeinträchtigt" die Voraussetzungen für eine Plangenehmigung oder eine Unterbleibensentscheidung weitgehend angeglichen würden. Die in § 8 Abs. 1 bis 3 LuftVG angelegte Stufenfolge würde hierdurch infrage gestellt. Wird dagegen die Formulierung in § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG in einem über den direkten Zugriff auf Rechte anderer hinausgehenden Sinne verstanden, bleibt das Stufenverhältnis der einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen gewahrt. Es kommt hinzu, dass sowohl die Planfeststellung als auch die Plangenehmigung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG das Ergebnis einer sämtliche durch das Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange Rechnung tragenden Abwägung sein müssen; eine solche Abwägung ist im Rahmen einer Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG nicht vorgesehen. Der Stufenfolge des § 8 LuftVG liegt damit der Gedanke zugrunde, nur solche Vorhaben von einer Planfeststellung/Plangenehmigung auszunehmen, deren Zulassung gerade keiner planerischen Abwägungsentscheidung bedarf. Diese Systematik ist aber nur dann gewahrt, wenn § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG in einem weiten Sinne verstanden wird, weil andernfalls durch die Unterbleibensentscheidung abwägungserhebliche Belange Dritter im luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahren ausgeblendet werden könnten.
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§ 8 Abs. 3 LuftVG dient ersichtlich der Verfahrensvereinfachung und der Verfahrensbeschleunigung für unwesentliche (= „einfache“) Änderungen/Erweiterungen eines Flughafens. Diese sollen in einem möglichst unkomplizierten Verfahren, insbesondere ohne eine sie rechtfertigende (umfassende) Abwägungsentscheidung, "zugelassen" und anschließend rasch verwirklicht werden können. Die Norm hat nicht den Zweck, die Genehmigungsbehörde von einer etwa erforderlichen Berücksichtigung abwägungserheblicher Belange Dritter freizustellen oder solche Belange abzuschneiden. Wo solche (schutzwürdigen, nicht geringwertigen und nicht makelbehafteten) Belange berührt werden, ist die Unterbleibensentscheidung nach deren Sinn und Zweck nicht das richtige Instrument zur Vorhabenfreigabe. Es bedarf dann vielmehr einer Planfeststellung/Plangenehmigung. Der hinter § 8 Abs. 3 LuftVG stehende Zweck würde verfehlt, wenn § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LuftVG auf die Fälle des direkten Zugriffs auf Rechte Dritter beschränkt würde.
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Die Kläger haben hinreichend substantiiert vorgetragen, dass eine Verletzung ihrer durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geschützten abwägungserheblichen Belange aufgrund der ungeklärten Lärmauswirkungen der umstrittenen Maßnahme zumindest möglich erscheint. Die klägerischen Grundstücke liegen etwas über einen Kilometer vom Flughafen A. entfernt. Das Grundstück der Klägerin zu 2 liegt zudem in der Nacht-Schutzzone nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - FlugLärmG -. Die Erweiterung des Vorfeldes A sowie die weiteren hiermit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen erfolgen in Richtung auf ihr Grundstück. Nach dem von der Beigeladenen vorgelegten Gutachten der B. GmbH vom 23. Januar 2007 bedingt die Maßnahme eine Erhöhung der Lärmbelastung der Kläger, weil die Erweiterung zu einer Zunahme der Bewegungen auf dem Vorfeld A führt. Zwar kommt die B. GmbH zu dem Ergebnis, dass durch die Vorfelderweiterung lediglich mit einer Erhöhung des Lärmpegels um 0,5 dB(A) zu rechnen sei. Die Kläger haben diese Aussage sowie die Lärmbegutachtung aber unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts substantiiert in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund lässt sich dem Lärmschutzinteresse der Kläger nicht von vornherein jegliche Relevanz absprechen. Ob diesem Gesichtspunkt im konkreten Fall die Bedeutung zukommt, die ihm die Kläger beimessen, ist der Prüfung im Rahmen der Begründetheit vorzubehalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3 S. 25 = juris Rn. 20).
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b) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht von der Begründetheit der Klage ausgegangen.
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aa) Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, das Negativzeugnis sei rechtswidrig, weil eine Pflicht zur Durchführung einer UVP-Vorprüfung bestehe und die angestellte UVP-Vorprüfung aufgrund von Ermittlungsdefiziten im Ergebnis nicht nachvollziehbar sei (UA S. 21), verstößt nicht gegen revisibles Recht.
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(1) Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, für die Erweiterung des Vorfeldes A bestehe eine Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG -, denn hierbei handele es sich um die Erweiterung eines UVP-pflichtigen Vorhabens, die nicht von einer bestandskräftigen förmlichen Zulassungsentscheidung gedeckt sei (UA S. 22 f.). Das steht mit Bundesrecht im Einklang.
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Nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) - auch - für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn eine Vorprüfung des Einzelfalles i.S.v. § 3c Satz 1 und 3 UVPG ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Die Frage, ob es sich um eine Änderung oder Erweiterung im Sinne der Vorschrift handelt, beurteilt sich dabei nach materiellem Recht, vorliegend mithin nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG (Rathgeb, in: Giemulla/Schmid, LuftVG, Loseblatt Stand Oktober 2014, § 8 Rn. 18). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Änderung eines Flughafens vorliegt, wenn das Vorhaben vom Regelungsgehalt einer bestandskräftigen früheren Zulassungsentscheidung nicht mehr gedeckt ist; schon Zugelassenes bedarf nicht erneut einer Zulassung (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 - 4 C 16.04 - BVerwGE 127, 208 Rn. 31; Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 4 B 75.03 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 14 S. 9 f. = juris Rn. 16). Bezugspunkt und Maßstab für das Vorliegen einer Änderung ist mithin der bisherige Gestattungszustand (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149,17 Rn. 14). Insoweit ist der Begriff der Änderung in § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 LuftVG fachplanungsrechtlich determiniert (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 a.a.O. Rn. 31).
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Das Oberverwaltungsgericht hat sich im angefochtenen Urteil ausführlich mit der Genehmigungslage des Flughafens A. befasst (UA S. 23 bis 30) und ist in Auslegung der vorhandenen Genehmigungen zum Ergebnis gelangt, dass diese die Erweiterung des Vorfeldes A nicht abdecken. Der tatrichterlich ermittelte Inhalt der Genehmigungen ist als Tatsachenfeststellung i.S.d. § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <280>), weil weder der Beklagte noch die Beigeladene innerhalb der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine Verfahrensrüge erhoben haben, sondern sich darauf beschränken, der vorinstanzlichen Auslegung der Genehmigungen ihre eigene, davon abweichende Auslegung gegenüber zu stellen.
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Ist danach von einer Änderung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG auszugehen, so liegt damit auch eine Änderung i.S.v. § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG vor. Da gemäß § 3b Abs. 1 i.V.m. Nr. 14.12.1 der Anlage 1 UVPG (in der hier maßgeblichen Fassung zum 26. April 2007) der Bau eines Flugplatzes im Sinne der Begriffsbestimmungen des Abkommens von Chicago von 1944 zur Errichtung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation mit einer Start- und Landebahngrundlänge von - wie hier - 1 500 m oder mehr UVP-pflichtig ist, folgt hieraus, dass die Vorfelderweiterung einer UVP-Vorprüfung bedurfte.
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(2) Das Oberverwaltungsgericht hat ferner angenommen, dass die UVP-Vorprüfung durch den Beklagten nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG entspreche. Auch das lässt einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen.
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Nach § 3a Satz 4 UVPG ist, wenn die Feststellung, dass eine UVP unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG beruht, die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist.
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Gemäß § 3c Satz 1 UVPG muss die zuständige Behörde einschätzen, ob das Vorhaben aufgrund überschlägiger Prüfung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Nach § 3c Satz 3 UVPG ist bei der Vorprüfung auch zu berücksichtigen, inwieweit durch die vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen Umweltauswirkungen offensichtlich ausgeschlossen werden. Erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen, die die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen, liegen nicht erst dann vor, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 34, vom 16. Oktober 2008 - 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 32 und vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 37). Eine Umweltverträglichkeitsprüfung muss vielmehr durchgeführt werden, wenn Umweltauswirkungen bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht.
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Die Planfeststellungsbehörde darf im Rahmen der Vorprüfung nicht bereits mit einer der Umweltverträglichkeitsprüfung vergleichbaren Prüftiefe "durchermitteln" und damit unzulässigerweise die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung unter Missachtung der für diese obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen; sie ist vielmehr auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 35 und vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 25). Andererseits darf sich die Vorprüfung nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen. Hierzu zählen auch vom Vorhabenträger eingeholte Fachgutachten, die gegebenenfalls durch zusätzliche Ermittlungen der Planfeststellungsbehörde ergänzt werden können (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 25). Bei der Frage, welche Unterlagen und Informationen als geeignete Grundlage einer überschlägigen Prüfung benötigt werden, kommt der Behörde ein Einschätzungsspielraum zu (BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2006 - 4 C 16.04 - BVerwGE 127, 208 Rn. 49 und vom 20. August 2008 a.a.O.).
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Die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Beurteilung zur UVP-Pflichtigkeit unterliegt nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Zu untersuchen ist, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist (BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 24 und vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 - UPR 2014, 444 Rn. 16). Dementsprechend muss eine Vorprüfung überhaupt stattgefunden haben, und das Ergebnis der Vorprüfung darf keine Rechtsfehler aufweisen, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Diese Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle verdeutlicht, dass der Planfeststellungsbehörde für ihre prognostische Beurteilung möglicher Umweltauswirkungen des Vorhabens ein Einschätzungsspielraum zusteht (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29). Gefordert ist eine Plausibilitätskontrolle, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29). Dies bedeutet zugleich, dass nachträglich gewonnene Erkenntnisse, die die Auswirkungen in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten, für die Tragfähigkeit des Prüfergebnisses und damit der verfahrenslenkenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht maßgeblich sein können (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29).
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Das Oberverwaltungsgericht hat vorliegend beanstandet, dass die Lärmauswirkungen, die mit der Nutzung des erweiterten Vorfeldes A verbunden sind, nicht auf der Grundlage einer realistischen Verkehrsprognose ermittelt und beurteilt worden seien. Das gelte namentlich für den Bodenlärm und für die Schalluntersuchung. Das Gutachten zur Kapazitätsveränderung durch ein erweitertes Vorfeld A am Flughafen A. vom Dezember 2006 der C. GmbH (C.-Gutachten) habe insofern unzutreffend auf die Flugbewegungen eines typischen Tages des Jahres 2005 und der sechs verkehrsreichsten Monate des Jahres 2005 abgestellt, anstatt von einem zu einem bestimmten Prognosezeitpunkt zu erwartenden Flugbewegungsaufkommen auszugehen. Das gelte auch für die hierauf aufbauende schalltechnische Untersuchung der B. GmbH vom Januar 2007 (UA S. 33 f.). Die Abschätzung des Bodenlärms sei daher aufgrund eines falschen Ansatzes oder Maßstabes unbrauchbar. Die Ergebnisrelevanz dieses Fehlers sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen in Gestalt von (erheblichem) Bodenlärm aus anderen Gründen offensichtlich nicht zu erwarten seien, denn solche Gründe seien nicht gegeben. Diese Ausführungen lassen einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen. Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sowohl das C.-Gutachten als auch die Lärmbegutachtung durch die B. GmbH nicht geeignet waren, die Unbeachtlichkeit der Lärmerhöhung durch die Erweiterungsmaßnahme in Richtung auf die klägerischen Wohngebäude zu belegen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist für die Lärmberechnung auf das tatsächliche Verkehrsaufkommen abzustellen, das in einem überschaubaren Zeitraum zu erwarten ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 - 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13, vom 3. März 1999 - 11 A 9.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 26 und vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 354; Beschluss vom 7. Februar 2001 - 11 B 61.00 - ZLW 2001, 455). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) fehlt es vorliegend an einer dieser Anforderung entsprechenden in die Zukunft gerichteten Verkehrsprognose zum Zeitpunkt des Erlasses der Unterbleibensentscheidung. Damit ist das Ergebnis der UVP-Vorprüfung, wonach es keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, nicht plausibel begründet.
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Dass das C.-Gutachten und das Gutachten der B. GmbH unzureichend waren, räumt letztlich auch der Beklagte ein. Er vertritt allerdings die Auffassung, die Mängel seien durch das auf Anforderung des Oberverwaltungsgerichts nachgereichte C.-Gutachten vom Juli 2012 geheilt worden. Eine solche Heilung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zulässig. Dem ist schon deshalb nicht zu folgen, weil das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass auch das nachgereichte Gutachten fehlerhaft ist. Zudem habe der Beklagte seine Bodenlärmbeurteilung aus Anlass der C.-Darstellung nicht ergänzt. Damit sei keine Heilung der Fehler bei der Beurteilung des Bodenlärms eingetreten (UA S. 38). Hieran ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da diese Feststellungen nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen worden sind.
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bb) Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht schließlich entschieden, dass sich die Kläger gemäß § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes - UmwRG - auf die fehlerhafte UVP-Vorprüfung berufen könnten, ohne dass es darüber hinaus der Feststellung einer Rechtsverletzung i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bedürfe.
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Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit u.a. eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 3 UVPG verlangt werden, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Anknüpfungspunkt für die Rechtsfolge einer Aufhebung der Zulassungsentscheidung ist mithin eine fehlerhaft unterbliebene UVP oder UVP-Vorprüfung. Diese Fehler sind erheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können, wie es § 46 VwVfG sonst voraussetzt. Die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG gilt in erster Linie für die umweltrechtliche Verbandsklage, ist aber gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO entsprechend anwendbar mit der Folge, dass die Verfahrensfehler auch insoweit unabhängig von den sonst geltenden einschränkenden Maßgaben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zur Begründetheit der Klage führen. Hieraus folgt, dass eine Genehmigungsentscheidung, die ohne die hierfür erforderliche UVP oder UVP-Vorprüfung getroffen worden ist, auf die Klage eines gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugten Dritten nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwRG allein wegen dieses Fehlers aufzuheben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014 Rn. 10). Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG gilt das auch, wenn - wie hier - eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügt.
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Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz findet nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG auch Anwendung auf die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG. Denn nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UVPG sind Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben Bewilligung, Erlaubnis, Genehmigung, Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, mit Ausnahme von Anzeigeverfahren. Entscheidungen, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, sind dabei vor allem solche, die ein Verwaltungsverfahren i.S.d. § 9 VwVfG abschließen (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149, 17). Hierzu zählt auch die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG, weil sie ein Verwaltungsakt ist.
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2. Die Revision der Kläger ist dagegen erfolgreich. Ihre Klage ist zulässig (a) und begründet (b). Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist insofern mit Bundesrecht nicht vereinbar.
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a) Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, dass die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Untersagung der Nutzung der Erweiterung des Vorfeldes A unzulässig sei, weil den Klägern die nach § 42 Abs. 2 VwGO hierfür erforderliche Klagebefugnis fehle, trifft nicht zu.
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Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Verpflichtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein, und wenn nach seinem Vorbringen die Verletzung dieser Rechte möglich erscheint (vgl. oben). Da die Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 5 VwGO nur begründet ist, wenn ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes gegeben ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 - BVerwGE 77, 317 = juris Rn. 13), erfordert dies das Bestehen eines Rechtssatzes, der die Behörde zum Erlass dieses Verwaltungsaktes verpflichtet oder wenigstens ermächtigt und zugleich einen subjektiven Anspruch darauf gewährt sowie den jeweiligen Kläger in den Kreis der Berechtigten einbezieht (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1997 - 1 C 29.95 - BVerwGE 104, 115). Für die Klagebefugnis reicht es dabei aus, dass ein solcher Anspruch nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1991 - 4 C 23.88 - Buchholz 406.39 Denkmalschutzrecht Nr. 5; siehe auch BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2011 - 6 C 2.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 3 und vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 17, jeweils m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist es entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen, dass die Kläger einen Anspruch auf Erlass einer Nutzungsuntersagung oder wenigstens auf ermessensfehlerfreie Entscheidung haben.
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(1) Eine Rechtsgrundlage für das vom Beklagten verlangte aufsichtsbehördliche Einschreiten ist mit § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG vorhanden. Danach ist die Abwehr von betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt (Luftaufsicht) Aufgabe der Luftfahrtbehörden und der Flugsicherungsorganisation. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG um eine Norm, die sich auf das Gebot zur Gefahrenabwehr i.S.d. allgemeinen Polizeirechts beschränkt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 4 C 2.13 - juris Rn. 18). Schutzgut der Vorschrift ist, soweit es vorliegend darauf ankommt, die öffentliche Sicherheit. Sie umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, die Unversehrtheit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie Bestand und Funktionieren der Einrichtungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Eine Gefahr i.S.v. § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass ein Zustand oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für das Schutzgut führt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 a.a.O. Rn. 13). Hiervon ist etwa dann auszugehen, wenn ein Flughafen ohne die nach § 8 Abs. 1 und 2 LuftVG erforderliche Planfeststellung bzw. Plangenehmigung geändert wird und eine dies legitimierende Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG fehlt, z.B. weil diese auf den Rechtsbehelf eines Dritten hin aufgehoben worden ist. Ist eine solche Gefahr gegeben, dann kann die hierfür zuständige Behörde die erforderlichen Verfügungen erlassen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG). Bei einer formell illegalen Änderung eines Flughafens lässt sich auf diese Regelung u.a. die Befugnis stützen, die Nutzung der geänderten Anlagen zu untersagen und damit die Störung der Rechtsordnung zu unterbinden (in diese Richtung bereits BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 2001 - 11 VR 16.00 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 18 = juris Rn. 11).
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(2) § 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG stellt das Einschreiten in das Ermessen der zuständigen Behörden. Damit besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Einschreiten, sondern nur ein solcher auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Allein in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf Null kann sich dieser Anspruch zu einem Rechtsanspruch verdichten. Nicht anders als in anderen Gebieten des öffentlichen Rechts, namentlich im öffentlichen Baurecht setzen sowohl der Anspruch auf Einschreiten als auch der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung voraus, dass der Dritte durch die formell illegale Anlage in seinen Rechten verletzt wird. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei geklärt, dass sich der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz grundsätzlich nur aus Rechtsvorschriften ableiten lässt, die das individuell geschützte private Interesse, die Art seiner Verletzung und den Kreis der unmittelbar geschützten Personen hinreichend deutlich klarstellen und abgrenzen (stRspr, vgl. BVerwG, etwa Urteil vom 20. Oktober 1972 - 4 C 107.67 - BVerwGE 41, 58 <63> = juris Rn. 18). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 - BVerwGE 52, 122). Er wird für die Kläger durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG vermittelt. Es erscheint zumindest möglich, dass die Kläger durch die Weigerung des Beklagten, die Nutzung des erweiterten Vorfeldes A vorläufig zu unterbinden, in ihrem Recht auf Abwägung ihrer Lärmschutzbelange verletzt sind. Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, mit der beantragten Nutzungsuntersagung könne der Rechtsverletzung nicht begegnet werden, ist unzutreffend. Zwar führt eine abwägungsfehlerhafte Nichtberücksichtigung oder Zurücksetzung von Lärmschutzbelangen in der Regel dazu, dass der Betroffene im Wege der Verpflichtungsklage auf eine Vervollständigung der Lärmschutzkonzeption zu seinen Gunsten dringen muss (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 290). Das bedeutet aber nicht, dass er das Vorhaben nicht, wie mit der Nutzungsuntersagung angestrebt, bis zur Fehlerbehebung blockieren könnte. Solange die Lärmschutzkonzeption defizitär ist, muss nämlich die beanstandete Nutzung einer Verkehrsfläche unterbleiben (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 290 und vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 77).
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b) Die Klage ist begründet. Der Senat kann die beantragte Verpflichtung des Beklagten selbst aussprechen, da die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts für diese Beurteilung ausreichend sind und die Sache spruchreif ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
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Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 29 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG und § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG auf Untersagung der Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. gegenüber der Beigeladenen bis zur luftverkehrsrechtlichen Zulassung der Ausbaumaßnahme. Der dem widersprechende Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 war daher aufzuheben.
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aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 LuftVG liegen vor, weil die Vorfelderweiterung formell illegal ist.
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bb) Das dem Beklagten eröffnete Ermessen ist vorliegend zugunsten der Kläger dahingehend reduziert, dass der Beklagte gegen die nicht genehmigte Nutzung der Vorfelderweiterung durch die Beigeladene einschreiten muss. Ein Nutzungsverbot ist zwingende Konsequenz daraus, dass die Unterbleibensentscheidung vom Oberverwaltungsgericht - zu Recht - aufgehoben wurde, weil die UVP-Vorprüfung fehlerhaft durchgeführt worden ist, und die Kläger sich hierauf über § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG berufen können. Mit § 4 Abs. 3 UmwRG wollte der Gesetzgeber (vgl. BT-Drs. 16/2495 S.14) der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 - C-201/02 - [ECLI:EU:C:2004:12], Wells - Rn. 54 ff.) Rechnung tragen, der das fehlerhafte Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung vor Genehmigungserteilung als wesentlichen Verfahrensfehler behandelt hat, auf den sich der von der Genehmigung Betroffene ohne Weiteres berufen könne. Der Europäische Gerichtshof betont überdies in ständiger Rechtsprechung, dass ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes Gericht in der Lage sein müsse, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen (EuGH, Urteile vom 19. Juni 1990 - C-213/89 [ECLI:EU:C:1990:257], Factortame u.a. - Rn. 21, vom 13. März 2007 - C-432/05 [ECLI:EU:C:2007:163], Unibet - Rn. 67 und vom 15. Januar 2013 - C-416/10 [ECLI:EU:C:2013:8], Krizan u.a. - Rn. 107). Diese Ausführungen stehen zwar im Zusammenhang mit der Frage, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit bestehen muss, den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erreichen, mit der die Vollziehung einer Genehmigung bis zum Erlass der Endentscheidung (des Gerichts) vorübergehend ausgesetzt werden kann. Die Grundsätze müssen aber erst recht gelten, wenn eine entsprechende Genehmigung nach der Inswerksetzung des Vorhabens durch Urteil aufgehoben wurde, weil die für das Vorhaben erforderliche UVP-Vorprüfung fehlerhaft durchgeführt wurde und offen ist, ob das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf und zugelassen werden kann. Es kommt ein weiteres hinzu: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten gemäß dem (jetzt) in Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union - EUV - enthaltenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - C-6/90 und C-9/90 [ECLI:EU:C:1991:428], Francovich u.a. - Rn. 36). Eine solche Verpflichtung obliegt jeder Behörde des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen ihrer Zuständigkeiten (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 a.a.O. Rn. 64 m.w.N.). Begrenzt durch den Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, sind derartige Maßnahmen beispielsweise die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung zu dem Zweck, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 a.a.O. Rn. 65).
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Vor diesem Hintergrund sieht der Senat für Fälle wie den vorliegenden in § 4 Abs. 3 UmwRG eine Regelung, die das behördliche Ermessen in Bezug auf ein luftaufsichtsrechtliches Einschreiten dahingehend steuert, dass zugunsten der unter den Schutzbereich des § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG fallenden Nachbarschaft in der Regel eingeschritten werden muss. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Überlegung, dass ansonsten eine nicht zu rechtfertigende Rechtsschutzlücke entstünde. Der vorliegende Fall belegt dies anschaulich. Die Kläger sind zwar mit ihrer Klage gegen die Unterbleibensentscheidung durchgedrungen, vor dem Oberverwaltungsgericht mit dem Begehren auf Nutzungsuntersagung jedoch gescheitert. Solange der Beklagte bei dieser Sachlage nicht aus eigenem Entschluss gegen die Nutzung der Vorfelderweiterung durch die Beigeladene einschreitet, ändert sich faktisch für die Kläger nichts. Damit würde § 4 Abs. 3 UmwRG in der Sache leerlaufen. Das widerspricht nicht nur Unionsrecht (Effektivitätsgrundsatz), sondern auch Art. 19 Abs. 4 GG.
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Es mag Fallgestaltungen geben, in welchen ausnahmsweise unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von einer Nutzungsuntersagung eines wegen Verstoßes gegen die UVP-Vorprüfungspflicht formell illegalen Vorhabens abzusehen ist. Das bedarf aber keiner Vertiefung, weil für einen solchen Fall hier keine Anhaltspunkte bestehen und von der Beigeladenen auch nicht geltend gemacht worden sind.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO, bezüglich der Beigeladenen auch auf § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind
- 1.
natürliche und juristische Personen, - 2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, - 3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
Tatbestand
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Die Klägerin, eine Gemeinde, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Punkt F. - Punkt St. T., Bauleitnummer (Bl.) 4571.
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Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist die Errichtung und der Betrieb einer rund 7,4 km langen 380 kV-Höchstspannungsfreileitung einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Folgemaßnahmen sowie der Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die Leitung dient einem Lückenschluss und soll die Energieversorgung der Stadt K. und ihrer Umgebung langfristig sichern. Insgesamt werden 23 Masten unterschiedlichen Bautyps neu errichtet, zugleich 17 Masten demontiert. Die planfestgestellte Trasse beginnt am Punkt F. unter Anschluss an die Höchstspannungsfreileitung Bl. 4123. Sie kreuzt aus südöstlicher Richtung kommend die Bundesautobahn A 44 und wird dann weitgehend parallel zu dieser Bundesautobahn geführt, berührt bei Mast 5 das Gebiet des "Campus F.", kreuzt an der Anschlussstelle F. die Landesstraße L 382 und verläuft weiter in weitgehend westlicher Richtung bis zu einer stillgelegten, nach Norden verlaufenden Eisenbahntrasse. Parallel hierzu wird sie zum Edelstahlwerk geführt. Dort verschwenkt sie leicht nach Westen und führt zum Punkt St. T.. Auf diesem etwa 2,9 km langen Teilstück befindet sich die rückzubauende Freileitung Bl. 2339. Die Trasse verläuft hier am Ortsrand der Klägerin, dem sie sich bis auf knapp 30 m von der Trassenmitte nähert. Über die gesamte Strecke wird die Trasse parallel zur bestehenden Freileitung Bl. 2388 geführt.
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Im Juni 2007 übersandte eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen dem Beklagten ein Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) zur Prüfung, ob das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfe. Das Gutachten verneinte eine solche Pflicht. Für die Umweltauswirkungen legte es eine dreistufige Skala ("erheblich" - "deutlich" - "gering") zu Grunde. Erhebliche Umweltauswirkungen verneinte es durchgängig, deutliche Auswirkungen bejahte es hinsichtlich einzelner Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 2 zum UVPG. Die zu erwartenden Umweltverschmutzungen (Ziff. 1.4 der Anlage 2 zum UVPG) schätzte das Gutachten als gering ein, da die Immissionen durch elektromagnetische Felder die maßgeblichen Grenzwerte einhielten. Nach Beteiligung verschiedener Fachdezernate stellte die Planfeststellungsbehörde des Beklagten in einem Vermerk vom 8. Januar 2008 fest, der Eingriff werde in keinem relevanten Schutzgut zu erheblichen Umweltauswirkungen führen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei daher nicht erforderlich. Auf Nachfrage teilte der Beklagte dem Beigeladenen unter dem 20. Dezember 2010 mit, es bleibe bei dieser Einschätzung.
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Zu den im Jahr 2010 eingereichten Planfeststellungsunterlagen beteiligte die Beklagte im März 2011 die Träger der öffentlichen Belange, darunter die Klägerin. Die Unterlagen wurden in der Zeit vom 28. März bis 9. Mai 2011 bei der Stadt K. ausgelegt.
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Die Klägerin nahm unter dem 5. Mai 2011, beim Beklagten eingegangen am 9. Mai 2011, zu dem Vorhaben Stellung. Die Trasse habe einen zu geringen Abstand zur Wohnbebauung im Bereich des Stadtteils B., es müsse geprüft werden, ob die Leitung negative gesundheitliche Wirkungen für die Bewohner der dortigen Wohngebiete habe. Die Unterlagen ließen die Stärke der elektromagnetischen Felder nicht erkennen. Es bedürfe einer Prüfung von Alternativen, sowohl einer Erdverkabelung als auch einer mindestens teilweisen Verlegung der Trasse. Die Planung berühre beim "Campus F." den Bebauungsplan Nr. 653, dort reiche der Schutzstreifen auf einer Breite von ca. 300 m bis zu 5 m in die festgesetzten Gewerbegebiete hinein. Weiter rügte die Klägerin Mängel hinsichtlich des Landschafts- und Artenschutzes sowie des Grund- und Trinkwasserschutzes während der Bauphase. Schließlich forderte sie, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.
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Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 legte die Klägerin ein Gutachten zu den Möglichkeiten und Auswirkungen einer 380-kV-Erdkabelverlegung vor. Es beschreibt die technischen, betrieblichen und umweltrelevanten Eigenschaften von Freileitungen und Erdkabeln und vergleicht die Wirtschaftlichkeit. Die Ausführung der Leitung als Freileitung stelle, so das Gutachten, aus technischer, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht eindeutig die zu bevorzugende Variante dar. Die Einwendungen der Klägerin wurden in einem nicht-öffentlichen Erörterungstermin am 28. Februar 2012 erörtert.
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Der Beklagte stellte den Plan mit Planfeststellungsbeschluss vom 7. November 2012 fest und stellte ihn der Klägerin am 27. November 2012 zu.
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Die Klägerin ist Eigentümerin zahlreicher Grundstücke, für die der Planfeststellungsbeschluss eine Enteignung für zulässig erklärt. Wegen der bereits bestehenden Leitung (Bl. 2388), aber auch wegen einer 1962 planfestgestellten, aber nicht verwirklichten Leitung ist eine Vielzahl dieser Grundstücke dinglich zugunsten von Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen belastet. Die privatrechtliche Situation weicht im Detail voneinander ab. Von elektromagnetischen Feldern und Lärm sind einzelne Grundstücke im Eigentum der Klägerin betroffen, die auf der Grundlage von Erbbaurechten zu Wohnzwecken genutzt werden.
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Die Klägerin hat am 20. Dezember 2012 Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung bedurfte das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Landschaftsschutz sei unzutreffend abgearbeitet. Die nur knapp unterschrittenen Grenzwerte der 26. BImSchV seien wissenschaftlich überholt und die entstehenden Immissionen unzumutbar. Die Richtwerte der TA Lärm seien überschritten, die hierzu vorgelegten Unterlagen unvollständig. Der Planfeststellungsbeschluss greife durch eine rechteckige Gestaltung der Schutzstreifen mehr als erforderlich auf ihr Eigentum zu. Den Gefahren durch Mastbrüche werde nicht ausreichend begegnet. Die Alternativenprüfung sei unzureichend. Mindestens teilweise dränge sich die Ausführung als Erdkabel auf, insbesondere im Bereich zwischen dem Edelstahlwerk und dem Punkt St. T..
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Die Klägerin beantragt,
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den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. November 2012 für den Neubau der 380 kV-Höchstspannungsleitung Punkt F. - Punkt St. T., Bl. 4571 in den Abschnitten Punkt F. - Punkt St. T. aufzuheben,
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hilfsweise,
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den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 7. November 2012 zu verpflichten, über Schutzvorkehrungen zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin und zum Schutz ihres Grundeigentums, insbesondere vor Immissionen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin sei hinsichtlich mehrerer Einwendungen präkludiert. Den Anforderungen an eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls habe die Beklagte genügt. Verstöße gegen Vorschriften des Landschaftsschutzes könne die Klägerin nicht rügen. Die Grenzwerte der 26. BImSchV seien gewahrt und in der Sache nicht zu beanstanden. Hinsichtlich des Lärmschutzes mache die Klägerin keine eigenen Belange geltend. Im Übrigen würden die maßgeblichen Werte der TA-Lärm eingehalten. Der Planfeststellungsbeschluss leide nicht an Abwägungsfehlern. Die Alternativenprüfung sei rechtmäßig. Insbesondere sei eine Führung als Erdkabel gesetzlich ausgeschlossen, jedenfalls fehlerfrei abgewogen und abgelehnt worden. Sicherheitsgefahren beständen nicht, weil die Anlage die allgemein anerkannten Regeln der Technik beachte.
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Die Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klage sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Der Klägerin fehle die Klagebefugnis. Sie sei als Gemeinde nicht Trägerin von Grundrechten und mache sich hinsichtlich einzelner Belange zur Sachwalterin fremder Interessen. Ihre Planungshoheit sei nicht betroffen. Die Klägerin habe kein subjektives öffentliches Recht auf Erdverkabelung. Schließlich sei die Klägerin mit einer Reihe von Einwänden präkludiert, so auch mit der Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung. In der Sache hält die Beigeladene die Klage für unbegründet und verteidigt den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss.
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Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat einen Eilantrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage mit Beschluss vom 28. Februar 2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 = ER 2013, 119) abgelehnt.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Dem Planfeststellungsbeschluss hätte eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorausgehen müssen. Dieser Mangel führt nicht zur Aufhebung des Beschlusses, aber zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit.
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A. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 3 des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) i.V.m. Nr. 14 der Anlage zum EnLAG im ersten und letzten Rechtszug, weil das Vorhaben ein Teil des Neubaus der Höchstspannungsleitung Niederrhein - Utfort - Osterath mit einer Nennspannung von 380 kV ist.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Eine Verletzung von Rechten der Klägerin kann nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden (vgl. Urteil vom 22. Februar 1984 - BVerwG 1 C 24.92 - BVerwGE 95, 133 <134> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 202 S. 2).
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Die Klägerin kann wie ein privater Grundstückseigentümer geltend machen, die (teilweise) Inanspruchnahme der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke verletze das Gebot einer gerechten Abwägung ihrer eigenen Belange (Urteil vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <101> = Buchholz 451.22 AbfG Nr. 48 S. 125 und Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17). Hiervon ist auch der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinen Beschlüssen vom 9. Oktober 2012 (BVerwG 7 VR 10.12 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 31 Rn. 7) und vom 28. Februar 2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 7) ausgegangen. Anders als die Beigeladene meint, spielt es nur für die Abwägung, nicht aber für die Klagebefugnis eine Rolle, ob die betroffenen Grundstücke der Klägerin einen Bezug zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben haben (vgl. Urteil vom 24. November 1994 - BVerwG 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <151 f.> = Buchholz 451.22 § 7 Abfallbeseitigung Nr. 1 S. 9 und Beschluss vom 18. März 2008 - BVerwG 9 VR 5.07 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 197 Rn. 16).
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Der Klagebefugnis steht nicht entgegen, dass im Bereich der zurückzubauenden Freileitung (Bl. 2339) - also zwischen dem Edelstahlwerk und dem Punkt St. T. - die vorhandenen Schutzstreifen ausreichen (S. 32 des Planfeststellungsbeschlusses) und mindestens zu einem Teil dinglich gesichert sind. Gegenstand der Planfeststellung ist ein Gesamtbauvorhaben, das die Errichtung einer Freileitung bei Rückbau einer bestehenden Freileitung umfasst. Gegenüber diesem Eigentumszugriff ist die Klägerin klagebefugt, da sie ihre Klage mit der Hoffnung verbinden kann, dass eine veränderte Planung bestehende Belastungen entfallen lässt, ohne neue Lasten zu begründen (Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17).
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Ob die Klagebefugnis auch aus einer möglichen Beeinträchtigung der Planungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, kann offen bleiben. Mit Bejahung der Klagebefugnis wegen der Eigentumsbetroffenheit ist die Klage insgesamt zulässig. § 42 Abs. 2 VwGO lässt es nicht zu, die Klage nach unterschiedlichen Klagegründen aufzuspalten mit der Folge, einzelne Klagegründe im Wege einer Art Vorprüfung endgültig auszuschalten und die sachliche Nachprüfung des klägerischen Vorbringens auf die verbleibenden Klagegründe zu beschränken (Urteil vom 20. Mai 1998 - BVerwG 11 C 3.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 S. 52). Gleiches gilt für den Einwand der Beigeladenen, die Klägerin sei mit bestimmten Einwendungen präkludiert. Denn die mögliche Präklusion von einzelnen Einwendungen berührt nicht die Klagebefugnis, sondern betrifft den Umfang der Begründetheitsprüfung.
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B. Die Klage ist überwiegend begründet. Zwar war der Hauptantrag auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses abzuweisen, die Klage hat aber mit dem in diesem Antrag als "Minus" enthaltenen Begehren Erfolg, die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72 <74> = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 36) (I.). Die übrigen Einwendungen der Klägerin führen nicht auf Rechtsfehler des Planfeststellungsbeschlusses (II.).
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I. 1. a) Die Klägerin als von der Fachplanung betroffene Gemeinde ist auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche Eigentum an den Grundstücken, die durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf Vollüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <391 f.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 114 S. 123, Beschlüsse vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 10 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 26). Auch eine enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses zu ihren Lasten führt nicht zu dem aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG hergeleiteten Anspruch auf vollumfängliche Prüfung, da die Klägerin nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ist (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <100 f.>).
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Damit scheidet eine Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses an naturschutzrechtlichen Regelungen von vornherein aus (Beschluss vom 18. März 2008 - a.a.O. Rn. 12). Dies gilt auch, soweit die Klägerin untere Landschaftsbehörde nach § 8 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft Nordrhein-Westfalen (Landschaftsgesetz - LG NRW) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV. NRW S. 568), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 16. März 2010 (GV. NRW S. 185) ist. Insoweit nimmt sie zwar Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (§ 8 Abs. 3 Satz 1 LG NRW) wahr, sie wird aber nicht Begünstigte des materiellen Naturschutzrechtes, wenn - wie hier die Planfeststellungsbehörde (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW) - eine andere Behörde für naturschutzrechtliche Entscheidungen zuständig ist.
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b) Maßgeblich für die Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses ist die Rechtslage bei dessen Erlass am 7. November 2012, soweit nicht spätere Rechtsänderungen einen vormaligen Rechtsverstoß entfallen lassen (Urteil vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 Rn. 52).
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2. Der Einwand der Klägerin, vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses habe es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft, ist nicht nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert (a). Er hat in der Sache Erfolg. Auch unter Berücksichtigung der durch § 3a Satz 4 UVPG eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (b) ist festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist, weil es vor seinem Erlass einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurfte (c). Dieser Fehler führt nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, aber nach § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit (d).
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a) Die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert.
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Gemäß § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG sind Äußerungen, Einwendungen und Stellungnahmen nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach Satz 1 ausgeschlossen. Diese Mitwirkungslast gilt uneingeschränkt auch für eine Gebietskörperschaft, die im Planfeststellungsverfahren als Behörde und damit als Trägerin öffentlicher Belange zur Stellungnahme aufgefordert worden ist (vgl. Urteil vom 9. Februar 2005 - BVerwG 9 A 62.03 - NVwZ 2005, 813 <815>
§ 78 vwvfg nr. 10 nicht abgedruckt> zur Mitwirkungslast nach § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG). Die Einwendungsfrist, über die entsprechend § 43b Satz 3 EnWG belehrt worden ist, lief hier am 9. Mai 2011 ab. Der damit eintretende Einwendungsausschluss erstreckt sich auch auf das gerichtliche Verfahren (Urteile vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 7.97 - BVerwGE 104, 337 <343> = Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 S. 32 und vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 - NVwZ 2013, 1605 Rn. 65).
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Der 7. Senat hat dargelegt (Beschluss vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 12), dass das Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 2011 den Anforderungen an ein Einwendungsschreiben einer Gebietskörperschaft genügt. Diese Einschätzung teilt der erkennende Senat. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen hat die Klägerin auch substantiiert eine Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert. Die Klägerin erhob diese Forderung vor dem Hintergrund, dass nach ihrer Auffassung "dem Antrag für das Planfeststellungsverfahren entscheidungserhebliche Unterlagen fehlen und darüber hinaus weitere Belange und umweltbezogene Auswirkungen geprüft" werden sollten. Welche Umweltbelange die Klägerin im Auge hatte, ergab sich aus dem Schreiben im Übrigen.
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Anders als die Beigeladene meint, ist die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht in Folge des Erörterungstermins vom 28. Februar 2012 präkludiert. Allerdings ist es unzulässig, im Klageverfahren auf frühere Einwendungen zurückzukommen, wenn im Anhörungsverfahren eine streitbefriedende Erörterung gelingt (Beschluss vom 17. Februar 1997 - BVerwG 4 VR 17.96 - LKV 1997, 328
§ 17 fstrg nr. 127 nicht abgedruckt>). Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor. Die auf naturschutzfachliche Erwägungen bezogene Äußerung eines Mitarbeiters der Klägerin in deren Funktion als untere Landschaftsschutzbehörde im Erörterungstermin vom 28. Februar 2012 konnte nicht dahin verstanden werden, für die Klägerin als planbetroffene Gebietskörperschaft solle die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung fallen gelassen werden.
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Hiervon ausgehend bedarf es weder einer Entscheidung, ob die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung den fachplanungsrechtlichen Regelungen über die Präklusion unterliegt (offengelassen in Beschluss vom 10. Oktober 2006 - BVerwG 9 B 27.05 - NVwZ 2007, 84 Rn. 19
§ 11 uvpg nr. 4 nicht abgedruckt>; dafür OVG Lüneburg, Urteil vom 19. September 2013 - 7 KS 209/11 - juris Rn. 63; Neumann, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 73 Rn. 98), noch, ob - bejahendenfalls - gegen eine solche nationale Regelung unionsrechtliche Bedenken bestehen.
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b) Gemäß § 3a Satz 4 UVPG unterliegt die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die behördliche Einschätzung ist im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat (Urteil vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 26 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2).
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Anknüpfend an diese der zuständigen Behörde in § 3a Satz 4 UVP eingeräumte Beurteilungsermächtigung stellt § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG klar, dass die behördliche Entscheidung im gerichtlichen Verfahren unter anderem darauf zu überprüfen ist, ob das anzuwendende Recht verkannt wurde. Das Umweltrechtsbehelfsgesetz findet hier Anwendung, weil infolge der von § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Ziffer 19.1.3 der Anlage 1 zum UVPG angeordneten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls für den in Rede stehenden Planfeststellungsbeschluss eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG bestehen kann (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 18 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: April 2013, § 1 UmwRG Rn. 29).
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Der Anwendung von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG steht nicht entgegen, dass die Vorschrift nach Art. 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) erst am 29. Januar 2013 und damit nach Klageerhebung in Kraft getreten ist. Die geänderten Vorschriften des Gesetzes gelten nach § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfsverfahren nach § 2, die am 12. Mai 2011 anhängig waren oder nach diesem Tag eingeleitet worden sind und die am 29. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Zwar handelt es sich hier nicht um den Rechtsbehelf einer anerkannten Vereinigung nach § 2 Abs. 1 UmwRG, der Gesetzgeber knüpft in § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG aber an allgemeine Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts an, die gleichfalls eine Anwendung des § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG fordern (vgl. BTDrucks 17/10957 S. 18; Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 194 Rn. 1).
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c) Der Beklagte hat die UVP-Vorprüfung nicht entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt und damit das anzuwendende Recht im Sinne von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG verkannt. Die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls hätte zu der Annahme führen müssen, dass das Vorhaben unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG haben kann, so dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte. Dies folgt aus der bei der Vorprüfung absehbaren Belastung der Wohnbevölkerung mit Immissionen durch elektromagnetische Felder.
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Das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls verneint erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen der Sache nach mit dem Hinweis, dass die Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV <1996>) i.d.F. vom 16. Dezember 1996 (BGBl I S. 1966) nicht überschritten werden. Sie setzt damit die Schwelle der erheblichen Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG mit der Schwelle der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 BImSchG i.V.m. der 26. BImSchV gleich, die durch Abwägung nicht überwindbar ist (vgl. Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 23). Dieser Sichtweise entspricht es, dass der Gutachter der Beigeladenen die Umweltauswirkungen durch elektromagnetische Felder auf einer dreistufigen Skala als "gering" einschätzt, ohne der Frage nachzugehen, inwieweit sich die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte bereits dem maßgeblichen Grenzwert nähern.
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Dies verkennt den rechtlichen Maßstab. Nach § 3c Satz 1 UVPG ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht erst dann, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können (Urteil vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 30). Denn die Umweltverträglichkeitsprüfung soll die Umweltbelange so herausarbeiten, dass sie in die Abwägung in gebündelter Form eingehen (Urteil vom 18. November 2004 - BVerwG 4 CN 11.03 - BVerwGE 122, 207 <211> = Buchholz 406.251 § 17 UVPG Nr. 1 S. 6). Sie ist ein formalisierter Zwischenschritt mit dem Ziel einer zunächst auf die Umweltbelange beschränkten Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens im Rahmen der Abwägung aller Belange und dient als wirkungsvolle Methode, die Umweltbelange in den Abwägungsprozess einzuführen (Urteil vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <247> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 62 f.). Gerade die Abwägungsentscheidung lässt das Planfeststellungsrecht als besonders geeignetes Trägerverfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung erscheinen (Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 12 UVPG Rn. 83). Hiervon ausgehend muss die Umweltverträglichkeitsprüfung daher grundsätzlich auch die Abwägungsentscheidung vorbereiten, wenn Umweltauswirkungen in die Abwägung eingehen und damit bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht (Urteile vom 13. Dezember 2007 a.a.O., vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 34 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2 und vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 32 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 32; vgl. auch BTDrucks 14/4599 S. 95).
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Im Luftverkehrsrecht hat der Senat angenommen, dass nachteilige betriebsbedingte Auswirkungen bei einer Änderungsgenehmigung zu berücksichtigen und damit grundsätzlich im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG erheblich sind, wenn sie mehr als geringfügig und damit abwägungserheblich sind (Urteile vom 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 30 und vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 30). Jedenfalls bei Überschreiten der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle könne die Erheblichkeit allenfalls verneint werden, wenn bereits der Vorhabenträger Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen vorgesehen habe und diese die nachteiligen Umweltauswirkungen offensichtlich ausschlössen. Auch in der Anordnung von Betriebsbeschränkungen zugunsten von Anwohnern hat der Senat einen Anhaltspunkt für die Abwägungserheblichkeit gesehen (Urteil vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 33). Hiervon ausgehend musste der Beklagte vorliegend ebenfalls erhebliche Umweltauswirkungen annehmen. Denn bei der Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung gehört zu den weiteren erheblichen Belangen in der Abwägung das Interesse an jeglicher Verschonung vor elektromagnetischen Feldern, auch wenn diese die Grenzwerte unterschreiten (Beschlüsse vom 22. Juli 2010 a.a.O. Rn. 35 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 59).
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Die Rechtsprechung des Senats ist auf Vorbehalte gestoßen. Ihr mag entgegnet werden, dass nach ihren Maßstäben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 1 UVPG im Widerspruch zur Konzeption des Gesetzgebers nahezu zwangsläufig zur Annahme erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen und damit zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung führe. Denn es erscheint kaum ein der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls unterliegendes Vorhaben der Fachplanung denkbar, das nicht jedenfalls abwägungserhebliche Umweltauswirkungen hat (zweifelnd daher etwa OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 5 Bs 24/10 - NordÖR 2010, 206 - juris Rn. 21). Diesen Vorbehalten braucht der Senat hier indes nicht nachzugehen. Zwar sind bei Höchstspannungsfreileitungen regelmäßig Immissionen elektromagnetischer Felder in der Abwägung zu bewältigen. Vorliegend war aber auf einem erheblichen Teilabschnitt eine Belastung der Wohnbevölkerung in einer Stärke zu erwarten, die so nah an einen Grenzwert heranreichte, dass im Zeitpunkt der Vorprüfung ein Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses nicht ausgeschlossen werden konnte. Denn die Abwägung des Schutzes vor elektromagnetischer Strahlung ist ausgehend von den Grenzwerten zu gewichten. Dieser Belang ist umso gewichtiger, je näher die Belastung an die Grenzwerte heranreicht, sein Gewicht ist umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleibt. Insoweit orientiert sich der Senat an dem im Fluglärmschutzrecht entwickelten Ansatz (Urteil vom 4. April 2012 - BVerwG 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 190 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 37). Nach einer Berechnung der Beigeladenen aus dem Mai 2010 - und damit vor der erneuten Vorprüfung (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 29 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3) - war zwischen Mast 21 und 22 angrenzend an Wohngebiete in B. eine elektrische Feldstärke von 3,8 kV/m und eine magnetische Flussdichte von 21,0 µT zu erwarten. Die elektrische Feldstärke näherte sich damit deutlich dem Grenzwert von 5,0 kV/m und betraf absehbar auf einer nicht unerheblichen Länge der Trasse Wohnbebauung. Die prognostizierte Belastung warf erkennbar die Frage auf, ob im Rahmen der Abwägung eine Senkung dieser Belastung in Betracht kam. Es wäre Aufgabe einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewesen, diese Abwägung vorzubereiten. Die Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG hätte die Planfeststellungsbehörde deshalb nicht verneinen dürfen.
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d) Die Fehlerfolge ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 UmwRG i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG. Namentlich ist § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG anzuwenden, der durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) mit Wirkung vom 29. Januar 2013 erlassen worden ist, und der die bisherige Rechtslage klarstellt (BTDrucks 17/10957 S. 17; vgl. bereits Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 33).
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Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Ein solcher Fall liegt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch vor, wenn - wie hier - eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Die Vorschrift gilt nach § 4 Abs. 3 UmwRG für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO und damit für die Klägerin entsprechend. Sie wird so auf Rechtsbehelfe erstreckt, deren Zulässigkeit von der Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte abhängt (BTDrucks 16/2495 S. 14). § 4 Abs. 3 UmwRG begründet damit nicht die Klagebefugnis, sondern verändert gegenüber der allgemeinen Regelung des § 46 VwVfG NRW die Begründetheitsprüfung (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 22). Hat die Behörde eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft unterlassen, ist dieser Fehler erheblich, ohne dass es nach nationalem Recht darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob dieser Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte. Der Verfahrensfehler führt damit zur Begründetheit der Klage, unabhängig von den sonst nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltenden einschränkenden Maßgaben (Beschluss vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014 Rn. 10).
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Ungeachtet des Wortlauts des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG führt der festgestellte Rechtsfehler hier nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Der auf den Regelfall des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugeschnittene Wortlaut ersetzt die spezielle Fehlerfolgenregelung des § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG nicht, vielmehr geht die letztgenannte Regelung als speziellere vor (ebenso Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 34 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3 zu § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG). Vorliegend kann es mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit nach § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG sein Bewenden haben. Denn der eingetretene Verfahrensfehler kann in einem ergänzenden Verfahren behoben werden.
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Dies begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 36). Denn die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit stellt sicher, dass die Zulassungsentscheidung nicht ausgeführt werden darf, bevor die unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung nachgeholt und die in ihrem Rahmen getroffenen Feststellungen und Bewertungen der Umweltauswirkungen des Vorhabens in einer erneuten Zulassungsentscheidung gewürdigt worden sind. Diese Würdigung muss ergebnisoffen erfolgen und ist wiederum mit Rechtsbehelfen angreifbar. Eine Umgehung oder Nichtanwendung der Regelungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung wird dadurch verhindert. Diese können vielmehr ihre volle Wirkkraft entfalten.
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II. Die weiteren von der Klägerin gerügten Rechtsverletzungen führen schon deshalb nicht zu einem weitergehenden Klageerfolg, weil sie - ihr Vorliegen unterstellt - nicht von einer solchen Art und Schwere wären, dass die Planung als Ganzes von vornherein in Frage gestellt schiene (vgl. Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 83 = Buchholz 406.11 § 7 BauGB Nr. 4). Es bedarf insoweit aber auch weder einer Planergänzung noch der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens mangels Rechtsfehlern zu Lasten der Klägerin. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob einzelne Einwendungen nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert sein könnten und - bejahendenfalls - ob diese Präklusion unionsrechtlichen Bedenken begegnet.
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1. Die Planrechtfertigung liegt vor. Das Vorhaben ist gemessen an den Zielen des zugrunde liegenden Fachplanungsgesetzes vernünftigerweise geboten (Urteile vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <168> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 59 S. 60 f. und vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 27). Die planfestgestellte Trasse ist Teil des Vorhabens Nr. 14 der Anlage zum EnLAG und entspricht damit nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EnLAG den Zielsetzungen des § 1 EnWG. Seine energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf stehen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EnLAG fest. Diese Feststellungen sind für die Planfeststellung und die Plangenehmigung nach den §§ 43 bis 43d EnWG gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 EnLAG verbindlich. Dies gilt auch für das gerichtliche Verfahren (Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 - NuR 2013, 794 Rn. 35 - zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen).
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Der Einwand der Klägerin, die Schutzstreifen griffen auf ihre Grundstücke zu umfangreich zu, betrifft nicht die Planrechtfertigung. Für sie reicht aus, dass die mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen generell geeignet sind, entgegenstehende Eigentumsrechte zu überwinden. Ob das Wohl der Allgemeinheit den Zugriff auf ein einzelnes Grundstück letztlich erfordert, hängt von der weiteren planerischen Konkretisierung des Vorhabens ab und ist eine Frage der fachplanerischen Abwägung (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 183 f. = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23).
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2. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt - abgesehen von dem unter B I. festgestellten Rechtsverstoß - kein zwingendes Recht. Die planfestgestellte Höchstspannungsfreileitung unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Da sie keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV bedarf, ist sie nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
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Diese Anforderungen dienen dem allgemeinen öffentlichen Interesse und dem Schutz Betroffener und sind nicht dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet (Urteil vom 18. Juli 2013 a.a.O. Rn. 64). Die Klägerin könnte indes einen Eingriff in ihr Eigentum rügen, wenn Nutzer und Bewohner ihrer Anlagen in rechtswidriger Weise Immissionen ausgesetzt würden (vgl. Urteil vom 26. März 2007 - BVerwG 7 B 73.06 - Buchholz 451.171 § 9b AtG Nr. 2 Rn. 10).
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a) Hinsichtlich elektromagnetischer Felder konkretisiert die 26. BImSchV (1996) die Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der 26. BImSchV <1996>).
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Die planfestgestellte Leitung, eine Niederfrequenzanlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a der 26. BImSchV (1996), ist nach § 3 Satz 1 der 26. BImSchV (1996) i.V.m. dem Anhang 2 so zu errichten und zu betreiben, dass in ihrem Einwirkungsbereich in Gebäuden oder auf Grundstücken, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, bei höchster betrieblicher Auslastung unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere Niederfrequenzanlagen der Effektivwert der elektrischen Feldstärke 5 kV/m und der Effektivwert der magnetischen Flussdichte 100 µT nicht überschreitet. Zum Zwecke der Vorsorge haben nach § 4 der 26. BImSchV (1996) bei der Errichtung einer Niederfrequenzanlage in der Nähe von Wohnungen oder Schulen in diesen Gebäuden oder auf diesen Grundstücken auch die maximalen Effektivwerte diesen Anforderungen zu entsprechen. Diese Vorgaben wahrt das streitgegenständliche Vorhaben.
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Die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden (stRspr, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 25, vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 20 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 33 ff.). Die staatliche Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG fordert nach derzeitigem fachwissenschaftlichen Kenntnisstand keine niedrigeren Grenzwerte. Der Verordnungsgeber verfügt bei der Erfüllung seiner Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit über einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, der auch Raum lässt, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht wird erst verletzt, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Von einem solchen völlig unzureichenden Schutz kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 <202>, vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 - NJW 2002, 1638 <1639> sowie Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 - 1 BvR 382/05 - NVwZ 2007, 805 = juris Rn. 18).
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Gemessen hieran ist davon auszugehen, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) wirksam akute Beeinträchtigungen der Gesundheit verhindern. Der Verordnungsgeber hat bei der Novelle zur 26. BImSchV (Art. 1 der Verordnung vom 14. August 2013 - BGBl I S. 3259) an dem Grenzwert für die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte festgehalten (Anhang 1
i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV) und sich dabei auf Empfehlungen der 2010 veröffentlichten Guidelines der International Commission on non-Ionizing radiation protection (ICNIRP) berufen (veröffentlicht in Health Physics 99 <6>: S. 818 <2010>). Auch mögliche Langzeitfolgen lassen nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte. Die zu Langzeitfolgen vorliegende Befundlage erweist sich als "nicht stark genug, um einen Kausalzusammenhang zu belegen, aber ausreichend, um eine Besorgnis zu begründen" (Sachverständiger Matthes, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 17. WP, 92. Sitzung vom 27. Februar 2013, Protokoll 17/92 S. 10). Diese Bewertung entspricht im Kern der Einschätzung der Strahlenschutzkommission (Vergleichende Bewertung der Evidenz von Krebsrisiken durch elektromagnetische Felder und Strahlungen, Stellungnahme der Strahlenschutzkommission vom 14./15. April 2011, S. 52 ff.). Die von der Klägerin angeführten wissenschaftlichen Arbeiten ziehen diese Einschätzung nicht in Zweifel. Der Strahlenschutzkommission war der Standpunkt von J. Schütz und A. Ahlborn bekannt, auf die sich die Klägerin beruft (vgl. Stellungnahme, a.a.O. S. 77). Ob die weiter von der Klägerin vorgelegte Tabelle zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen bei Kindern und der Wohnentfernung zu Höchstspannungsfreileitungen eine Risikoerhöhung belegt, mag offen bleiben. Jedenfalls bietet sie keinen Anhalt für die Annahme, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte.
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b) Den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert für anlagenbezogene Lärmimmissionen die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503). Ihr kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmtem Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (Urteile vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 9 und vom 29. November 2012 - BVerwG 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 Rn. 18). Den Anforderungen der TA Lärm genügt das Vorhaben.
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Das vom Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Gutachten des TÜV Hessen prognostiziert an den am höchsten belasteten Immissionsorten einen nächtlichen Beurteilungspegel von geringfügig mehr als 35 dB(A). Substantiierte Einwendungen dagegen hat die Klägerin nicht erhoben. Insbesondere fehlt ein Anhaltspunkt für den Verdacht, bei den der Prognose zugrunde liegenden Messwerten sei ein Messabschlag nach Ziffer 6.9 TA Lärm in Abzug gebracht worden.
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Den Anforderungen der TA Lärm ist auch unter der Annahme genügt, dass die am höchsten belasteten Immissionsorte in reinen Wohngebieten liegen. Wegen ihrer Randlage zum Außenbereich gegenüber einem privilegierten Außenbereichsvorhaben (hier: § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) und ihrer Vorbelastung durch die fortbestehende Freileitung Bl. 2388 sind die Grundstücke nur vermindert schutzwürdig (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2000 - BVerwG 7 B 4.10 - BRS 78 Nr. 117 Rn. 32). Daher ist der maßgebliche Immissionsrichtwert nach Ziffer 6.7 der TA Lärm ("Gemengelage") zu ermitteln. Hier reicht der Schutz eines allgemeinen Wohngebiets aus. Der damit nach Ziffer 6.1 Buchst. d TA Lärm einzuhaltende Immissionsrichtwert von 40 dB(A) für die Nacht wird gewahrt.
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Diese Einschätzung liegt auf der sicheren Seite. Das Gutachten des TÜV Hessen geht von einem Datenpool aus, dem Messwerte für 4er-Bündel-Seile in der Ausführung 4 * Al/St 265/35 zugrunde liegen (S. 5, 12). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss in dem Abschnitt Edelstahlwerk bis Punkt Sankt T. die Verwendung dickerer Phasenseile (Al/St 550/70) zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm festsetzt (Erläuterungsbericht, S. 30). Diese Phasenseile lassen wegen der geringeren Randfeldstärken eine deutliche Minderung der Emissionen gegenüber den prognostizierten Werten erwarten (Gutachten TÜV Hessen S. 39).
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3. Nach § 43 Satz 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Dieses Abwägungsgebot ist nicht verletzt.
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Dabei ist die gerichtliche Kontrolle der Auswahl zwischen verschiedenen Planungsalternativen als Abwägungsentscheidung auf erhebliche Abwägungsmängel begrenzt (§ 43 Satz 3, § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG). Ihre Rechtmäßigkeit hängt nicht davon ab, ob für eine andere planerische Lösung einleuchtende Gründe angeführt werden können. Es reicht vielmehr aus, wenn die Behörde ernsthaft in Betracht kommende Alternativen prüft, sich mit dem Für und Wider der jeweiligen Lösung auseinandersetzt und tragfähige Gründe für die gewählte Lösung anführen kann. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit sind erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Lösung sich unter Berücksichtigung der abwägungserheblichen Belange als die eindeutig bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellt (vgl. Urteile vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <249 f.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 65 f. und vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41 m.w.N.
).
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a) Die planfestgestellte rechteckige statt der von der Klägerin geforderten elliptischen Form der Schutzstreifen ist im Ergebnis nicht abwägungsfehlerhaft. Der Beklagte hält die Nutzungsbeschränkungen bei rechteckigen Schutzstreifen für leichter erkennbar; diese Form entspreche der Eintragung im Grundbuch und ermögliche Wartungsarbeiten im Bereich der Masten. Diese Gesichtspunkte können die entgegenstehenden Eigentümerinteressen der Klägerin überwinden, die von der Form der festgelegten Schutzstreifen nur am Rande berührt werden. Dass entsprechende Darlegungen im Planfeststellungsbeschluss fehlen, ist jedenfalls nach § 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG unbeachtlich, weil ein etwaiger Mangel auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen ist.
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b) Besondere Vorkehrungen gegen die Gefahr von Mastbrüchen brauchte der Planfeststellungsbeschluss nicht zu treffen. Eine Planfeststellungsbehörde hat sich Gewissheit darüber zu verschaffen, dass ein durch das Vorhaben aufgeworfenes tatsächliches Problem bei der Ausführung des Planfeststellungsbeschlusses beherrschbar ist und das hierfür notwendige Instrumentarium bereit steht. Der Planfeststellungsbeschluss kann daher die Bauausführung ausklammern, soweit der Stand der Technik für die zu bewältigenden Probleme geeignete Lösungen zur Verfügung stellt und die Beachtung der entsprechenden technischen Vorgaben gewährleistet ist (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 97 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 201). Nach § 49 Abs. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Der Erläuterungsbericht nennt die zu beachtenden technischen Regelwerke (S. 16 f.). Der Planfeststellungsbeschluss durfte davon ausgehen, dass diese Regelungen ausreichende Möglichkeiten bereitstellen, um hinreichend vor Mastbrüchen zu schützen.
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c) Der Planfeststellungsbeschluss verletzt nicht die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnde Planungshoheit der Klägerin. Der 7. Senat hat dies in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 28. Februar 2013 dargelegt und dabei insbesondere das Gebiet des Bebauungsplans Nr. 653 in den Blick genommen (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 23). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Die Klägerin ist ihr in der mündlichen Verhandlung nicht mehr entgegengetreten.
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d) Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 1 Abs. 1 EnLAG i.V.m. der Anlage sowie § 43 Abs. 1 Nr. 1 EnWG die von der Klägerin geforderte Führung als Erdkabel ausschließt. Der Planfeststellungsbeschluss hat sich jedenfalls ohne Abwägungsfehler gegen diese Alternative ausgesprochen (Beschluss vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 32 f.).
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Er hat die Vor- und Nachteile einer Freileitung und eines Erdkabels in den Blick genommen, gewürdigt und der Ausführung als Freileitung in Übereinstimmung mit dem von der Klägerin beauftragten Gutachter den Vorrang eingeräumt. Störungen seien bei Freileitungen besser beherrschbar, der Reparaturaufwand geringer, die zu erwartende Lebensdauer höher und die Kosten erheblich niedriger. Ein Erdkabel entlaste zwar das Landschaftsbild, belaste aber die Schutzgüter Biotope, Boden und Wasser stärker. Das unterschiedliche Emissionsverhalten von Freileitung und Erdkabel sieht der Planfeststellungsbeschluss, misst ihm aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Diese Überlegungen genügen dem Abwägungsgebot.
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Die Einwände der Klägerin zeigen keinen im Ergebnis erheblichen Abwägungsfehler auf. Ob der Planfeststellungsbeschluss davon ausgehen durfte, dass bei Erdkabeln die technische Sicherheit im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG nicht gewährleistet ist, kann mangels Ergebnisrelevanz offen bleiben (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG). Denn die Abwägung des Beklagten wird gerade für den Fall angestellt, dass ein Erdkabel grundsätzlich planfeststellungsfähig ist und nicht von vornherein an rechtlichen Grenzen scheitert. Der Planfeststellungsbeschluss durfte auch - entgegen der Auffassung der Klägerin - die höhere Übertragungskapazität einer Freileitung berücksichtigen, da er diese nicht begrenzt. Welche Einwände die Klägerin gegen die Bewertung der Kabelübergabestation als nicht ganz unerhebliches Bauwerk erhebt, ist nicht erkennbar.
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Schließlich kann die Klägerin den Hinweis des Planfeststellungsbeschlusses auf die erheblichen Mehrkosten einer teilweisen Endverkabelung nicht entkräften. Es kommt dem Planfeststellungsbeschluss entscheidend auf die Mehrkosten an, nicht, jedenfalls nicht ergebnisrelevant (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG), auf die Frage des Investitionsbudgets. Ob die Mehrkosten ins Verhältnis zu den Gesamtkosten oder zu denjenigen der jeweiligen Teilstrecke gesetzt werden, ist eine Frage der Darstellung, spielt für die Abwägungskontrolle aber keine Rolle (Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 44).
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines "Negativzeugnisses", wonach für die Erweiterung des sogenannten Vorfeldes A des Flughafens A. weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung erforderlich ist, sowie um die Verpflichtung des Beklagten, der Beigeladenen die Nutzung der - inzwischen fertig gestellten und in Betrieb genommenen - erweiterten Vorfeldfläche bis zum Abschluss eines luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens zu untersagen.
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Die Kläger sind Eigentümer selbst bewohnter Hausgrundstücke, die sich in etwa einem Kilometer Entfernung zum Flughafen A. befinden. Das Grundstück der Klägerin zu 2 liegt zudem in der Nacht-Schutzzone nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG.
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Nach Durchführung eines wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens bei der Stadt A. zeigte die Beigeladene die geplante Vorfelderweiterung nach § 41 Abs. 1 LuftVZO luftverkehrsrechtlich an. Mit einem als Negativzeugnis bezeichneten Bescheid vom 26. April 2007 teilte das Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden Ministerium) der Beigeladenen mit, die Prüfung ihrer Anzeige habe ergeben, dass eine Planfeststellung und eine Plangenehmigung nicht erforderlich seien, weil das Vorhaben eine unwesentliche Erweiterung der Flughafenanlage darstelle. Den Antrag der Kläger, für den Ausbau des Vorfeldes A auf dem Flughafen der Beigeladenen die Erforderlichkeit eines Planfeststellungsverfahrens mit Umweltverträglichkeitsprüfung festzustellen und die im November 2007 aufgenommene Nutzung der Erweiterung des Vorfeldes A bis zum Abschluss des luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens zu untersagen, lehnte das Ministerium mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 ab.
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Das Oberverwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit die Kläger die Aufhebung des Negativzeugnisses vom 26. April 2007 beantragt haben, und die Klage abgewiesen, soweit die Kläger beantragt haben, den Beklagten zu verpflichten, der Beigeladenen die Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. bis zum Abschluss eines luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens und einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu untersagen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage gegen das Negativzeugnis sei zulässig. Bei dem Negativzeugnis handle es sich um einen für einen Dritten anfechtbaren Verwaltungsakt. Auch seien die Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Eine (mögliche) Verletzung subjektiver Rechte liege danach u.a. dann vor, wenn einem Drittbetroffenen die planerische Abwägung seiner dem Vorhaben entgegenstehenden Belange wegen der fehlerhaften Wahl der Verfahrensart versagt geblieben sei. Materiell-rechtlicher Anknüpfungspunkt sei insofern die (drittschützende) Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 LuftVG. Der in der Norm verwendete Begriff "beeinträchtigt" sei - wie bisher - im Sinne von "beeinflusst" auszulegen. Eine solche Beeinflussung sei bereits dann gegeben, wenn Belange anderer in mehr als nur unerheblicher, also abwägungsrelevanter Weise berührt würden. Das sei hier der Fall. Als in der Nachbarschaft oder im Einwirkungsbereich des Flughafens wohnende Personen könnten die Kläger jeweils als eigenen Belang geltend machen, von den Lärmauswirkungen des Erweiterungsvorhabens betroffen zu sein. Darauf, dass nach der Schalluntersuchung die - unstreitig zu erwartende - Lärmsteigerung im Bereich des Abwägungsunerheblichen liegen möge, könne hier nicht entscheidend abgestellt werden, weil die Schalluntersuchung und das ergänzende Gutachten, das die Beigeladene während des Gerichtsverfahrens beigebracht habe, auf einer fehlerhaften Verkehrsprognose beruhten. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die verfahrensgegenständliche Erweiterungsmaßnahme zu abwägungserheblichen Erhöhungen der Lärmbelastung der Kläger komme. Die Klage sei auch begründet. Für die Erweiterung des Vorfelds A bestehe eine Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung der Umweltverträglichkeit nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG. Diese sei - wegen der nicht plausiblen Bewertung der Lärmbelastung der Kläger - fehlerhaft. Hierauf könnten sich die Kläger gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 UmwRG berufen. Einer eigenen Rechtsverletzung bedürfe es insofern nicht. Die Klage auf Nutzungsuntersagung sei dagegen unzulässig. Den Klägern fehle insofern die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Diese ergebe sich weder aus dem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch noch aus § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 LuftVG, weil eine (mögliche) Rechtsverletzung hier noch nicht einmal ansatzweise erkennbar sei. Auf das subjektive Recht der Kläger auf abwägende Berücksichtigung ihrer Belange könne nicht abgestellt werden, weil ihm mit der beantragten Nutzungsuntersagung nicht Rechnung getragen würde oder werden könnte. Eine abwägungsfehlerhafte Verkürzung von Lärmschutzbelangen führe in der Regel nicht zur Blockierung des Vorhabens, weil den Lärmschutzbelangen durch Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, insbesondere in Gestalt von Lärmschutzauflagen, Rechnung getragen werden könne. Auch für eine Verletzung des Rechts der Kläger auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) fehle es an Anhaltspunkten. Schließlich ergebe sich auch aus europäischem Recht keine Klagebefugnis.
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Die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision haben die Beteiligten eingelegt, soweit sie jeweils unterlegen sind.
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Beklagter und Beigeladene sind der Meinung, die Klage sei bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Sie tragen vor, bei dem Negativzeugnis handele es sich um keine Entscheidung, die von einem Dritten angefochten werden könne. Sie weise keinerlei planungsrechtlichen Gehalt auf. Es handele sich vielmehr um eine Verfügung des Aufsichtsrechts nach den §§ 41, 47 LuftVZO. Unabhängig davon seien die Kläger jedenfalls nicht klagebefugt. Einen Anspruch auf die Durchführung des richtigen Verfahrens, namentlich eines Planfeststellungsverfahrens, gebe es nicht. Auch aus dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung ergäben sich keine einklagbaren Rechte Dritter. Schließlich lasse sich die Klagebefugnis auch nicht aus § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG herleiten; denn die Norm stelle auf eine Rechtsbeeinträchtigung und nicht auf eine bloße Rechtsbeeinflussung ab. Eine Beeinträchtigung von Rechten anderer sei aber nur dann gegeben, wenn ein direkter Zugriff auf fremde Rechte erfolge. Das sei hier nicht der Fall. Diese gesetzgeberische Entscheidung sei zu respektieren. Eine Klagebefugnis aus anderen Gründen sei nicht erkennbar.
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Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet. So habe das Oberverwaltungsgericht bereits verkannt, dass hier kein Vorhaben i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UVPG vorliege. Denn die verfahrensgegenständlichen Maßnahmen am Flughafen seien von den bisher erteilten Genehmigungen gedeckt. Das folge (auch) aus § 71 Abs. 2 LuftVG. Die UVP-Vorprüfung weise zudem weder Ermittlungsfehler noch Ermittlungsdefizite auf. Unabhängig davon verstoße die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, das Ergebnis der UVP-Vorprüfung sei nicht nachvollziehbar, gegen § 3a Satz 4 UVPG, weil das Gericht die Anforderungen an deren Überprüfung überspannt habe.
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Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht die Klage auf Nutzungsuntersagung abgewiesen. Es habe die Anforderungen an die Klagebefugnis verkannt. Diese folge auch insoweit aus dem klägerischen Anspruch auf gerechte Abwägung ihrer Lärmschutzbelange. § 42 Abs. 2 VwGO i.V.m. dem allgemeinen (Vollzugs-)Folgenbeseitigungsanspruch und § 29 Abs. 1 LuftVG seien zudem dahingehend auszulegen, dass eine Verletzung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorgaben des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und der sog. UVP-Richtlinie zugleich eine die Klagebefugnis begründende Rechtsverletzung zumindest der - wie die Kläger - qualifiziert in ihren Rechten Betroffenen vermittele. Hieraus resultiere auch ein Anspruch auf Nutzungsuntersagung der Vorfelderweiterung zugunsten der Kläger.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen von Beklagtem und Beigeladener sind unbegründet (1.). Auf die Revision der Kläger war das angefochtene Urteil zu ändern und der Beklagte antragsgemäß zu verpflichten, die Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. bis zur luftverkehrsrechtlichen Zulassung der Ausbaumaßnahme gegenüber der Beigeladenen zu untersagen (2.).
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1. a) Die Klage gegen die Unterbleibensentscheidung ("Negativzeugnis") vom 26. April 2007 ist zulässig. Sie ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft (aa), und die Kläger besitzen die hierfür erforderliche Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (bb).
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aa) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 3 des Luftverkehrsgesetzes - LuftVG - einen - auch für einen Dritten anfechtbaren - Verwaltungsakt darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - BVerwGE 115, 158 <163> = juris Rn. 60; ferner Urteile vom 8. Oktober 1976 - 7 C 24.73 - Buchholz 442.01 § 28 PBefG Nr. 3 zum Personenbeförderungsrecht und vom 15. Januar 1982 - 4 C 26.78 - BVerwGE 64, 325 = juris Rn. 21 zum Fernstraßenrecht). Hieran ist festzuhalten. So hat der 7. Senat die Verwaltungsakteigenschaft einer Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - wiederholt bejaht (BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2010 - 7 C 2.10 - Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 8 Rn. 21 und vom 7. August 2012 - 7 C 7.11 - Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 9 Rn. 13). Für die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG kann nichts anderes gelten, zumal diese - anders als die Freistellungserklärung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG - zusätzlich eine entsprechende Ermessensausübung durch die Planfeststellungsbehörde erfordert. Hiervon geht offenbar auch das Ministerium aus, denn es hat seiner Unterbleibensentscheidung Nebenbestimmungen in Form von zwei Auflagen und einem Auflagenvorbehalt beigefügt, die auf § 36 Abs. 2 Nr. 4 und 5 VwVfG NW gestützt wurden.
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Der Regelungsgehalt einer Entscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG besteht dabei zum einen in der Feststellung, dass es sich um eine Änderung/Erweiterung eines Flughafens handelt (i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG), die jedoch i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 bis 3 LuftVG von unwesentlicher Bedeutung ist, zum anderen in dem auf pflichtgemäßer Ermessensausübung beruhenden Verzicht der Behörde auf die Durchführung eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens sowie der hiermit verbundenen Freigabe der Maßnahme nach Luftverkehrsrecht. Die Entscheidung ergeht gegenüber dem Vorhabenträger (Anzeigender i.S.v. § 41 Abs. 1 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung - LuftVZO -) und besitzt damit Außenwirkung. Da nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG ein Fall von unwesentlicher Bedeutung nur dann vorliegt, wenn Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden, wirkt die Unterbleibensentscheidung auch gegenüber Dritten. Denn aufgrund dieser Entscheidung muss weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung und damit auch keine gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG umfassende Abwägung aller von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange erfolgen.
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bb) Die Kläger sind gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Es erscheint zumindest möglich, dass sie durch die Unterbleibensentscheidung in ihren durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geschützten Rechten verletzt werden.
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Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Ist der Kläger nicht Adressat eines Verwaltungsakts, sondern lediglich als Dritter betroffen, so ist für seine Klagebefugnis erforderlich, dass er die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt ist (stRspr; vgl. BVerwG, etwa Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 Rn. 14), und die Verletzung dieser Norm zumindest möglich erscheint. Eine Anfechtungsklage ist nur dann nach § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 - 11 C 17.93 - BVerwGE 95, 333 <334 f.>). Die insoweit an den klägerischen Sachvortrag zu stellenden Anforderungen dürfen - mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG - dabei nicht überspannt werden (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 = juris Rn. 41).
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Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG a. F. drittschützend ist (BVerwG, Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - BVerwGE 115, 158 = juris Rn. 27). Auch in der jetzigen Fassung ist die Vorschrift drittschützend, weil - trotz der durch das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2833) erfolgten Änderung (Ersetzung des Begriffs "beeinflusst" durch den Begriff "beeinträchtigt") - sich die von § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geforderte "Berücksichtigung von Rechten Dritter" nicht auf den direkten Zugriff auf Rechte beschränkt, sondern - nach wie vor - im Sinne einer "Beeinflussung der Rechte Dritter" zu verstehen ist; die Norm erfasst damit auch Drittbelange, die in mehr als unerheblicher, mithin abwägungsrelevanter Weise (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG ) berührt werden (in diese Richtung bereits BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 4 B 66.08 - juris Rn. 8 unter Verweis auf das Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - a.a.O. S. 164). Dies folgt aus einer an Wortlaut, Sinn und Zweck und der Systematik ausgerichteten Auslegung.
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§ 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG formuliert in seinem 1. Halbsatz dahingehend, dass "Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden". Diese Formulierung lehnt sich wohl an § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 1 LuftVG an (dort heißt es "Rechte anderer nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden"), so dass hieraus gefolgert werden könnte, dass mit den Formulierungen das Gleiche gemeint ist. Ein solches Verständnis ließe jedoch den jeweiligen Halbsatz 2 der Regelungen unberücksichtigt, der Rückschlüsse auf die Reichweite der "Rechte anderer" zulässt. Während § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG zum Inhalt hat, dass "die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben", heißt es in § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG lediglich, dass "mit den vom Plan Betroffenen entsprechende Vereinbarungen getroffen werden". § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG rechtfertigt somit den Schluss, dass "Rechte anderer" i.S.d. Halbsatzes 1 nur solche sein können, auf die durch ein Vorhaben unmittelbar zugegriffen werden soll. Zu einem solchen Schluss zwingt § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG mit seiner offeneren Formulierung von den "entsprechenden Vereinbarungen" jedoch nicht. Vielmehr rechtfertigt er die Annahme, dass die in Halbsatz 1 angesprochenen Rechte anderer weiter zu fassen sind (mithin in Richtung auf die abwägungserheblichen Belange i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG) als die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 genannten.
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Auch die Systematik, die § 8 LuftVG zugrunde liegt, spricht für diese Auslegung. In § 8 LuftVG ist die Genehmigungsbedürftigkeit u.a. von Änderungen an bestehenden Flughäfen normiert. Die Vorschrift stellt dabei eine gewisse Rangfolge in Bezug auf die durchzuführenden Genehmigungsverfahren auf. Grundsätzlich ist für die Änderung von Flughäfen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG ein Planfeststellungsverfahren erforderlich. In bestimmten Fällen kann unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 LuftVG von einer Planfeststellung abgesehen und nur eine Plangenehmigung erteilt werden. Im Sonderfall der unwesentlichen Änderung kann nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG auch eine Unterbleibensentscheidung ergehen, mit der Folge, dass dann weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung erforderlich sind. Insbesondere der Vergleich zwischen den Regelungen in § 8 Abs. 2 Satz 1 und § 8 Abs. 3 Satz 2 LuftVG belegt, dass bei einer identischen Auslegung der Wörter "Rechte anderer nicht beeinträchtigt" die Voraussetzungen für eine Plangenehmigung oder eine Unterbleibensentscheidung weitgehend angeglichen würden. Die in § 8 Abs. 1 bis 3 LuftVG angelegte Stufenfolge würde hierdurch infrage gestellt. Wird dagegen die Formulierung in § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG in einem über den direkten Zugriff auf Rechte anderer hinausgehenden Sinne verstanden, bleibt das Stufenverhältnis der einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen gewahrt. Es kommt hinzu, dass sowohl die Planfeststellung als auch die Plangenehmigung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG das Ergebnis einer sämtliche durch das Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange Rechnung tragenden Abwägung sein müssen; eine solche Abwägung ist im Rahmen einer Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG nicht vorgesehen. Der Stufenfolge des § 8 LuftVG liegt damit der Gedanke zugrunde, nur solche Vorhaben von einer Planfeststellung/Plangenehmigung auszunehmen, deren Zulassung gerade keiner planerischen Abwägungsentscheidung bedarf. Diese Systematik ist aber nur dann gewahrt, wenn § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG in einem weiten Sinne verstanden wird, weil andernfalls durch die Unterbleibensentscheidung abwägungserhebliche Belange Dritter im luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahren ausgeblendet werden könnten.
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§ 8 Abs. 3 LuftVG dient ersichtlich der Verfahrensvereinfachung und der Verfahrensbeschleunigung für unwesentliche (= „einfache“) Änderungen/Erweiterungen eines Flughafens. Diese sollen in einem möglichst unkomplizierten Verfahren, insbesondere ohne eine sie rechtfertigende (umfassende) Abwägungsentscheidung, "zugelassen" und anschließend rasch verwirklicht werden können. Die Norm hat nicht den Zweck, die Genehmigungsbehörde von einer etwa erforderlichen Berücksichtigung abwägungserheblicher Belange Dritter freizustellen oder solche Belange abzuschneiden. Wo solche (schutzwürdigen, nicht geringwertigen und nicht makelbehafteten) Belange berührt werden, ist die Unterbleibensentscheidung nach deren Sinn und Zweck nicht das richtige Instrument zur Vorhabenfreigabe. Es bedarf dann vielmehr einer Planfeststellung/Plangenehmigung. Der hinter § 8 Abs. 3 LuftVG stehende Zweck würde verfehlt, wenn § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LuftVG auf die Fälle des direkten Zugriffs auf Rechte Dritter beschränkt würde.
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Die Kläger haben hinreichend substantiiert vorgetragen, dass eine Verletzung ihrer durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geschützten abwägungserheblichen Belange aufgrund der ungeklärten Lärmauswirkungen der umstrittenen Maßnahme zumindest möglich erscheint. Die klägerischen Grundstücke liegen etwas über einen Kilometer vom Flughafen A. entfernt. Das Grundstück der Klägerin zu 2 liegt zudem in der Nacht-Schutzzone nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - FlugLärmG -. Die Erweiterung des Vorfeldes A sowie die weiteren hiermit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen erfolgen in Richtung auf ihr Grundstück. Nach dem von der Beigeladenen vorgelegten Gutachten der B. GmbH vom 23. Januar 2007 bedingt die Maßnahme eine Erhöhung der Lärmbelastung der Kläger, weil die Erweiterung zu einer Zunahme der Bewegungen auf dem Vorfeld A führt. Zwar kommt die B. GmbH zu dem Ergebnis, dass durch die Vorfelderweiterung lediglich mit einer Erhöhung des Lärmpegels um 0,5 dB(A) zu rechnen sei. Die Kläger haben diese Aussage sowie die Lärmbegutachtung aber unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts substantiiert in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund lässt sich dem Lärmschutzinteresse der Kläger nicht von vornherein jegliche Relevanz absprechen. Ob diesem Gesichtspunkt im konkreten Fall die Bedeutung zukommt, die ihm die Kläger beimessen, ist der Prüfung im Rahmen der Begründetheit vorzubehalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3 S. 25 = juris Rn. 20).
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b) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht von der Begründetheit der Klage ausgegangen.
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aa) Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, das Negativzeugnis sei rechtswidrig, weil eine Pflicht zur Durchführung einer UVP-Vorprüfung bestehe und die angestellte UVP-Vorprüfung aufgrund von Ermittlungsdefiziten im Ergebnis nicht nachvollziehbar sei (UA S. 21), verstößt nicht gegen revisibles Recht.
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(1) Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, für die Erweiterung des Vorfeldes A bestehe eine Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG -, denn hierbei handele es sich um die Erweiterung eines UVP-pflichtigen Vorhabens, die nicht von einer bestandskräftigen förmlichen Zulassungsentscheidung gedeckt sei (UA S. 22 f.). Das steht mit Bundesrecht im Einklang.
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Nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) - auch - für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn eine Vorprüfung des Einzelfalles i.S.v. § 3c Satz 1 und 3 UVPG ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Die Frage, ob es sich um eine Änderung oder Erweiterung im Sinne der Vorschrift handelt, beurteilt sich dabei nach materiellem Recht, vorliegend mithin nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG (Rathgeb, in: Giemulla/Schmid, LuftVG, Loseblatt Stand Oktober 2014, § 8 Rn. 18). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Änderung eines Flughafens vorliegt, wenn das Vorhaben vom Regelungsgehalt einer bestandskräftigen früheren Zulassungsentscheidung nicht mehr gedeckt ist; schon Zugelassenes bedarf nicht erneut einer Zulassung (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 - 4 C 16.04 - BVerwGE 127, 208 Rn. 31; Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 4 B 75.03 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 14 S. 9 f. = juris Rn. 16). Bezugspunkt und Maßstab für das Vorliegen einer Änderung ist mithin der bisherige Gestattungszustand (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149,17 Rn. 14). Insoweit ist der Begriff der Änderung in § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 LuftVG fachplanungsrechtlich determiniert (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 a.a.O. Rn. 31).
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Das Oberverwaltungsgericht hat sich im angefochtenen Urteil ausführlich mit der Genehmigungslage des Flughafens A. befasst (UA S. 23 bis 30) und ist in Auslegung der vorhandenen Genehmigungen zum Ergebnis gelangt, dass diese die Erweiterung des Vorfeldes A nicht abdecken. Der tatrichterlich ermittelte Inhalt der Genehmigungen ist als Tatsachenfeststellung i.S.d. § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <280>), weil weder der Beklagte noch die Beigeladene innerhalb der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine Verfahrensrüge erhoben haben, sondern sich darauf beschränken, der vorinstanzlichen Auslegung der Genehmigungen ihre eigene, davon abweichende Auslegung gegenüber zu stellen.
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Ist danach von einer Änderung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG auszugehen, so liegt damit auch eine Änderung i.S.v. § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG vor. Da gemäß § 3b Abs. 1 i.V.m. Nr. 14.12.1 der Anlage 1 UVPG (in der hier maßgeblichen Fassung zum 26. April 2007) der Bau eines Flugplatzes im Sinne der Begriffsbestimmungen des Abkommens von Chicago von 1944 zur Errichtung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation mit einer Start- und Landebahngrundlänge von - wie hier - 1 500 m oder mehr UVP-pflichtig ist, folgt hieraus, dass die Vorfelderweiterung einer UVP-Vorprüfung bedurfte.
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(2) Das Oberverwaltungsgericht hat ferner angenommen, dass die UVP-Vorprüfung durch den Beklagten nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG entspreche. Auch das lässt einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen.
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Nach § 3a Satz 4 UVPG ist, wenn die Feststellung, dass eine UVP unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG beruht, die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist.
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Gemäß § 3c Satz 1 UVPG muss die zuständige Behörde einschätzen, ob das Vorhaben aufgrund überschlägiger Prüfung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Nach § 3c Satz 3 UVPG ist bei der Vorprüfung auch zu berücksichtigen, inwieweit durch die vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen Umweltauswirkungen offensichtlich ausgeschlossen werden. Erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen, die die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen, liegen nicht erst dann vor, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 34, vom 16. Oktober 2008 - 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 32 und vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 37). Eine Umweltverträglichkeitsprüfung muss vielmehr durchgeführt werden, wenn Umweltauswirkungen bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht.
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Die Planfeststellungsbehörde darf im Rahmen der Vorprüfung nicht bereits mit einer der Umweltverträglichkeitsprüfung vergleichbaren Prüftiefe "durchermitteln" und damit unzulässigerweise die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung unter Missachtung der für diese obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen; sie ist vielmehr auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 35 und vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 25). Andererseits darf sich die Vorprüfung nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen. Hierzu zählen auch vom Vorhabenträger eingeholte Fachgutachten, die gegebenenfalls durch zusätzliche Ermittlungen der Planfeststellungsbehörde ergänzt werden können (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 25). Bei der Frage, welche Unterlagen und Informationen als geeignete Grundlage einer überschlägigen Prüfung benötigt werden, kommt der Behörde ein Einschätzungsspielraum zu (BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2006 - 4 C 16.04 - BVerwGE 127, 208 Rn. 49 und vom 20. August 2008 a.a.O.).
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Die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Beurteilung zur UVP-Pflichtigkeit unterliegt nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Zu untersuchen ist, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist (BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 24 und vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 - UPR 2014, 444 Rn. 16). Dementsprechend muss eine Vorprüfung überhaupt stattgefunden haben, und das Ergebnis der Vorprüfung darf keine Rechtsfehler aufweisen, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Diese Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle verdeutlicht, dass der Planfeststellungsbehörde für ihre prognostische Beurteilung möglicher Umweltauswirkungen des Vorhabens ein Einschätzungsspielraum zusteht (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29). Gefordert ist eine Plausibilitätskontrolle, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29). Dies bedeutet zugleich, dass nachträglich gewonnene Erkenntnisse, die die Auswirkungen in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten, für die Tragfähigkeit des Prüfergebnisses und damit der verfahrenslenkenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht maßgeblich sein können (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29).
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Das Oberverwaltungsgericht hat vorliegend beanstandet, dass die Lärmauswirkungen, die mit der Nutzung des erweiterten Vorfeldes A verbunden sind, nicht auf der Grundlage einer realistischen Verkehrsprognose ermittelt und beurteilt worden seien. Das gelte namentlich für den Bodenlärm und für die Schalluntersuchung. Das Gutachten zur Kapazitätsveränderung durch ein erweitertes Vorfeld A am Flughafen A. vom Dezember 2006 der C. GmbH (C.-Gutachten) habe insofern unzutreffend auf die Flugbewegungen eines typischen Tages des Jahres 2005 und der sechs verkehrsreichsten Monate des Jahres 2005 abgestellt, anstatt von einem zu einem bestimmten Prognosezeitpunkt zu erwartenden Flugbewegungsaufkommen auszugehen. Das gelte auch für die hierauf aufbauende schalltechnische Untersuchung der B. GmbH vom Januar 2007 (UA S. 33 f.). Die Abschätzung des Bodenlärms sei daher aufgrund eines falschen Ansatzes oder Maßstabes unbrauchbar. Die Ergebnisrelevanz dieses Fehlers sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen in Gestalt von (erheblichem) Bodenlärm aus anderen Gründen offensichtlich nicht zu erwarten seien, denn solche Gründe seien nicht gegeben. Diese Ausführungen lassen einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen. Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sowohl das C.-Gutachten als auch die Lärmbegutachtung durch die B. GmbH nicht geeignet waren, die Unbeachtlichkeit der Lärmerhöhung durch die Erweiterungsmaßnahme in Richtung auf die klägerischen Wohngebäude zu belegen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist für die Lärmberechnung auf das tatsächliche Verkehrsaufkommen abzustellen, das in einem überschaubaren Zeitraum zu erwarten ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 - 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13, vom 3. März 1999 - 11 A 9.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 26 und vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 354; Beschluss vom 7. Februar 2001 - 11 B 61.00 - ZLW 2001, 455). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) fehlt es vorliegend an einer dieser Anforderung entsprechenden in die Zukunft gerichteten Verkehrsprognose zum Zeitpunkt des Erlasses der Unterbleibensentscheidung. Damit ist das Ergebnis der UVP-Vorprüfung, wonach es keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, nicht plausibel begründet.
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Dass das C.-Gutachten und das Gutachten der B. GmbH unzureichend waren, räumt letztlich auch der Beklagte ein. Er vertritt allerdings die Auffassung, die Mängel seien durch das auf Anforderung des Oberverwaltungsgerichts nachgereichte C.-Gutachten vom Juli 2012 geheilt worden. Eine solche Heilung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zulässig. Dem ist schon deshalb nicht zu folgen, weil das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass auch das nachgereichte Gutachten fehlerhaft ist. Zudem habe der Beklagte seine Bodenlärmbeurteilung aus Anlass der C.-Darstellung nicht ergänzt. Damit sei keine Heilung der Fehler bei der Beurteilung des Bodenlärms eingetreten (UA S. 38). Hieran ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da diese Feststellungen nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen worden sind.
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bb) Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht schließlich entschieden, dass sich die Kläger gemäß § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes - UmwRG - auf die fehlerhafte UVP-Vorprüfung berufen könnten, ohne dass es darüber hinaus der Feststellung einer Rechtsverletzung i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bedürfe.
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Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit u.a. eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 3 UVPG verlangt werden, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Anknüpfungspunkt für die Rechtsfolge einer Aufhebung der Zulassungsentscheidung ist mithin eine fehlerhaft unterbliebene UVP oder UVP-Vorprüfung. Diese Fehler sind erheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können, wie es § 46 VwVfG sonst voraussetzt. Die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG gilt in erster Linie für die umweltrechtliche Verbandsklage, ist aber gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO entsprechend anwendbar mit der Folge, dass die Verfahrensfehler auch insoweit unabhängig von den sonst geltenden einschränkenden Maßgaben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zur Begründetheit der Klage führen. Hieraus folgt, dass eine Genehmigungsentscheidung, die ohne die hierfür erforderliche UVP oder UVP-Vorprüfung getroffen worden ist, auf die Klage eines gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugten Dritten nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwRG allein wegen dieses Fehlers aufzuheben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014 Rn. 10). Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG gilt das auch, wenn - wie hier - eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügt.
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Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz findet nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG auch Anwendung auf die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG. Denn nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UVPG sind Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben Bewilligung, Erlaubnis, Genehmigung, Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, mit Ausnahme von Anzeigeverfahren. Entscheidungen, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, sind dabei vor allem solche, die ein Verwaltungsverfahren i.S.d. § 9 VwVfG abschließen (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149, 17). Hierzu zählt auch die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG, weil sie ein Verwaltungsakt ist.
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2. Die Revision der Kläger ist dagegen erfolgreich. Ihre Klage ist zulässig (a) und begründet (b). Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist insofern mit Bundesrecht nicht vereinbar.
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a) Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, dass die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Untersagung der Nutzung der Erweiterung des Vorfeldes A unzulässig sei, weil den Klägern die nach § 42 Abs. 2 VwGO hierfür erforderliche Klagebefugnis fehle, trifft nicht zu.
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Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Verpflichtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein, und wenn nach seinem Vorbringen die Verletzung dieser Rechte möglich erscheint (vgl. oben). Da die Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 5 VwGO nur begründet ist, wenn ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes gegeben ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 - BVerwGE 77, 317 = juris Rn. 13), erfordert dies das Bestehen eines Rechtssatzes, der die Behörde zum Erlass dieses Verwaltungsaktes verpflichtet oder wenigstens ermächtigt und zugleich einen subjektiven Anspruch darauf gewährt sowie den jeweiligen Kläger in den Kreis der Berechtigten einbezieht (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1997 - 1 C 29.95 - BVerwGE 104, 115). Für die Klagebefugnis reicht es dabei aus, dass ein solcher Anspruch nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1991 - 4 C 23.88 - Buchholz 406.39 Denkmalschutzrecht Nr. 5; siehe auch BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2011 - 6 C 2.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 3 und vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 17, jeweils m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist es entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen, dass die Kläger einen Anspruch auf Erlass einer Nutzungsuntersagung oder wenigstens auf ermessensfehlerfreie Entscheidung haben.
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(1) Eine Rechtsgrundlage für das vom Beklagten verlangte aufsichtsbehördliche Einschreiten ist mit § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG vorhanden. Danach ist die Abwehr von betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt (Luftaufsicht) Aufgabe der Luftfahrtbehörden und der Flugsicherungsorganisation. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG um eine Norm, die sich auf das Gebot zur Gefahrenabwehr i.S.d. allgemeinen Polizeirechts beschränkt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 4 C 2.13 - juris Rn. 18). Schutzgut der Vorschrift ist, soweit es vorliegend darauf ankommt, die öffentliche Sicherheit. Sie umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, die Unversehrtheit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie Bestand und Funktionieren der Einrichtungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Eine Gefahr i.S.v. § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass ein Zustand oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für das Schutzgut führt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 a.a.O. Rn. 13). Hiervon ist etwa dann auszugehen, wenn ein Flughafen ohne die nach § 8 Abs. 1 und 2 LuftVG erforderliche Planfeststellung bzw. Plangenehmigung geändert wird und eine dies legitimierende Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG fehlt, z.B. weil diese auf den Rechtsbehelf eines Dritten hin aufgehoben worden ist. Ist eine solche Gefahr gegeben, dann kann die hierfür zuständige Behörde die erforderlichen Verfügungen erlassen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG). Bei einer formell illegalen Änderung eines Flughafens lässt sich auf diese Regelung u.a. die Befugnis stützen, die Nutzung der geänderten Anlagen zu untersagen und damit die Störung der Rechtsordnung zu unterbinden (in diese Richtung bereits BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 2001 - 11 VR 16.00 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 18 = juris Rn. 11).
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(2) § 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG stellt das Einschreiten in das Ermessen der zuständigen Behörden. Damit besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Einschreiten, sondern nur ein solcher auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Allein in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf Null kann sich dieser Anspruch zu einem Rechtsanspruch verdichten. Nicht anders als in anderen Gebieten des öffentlichen Rechts, namentlich im öffentlichen Baurecht setzen sowohl der Anspruch auf Einschreiten als auch der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung voraus, dass der Dritte durch die formell illegale Anlage in seinen Rechten verletzt wird. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei geklärt, dass sich der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz grundsätzlich nur aus Rechtsvorschriften ableiten lässt, die das individuell geschützte private Interesse, die Art seiner Verletzung und den Kreis der unmittelbar geschützten Personen hinreichend deutlich klarstellen und abgrenzen (stRspr, vgl. BVerwG, etwa Urteil vom 20. Oktober 1972 - 4 C 107.67 - BVerwGE 41, 58 <63> = juris Rn. 18). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 - BVerwGE 52, 122). Er wird für die Kläger durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG vermittelt. Es erscheint zumindest möglich, dass die Kläger durch die Weigerung des Beklagten, die Nutzung des erweiterten Vorfeldes A vorläufig zu unterbinden, in ihrem Recht auf Abwägung ihrer Lärmschutzbelange verletzt sind. Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, mit der beantragten Nutzungsuntersagung könne der Rechtsverletzung nicht begegnet werden, ist unzutreffend. Zwar führt eine abwägungsfehlerhafte Nichtberücksichtigung oder Zurücksetzung von Lärmschutzbelangen in der Regel dazu, dass der Betroffene im Wege der Verpflichtungsklage auf eine Vervollständigung der Lärmschutzkonzeption zu seinen Gunsten dringen muss (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 290). Das bedeutet aber nicht, dass er das Vorhaben nicht, wie mit der Nutzungsuntersagung angestrebt, bis zur Fehlerbehebung blockieren könnte. Solange die Lärmschutzkonzeption defizitär ist, muss nämlich die beanstandete Nutzung einer Verkehrsfläche unterbleiben (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 290 und vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 77).
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b) Die Klage ist begründet. Der Senat kann die beantragte Verpflichtung des Beklagten selbst aussprechen, da die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts für diese Beurteilung ausreichend sind und die Sache spruchreif ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
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Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 29 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG und § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG auf Untersagung der Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. gegenüber der Beigeladenen bis zur luftverkehrsrechtlichen Zulassung der Ausbaumaßnahme. Der dem widersprechende Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 war daher aufzuheben.
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aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 LuftVG liegen vor, weil die Vorfelderweiterung formell illegal ist.
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bb) Das dem Beklagten eröffnete Ermessen ist vorliegend zugunsten der Kläger dahingehend reduziert, dass der Beklagte gegen die nicht genehmigte Nutzung der Vorfelderweiterung durch die Beigeladene einschreiten muss. Ein Nutzungsverbot ist zwingende Konsequenz daraus, dass die Unterbleibensentscheidung vom Oberverwaltungsgericht - zu Recht - aufgehoben wurde, weil die UVP-Vorprüfung fehlerhaft durchgeführt worden ist, und die Kläger sich hierauf über § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG berufen können. Mit § 4 Abs. 3 UmwRG wollte der Gesetzgeber (vgl. BT-Drs. 16/2495 S.14) der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 - C-201/02 - [ECLI:EU:C:2004:12], Wells - Rn. 54 ff.) Rechnung tragen, der das fehlerhafte Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung vor Genehmigungserteilung als wesentlichen Verfahrensfehler behandelt hat, auf den sich der von der Genehmigung Betroffene ohne Weiteres berufen könne. Der Europäische Gerichtshof betont überdies in ständiger Rechtsprechung, dass ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes Gericht in der Lage sein müsse, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen (EuGH, Urteile vom 19. Juni 1990 - C-213/89 [ECLI:EU:C:1990:257], Factortame u.a. - Rn. 21, vom 13. März 2007 - C-432/05 [ECLI:EU:C:2007:163], Unibet - Rn. 67 und vom 15. Januar 2013 - C-416/10 [ECLI:EU:C:2013:8], Krizan u.a. - Rn. 107). Diese Ausführungen stehen zwar im Zusammenhang mit der Frage, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit bestehen muss, den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erreichen, mit der die Vollziehung einer Genehmigung bis zum Erlass der Endentscheidung (des Gerichts) vorübergehend ausgesetzt werden kann. Die Grundsätze müssen aber erst recht gelten, wenn eine entsprechende Genehmigung nach der Inswerksetzung des Vorhabens durch Urteil aufgehoben wurde, weil die für das Vorhaben erforderliche UVP-Vorprüfung fehlerhaft durchgeführt wurde und offen ist, ob das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf und zugelassen werden kann. Es kommt ein weiteres hinzu: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten gemäß dem (jetzt) in Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union - EUV - enthaltenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - C-6/90 und C-9/90 [ECLI:EU:C:1991:428], Francovich u.a. - Rn. 36). Eine solche Verpflichtung obliegt jeder Behörde des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen ihrer Zuständigkeiten (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 a.a.O. Rn. 64 m.w.N.). Begrenzt durch den Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, sind derartige Maßnahmen beispielsweise die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung zu dem Zweck, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 a.a.O. Rn. 65).
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Vor diesem Hintergrund sieht der Senat für Fälle wie den vorliegenden in § 4 Abs. 3 UmwRG eine Regelung, die das behördliche Ermessen in Bezug auf ein luftaufsichtsrechtliches Einschreiten dahingehend steuert, dass zugunsten der unter den Schutzbereich des § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG fallenden Nachbarschaft in der Regel eingeschritten werden muss. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Überlegung, dass ansonsten eine nicht zu rechtfertigende Rechtsschutzlücke entstünde. Der vorliegende Fall belegt dies anschaulich. Die Kläger sind zwar mit ihrer Klage gegen die Unterbleibensentscheidung durchgedrungen, vor dem Oberverwaltungsgericht mit dem Begehren auf Nutzungsuntersagung jedoch gescheitert. Solange der Beklagte bei dieser Sachlage nicht aus eigenem Entschluss gegen die Nutzung der Vorfelderweiterung durch die Beigeladene einschreitet, ändert sich faktisch für die Kläger nichts. Damit würde § 4 Abs. 3 UmwRG in der Sache leerlaufen. Das widerspricht nicht nur Unionsrecht (Effektivitätsgrundsatz), sondern auch Art. 19 Abs. 4 GG.
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Es mag Fallgestaltungen geben, in welchen ausnahmsweise unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von einer Nutzungsuntersagung eines wegen Verstoßes gegen die UVP-Vorprüfungspflicht formell illegalen Vorhabens abzusehen ist. Das bedarf aber keiner Vertiefung, weil für einen solchen Fall hier keine Anhaltspunkte bestehen und von der Beigeladenen auch nicht geltend gemacht worden sind.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO, bezüglich der Beigeladenen auch auf § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich gegen einen wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss des beklagten Landes, der die Errichtung der Wasserrückhaltung W./A./N. zum Gegenstand hat. Die geplante Hochwasserrückhaltung hat eine Fläche von ca. 327 ha und soll in einem früheren Überschwemmungsgebiet des Rheins gebaut werden. Das Vorhaben umfasst die Errichtung eines Rückhalteraums, der aus zwei getrennten Teilen besteht. Der ungesteuerte Teil (Rückhaltevolumen ca. 1,2 Mio. m³) soll in Abhängigkeit von den Rheinwasserständen regelmäßig überschwemmt und an die natürliche Dynamik des Rheins angeschlossen werden. Der gesteuerte Teil des Rückhalteraums (Rückhaltevolumen ca. 7,8 Mio. m³) soll bei extremen Hochwasserereignissen geflutet werden, um Überflutungen in Siedlungs-, Gewerbe- und Infrastrukturflächen der Rheinniederung zu verhindern. Im Zusammenhang mit der Errichtung der Rückhalteräume sind zahlreiche bauliche Maßnahmen vorgesehen. Von der Planung betroffen sind in erster Linie landwirtschaftlich genutzte Grundstücke und Waldflächen.
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Die Klägerin zu 1 ist die Gemeinde A., deren Gemeindegebiet zu etwa 12 % von den geplanten Rückhalteräumen erfasst wird.
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Die Klägerin zu 2 ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Obst und Gemüse anbaut und Eigentümerin und Pächterin von innerhalb der geplanten Rückhaltung gelegenen Flächen ist.
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Der Kläger zu 3 ist Eigentümer eines nahe der geplanten Hochwasserrückhaltung liegenden Wohngrundstücks und mehrerer - ebenfalls in der Nähe des Vorhabens liegender - Grundstücke in einem Naherholungsgebiet, die für einen Campingplatz genutzt werden.
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Mit Schreiben vom 31. Januar 2002 beantragte die Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Bodenschutz - Neubaugruppe Hochwasserschutz Oberrhein - der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd des beklagten Landes als Träger des Vorhabens bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd als Oberer Wasserbehörde die Feststellung des Plans für den Bau der Hochwasserrückhaltung.
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Der Plan wurde mit Beschluss der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd vom 20. Juni 2006 festgestellt.
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Das Verwaltungsgericht wies die hiergegen gerichteten, von insgesamt sechs Klägern erhobenen Klagen ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kläger gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss leide nicht an rügefähigen Rechtsfehlern, die die Kläger in ihren Rechten verletzten. Die Kläger könnten sich weder auf mögliche Defizite der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung noch auf die Verletzung natur- und artenschutzrechtlicher Vorschriften berufen. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 3 könnten keine umfassende Planprüfung verlangen. Etwas anderes folge hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung auch nicht aus dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Denn dieses finde nach seinem § 5 nur für solche Verfahren Anwendung, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden seien. Hier sei das Planfeststellungsverfahren aber bereits im Jahr 2002 begonnen worden. Unionsrecht gebiete die Anwendung des Gesetzes nicht. Damit könne dahinstehen, ob sich zugunsten der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 aus § 4 Abs. 1 UmwRG ein Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses ergeben könne.
- 8
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Die Klägerin zu 2 sei zwar von einer enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses betroffen; sie könne sich aber nicht auf natur-, umwelt- und artenschutzrechtliche Belange berufen, weil deren Geltendmachung die materielle Verwirkungspräklusion des § 115 Abs. 1 Satz 2 LWG entgegenstehe. Diese Präklusion verstoße ebenfalls nicht gegen Unionsrecht.
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Die im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgenommene Ergänzung der Nebenbestimmung III Nr. 13.4 führe nicht dazu, dass ein neues Planfeststellungsverfahren durchzuführen gewesen sei. Die Planrechtfertigung sei mit dem Verwaltungsgericht zu bejahen. Auch stünden dem Vorhaben keine zwingenden Versagungsgründe nach § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG a.F. entgegen.
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Der Planfeststellungsbeschluss leide nicht an Abwägungsmängeln, die zu seiner Aufhebung führten. Das gelte zunächst für die Verwerfung der Standortalternative "H.". Die Abwägung sei auch nicht wegen des von den Klägern behaupteten unzumutbaren Risikos eines Deichbruchs zu beanstanden. Als Fluchtweg aus A. könne jedenfalls die Kreisstraße K 7 nach R. genutzt werden, auch wenn eine derartige Notumfahrung zu gewissen Engpässen führen werde. Dieser Gesichtspunkt lasse sich dem Planfeststellungsbeschluss nicht entnehmen, ein Abwägungsdefizit erscheine möglich. Ein solcher Mangel sei jedoch nicht im Sinne des § 114 Abs. 1 Nr. 1 LWG i.V.m. § 75 Abs. 1a VwVfG erheblich. Ebenso wenig sei ein Abwägungsfehler hinsichtlich der Gefahr von Druckwasser und eines erhöhten Grundwasseranstiegs ersichtlich.
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision tragen die Kläger im Wesentlichen vor: Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 3 seien mangels Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes nicht befugt, eine Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung geltend zu machen, sei mit Unionsrecht ebenso wenig zu vereinbaren wie seine Ansicht, dass die Klägerin zu 2 mit ihrem auf das Natur-, Artenschutz- und Umweltrecht bezogenen Vorbringen nach § 115 Abs. 1 Satz 2 LWG präkludiert sei. Das Berufungsurteil verstoße zudem gegen § 76 Abs. 1 VwVfG, weil die nachträgliche Ergänzung der Nebenbestimmung III Nr. 13.4 ein neues Planfeststellungsverfahren erfordert hätte, von dem nicht nach § 76 Abs. 2 VwVfG hätte abgesehen werden dürfen. Folge man der Auffassung des Berufungsgerichts, verstoße der Planfeststellungsbeschluss jedenfalls gegen § 37 Abs. 1 VwVfG; außerdem habe das Berufungsgericht insoweit Verfahrensrecht verletzt. Das Berufungsurteil stehe ferner mit § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG a.F. nicht in Einklang, weil eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwassergefahr für die Oberlieger am Standort des geplanten Polders vorliege. Soweit das Berufungsgericht die Abwägung als rechtmäßig erachtet habe, verstoße sein Urteil in mehrfacher Hinsicht gegen Bundesrecht. Das gelte im Hinblick auf die Gefahr eines Deichbruchs, die Überschwemmungsgefahr durch Qualmwasser und kumulierende Starkregenereignisse, die Problematik einer gesicherten Straßenanbindung der Klägerin zu 1 im Falle einer Flutung des Polders sowie die Auswahl des Standorts des Vorhabens. Das Berufungsgericht habe dabei nicht nur gegen § 75 Abs. 1a VwVfG und das Gebot gerechter Abwägung verstoßen, sondern auch den Untersuchungsgrundsatz und die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 und 2 VwGO) sowie den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
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Die Kläger beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. September 2007, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Februar 2009 und den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 20. Juni 2006 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren beteiligt und zu Fragen des Unionsrechts geäußert.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 10. Januar 2012 - 7 C 20.11 - das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union um die Klärung mehrerer Fragen zur Auslegung der Richtlinien 2003/35/EG und 85/337/EWG gebeten. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712] - über die Vorlage entschieden.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen revisibles Recht und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht in der Sache selbst entscheiden kann, ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. a) Einen Anspruch der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses aus § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG hat das Oberverwaltungsgericht verneint, weil das Gesetz nach § 5 Abs. 1 UmwRG auf Verfahren, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden seien, keine Anwendung finde. Diese Annahme steht mit revisiblem Recht nicht in Einklang.
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Die in der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. L 156 S. 17) vorgesehene Umsetzungsfrist bis zum 25. Juni 2005 ist dahin auszulegen, dass die Vorschriften des nationalen Rechts zur Umsetzung des Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175 S. 40) in der durch die Richtlinie 2003/35/EG geänderten Fassung auch für behördliche Genehmigungsverfahren gelten müssen, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden waren, in denen aber erst nach diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erteilt wurde. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union auf die Vorlage des Senats entschieden (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712], Gemeinde A. u.a.). Die Neukodifikation der Richtlinie 85/337/EWG durch die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 26 S. 1) hat hieran nichts geändert (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683], Kommission/Deutschland - Rn. 101 ff.). Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, welches der Umsetzung des Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG bzw. des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU dient, ist daher auf das vorliegende Verfahren anzuwenden. Das Planfeststellungsverfahren wurde bereits im Jahr 2002 eingeleitet; der Planfeststellungsbeschluss wurde aber erst am 20. Juni 2006 und damit nach dem 25. Juni 2005 erlassen.
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Auf die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an.
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b) Das Urteil erweist sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann nicht ausgeschlossen werden, dass den Klägern ein Anspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 UmwRG auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zusteht.
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aa) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung der Entscheidung nur verlangt werden, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (Nr. 1) oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit (Nr. 2) nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist. Diese Fehler sind erheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können (BVerwG, Urteile vom 2. Oktober 2013 - 9 A 23.12 - Buchholz 451.91 EuropUmwR Nr. 55 Rn. 21, vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 - BVerwGE 151, 138 Rn. 34). Im vorliegenden Fall ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden. Das steht einem Aufhebungsanspruch aus § 4 Abs. 1 UmwRG aber nicht von vornherein entgegen. Die Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes auf den Fall zu beschränken, dass die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung aufgrund des Unterbleibens einer Umweltverträglichkeitsprüfung angefochten wird, und nicht auf den Fall zu erstrecken, dass eine solche Prüfung zwar durchgeführt wurde, aber fehlerhaft war, ist mit Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG bzw. Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU nicht vereinbar. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union auf die Vorlage des Senats ebenfalls bereits entschieden (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712], Gemeinde A. u.a. - Rn. 36 ff.). Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss allerdings nicht jeder Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von seinen Auswirkungen auf den Inhalt der Entscheidung zu einen Anspruch auf deren Aufhebung führen (EuGH a.a.O. Rn. 49); § 4 Abs. 1 UmwRG muss in unionsrechtskonformer Auslegung aber jedenfalls auf solche Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung erstreckt werden, die nach ihrer Art und Schwere den in § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG genannten Fehlern vergleichbar sind, insbesondere weil sie der betroffenen Öffentlichkeit die vorgesehene Möglichkeit genommen haben, Zugang zu den auszulegenden Unterlagen zu erhalten und sich am Entscheidungsprozess zu beteiligen (EuGH a.a.O. Rn. 54). Auch derartige absolute Verfahrensfehler müssen unabhängig von § 46 VwVfG und unabhängig von der konkreten Möglichkeit, dass die angefochtene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <361 f.>; Beschluss vom 10. Januar 2012 - 7 C 20.11 - NVwZ 2012, 448 Rn. 39 m.w.N.), zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen. Dass die Umweltverträglichkeitsprüfung hier an einem solchen schweren Fehler leidet, kann nicht ausgeschlossen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat zu den Rügen der Kläger gegen die Umweltverträglichkeitsprüfung keine Feststellungen getroffen.
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bb) Sollten die Vorschriften über die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung, deren Verletzung die Kläger rügen, allein dem Schutz der Umwelt, nicht aber der Gewährleistung eigener materieller subjektiver Rechte der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 dienen, stünde auch dies einem Aufhebungsanspruch nicht von vornherein entgegen. Die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1 UmwRG gilt in erster Linie für die umweltrechtliche Verbandsklage; sie ist aber gemäß 4 Abs. 3 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO entsprechend anwendbar mit der Folge, dass die Verfahrensfehler auch insoweit unabhängig von den sonst geltenden einschränkenden Maßgaben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zur Begründetheit der Klage führen. Hieraus folgt, dass eine Genehmigungsentscheidung, die ohne die hierfür erforderliche UVP oder UVP-Vorprüfung getroffen worden ist, auf die Klage eines gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugten Dritten nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwRG allein wegen dieses Fehlers aufzuheben ist (BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 21 f., vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 41 und vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 - BVerwGE 151, 138 Rn. 34; Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014, juris Rn. 10). Für Genehmigungsentscheidungen, die an einem Verfahrensfehler leiden, auf den § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG in unionsrechtskonformer Auslegung zu erstrecken ist, kann nichts anderes gelten. Ob der Verzicht auf den nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit der Genehmigungsentscheidung und der Verletzung in eigenen Rechten unionsrechtlich geboten ist (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683], Kommission/Deutschland - Rn. 63 f.), ist angesichts der in § 4 Abs. 3 UmwRG getroffenen Grundentscheidung des nationalen Gesetzgebers für die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO ohne Bedeutung.
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c) Mangels tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu den gegen die Umweltverträglichkeitsprüfung erhobenen Rügen kann der Senat auch nicht feststellen, dass den Klägern der Anspruch aus § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG zusteht; die Sache ist zur erneuten Prüfung des Anspruchs an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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2. a) Im Hinblick auf die Klägerin zu 2 hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der Planfeststellungsbeschluss ihr gegenüber im Hinblick auf die für den Dammbau erforderlichen Flächen eine enteignungsrechtliche Vorwirkung entfalte und dies zur Folge habe, dass sie die Rechtmäßigkeit der planerischen Abwägung in einem umfassenden Sinne zur gerichtlichen Überprüfung stellen könne. Gleichwohl könne sie natur-, umwelt- und artenschutzrechtliche Rügen nicht mit Erfolg erheben, da dem die Verwirkungspräklusion des § 115 Abs. 1 Satz 2 des Landeswassergesetzes (LWG) vom 22. Januar 2004 (GVBl. S. 54) i.V.m. § 73 Abs. 4 VwVfG entgegenstehe. Letzteres ist mit revisiblem Recht nicht vereinbar.
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§ 115 Abs. 1 Satz 2 LWG bestimmt, dass mit Ablauf der Einwendungsfrist alle Einwendungen ausgeschlossen werden, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhe. Der Regelungsgehalt der Vorschrift entspricht damit demjenigen des nahezu wortgleichen § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG. Der Ausschluss von Einwendungen, die nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist geltend gemacht worden sind, und die daran anknüpfende Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle sind - wie der Gerichtshof der Europäischen Union im Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden hat (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683] - Rn. 78 ff.) - mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU und Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU nicht vereinbar. Die genannten Präklusionsvorschriften müssen daher im vorliegenden Fall außer Anwendung bleiben.
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b) Das Urteil erweist sich auch insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Mangels tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist nicht auszuschließen, dass der Planfeststellungsbeschluss in einer für die Eigentumsbetroffenheit der Klägerin zu 2 erheblichen Weise gegen natur-, umwelt- oder artenschutzrechtliche Vorschriften verstößt. Auch eine eigene Sachentscheidung zugunsten der Klägerin zu 2 ist dem Senat verwehrt (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
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3. Das Berufungsurteil verstößt ferner gegen § 114 Abs. 1 LWG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG. Im Hinblick auf die von den Beteiligten sogenannte Fluchtwegproblematik geht der Planfeststellungsbeschluss nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts davon aus, dass die Möglichkeit bestehe, auf der über den Trenndeich führenden Kreisstraße K 13 nach W. zu gelangen. Das Berufungsgericht hat demgegenüber festgestellt, dass im Falle einer Flutung des Polders mindestens im Bereich "Auf der Au" mit einer Überflutung der Fahrbahn der K 13 in Höhe von etwa 20 cm gerechnet werden müsse. Im Hinblick darauf erscheine ein Abwägungsdefizit des Planfeststellungsbeschlusses durchaus möglich. Dabei würde es sich jedoch nicht um einen im Sinne des § 75 Abs. 1a VwVfG erheblichen Mangel handeln. Denn es bestehe eine Verbindung nach R. über die Kreisstraße K 7, die hochwasserfrei ausgebaut werde. Auch wenn deren wasserseitige Richtungsfahrspur ab einem bestimmten Wasserstand gesperrt werden müsse, sehe die Deichausbauplanung vor, die Kreisstraße von der Deichkrone auf die landseitige Deichberme zu verlegen, wodurch - ungeachtet gelegentlicher hinnehmbarer Engpässe - die Standsicherheit und die Befahrbarkeit der K 7 in beiden Richtungen gesichert sei.
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Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellungen kann die Erheblichkeit des unterstellten Abwägungsmangels nicht verneint werden. Die von § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG geforderte Ergebnisrelevanz liegt vor, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Abwägungsmangel eine andere Entscheidung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 <379 f.> und vom 19. Februar 2015 - 7 C 10.12 - juris Rn. 44). Eine derartige konkrete Möglichkeit ist dann zu bejahen, wenn sich der Planungsträger - wie hier - von einem unzutreffend angenommenen Belang hat leiten lassen und andere Belange, die das Abwägungsergebnis rechtfertigen könnten, weder im Planungsverfahren angesprochen noch sonst ersichtlich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 57.80 - BVerwGE 64, 33 <40>). Das Vorliegen solcher anderweitigen Belange kann hier nicht allein mit dem Hinweis auf eine beabsichtigte Verlegung der Kreisstraße auf die Deichberme und eine dadurch ermöglichte Notumfahrung bejaht werden. Das Berufungsgericht hat keine näheren Feststellungen zu der von ihm in Bezug genommenen Deichausbauplanung getroffen, in deren Rahmen die Verlegung der K 7 vorgesehen sein soll, sondern im Wesentlichen auf ein Schreiben des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz an das Büro des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten vom 7. Oktober 2008 verwiesen. Unklar bleibt dabei, wer Träger der in diesem Schreiben und im Berufungsurteil angesprochenen Deichausbauplanung ist, wann sie eingeleitet und ob sie bereits abgeschlossen wurde und wann mit der Realisierung dieser Planung zu rechnen ist. Sollte nicht gesichert sein, dass die Kreisstraße K 7 rechtzeitig vor Fertigstellung und Inbetriebnahme des Polders in der beabsichtigten Weise auf die Deichberme verlegt wird und die Ortsgemeinde A. damit auch bei Flutung des Polders hinreichend sicher an das Straßennetz angebunden ist, müsste dieses Problem durch eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses oder durch ein ergänzendes Verfahren gelöst werden. Denn für hoheitliche Planungen gilt der Grundsatz der Problembewältigung; der Planfeststellungsbeschluss muss die von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme bewältigen (BVerwG, Urteile vom 7. März 2007 - 9 C 2.06 - BVerwGE 128, 177 Rn. 19 und vom 13. Oktober 2011 - 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 151). Andererseits erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung der Deichausbauplanung Gesichtspunkte festgestellt werden können, die zu einer Irrelevanz des Abwägungsfehlers für das Ergebnis führen könnten. Der Umstand, dass die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausreichen, um die Frage der Ergebnisrelevanz abschließend entscheiden zu können, nötigt damit ebenfalls zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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Auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an.
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4. Im Übrigen verstößt das Berufungsurteil nicht gegen Bundesrecht.
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a) Das gilt zunächst für die Annahme des Berufungsgerichts, dass wegen der nachträglichen Ergänzung der Nebenbestimmung III Nr. 13.4 des Planfeststellungsbeschlusses um den Satz, dass eine Flutung der Hochwasserrückhaltung in W./A./N. nur dann erfolgen dürfe, wenn der Wasserstand im Neuhofener Altrhein von 90,00 müNN nicht überschritten sei, kein neues Planfeststellungsverfahren habe durchgeführt werden müssen. Bei dieser Ergänzung handele es sich um eine Planänderung von unwesentlicher Bedeutung, bei der der Beklagte nach § 114 Abs. 1 LWG i.V.m. § 76 Abs. 2 VwVfG von einem neuen Planfeststellungsverfahren habe absehen können, weil Belange anderer nicht berührt worden seien. Dies ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
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aa) Das Berufungsgericht hat den Planfeststellungsbeschluss in seiner ursprünglichen Fassung dahingehend ausgelegt, dass die Flutung der Wasserrückhaltung unabhängig vom Erreichen eines bestimmten Wasserstandes im Neuhofener Altrhein zulässig gewesen sei. Insbesondere habe dort nicht ein Wasserstand von 89,4 müNN erreicht sein müssen. Die Auslegung eines Verwaltungsakts unterliegt als Tatsachenwürdigung nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Kontrolle. Zu prüfen ist, ob das Tatsachengericht den Regelungsgehalt des Verwaltungsakts nach den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln ermittelt hat. In diesem Fall ist der tatrichterlich ermittelte Erklärungsinhalt als Tatsachenfeststellung nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Dem Revisionsgericht ist eine eigene Auslegung des Verwaltungsakts nur möglich, wenn das Tatsachengericht in seiner Entscheidung nichts Näheres ausführt und insbesondere sein Auslegungsergebnis nicht begründet hat. Liegt dagegen - wie hier - eine solche Begründung vor, bedarf es einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Verfahrensrüge, um das Auslegungsergebnis anzugreifen; die bloße Darlegung einer abweichenden, von einem Beteiligten für richtig gehaltenen Auslegung eines Verwaltungsakts genügt dagegen nicht. Revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt ferner, ob sich das Tatsachengericht durch eine fehlerhafte Vorstellung vom Inhalt des Bundesrechts den Blick für die zutreffende Auslegung verstellt hat (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 74 m.w.N.).
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Ausgehend hiervon ist der Senat an die Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses durch das Oberverwaltungsgericht gebunden. Für die Auslegung eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Hiervon ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat für die Auslegung insbesondere die Antragsunterlagen herangezogen und damit Unterlagen, die auch den von dem Vorhaben Betroffenen bekannt sind oder sein können. Anhaltspunkte dafür, dass es sich von rechtlichen Fehlvorstellungen hat leiten lassen, sind nicht ersichtlich.
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Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Das Berufungsgericht musste den im Schriftsatz vom 12. Februar 2009 enthaltenen Hilfsbeweisanträgen nicht nachgehen. Maßgeblich für die Prüfung, ob das Tatsachengericht seiner Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO genügt hat, ist die seiner Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung, und zwar selbst dann, wenn diese - was hier nicht der Fall ist - der rechtlichen Überprüfung nicht standhält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Oktober 1984 - 6 C 49.84 - BVerwGE 70, 216 <221 f.> und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>). Das Berufungsgericht war - wie dargelegt - der Auffassung, dass der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss keine Regelung eines Maximalwasserstandes des Neuhofener Altrheins enthalten habe, sondern diese erst durch die in Rede stehende Ergänzung der Nebenbestimmung erfolgt sei. Die Hilfsbeweisanträge gingen demgegenüber von der Annahme aus, dass im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss bereits ein Maximalwasserstand des Neuhofener Altrheins von 89,4 müNN ab Voraussetzung für den Beginn der Flutung festgesetzt sei; sie zielten auf die Ermittlung der Risiken, die aus einer Erhöhung dieses Maximalwasserstandes folgen könnten. Dies bedarf indessen aus Sicht des Berufungsurteils keiner Klärung. Die der Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses in seiner ursprünglichen Fassung zugrunde liegenden Tatsachen, insbesondere der Inhalt der Antragsunterlagen und ihr Verständnis durch die Beteiligten, waren nicht Gegenstand der Anträge.
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Das Berufungsgericht hat ferner nicht seine Aufklärungspflicht durch die Unterstellung eines unwahren oder aktenwidrigen Teilsachverhalts verletzt. Diesem Vorbringen der Revision liegt ebenfalls die Auffassung zugrunde, dass im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss bereits ein Höchstwasserstand festgesetzt gewesen sei.
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Vor diesem Hintergrund liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor. Art. 103 Abs. 1 GG verwehrt es den Gerichten nicht, das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts außer Betracht zu lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1985 - 1 BvR 33/83 - BVerfGE 70, 288 <294>). Daher kann eine Beweisaufnahme unterbleiben, wenn es auf die Beweisfrage nicht ankommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 - 1 BvR 355/86 - BVerfGE 82, 209 <235>). Das war hier aus der maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts der Fall.
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bb) Ausgehend von der dargelegten Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses hat das Berufungsgericht die Ergänzung der Nebenbestimmung zutreffend als Planänderung von unwesentlicher Bedeutung angesehen, die die Belange anderer nicht berührt. Als zusätzliche Voraussetzung für den Einsatz der gesteuerten Hochwasserrückhaltung hat sie die Hochwassersituation in der von Stau-, Grund- und Druckwassergefahren betroffenen Umgebung dieser Rückhaltung - und damit auch für die Kläger - nicht verschlechtert, sondern verbessert.
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Die Auffassung des Berufungsgerichts verstößt auch nicht gegen § 1 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG. Die Ergänzung der Nebenbestimmung führt nicht dazu, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht mehr hinreichend bestimmt ist. Die hinreichende inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsakts setzt voraus, dass dessen Entscheidungsgehalt für den Betroffenen nach Art und Umfang aus sich heraus erkennbar und verständlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11). Das ist hier der Fall. Die Revision leitet die von ihr angenommene Widersprüchlichkeit des Planfeststellungsbeschlusses daraus ab, dass schon im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss ein Höchstwasserstand im Neuhofener Altrhein als Voraussetzung der Flutung festgesetzt worden sei; von einer solchen Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses ist jedoch aus den dargelegten Gründen nicht auszugehen.
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b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines zwingenden Versagungsgrundes nach § 31 Abs. 5 Satz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG a.F.) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 2002 (BGBl. I S. 3245), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 25. Juni 2005 (BGBl. I S. 1746), verneint. Nach dieser Vorschrift ist der Planfeststellungsbeschluss zu versagen, soweit von dem Ausbau eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwassergefahr oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, zu erwarten ist.
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Der nähere Inhalt des Begriffs des Wohls der Allgemeinheit ist nur schwer zu bestimmen; er bedarf wegen seiner Abstraktheit der Konkretisierung (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 1989 - 4 C 30.88 - BVerwGE 81, 347 <349> zu § 6 Abs. 1 WHG a.F). Soweit es um Hochwassergefahren geht, hat der Gesetzgeber den Begriff selbst konkretisiert. Ob der Ausbau eines Gewässers die Hochwassergefahr erheblich, dauerhaft und nicht ausgleichbar erhöht (§ 31 Abs. 5 Satz 3 Alt. 1 WHG a.F., nunmehr § 68 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 WHG), ist nicht bezogen auf einzelne Grundstücke, sondern bezogen auf den räumlichen Einwirkungsbereich des Vorhabens insgesamt zu beurteilen. Führt ein dem Hochwasserschutz dienender Gewässerausbau insgesamt zu einer Verringerung der Hochwassergefahr, stellt eine mit dem Ausbau verbundene lokale Erhöhung der Stau-, Grund- und Druckwassergefahren keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit im Sinne des § 31 Abs. 5 Satz 3 Alt. 1 WHG a.F. dar. Derartige Folgeprobleme einer Hochwasserschutzmaßnahme sind im Planfeststellungsverfahren insbesondere durch die Anordnung von Schutzmaßnahen zu bewältigen. Soweit es um die Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, geht (§ 31 Abs. 5 Satz 3 Alt. 2 WHG a.F.), ist eine solche Gesamtbetrachtung hingegen nicht gerechtfertigt; insoweit können auch kleinräumige Zerstörungen solcher Flächen das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigen.
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Das Berufungsurteil steht mit diesen Grundsätzen in Einklang. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die von den Klägern im Blick auf § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG a.F. geltend gemachten Risiken nur diese selbst in ihrer individuellen Situation träfen. Das Vorhaben führe aber gerade zu einer Minderung der Hochwassergefahr in den Siedlungsgebieten des Rheins. Es bewirke auch keine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen.
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c) Auch soweit das Berufungsgericht die vom Beklagten vorgenommene Abwägung als rechtmäßig angesehen hat, verstößt das Berufungsurteil - abgesehen von der bereits erörterten Anbindung der Klägerin zu 1 an das Straßennetz - nicht gegen Bundesrecht. Die von den Klägern geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
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aa) Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein auf § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG a.F. gestützter Planfeststellungsbeschluss eine planerische Abwägung voraussetzt, in deren Rahmen die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander und untereinander gerecht mit dem Ziel abzuwägen sind, eine inhaltlich in sich abgewogene Planung zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1978 - 4 C 25.75 - BVerwGE 55, 220 <227>). Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, in die Abwägung nicht alle Belange eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden mussten oder die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1974 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.>, und vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 54). Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt und ohne Verstoß gegen Bundesrecht angewandt.
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bb) Hinsichtlich der Gefahr eines Deichbruchs und des Risikos einer Überschwemmung durch Qualmwasser und Starkregenereignisse ist das Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung sachverständiger Stellungnahmen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte die widerstreitenden Belange zutreffend ermittelt und gegeneinander abgewogen hat. Das gilt sowohl für die von der Revision in diesem Zusammenhang ins Feld geführte Möglichkeit der Bildung unterirdischer Kiesrinnen als auch für die Folgen des Zusammentreffens einer Polderflutung mit extremen Niederschlagsereignissen. Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist diese rechtliche Bewertung nicht zu beanstanden. Die Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1974 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <64>).
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Im Hinblick auf die Frage, ob durch das Vorhaben die Gefahr eines Deichbruchs droht, machen die Kläger allerdings eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und der gerichtlichen Aufklärungspflicht sowie ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Der Sachverhalt sei hinsichtlich im Untergrund vorhandener Kiesrinnen mangelhaft aufgeklärt worden. Ihre im Schriftsatz vom 12. Februar 2009 enthaltenen Hilfsbeweisanträge Nr. 6 bis 9 seien zu Unrecht abgelehnt worden. Diese Rügen sind nicht begründet.
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aaa) Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41>). Das dem Gericht dabei zur Bestimmung von Art und Anzahl einzuholender Sachverständigengutachten nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO zustehende Ermessen wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung weiterer Gutachten oder gutachterlicher Stellungnahmen absieht, obwohl die Notwendigkeit dieser weiteren Beweiserhebung sich ihm hätte aufdrängen müssen. Dies ist dann der Fall, wenn die vorliegenden Gutachten oder gutachterlichen Stellungnahmen offen erkennbare Mängel enthalten, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sich aus ihnen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit der Gutachter ergeben oder wenn sich herausstellt, dass es sich um eine besonders schwierige Fachfrage handelt, die ein spezielles Fachwissen erfordert, das bei den bisherigen Gutachtern nicht vorhanden ist. Fehlerhaft ist die gerichtliche Ermessensausübung hinsichtlich der Einholung eines Sachverständigengutachtens ferner dann, wenn sich das Gericht eine ihm nicht zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 1983 - 3 C 56.82 - BVerwGE 68, 177 <182 f.>). Eine Verpflichtung des Berufungsgerichts, zusätzlich zu den vorliegenden gutachtlichen Stellungnahmen weitere Gutachten einzuholen oder in sonstige Ermittlungen einzutreten, besteht hingegen nicht allein schon deshalb, weil ein Beteiligter die bisher vorliegenden Erkenntnisquellen im Ergebnis für unzutreffend hält (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Oktober 1985 - 9 C 3.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 38 und vom 6. Oktober 1987 - 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31; Beschluss vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 109 Rn. 4).
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bbb) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht nicht verletzt. Es hat sich mit der Frage der Entstehung von Kiesrinnen und den aus ihnen folgenden Risiken ausführlich befasst. Dabei hat es die Inhomogenität der Bodenschichten nicht in Abrede gestellt, sondern ist zu der Überzeugung gelangt, dass weitere Untersuchungen nicht zu einem Zuwachs an Erkenntnis führen würden und der von Kiesrinnen ausgehenden Gefahr durch Maßnahmen im Verlauf des Polderbaus begegnet werden könne. Dieses Ergebnis hat es auf eine Mehrzahl sachverständiger Stellungnahmen gestützt und sich daher keine ihm nicht zustehende Sachkunde angemaßt.
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Die Revision beanstandet, dass das Berufungsgericht sich auf ein Grundwassermodell gestützt habe, dem geologische und hydrogeologische Daten zugrunde lägen, die auf einer hydrogeologischen Untersuchung des Rhein-Neckar-Raums sowie der Bodenkarte des geologischen Landesamtes Rheinland-Pfalz beruhten. Es handele sich dabei um großräumige Kartenwerke, die für eine kleinräumig relevante Gefährdungsabschätzung nicht geeignet seien. Damit werden Mängel im oben genannten Sinne nicht aufgezeigt. Die Daten sind nur Grundlage der durchgeführten Untersuchung. Das Berufungsgericht hat selbst ausgeführt, dass das dabei verwendete Grundwassermodell Schwachstellen aufweise und der maximale Wasserandrang mit dem Modell nicht genau bestimmt werden könne. Diese Ungenauigkeiten könnten aber mit einer konservativen Abschätzung der Modellparameter kompensiert werden, was hier auch erfolgt sei. Weitere Untersuchungen seien nur mit einem unzumutbaren Aufwand möglich und könnten keine erheblich höhere Sicherheit vermitteln (UA S. 66). Diese Ausführungen lassen nicht erkennen, dass die vom Berufungsgericht herangezogenen sachverständigen Stellungnahmen offen erkennbare Mängel enthielten oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgingen. Ebenso wenig lässt sich darauf der weitere Vorwurf der Kläger stützen, dass das Berufungsgericht das Problem der oberflächennahen Inhomogenität bei Kies- oder Grobsandrinnen verkannt habe.
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ccc) Soweit die Kläger rügen, die Hilfsbeweisanträge Nr. 6 bis 9 seien zu Unrecht abgelehnt worden, wird dies in der Revisionsbegründung nicht näher dargelegt. Insoweit ist daher nicht erkennbar, weshalb sich die Einholung gerade der dort für notwendig erachteten Sachverständigengutachten dem Berufungsgericht hätte aufdrängen müssen.
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ddd) Der von den Klägern weiter gerügte Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt ebenfalls nicht vor. Das auf die Entstehung und die Folgen von Kiesrinnen bezogene Vorbringen der Kläger und ihres Sachverständigen ist im Berufungsurteil zusammenfassend wiedergegeben (UA S. 64). Dass das Berufungsgericht diesem Vorbringen nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß.
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cc) Im Hinblick auf die Problematik der Überschwemmungsgefahr durch Qualmwasser und kumulierende Starkregenereignisse macht die Revision ebenfalls einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs geltend. Auch insoweit habe das Berufungsgericht ihre Hilfsbeweisanträge im Schriftsatz vom 12. Februar 2009 (Nr. 3 - teilweise - sowie Nr. 4 und 5) zu Unrecht abgelehnt.
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Hieraus ergibt sich nach den dargelegten rechtlichen Maßstäben kein Aufklärungsmangel. Das Berufungsgericht hat sich mit den Risiken einer Überschwemmung, die sich aus dem gleichzeitigen Auftreten von Qualmwasser und Starkregenereignissen ergeben können, auseinandergesetzt und dabei insbesondere nicht verkannt, dass ein Anstieg des Neuhofener Altrheins grundsätzlich auch Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel in A. haben könnte (UA S. 61 ff.). Warum sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit weiterer sachverständiger Stellungnahmen hätte aufdrängen müssen, ist weder dargelegt noch somit ersichtlich; die Kläger halten lediglich die Ergebnisse der sachverständigen Stellungnahmen, auf die das Berufungsurteil gestützt ist, für unzutreffend. Ihren Anspruch auf rechtliches Gehör hat das Berufungsgericht, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ebenfalls nicht verletzt.
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dd) Schließlich verstößt das Berufungsurteil hinsichtlich der in dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss getroffenen Standortauswahl nicht gegen Bundesrecht.
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aaa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Alternativenprüfung im Rahmen der fachplanungsrechtlichen Abwägung müssen ernsthaft in Betracht kommende Standortalternativen ermittelt, bewertet und untereinander abgewogen werden. Die Standortwahl ist erst dann rechtswidrig, wenn sich die verworfene Alternative entweder als die eindeutig vorzugswürdige Lösung hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 98 und vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 66). Von einer Alternative kann nicht mehr gesprochen werden, wenn eine Variante auf ein anderes Projekt hinausläuft. Das ist dann der Fall, wenn ein mit dem Vorhaben verbundenes wesentliches Ziel mit einer Alternative nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 143; Beschluss vom 16. Juli 2007 - 4 B 71.06 - juris Rn. 42).
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Das Berufungsgericht hat - ausgehend von diesen Grundsätzen - dargelegt, welche Erwägungen zu der Entscheidung für den gewählten Standort des Vorhabens geführt haben. Es hat die Reduzierung der Hochwasserspitzen und die Entkoppelung der Hochwasserwellen im Bereich der Neckarmündung - mit dem Ziel einer Abwehr des Hochwassers in M. und L. - als wesentliche Ziele der Planung gewertet, die am Standort H. nicht verwirklicht werden könnten. Die Errichtung einer Wasserrückhaltung am Standort H. stellt hiernach keine zumutbare Alternative dar.
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bbb) Die im Hinblick auf die Standortauswahl erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet. Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht sei ihren Hilfsbeweisanträgen in einem (weiteren) Schriftsatz vom 12. Februar 2009 zu Unrecht nicht nachgegangen. Diese Hilfsbeweisanträge sind auf Umstände gerichtet, aus denen sich aus Sicht der Kläger die Vorzugswürdigkeit des Standorts H. ergibt.
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Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass das mit dem Polder A./W./N. verfolgte Ziel der Hochwasserscheitelreduzierung auch mit einem Polder am Standort H. erreicht werden könne, hat das Oberverwaltungsgericht abgelehnt, weil die Kläger dem Vortrag des Fachreferenten für Hochwasserschutz Dr. M., wonach mit dem Polder im Bereich A. eine wesentlich höhere Scheitelreduktion der Hochwasserwelle als durch eine vergleichbare Variante im Bereich H. erreicht werden könne, nicht substantiiert widersprochen hätten (UA S. 57). Der Einwand fehlender Substantiierung rechtfertigt es grundsätzlich, von weiterer Sachverhaltsaufklärung abzusehen (BVerwG, Beschluss vom 22. November 2013 - 7 B 16.13 - juris Rn. 5 f.). Die Kläger zeigen nicht auf, dass das Oberverwaltungsgericht die Substantiierungsanforderungen, die sich nach der konkreten prozessualen Situation richten, überspannt haben könnte. Die übrigen Hilfsbeweisanträge waren auf Umstände gerichtet, aus denen sich insbesondere im Hinblick auf Belange des Naturschutzes die Vorzugswürdigkeit des Standortes H. ergeben sollte. Diese Umstände waren, da dieser Standort für den Hochwasserschutz im Bereich der Neckarmündung aus den dargelegten Gründen schon keine Alternative darstellt, nicht entscheidungserheblich.
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5. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die von den Klägern angeregte Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszuges in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1967 - 4 C 147.65 - BVerwGE 28, 317), liegen nicht vor.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 13. August 2012, mit dem der Planfeststellungsbeschluss für den sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 3 (Frankfurt-Nürnberg) im Abschnitt Anschlussstelle (AS) Würzburg-Heidingsfeld/westlich Mainbrücke Randersacker vom 17. Dezember 2009 hinsichtlich der neuen Überführung des öffentlichen Feldwegs "Langer Kniebrecherweg" über die Bundesstraße B 19 (künftig: Überführung) geändert wird. Die lichte Weite der Überführung wird von 28 m auf 44,64 m und die Breite zwischen den Brückengeländern von 5,5 m auf 6 m vergrößert. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. März 2011 die Klage mehrerer Enteignungsbetroffener - darunter auch der Klägerin - gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 abgewiesen (- BVerwG 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 215).
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Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen wie folgt: Sie werde durch die mehrjährigen Bauarbeiten erheblichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt. Gerade die Überführung sei von zentraler Bedeutung für die Abwicklung des Bauverkehrs. Die an der Überführung geplanten Änderungen erlaubten einen noch stärkeren Bauverkehr mit zusätzlichen Immissionen. Hierüber hätte nicht isoliert entschieden werden dürfen, sondern nur zusammen mit den außerdem vorgesehenen Ergänzungen und Änderungen der Planung. Dies folge aus den Grundsätzen der Einheitlichkeit und Konzentration der Planfeststellung, der Pflicht zur Vorlage einer einheitlichen Ausführungsplanung nach der im Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss abgegebenen Protokollerklärung und dem aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes und dem Projektbegriff der UVP-Richtlinie herzuleitenden Gebot, die nachteiligen Auswirkungen aller unmittelbar mit dem Ausbau der A 3 verbundenen Maßnahmen auf Mensch und Umwelt insgesamt zu betrachten. Die Änderung der Überführung sei zudem Voraussetzung für den Bau der Behelfsbrücke über die B 19; sie hätte daher als Folgemaßnahme in das auf die Behelfsbrücke bezogene ergänzende Planfeststellungsverfahren einbezogen werden müssen. Von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht abgesehen worden. Diesen Verfahrensfehler könne nach Unionsrecht jeder zum Kreis der "betroffenen Öffentlichkeit" zählende Private unabhängig davon geltend machen, ob das Vorhaben seine eigenen Belange berühre.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 13. August 2012 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verteidigt in der Sache die angefochtene Entscheidung.
Entscheidungsgründe
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1. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO für diesen Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Eine Streitigkeit "betrifft" im Sinne dieser Vorschrift das Planfeststellungsverfahren, wenn sie Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens ist (Beschlüsse vom 12. Juni 2007 - BVerwG 7 VR 1.07 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 25 Rn. 8 und vom 11. Juli 2013 - BVerwG 9 VR 5.13 - NVwZ 2013, 1219 Rn. 8; stRspr). Dazu zählt auch der hier in Rede stehende Streit darüber, ob eine Planänderung ohne erneutes Planfeststellungsverfahren zugelassen werden durfte (§ 17d Satz 1 FStrG i.V.m. § 76 Abs. 2 VwVfG).
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2. Die Klage ist mangels Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) unzulässig. Die Klägerin kann sich nicht auf eigene Rechte berufen, deren Verletzung zumindest möglich erscheint (vgl. Urteil vom 22. Mai 1980 - BVerwG 3 C 2.80 - BVerwGE 60, 154 <157 f.> = Buchholz 451.731 KHG Nr. 3 S. 20 f.).
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a) Die Verletzung einer der Klägerin zustehenden materiellen Rechtsposition ist ausgeschlossen.
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aa) Die Klägerin kann keine Verletzung ihres Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) geltend machen. Der Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 zum Ausbau der A 3, der den Zugriff auf das Grundeigentum der Klägerin eröffnet, ist ihr gegenüber bestandskräftig geworden. Daher kann sie Änderungen oder Ergänzungen dieser Planung nur angreifen, wenn sie gerade erstmals oder weitergehend als bisher betroffen wird (Urteil vom 19. Dezember 2007 - BVerwG 9 A 22.06 - BVerwGE 130, 138 = Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 15 jeweils Rn. 20 und Beschluss vom 17. September 2004 - BVerwG 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 4 f.; ebenso Beschluss vom 22. September 2005 - BVerwG 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189 Rn. 4 ff. zu im ergänzenden Verfahren ergangenen Planänderungen). Gegenstand des angefochtenen Änderungsbescheides ist lediglich eine Ausdehnung der lichten Weite der Überführung und der Breite zwischen den Brückengeländern. Hierfür wird nicht erneut auf das Grundeigentum der Klägerin zugegriffen.
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bb) Eine Verletzung des aus dem Abwägungsgebot (§ 17 Satz 2 FStrG) folgenden Rechts auf gerechte Abwägung schutzwürdiger und mehr als nur geringfügig berührter privater Belange ist ebenfalls nicht möglich (vgl. Urteile vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <66> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 19 S. 12 und vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 16; Beschluss vom 9. November 1979 - BVerwG 4 N 1.78 u.a. - BVerwGE 59, 87 <102 f.> = Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 18 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 6; stRspr).
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(1) Die Klägerin kann nicht die Berücksichtigung derjenigen bauzeitlichen Immissionen verlangen, die dem Ausbau der A 3 zuzurechnen sind. Aufgrund des ihr gegenüber bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 ist sie zur Duldung dieser Belastungen verpflichtet (§ 17c FStrG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Dazu gehören auch die Lärm- und Schadstoffeinwirkungen durch den Bauverkehr zur Verwirklichung des planfestgestellten Ausbaus, der auf eigens dafür planfestgestellten Baustraßen - u.a. auf dem "Langen Kniebrecherweg" samt Überführung über die B 19 - abgewickelt wird.
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(2) Es ist ausgeschlossen, dass die Änderungen am Überführungsbauwerk für sich genommen zu Belastungen der mehr als 2 km entfernt wohnenden Klägerin durch Lärm und Schadstoffe führen können.
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Die Aufweitung der Breite zwischen den Geländern der Überführung von 5,5 m auf 6 m ist für den Umfang des Bauverkehrs und dessen räumliche und zeitliche Verteilung ohne jede Bedeutung. Diese Maßnahme dient nach den von der Klägerin nicht in Abrede gestellten Angaben des Beklagten der Anpassung der Fahrbahnbreite zwischen den Geländern an die Fahrbahnbreite der Rampen der Überführung; dadurch soll die dort vorgesehene Betriebsumfahrt für den Winter- und Straßenbetriebsdienst auf der A 3 verbessert werden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass durch die Aufweitung kein Gegenverkehr der Baufahrzeuge auf der Überführung ermöglicht wird. Die Kapazität der Baustraße "Langer Kniebrecherweg" bleibt also im Wesentlichen unverändert.
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Das gilt auch mit Blick auf die Vergrößerung der lichten Weite der Überführung. Die Annahme der Klägerin, dadurch könnten entlang der B 19 verlaufende Baustraßen unterhalb der Überführung eingerichtet werden, trifft nicht zu. Solche Baustraßen sind weder Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses noch des angefochtenen Änderungsbescheides. Sie können im Übrigen ausweislich der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung gezeigten Lichtbilder der bereits errichteten Überführung auch tatsächlich nicht eingerichtet werden. Soweit die Klägerin darauf verweist, die Überführung ermögliche einen Bauverkehr in Richtung Süden, ist nicht erkennbar, dass gerade die streitgegenständlichen Änderungsmaßnahmen hierfür verantwortlich sein könnten. Der angefochtene Bescheid legt keine weiteren Baustraßen fest und nur die planfestgestellten Baustraßen dürfen über den Gemeingebrauch hinaus durch Baufahrzeuge genutzt werden (Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 S. 40, 510 und 519 f.). Sollte die Klägerin geltend machen wollen, die Auf- und Abfahrrampen der Überführung seien tatsächlich abweichend von der Planung errichtet worden, um Möglichkeiten für einen Bauverkehr in Richtung Süden zu schaffen, ist dies für den vorliegenden Rechtsstreit unbeachtlich. Denn die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Streitigkeiten über fernstraßenrechtliche Planfeststellungsverfahren gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO umfasst nicht Streitigkeiten darüber, ob die konkrete Bauausführung sich im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses hält (vgl. Beschluss vom 11. Juli 2013 a.a.O. Rn. 8 f. m.w.N.). Gegenstand der nicht unter die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO fallenden Ausführungsplanung ist im Übrigen auch die für die Beurteilung der bauzeitlichen Belastungen eigentlich relevante genaue räumliche und zeitliche Verteilung des Bauverkehrs. Schließlich können die Änderungen am Überführungsbauwerk selbst keinen nennenswerten zusätzlichen Bauverkehr auslösen, weil die dazu notwendigen Bauarbeiten nur einen geringen Umfang aufweisen.
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(3) Die Klägerin meint, eine gerechte Abwägung ihrer Belange könne nicht auf die durch die Änderungen am Überführungsbauwerk verursachten Auswirkungen beschränkt werden, sondern setze eine auf sämtliche Änderungen und Ergänzungen der Planfeststellung bezogene Gesamtbetrachtung aller Immissionen voraus, auch wenn über die einzelnen Maßnahmen gesondert entschieden worden sei. Jedenfalls bei der danach gebotenen Berücksichtigung der kumulativen Wirkung aller Planänderungen bzw. -ergänzungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie in abwägungserheblicher Weise zusätzlichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt werde. Dem kann nicht gefolgt werden. Dabei kann offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Kläger mit Blick auf das drittschützende Gebot gerechter Abwägung privater Belange überhaupt verlangen kann, dass eventuelle nachteilige Auswirkungen anderer, von ihm nicht angefochtener Maßnahmen zur Änderung oder Ergänzung der Planfeststellung berücksichtigt werden. Wie ausgeführt, wird die Klägerin durch die hier angefochtene Planänderung in keiner Weise belastet. Selbst wenn unterstellt wird, dass es eine von mehreren Maßnahmen ausgehende, kumulativ auf die Klägerin wirkende und daher nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sachgerecht zu bewertende Immissionsbelastung gibt, können jedenfalls die Änderungen an der Überführung hierzu keinen Beitrag leisten.
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b) Der Klägerin steht eine Klagebefugnis auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensrecht zu. Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften ist regelmäßig kein Selbstzweck, sondern dient der besseren Durchsetzung von materiellen Rechten und Belangen. Daher können Verfahrensrechte eine Klagebefugnis grundsätzlich nicht selbständig begründen, sondern nur unter der Voraussetzung, dass sich der behauptete Verfahrensverstoß auf eine materiell-rechtliche Position des Klägers ausgewirkt haben kann (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 19; stRspr). Hier liegen die von der Klägerin in Anspruch genommenen Verfahrensrechte bereits nicht vor.
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aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass über die Änderungen am Überführungsbauwerk isoliert und nicht zusammen mit weiteren Änderungen und Ergänzungen der Planung entschieden wurde. Den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (§ 17d FStrG i.V.m. § 76 VwVfG, § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG) lässt sich nicht entnehmen, dass über alle Modifikationen eines Planfeststellungsbeschlusses nur einheitlich entschieden werden kann. Eine solche Pflicht zur Entscheidungskonzentration wäre im Übrigen auch nicht sachgerecht, weil sich die Notwendigkeit punktueller Änderungen der Planung nicht notwendig zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern nicht selten in unterschiedlichen Phasen der Bauausführung herausstellen wird. Die Klägerin kann einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf einheitliche Entscheidung - insbesondere auf Einbeziehung der Änderungen an der Überführung in die Planergänzung zur Behelfsbrücke der B 19 unter dem Gesichtspunkt einer "Folgemaßnahme" - auch nicht aus dem Abwägungsgebot herleiten. Wie bereits ausgeführt, ist die hier angefochtene Maßnahme in keiner Weise konfliktträchtig. Daher kann das Gebot der umfassenden Bewältigung aller durch die Planung aufgeworfenen Konflikte einer isolierten Zulassung der Planänderung nicht entgegenstehen.
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bb) Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die in der mündlichen Verhandlung am 17. Februar 2011 zu Protokoll erklärte Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, wonach "dem Vorhabenträger aufgegeben wird, vor Baubeginn seine Ausführungsplanung der Planfeststellungsbehörde zur Ergänzung oder Änderung der Planfeststellung oder zur Genehmigung vorzulegen." Sie meint, aufgrund dieser Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 könne sie verlangen, dass der Vorhabenträger die Ausführungsplanung als Ganzes vorlegt und die Planfeststellungsbehörde hierüber einheitlich durch Genehmigung oder durch Änderung bzw. Ergänzung der Planfeststellung entscheidet. Das trifft nicht zu.
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Hintergrund der Protokollerklärung ist die nach ständiger Rechtsprechung eröffnete Möglichkeit, die Bauausführung aus der Planfeststellung auszuklammern, soweit sie lediglich nach dem Stand der Technik lösbare Probleme aufwirft; die Pflicht zur Vorlage der Ausführungsplanung vor Baubeginn ermöglicht der Planfeststellungsbehörde die Prüfung und Entscheidung darüber, ob diese Grenze eingehalten ist (vgl. Urteil vom 3. März 2011 a.a.O. Rn. 50 m.w.N.). Es ist nicht erkennbar, weshalb die Planfeststellungsbehörde diesen Prüfauftrag von vornherein nur dann sachgerecht sollte wahrnehmen können, wenn die Ausführungsplanung als Ganze vorgelegt wird. Dass dem nicht so ist, zeigt im Übrigen das Urteil vom 3. März 2011, mit dem die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau der A 3 abgewiesen wurde. Darin wird die Frage, ob die weitere Ausführung verschiedener baulicher Maßnahmen (Abbruch der alten Talbrücke Heidingsfeld und deren Neubau, Errichtung des Katzenbergtunnels, Behelfsfahrbahn der A 3 und Behelfsbrücke der B 19) aus der Planfeststellung ausgeklammert werden durfte, jeweils gesondert abgehandelt (vgl. Rn. 51 bis 57, 63). Erst recht erschließt sich nicht, weshalb sich aus der Protokollerklärung eine Pflicht der Planfeststellungsbehörde ergeben sollte, über alle von ihr nach Prüfung der Ausführungsplanung als notwendig erachteten Änderungen oder Ergänzungen der Planung einheitlich zu entscheiden. Unabhängig davon ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass hier eine besondere Situation vorliegt, die ausnahmsweise für die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung über alle Modifikationen der Planfeststellung sprechen könnte.
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c) Die Klägerin rügt schließlich, die angefochtene Planänderung bilde nach § 3b UVPG zusammen mit sonstigen Änderungen der Planfeststellung und allen bauzeitlichen Maßnahmen wie insbesondere der Behelfsbrücke der B 19 und der Behelfsfahrbahn der A 3 ein Projekt, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 UmwRG und mit Blick auf die Anforderungen des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl EU Nr. L 26 S. 1) - UVP-RL - könne sie diesen Fehler unabhängig von der Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte und Belange i.S.d. § 42 Abs. 1 VwGO geltend machen. Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen.
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In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass sich ein Einzelner nicht unabhängig von der Betroffenheit in eigenen materiellen Rechten auf die Verfahrensfehler einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung berufen kann. § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG stellt keine "andere gesetzliche Bestimmung" i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO dar, die Einzelnen eine von der möglichen eigenen Betroffenheit unabhängige Klagebefugnis verleiht, sondern betrifft die Begründetheitsprüfung. Die genannten Fehler führen abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Begründetheit der Klage, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften des UVP-Rechts der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts Einzelner dienen; abweichend von § 46 VwVfG erstreckt sich die Begründetheitsprüfung außerdem nicht auf die Frage, ob diese Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können (Urteile vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 21 f. und - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3 jeweils Rn. 34; ebenso Beschluss vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 37.12 - juris Rn. 10). Insoweit wird den Einzelnen folglich eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition eingeräumt. Für deren Klagebefugnis bleibt es hingegen bei dem allgemeinen Erfordernis, dass eine eigene Betroffenheit durch die Zulassung des UVP-pflichtigen Vorhabens möglich erscheint.
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Wie der Senat ebenfalls bereits ausgesprochen hat, können vernünftigerweise keine Zweifel daran bestehen, dass diese Ausgestaltung der Klagebefugnis mit Unionsrecht vereinbar ist (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 23). Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. b UVP-RL kann das nationale Recht den Zugang zu Gerichten davon abhängig machen, dass der Kläger eine Rechtsverletzung geltend macht. Das nationale Recht kann nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 UVP-RL ferner in Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als Rechtsverletzung gilt. Den Mitgliedstaaten steht es frei, diese Rechtspositionen auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - Rs. C-115/09, Trianel - NJW 2011, 2779 Rn. 45). Das Unionsrecht gebietet mithin nicht die Einführung einer UVP-rechtlichen Popular- oder Interessentenklage ohne die Notwendigkeit eigener Betroffenheit. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Spielraum genutzt und auch für den Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie an der Systementscheidung zugunsten eines auf subjektive Rechte Einzelner zugeschnittenen Rechtsschutzes festgehalten (BTDrucks 16/2495 S. 7 f.). Auch widerspricht es offenkundig weder dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gericht zu gewähren noch dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip, dass ein Einzelner nur dann gegen die Zulassung eines UVP-pflichtigen Vorhabens klagen kann, wenn überhaupt die Möglichkeit besteht, dass er dadurch betroffen wird (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 23).
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Das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gibt keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Der Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 7. Januar 2004 - Rs. C-201/02, Wells - (NVwZ 2004, 593) geht fehl. Die im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens ergangene Entscheidung betraf nicht die Frage, ob Einzelne den Verfahrensmangel einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von eigener Betroffenheit klageweise geltend machen können. Dasselbe gilt für das von der Klägerin außerdem in Bezug genommene, im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens ergangene Urteil des Gerichtshofs vom 11. August 1995 - Rs. C-431/92 - (NVwZ 1996, 369); auf Rügemöglichkeiten Einzelner kam es in diesem Zusammenhang nicht an (Rn. 26). Wenn die Klägerin meint, nach Unionsrecht dürfe der Zugang zu Gericht allein von der Zugehörigkeit des Einzelnen zur "betroffenen Öffentlichkeit" i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e UVP-RL abhängig gemacht werden, übersieht sie, dass sich die den Mitgliedstaaten eröffnete Systementscheidung zugunsten eines subjektiven Rechtsschutzes nach dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 UVP-RL gerade auf den Zugang der "Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit" zu den Gerichten bezieht; zu Klagemöglichkeiten der allgemeinen Öffentlichkeit trifft die UVP-Richtlinie ohnehin keine Aussagen.
Tatbestand
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Die Klägerin, eine Gemeinde, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Punkt F. - Punkt St. T., Bauleitnummer (Bl.) 4571.
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Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist die Errichtung und der Betrieb einer rund 7,4 km langen 380 kV-Höchstspannungsfreileitung einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Folgemaßnahmen sowie der Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die Leitung dient einem Lückenschluss und soll die Energieversorgung der Stadt K. und ihrer Umgebung langfristig sichern. Insgesamt werden 23 Masten unterschiedlichen Bautyps neu errichtet, zugleich 17 Masten demontiert. Die planfestgestellte Trasse beginnt am Punkt F. unter Anschluss an die Höchstspannungsfreileitung Bl. 4123. Sie kreuzt aus südöstlicher Richtung kommend die Bundesautobahn A 44 und wird dann weitgehend parallel zu dieser Bundesautobahn geführt, berührt bei Mast 5 das Gebiet des "Campus F.", kreuzt an der Anschlussstelle F. die Landesstraße L 382 und verläuft weiter in weitgehend westlicher Richtung bis zu einer stillgelegten, nach Norden verlaufenden Eisenbahntrasse. Parallel hierzu wird sie zum Edelstahlwerk geführt. Dort verschwenkt sie leicht nach Westen und führt zum Punkt St. T.. Auf diesem etwa 2,9 km langen Teilstück befindet sich die rückzubauende Freileitung Bl. 2339. Die Trasse verläuft hier am Ortsrand der Klägerin, dem sie sich bis auf knapp 30 m von der Trassenmitte nähert. Über die gesamte Strecke wird die Trasse parallel zur bestehenden Freileitung Bl. 2388 geführt.
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Im Juni 2007 übersandte eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen dem Beklagten ein Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) zur Prüfung, ob das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfe. Das Gutachten verneinte eine solche Pflicht. Für die Umweltauswirkungen legte es eine dreistufige Skala ("erheblich" - "deutlich" - "gering") zu Grunde. Erhebliche Umweltauswirkungen verneinte es durchgängig, deutliche Auswirkungen bejahte es hinsichtlich einzelner Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 2 zum UVPG. Die zu erwartenden Umweltverschmutzungen (Ziff. 1.4 der Anlage 2 zum UVPG) schätzte das Gutachten als gering ein, da die Immissionen durch elektromagnetische Felder die maßgeblichen Grenzwerte einhielten. Nach Beteiligung verschiedener Fachdezernate stellte die Planfeststellungsbehörde des Beklagten in einem Vermerk vom 8. Januar 2008 fest, der Eingriff werde in keinem relevanten Schutzgut zu erheblichen Umweltauswirkungen führen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei daher nicht erforderlich. Auf Nachfrage teilte der Beklagte dem Beigeladenen unter dem 20. Dezember 2010 mit, es bleibe bei dieser Einschätzung.
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Zu den im Jahr 2010 eingereichten Planfeststellungsunterlagen beteiligte die Beklagte im März 2011 die Träger der öffentlichen Belange, darunter die Klägerin. Die Unterlagen wurden in der Zeit vom 28. März bis 9. Mai 2011 bei der Stadt K. ausgelegt.
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Die Klägerin nahm unter dem 5. Mai 2011, beim Beklagten eingegangen am 9. Mai 2011, zu dem Vorhaben Stellung. Die Trasse habe einen zu geringen Abstand zur Wohnbebauung im Bereich des Stadtteils B., es müsse geprüft werden, ob die Leitung negative gesundheitliche Wirkungen für die Bewohner der dortigen Wohngebiete habe. Die Unterlagen ließen die Stärke der elektromagnetischen Felder nicht erkennen. Es bedürfe einer Prüfung von Alternativen, sowohl einer Erdverkabelung als auch einer mindestens teilweisen Verlegung der Trasse. Die Planung berühre beim "Campus F." den Bebauungsplan Nr. 653, dort reiche der Schutzstreifen auf einer Breite von ca. 300 m bis zu 5 m in die festgesetzten Gewerbegebiete hinein. Weiter rügte die Klägerin Mängel hinsichtlich des Landschafts- und Artenschutzes sowie des Grund- und Trinkwasserschutzes während der Bauphase. Schließlich forderte sie, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.
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Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 legte die Klägerin ein Gutachten zu den Möglichkeiten und Auswirkungen einer 380-kV-Erdkabelverlegung vor. Es beschreibt die technischen, betrieblichen und umweltrelevanten Eigenschaften von Freileitungen und Erdkabeln und vergleicht die Wirtschaftlichkeit. Die Ausführung der Leitung als Freileitung stelle, so das Gutachten, aus technischer, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht eindeutig die zu bevorzugende Variante dar. Die Einwendungen der Klägerin wurden in einem nicht-öffentlichen Erörterungstermin am 28. Februar 2012 erörtert.
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Der Beklagte stellte den Plan mit Planfeststellungsbeschluss vom 7. November 2012 fest und stellte ihn der Klägerin am 27. November 2012 zu.
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Die Klägerin ist Eigentümerin zahlreicher Grundstücke, für die der Planfeststellungsbeschluss eine Enteignung für zulässig erklärt. Wegen der bereits bestehenden Leitung (Bl. 2388), aber auch wegen einer 1962 planfestgestellten, aber nicht verwirklichten Leitung ist eine Vielzahl dieser Grundstücke dinglich zugunsten von Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen belastet. Die privatrechtliche Situation weicht im Detail voneinander ab. Von elektromagnetischen Feldern und Lärm sind einzelne Grundstücke im Eigentum der Klägerin betroffen, die auf der Grundlage von Erbbaurechten zu Wohnzwecken genutzt werden.
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Die Klägerin hat am 20. Dezember 2012 Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung bedurfte das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Landschaftsschutz sei unzutreffend abgearbeitet. Die nur knapp unterschrittenen Grenzwerte der 26. BImSchV seien wissenschaftlich überholt und die entstehenden Immissionen unzumutbar. Die Richtwerte der TA Lärm seien überschritten, die hierzu vorgelegten Unterlagen unvollständig. Der Planfeststellungsbeschluss greife durch eine rechteckige Gestaltung der Schutzstreifen mehr als erforderlich auf ihr Eigentum zu. Den Gefahren durch Mastbrüche werde nicht ausreichend begegnet. Die Alternativenprüfung sei unzureichend. Mindestens teilweise dränge sich die Ausführung als Erdkabel auf, insbesondere im Bereich zwischen dem Edelstahlwerk und dem Punkt St. T..
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Die Klägerin beantragt,
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den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. November 2012 für den Neubau der 380 kV-Höchstspannungsleitung Punkt F. - Punkt St. T., Bl. 4571 in den Abschnitten Punkt F. - Punkt St. T. aufzuheben,
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hilfsweise,
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den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 7. November 2012 zu verpflichten, über Schutzvorkehrungen zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin und zum Schutz ihres Grundeigentums, insbesondere vor Immissionen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
- 11
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin sei hinsichtlich mehrerer Einwendungen präkludiert. Den Anforderungen an eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls habe die Beklagte genügt. Verstöße gegen Vorschriften des Landschaftsschutzes könne die Klägerin nicht rügen. Die Grenzwerte der 26. BImSchV seien gewahrt und in der Sache nicht zu beanstanden. Hinsichtlich des Lärmschutzes mache die Klägerin keine eigenen Belange geltend. Im Übrigen würden die maßgeblichen Werte der TA-Lärm eingehalten. Der Planfeststellungsbeschluss leide nicht an Abwägungsfehlern. Die Alternativenprüfung sei rechtmäßig. Insbesondere sei eine Führung als Erdkabel gesetzlich ausgeschlossen, jedenfalls fehlerfrei abgewogen und abgelehnt worden. Sicherheitsgefahren beständen nicht, weil die Anlage die allgemein anerkannten Regeln der Technik beachte.
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Die Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klage sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Der Klägerin fehle die Klagebefugnis. Sie sei als Gemeinde nicht Trägerin von Grundrechten und mache sich hinsichtlich einzelner Belange zur Sachwalterin fremder Interessen. Ihre Planungshoheit sei nicht betroffen. Die Klägerin habe kein subjektives öffentliches Recht auf Erdverkabelung. Schließlich sei die Klägerin mit einer Reihe von Einwänden präkludiert, so auch mit der Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung. In der Sache hält die Beigeladene die Klage für unbegründet und verteidigt den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss.
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Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat einen Eilantrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage mit Beschluss vom 28. Februar 2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 = ER 2013, 119) abgelehnt.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Dem Planfeststellungsbeschluss hätte eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorausgehen müssen. Dieser Mangel führt nicht zur Aufhebung des Beschlusses, aber zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit.
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A. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 3 des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) i.V.m. Nr. 14 der Anlage zum EnLAG im ersten und letzten Rechtszug, weil das Vorhaben ein Teil des Neubaus der Höchstspannungsleitung Niederrhein - Utfort - Osterath mit einer Nennspannung von 380 kV ist.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Eine Verletzung von Rechten der Klägerin kann nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden (vgl. Urteil vom 22. Februar 1984 - BVerwG 1 C 24.92 - BVerwGE 95, 133 <134> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 202 S. 2).
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Die Klägerin kann wie ein privater Grundstückseigentümer geltend machen, die (teilweise) Inanspruchnahme der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke verletze das Gebot einer gerechten Abwägung ihrer eigenen Belange (Urteil vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <101> = Buchholz 451.22 AbfG Nr. 48 S. 125 und Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17). Hiervon ist auch der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinen Beschlüssen vom 9. Oktober 2012 (BVerwG 7 VR 10.12 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 31 Rn. 7) und vom 28. Februar 2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 7) ausgegangen. Anders als die Beigeladene meint, spielt es nur für die Abwägung, nicht aber für die Klagebefugnis eine Rolle, ob die betroffenen Grundstücke der Klägerin einen Bezug zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben haben (vgl. Urteil vom 24. November 1994 - BVerwG 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <151 f.> = Buchholz 451.22 § 7 Abfallbeseitigung Nr. 1 S. 9 und Beschluss vom 18. März 2008 - BVerwG 9 VR 5.07 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 197 Rn. 16).
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Der Klagebefugnis steht nicht entgegen, dass im Bereich der zurückzubauenden Freileitung (Bl. 2339) - also zwischen dem Edelstahlwerk und dem Punkt St. T. - die vorhandenen Schutzstreifen ausreichen (S. 32 des Planfeststellungsbeschlusses) und mindestens zu einem Teil dinglich gesichert sind. Gegenstand der Planfeststellung ist ein Gesamtbauvorhaben, das die Errichtung einer Freileitung bei Rückbau einer bestehenden Freileitung umfasst. Gegenüber diesem Eigentumszugriff ist die Klägerin klagebefugt, da sie ihre Klage mit der Hoffnung verbinden kann, dass eine veränderte Planung bestehende Belastungen entfallen lässt, ohne neue Lasten zu begründen (Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17).
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Ob die Klagebefugnis auch aus einer möglichen Beeinträchtigung der Planungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, kann offen bleiben. Mit Bejahung der Klagebefugnis wegen der Eigentumsbetroffenheit ist die Klage insgesamt zulässig. § 42 Abs. 2 VwGO lässt es nicht zu, die Klage nach unterschiedlichen Klagegründen aufzuspalten mit der Folge, einzelne Klagegründe im Wege einer Art Vorprüfung endgültig auszuschalten und die sachliche Nachprüfung des klägerischen Vorbringens auf die verbleibenden Klagegründe zu beschränken (Urteil vom 20. Mai 1998 - BVerwG 11 C 3.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 S. 52). Gleiches gilt für den Einwand der Beigeladenen, die Klägerin sei mit bestimmten Einwendungen präkludiert. Denn die mögliche Präklusion von einzelnen Einwendungen berührt nicht die Klagebefugnis, sondern betrifft den Umfang der Begründetheitsprüfung.
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B. Die Klage ist überwiegend begründet. Zwar war der Hauptantrag auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses abzuweisen, die Klage hat aber mit dem in diesem Antrag als "Minus" enthaltenen Begehren Erfolg, die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72 <74> = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 36) (I.). Die übrigen Einwendungen der Klägerin führen nicht auf Rechtsfehler des Planfeststellungsbeschlusses (II.).
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I. 1. a) Die Klägerin als von der Fachplanung betroffene Gemeinde ist auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche Eigentum an den Grundstücken, die durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf Vollüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <391 f.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 114 S. 123, Beschlüsse vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 10 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 26). Auch eine enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses zu ihren Lasten führt nicht zu dem aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG hergeleiteten Anspruch auf vollumfängliche Prüfung, da die Klägerin nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ist (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <100 f.>).
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Damit scheidet eine Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses an naturschutzrechtlichen Regelungen von vornherein aus (Beschluss vom 18. März 2008 - a.a.O. Rn. 12). Dies gilt auch, soweit die Klägerin untere Landschaftsbehörde nach § 8 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft Nordrhein-Westfalen (Landschaftsgesetz - LG NRW) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV. NRW S. 568), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 16. März 2010 (GV. NRW S. 185) ist. Insoweit nimmt sie zwar Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (§ 8 Abs. 3 Satz 1 LG NRW) wahr, sie wird aber nicht Begünstigte des materiellen Naturschutzrechtes, wenn - wie hier die Planfeststellungsbehörde (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW) - eine andere Behörde für naturschutzrechtliche Entscheidungen zuständig ist.
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b) Maßgeblich für die Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses ist die Rechtslage bei dessen Erlass am 7. November 2012, soweit nicht spätere Rechtsänderungen einen vormaligen Rechtsverstoß entfallen lassen (Urteil vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 Rn. 52).
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2. Der Einwand der Klägerin, vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses habe es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft, ist nicht nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert (a). Er hat in der Sache Erfolg. Auch unter Berücksichtigung der durch § 3a Satz 4 UVPG eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (b) ist festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist, weil es vor seinem Erlass einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurfte (c). Dieser Fehler führt nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, aber nach § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit (d).
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a) Die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert.
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Gemäß § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG sind Äußerungen, Einwendungen und Stellungnahmen nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach Satz 1 ausgeschlossen. Diese Mitwirkungslast gilt uneingeschränkt auch für eine Gebietskörperschaft, die im Planfeststellungsverfahren als Behörde und damit als Trägerin öffentlicher Belange zur Stellungnahme aufgefordert worden ist (vgl. Urteil vom 9. Februar 2005 - BVerwG 9 A 62.03 - NVwZ 2005, 813 <815>
§ 78 vwvfg nr. 10 nicht abgedruckt> zur Mitwirkungslast nach § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG). Die Einwendungsfrist, über die entsprechend § 43b Satz 3 EnWG belehrt worden ist, lief hier am 9. Mai 2011 ab. Der damit eintretende Einwendungsausschluss erstreckt sich auch auf das gerichtliche Verfahren (Urteile vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 7.97 - BVerwGE 104, 337 <343> = Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 S. 32 und vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 - NVwZ 2013, 1605 Rn. 65).
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Der 7. Senat hat dargelegt (Beschluss vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 12), dass das Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 2011 den Anforderungen an ein Einwendungsschreiben einer Gebietskörperschaft genügt. Diese Einschätzung teilt der erkennende Senat. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen hat die Klägerin auch substantiiert eine Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert. Die Klägerin erhob diese Forderung vor dem Hintergrund, dass nach ihrer Auffassung "dem Antrag für das Planfeststellungsverfahren entscheidungserhebliche Unterlagen fehlen und darüber hinaus weitere Belange und umweltbezogene Auswirkungen geprüft" werden sollten. Welche Umweltbelange die Klägerin im Auge hatte, ergab sich aus dem Schreiben im Übrigen.
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Anders als die Beigeladene meint, ist die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht in Folge des Erörterungstermins vom 28. Februar 2012 präkludiert. Allerdings ist es unzulässig, im Klageverfahren auf frühere Einwendungen zurückzukommen, wenn im Anhörungsverfahren eine streitbefriedende Erörterung gelingt (Beschluss vom 17. Februar 1997 - BVerwG 4 VR 17.96 - LKV 1997, 328
§ 17 fstrg nr. 127 nicht abgedruckt>). Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor. Die auf naturschutzfachliche Erwägungen bezogene Äußerung eines Mitarbeiters der Klägerin in deren Funktion als untere Landschaftsschutzbehörde im Erörterungstermin vom 28. Februar 2012 konnte nicht dahin verstanden werden, für die Klägerin als planbetroffene Gebietskörperschaft solle die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung fallen gelassen werden.
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Hiervon ausgehend bedarf es weder einer Entscheidung, ob die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung den fachplanungsrechtlichen Regelungen über die Präklusion unterliegt (offengelassen in Beschluss vom 10. Oktober 2006 - BVerwG 9 B 27.05 - NVwZ 2007, 84 Rn. 19
§ 11 uvpg nr. 4 nicht abgedruckt>; dafür OVG Lüneburg, Urteil vom 19. September 2013 - 7 KS 209/11 - juris Rn. 63; Neumann, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 73 Rn. 98), noch, ob - bejahendenfalls - gegen eine solche nationale Regelung unionsrechtliche Bedenken bestehen.
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b) Gemäß § 3a Satz 4 UVPG unterliegt die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die behördliche Einschätzung ist im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat (Urteil vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 26 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2).
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Anknüpfend an diese der zuständigen Behörde in § 3a Satz 4 UVP eingeräumte Beurteilungsermächtigung stellt § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG klar, dass die behördliche Entscheidung im gerichtlichen Verfahren unter anderem darauf zu überprüfen ist, ob das anzuwendende Recht verkannt wurde. Das Umweltrechtsbehelfsgesetz findet hier Anwendung, weil infolge der von § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Ziffer 19.1.3 der Anlage 1 zum UVPG angeordneten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls für den in Rede stehenden Planfeststellungsbeschluss eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG bestehen kann (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 18 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: April 2013, § 1 UmwRG Rn. 29).
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Der Anwendung von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG steht nicht entgegen, dass die Vorschrift nach Art. 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) erst am 29. Januar 2013 und damit nach Klageerhebung in Kraft getreten ist. Die geänderten Vorschriften des Gesetzes gelten nach § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfsverfahren nach § 2, die am 12. Mai 2011 anhängig waren oder nach diesem Tag eingeleitet worden sind und die am 29. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Zwar handelt es sich hier nicht um den Rechtsbehelf einer anerkannten Vereinigung nach § 2 Abs. 1 UmwRG, der Gesetzgeber knüpft in § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG aber an allgemeine Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts an, die gleichfalls eine Anwendung des § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG fordern (vgl. BTDrucks 17/10957 S. 18; Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 194 Rn. 1).
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c) Der Beklagte hat die UVP-Vorprüfung nicht entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt und damit das anzuwendende Recht im Sinne von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG verkannt. Die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls hätte zu der Annahme führen müssen, dass das Vorhaben unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG haben kann, so dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte. Dies folgt aus der bei der Vorprüfung absehbaren Belastung der Wohnbevölkerung mit Immissionen durch elektromagnetische Felder.
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Das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls verneint erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen der Sache nach mit dem Hinweis, dass die Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV <1996>) i.d.F. vom 16. Dezember 1996 (BGBl I S. 1966) nicht überschritten werden. Sie setzt damit die Schwelle der erheblichen Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG mit der Schwelle der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 BImSchG i.V.m. der 26. BImSchV gleich, die durch Abwägung nicht überwindbar ist (vgl. Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 23). Dieser Sichtweise entspricht es, dass der Gutachter der Beigeladenen die Umweltauswirkungen durch elektromagnetische Felder auf einer dreistufigen Skala als "gering" einschätzt, ohne der Frage nachzugehen, inwieweit sich die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte bereits dem maßgeblichen Grenzwert nähern.
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Dies verkennt den rechtlichen Maßstab. Nach § 3c Satz 1 UVPG ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht erst dann, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können (Urteil vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 30). Denn die Umweltverträglichkeitsprüfung soll die Umweltbelange so herausarbeiten, dass sie in die Abwägung in gebündelter Form eingehen (Urteil vom 18. November 2004 - BVerwG 4 CN 11.03 - BVerwGE 122, 207 <211> = Buchholz 406.251 § 17 UVPG Nr. 1 S. 6). Sie ist ein formalisierter Zwischenschritt mit dem Ziel einer zunächst auf die Umweltbelange beschränkten Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens im Rahmen der Abwägung aller Belange und dient als wirkungsvolle Methode, die Umweltbelange in den Abwägungsprozess einzuführen (Urteil vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <247> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 62 f.). Gerade die Abwägungsentscheidung lässt das Planfeststellungsrecht als besonders geeignetes Trägerverfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung erscheinen (Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 12 UVPG Rn. 83). Hiervon ausgehend muss die Umweltverträglichkeitsprüfung daher grundsätzlich auch die Abwägungsentscheidung vorbereiten, wenn Umweltauswirkungen in die Abwägung eingehen und damit bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht (Urteile vom 13. Dezember 2007 a.a.O., vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 34 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2 und vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 32 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 32; vgl. auch BTDrucks 14/4599 S. 95).
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Im Luftverkehrsrecht hat der Senat angenommen, dass nachteilige betriebsbedingte Auswirkungen bei einer Änderungsgenehmigung zu berücksichtigen und damit grundsätzlich im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG erheblich sind, wenn sie mehr als geringfügig und damit abwägungserheblich sind (Urteile vom 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 30 und vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 30). Jedenfalls bei Überschreiten der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle könne die Erheblichkeit allenfalls verneint werden, wenn bereits der Vorhabenträger Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen vorgesehen habe und diese die nachteiligen Umweltauswirkungen offensichtlich ausschlössen. Auch in der Anordnung von Betriebsbeschränkungen zugunsten von Anwohnern hat der Senat einen Anhaltspunkt für die Abwägungserheblichkeit gesehen (Urteil vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 33). Hiervon ausgehend musste der Beklagte vorliegend ebenfalls erhebliche Umweltauswirkungen annehmen. Denn bei der Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung gehört zu den weiteren erheblichen Belangen in der Abwägung das Interesse an jeglicher Verschonung vor elektromagnetischen Feldern, auch wenn diese die Grenzwerte unterschreiten (Beschlüsse vom 22. Juli 2010 a.a.O. Rn. 35 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 59).
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Die Rechtsprechung des Senats ist auf Vorbehalte gestoßen. Ihr mag entgegnet werden, dass nach ihren Maßstäben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 1 UVPG im Widerspruch zur Konzeption des Gesetzgebers nahezu zwangsläufig zur Annahme erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen und damit zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung führe. Denn es erscheint kaum ein der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls unterliegendes Vorhaben der Fachplanung denkbar, das nicht jedenfalls abwägungserhebliche Umweltauswirkungen hat (zweifelnd daher etwa OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 5 Bs 24/10 - NordÖR 2010, 206 - juris Rn. 21). Diesen Vorbehalten braucht der Senat hier indes nicht nachzugehen. Zwar sind bei Höchstspannungsfreileitungen regelmäßig Immissionen elektromagnetischer Felder in der Abwägung zu bewältigen. Vorliegend war aber auf einem erheblichen Teilabschnitt eine Belastung der Wohnbevölkerung in einer Stärke zu erwarten, die so nah an einen Grenzwert heranreichte, dass im Zeitpunkt der Vorprüfung ein Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses nicht ausgeschlossen werden konnte. Denn die Abwägung des Schutzes vor elektromagnetischer Strahlung ist ausgehend von den Grenzwerten zu gewichten. Dieser Belang ist umso gewichtiger, je näher die Belastung an die Grenzwerte heranreicht, sein Gewicht ist umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleibt. Insoweit orientiert sich der Senat an dem im Fluglärmschutzrecht entwickelten Ansatz (Urteil vom 4. April 2012 - BVerwG 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 190 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 37). Nach einer Berechnung der Beigeladenen aus dem Mai 2010 - und damit vor der erneuten Vorprüfung (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 29 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3) - war zwischen Mast 21 und 22 angrenzend an Wohngebiete in B. eine elektrische Feldstärke von 3,8 kV/m und eine magnetische Flussdichte von 21,0 µT zu erwarten. Die elektrische Feldstärke näherte sich damit deutlich dem Grenzwert von 5,0 kV/m und betraf absehbar auf einer nicht unerheblichen Länge der Trasse Wohnbebauung. Die prognostizierte Belastung warf erkennbar die Frage auf, ob im Rahmen der Abwägung eine Senkung dieser Belastung in Betracht kam. Es wäre Aufgabe einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewesen, diese Abwägung vorzubereiten. Die Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG hätte die Planfeststellungsbehörde deshalb nicht verneinen dürfen.
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d) Die Fehlerfolge ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 UmwRG i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG. Namentlich ist § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG anzuwenden, der durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) mit Wirkung vom 29. Januar 2013 erlassen worden ist, und der die bisherige Rechtslage klarstellt (BTDrucks 17/10957 S. 17; vgl. bereits Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 33).
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Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Ein solcher Fall liegt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch vor, wenn - wie hier - eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Die Vorschrift gilt nach § 4 Abs. 3 UmwRG für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO und damit für die Klägerin entsprechend. Sie wird so auf Rechtsbehelfe erstreckt, deren Zulässigkeit von der Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte abhängt (BTDrucks 16/2495 S. 14). § 4 Abs. 3 UmwRG begründet damit nicht die Klagebefugnis, sondern verändert gegenüber der allgemeinen Regelung des § 46 VwVfG NRW die Begründetheitsprüfung (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 22). Hat die Behörde eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft unterlassen, ist dieser Fehler erheblich, ohne dass es nach nationalem Recht darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob dieser Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte. Der Verfahrensfehler führt damit zur Begründetheit der Klage, unabhängig von den sonst nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltenden einschränkenden Maßgaben (Beschluss vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014 Rn. 10).
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Ungeachtet des Wortlauts des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG führt der festgestellte Rechtsfehler hier nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Der auf den Regelfall des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugeschnittene Wortlaut ersetzt die spezielle Fehlerfolgenregelung des § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG nicht, vielmehr geht die letztgenannte Regelung als speziellere vor (ebenso Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 34 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3 zu § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG). Vorliegend kann es mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit nach § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG sein Bewenden haben. Denn der eingetretene Verfahrensfehler kann in einem ergänzenden Verfahren behoben werden.
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Dies begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 36). Denn die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit stellt sicher, dass die Zulassungsentscheidung nicht ausgeführt werden darf, bevor die unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung nachgeholt und die in ihrem Rahmen getroffenen Feststellungen und Bewertungen der Umweltauswirkungen des Vorhabens in einer erneuten Zulassungsentscheidung gewürdigt worden sind. Diese Würdigung muss ergebnisoffen erfolgen und ist wiederum mit Rechtsbehelfen angreifbar. Eine Umgehung oder Nichtanwendung der Regelungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung wird dadurch verhindert. Diese können vielmehr ihre volle Wirkkraft entfalten.
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II. Die weiteren von der Klägerin gerügten Rechtsverletzungen führen schon deshalb nicht zu einem weitergehenden Klageerfolg, weil sie - ihr Vorliegen unterstellt - nicht von einer solchen Art und Schwere wären, dass die Planung als Ganzes von vornherein in Frage gestellt schiene (vgl. Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 83 = Buchholz 406.11 § 7 BauGB Nr. 4). Es bedarf insoweit aber auch weder einer Planergänzung noch der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens mangels Rechtsfehlern zu Lasten der Klägerin. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob einzelne Einwendungen nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert sein könnten und - bejahendenfalls - ob diese Präklusion unionsrechtlichen Bedenken begegnet.
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1. Die Planrechtfertigung liegt vor. Das Vorhaben ist gemessen an den Zielen des zugrunde liegenden Fachplanungsgesetzes vernünftigerweise geboten (Urteile vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <168> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 59 S. 60 f. und vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 27). Die planfestgestellte Trasse ist Teil des Vorhabens Nr. 14 der Anlage zum EnLAG und entspricht damit nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EnLAG den Zielsetzungen des § 1 EnWG. Seine energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf stehen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EnLAG fest. Diese Feststellungen sind für die Planfeststellung und die Plangenehmigung nach den §§ 43 bis 43d EnWG gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 EnLAG verbindlich. Dies gilt auch für das gerichtliche Verfahren (Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 - NuR 2013, 794 Rn. 35 - zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen).
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Der Einwand der Klägerin, die Schutzstreifen griffen auf ihre Grundstücke zu umfangreich zu, betrifft nicht die Planrechtfertigung. Für sie reicht aus, dass die mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen generell geeignet sind, entgegenstehende Eigentumsrechte zu überwinden. Ob das Wohl der Allgemeinheit den Zugriff auf ein einzelnes Grundstück letztlich erfordert, hängt von der weiteren planerischen Konkretisierung des Vorhabens ab und ist eine Frage der fachplanerischen Abwägung (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 183 f. = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23).
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2. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt - abgesehen von dem unter B I. festgestellten Rechtsverstoß - kein zwingendes Recht. Die planfestgestellte Höchstspannungsfreileitung unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Da sie keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV bedarf, ist sie nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
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Diese Anforderungen dienen dem allgemeinen öffentlichen Interesse und dem Schutz Betroffener und sind nicht dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet (Urteil vom 18. Juli 2013 a.a.O. Rn. 64). Die Klägerin könnte indes einen Eingriff in ihr Eigentum rügen, wenn Nutzer und Bewohner ihrer Anlagen in rechtswidriger Weise Immissionen ausgesetzt würden (vgl. Urteil vom 26. März 2007 - BVerwG 7 B 73.06 - Buchholz 451.171 § 9b AtG Nr. 2 Rn. 10).
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a) Hinsichtlich elektromagnetischer Felder konkretisiert die 26. BImSchV (1996) die Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der 26. BImSchV <1996>).
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Die planfestgestellte Leitung, eine Niederfrequenzanlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a der 26. BImSchV (1996), ist nach § 3 Satz 1 der 26. BImSchV (1996) i.V.m. dem Anhang 2 so zu errichten und zu betreiben, dass in ihrem Einwirkungsbereich in Gebäuden oder auf Grundstücken, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, bei höchster betrieblicher Auslastung unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere Niederfrequenzanlagen der Effektivwert der elektrischen Feldstärke 5 kV/m und der Effektivwert der magnetischen Flussdichte 100 µT nicht überschreitet. Zum Zwecke der Vorsorge haben nach § 4 der 26. BImSchV (1996) bei der Errichtung einer Niederfrequenzanlage in der Nähe von Wohnungen oder Schulen in diesen Gebäuden oder auf diesen Grundstücken auch die maximalen Effektivwerte diesen Anforderungen zu entsprechen. Diese Vorgaben wahrt das streitgegenständliche Vorhaben.
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Die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden (stRspr, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 25, vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 20 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 33 ff.). Die staatliche Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG fordert nach derzeitigem fachwissenschaftlichen Kenntnisstand keine niedrigeren Grenzwerte. Der Verordnungsgeber verfügt bei der Erfüllung seiner Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit über einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, der auch Raum lässt, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht wird erst verletzt, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Von einem solchen völlig unzureichenden Schutz kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 <202>, vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 - NJW 2002, 1638 <1639> sowie Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 - 1 BvR 382/05 - NVwZ 2007, 805 = juris Rn. 18).
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Gemessen hieran ist davon auszugehen, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) wirksam akute Beeinträchtigungen der Gesundheit verhindern. Der Verordnungsgeber hat bei der Novelle zur 26. BImSchV (Art. 1 der Verordnung vom 14. August 2013 - BGBl I S. 3259) an dem Grenzwert für die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte festgehalten (Anhang 1
i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV) und sich dabei auf Empfehlungen der 2010 veröffentlichten Guidelines der International Commission on non-Ionizing radiation protection (ICNIRP) berufen (veröffentlicht in Health Physics 99 <6>: S. 818 <2010>). Auch mögliche Langzeitfolgen lassen nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte. Die zu Langzeitfolgen vorliegende Befundlage erweist sich als "nicht stark genug, um einen Kausalzusammenhang zu belegen, aber ausreichend, um eine Besorgnis zu begründen" (Sachverständiger Matthes, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 17. WP, 92. Sitzung vom 27. Februar 2013, Protokoll 17/92 S. 10). Diese Bewertung entspricht im Kern der Einschätzung der Strahlenschutzkommission (Vergleichende Bewertung der Evidenz von Krebsrisiken durch elektromagnetische Felder und Strahlungen, Stellungnahme der Strahlenschutzkommission vom 14./15. April 2011, S. 52 ff.). Die von der Klägerin angeführten wissenschaftlichen Arbeiten ziehen diese Einschätzung nicht in Zweifel. Der Strahlenschutzkommission war der Standpunkt von J. Schütz und A. Ahlborn bekannt, auf die sich die Klägerin beruft (vgl. Stellungnahme, a.a.O. S. 77). Ob die weiter von der Klägerin vorgelegte Tabelle zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen bei Kindern und der Wohnentfernung zu Höchstspannungsfreileitungen eine Risikoerhöhung belegt, mag offen bleiben. Jedenfalls bietet sie keinen Anhalt für die Annahme, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte.
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b) Den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert für anlagenbezogene Lärmimmissionen die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503). Ihr kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmtem Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (Urteile vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 9 und vom 29. November 2012 - BVerwG 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 Rn. 18). Den Anforderungen der TA Lärm genügt das Vorhaben.
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Das vom Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Gutachten des TÜV Hessen prognostiziert an den am höchsten belasteten Immissionsorten einen nächtlichen Beurteilungspegel von geringfügig mehr als 35 dB(A). Substantiierte Einwendungen dagegen hat die Klägerin nicht erhoben. Insbesondere fehlt ein Anhaltspunkt für den Verdacht, bei den der Prognose zugrunde liegenden Messwerten sei ein Messabschlag nach Ziffer 6.9 TA Lärm in Abzug gebracht worden.
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Den Anforderungen der TA Lärm ist auch unter der Annahme genügt, dass die am höchsten belasteten Immissionsorte in reinen Wohngebieten liegen. Wegen ihrer Randlage zum Außenbereich gegenüber einem privilegierten Außenbereichsvorhaben (hier: § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) und ihrer Vorbelastung durch die fortbestehende Freileitung Bl. 2388 sind die Grundstücke nur vermindert schutzwürdig (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2000 - BVerwG 7 B 4.10 - BRS 78 Nr. 117 Rn. 32). Daher ist der maßgebliche Immissionsrichtwert nach Ziffer 6.7 der TA Lärm ("Gemengelage") zu ermitteln. Hier reicht der Schutz eines allgemeinen Wohngebiets aus. Der damit nach Ziffer 6.1 Buchst. d TA Lärm einzuhaltende Immissionsrichtwert von 40 dB(A) für die Nacht wird gewahrt.
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Diese Einschätzung liegt auf der sicheren Seite. Das Gutachten des TÜV Hessen geht von einem Datenpool aus, dem Messwerte für 4er-Bündel-Seile in der Ausführung 4 * Al/St 265/35 zugrunde liegen (S. 5, 12). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss in dem Abschnitt Edelstahlwerk bis Punkt Sankt T. die Verwendung dickerer Phasenseile (Al/St 550/70) zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm festsetzt (Erläuterungsbericht, S. 30). Diese Phasenseile lassen wegen der geringeren Randfeldstärken eine deutliche Minderung der Emissionen gegenüber den prognostizierten Werten erwarten (Gutachten TÜV Hessen S. 39).
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3. Nach § 43 Satz 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Dieses Abwägungsgebot ist nicht verletzt.
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Dabei ist die gerichtliche Kontrolle der Auswahl zwischen verschiedenen Planungsalternativen als Abwägungsentscheidung auf erhebliche Abwägungsmängel begrenzt (§ 43 Satz 3, § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG). Ihre Rechtmäßigkeit hängt nicht davon ab, ob für eine andere planerische Lösung einleuchtende Gründe angeführt werden können. Es reicht vielmehr aus, wenn die Behörde ernsthaft in Betracht kommende Alternativen prüft, sich mit dem Für und Wider der jeweiligen Lösung auseinandersetzt und tragfähige Gründe für die gewählte Lösung anführen kann. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit sind erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Lösung sich unter Berücksichtigung der abwägungserheblichen Belange als die eindeutig bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellt (vgl. Urteile vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <249 f.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 65 f. und vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41 m.w.N.
).
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a) Die planfestgestellte rechteckige statt der von der Klägerin geforderten elliptischen Form der Schutzstreifen ist im Ergebnis nicht abwägungsfehlerhaft. Der Beklagte hält die Nutzungsbeschränkungen bei rechteckigen Schutzstreifen für leichter erkennbar; diese Form entspreche der Eintragung im Grundbuch und ermögliche Wartungsarbeiten im Bereich der Masten. Diese Gesichtspunkte können die entgegenstehenden Eigentümerinteressen der Klägerin überwinden, die von der Form der festgelegten Schutzstreifen nur am Rande berührt werden. Dass entsprechende Darlegungen im Planfeststellungsbeschluss fehlen, ist jedenfalls nach § 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG unbeachtlich, weil ein etwaiger Mangel auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen ist.
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b) Besondere Vorkehrungen gegen die Gefahr von Mastbrüchen brauchte der Planfeststellungsbeschluss nicht zu treffen. Eine Planfeststellungsbehörde hat sich Gewissheit darüber zu verschaffen, dass ein durch das Vorhaben aufgeworfenes tatsächliches Problem bei der Ausführung des Planfeststellungsbeschlusses beherrschbar ist und das hierfür notwendige Instrumentarium bereit steht. Der Planfeststellungsbeschluss kann daher die Bauausführung ausklammern, soweit der Stand der Technik für die zu bewältigenden Probleme geeignete Lösungen zur Verfügung stellt und die Beachtung der entsprechenden technischen Vorgaben gewährleistet ist (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 97 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 201). Nach § 49 Abs. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Der Erläuterungsbericht nennt die zu beachtenden technischen Regelwerke (S. 16 f.). Der Planfeststellungsbeschluss durfte davon ausgehen, dass diese Regelungen ausreichende Möglichkeiten bereitstellen, um hinreichend vor Mastbrüchen zu schützen.
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c) Der Planfeststellungsbeschluss verletzt nicht die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnde Planungshoheit der Klägerin. Der 7. Senat hat dies in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 28. Februar 2013 dargelegt und dabei insbesondere das Gebiet des Bebauungsplans Nr. 653 in den Blick genommen (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 23). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Die Klägerin ist ihr in der mündlichen Verhandlung nicht mehr entgegengetreten.
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d) Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 1 Abs. 1 EnLAG i.V.m. der Anlage sowie § 43 Abs. 1 Nr. 1 EnWG die von der Klägerin geforderte Führung als Erdkabel ausschließt. Der Planfeststellungsbeschluss hat sich jedenfalls ohne Abwägungsfehler gegen diese Alternative ausgesprochen (Beschluss vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 32 f.).
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Er hat die Vor- und Nachteile einer Freileitung und eines Erdkabels in den Blick genommen, gewürdigt und der Ausführung als Freileitung in Übereinstimmung mit dem von der Klägerin beauftragten Gutachter den Vorrang eingeräumt. Störungen seien bei Freileitungen besser beherrschbar, der Reparaturaufwand geringer, die zu erwartende Lebensdauer höher und die Kosten erheblich niedriger. Ein Erdkabel entlaste zwar das Landschaftsbild, belaste aber die Schutzgüter Biotope, Boden und Wasser stärker. Das unterschiedliche Emissionsverhalten von Freileitung und Erdkabel sieht der Planfeststellungsbeschluss, misst ihm aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Diese Überlegungen genügen dem Abwägungsgebot.
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Die Einwände der Klägerin zeigen keinen im Ergebnis erheblichen Abwägungsfehler auf. Ob der Planfeststellungsbeschluss davon ausgehen durfte, dass bei Erdkabeln die technische Sicherheit im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG nicht gewährleistet ist, kann mangels Ergebnisrelevanz offen bleiben (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG). Denn die Abwägung des Beklagten wird gerade für den Fall angestellt, dass ein Erdkabel grundsätzlich planfeststellungsfähig ist und nicht von vornherein an rechtlichen Grenzen scheitert. Der Planfeststellungsbeschluss durfte auch - entgegen der Auffassung der Klägerin - die höhere Übertragungskapazität einer Freileitung berücksichtigen, da er diese nicht begrenzt. Welche Einwände die Klägerin gegen die Bewertung der Kabelübergabestation als nicht ganz unerhebliches Bauwerk erhebt, ist nicht erkennbar.
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Schließlich kann die Klägerin den Hinweis des Planfeststellungsbeschlusses auf die erheblichen Mehrkosten einer teilweisen Endverkabelung nicht entkräften. Es kommt dem Planfeststellungsbeschluss entscheidend auf die Mehrkosten an, nicht, jedenfalls nicht ergebnisrelevant (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG), auf die Frage des Investitionsbudgets. Ob die Mehrkosten ins Verhältnis zu den Gesamtkosten oder zu denjenigen der jeweiligen Teilstrecke gesetzt werden, ist eine Frage der Darstellung, spielt für die Abwägungskontrolle aber keine Rolle (Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 44).
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines "Negativzeugnisses", wonach für die Erweiterung des sogenannten Vorfeldes A des Flughafens A. weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung erforderlich ist, sowie um die Verpflichtung des Beklagten, der Beigeladenen die Nutzung der - inzwischen fertig gestellten und in Betrieb genommenen - erweiterten Vorfeldfläche bis zum Abschluss eines luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens zu untersagen.
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Die Kläger sind Eigentümer selbst bewohnter Hausgrundstücke, die sich in etwa einem Kilometer Entfernung zum Flughafen A. befinden. Das Grundstück der Klägerin zu 2 liegt zudem in der Nacht-Schutzzone nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG.
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Nach Durchführung eines wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens bei der Stadt A. zeigte die Beigeladene die geplante Vorfelderweiterung nach § 41 Abs. 1 LuftVZO luftverkehrsrechtlich an. Mit einem als Negativzeugnis bezeichneten Bescheid vom 26. April 2007 teilte das Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden Ministerium) der Beigeladenen mit, die Prüfung ihrer Anzeige habe ergeben, dass eine Planfeststellung und eine Plangenehmigung nicht erforderlich seien, weil das Vorhaben eine unwesentliche Erweiterung der Flughafenanlage darstelle. Den Antrag der Kläger, für den Ausbau des Vorfeldes A auf dem Flughafen der Beigeladenen die Erforderlichkeit eines Planfeststellungsverfahrens mit Umweltverträglichkeitsprüfung festzustellen und die im November 2007 aufgenommene Nutzung der Erweiterung des Vorfeldes A bis zum Abschluss des luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens zu untersagen, lehnte das Ministerium mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 ab.
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Das Oberverwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit die Kläger die Aufhebung des Negativzeugnisses vom 26. April 2007 beantragt haben, und die Klage abgewiesen, soweit die Kläger beantragt haben, den Beklagten zu verpflichten, der Beigeladenen die Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. bis zum Abschluss eines luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens und einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu untersagen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage gegen das Negativzeugnis sei zulässig. Bei dem Negativzeugnis handle es sich um einen für einen Dritten anfechtbaren Verwaltungsakt. Auch seien die Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Eine (mögliche) Verletzung subjektiver Rechte liege danach u.a. dann vor, wenn einem Drittbetroffenen die planerische Abwägung seiner dem Vorhaben entgegenstehenden Belange wegen der fehlerhaften Wahl der Verfahrensart versagt geblieben sei. Materiell-rechtlicher Anknüpfungspunkt sei insofern die (drittschützende) Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 LuftVG. Der in der Norm verwendete Begriff "beeinträchtigt" sei - wie bisher - im Sinne von "beeinflusst" auszulegen. Eine solche Beeinflussung sei bereits dann gegeben, wenn Belange anderer in mehr als nur unerheblicher, also abwägungsrelevanter Weise berührt würden. Das sei hier der Fall. Als in der Nachbarschaft oder im Einwirkungsbereich des Flughafens wohnende Personen könnten die Kläger jeweils als eigenen Belang geltend machen, von den Lärmauswirkungen des Erweiterungsvorhabens betroffen zu sein. Darauf, dass nach der Schalluntersuchung die - unstreitig zu erwartende - Lärmsteigerung im Bereich des Abwägungsunerheblichen liegen möge, könne hier nicht entscheidend abgestellt werden, weil die Schalluntersuchung und das ergänzende Gutachten, das die Beigeladene während des Gerichtsverfahrens beigebracht habe, auf einer fehlerhaften Verkehrsprognose beruhten. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die verfahrensgegenständliche Erweiterungsmaßnahme zu abwägungserheblichen Erhöhungen der Lärmbelastung der Kläger komme. Die Klage sei auch begründet. Für die Erweiterung des Vorfelds A bestehe eine Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung der Umweltverträglichkeit nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG. Diese sei - wegen der nicht plausiblen Bewertung der Lärmbelastung der Kläger - fehlerhaft. Hierauf könnten sich die Kläger gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 UmwRG berufen. Einer eigenen Rechtsverletzung bedürfe es insofern nicht. Die Klage auf Nutzungsuntersagung sei dagegen unzulässig. Den Klägern fehle insofern die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Diese ergebe sich weder aus dem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch noch aus § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 LuftVG, weil eine (mögliche) Rechtsverletzung hier noch nicht einmal ansatzweise erkennbar sei. Auf das subjektive Recht der Kläger auf abwägende Berücksichtigung ihrer Belange könne nicht abgestellt werden, weil ihm mit der beantragten Nutzungsuntersagung nicht Rechnung getragen würde oder werden könnte. Eine abwägungsfehlerhafte Verkürzung von Lärmschutzbelangen führe in der Regel nicht zur Blockierung des Vorhabens, weil den Lärmschutzbelangen durch Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, insbesondere in Gestalt von Lärmschutzauflagen, Rechnung getragen werden könne. Auch für eine Verletzung des Rechts der Kläger auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) fehle es an Anhaltspunkten. Schließlich ergebe sich auch aus europäischem Recht keine Klagebefugnis.
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Die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision haben die Beteiligten eingelegt, soweit sie jeweils unterlegen sind.
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Beklagter und Beigeladene sind der Meinung, die Klage sei bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Sie tragen vor, bei dem Negativzeugnis handele es sich um keine Entscheidung, die von einem Dritten angefochten werden könne. Sie weise keinerlei planungsrechtlichen Gehalt auf. Es handele sich vielmehr um eine Verfügung des Aufsichtsrechts nach den §§ 41, 47 LuftVZO. Unabhängig davon seien die Kläger jedenfalls nicht klagebefugt. Einen Anspruch auf die Durchführung des richtigen Verfahrens, namentlich eines Planfeststellungsverfahrens, gebe es nicht. Auch aus dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung ergäben sich keine einklagbaren Rechte Dritter. Schließlich lasse sich die Klagebefugnis auch nicht aus § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG herleiten; denn die Norm stelle auf eine Rechtsbeeinträchtigung und nicht auf eine bloße Rechtsbeeinflussung ab. Eine Beeinträchtigung von Rechten anderer sei aber nur dann gegeben, wenn ein direkter Zugriff auf fremde Rechte erfolge. Das sei hier nicht der Fall. Diese gesetzgeberische Entscheidung sei zu respektieren. Eine Klagebefugnis aus anderen Gründen sei nicht erkennbar.
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Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet. So habe das Oberverwaltungsgericht bereits verkannt, dass hier kein Vorhaben i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UVPG vorliege. Denn die verfahrensgegenständlichen Maßnahmen am Flughafen seien von den bisher erteilten Genehmigungen gedeckt. Das folge (auch) aus § 71 Abs. 2 LuftVG. Die UVP-Vorprüfung weise zudem weder Ermittlungsfehler noch Ermittlungsdefizite auf. Unabhängig davon verstoße die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, das Ergebnis der UVP-Vorprüfung sei nicht nachvollziehbar, gegen § 3a Satz 4 UVPG, weil das Gericht die Anforderungen an deren Überprüfung überspannt habe.
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Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht die Klage auf Nutzungsuntersagung abgewiesen. Es habe die Anforderungen an die Klagebefugnis verkannt. Diese folge auch insoweit aus dem klägerischen Anspruch auf gerechte Abwägung ihrer Lärmschutzbelange. § 42 Abs. 2 VwGO i.V.m. dem allgemeinen (Vollzugs-)Folgenbeseitigungsanspruch und § 29 Abs. 1 LuftVG seien zudem dahingehend auszulegen, dass eine Verletzung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorgaben des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und der sog. UVP-Richtlinie zugleich eine die Klagebefugnis begründende Rechtsverletzung zumindest der - wie die Kläger - qualifiziert in ihren Rechten Betroffenen vermittele. Hieraus resultiere auch ein Anspruch auf Nutzungsuntersagung der Vorfelderweiterung zugunsten der Kläger.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen von Beklagtem und Beigeladener sind unbegründet (1.). Auf die Revision der Kläger war das angefochtene Urteil zu ändern und der Beklagte antragsgemäß zu verpflichten, die Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. bis zur luftverkehrsrechtlichen Zulassung der Ausbaumaßnahme gegenüber der Beigeladenen zu untersagen (2.).
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1. a) Die Klage gegen die Unterbleibensentscheidung ("Negativzeugnis") vom 26. April 2007 ist zulässig. Sie ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft (aa), und die Kläger besitzen die hierfür erforderliche Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (bb).
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aa) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 3 des Luftverkehrsgesetzes - LuftVG - einen - auch für einen Dritten anfechtbaren - Verwaltungsakt darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - BVerwGE 115, 158 <163> = juris Rn. 60; ferner Urteile vom 8. Oktober 1976 - 7 C 24.73 - Buchholz 442.01 § 28 PBefG Nr. 3 zum Personenbeförderungsrecht und vom 15. Januar 1982 - 4 C 26.78 - BVerwGE 64, 325 = juris Rn. 21 zum Fernstraßenrecht). Hieran ist festzuhalten. So hat der 7. Senat die Verwaltungsakteigenschaft einer Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - wiederholt bejaht (BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2010 - 7 C 2.10 - Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 8 Rn. 21 und vom 7. August 2012 - 7 C 7.11 - Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 9 Rn. 13). Für die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG kann nichts anderes gelten, zumal diese - anders als die Freistellungserklärung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG - zusätzlich eine entsprechende Ermessensausübung durch die Planfeststellungsbehörde erfordert. Hiervon geht offenbar auch das Ministerium aus, denn es hat seiner Unterbleibensentscheidung Nebenbestimmungen in Form von zwei Auflagen und einem Auflagenvorbehalt beigefügt, die auf § 36 Abs. 2 Nr. 4 und 5 VwVfG NW gestützt wurden.
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Der Regelungsgehalt einer Entscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG besteht dabei zum einen in der Feststellung, dass es sich um eine Änderung/Erweiterung eines Flughafens handelt (i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG), die jedoch i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 bis 3 LuftVG von unwesentlicher Bedeutung ist, zum anderen in dem auf pflichtgemäßer Ermessensausübung beruhenden Verzicht der Behörde auf die Durchführung eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens sowie der hiermit verbundenen Freigabe der Maßnahme nach Luftverkehrsrecht. Die Entscheidung ergeht gegenüber dem Vorhabenträger (Anzeigender i.S.v. § 41 Abs. 1 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung - LuftVZO -) und besitzt damit Außenwirkung. Da nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG ein Fall von unwesentlicher Bedeutung nur dann vorliegt, wenn Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden, wirkt die Unterbleibensentscheidung auch gegenüber Dritten. Denn aufgrund dieser Entscheidung muss weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung und damit auch keine gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG umfassende Abwägung aller von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange erfolgen.
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bb) Die Kläger sind gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Es erscheint zumindest möglich, dass sie durch die Unterbleibensentscheidung in ihren durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geschützten Rechten verletzt werden.
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Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Ist der Kläger nicht Adressat eines Verwaltungsakts, sondern lediglich als Dritter betroffen, so ist für seine Klagebefugnis erforderlich, dass er die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt ist (stRspr; vgl. BVerwG, etwa Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 Rn. 14), und die Verletzung dieser Norm zumindest möglich erscheint. Eine Anfechtungsklage ist nur dann nach § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 - 11 C 17.93 - BVerwGE 95, 333 <334 f.>). Die insoweit an den klägerischen Sachvortrag zu stellenden Anforderungen dürfen - mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG - dabei nicht überspannt werden (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 = juris Rn. 41).
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Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG a. F. drittschützend ist (BVerwG, Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - BVerwGE 115, 158 = juris Rn. 27). Auch in der jetzigen Fassung ist die Vorschrift drittschützend, weil - trotz der durch das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2833) erfolgten Änderung (Ersetzung des Begriffs "beeinflusst" durch den Begriff "beeinträchtigt") - sich die von § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geforderte "Berücksichtigung von Rechten Dritter" nicht auf den direkten Zugriff auf Rechte beschränkt, sondern - nach wie vor - im Sinne einer "Beeinflussung der Rechte Dritter" zu verstehen ist; die Norm erfasst damit auch Drittbelange, die in mehr als unerheblicher, mithin abwägungsrelevanter Weise (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG ) berührt werden (in diese Richtung bereits BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 4 B 66.08 - juris Rn. 8 unter Verweis auf das Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - a.a.O. S. 164). Dies folgt aus einer an Wortlaut, Sinn und Zweck und der Systematik ausgerichteten Auslegung.
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§ 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG formuliert in seinem 1. Halbsatz dahingehend, dass "Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden". Diese Formulierung lehnt sich wohl an § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 1 LuftVG an (dort heißt es "Rechte anderer nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden"), so dass hieraus gefolgert werden könnte, dass mit den Formulierungen das Gleiche gemeint ist. Ein solches Verständnis ließe jedoch den jeweiligen Halbsatz 2 der Regelungen unberücksichtigt, der Rückschlüsse auf die Reichweite der "Rechte anderer" zulässt. Während § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG zum Inhalt hat, dass "die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben", heißt es in § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG lediglich, dass "mit den vom Plan Betroffenen entsprechende Vereinbarungen getroffen werden". § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG rechtfertigt somit den Schluss, dass "Rechte anderer" i.S.d. Halbsatzes 1 nur solche sein können, auf die durch ein Vorhaben unmittelbar zugegriffen werden soll. Zu einem solchen Schluss zwingt § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG mit seiner offeneren Formulierung von den "entsprechenden Vereinbarungen" jedoch nicht. Vielmehr rechtfertigt er die Annahme, dass die in Halbsatz 1 angesprochenen Rechte anderer weiter zu fassen sind (mithin in Richtung auf die abwägungserheblichen Belange i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG) als die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 genannten.
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Auch die Systematik, die § 8 LuftVG zugrunde liegt, spricht für diese Auslegung. In § 8 LuftVG ist die Genehmigungsbedürftigkeit u.a. von Änderungen an bestehenden Flughäfen normiert. Die Vorschrift stellt dabei eine gewisse Rangfolge in Bezug auf die durchzuführenden Genehmigungsverfahren auf. Grundsätzlich ist für die Änderung von Flughäfen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG ein Planfeststellungsverfahren erforderlich. In bestimmten Fällen kann unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 LuftVG von einer Planfeststellung abgesehen und nur eine Plangenehmigung erteilt werden. Im Sonderfall der unwesentlichen Änderung kann nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG auch eine Unterbleibensentscheidung ergehen, mit der Folge, dass dann weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung erforderlich sind. Insbesondere der Vergleich zwischen den Regelungen in § 8 Abs. 2 Satz 1 und § 8 Abs. 3 Satz 2 LuftVG belegt, dass bei einer identischen Auslegung der Wörter "Rechte anderer nicht beeinträchtigt" die Voraussetzungen für eine Plangenehmigung oder eine Unterbleibensentscheidung weitgehend angeglichen würden. Die in § 8 Abs. 1 bis 3 LuftVG angelegte Stufenfolge würde hierdurch infrage gestellt. Wird dagegen die Formulierung in § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG in einem über den direkten Zugriff auf Rechte anderer hinausgehenden Sinne verstanden, bleibt das Stufenverhältnis der einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen gewahrt. Es kommt hinzu, dass sowohl die Planfeststellung als auch die Plangenehmigung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG das Ergebnis einer sämtliche durch das Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange Rechnung tragenden Abwägung sein müssen; eine solche Abwägung ist im Rahmen einer Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG nicht vorgesehen. Der Stufenfolge des § 8 LuftVG liegt damit der Gedanke zugrunde, nur solche Vorhaben von einer Planfeststellung/Plangenehmigung auszunehmen, deren Zulassung gerade keiner planerischen Abwägungsentscheidung bedarf. Diese Systematik ist aber nur dann gewahrt, wenn § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG in einem weiten Sinne verstanden wird, weil andernfalls durch die Unterbleibensentscheidung abwägungserhebliche Belange Dritter im luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahren ausgeblendet werden könnten.
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§ 8 Abs. 3 LuftVG dient ersichtlich der Verfahrensvereinfachung und der Verfahrensbeschleunigung für unwesentliche (= „einfache“) Änderungen/Erweiterungen eines Flughafens. Diese sollen in einem möglichst unkomplizierten Verfahren, insbesondere ohne eine sie rechtfertigende (umfassende) Abwägungsentscheidung, "zugelassen" und anschließend rasch verwirklicht werden können. Die Norm hat nicht den Zweck, die Genehmigungsbehörde von einer etwa erforderlichen Berücksichtigung abwägungserheblicher Belange Dritter freizustellen oder solche Belange abzuschneiden. Wo solche (schutzwürdigen, nicht geringwertigen und nicht makelbehafteten) Belange berührt werden, ist die Unterbleibensentscheidung nach deren Sinn und Zweck nicht das richtige Instrument zur Vorhabenfreigabe. Es bedarf dann vielmehr einer Planfeststellung/Plangenehmigung. Der hinter § 8 Abs. 3 LuftVG stehende Zweck würde verfehlt, wenn § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LuftVG auf die Fälle des direkten Zugriffs auf Rechte Dritter beschränkt würde.
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Die Kläger haben hinreichend substantiiert vorgetragen, dass eine Verletzung ihrer durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geschützten abwägungserheblichen Belange aufgrund der ungeklärten Lärmauswirkungen der umstrittenen Maßnahme zumindest möglich erscheint. Die klägerischen Grundstücke liegen etwas über einen Kilometer vom Flughafen A. entfernt. Das Grundstück der Klägerin zu 2 liegt zudem in der Nacht-Schutzzone nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - FlugLärmG -. Die Erweiterung des Vorfeldes A sowie die weiteren hiermit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen erfolgen in Richtung auf ihr Grundstück. Nach dem von der Beigeladenen vorgelegten Gutachten der B. GmbH vom 23. Januar 2007 bedingt die Maßnahme eine Erhöhung der Lärmbelastung der Kläger, weil die Erweiterung zu einer Zunahme der Bewegungen auf dem Vorfeld A führt. Zwar kommt die B. GmbH zu dem Ergebnis, dass durch die Vorfelderweiterung lediglich mit einer Erhöhung des Lärmpegels um 0,5 dB(A) zu rechnen sei. Die Kläger haben diese Aussage sowie die Lärmbegutachtung aber unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts substantiiert in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund lässt sich dem Lärmschutzinteresse der Kläger nicht von vornherein jegliche Relevanz absprechen. Ob diesem Gesichtspunkt im konkreten Fall die Bedeutung zukommt, die ihm die Kläger beimessen, ist der Prüfung im Rahmen der Begründetheit vorzubehalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3 S. 25 = juris Rn. 20).
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b) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht von der Begründetheit der Klage ausgegangen.
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aa) Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, das Negativzeugnis sei rechtswidrig, weil eine Pflicht zur Durchführung einer UVP-Vorprüfung bestehe und die angestellte UVP-Vorprüfung aufgrund von Ermittlungsdefiziten im Ergebnis nicht nachvollziehbar sei (UA S. 21), verstößt nicht gegen revisibles Recht.
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(1) Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, für die Erweiterung des Vorfeldes A bestehe eine Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG -, denn hierbei handele es sich um die Erweiterung eines UVP-pflichtigen Vorhabens, die nicht von einer bestandskräftigen förmlichen Zulassungsentscheidung gedeckt sei (UA S. 22 f.). Das steht mit Bundesrecht im Einklang.
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Nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) - auch - für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn eine Vorprüfung des Einzelfalles i.S.v. § 3c Satz 1 und 3 UVPG ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Die Frage, ob es sich um eine Änderung oder Erweiterung im Sinne der Vorschrift handelt, beurteilt sich dabei nach materiellem Recht, vorliegend mithin nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG (Rathgeb, in: Giemulla/Schmid, LuftVG, Loseblatt Stand Oktober 2014, § 8 Rn. 18). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Änderung eines Flughafens vorliegt, wenn das Vorhaben vom Regelungsgehalt einer bestandskräftigen früheren Zulassungsentscheidung nicht mehr gedeckt ist; schon Zugelassenes bedarf nicht erneut einer Zulassung (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 - 4 C 16.04 - BVerwGE 127, 208 Rn. 31; Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 4 B 75.03 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 14 S. 9 f. = juris Rn. 16). Bezugspunkt und Maßstab für das Vorliegen einer Änderung ist mithin der bisherige Gestattungszustand (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149,17 Rn. 14). Insoweit ist der Begriff der Änderung in § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 LuftVG fachplanungsrechtlich determiniert (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 a.a.O. Rn. 31).
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Das Oberverwaltungsgericht hat sich im angefochtenen Urteil ausführlich mit der Genehmigungslage des Flughafens A. befasst (UA S. 23 bis 30) und ist in Auslegung der vorhandenen Genehmigungen zum Ergebnis gelangt, dass diese die Erweiterung des Vorfeldes A nicht abdecken. Der tatrichterlich ermittelte Inhalt der Genehmigungen ist als Tatsachenfeststellung i.S.d. § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <280>), weil weder der Beklagte noch die Beigeladene innerhalb der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine Verfahrensrüge erhoben haben, sondern sich darauf beschränken, der vorinstanzlichen Auslegung der Genehmigungen ihre eigene, davon abweichende Auslegung gegenüber zu stellen.
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Ist danach von einer Änderung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG auszugehen, so liegt damit auch eine Änderung i.S.v. § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG vor. Da gemäß § 3b Abs. 1 i.V.m. Nr. 14.12.1 der Anlage 1 UVPG (in der hier maßgeblichen Fassung zum 26. April 2007) der Bau eines Flugplatzes im Sinne der Begriffsbestimmungen des Abkommens von Chicago von 1944 zur Errichtung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation mit einer Start- und Landebahngrundlänge von - wie hier - 1 500 m oder mehr UVP-pflichtig ist, folgt hieraus, dass die Vorfelderweiterung einer UVP-Vorprüfung bedurfte.
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(2) Das Oberverwaltungsgericht hat ferner angenommen, dass die UVP-Vorprüfung durch den Beklagten nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG entspreche. Auch das lässt einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen.
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Nach § 3a Satz 4 UVPG ist, wenn die Feststellung, dass eine UVP unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG beruht, die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist.
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Gemäß § 3c Satz 1 UVPG muss die zuständige Behörde einschätzen, ob das Vorhaben aufgrund überschlägiger Prüfung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Nach § 3c Satz 3 UVPG ist bei der Vorprüfung auch zu berücksichtigen, inwieweit durch die vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen Umweltauswirkungen offensichtlich ausgeschlossen werden. Erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen, die die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen, liegen nicht erst dann vor, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 34, vom 16. Oktober 2008 - 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 32 und vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 37). Eine Umweltverträglichkeitsprüfung muss vielmehr durchgeführt werden, wenn Umweltauswirkungen bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht.
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Die Planfeststellungsbehörde darf im Rahmen der Vorprüfung nicht bereits mit einer der Umweltverträglichkeitsprüfung vergleichbaren Prüftiefe "durchermitteln" und damit unzulässigerweise die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung unter Missachtung der für diese obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen; sie ist vielmehr auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 35 und vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 25). Andererseits darf sich die Vorprüfung nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen. Hierzu zählen auch vom Vorhabenträger eingeholte Fachgutachten, die gegebenenfalls durch zusätzliche Ermittlungen der Planfeststellungsbehörde ergänzt werden können (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 25). Bei der Frage, welche Unterlagen und Informationen als geeignete Grundlage einer überschlägigen Prüfung benötigt werden, kommt der Behörde ein Einschätzungsspielraum zu (BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2006 - 4 C 16.04 - BVerwGE 127, 208 Rn. 49 und vom 20. August 2008 a.a.O.).
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Die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Beurteilung zur UVP-Pflichtigkeit unterliegt nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Zu untersuchen ist, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist (BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 24 und vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 - UPR 2014, 444 Rn. 16). Dementsprechend muss eine Vorprüfung überhaupt stattgefunden haben, und das Ergebnis der Vorprüfung darf keine Rechtsfehler aufweisen, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Diese Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle verdeutlicht, dass der Planfeststellungsbehörde für ihre prognostische Beurteilung möglicher Umweltauswirkungen des Vorhabens ein Einschätzungsspielraum zusteht (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29). Gefordert ist eine Plausibilitätskontrolle, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29). Dies bedeutet zugleich, dass nachträglich gewonnene Erkenntnisse, die die Auswirkungen in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten, für die Tragfähigkeit des Prüfergebnisses und damit der verfahrenslenkenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht maßgeblich sein können (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29).
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Das Oberverwaltungsgericht hat vorliegend beanstandet, dass die Lärmauswirkungen, die mit der Nutzung des erweiterten Vorfeldes A verbunden sind, nicht auf der Grundlage einer realistischen Verkehrsprognose ermittelt und beurteilt worden seien. Das gelte namentlich für den Bodenlärm und für die Schalluntersuchung. Das Gutachten zur Kapazitätsveränderung durch ein erweitertes Vorfeld A am Flughafen A. vom Dezember 2006 der C. GmbH (C.-Gutachten) habe insofern unzutreffend auf die Flugbewegungen eines typischen Tages des Jahres 2005 und der sechs verkehrsreichsten Monate des Jahres 2005 abgestellt, anstatt von einem zu einem bestimmten Prognosezeitpunkt zu erwartenden Flugbewegungsaufkommen auszugehen. Das gelte auch für die hierauf aufbauende schalltechnische Untersuchung der B. GmbH vom Januar 2007 (UA S. 33 f.). Die Abschätzung des Bodenlärms sei daher aufgrund eines falschen Ansatzes oder Maßstabes unbrauchbar. Die Ergebnisrelevanz dieses Fehlers sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen in Gestalt von (erheblichem) Bodenlärm aus anderen Gründen offensichtlich nicht zu erwarten seien, denn solche Gründe seien nicht gegeben. Diese Ausführungen lassen einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen. Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sowohl das C.-Gutachten als auch die Lärmbegutachtung durch die B. GmbH nicht geeignet waren, die Unbeachtlichkeit der Lärmerhöhung durch die Erweiterungsmaßnahme in Richtung auf die klägerischen Wohngebäude zu belegen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist für die Lärmberechnung auf das tatsächliche Verkehrsaufkommen abzustellen, das in einem überschaubaren Zeitraum zu erwarten ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 - 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13, vom 3. März 1999 - 11 A 9.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 26 und vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 354; Beschluss vom 7. Februar 2001 - 11 B 61.00 - ZLW 2001, 455). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) fehlt es vorliegend an einer dieser Anforderung entsprechenden in die Zukunft gerichteten Verkehrsprognose zum Zeitpunkt des Erlasses der Unterbleibensentscheidung. Damit ist das Ergebnis der UVP-Vorprüfung, wonach es keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, nicht plausibel begründet.
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Dass das C.-Gutachten und das Gutachten der B. GmbH unzureichend waren, räumt letztlich auch der Beklagte ein. Er vertritt allerdings die Auffassung, die Mängel seien durch das auf Anforderung des Oberverwaltungsgerichts nachgereichte C.-Gutachten vom Juli 2012 geheilt worden. Eine solche Heilung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zulässig. Dem ist schon deshalb nicht zu folgen, weil das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass auch das nachgereichte Gutachten fehlerhaft ist. Zudem habe der Beklagte seine Bodenlärmbeurteilung aus Anlass der C.-Darstellung nicht ergänzt. Damit sei keine Heilung der Fehler bei der Beurteilung des Bodenlärms eingetreten (UA S. 38). Hieran ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da diese Feststellungen nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen worden sind.
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bb) Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht schließlich entschieden, dass sich die Kläger gemäß § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes - UmwRG - auf die fehlerhafte UVP-Vorprüfung berufen könnten, ohne dass es darüber hinaus der Feststellung einer Rechtsverletzung i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bedürfe.
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Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit u.a. eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 3 UVPG verlangt werden, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Anknüpfungspunkt für die Rechtsfolge einer Aufhebung der Zulassungsentscheidung ist mithin eine fehlerhaft unterbliebene UVP oder UVP-Vorprüfung. Diese Fehler sind erheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können, wie es § 46 VwVfG sonst voraussetzt. Die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG gilt in erster Linie für die umweltrechtliche Verbandsklage, ist aber gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO entsprechend anwendbar mit der Folge, dass die Verfahrensfehler auch insoweit unabhängig von den sonst geltenden einschränkenden Maßgaben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zur Begründetheit der Klage führen. Hieraus folgt, dass eine Genehmigungsentscheidung, die ohne die hierfür erforderliche UVP oder UVP-Vorprüfung getroffen worden ist, auf die Klage eines gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugten Dritten nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwRG allein wegen dieses Fehlers aufzuheben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014 Rn. 10). Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG gilt das auch, wenn - wie hier - eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügt.
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Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz findet nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG auch Anwendung auf die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG. Denn nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UVPG sind Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben Bewilligung, Erlaubnis, Genehmigung, Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, mit Ausnahme von Anzeigeverfahren. Entscheidungen, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, sind dabei vor allem solche, die ein Verwaltungsverfahren i.S.d. § 9 VwVfG abschließen (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149, 17). Hierzu zählt auch die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG, weil sie ein Verwaltungsakt ist.
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2. Die Revision der Kläger ist dagegen erfolgreich. Ihre Klage ist zulässig (a) und begründet (b). Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist insofern mit Bundesrecht nicht vereinbar.
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a) Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, dass die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Untersagung der Nutzung der Erweiterung des Vorfeldes A unzulässig sei, weil den Klägern die nach § 42 Abs. 2 VwGO hierfür erforderliche Klagebefugnis fehle, trifft nicht zu.
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Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Verpflichtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein, und wenn nach seinem Vorbringen die Verletzung dieser Rechte möglich erscheint (vgl. oben). Da die Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 5 VwGO nur begründet ist, wenn ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes gegeben ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 - BVerwGE 77, 317 = juris Rn. 13), erfordert dies das Bestehen eines Rechtssatzes, der die Behörde zum Erlass dieses Verwaltungsaktes verpflichtet oder wenigstens ermächtigt und zugleich einen subjektiven Anspruch darauf gewährt sowie den jeweiligen Kläger in den Kreis der Berechtigten einbezieht (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1997 - 1 C 29.95 - BVerwGE 104, 115). Für die Klagebefugnis reicht es dabei aus, dass ein solcher Anspruch nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1991 - 4 C 23.88 - Buchholz 406.39 Denkmalschutzrecht Nr. 5; siehe auch BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2011 - 6 C 2.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 3 und vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 17, jeweils m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist es entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen, dass die Kläger einen Anspruch auf Erlass einer Nutzungsuntersagung oder wenigstens auf ermessensfehlerfreie Entscheidung haben.
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(1) Eine Rechtsgrundlage für das vom Beklagten verlangte aufsichtsbehördliche Einschreiten ist mit § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG vorhanden. Danach ist die Abwehr von betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt (Luftaufsicht) Aufgabe der Luftfahrtbehörden und der Flugsicherungsorganisation. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG um eine Norm, die sich auf das Gebot zur Gefahrenabwehr i.S.d. allgemeinen Polizeirechts beschränkt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 4 C 2.13 - juris Rn. 18). Schutzgut der Vorschrift ist, soweit es vorliegend darauf ankommt, die öffentliche Sicherheit. Sie umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, die Unversehrtheit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie Bestand und Funktionieren der Einrichtungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Eine Gefahr i.S.v. § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass ein Zustand oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für das Schutzgut führt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 a.a.O. Rn. 13). Hiervon ist etwa dann auszugehen, wenn ein Flughafen ohne die nach § 8 Abs. 1 und 2 LuftVG erforderliche Planfeststellung bzw. Plangenehmigung geändert wird und eine dies legitimierende Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG fehlt, z.B. weil diese auf den Rechtsbehelf eines Dritten hin aufgehoben worden ist. Ist eine solche Gefahr gegeben, dann kann die hierfür zuständige Behörde die erforderlichen Verfügungen erlassen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG). Bei einer formell illegalen Änderung eines Flughafens lässt sich auf diese Regelung u.a. die Befugnis stützen, die Nutzung der geänderten Anlagen zu untersagen und damit die Störung der Rechtsordnung zu unterbinden (in diese Richtung bereits BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 2001 - 11 VR 16.00 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 18 = juris Rn. 11).
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(2) § 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG stellt das Einschreiten in das Ermessen der zuständigen Behörden. Damit besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Einschreiten, sondern nur ein solcher auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Allein in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf Null kann sich dieser Anspruch zu einem Rechtsanspruch verdichten. Nicht anders als in anderen Gebieten des öffentlichen Rechts, namentlich im öffentlichen Baurecht setzen sowohl der Anspruch auf Einschreiten als auch der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung voraus, dass der Dritte durch die formell illegale Anlage in seinen Rechten verletzt wird. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei geklärt, dass sich der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz grundsätzlich nur aus Rechtsvorschriften ableiten lässt, die das individuell geschützte private Interesse, die Art seiner Verletzung und den Kreis der unmittelbar geschützten Personen hinreichend deutlich klarstellen und abgrenzen (stRspr, vgl. BVerwG, etwa Urteil vom 20. Oktober 1972 - 4 C 107.67 - BVerwGE 41, 58 <63> = juris Rn. 18). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 - BVerwGE 52, 122). Er wird für die Kläger durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG vermittelt. Es erscheint zumindest möglich, dass die Kläger durch die Weigerung des Beklagten, die Nutzung des erweiterten Vorfeldes A vorläufig zu unterbinden, in ihrem Recht auf Abwägung ihrer Lärmschutzbelange verletzt sind. Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, mit der beantragten Nutzungsuntersagung könne der Rechtsverletzung nicht begegnet werden, ist unzutreffend. Zwar führt eine abwägungsfehlerhafte Nichtberücksichtigung oder Zurücksetzung von Lärmschutzbelangen in der Regel dazu, dass der Betroffene im Wege der Verpflichtungsklage auf eine Vervollständigung der Lärmschutzkonzeption zu seinen Gunsten dringen muss (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 290). Das bedeutet aber nicht, dass er das Vorhaben nicht, wie mit der Nutzungsuntersagung angestrebt, bis zur Fehlerbehebung blockieren könnte. Solange die Lärmschutzkonzeption defizitär ist, muss nämlich die beanstandete Nutzung einer Verkehrsfläche unterbleiben (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 290 und vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 77).
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b) Die Klage ist begründet. Der Senat kann die beantragte Verpflichtung des Beklagten selbst aussprechen, da die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts für diese Beurteilung ausreichend sind und die Sache spruchreif ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
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Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 29 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG und § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG auf Untersagung der Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. gegenüber der Beigeladenen bis zur luftverkehrsrechtlichen Zulassung der Ausbaumaßnahme. Der dem widersprechende Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 war daher aufzuheben.
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aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 LuftVG liegen vor, weil die Vorfelderweiterung formell illegal ist.
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bb) Das dem Beklagten eröffnete Ermessen ist vorliegend zugunsten der Kläger dahingehend reduziert, dass der Beklagte gegen die nicht genehmigte Nutzung der Vorfelderweiterung durch die Beigeladene einschreiten muss. Ein Nutzungsverbot ist zwingende Konsequenz daraus, dass die Unterbleibensentscheidung vom Oberverwaltungsgericht - zu Recht - aufgehoben wurde, weil die UVP-Vorprüfung fehlerhaft durchgeführt worden ist, und die Kläger sich hierauf über § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG berufen können. Mit § 4 Abs. 3 UmwRG wollte der Gesetzgeber (vgl. BT-Drs. 16/2495 S.14) der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 - C-201/02 - [ECLI:EU:C:2004:12], Wells - Rn. 54 ff.) Rechnung tragen, der das fehlerhafte Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung vor Genehmigungserteilung als wesentlichen Verfahrensfehler behandelt hat, auf den sich der von der Genehmigung Betroffene ohne Weiteres berufen könne. Der Europäische Gerichtshof betont überdies in ständiger Rechtsprechung, dass ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes Gericht in der Lage sein müsse, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen (EuGH, Urteile vom 19. Juni 1990 - C-213/89 [ECLI:EU:C:1990:257], Factortame u.a. - Rn. 21, vom 13. März 2007 - C-432/05 [ECLI:EU:C:2007:163], Unibet - Rn. 67 und vom 15. Januar 2013 - C-416/10 [ECLI:EU:C:2013:8], Krizan u.a. - Rn. 107). Diese Ausführungen stehen zwar im Zusammenhang mit der Frage, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit bestehen muss, den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erreichen, mit der die Vollziehung einer Genehmigung bis zum Erlass der Endentscheidung (des Gerichts) vorübergehend ausgesetzt werden kann. Die Grundsätze müssen aber erst recht gelten, wenn eine entsprechende Genehmigung nach der Inswerksetzung des Vorhabens durch Urteil aufgehoben wurde, weil die für das Vorhaben erforderliche UVP-Vorprüfung fehlerhaft durchgeführt wurde und offen ist, ob das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf und zugelassen werden kann. Es kommt ein weiteres hinzu: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten gemäß dem (jetzt) in Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union - EUV - enthaltenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - C-6/90 und C-9/90 [ECLI:EU:C:1991:428], Francovich u.a. - Rn. 36). Eine solche Verpflichtung obliegt jeder Behörde des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen ihrer Zuständigkeiten (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 a.a.O. Rn. 64 m.w.N.). Begrenzt durch den Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, sind derartige Maßnahmen beispielsweise die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung zu dem Zweck, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 a.a.O. Rn. 65).
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Vor diesem Hintergrund sieht der Senat für Fälle wie den vorliegenden in § 4 Abs. 3 UmwRG eine Regelung, die das behördliche Ermessen in Bezug auf ein luftaufsichtsrechtliches Einschreiten dahingehend steuert, dass zugunsten der unter den Schutzbereich des § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG fallenden Nachbarschaft in der Regel eingeschritten werden muss. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Überlegung, dass ansonsten eine nicht zu rechtfertigende Rechtsschutzlücke entstünde. Der vorliegende Fall belegt dies anschaulich. Die Kläger sind zwar mit ihrer Klage gegen die Unterbleibensentscheidung durchgedrungen, vor dem Oberverwaltungsgericht mit dem Begehren auf Nutzungsuntersagung jedoch gescheitert. Solange der Beklagte bei dieser Sachlage nicht aus eigenem Entschluss gegen die Nutzung der Vorfelderweiterung durch die Beigeladene einschreitet, ändert sich faktisch für die Kläger nichts. Damit würde § 4 Abs. 3 UmwRG in der Sache leerlaufen. Das widerspricht nicht nur Unionsrecht (Effektivitätsgrundsatz), sondern auch Art. 19 Abs. 4 GG.
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Es mag Fallgestaltungen geben, in welchen ausnahmsweise unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von einer Nutzungsuntersagung eines wegen Verstoßes gegen die UVP-Vorprüfungspflicht formell illegalen Vorhabens abzusehen ist. Das bedarf aber keiner Vertiefung, weil für einen solchen Fall hier keine Anhaltspunkte bestehen und von der Beigeladenen auch nicht geltend gemacht worden sind.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO, bezüglich der Beigeladenen auch auf § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich gegen einen wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss des beklagten Landes, der die Errichtung der Wasserrückhaltung W./A./N. zum Gegenstand hat. Die geplante Hochwasserrückhaltung hat eine Fläche von ca. 327 ha und soll in einem früheren Überschwemmungsgebiet des Rheins gebaut werden. Das Vorhaben umfasst die Errichtung eines Rückhalteraums, der aus zwei getrennten Teilen besteht. Der ungesteuerte Teil (Rückhaltevolumen ca. 1,2 Mio. m³) soll in Abhängigkeit von den Rheinwasserständen regelmäßig überschwemmt und an die natürliche Dynamik des Rheins angeschlossen werden. Der gesteuerte Teil des Rückhalteraums (Rückhaltevolumen ca. 7,8 Mio. m³) soll bei extremen Hochwasserereignissen geflutet werden, um Überflutungen in Siedlungs-, Gewerbe- und Infrastrukturflächen der Rheinniederung zu verhindern. Im Zusammenhang mit der Errichtung der Rückhalteräume sind zahlreiche bauliche Maßnahmen vorgesehen. Von der Planung betroffen sind in erster Linie landwirtschaftlich genutzte Grundstücke und Waldflächen.
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Die Klägerin zu 1 ist die Gemeinde A., deren Gemeindegebiet zu etwa 12 % von den geplanten Rückhalteräumen erfasst wird.
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Die Klägerin zu 2 ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Obst und Gemüse anbaut und Eigentümerin und Pächterin von innerhalb der geplanten Rückhaltung gelegenen Flächen ist.
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Der Kläger zu 3 ist Eigentümer eines nahe der geplanten Hochwasserrückhaltung liegenden Wohngrundstücks und mehrerer - ebenfalls in der Nähe des Vorhabens liegender - Grundstücke in einem Naherholungsgebiet, die für einen Campingplatz genutzt werden.
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Mit Schreiben vom 31. Januar 2002 beantragte die Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Bodenschutz - Neubaugruppe Hochwasserschutz Oberrhein - der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd des beklagten Landes als Träger des Vorhabens bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd als Oberer Wasserbehörde die Feststellung des Plans für den Bau der Hochwasserrückhaltung.
- 6
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Der Plan wurde mit Beschluss der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd vom 20. Juni 2006 festgestellt.
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Das Verwaltungsgericht wies die hiergegen gerichteten, von insgesamt sechs Klägern erhobenen Klagen ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kläger gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss leide nicht an rügefähigen Rechtsfehlern, die die Kläger in ihren Rechten verletzten. Die Kläger könnten sich weder auf mögliche Defizite der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung noch auf die Verletzung natur- und artenschutzrechtlicher Vorschriften berufen. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 3 könnten keine umfassende Planprüfung verlangen. Etwas anderes folge hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung auch nicht aus dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Denn dieses finde nach seinem § 5 nur für solche Verfahren Anwendung, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden seien. Hier sei das Planfeststellungsverfahren aber bereits im Jahr 2002 begonnen worden. Unionsrecht gebiete die Anwendung des Gesetzes nicht. Damit könne dahinstehen, ob sich zugunsten der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 aus § 4 Abs. 1 UmwRG ein Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses ergeben könne.
- 8
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Die Klägerin zu 2 sei zwar von einer enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses betroffen; sie könne sich aber nicht auf natur-, umwelt- und artenschutzrechtliche Belange berufen, weil deren Geltendmachung die materielle Verwirkungspräklusion des § 115 Abs. 1 Satz 2 LWG entgegenstehe. Diese Präklusion verstoße ebenfalls nicht gegen Unionsrecht.
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Die im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgenommene Ergänzung der Nebenbestimmung III Nr. 13.4 führe nicht dazu, dass ein neues Planfeststellungsverfahren durchzuführen gewesen sei. Die Planrechtfertigung sei mit dem Verwaltungsgericht zu bejahen. Auch stünden dem Vorhaben keine zwingenden Versagungsgründe nach § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG a.F. entgegen.
- 10
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Der Planfeststellungsbeschluss leide nicht an Abwägungsmängeln, die zu seiner Aufhebung führten. Das gelte zunächst für die Verwerfung der Standortalternative "H.". Die Abwägung sei auch nicht wegen des von den Klägern behaupteten unzumutbaren Risikos eines Deichbruchs zu beanstanden. Als Fluchtweg aus A. könne jedenfalls die Kreisstraße K 7 nach R. genutzt werden, auch wenn eine derartige Notumfahrung zu gewissen Engpässen führen werde. Dieser Gesichtspunkt lasse sich dem Planfeststellungsbeschluss nicht entnehmen, ein Abwägungsdefizit erscheine möglich. Ein solcher Mangel sei jedoch nicht im Sinne des § 114 Abs. 1 Nr. 1 LWG i.V.m. § 75 Abs. 1a VwVfG erheblich. Ebenso wenig sei ein Abwägungsfehler hinsichtlich der Gefahr von Druckwasser und eines erhöhten Grundwasseranstiegs ersichtlich.
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision tragen die Kläger im Wesentlichen vor: Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 3 seien mangels Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes nicht befugt, eine Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung geltend zu machen, sei mit Unionsrecht ebenso wenig zu vereinbaren wie seine Ansicht, dass die Klägerin zu 2 mit ihrem auf das Natur-, Artenschutz- und Umweltrecht bezogenen Vorbringen nach § 115 Abs. 1 Satz 2 LWG präkludiert sei. Das Berufungsurteil verstoße zudem gegen § 76 Abs. 1 VwVfG, weil die nachträgliche Ergänzung der Nebenbestimmung III Nr. 13.4 ein neues Planfeststellungsverfahren erfordert hätte, von dem nicht nach § 76 Abs. 2 VwVfG hätte abgesehen werden dürfen. Folge man der Auffassung des Berufungsgerichts, verstoße der Planfeststellungsbeschluss jedenfalls gegen § 37 Abs. 1 VwVfG; außerdem habe das Berufungsgericht insoweit Verfahrensrecht verletzt. Das Berufungsurteil stehe ferner mit § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG a.F. nicht in Einklang, weil eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwassergefahr für die Oberlieger am Standort des geplanten Polders vorliege. Soweit das Berufungsgericht die Abwägung als rechtmäßig erachtet habe, verstoße sein Urteil in mehrfacher Hinsicht gegen Bundesrecht. Das gelte im Hinblick auf die Gefahr eines Deichbruchs, die Überschwemmungsgefahr durch Qualmwasser und kumulierende Starkregenereignisse, die Problematik einer gesicherten Straßenanbindung der Klägerin zu 1 im Falle einer Flutung des Polders sowie die Auswahl des Standorts des Vorhabens. Das Berufungsgericht habe dabei nicht nur gegen § 75 Abs. 1a VwVfG und das Gebot gerechter Abwägung verstoßen, sondern auch den Untersuchungsgrundsatz und die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 und 2 VwGO) sowie den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
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Die Kläger beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. September 2007, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Februar 2009 und den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 20. Juni 2006 aufzuheben.
- 13
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Der Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren beteiligt und zu Fragen des Unionsrechts geäußert.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 10. Januar 2012 - 7 C 20.11 - das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union um die Klärung mehrerer Fragen zur Auslegung der Richtlinien 2003/35/EG und 85/337/EWG gebeten. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712] - über die Vorlage entschieden.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen revisibles Recht und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht in der Sache selbst entscheiden kann, ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. a) Einen Anspruch der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses aus § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG hat das Oberverwaltungsgericht verneint, weil das Gesetz nach § 5 Abs. 1 UmwRG auf Verfahren, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden seien, keine Anwendung finde. Diese Annahme steht mit revisiblem Recht nicht in Einklang.
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Die in der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. L 156 S. 17) vorgesehene Umsetzungsfrist bis zum 25. Juni 2005 ist dahin auszulegen, dass die Vorschriften des nationalen Rechts zur Umsetzung des Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175 S. 40) in der durch die Richtlinie 2003/35/EG geänderten Fassung auch für behördliche Genehmigungsverfahren gelten müssen, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden waren, in denen aber erst nach diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erteilt wurde. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union auf die Vorlage des Senats entschieden (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712], Gemeinde A. u.a.). Die Neukodifikation der Richtlinie 85/337/EWG durch die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 26 S. 1) hat hieran nichts geändert (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683], Kommission/Deutschland - Rn. 101 ff.). Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, welches der Umsetzung des Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG bzw. des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU dient, ist daher auf das vorliegende Verfahren anzuwenden. Das Planfeststellungsverfahren wurde bereits im Jahr 2002 eingeleitet; der Planfeststellungsbeschluss wurde aber erst am 20. Juni 2006 und damit nach dem 25. Juni 2005 erlassen.
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Auf die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an.
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b) Das Urteil erweist sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann nicht ausgeschlossen werden, dass den Klägern ein Anspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 UmwRG auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zusteht.
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aa) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung der Entscheidung nur verlangt werden, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (Nr. 1) oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit (Nr. 2) nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist. Diese Fehler sind erheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können (BVerwG, Urteile vom 2. Oktober 2013 - 9 A 23.12 - Buchholz 451.91 EuropUmwR Nr. 55 Rn. 21, vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 - BVerwGE 151, 138 Rn. 34). Im vorliegenden Fall ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden. Das steht einem Aufhebungsanspruch aus § 4 Abs. 1 UmwRG aber nicht von vornherein entgegen. Die Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes auf den Fall zu beschränken, dass die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung aufgrund des Unterbleibens einer Umweltverträglichkeitsprüfung angefochten wird, und nicht auf den Fall zu erstrecken, dass eine solche Prüfung zwar durchgeführt wurde, aber fehlerhaft war, ist mit Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG bzw. Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU nicht vereinbar. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union auf die Vorlage des Senats ebenfalls bereits entschieden (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712], Gemeinde A. u.a. - Rn. 36 ff.). Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss allerdings nicht jeder Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von seinen Auswirkungen auf den Inhalt der Entscheidung zu einen Anspruch auf deren Aufhebung führen (EuGH a.a.O. Rn. 49); § 4 Abs. 1 UmwRG muss in unionsrechtskonformer Auslegung aber jedenfalls auf solche Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung erstreckt werden, die nach ihrer Art und Schwere den in § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG genannten Fehlern vergleichbar sind, insbesondere weil sie der betroffenen Öffentlichkeit die vorgesehene Möglichkeit genommen haben, Zugang zu den auszulegenden Unterlagen zu erhalten und sich am Entscheidungsprozess zu beteiligen (EuGH a.a.O. Rn. 54). Auch derartige absolute Verfahrensfehler müssen unabhängig von § 46 VwVfG und unabhängig von der konkreten Möglichkeit, dass die angefochtene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <361 f.>; Beschluss vom 10. Januar 2012 - 7 C 20.11 - NVwZ 2012, 448 Rn. 39 m.w.N.), zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen. Dass die Umweltverträglichkeitsprüfung hier an einem solchen schweren Fehler leidet, kann nicht ausgeschlossen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat zu den Rügen der Kläger gegen die Umweltverträglichkeitsprüfung keine Feststellungen getroffen.
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bb) Sollten die Vorschriften über die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung, deren Verletzung die Kläger rügen, allein dem Schutz der Umwelt, nicht aber der Gewährleistung eigener materieller subjektiver Rechte der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 dienen, stünde auch dies einem Aufhebungsanspruch nicht von vornherein entgegen. Die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1 UmwRG gilt in erster Linie für die umweltrechtliche Verbandsklage; sie ist aber gemäß 4 Abs. 3 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO entsprechend anwendbar mit der Folge, dass die Verfahrensfehler auch insoweit unabhängig von den sonst geltenden einschränkenden Maßgaben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zur Begründetheit der Klage führen. Hieraus folgt, dass eine Genehmigungsentscheidung, die ohne die hierfür erforderliche UVP oder UVP-Vorprüfung getroffen worden ist, auf die Klage eines gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugten Dritten nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwRG allein wegen dieses Fehlers aufzuheben ist (BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 21 f., vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 41 und vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 - BVerwGE 151, 138 Rn. 34; Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014, juris Rn. 10). Für Genehmigungsentscheidungen, die an einem Verfahrensfehler leiden, auf den § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG in unionsrechtskonformer Auslegung zu erstrecken ist, kann nichts anderes gelten. Ob der Verzicht auf den nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit der Genehmigungsentscheidung und der Verletzung in eigenen Rechten unionsrechtlich geboten ist (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683], Kommission/Deutschland - Rn. 63 f.), ist angesichts der in § 4 Abs. 3 UmwRG getroffenen Grundentscheidung des nationalen Gesetzgebers für die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO ohne Bedeutung.
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c) Mangels tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu den gegen die Umweltverträglichkeitsprüfung erhobenen Rügen kann der Senat auch nicht feststellen, dass den Klägern der Anspruch aus § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG zusteht; die Sache ist zur erneuten Prüfung des Anspruchs an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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2. a) Im Hinblick auf die Klägerin zu 2 hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der Planfeststellungsbeschluss ihr gegenüber im Hinblick auf die für den Dammbau erforderlichen Flächen eine enteignungsrechtliche Vorwirkung entfalte und dies zur Folge habe, dass sie die Rechtmäßigkeit der planerischen Abwägung in einem umfassenden Sinne zur gerichtlichen Überprüfung stellen könne. Gleichwohl könne sie natur-, umwelt- und artenschutzrechtliche Rügen nicht mit Erfolg erheben, da dem die Verwirkungspräklusion des § 115 Abs. 1 Satz 2 des Landeswassergesetzes (LWG) vom 22. Januar 2004 (GVBl. S. 54) i.V.m. § 73 Abs. 4 VwVfG entgegenstehe. Letzteres ist mit revisiblem Recht nicht vereinbar.
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§ 115 Abs. 1 Satz 2 LWG bestimmt, dass mit Ablauf der Einwendungsfrist alle Einwendungen ausgeschlossen werden, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhe. Der Regelungsgehalt der Vorschrift entspricht damit demjenigen des nahezu wortgleichen § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG. Der Ausschluss von Einwendungen, die nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist geltend gemacht worden sind, und die daran anknüpfende Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle sind - wie der Gerichtshof der Europäischen Union im Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden hat (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683] - Rn. 78 ff.) - mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU und Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU nicht vereinbar. Die genannten Präklusionsvorschriften müssen daher im vorliegenden Fall außer Anwendung bleiben.
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b) Das Urteil erweist sich auch insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Mangels tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist nicht auszuschließen, dass der Planfeststellungsbeschluss in einer für die Eigentumsbetroffenheit der Klägerin zu 2 erheblichen Weise gegen natur-, umwelt- oder artenschutzrechtliche Vorschriften verstößt. Auch eine eigene Sachentscheidung zugunsten der Klägerin zu 2 ist dem Senat verwehrt (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
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3. Das Berufungsurteil verstößt ferner gegen § 114 Abs. 1 LWG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG. Im Hinblick auf die von den Beteiligten sogenannte Fluchtwegproblematik geht der Planfeststellungsbeschluss nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts davon aus, dass die Möglichkeit bestehe, auf der über den Trenndeich führenden Kreisstraße K 13 nach W. zu gelangen. Das Berufungsgericht hat demgegenüber festgestellt, dass im Falle einer Flutung des Polders mindestens im Bereich "Auf der Au" mit einer Überflutung der Fahrbahn der K 13 in Höhe von etwa 20 cm gerechnet werden müsse. Im Hinblick darauf erscheine ein Abwägungsdefizit des Planfeststellungsbeschlusses durchaus möglich. Dabei würde es sich jedoch nicht um einen im Sinne des § 75 Abs. 1a VwVfG erheblichen Mangel handeln. Denn es bestehe eine Verbindung nach R. über die Kreisstraße K 7, die hochwasserfrei ausgebaut werde. Auch wenn deren wasserseitige Richtungsfahrspur ab einem bestimmten Wasserstand gesperrt werden müsse, sehe die Deichausbauplanung vor, die Kreisstraße von der Deichkrone auf die landseitige Deichberme zu verlegen, wodurch - ungeachtet gelegentlicher hinnehmbarer Engpässe - die Standsicherheit und die Befahrbarkeit der K 7 in beiden Richtungen gesichert sei.
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Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellungen kann die Erheblichkeit des unterstellten Abwägungsmangels nicht verneint werden. Die von § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG geforderte Ergebnisrelevanz liegt vor, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Abwägungsmangel eine andere Entscheidung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 <379 f.> und vom 19. Februar 2015 - 7 C 10.12 - juris Rn. 44). Eine derartige konkrete Möglichkeit ist dann zu bejahen, wenn sich der Planungsträger - wie hier - von einem unzutreffend angenommenen Belang hat leiten lassen und andere Belange, die das Abwägungsergebnis rechtfertigen könnten, weder im Planungsverfahren angesprochen noch sonst ersichtlich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 57.80 - BVerwGE 64, 33 <40>). Das Vorliegen solcher anderweitigen Belange kann hier nicht allein mit dem Hinweis auf eine beabsichtigte Verlegung der Kreisstraße auf die Deichberme und eine dadurch ermöglichte Notumfahrung bejaht werden. Das Berufungsgericht hat keine näheren Feststellungen zu der von ihm in Bezug genommenen Deichausbauplanung getroffen, in deren Rahmen die Verlegung der K 7 vorgesehen sein soll, sondern im Wesentlichen auf ein Schreiben des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz an das Büro des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten vom 7. Oktober 2008 verwiesen. Unklar bleibt dabei, wer Träger der in diesem Schreiben und im Berufungsurteil angesprochenen Deichausbauplanung ist, wann sie eingeleitet und ob sie bereits abgeschlossen wurde und wann mit der Realisierung dieser Planung zu rechnen ist. Sollte nicht gesichert sein, dass die Kreisstraße K 7 rechtzeitig vor Fertigstellung und Inbetriebnahme des Polders in der beabsichtigten Weise auf die Deichberme verlegt wird und die Ortsgemeinde A. damit auch bei Flutung des Polders hinreichend sicher an das Straßennetz angebunden ist, müsste dieses Problem durch eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses oder durch ein ergänzendes Verfahren gelöst werden. Denn für hoheitliche Planungen gilt der Grundsatz der Problembewältigung; der Planfeststellungsbeschluss muss die von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme bewältigen (BVerwG, Urteile vom 7. März 2007 - 9 C 2.06 - BVerwGE 128, 177 Rn. 19 und vom 13. Oktober 2011 - 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 151). Andererseits erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung der Deichausbauplanung Gesichtspunkte festgestellt werden können, die zu einer Irrelevanz des Abwägungsfehlers für das Ergebnis führen könnten. Der Umstand, dass die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausreichen, um die Frage der Ergebnisrelevanz abschließend entscheiden zu können, nötigt damit ebenfalls zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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Auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an.
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4. Im Übrigen verstößt das Berufungsurteil nicht gegen Bundesrecht.
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a) Das gilt zunächst für die Annahme des Berufungsgerichts, dass wegen der nachträglichen Ergänzung der Nebenbestimmung III Nr. 13.4 des Planfeststellungsbeschlusses um den Satz, dass eine Flutung der Hochwasserrückhaltung in W./A./N. nur dann erfolgen dürfe, wenn der Wasserstand im Neuhofener Altrhein von 90,00 müNN nicht überschritten sei, kein neues Planfeststellungsverfahren habe durchgeführt werden müssen. Bei dieser Ergänzung handele es sich um eine Planänderung von unwesentlicher Bedeutung, bei der der Beklagte nach § 114 Abs. 1 LWG i.V.m. § 76 Abs. 2 VwVfG von einem neuen Planfeststellungsverfahren habe absehen können, weil Belange anderer nicht berührt worden seien. Dies ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
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aa) Das Berufungsgericht hat den Planfeststellungsbeschluss in seiner ursprünglichen Fassung dahingehend ausgelegt, dass die Flutung der Wasserrückhaltung unabhängig vom Erreichen eines bestimmten Wasserstandes im Neuhofener Altrhein zulässig gewesen sei. Insbesondere habe dort nicht ein Wasserstand von 89,4 müNN erreicht sein müssen. Die Auslegung eines Verwaltungsakts unterliegt als Tatsachenwürdigung nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Kontrolle. Zu prüfen ist, ob das Tatsachengericht den Regelungsgehalt des Verwaltungsakts nach den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln ermittelt hat. In diesem Fall ist der tatrichterlich ermittelte Erklärungsinhalt als Tatsachenfeststellung nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Dem Revisionsgericht ist eine eigene Auslegung des Verwaltungsakts nur möglich, wenn das Tatsachengericht in seiner Entscheidung nichts Näheres ausführt und insbesondere sein Auslegungsergebnis nicht begründet hat. Liegt dagegen - wie hier - eine solche Begründung vor, bedarf es einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Verfahrensrüge, um das Auslegungsergebnis anzugreifen; die bloße Darlegung einer abweichenden, von einem Beteiligten für richtig gehaltenen Auslegung eines Verwaltungsakts genügt dagegen nicht. Revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt ferner, ob sich das Tatsachengericht durch eine fehlerhafte Vorstellung vom Inhalt des Bundesrechts den Blick für die zutreffende Auslegung verstellt hat (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 74 m.w.N.).
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Ausgehend hiervon ist der Senat an die Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses durch das Oberverwaltungsgericht gebunden. Für die Auslegung eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Hiervon ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat für die Auslegung insbesondere die Antragsunterlagen herangezogen und damit Unterlagen, die auch den von dem Vorhaben Betroffenen bekannt sind oder sein können. Anhaltspunkte dafür, dass es sich von rechtlichen Fehlvorstellungen hat leiten lassen, sind nicht ersichtlich.
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Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Das Berufungsgericht musste den im Schriftsatz vom 12. Februar 2009 enthaltenen Hilfsbeweisanträgen nicht nachgehen. Maßgeblich für die Prüfung, ob das Tatsachengericht seiner Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO genügt hat, ist die seiner Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung, und zwar selbst dann, wenn diese - was hier nicht der Fall ist - der rechtlichen Überprüfung nicht standhält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Oktober 1984 - 6 C 49.84 - BVerwGE 70, 216 <221 f.> und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>). Das Berufungsgericht war - wie dargelegt - der Auffassung, dass der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss keine Regelung eines Maximalwasserstandes des Neuhofener Altrheins enthalten habe, sondern diese erst durch die in Rede stehende Ergänzung der Nebenbestimmung erfolgt sei. Die Hilfsbeweisanträge gingen demgegenüber von der Annahme aus, dass im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss bereits ein Maximalwasserstand des Neuhofener Altrheins von 89,4 müNN ab Voraussetzung für den Beginn der Flutung festgesetzt sei; sie zielten auf die Ermittlung der Risiken, die aus einer Erhöhung dieses Maximalwasserstandes folgen könnten. Dies bedarf indessen aus Sicht des Berufungsurteils keiner Klärung. Die der Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses in seiner ursprünglichen Fassung zugrunde liegenden Tatsachen, insbesondere der Inhalt der Antragsunterlagen und ihr Verständnis durch die Beteiligten, waren nicht Gegenstand der Anträge.
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Das Berufungsgericht hat ferner nicht seine Aufklärungspflicht durch die Unterstellung eines unwahren oder aktenwidrigen Teilsachverhalts verletzt. Diesem Vorbringen der Revision liegt ebenfalls die Auffassung zugrunde, dass im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss bereits ein Höchstwasserstand festgesetzt gewesen sei.
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Vor diesem Hintergrund liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor. Art. 103 Abs. 1 GG verwehrt es den Gerichten nicht, das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts außer Betracht zu lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1985 - 1 BvR 33/83 - BVerfGE 70, 288 <294>). Daher kann eine Beweisaufnahme unterbleiben, wenn es auf die Beweisfrage nicht ankommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 - 1 BvR 355/86 - BVerfGE 82, 209 <235>). Das war hier aus der maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts der Fall.
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bb) Ausgehend von der dargelegten Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses hat das Berufungsgericht die Ergänzung der Nebenbestimmung zutreffend als Planänderung von unwesentlicher Bedeutung angesehen, die die Belange anderer nicht berührt. Als zusätzliche Voraussetzung für den Einsatz der gesteuerten Hochwasserrückhaltung hat sie die Hochwassersituation in der von Stau-, Grund- und Druckwassergefahren betroffenen Umgebung dieser Rückhaltung - und damit auch für die Kläger - nicht verschlechtert, sondern verbessert.
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Die Auffassung des Berufungsgerichts verstößt auch nicht gegen § 1 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG. Die Ergänzung der Nebenbestimmung führt nicht dazu, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht mehr hinreichend bestimmt ist. Die hinreichende inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsakts setzt voraus, dass dessen Entscheidungsgehalt für den Betroffenen nach Art und Umfang aus sich heraus erkennbar und verständlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11). Das ist hier der Fall. Die Revision leitet die von ihr angenommene Widersprüchlichkeit des Planfeststellungsbeschlusses daraus ab, dass schon im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss ein Höchstwasserstand im Neuhofener Altrhein als Voraussetzung der Flutung festgesetzt worden sei; von einer solchen Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses ist jedoch aus den dargelegten Gründen nicht auszugehen.
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b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines zwingenden Versagungsgrundes nach § 31 Abs. 5 Satz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG a.F.) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 2002 (BGBl. I S. 3245), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 25. Juni 2005 (BGBl. I S. 1746), verneint. Nach dieser Vorschrift ist der Planfeststellungsbeschluss zu versagen, soweit von dem Ausbau eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwassergefahr oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, zu erwarten ist.
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Der nähere Inhalt des Begriffs des Wohls der Allgemeinheit ist nur schwer zu bestimmen; er bedarf wegen seiner Abstraktheit der Konkretisierung (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 1989 - 4 C 30.88 - BVerwGE 81, 347 <349> zu § 6 Abs. 1 WHG a.F). Soweit es um Hochwassergefahren geht, hat der Gesetzgeber den Begriff selbst konkretisiert. Ob der Ausbau eines Gewässers die Hochwassergefahr erheblich, dauerhaft und nicht ausgleichbar erhöht (§ 31 Abs. 5 Satz 3 Alt. 1 WHG a.F., nunmehr § 68 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 WHG), ist nicht bezogen auf einzelne Grundstücke, sondern bezogen auf den räumlichen Einwirkungsbereich des Vorhabens insgesamt zu beurteilen. Führt ein dem Hochwasserschutz dienender Gewässerausbau insgesamt zu einer Verringerung der Hochwassergefahr, stellt eine mit dem Ausbau verbundene lokale Erhöhung der Stau-, Grund- und Druckwassergefahren keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit im Sinne des § 31 Abs. 5 Satz 3 Alt. 1 WHG a.F. dar. Derartige Folgeprobleme einer Hochwasserschutzmaßnahme sind im Planfeststellungsverfahren insbesondere durch die Anordnung von Schutzmaßnahen zu bewältigen. Soweit es um die Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, geht (§ 31 Abs. 5 Satz 3 Alt. 2 WHG a.F.), ist eine solche Gesamtbetrachtung hingegen nicht gerechtfertigt; insoweit können auch kleinräumige Zerstörungen solcher Flächen das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigen.
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Das Berufungsurteil steht mit diesen Grundsätzen in Einklang. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die von den Klägern im Blick auf § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG a.F. geltend gemachten Risiken nur diese selbst in ihrer individuellen Situation träfen. Das Vorhaben führe aber gerade zu einer Minderung der Hochwassergefahr in den Siedlungsgebieten des Rheins. Es bewirke auch keine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen.
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c) Auch soweit das Berufungsgericht die vom Beklagten vorgenommene Abwägung als rechtmäßig angesehen hat, verstößt das Berufungsurteil - abgesehen von der bereits erörterten Anbindung der Klägerin zu 1 an das Straßennetz - nicht gegen Bundesrecht. Die von den Klägern geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
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aa) Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein auf § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG a.F. gestützter Planfeststellungsbeschluss eine planerische Abwägung voraussetzt, in deren Rahmen die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander und untereinander gerecht mit dem Ziel abzuwägen sind, eine inhaltlich in sich abgewogene Planung zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1978 - 4 C 25.75 - BVerwGE 55, 220 <227>). Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, in die Abwägung nicht alle Belange eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden mussten oder die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1974 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.>, und vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 54). Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt und ohne Verstoß gegen Bundesrecht angewandt.
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bb) Hinsichtlich der Gefahr eines Deichbruchs und des Risikos einer Überschwemmung durch Qualmwasser und Starkregenereignisse ist das Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung sachverständiger Stellungnahmen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte die widerstreitenden Belange zutreffend ermittelt und gegeneinander abgewogen hat. Das gilt sowohl für die von der Revision in diesem Zusammenhang ins Feld geführte Möglichkeit der Bildung unterirdischer Kiesrinnen als auch für die Folgen des Zusammentreffens einer Polderflutung mit extremen Niederschlagsereignissen. Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist diese rechtliche Bewertung nicht zu beanstanden. Die Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1974 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <64>).
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Im Hinblick auf die Frage, ob durch das Vorhaben die Gefahr eines Deichbruchs droht, machen die Kläger allerdings eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und der gerichtlichen Aufklärungspflicht sowie ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Der Sachverhalt sei hinsichtlich im Untergrund vorhandener Kiesrinnen mangelhaft aufgeklärt worden. Ihre im Schriftsatz vom 12. Februar 2009 enthaltenen Hilfsbeweisanträge Nr. 6 bis 9 seien zu Unrecht abgelehnt worden. Diese Rügen sind nicht begründet.
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aaa) Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41>). Das dem Gericht dabei zur Bestimmung von Art und Anzahl einzuholender Sachverständigengutachten nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO zustehende Ermessen wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung weiterer Gutachten oder gutachterlicher Stellungnahmen absieht, obwohl die Notwendigkeit dieser weiteren Beweiserhebung sich ihm hätte aufdrängen müssen. Dies ist dann der Fall, wenn die vorliegenden Gutachten oder gutachterlichen Stellungnahmen offen erkennbare Mängel enthalten, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sich aus ihnen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit der Gutachter ergeben oder wenn sich herausstellt, dass es sich um eine besonders schwierige Fachfrage handelt, die ein spezielles Fachwissen erfordert, das bei den bisherigen Gutachtern nicht vorhanden ist. Fehlerhaft ist die gerichtliche Ermessensausübung hinsichtlich der Einholung eines Sachverständigengutachtens ferner dann, wenn sich das Gericht eine ihm nicht zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 1983 - 3 C 56.82 - BVerwGE 68, 177 <182 f.>). Eine Verpflichtung des Berufungsgerichts, zusätzlich zu den vorliegenden gutachtlichen Stellungnahmen weitere Gutachten einzuholen oder in sonstige Ermittlungen einzutreten, besteht hingegen nicht allein schon deshalb, weil ein Beteiligter die bisher vorliegenden Erkenntnisquellen im Ergebnis für unzutreffend hält (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Oktober 1985 - 9 C 3.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 38 und vom 6. Oktober 1987 - 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31; Beschluss vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 109 Rn. 4).
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bbb) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht nicht verletzt. Es hat sich mit der Frage der Entstehung von Kiesrinnen und den aus ihnen folgenden Risiken ausführlich befasst. Dabei hat es die Inhomogenität der Bodenschichten nicht in Abrede gestellt, sondern ist zu der Überzeugung gelangt, dass weitere Untersuchungen nicht zu einem Zuwachs an Erkenntnis führen würden und der von Kiesrinnen ausgehenden Gefahr durch Maßnahmen im Verlauf des Polderbaus begegnet werden könne. Dieses Ergebnis hat es auf eine Mehrzahl sachverständiger Stellungnahmen gestützt und sich daher keine ihm nicht zustehende Sachkunde angemaßt.
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Die Revision beanstandet, dass das Berufungsgericht sich auf ein Grundwassermodell gestützt habe, dem geologische und hydrogeologische Daten zugrunde lägen, die auf einer hydrogeologischen Untersuchung des Rhein-Neckar-Raums sowie der Bodenkarte des geologischen Landesamtes Rheinland-Pfalz beruhten. Es handele sich dabei um großräumige Kartenwerke, die für eine kleinräumig relevante Gefährdungsabschätzung nicht geeignet seien. Damit werden Mängel im oben genannten Sinne nicht aufgezeigt. Die Daten sind nur Grundlage der durchgeführten Untersuchung. Das Berufungsgericht hat selbst ausgeführt, dass das dabei verwendete Grundwassermodell Schwachstellen aufweise und der maximale Wasserandrang mit dem Modell nicht genau bestimmt werden könne. Diese Ungenauigkeiten könnten aber mit einer konservativen Abschätzung der Modellparameter kompensiert werden, was hier auch erfolgt sei. Weitere Untersuchungen seien nur mit einem unzumutbaren Aufwand möglich und könnten keine erheblich höhere Sicherheit vermitteln (UA S. 66). Diese Ausführungen lassen nicht erkennen, dass die vom Berufungsgericht herangezogenen sachverständigen Stellungnahmen offen erkennbare Mängel enthielten oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgingen. Ebenso wenig lässt sich darauf der weitere Vorwurf der Kläger stützen, dass das Berufungsgericht das Problem der oberflächennahen Inhomogenität bei Kies- oder Grobsandrinnen verkannt habe.
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ccc) Soweit die Kläger rügen, die Hilfsbeweisanträge Nr. 6 bis 9 seien zu Unrecht abgelehnt worden, wird dies in der Revisionsbegründung nicht näher dargelegt. Insoweit ist daher nicht erkennbar, weshalb sich die Einholung gerade der dort für notwendig erachteten Sachverständigengutachten dem Berufungsgericht hätte aufdrängen müssen.
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ddd) Der von den Klägern weiter gerügte Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt ebenfalls nicht vor. Das auf die Entstehung und die Folgen von Kiesrinnen bezogene Vorbringen der Kläger und ihres Sachverständigen ist im Berufungsurteil zusammenfassend wiedergegeben (UA S. 64). Dass das Berufungsgericht diesem Vorbringen nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß.
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cc) Im Hinblick auf die Problematik der Überschwemmungsgefahr durch Qualmwasser und kumulierende Starkregenereignisse macht die Revision ebenfalls einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs geltend. Auch insoweit habe das Berufungsgericht ihre Hilfsbeweisanträge im Schriftsatz vom 12. Februar 2009 (Nr. 3 - teilweise - sowie Nr. 4 und 5) zu Unrecht abgelehnt.
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Hieraus ergibt sich nach den dargelegten rechtlichen Maßstäben kein Aufklärungsmangel. Das Berufungsgericht hat sich mit den Risiken einer Überschwemmung, die sich aus dem gleichzeitigen Auftreten von Qualmwasser und Starkregenereignissen ergeben können, auseinandergesetzt und dabei insbesondere nicht verkannt, dass ein Anstieg des Neuhofener Altrheins grundsätzlich auch Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel in A. haben könnte (UA S. 61 ff.). Warum sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit weiterer sachverständiger Stellungnahmen hätte aufdrängen müssen, ist weder dargelegt noch somit ersichtlich; die Kläger halten lediglich die Ergebnisse der sachverständigen Stellungnahmen, auf die das Berufungsurteil gestützt ist, für unzutreffend. Ihren Anspruch auf rechtliches Gehör hat das Berufungsgericht, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ebenfalls nicht verletzt.
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dd) Schließlich verstößt das Berufungsurteil hinsichtlich der in dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss getroffenen Standortauswahl nicht gegen Bundesrecht.
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aaa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Alternativenprüfung im Rahmen der fachplanungsrechtlichen Abwägung müssen ernsthaft in Betracht kommende Standortalternativen ermittelt, bewertet und untereinander abgewogen werden. Die Standortwahl ist erst dann rechtswidrig, wenn sich die verworfene Alternative entweder als die eindeutig vorzugswürdige Lösung hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 98 und vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 66). Von einer Alternative kann nicht mehr gesprochen werden, wenn eine Variante auf ein anderes Projekt hinausläuft. Das ist dann der Fall, wenn ein mit dem Vorhaben verbundenes wesentliches Ziel mit einer Alternative nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 143; Beschluss vom 16. Juli 2007 - 4 B 71.06 - juris Rn. 42).
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Das Berufungsgericht hat - ausgehend von diesen Grundsätzen - dargelegt, welche Erwägungen zu der Entscheidung für den gewählten Standort des Vorhabens geführt haben. Es hat die Reduzierung der Hochwasserspitzen und die Entkoppelung der Hochwasserwellen im Bereich der Neckarmündung - mit dem Ziel einer Abwehr des Hochwassers in M. und L. - als wesentliche Ziele der Planung gewertet, die am Standort H. nicht verwirklicht werden könnten. Die Errichtung einer Wasserrückhaltung am Standort H. stellt hiernach keine zumutbare Alternative dar.
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bbb) Die im Hinblick auf die Standortauswahl erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet. Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht sei ihren Hilfsbeweisanträgen in einem (weiteren) Schriftsatz vom 12. Februar 2009 zu Unrecht nicht nachgegangen. Diese Hilfsbeweisanträge sind auf Umstände gerichtet, aus denen sich aus Sicht der Kläger die Vorzugswürdigkeit des Standorts H. ergibt.
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Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass das mit dem Polder A./W./N. verfolgte Ziel der Hochwasserscheitelreduzierung auch mit einem Polder am Standort H. erreicht werden könne, hat das Oberverwaltungsgericht abgelehnt, weil die Kläger dem Vortrag des Fachreferenten für Hochwasserschutz Dr. M., wonach mit dem Polder im Bereich A. eine wesentlich höhere Scheitelreduktion der Hochwasserwelle als durch eine vergleichbare Variante im Bereich H. erreicht werden könne, nicht substantiiert widersprochen hätten (UA S. 57). Der Einwand fehlender Substantiierung rechtfertigt es grundsätzlich, von weiterer Sachverhaltsaufklärung abzusehen (BVerwG, Beschluss vom 22. November 2013 - 7 B 16.13 - juris Rn. 5 f.). Die Kläger zeigen nicht auf, dass das Oberverwaltungsgericht die Substantiierungsanforderungen, die sich nach der konkreten prozessualen Situation richten, überspannt haben könnte. Die übrigen Hilfsbeweisanträge waren auf Umstände gerichtet, aus denen sich insbesondere im Hinblick auf Belange des Naturschutzes die Vorzugswürdigkeit des Standortes H. ergeben sollte. Diese Umstände waren, da dieser Standort für den Hochwasserschutz im Bereich der Neckarmündung aus den dargelegten Gründen schon keine Alternative darstellt, nicht entscheidungserheblich.
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5. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die von den Klägern angeregte Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszuges in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1967 - 4 C 147.65 - BVerwGE 28, 317), liegen nicht vor.
Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind
- 1.
natürliche und juristische Personen, - 2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, - 3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
Tatbestand
- 1
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Die Kläger wenden sich gegen einen wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss des beklagten Landes, der die Errichtung der Wasserrückhaltung W./A./N. zum Gegenstand hat. Die geplante Hochwasserrückhaltung hat eine Fläche von ca. 327 ha und soll in einem früheren Überschwemmungsgebiet des Rheins gebaut werden. Das Vorhaben umfasst die Errichtung eines Rückhalteraums, der aus zwei getrennten Teilen besteht. Der ungesteuerte Teil (Rückhaltevolumen ca. 1,2 Mio. m³) soll in Abhängigkeit von den Rheinwasserständen regelmäßig überschwemmt und an die natürliche Dynamik des Rheins angeschlossen werden. Der gesteuerte Teil des Rückhalteraums (Rückhaltevolumen ca. 7,8 Mio. m³) soll bei extremen Hochwasserereignissen geflutet werden, um Überflutungen in Siedlungs-, Gewerbe- und Infrastrukturflächen der Rheinniederung zu verhindern. Im Zusammenhang mit der Errichtung der Rückhalteräume sind zahlreiche bauliche Maßnahmen vorgesehen. Von der Planung betroffen sind in erster Linie landwirtschaftlich genutzte Grundstücke und Waldflächen.
- 2
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Die Klägerin zu 1 ist die Gemeinde A., deren Gemeindegebiet zu etwa 12 % von den geplanten Rückhalteräumen erfasst wird.
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Die Klägerin zu 2 ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Obst und Gemüse anbaut und Eigentümerin und Pächterin von innerhalb der geplanten Rückhaltung gelegenen Flächen ist.
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Der Kläger zu 3 ist Eigentümer eines nahe der geplanten Hochwasserrückhaltung liegenden Wohngrundstücks und mehrerer - ebenfalls in der Nähe des Vorhabens liegender - Grundstücke in einem Naherholungsgebiet, die für einen Campingplatz genutzt werden.
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Mit Schreiben vom 31. Januar 2002 beantragte die Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Bodenschutz - Neubaugruppe Hochwasserschutz Oberrhein - der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd des beklagten Landes als Träger des Vorhabens bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd als Oberer Wasserbehörde die Feststellung des Plans für den Bau der Hochwasserrückhaltung.
- 6
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Der Plan wurde mit Beschluss der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd vom 20. Juni 2006 festgestellt.
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Das Verwaltungsgericht wies die hiergegen gerichteten, von insgesamt sechs Klägern erhobenen Klagen ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kläger gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss leide nicht an rügefähigen Rechtsfehlern, die die Kläger in ihren Rechten verletzten. Die Kläger könnten sich weder auf mögliche Defizite der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung noch auf die Verletzung natur- und artenschutzrechtlicher Vorschriften berufen. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 3 könnten keine umfassende Planprüfung verlangen. Etwas anderes folge hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung auch nicht aus dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Denn dieses finde nach seinem § 5 nur für solche Verfahren Anwendung, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden seien. Hier sei das Planfeststellungsverfahren aber bereits im Jahr 2002 begonnen worden. Unionsrecht gebiete die Anwendung des Gesetzes nicht. Damit könne dahinstehen, ob sich zugunsten der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 aus § 4 Abs. 1 UmwRG ein Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses ergeben könne.
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Die Klägerin zu 2 sei zwar von einer enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses betroffen; sie könne sich aber nicht auf natur-, umwelt- und artenschutzrechtliche Belange berufen, weil deren Geltendmachung die materielle Verwirkungspräklusion des § 115 Abs. 1 Satz 2 LWG entgegenstehe. Diese Präklusion verstoße ebenfalls nicht gegen Unionsrecht.
- 9
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Die im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgenommene Ergänzung der Nebenbestimmung III Nr. 13.4 führe nicht dazu, dass ein neues Planfeststellungsverfahren durchzuführen gewesen sei. Die Planrechtfertigung sei mit dem Verwaltungsgericht zu bejahen. Auch stünden dem Vorhaben keine zwingenden Versagungsgründe nach § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG a.F. entgegen.
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Der Planfeststellungsbeschluss leide nicht an Abwägungsmängeln, die zu seiner Aufhebung führten. Das gelte zunächst für die Verwerfung der Standortalternative "H.". Die Abwägung sei auch nicht wegen des von den Klägern behaupteten unzumutbaren Risikos eines Deichbruchs zu beanstanden. Als Fluchtweg aus A. könne jedenfalls die Kreisstraße K 7 nach R. genutzt werden, auch wenn eine derartige Notumfahrung zu gewissen Engpässen führen werde. Dieser Gesichtspunkt lasse sich dem Planfeststellungsbeschluss nicht entnehmen, ein Abwägungsdefizit erscheine möglich. Ein solcher Mangel sei jedoch nicht im Sinne des § 114 Abs. 1 Nr. 1 LWG i.V.m. § 75 Abs. 1a VwVfG erheblich. Ebenso wenig sei ein Abwägungsfehler hinsichtlich der Gefahr von Druckwasser und eines erhöhten Grundwasseranstiegs ersichtlich.
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision tragen die Kläger im Wesentlichen vor: Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 3 seien mangels Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes nicht befugt, eine Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung geltend zu machen, sei mit Unionsrecht ebenso wenig zu vereinbaren wie seine Ansicht, dass die Klägerin zu 2 mit ihrem auf das Natur-, Artenschutz- und Umweltrecht bezogenen Vorbringen nach § 115 Abs. 1 Satz 2 LWG präkludiert sei. Das Berufungsurteil verstoße zudem gegen § 76 Abs. 1 VwVfG, weil die nachträgliche Ergänzung der Nebenbestimmung III Nr. 13.4 ein neues Planfeststellungsverfahren erfordert hätte, von dem nicht nach § 76 Abs. 2 VwVfG hätte abgesehen werden dürfen. Folge man der Auffassung des Berufungsgerichts, verstoße der Planfeststellungsbeschluss jedenfalls gegen § 37 Abs. 1 VwVfG; außerdem habe das Berufungsgericht insoweit Verfahrensrecht verletzt. Das Berufungsurteil stehe ferner mit § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG a.F. nicht in Einklang, weil eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwassergefahr für die Oberlieger am Standort des geplanten Polders vorliege. Soweit das Berufungsgericht die Abwägung als rechtmäßig erachtet habe, verstoße sein Urteil in mehrfacher Hinsicht gegen Bundesrecht. Das gelte im Hinblick auf die Gefahr eines Deichbruchs, die Überschwemmungsgefahr durch Qualmwasser und kumulierende Starkregenereignisse, die Problematik einer gesicherten Straßenanbindung der Klägerin zu 1 im Falle einer Flutung des Polders sowie die Auswahl des Standorts des Vorhabens. Das Berufungsgericht habe dabei nicht nur gegen § 75 Abs. 1a VwVfG und das Gebot gerechter Abwägung verstoßen, sondern auch den Untersuchungsgrundsatz und die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 und 2 VwGO) sowie den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
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Die Kläger beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. September 2007, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Februar 2009 und den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 20. Juni 2006 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren beteiligt und zu Fragen des Unionsrechts geäußert.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 10. Januar 2012 - 7 C 20.11 - das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union um die Klärung mehrerer Fragen zur Auslegung der Richtlinien 2003/35/EG und 85/337/EWG gebeten. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712] - über die Vorlage entschieden.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen revisibles Recht und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht in der Sache selbst entscheiden kann, ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. a) Einen Anspruch der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses aus § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG hat das Oberverwaltungsgericht verneint, weil das Gesetz nach § 5 Abs. 1 UmwRG auf Verfahren, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden seien, keine Anwendung finde. Diese Annahme steht mit revisiblem Recht nicht in Einklang.
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Die in der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. L 156 S. 17) vorgesehene Umsetzungsfrist bis zum 25. Juni 2005 ist dahin auszulegen, dass die Vorschriften des nationalen Rechts zur Umsetzung des Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175 S. 40) in der durch die Richtlinie 2003/35/EG geänderten Fassung auch für behördliche Genehmigungsverfahren gelten müssen, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden waren, in denen aber erst nach diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erteilt wurde. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union auf die Vorlage des Senats entschieden (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712], Gemeinde A. u.a.). Die Neukodifikation der Richtlinie 85/337/EWG durch die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 26 S. 1) hat hieran nichts geändert (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683], Kommission/Deutschland - Rn. 101 ff.). Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, welches der Umsetzung des Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG bzw. des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU dient, ist daher auf das vorliegende Verfahren anzuwenden. Das Planfeststellungsverfahren wurde bereits im Jahr 2002 eingeleitet; der Planfeststellungsbeschluss wurde aber erst am 20. Juni 2006 und damit nach dem 25. Juni 2005 erlassen.
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Auf die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an.
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b) Das Urteil erweist sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann nicht ausgeschlossen werden, dass den Klägern ein Anspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 UmwRG auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zusteht.
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aa) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung der Entscheidung nur verlangt werden, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (Nr. 1) oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit (Nr. 2) nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist. Diese Fehler sind erheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können (BVerwG, Urteile vom 2. Oktober 2013 - 9 A 23.12 - Buchholz 451.91 EuropUmwR Nr. 55 Rn. 21, vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 - BVerwGE 151, 138 Rn. 34). Im vorliegenden Fall ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden. Das steht einem Aufhebungsanspruch aus § 4 Abs. 1 UmwRG aber nicht von vornherein entgegen. Die Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes auf den Fall zu beschränken, dass die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung aufgrund des Unterbleibens einer Umweltverträglichkeitsprüfung angefochten wird, und nicht auf den Fall zu erstrecken, dass eine solche Prüfung zwar durchgeführt wurde, aber fehlerhaft war, ist mit Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG bzw. Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU nicht vereinbar. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union auf die Vorlage des Senats ebenfalls bereits entschieden (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712], Gemeinde A. u.a. - Rn. 36 ff.). Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss allerdings nicht jeder Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von seinen Auswirkungen auf den Inhalt der Entscheidung zu einen Anspruch auf deren Aufhebung führen (EuGH a.a.O. Rn. 49); § 4 Abs. 1 UmwRG muss in unionsrechtskonformer Auslegung aber jedenfalls auf solche Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung erstreckt werden, die nach ihrer Art und Schwere den in § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG genannten Fehlern vergleichbar sind, insbesondere weil sie der betroffenen Öffentlichkeit die vorgesehene Möglichkeit genommen haben, Zugang zu den auszulegenden Unterlagen zu erhalten und sich am Entscheidungsprozess zu beteiligen (EuGH a.a.O. Rn. 54). Auch derartige absolute Verfahrensfehler müssen unabhängig von § 46 VwVfG und unabhängig von der konkreten Möglichkeit, dass die angefochtene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <361 f.>; Beschluss vom 10. Januar 2012 - 7 C 20.11 - NVwZ 2012, 448 Rn. 39 m.w.N.), zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen. Dass die Umweltverträglichkeitsprüfung hier an einem solchen schweren Fehler leidet, kann nicht ausgeschlossen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat zu den Rügen der Kläger gegen die Umweltverträglichkeitsprüfung keine Feststellungen getroffen.
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bb) Sollten die Vorschriften über die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung, deren Verletzung die Kläger rügen, allein dem Schutz der Umwelt, nicht aber der Gewährleistung eigener materieller subjektiver Rechte der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 dienen, stünde auch dies einem Aufhebungsanspruch nicht von vornherein entgegen. Die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1 UmwRG gilt in erster Linie für die umweltrechtliche Verbandsklage; sie ist aber gemäß 4 Abs. 3 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO entsprechend anwendbar mit der Folge, dass die Verfahrensfehler auch insoweit unabhängig von den sonst geltenden einschränkenden Maßgaben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zur Begründetheit der Klage führen. Hieraus folgt, dass eine Genehmigungsentscheidung, die ohne die hierfür erforderliche UVP oder UVP-Vorprüfung getroffen worden ist, auf die Klage eines gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugten Dritten nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwRG allein wegen dieses Fehlers aufzuheben ist (BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 21 f., vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 41 und vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 - BVerwGE 151, 138 Rn. 34; Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014, juris Rn. 10). Für Genehmigungsentscheidungen, die an einem Verfahrensfehler leiden, auf den § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG in unionsrechtskonformer Auslegung zu erstrecken ist, kann nichts anderes gelten. Ob der Verzicht auf den nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit der Genehmigungsentscheidung und der Verletzung in eigenen Rechten unionsrechtlich geboten ist (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683], Kommission/Deutschland - Rn. 63 f.), ist angesichts der in § 4 Abs. 3 UmwRG getroffenen Grundentscheidung des nationalen Gesetzgebers für die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO ohne Bedeutung.
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c) Mangels tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu den gegen die Umweltverträglichkeitsprüfung erhobenen Rügen kann der Senat auch nicht feststellen, dass den Klägern der Anspruch aus § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG zusteht; die Sache ist zur erneuten Prüfung des Anspruchs an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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2. a) Im Hinblick auf die Klägerin zu 2 hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der Planfeststellungsbeschluss ihr gegenüber im Hinblick auf die für den Dammbau erforderlichen Flächen eine enteignungsrechtliche Vorwirkung entfalte und dies zur Folge habe, dass sie die Rechtmäßigkeit der planerischen Abwägung in einem umfassenden Sinne zur gerichtlichen Überprüfung stellen könne. Gleichwohl könne sie natur-, umwelt- und artenschutzrechtliche Rügen nicht mit Erfolg erheben, da dem die Verwirkungspräklusion des § 115 Abs. 1 Satz 2 des Landeswassergesetzes (LWG) vom 22. Januar 2004 (GVBl. S. 54) i.V.m. § 73 Abs. 4 VwVfG entgegenstehe. Letzteres ist mit revisiblem Recht nicht vereinbar.
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§ 115 Abs. 1 Satz 2 LWG bestimmt, dass mit Ablauf der Einwendungsfrist alle Einwendungen ausgeschlossen werden, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhe. Der Regelungsgehalt der Vorschrift entspricht damit demjenigen des nahezu wortgleichen § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG. Der Ausschluss von Einwendungen, die nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist geltend gemacht worden sind, und die daran anknüpfende Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle sind - wie der Gerichtshof der Europäischen Union im Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden hat (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683] - Rn. 78 ff.) - mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU und Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU nicht vereinbar. Die genannten Präklusionsvorschriften müssen daher im vorliegenden Fall außer Anwendung bleiben.
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b) Das Urteil erweist sich auch insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Mangels tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist nicht auszuschließen, dass der Planfeststellungsbeschluss in einer für die Eigentumsbetroffenheit der Klägerin zu 2 erheblichen Weise gegen natur-, umwelt- oder artenschutzrechtliche Vorschriften verstößt. Auch eine eigene Sachentscheidung zugunsten der Klägerin zu 2 ist dem Senat verwehrt (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
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3. Das Berufungsurteil verstößt ferner gegen § 114 Abs. 1 LWG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG. Im Hinblick auf die von den Beteiligten sogenannte Fluchtwegproblematik geht der Planfeststellungsbeschluss nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts davon aus, dass die Möglichkeit bestehe, auf der über den Trenndeich führenden Kreisstraße K 13 nach W. zu gelangen. Das Berufungsgericht hat demgegenüber festgestellt, dass im Falle einer Flutung des Polders mindestens im Bereich "Auf der Au" mit einer Überflutung der Fahrbahn der K 13 in Höhe von etwa 20 cm gerechnet werden müsse. Im Hinblick darauf erscheine ein Abwägungsdefizit des Planfeststellungsbeschlusses durchaus möglich. Dabei würde es sich jedoch nicht um einen im Sinne des § 75 Abs. 1a VwVfG erheblichen Mangel handeln. Denn es bestehe eine Verbindung nach R. über die Kreisstraße K 7, die hochwasserfrei ausgebaut werde. Auch wenn deren wasserseitige Richtungsfahrspur ab einem bestimmten Wasserstand gesperrt werden müsse, sehe die Deichausbauplanung vor, die Kreisstraße von der Deichkrone auf die landseitige Deichberme zu verlegen, wodurch - ungeachtet gelegentlicher hinnehmbarer Engpässe - die Standsicherheit und die Befahrbarkeit der K 7 in beiden Richtungen gesichert sei.
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Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellungen kann die Erheblichkeit des unterstellten Abwägungsmangels nicht verneint werden. Die von § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG geforderte Ergebnisrelevanz liegt vor, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Abwägungsmangel eine andere Entscheidung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 <379 f.> und vom 19. Februar 2015 - 7 C 10.12 - juris Rn. 44). Eine derartige konkrete Möglichkeit ist dann zu bejahen, wenn sich der Planungsträger - wie hier - von einem unzutreffend angenommenen Belang hat leiten lassen und andere Belange, die das Abwägungsergebnis rechtfertigen könnten, weder im Planungsverfahren angesprochen noch sonst ersichtlich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 57.80 - BVerwGE 64, 33 <40>). Das Vorliegen solcher anderweitigen Belange kann hier nicht allein mit dem Hinweis auf eine beabsichtigte Verlegung der Kreisstraße auf die Deichberme und eine dadurch ermöglichte Notumfahrung bejaht werden. Das Berufungsgericht hat keine näheren Feststellungen zu der von ihm in Bezug genommenen Deichausbauplanung getroffen, in deren Rahmen die Verlegung der K 7 vorgesehen sein soll, sondern im Wesentlichen auf ein Schreiben des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz an das Büro des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten vom 7. Oktober 2008 verwiesen. Unklar bleibt dabei, wer Träger der in diesem Schreiben und im Berufungsurteil angesprochenen Deichausbauplanung ist, wann sie eingeleitet und ob sie bereits abgeschlossen wurde und wann mit der Realisierung dieser Planung zu rechnen ist. Sollte nicht gesichert sein, dass die Kreisstraße K 7 rechtzeitig vor Fertigstellung und Inbetriebnahme des Polders in der beabsichtigten Weise auf die Deichberme verlegt wird und die Ortsgemeinde A. damit auch bei Flutung des Polders hinreichend sicher an das Straßennetz angebunden ist, müsste dieses Problem durch eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses oder durch ein ergänzendes Verfahren gelöst werden. Denn für hoheitliche Planungen gilt der Grundsatz der Problembewältigung; der Planfeststellungsbeschluss muss die von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme bewältigen (BVerwG, Urteile vom 7. März 2007 - 9 C 2.06 - BVerwGE 128, 177 Rn. 19 und vom 13. Oktober 2011 - 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 151). Andererseits erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung der Deichausbauplanung Gesichtspunkte festgestellt werden können, die zu einer Irrelevanz des Abwägungsfehlers für das Ergebnis führen könnten. Der Umstand, dass die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausreichen, um die Frage der Ergebnisrelevanz abschließend entscheiden zu können, nötigt damit ebenfalls zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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Auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an.
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4. Im Übrigen verstößt das Berufungsurteil nicht gegen Bundesrecht.
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a) Das gilt zunächst für die Annahme des Berufungsgerichts, dass wegen der nachträglichen Ergänzung der Nebenbestimmung III Nr. 13.4 des Planfeststellungsbeschlusses um den Satz, dass eine Flutung der Hochwasserrückhaltung in W./A./N. nur dann erfolgen dürfe, wenn der Wasserstand im Neuhofener Altrhein von 90,00 müNN nicht überschritten sei, kein neues Planfeststellungsverfahren habe durchgeführt werden müssen. Bei dieser Ergänzung handele es sich um eine Planänderung von unwesentlicher Bedeutung, bei der der Beklagte nach § 114 Abs. 1 LWG i.V.m. § 76 Abs. 2 VwVfG von einem neuen Planfeststellungsverfahren habe absehen können, weil Belange anderer nicht berührt worden seien. Dies ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
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aa) Das Berufungsgericht hat den Planfeststellungsbeschluss in seiner ursprünglichen Fassung dahingehend ausgelegt, dass die Flutung der Wasserrückhaltung unabhängig vom Erreichen eines bestimmten Wasserstandes im Neuhofener Altrhein zulässig gewesen sei. Insbesondere habe dort nicht ein Wasserstand von 89,4 müNN erreicht sein müssen. Die Auslegung eines Verwaltungsakts unterliegt als Tatsachenwürdigung nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Kontrolle. Zu prüfen ist, ob das Tatsachengericht den Regelungsgehalt des Verwaltungsakts nach den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln ermittelt hat. In diesem Fall ist der tatrichterlich ermittelte Erklärungsinhalt als Tatsachenfeststellung nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Dem Revisionsgericht ist eine eigene Auslegung des Verwaltungsakts nur möglich, wenn das Tatsachengericht in seiner Entscheidung nichts Näheres ausführt und insbesondere sein Auslegungsergebnis nicht begründet hat. Liegt dagegen - wie hier - eine solche Begründung vor, bedarf es einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Verfahrensrüge, um das Auslegungsergebnis anzugreifen; die bloße Darlegung einer abweichenden, von einem Beteiligten für richtig gehaltenen Auslegung eines Verwaltungsakts genügt dagegen nicht. Revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt ferner, ob sich das Tatsachengericht durch eine fehlerhafte Vorstellung vom Inhalt des Bundesrechts den Blick für die zutreffende Auslegung verstellt hat (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 74 m.w.N.).
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Ausgehend hiervon ist der Senat an die Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses durch das Oberverwaltungsgericht gebunden. Für die Auslegung eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Hiervon ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat für die Auslegung insbesondere die Antragsunterlagen herangezogen und damit Unterlagen, die auch den von dem Vorhaben Betroffenen bekannt sind oder sein können. Anhaltspunkte dafür, dass es sich von rechtlichen Fehlvorstellungen hat leiten lassen, sind nicht ersichtlich.
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Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Das Berufungsgericht musste den im Schriftsatz vom 12. Februar 2009 enthaltenen Hilfsbeweisanträgen nicht nachgehen. Maßgeblich für die Prüfung, ob das Tatsachengericht seiner Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO genügt hat, ist die seiner Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung, und zwar selbst dann, wenn diese - was hier nicht der Fall ist - der rechtlichen Überprüfung nicht standhält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Oktober 1984 - 6 C 49.84 - BVerwGE 70, 216 <221 f.> und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>). Das Berufungsgericht war - wie dargelegt - der Auffassung, dass der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss keine Regelung eines Maximalwasserstandes des Neuhofener Altrheins enthalten habe, sondern diese erst durch die in Rede stehende Ergänzung der Nebenbestimmung erfolgt sei. Die Hilfsbeweisanträge gingen demgegenüber von der Annahme aus, dass im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss bereits ein Maximalwasserstand des Neuhofener Altrheins von 89,4 müNN ab Voraussetzung für den Beginn der Flutung festgesetzt sei; sie zielten auf die Ermittlung der Risiken, die aus einer Erhöhung dieses Maximalwasserstandes folgen könnten. Dies bedarf indessen aus Sicht des Berufungsurteils keiner Klärung. Die der Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses in seiner ursprünglichen Fassung zugrunde liegenden Tatsachen, insbesondere der Inhalt der Antragsunterlagen und ihr Verständnis durch die Beteiligten, waren nicht Gegenstand der Anträge.
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Das Berufungsgericht hat ferner nicht seine Aufklärungspflicht durch die Unterstellung eines unwahren oder aktenwidrigen Teilsachverhalts verletzt. Diesem Vorbringen der Revision liegt ebenfalls die Auffassung zugrunde, dass im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss bereits ein Höchstwasserstand festgesetzt gewesen sei.
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Vor diesem Hintergrund liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor. Art. 103 Abs. 1 GG verwehrt es den Gerichten nicht, das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts außer Betracht zu lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1985 - 1 BvR 33/83 - BVerfGE 70, 288 <294>). Daher kann eine Beweisaufnahme unterbleiben, wenn es auf die Beweisfrage nicht ankommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 - 1 BvR 355/86 - BVerfGE 82, 209 <235>). Das war hier aus der maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts der Fall.
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bb) Ausgehend von der dargelegten Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses hat das Berufungsgericht die Ergänzung der Nebenbestimmung zutreffend als Planänderung von unwesentlicher Bedeutung angesehen, die die Belange anderer nicht berührt. Als zusätzliche Voraussetzung für den Einsatz der gesteuerten Hochwasserrückhaltung hat sie die Hochwassersituation in der von Stau-, Grund- und Druckwassergefahren betroffenen Umgebung dieser Rückhaltung - und damit auch für die Kläger - nicht verschlechtert, sondern verbessert.
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Die Auffassung des Berufungsgerichts verstößt auch nicht gegen § 1 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG. Die Ergänzung der Nebenbestimmung führt nicht dazu, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht mehr hinreichend bestimmt ist. Die hinreichende inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsakts setzt voraus, dass dessen Entscheidungsgehalt für den Betroffenen nach Art und Umfang aus sich heraus erkennbar und verständlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11). Das ist hier der Fall. Die Revision leitet die von ihr angenommene Widersprüchlichkeit des Planfeststellungsbeschlusses daraus ab, dass schon im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss ein Höchstwasserstand im Neuhofener Altrhein als Voraussetzung der Flutung festgesetzt worden sei; von einer solchen Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses ist jedoch aus den dargelegten Gründen nicht auszugehen.
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b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines zwingenden Versagungsgrundes nach § 31 Abs. 5 Satz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG a.F.) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 2002 (BGBl. I S. 3245), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 25. Juni 2005 (BGBl. I S. 1746), verneint. Nach dieser Vorschrift ist der Planfeststellungsbeschluss zu versagen, soweit von dem Ausbau eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwassergefahr oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, zu erwarten ist.
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Der nähere Inhalt des Begriffs des Wohls der Allgemeinheit ist nur schwer zu bestimmen; er bedarf wegen seiner Abstraktheit der Konkretisierung (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 1989 - 4 C 30.88 - BVerwGE 81, 347 <349> zu § 6 Abs. 1 WHG a.F). Soweit es um Hochwassergefahren geht, hat der Gesetzgeber den Begriff selbst konkretisiert. Ob der Ausbau eines Gewässers die Hochwassergefahr erheblich, dauerhaft und nicht ausgleichbar erhöht (§ 31 Abs. 5 Satz 3 Alt. 1 WHG a.F., nunmehr § 68 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 WHG), ist nicht bezogen auf einzelne Grundstücke, sondern bezogen auf den räumlichen Einwirkungsbereich des Vorhabens insgesamt zu beurteilen. Führt ein dem Hochwasserschutz dienender Gewässerausbau insgesamt zu einer Verringerung der Hochwassergefahr, stellt eine mit dem Ausbau verbundene lokale Erhöhung der Stau-, Grund- und Druckwassergefahren keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit im Sinne des § 31 Abs. 5 Satz 3 Alt. 1 WHG a.F. dar. Derartige Folgeprobleme einer Hochwasserschutzmaßnahme sind im Planfeststellungsverfahren insbesondere durch die Anordnung von Schutzmaßnahen zu bewältigen. Soweit es um die Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, geht (§ 31 Abs. 5 Satz 3 Alt. 2 WHG a.F.), ist eine solche Gesamtbetrachtung hingegen nicht gerechtfertigt; insoweit können auch kleinräumige Zerstörungen solcher Flächen das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigen.
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Das Berufungsurteil steht mit diesen Grundsätzen in Einklang. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die von den Klägern im Blick auf § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG a.F. geltend gemachten Risiken nur diese selbst in ihrer individuellen Situation träfen. Das Vorhaben führe aber gerade zu einer Minderung der Hochwassergefahr in den Siedlungsgebieten des Rheins. Es bewirke auch keine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen.
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c) Auch soweit das Berufungsgericht die vom Beklagten vorgenommene Abwägung als rechtmäßig angesehen hat, verstößt das Berufungsurteil - abgesehen von der bereits erörterten Anbindung der Klägerin zu 1 an das Straßennetz - nicht gegen Bundesrecht. Die von den Klägern geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
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aa) Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein auf § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG a.F. gestützter Planfeststellungsbeschluss eine planerische Abwägung voraussetzt, in deren Rahmen die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander und untereinander gerecht mit dem Ziel abzuwägen sind, eine inhaltlich in sich abgewogene Planung zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1978 - 4 C 25.75 - BVerwGE 55, 220 <227>). Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, in die Abwägung nicht alle Belange eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden mussten oder die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1974 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.>, und vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 54). Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt und ohne Verstoß gegen Bundesrecht angewandt.
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bb) Hinsichtlich der Gefahr eines Deichbruchs und des Risikos einer Überschwemmung durch Qualmwasser und Starkregenereignisse ist das Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung sachverständiger Stellungnahmen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte die widerstreitenden Belange zutreffend ermittelt und gegeneinander abgewogen hat. Das gilt sowohl für die von der Revision in diesem Zusammenhang ins Feld geführte Möglichkeit der Bildung unterirdischer Kiesrinnen als auch für die Folgen des Zusammentreffens einer Polderflutung mit extremen Niederschlagsereignissen. Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist diese rechtliche Bewertung nicht zu beanstanden. Die Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1974 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <64>).
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Im Hinblick auf die Frage, ob durch das Vorhaben die Gefahr eines Deichbruchs droht, machen die Kläger allerdings eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und der gerichtlichen Aufklärungspflicht sowie ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Der Sachverhalt sei hinsichtlich im Untergrund vorhandener Kiesrinnen mangelhaft aufgeklärt worden. Ihre im Schriftsatz vom 12. Februar 2009 enthaltenen Hilfsbeweisanträge Nr. 6 bis 9 seien zu Unrecht abgelehnt worden. Diese Rügen sind nicht begründet.
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aaa) Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41>). Das dem Gericht dabei zur Bestimmung von Art und Anzahl einzuholender Sachverständigengutachten nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO zustehende Ermessen wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung weiterer Gutachten oder gutachterlicher Stellungnahmen absieht, obwohl die Notwendigkeit dieser weiteren Beweiserhebung sich ihm hätte aufdrängen müssen. Dies ist dann der Fall, wenn die vorliegenden Gutachten oder gutachterlichen Stellungnahmen offen erkennbare Mängel enthalten, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sich aus ihnen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit der Gutachter ergeben oder wenn sich herausstellt, dass es sich um eine besonders schwierige Fachfrage handelt, die ein spezielles Fachwissen erfordert, das bei den bisherigen Gutachtern nicht vorhanden ist. Fehlerhaft ist die gerichtliche Ermessensausübung hinsichtlich der Einholung eines Sachverständigengutachtens ferner dann, wenn sich das Gericht eine ihm nicht zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 1983 - 3 C 56.82 - BVerwGE 68, 177 <182 f.>). Eine Verpflichtung des Berufungsgerichts, zusätzlich zu den vorliegenden gutachtlichen Stellungnahmen weitere Gutachten einzuholen oder in sonstige Ermittlungen einzutreten, besteht hingegen nicht allein schon deshalb, weil ein Beteiligter die bisher vorliegenden Erkenntnisquellen im Ergebnis für unzutreffend hält (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Oktober 1985 - 9 C 3.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 38 und vom 6. Oktober 1987 - 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31; Beschluss vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 109 Rn. 4).
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bbb) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht nicht verletzt. Es hat sich mit der Frage der Entstehung von Kiesrinnen und den aus ihnen folgenden Risiken ausführlich befasst. Dabei hat es die Inhomogenität der Bodenschichten nicht in Abrede gestellt, sondern ist zu der Überzeugung gelangt, dass weitere Untersuchungen nicht zu einem Zuwachs an Erkenntnis führen würden und der von Kiesrinnen ausgehenden Gefahr durch Maßnahmen im Verlauf des Polderbaus begegnet werden könne. Dieses Ergebnis hat es auf eine Mehrzahl sachverständiger Stellungnahmen gestützt und sich daher keine ihm nicht zustehende Sachkunde angemaßt.
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Die Revision beanstandet, dass das Berufungsgericht sich auf ein Grundwassermodell gestützt habe, dem geologische und hydrogeologische Daten zugrunde lägen, die auf einer hydrogeologischen Untersuchung des Rhein-Neckar-Raums sowie der Bodenkarte des geologischen Landesamtes Rheinland-Pfalz beruhten. Es handele sich dabei um großräumige Kartenwerke, die für eine kleinräumig relevante Gefährdungsabschätzung nicht geeignet seien. Damit werden Mängel im oben genannten Sinne nicht aufgezeigt. Die Daten sind nur Grundlage der durchgeführten Untersuchung. Das Berufungsgericht hat selbst ausgeführt, dass das dabei verwendete Grundwassermodell Schwachstellen aufweise und der maximale Wasserandrang mit dem Modell nicht genau bestimmt werden könne. Diese Ungenauigkeiten könnten aber mit einer konservativen Abschätzung der Modellparameter kompensiert werden, was hier auch erfolgt sei. Weitere Untersuchungen seien nur mit einem unzumutbaren Aufwand möglich und könnten keine erheblich höhere Sicherheit vermitteln (UA S. 66). Diese Ausführungen lassen nicht erkennen, dass die vom Berufungsgericht herangezogenen sachverständigen Stellungnahmen offen erkennbare Mängel enthielten oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgingen. Ebenso wenig lässt sich darauf der weitere Vorwurf der Kläger stützen, dass das Berufungsgericht das Problem der oberflächennahen Inhomogenität bei Kies- oder Grobsandrinnen verkannt habe.
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ccc) Soweit die Kläger rügen, die Hilfsbeweisanträge Nr. 6 bis 9 seien zu Unrecht abgelehnt worden, wird dies in der Revisionsbegründung nicht näher dargelegt. Insoweit ist daher nicht erkennbar, weshalb sich die Einholung gerade der dort für notwendig erachteten Sachverständigengutachten dem Berufungsgericht hätte aufdrängen müssen.
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ddd) Der von den Klägern weiter gerügte Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt ebenfalls nicht vor. Das auf die Entstehung und die Folgen von Kiesrinnen bezogene Vorbringen der Kläger und ihres Sachverständigen ist im Berufungsurteil zusammenfassend wiedergegeben (UA S. 64). Dass das Berufungsgericht diesem Vorbringen nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß.
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cc) Im Hinblick auf die Problematik der Überschwemmungsgefahr durch Qualmwasser und kumulierende Starkregenereignisse macht die Revision ebenfalls einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs geltend. Auch insoweit habe das Berufungsgericht ihre Hilfsbeweisanträge im Schriftsatz vom 12. Februar 2009 (Nr. 3 - teilweise - sowie Nr. 4 und 5) zu Unrecht abgelehnt.
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Hieraus ergibt sich nach den dargelegten rechtlichen Maßstäben kein Aufklärungsmangel. Das Berufungsgericht hat sich mit den Risiken einer Überschwemmung, die sich aus dem gleichzeitigen Auftreten von Qualmwasser und Starkregenereignissen ergeben können, auseinandergesetzt und dabei insbesondere nicht verkannt, dass ein Anstieg des Neuhofener Altrheins grundsätzlich auch Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel in A. haben könnte (UA S. 61 ff.). Warum sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit weiterer sachverständiger Stellungnahmen hätte aufdrängen müssen, ist weder dargelegt noch somit ersichtlich; die Kläger halten lediglich die Ergebnisse der sachverständigen Stellungnahmen, auf die das Berufungsurteil gestützt ist, für unzutreffend. Ihren Anspruch auf rechtliches Gehör hat das Berufungsgericht, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ebenfalls nicht verletzt.
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dd) Schließlich verstößt das Berufungsurteil hinsichtlich der in dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss getroffenen Standortauswahl nicht gegen Bundesrecht.
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aaa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Alternativenprüfung im Rahmen der fachplanungsrechtlichen Abwägung müssen ernsthaft in Betracht kommende Standortalternativen ermittelt, bewertet und untereinander abgewogen werden. Die Standortwahl ist erst dann rechtswidrig, wenn sich die verworfene Alternative entweder als die eindeutig vorzugswürdige Lösung hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 98 und vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 66). Von einer Alternative kann nicht mehr gesprochen werden, wenn eine Variante auf ein anderes Projekt hinausläuft. Das ist dann der Fall, wenn ein mit dem Vorhaben verbundenes wesentliches Ziel mit einer Alternative nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 143; Beschluss vom 16. Juli 2007 - 4 B 71.06 - juris Rn. 42).
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Das Berufungsgericht hat - ausgehend von diesen Grundsätzen - dargelegt, welche Erwägungen zu der Entscheidung für den gewählten Standort des Vorhabens geführt haben. Es hat die Reduzierung der Hochwasserspitzen und die Entkoppelung der Hochwasserwellen im Bereich der Neckarmündung - mit dem Ziel einer Abwehr des Hochwassers in M. und L. - als wesentliche Ziele der Planung gewertet, die am Standort H. nicht verwirklicht werden könnten. Die Errichtung einer Wasserrückhaltung am Standort H. stellt hiernach keine zumutbare Alternative dar.
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bbb) Die im Hinblick auf die Standortauswahl erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet. Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht sei ihren Hilfsbeweisanträgen in einem (weiteren) Schriftsatz vom 12. Februar 2009 zu Unrecht nicht nachgegangen. Diese Hilfsbeweisanträge sind auf Umstände gerichtet, aus denen sich aus Sicht der Kläger die Vorzugswürdigkeit des Standorts H. ergibt.
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Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass das mit dem Polder A./W./N. verfolgte Ziel der Hochwasserscheitelreduzierung auch mit einem Polder am Standort H. erreicht werden könne, hat das Oberverwaltungsgericht abgelehnt, weil die Kläger dem Vortrag des Fachreferenten für Hochwasserschutz Dr. M., wonach mit dem Polder im Bereich A. eine wesentlich höhere Scheitelreduktion der Hochwasserwelle als durch eine vergleichbare Variante im Bereich H. erreicht werden könne, nicht substantiiert widersprochen hätten (UA S. 57). Der Einwand fehlender Substantiierung rechtfertigt es grundsätzlich, von weiterer Sachverhaltsaufklärung abzusehen (BVerwG, Beschluss vom 22. November 2013 - 7 B 16.13 - juris Rn. 5 f.). Die Kläger zeigen nicht auf, dass das Oberverwaltungsgericht die Substantiierungsanforderungen, die sich nach der konkreten prozessualen Situation richten, überspannt haben könnte. Die übrigen Hilfsbeweisanträge waren auf Umstände gerichtet, aus denen sich insbesondere im Hinblick auf Belange des Naturschutzes die Vorzugswürdigkeit des Standortes H. ergeben sollte. Diese Umstände waren, da dieser Standort für den Hochwasserschutz im Bereich der Neckarmündung aus den dargelegten Gründen schon keine Alternative darstellt, nicht entscheidungserheblich.
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5. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die von den Klägern angeregte Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszuges in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1967 - 4 C 147.65 - BVerwGE 28, 317), liegen nicht vor.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines "Negativzeugnisses", wonach für die Erweiterung des sogenannten Vorfeldes A des Flughafens A. weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung erforderlich ist, sowie um die Verpflichtung des Beklagten, der Beigeladenen die Nutzung der - inzwischen fertig gestellten und in Betrieb genommenen - erweiterten Vorfeldfläche bis zum Abschluss eines luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens zu untersagen.
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Die Kläger sind Eigentümer selbst bewohnter Hausgrundstücke, die sich in etwa einem Kilometer Entfernung zum Flughafen A. befinden. Das Grundstück der Klägerin zu 2 liegt zudem in der Nacht-Schutzzone nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG.
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Nach Durchführung eines wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens bei der Stadt A. zeigte die Beigeladene die geplante Vorfelderweiterung nach § 41 Abs. 1 LuftVZO luftverkehrsrechtlich an. Mit einem als Negativzeugnis bezeichneten Bescheid vom 26. April 2007 teilte das Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden Ministerium) der Beigeladenen mit, die Prüfung ihrer Anzeige habe ergeben, dass eine Planfeststellung und eine Plangenehmigung nicht erforderlich seien, weil das Vorhaben eine unwesentliche Erweiterung der Flughafenanlage darstelle. Den Antrag der Kläger, für den Ausbau des Vorfeldes A auf dem Flughafen der Beigeladenen die Erforderlichkeit eines Planfeststellungsverfahrens mit Umweltverträglichkeitsprüfung festzustellen und die im November 2007 aufgenommene Nutzung der Erweiterung des Vorfeldes A bis zum Abschluss des luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens zu untersagen, lehnte das Ministerium mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 ab.
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Das Oberverwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit die Kläger die Aufhebung des Negativzeugnisses vom 26. April 2007 beantragt haben, und die Klage abgewiesen, soweit die Kläger beantragt haben, den Beklagten zu verpflichten, der Beigeladenen die Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. bis zum Abschluss eines luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens und einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu untersagen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage gegen das Negativzeugnis sei zulässig. Bei dem Negativzeugnis handle es sich um einen für einen Dritten anfechtbaren Verwaltungsakt. Auch seien die Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Eine (mögliche) Verletzung subjektiver Rechte liege danach u.a. dann vor, wenn einem Drittbetroffenen die planerische Abwägung seiner dem Vorhaben entgegenstehenden Belange wegen der fehlerhaften Wahl der Verfahrensart versagt geblieben sei. Materiell-rechtlicher Anknüpfungspunkt sei insofern die (drittschützende) Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 LuftVG. Der in der Norm verwendete Begriff "beeinträchtigt" sei - wie bisher - im Sinne von "beeinflusst" auszulegen. Eine solche Beeinflussung sei bereits dann gegeben, wenn Belange anderer in mehr als nur unerheblicher, also abwägungsrelevanter Weise berührt würden. Das sei hier der Fall. Als in der Nachbarschaft oder im Einwirkungsbereich des Flughafens wohnende Personen könnten die Kläger jeweils als eigenen Belang geltend machen, von den Lärmauswirkungen des Erweiterungsvorhabens betroffen zu sein. Darauf, dass nach der Schalluntersuchung die - unstreitig zu erwartende - Lärmsteigerung im Bereich des Abwägungsunerheblichen liegen möge, könne hier nicht entscheidend abgestellt werden, weil die Schalluntersuchung und das ergänzende Gutachten, das die Beigeladene während des Gerichtsverfahrens beigebracht habe, auf einer fehlerhaften Verkehrsprognose beruhten. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die verfahrensgegenständliche Erweiterungsmaßnahme zu abwägungserheblichen Erhöhungen der Lärmbelastung der Kläger komme. Die Klage sei auch begründet. Für die Erweiterung des Vorfelds A bestehe eine Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung der Umweltverträglichkeit nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG. Diese sei - wegen der nicht plausiblen Bewertung der Lärmbelastung der Kläger - fehlerhaft. Hierauf könnten sich die Kläger gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 UmwRG berufen. Einer eigenen Rechtsverletzung bedürfe es insofern nicht. Die Klage auf Nutzungsuntersagung sei dagegen unzulässig. Den Klägern fehle insofern die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Diese ergebe sich weder aus dem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch noch aus § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 LuftVG, weil eine (mögliche) Rechtsverletzung hier noch nicht einmal ansatzweise erkennbar sei. Auf das subjektive Recht der Kläger auf abwägende Berücksichtigung ihrer Belange könne nicht abgestellt werden, weil ihm mit der beantragten Nutzungsuntersagung nicht Rechnung getragen würde oder werden könnte. Eine abwägungsfehlerhafte Verkürzung von Lärmschutzbelangen führe in der Regel nicht zur Blockierung des Vorhabens, weil den Lärmschutzbelangen durch Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, insbesondere in Gestalt von Lärmschutzauflagen, Rechnung getragen werden könne. Auch für eine Verletzung des Rechts der Kläger auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) fehle es an Anhaltspunkten. Schließlich ergebe sich auch aus europäischem Recht keine Klagebefugnis.
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Die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision haben die Beteiligten eingelegt, soweit sie jeweils unterlegen sind.
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Beklagter und Beigeladene sind der Meinung, die Klage sei bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Sie tragen vor, bei dem Negativzeugnis handele es sich um keine Entscheidung, die von einem Dritten angefochten werden könne. Sie weise keinerlei planungsrechtlichen Gehalt auf. Es handele sich vielmehr um eine Verfügung des Aufsichtsrechts nach den §§ 41, 47 LuftVZO. Unabhängig davon seien die Kläger jedenfalls nicht klagebefugt. Einen Anspruch auf die Durchführung des richtigen Verfahrens, namentlich eines Planfeststellungsverfahrens, gebe es nicht. Auch aus dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung ergäben sich keine einklagbaren Rechte Dritter. Schließlich lasse sich die Klagebefugnis auch nicht aus § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG herleiten; denn die Norm stelle auf eine Rechtsbeeinträchtigung und nicht auf eine bloße Rechtsbeeinflussung ab. Eine Beeinträchtigung von Rechten anderer sei aber nur dann gegeben, wenn ein direkter Zugriff auf fremde Rechte erfolge. Das sei hier nicht der Fall. Diese gesetzgeberische Entscheidung sei zu respektieren. Eine Klagebefugnis aus anderen Gründen sei nicht erkennbar.
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Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet. So habe das Oberverwaltungsgericht bereits verkannt, dass hier kein Vorhaben i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UVPG vorliege. Denn die verfahrensgegenständlichen Maßnahmen am Flughafen seien von den bisher erteilten Genehmigungen gedeckt. Das folge (auch) aus § 71 Abs. 2 LuftVG. Die UVP-Vorprüfung weise zudem weder Ermittlungsfehler noch Ermittlungsdefizite auf. Unabhängig davon verstoße die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, das Ergebnis der UVP-Vorprüfung sei nicht nachvollziehbar, gegen § 3a Satz 4 UVPG, weil das Gericht die Anforderungen an deren Überprüfung überspannt habe.
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Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht die Klage auf Nutzungsuntersagung abgewiesen. Es habe die Anforderungen an die Klagebefugnis verkannt. Diese folge auch insoweit aus dem klägerischen Anspruch auf gerechte Abwägung ihrer Lärmschutzbelange. § 42 Abs. 2 VwGO i.V.m. dem allgemeinen (Vollzugs-)Folgenbeseitigungsanspruch und § 29 Abs. 1 LuftVG seien zudem dahingehend auszulegen, dass eine Verletzung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorgaben des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und der sog. UVP-Richtlinie zugleich eine die Klagebefugnis begründende Rechtsverletzung zumindest der - wie die Kläger - qualifiziert in ihren Rechten Betroffenen vermittele. Hieraus resultiere auch ein Anspruch auf Nutzungsuntersagung der Vorfelderweiterung zugunsten der Kläger.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen von Beklagtem und Beigeladener sind unbegründet (1.). Auf die Revision der Kläger war das angefochtene Urteil zu ändern und der Beklagte antragsgemäß zu verpflichten, die Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. bis zur luftverkehrsrechtlichen Zulassung der Ausbaumaßnahme gegenüber der Beigeladenen zu untersagen (2.).
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1. a) Die Klage gegen die Unterbleibensentscheidung ("Negativzeugnis") vom 26. April 2007 ist zulässig. Sie ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft (aa), und die Kläger besitzen die hierfür erforderliche Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (bb).
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aa) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 3 des Luftverkehrsgesetzes - LuftVG - einen - auch für einen Dritten anfechtbaren - Verwaltungsakt darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - BVerwGE 115, 158 <163> = juris Rn. 60; ferner Urteile vom 8. Oktober 1976 - 7 C 24.73 - Buchholz 442.01 § 28 PBefG Nr. 3 zum Personenbeförderungsrecht und vom 15. Januar 1982 - 4 C 26.78 - BVerwGE 64, 325 = juris Rn. 21 zum Fernstraßenrecht). Hieran ist festzuhalten. So hat der 7. Senat die Verwaltungsakteigenschaft einer Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - wiederholt bejaht (BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2010 - 7 C 2.10 - Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 8 Rn. 21 und vom 7. August 2012 - 7 C 7.11 - Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 9 Rn. 13). Für die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG kann nichts anderes gelten, zumal diese - anders als die Freistellungserklärung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG - zusätzlich eine entsprechende Ermessensausübung durch die Planfeststellungsbehörde erfordert. Hiervon geht offenbar auch das Ministerium aus, denn es hat seiner Unterbleibensentscheidung Nebenbestimmungen in Form von zwei Auflagen und einem Auflagenvorbehalt beigefügt, die auf § 36 Abs. 2 Nr. 4 und 5 VwVfG NW gestützt wurden.
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Der Regelungsgehalt einer Entscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG besteht dabei zum einen in der Feststellung, dass es sich um eine Änderung/Erweiterung eines Flughafens handelt (i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG), die jedoch i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 bis 3 LuftVG von unwesentlicher Bedeutung ist, zum anderen in dem auf pflichtgemäßer Ermessensausübung beruhenden Verzicht der Behörde auf die Durchführung eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens sowie der hiermit verbundenen Freigabe der Maßnahme nach Luftverkehrsrecht. Die Entscheidung ergeht gegenüber dem Vorhabenträger (Anzeigender i.S.v. § 41 Abs. 1 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung - LuftVZO -) und besitzt damit Außenwirkung. Da nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG ein Fall von unwesentlicher Bedeutung nur dann vorliegt, wenn Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden, wirkt die Unterbleibensentscheidung auch gegenüber Dritten. Denn aufgrund dieser Entscheidung muss weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung und damit auch keine gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG umfassende Abwägung aller von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange erfolgen.
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bb) Die Kläger sind gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Es erscheint zumindest möglich, dass sie durch die Unterbleibensentscheidung in ihren durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geschützten Rechten verletzt werden.
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Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Ist der Kläger nicht Adressat eines Verwaltungsakts, sondern lediglich als Dritter betroffen, so ist für seine Klagebefugnis erforderlich, dass er die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt ist (stRspr; vgl. BVerwG, etwa Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 Rn. 14), und die Verletzung dieser Norm zumindest möglich erscheint. Eine Anfechtungsklage ist nur dann nach § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 - 11 C 17.93 - BVerwGE 95, 333 <334 f.>). Die insoweit an den klägerischen Sachvortrag zu stellenden Anforderungen dürfen - mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG - dabei nicht überspannt werden (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 = juris Rn. 41).
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Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG a. F. drittschützend ist (BVerwG, Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - BVerwGE 115, 158 = juris Rn. 27). Auch in der jetzigen Fassung ist die Vorschrift drittschützend, weil - trotz der durch das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2833) erfolgten Änderung (Ersetzung des Begriffs "beeinflusst" durch den Begriff "beeinträchtigt") - sich die von § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geforderte "Berücksichtigung von Rechten Dritter" nicht auf den direkten Zugriff auf Rechte beschränkt, sondern - nach wie vor - im Sinne einer "Beeinflussung der Rechte Dritter" zu verstehen ist; die Norm erfasst damit auch Drittbelange, die in mehr als unerheblicher, mithin abwägungsrelevanter Weise (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG ) berührt werden (in diese Richtung bereits BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 4 B 66.08 - juris Rn. 8 unter Verweis auf das Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - a.a.O. S. 164). Dies folgt aus einer an Wortlaut, Sinn und Zweck und der Systematik ausgerichteten Auslegung.
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§ 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG formuliert in seinem 1. Halbsatz dahingehend, dass "Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden". Diese Formulierung lehnt sich wohl an § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 1 LuftVG an (dort heißt es "Rechte anderer nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden"), so dass hieraus gefolgert werden könnte, dass mit den Formulierungen das Gleiche gemeint ist. Ein solches Verständnis ließe jedoch den jeweiligen Halbsatz 2 der Regelungen unberücksichtigt, der Rückschlüsse auf die Reichweite der "Rechte anderer" zulässt. Während § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG zum Inhalt hat, dass "die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben", heißt es in § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG lediglich, dass "mit den vom Plan Betroffenen entsprechende Vereinbarungen getroffen werden". § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG rechtfertigt somit den Schluss, dass "Rechte anderer" i.S.d. Halbsatzes 1 nur solche sein können, auf die durch ein Vorhaben unmittelbar zugegriffen werden soll. Zu einem solchen Schluss zwingt § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 LuftVG mit seiner offeneren Formulierung von den "entsprechenden Vereinbarungen" jedoch nicht. Vielmehr rechtfertigt er die Annahme, dass die in Halbsatz 1 angesprochenen Rechte anderer weiter zu fassen sind (mithin in Richtung auf die abwägungserheblichen Belange i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG) als die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 genannten.
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Auch die Systematik, die § 8 LuftVG zugrunde liegt, spricht für diese Auslegung. In § 8 LuftVG ist die Genehmigungsbedürftigkeit u.a. von Änderungen an bestehenden Flughäfen normiert. Die Vorschrift stellt dabei eine gewisse Rangfolge in Bezug auf die durchzuführenden Genehmigungsverfahren auf. Grundsätzlich ist für die Änderung von Flughäfen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG ein Planfeststellungsverfahren erforderlich. In bestimmten Fällen kann unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 LuftVG von einer Planfeststellung abgesehen und nur eine Plangenehmigung erteilt werden. Im Sonderfall der unwesentlichen Änderung kann nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG auch eine Unterbleibensentscheidung ergehen, mit der Folge, dass dann weder eine Planfeststellung noch eine Plangenehmigung erforderlich sind. Insbesondere der Vergleich zwischen den Regelungen in § 8 Abs. 2 Satz 1 und § 8 Abs. 3 Satz 2 LuftVG belegt, dass bei einer identischen Auslegung der Wörter "Rechte anderer nicht beeinträchtigt" die Voraussetzungen für eine Plangenehmigung oder eine Unterbleibensentscheidung weitgehend angeglichen würden. Die in § 8 Abs. 1 bis 3 LuftVG angelegte Stufenfolge würde hierdurch infrage gestellt. Wird dagegen die Formulierung in § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG in einem über den direkten Zugriff auf Rechte anderer hinausgehenden Sinne verstanden, bleibt das Stufenverhältnis der einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen gewahrt. Es kommt hinzu, dass sowohl die Planfeststellung als auch die Plangenehmigung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG das Ergebnis einer sämtliche durch das Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange Rechnung tragenden Abwägung sein müssen; eine solche Abwägung ist im Rahmen einer Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG nicht vorgesehen. Der Stufenfolge des § 8 LuftVG liegt damit der Gedanke zugrunde, nur solche Vorhaben von einer Planfeststellung/Plangenehmigung auszunehmen, deren Zulassung gerade keiner planerischen Abwägungsentscheidung bedarf. Diese Systematik ist aber nur dann gewahrt, wenn § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG in einem weiten Sinne verstanden wird, weil andernfalls durch die Unterbleibensentscheidung abwägungserhebliche Belange Dritter im luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahren ausgeblendet werden könnten.
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§ 8 Abs. 3 LuftVG dient ersichtlich der Verfahrensvereinfachung und der Verfahrensbeschleunigung für unwesentliche (= „einfache“) Änderungen/Erweiterungen eines Flughafens. Diese sollen in einem möglichst unkomplizierten Verfahren, insbesondere ohne eine sie rechtfertigende (umfassende) Abwägungsentscheidung, "zugelassen" und anschließend rasch verwirklicht werden können. Die Norm hat nicht den Zweck, die Genehmigungsbehörde von einer etwa erforderlichen Berücksichtigung abwägungserheblicher Belange Dritter freizustellen oder solche Belange abzuschneiden. Wo solche (schutzwürdigen, nicht geringwertigen und nicht makelbehafteten) Belange berührt werden, ist die Unterbleibensentscheidung nach deren Sinn und Zweck nicht das richtige Instrument zur Vorhabenfreigabe. Es bedarf dann vielmehr einer Planfeststellung/Plangenehmigung. Der hinter § 8 Abs. 3 LuftVG stehende Zweck würde verfehlt, wenn § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LuftVG auf die Fälle des direkten Zugriffs auf Rechte Dritter beschränkt würde.
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Die Kläger haben hinreichend substantiiert vorgetragen, dass eine Verletzung ihrer durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG geschützten abwägungserheblichen Belange aufgrund der ungeklärten Lärmauswirkungen der umstrittenen Maßnahme zumindest möglich erscheint. Die klägerischen Grundstücke liegen etwas über einen Kilometer vom Flughafen A. entfernt. Das Grundstück der Klägerin zu 2 liegt zudem in der Nacht-Schutzzone nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - FlugLärmG -. Die Erweiterung des Vorfeldes A sowie die weiteren hiermit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen erfolgen in Richtung auf ihr Grundstück. Nach dem von der Beigeladenen vorgelegten Gutachten der B. GmbH vom 23. Januar 2007 bedingt die Maßnahme eine Erhöhung der Lärmbelastung der Kläger, weil die Erweiterung zu einer Zunahme der Bewegungen auf dem Vorfeld A führt. Zwar kommt die B. GmbH zu dem Ergebnis, dass durch die Vorfelderweiterung lediglich mit einer Erhöhung des Lärmpegels um 0,5 dB(A) zu rechnen sei. Die Kläger haben diese Aussage sowie die Lärmbegutachtung aber unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts substantiiert in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund lässt sich dem Lärmschutzinteresse der Kläger nicht von vornherein jegliche Relevanz absprechen. Ob diesem Gesichtspunkt im konkreten Fall die Bedeutung zukommt, die ihm die Kläger beimessen, ist der Prüfung im Rahmen der Begründetheit vorzubehalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3 S. 25 = juris Rn. 20).
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b) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht von der Begründetheit der Klage ausgegangen.
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aa) Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, das Negativzeugnis sei rechtswidrig, weil eine Pflicht zur Durchführung einer UVP-Vorprüfung bestehe und die angestellte UVP-Vorprüfung aufgrund von Ermittlungsdefiziten im Ergebnis nicht nachvollziehbar sei (UA S. 21), verstößt nicht gegen revisibles Recht.
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(1) Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, für die Erweiterung des Vorfeldes A bestehe eine Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG -, denn hierbei handele es sich um die Erweiterung eines UVP-pflichtigen Vorhabens, die nicht von einer bestandskräftigen förmlichen Zulassungsentscheidung gedeckt sei (UA S. 22 f.). Das steht mit Bundesrecht im Einklang.
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Nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) - auch - für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn eine Vorprüfung des Einzelfalles i.S.v. § 3c Satz 1 und 3 UVPG ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Die Frage, ob es sich um eine Änderung oder Erweiterung im Sinne der Vorschrift handelt, beurteilt sich dabei nach materiellem Recht, vorliegend mithin nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG (Rathgeb, in: Giemulla/Schmid, LuftVG, Loseblatt Stand Oktober 2014, § 8 Rn. 18). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Änderung eines Flughafens vorliegt, wenn das Vorhaben vom Regelungsgehalt einer bestandskräftigen früheren Zulassungsentscheidung nicht mehr gedeckt ist; schon Zugelassenes bedarf nicht erneut einer Zulassung (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 - 4 C 16.04 - BVerwGE 127, 208 Rn. 31; Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 4 B 75.03 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 14 S. 9 f. = juris Rn. 16). Bezugspunkt und Maßstab für das Vorliegen einer Änderung ist mithin der bisherige Gestattungszustand (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149,17 Rn. 14). Insoweit ist der Begriff der Änderung in § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 LuftVG fachplanungsrechtlich determiniert (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 a.a.O. Rn. 31).
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Das Oberverwaltungsgericht hat sich im angefochtenen Urteil ausführlich mit der Genehmigungslage des Flughafens A. befasst (UA S. 23 bis 30) und ist in Auslegung der vorhandenen Genehmigungen zum Ergebnis gelangt, dass diese die Erweiterung des Vorfeldes A nicht abdecken. Der tatrichterlich ermittelte Inhalt der Genehmigungen ist als Tatsachenfeststellung i.S.d. § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <280>), weil weder der Beklagte noch die Beigeladene innerhalb der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine Verfahrensrüge erhoben haben, sondern sich darauf beschränken, der vorinstanzlichen Auslegung der Genehmigungen ihre eigene, davon abweichende Auslegung gegenüber zu stellen.
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Ist danach von einer Änderung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG auszugehen, so liegt damit auch eine Änderung i.S.v. § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG vor. Da gemäß § 3b Abs. 1 i.V.m. Nr. 14.12.1 der Anlage 1 UVPG (in der hier maßgeblichen Fassung zum 26. April 2007) der Bau eines Flugplatzes im Sinne der Begriffsbestimmungen des Abkommens von Chicago von 1944 zur Errichtung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation mit einer Start- und Landebahngrundlänge von - wie hier - 1 500 m oder mehr UVP-pflichtig ist, folgt hieraus, dass die Vorfelderweiterung einer UVP-Vorprüfung bedurfte.
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(2) Das Oberverwaltungsgericht hat ferner angenommen, dass die UVP-Vorprüfung durch den Beklagten nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG entspreche. Auch das lässt einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen.
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Nach § 3a Satz 4 UVPG ist, wenn die Feststellung, dass eine UVP unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG beruht, die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist.
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Gemäß § 3c Satz 1 UVPG muss die zuständige Behörde einschätzen, ob das Vorhaben aufgrund überschlägiger Prüfung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Nach § 3c Satz 3 UVPG ist bei der Vorprüfung auch zu berücksichtigen, inwieweit durch die vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen Umweltauswirkungen offensichtlich ausgeschlossen werden. Erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen, die die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen, liegen nicht erst dann vor, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 34, vom 16. Oktober 2008 - 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 32 und vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 37). Eine Umweltverträglichkeitsprüfung muss vielmehr durchgeführt werden, wenn Umweltauswirkungen bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht.
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Die Planfeststellungsbehörde darf im Rahmen der Vorprüfung nicht bereits mit einer der Umweltverträglichkeitsprüfung vergleichbaren Prüftiefe "durchermitteln" und damit unzulässigerweise die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung unter Missachtung der für diese obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen; sie ist vielmehr auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 35 und vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 25). Andererseits darf sich die Vorprüfung nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen. Hierzu zählen auch vom Vorhabenträger eingeholte Fachgutachten, die gegebenenfalls durch zusätzliche Ermittlungen der Planfeststellungsbehörde ergänzt werden können (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 25). Bei der Frage, welche Unterlagen und Informationen als geeignete Grundlage einer überschlägigen Prüfung benötigt werden, kommt der Behörde ein Einschätzungsspielraum zu (BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2006 - 4 C 16.04 - BVerwGE 127, 208 Rn. 49 und vom 20. August 2008 a.a.O.).
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Die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Beurteilung zur UVP-Pflichtigkeit unterliegt nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Zu untersuchen ist, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist (BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 24 und vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 - UPR 2014, 444 Rn. 16). Dementsprechend muss eine Vorprüfung überhaupt stattgefunden haben, und das Ergebnis der Vorprüfung darf keine Rechtsfehler aufweisen, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Diese Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle verdeutlicht, dass der Planfeststellungsbehörde für ihre prognostische Beurteilung möglicher Umweltauswirkungen des Vorhabens ein Einschätzungsspielraum zusteht (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29). Gefordert ist eine Plausibilitätskontrolle, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29). Dies bedeutet zugleich, dass nachträglich gewonnene Erkenntnisse, die die Auswirkungen in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten, für die Tragfähigkeit des Prüfergebnisses und damit der verfahrenslenkenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht maßgeblich sein können (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 29).
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Das Oberverwaltungsgericht hat vorliegend beanstandet, dass die Lärmauswirkungen, die mit der Nutzung des erweiterten Vorfeldes A verbunden sind, nicht auf der Grundlage einer realistischen Verkehrsprognose ermittelt und beurteilt worden seien. Das gelte namentlich für den Bodenlärm und für die Schalluntersuchung. Das Gutachten zur Kapazitätsveränderung durch ein erweitertes Vorfeld A am Flughafen A. vom Dezember 2006 der C. GmbH (C.-Gutachten) habe insofern unzutreffend auf die Flugbewegungen eines typischen Tages des Jahres 2005 und der sechs verkehrsreichsten Monate des Jahres 2005 abgestellt, anstatt von einem zu einem bestimmten Prognosezeitpunkt zu erwartenden Flugbewegungsaufkommen auszugehen. Das gelte auch für die hierauf aufbauende schalltechnische Untersuchung der B. GmbH vom Januar 2007 (UA S. 33 f.). Die Abschätzung des Bodenlärms sei daher aufgrund eines falschen Ansatzes oder Maßstabes unbrauchbar. Die Ergebnisrelevanz dieses Fehlers sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen in Gestalt von (erheblichem) Bodenlärm aus anderen Gründen offensichtlich nicht zu erwarten seien, denn solche Gründe seien nicht gegeben. Diese Ausführungen lassen einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen. Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sowohl das C.-Gutachten als auch die Lärmbegutachtung durch die B. GmbH nicht geeignet waren, die Unbeachtlichkeit der Lärmerhöhung durch die Erweiterungsmaßnahme in Richtung auf die klägerischen Wohngebäude zu belegen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist für die Lärmberechnung auf das tatsächliche Verkehrsaufkommen abzustellen, das in einem überschaubaren Zeitraum zu erwarten ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 - 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13, vom 3. März 1999 - 11 A 9.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 26 und vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 354; Beschluss vom 7. Februar 2001 - 11 B 61.00 - ZLW 2001, 455). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) fehlt es vorliegend an einer dieser Anforderung entsprechenden in die Zukunft gerichteten Verkehrsprognose zum Zeitpunkt des Erlasses der Unterbleibensentscheidung. Damit ist das Ergebnis der UVP-Vorprüfung, wonach es keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, nicht plausibel begründet.
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Dass das C.-Gutachten und das Gutachten der B. GmbH unzureichend waren, räumt letztlich auch der Beklagte ein. Er vertritt allerdings die Auffassung, die Mängel seien durch das auf Anforderung des Oberverwaltungsgerichts nachgereichte C.-Gutachten vom Juli 2012 geheilt worden. Eine solche Heilung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zulässig. Dem ist schon deshalb nicht zu folgen, weil das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass auch das nachgereichte Gutachten fehlerhaft ist. Zudem habe der Beklagte seine Bodenlärmbeurteilung aus Anlass der C.-Darstellung nicht ergänzt. Damit sei keine Heilung der Fehler bei der Beurteilung des Bodenlärms eingetreten (UA S. 38). Hieran ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da diese Feststellungen nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen worden sind.
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bb) Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht schließlich entschieden, dass sich die Kläger gemäß § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes - UmwRG - auf die fehlerhafte UVP-Vorprüfung berufen könnten, ohne dass es darüber hinaus der Feststellung einer Rechtsverletzung i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bedürfe.
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Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit u.a. eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 3 UVPG verlangt werden, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Anknüpfungspunkt für die Rechtsfolge einer Aufhebung der Zulassungsentscheidung ist mithin eine fehlerhaft unterbliebene UVP oder UVP-Vorprüfung. Diese Fehler sind erheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können, wie es § 46 VwVfG sonst voraussetzt. Die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG gilt in erster Linie für die umweltrechtliche Verbandsklage, ist aber gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO entsprechend anwendbar mit der Folge, dass die Verfahrensfehler auch insoweit unabhängig von den sonst geltenden einschränkenden Maßgaben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zur Begründetheit der Klage führen. Hieraus folgt, dass eine Genehmigungsentscheidung, die ohne die hierfür erforderliche UVP oder UVP-Vorprüfung getroffen worden ist, auf die Klage eines gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugten Dritten nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwRG allein wegen dieses Fehlers aufzuheben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014 Rn. 10). Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG gilt das auch, wenn - wie hier - eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügt.
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Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz findet nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG auch Anwendung auf die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG. Denn nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UVPG sind Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben Bewilligung, Erlaubnis, Genehmigung, Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, mit Ausnahme von Anzeigeverfahren. Entscheidungen, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, sind dabei vor allem solche, die ein Verwaltungsverfahren i.S.d. § 9 VwVfG abschließen (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149, 17). Hierzu zählt auch die Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG, weil sie ein Verwaltungsakt ist.
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2. Die Revision der Kläger ist dagegen erfolgreich. Ihre Klage ist zulässig (a) und begründet (b). Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist insofern mit Bundesrecht nicht vereinbar.
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a) Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, dass die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Untersagung der Nutzung der Erweiterung des Vorfeldes A unzulässig sei, weil den Klägern die nach § 42 Abs. 2 VwGO hierfür erforderliche Klagebefugnis fehle, trifft nicht zu.
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Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Verpflichtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein, und wenn nach seinem Vorbringen die Verletzung dieser Rechte möglich erscheint (vgl. oben). Da die Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 5 VwGO nur begründet ist, wenn ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes gegeben ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 - BVerwGE 77, 317 = juris Rn. 13), erfordert dies das Bestehen eines Rechtssatzes, der die Behörde zum Erlass dieses Verwaltungsaktes verpflichtet oder wenigstens ermächtigt und zugleich einen subjektiven Anspruch darauf gewährt sowie den jeweiligen Kläger in den Kreis der Berechtigten einbezieht (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1997 - 1 C 29.95 - BVerwGE 104, 115). Für die Klagebefugnis reicht es dabei aus, dass ein solcher Anspruch nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1991 - 4 C 23.88 - Buchholz 406.39 Denkmalschutzrecht Nr. 5; siehe auch BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2011 - 6 C 2.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 3 und vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 17, jeweils m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist es entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen, dass die Kläger einen Anspruch auf Erlass einer Nutzungsuntersagung oder wenigstens auf ermessensfehlerfreie Entscheidung haben.
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(1) Eine Rechtsgrundlage für das vom Beklagten verlangte aufsichtsbehördliche Einschreiten ist mit § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG vorhanden. Danach ist die Abwehr von betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt (Luftaufsicht) Aufgabe der Luftfahrtbehörden und der Flugsicherungsorganisation. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG um eine Norm, die sich auf das Gebot zur Gefahrenabwehr i.S.d. allgemeinen Polizeirechts beschränkt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 4 C 2.13 - juris Rn. 18). Schutzgut der Vorschrift ist, soweit es vorliegend darauf ankommt, die öffentliche Sicherheit. Sie umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, die Unversehrtheit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie Bestand und Funktionieren der Einrichtungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Eine Gefahr i.S.v. § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass ein Zustand oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für das Schutzgut führt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 a.a.O. Rn. 13). Hiervon ist etwa dann auszugehen, wenn ein Flughafen ohne die nach § 8 Abs. 1 und 2 LuftVG erforderliche Planfeststellung bzw. Plangenehmigung geändert wird und eine dies legitimierende Unterbleibensentscheidung nach § 8 Abs. 3 LuftVG fehlt, z.B. weil diese auf den Rechtsbehelf eines Dritten hin aufgehoben worden ist. Ist eine solche Gefahr gegeben, dann kann die hierfür zuständige Behörde die erforderlichen Verfügungen erlassen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG). Bei einer formell illegalen Änderung eines Flughafens lässt sich auf diese Regelung u.a. die Befugnis stützen, die Nutzung der geänderten Anlagen zu untersagen und damit die Störung der Rechtsordnung zu unterbinden (in diese Richtung bereits BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 2001 - 11 VR 16.00 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 18 = juris Rn. 11).
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(2) § 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG stellt das Einschreiten in das Ermessen der zuständigen Behörden. Damit besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Einschreiten, sondern nur ein solcher auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Allein in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf Null kann sich dieser Anspruch zu einem Rechtsanspruch verdichten. Nicht anders als in anderen Gebieten des öffentlichen Rechts, namentlich im öffentlichen Baurecht setzen sowohl der Anspruch auf Einschreiten als auch der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung voraus, dass der Dritte durch die formell illegale Anlage in seinen Rechten verletzt wird. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei geklärt, dass sich der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz grundsätzlich nur aus Rechtsvorschriften ableiten lässt, die das individuell geschützte private Interesse, die Art seiner Verletzung und den Kreis der unmittelbar geschützten Personen hinreichend deutlich klarstellen und abgrenzen (stRspr, vgl. BVerwG, etwa Urteil vom 20. Oktober 1972 - 4 C 107.67 - BVerwGE 41, 58 <63> = juris Rn. 18). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 - BVerwGE 52, 122). Er wird für die Kläger durch § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG vermittelt. Es erscheint zumindest möglich, dass die Kläger durch die Weigerung des Beklagten, die Nutzung des erweiterten Vorfeldes A vorläufig zu unterbinden, in ihrem Recht auf Abwägung ihrer Lärmschutzbelange verletzt sind. Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, mit der beantragten Nutzungsuntersagung könne der Rechtsverletzung nicht begegnet werden, ist unzutreffend. Zwar führt eine abwägungsfehlerhafte Nichtberücksichtigung oder Zurücksetzung von Lärmschutzbelangen in der Regel dazu, dass der Betroffene im Wege der Verpflichtungsklage auf eine Vervollständigung der Lärmschutzkonzeption zu seinen Gunsten dringen muss (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 290). Das bedeutet aber nicht, dass er das Vorhaben nicht, wie mit der Nutzungsuntersagung angestrebt, bis zur Fehlerbehebung blockieren könnte. Solange die Lärmschutzkonzeption defizitär ist, muss nämlich die beanstandete Nutzung einer Verkehrsfläche unterbleiben (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 290 und vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 77).
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b) Die Klage ist begründet. Der Senat kann die beantragte Verpflichtung des Beklagten selbst aussprechen, da die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts für diese Beurteilung ausreichend sind und die Sache spruchreif ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
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Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 29 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG und § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG auf Untersagung der Nutzung der Erweiterung des Vorfelds A am Flughafen A. gegenüber der Beigeladenen bis zur luftverkehrsrechtlichen Zulassung der Ausbaumaßnahme. Der dem widersprechende Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 war daher aufzuheben.
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aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 LuftVG liegen vor, weil die Vorfelderweiterung formell illegal ist.
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bb) Das dem Beklagten eröffnete Ermessen ist vorliegend zugunsten der Kläger dahingehend reduziert, dass der Beklagte gegen die nicht genehmigte Nutzung der Vorfelderweiterung durch die Beigeladene einschreiten muss. Ein Nutzungsverbot ist zwingende Konsequenz daraus, dass die Unterbleibensentscheidung vom Oberverwaltungsgericht - zu Recht - aufgehoben wurde, weil die UVP-Vorprüfung fehlerhaft durchgeführt worden ist, und die Kläger sich hierauf über § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG berufen können. Mit § 4 Abs. 3 UmwRG wollte der Gesetzgeber (vgl. BT-Drs. 16/2495 S.14) der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 - C-201/02 - [ECLI:EU:C:2004:12], Wells - Rn. 54 ff.) Rechnung tragen, der das fehlerhafte Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung vor Genehmigungserteilung als wesentlichen Verfahrensfehler behandelt hat, auf den sich der von der Genehmigung Betroffene ohne Weiteres berufen könne. Der Europäische Gerichtshof betont überdies in ständiger Rechtsprechung, dass ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes Gericht in der Lage sein müsse, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen (EuGH, Urteile vom 19. Juni 1990 - C-213/89 [ECLI:EU:C:1990:257], Factortame u.a. - Rn. 21, vom 13. März 2007 - C-432/05 [ECLI:EU:C:2007:163], Unibet - Rn. 67 und vom 15. Januar 2013 - C-416/10 [ECLI:EU:C:2013:8], Krizan u.a. - Rn. 107). Diese Ausführungen stehen zwar im Zusammenhang mit der Frage, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit bestehen muss, den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erreichen, mit der die Vollziehung einer Genehmigung bis zum Erlass der Endentscheidung (des Gerichts) vorübergehend ausgesetzt werden kann. Die Grundsätze müssen aber erst recht gelten, wenn eine entsprechende Genehmigung nach der Inswerksetzung des Vorhabens durch Urteil aufgehoben wurde, weil die für das Vorhaben erforderliche UVP-Vorprüfung fehlerhaft durchgeführt wurde und offen ist, ob das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf und zugelassen werden kann. Es kommt ein weiteres hinzu: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten gemäß dem (jetzt) in Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union - EUV - enthaltenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - C-6/90 und C-9/90 [ECLI:EU:C:1991:428], Francovich u.a. - Rn. 36). Eine solche Verpflichtung obliegt jeder Behörde des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen ihrer Zuständigkeiten (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 a.a.O. Rn. 64 m.w.N.). Begrenzt durch den Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, sind derartige Maßnahmen beispielsweise die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung zu dem Zweck, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen (EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 a.a.O. Rn. 65).
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Vor diesem Hintergrund sieht der Senat für Fälle wie den vorliegenden in § 4 Abs. 3 UmwRG eine Regelung, die das behördliche Ermessen in Bezug auf ein luftaufsichtsrechtliches Einschreiten dahingehend steuert, dass zugunsten der unter den Schutzbereich des § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG fallenden Nachbarschaft in der Regel eingeschritten werden muss. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Überlegung, dass ansonsten eine nicht zu rechtfertigende Rechtsschutzlücke entstünde. Der vorliegende Fall belegt dies anschaulich. Die Kläger sind zwar mit ihrer Klage gegen die Unterbleibensentscheidung durchgedrungen, vor dem Oberverwaltungsgericht mit dem Begehren auf Nutzungsuntersagung jedoch gescheitert. Solange der Beklagte bei dieser Sachlage nicht aus eigenem Entschluss gegen die Nutzung der Vorfelderweiterung durch die Beigeladene einschreitet, ändert sich faktisch für die Kläger nichts. Damit würde § 4 Abs. 3 UmwRG in der Sache leerlaufen. Das widerspricht nicht nur Unionsrecht (Effektivitätsgrundsatz), sondern auch Art. 19 Abs. 4 GG.
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Es mag Fallgestaltungen geben, in welchen ausnahmsweise unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von einer Nutzungsuntersagung eines wegen Verstoßes gegen die UVP-Vorprüfungspflicht formell illegalen Vorhabens abzusehen ist. Das bedarf aber keiner Vertiefung, weil für einen solchen Fall hier keine Anhaltspunkte bestehen und von der Beigeladenen auch nicht geltend gemacht worden sind.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO, bezüglich der Beigeladenen auch auf § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 13. August 2012, mit dem der Planfeststellungsbeschluss für den sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 3 (Frankfurt-Nürnberg) im Abschnitt Anschlussstelle (AS) Würzburg-Heidingsfeld/westlich Mainbrücke Randersacker vom 17. Dezember 2009 hinsichtlich der neuen Überführung des öffentlichen Feldwegs "Langer Kniebrecherweg" über die Bundesstraße B 19 (künftig: Überführung) geändert wird. Die lichte Weite der Überführung wird von 28 m auf 44,64 m und die Breite zwischen den Brückengeländern von 5,5 m auf 6 m vergrößert. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. März 2011 die Klage mehrerer Enteignungsbetroffener - darunter auch der Klägerin - gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 abgewiesen (- BVerwG 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 215).
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Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen wie folgt: Sie werde durch die mehrjährigen Bauarbeiten erheblichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt. Gerade die Überführung sei von zentraler Bedeutung für die Abwicklung des Bauverkehrs. Die an der Überführung geplanten Änderungen erlaubten einen noch stärkeren Bauverkehr mit zusätzlichen Immissionen. Hierüber hätte nicht isoliert entschieden werden dürfen, sondern nur zusammen mit den außerdem vorgesehenen Ergänzungen und Änderungen der Planung. Dies folge aus den Grundsätzen der Einheitlichkeit und Konzentration der Planfeststellung, der Pflicht zur Vorlage einer einheitlichen Ausführungsplanung nach der im Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss abgegebenen Protokollerklärung und dem aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes und dem Projektbegriff der UVP-Richtlinie herzuleitenden Gebot, die nachteiligen Auswirkungen aller unmittelbar mit dem Ausbau der A 3 verbundenen Maßnahmen auf Mensch und Umwelt insgesamt zu betrachten. Die Änderung der Überführung sei zudem Voraussetzung für den Bau der Behelfsbrücke über die B 19; sie hätte daher als Folgemaßnahme in das auf die Behelfsbrücke bezogene ergänzende Planfeststellungsverfahren einbezogen werden müssen. Von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht abgesehen worden. Diesen Verfahrensfehler könne nach Unionsrecht jeder zum Kreis der "betroffenen Öffentlichkeit" zählende Private unabhängig davon geltend machen, ob das Vorhaben seine eigenen Belange berühre.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 13. August 2012 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verteidigt in der Sache die angefochtene Entscheidung.
Entscheidungsgründe
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1. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO für diesen Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Eine Streitigkeit "betrifft" im Sinne dieser Vorschrift das Planfeststellungsverfahren, wenn sie Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens ist (Beschlüsse vom 12. Juni 2007 - BVerwG 7 VR 1.07 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 25 Rn. 8 und vom 11. Juli 2013 - BVerwG 9 VR 5.13 - NVwZ 2013, 1219 Rn. 8; stRspr). Dazu zählt auch der hier in Rede stehende Streit darüber, ob eine Planänderung ohne erneutes Planfeststellungsverfahren zugelassen werden durfte (§ 17d Satz 1 FStrG i.V.m. § 76 Abs. 2 VwVfG).
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2. Die Klage ist mangels Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) unzulässig. Die Klägerin kann sich nicht auf eigene Rechte berufen, deren Verletzung zumindest möglich erscheint (vgl. Urteil vom 22. Mai 1980 - BVerwG 3 C 2.80 - BVerwGE 60, 154 <157 f.> = Buchholz 451.731 KHG Nr. 3 S. 20 f.).
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a) Die Verletzung einer der Klägerin zustehenden materiellen Rechtsposition ist ausgeschlossen.
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aa) Die Klägerin kann keine Verletzung ihres Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) geltend machen. Der Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 zum Ausbau der A 3, der den Zugriff auf das Grundeigentum der Klägerin eröffnet, ist ihr gegenüber bestandskräftig geworden. Daher kann sie Änderungen oder Ergänzungen dieser Planung nur angreifen, wenn sie gerade erstmals oder weitergehend als bisher betroffen wird (Urteil vom 19. Dezember 2007 - BVerwG 9 A 22.06 - BVerwGE 130, 138 = Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 15 jeweils Rn. 20 und Beschluss vom 17. September 2004 - BVerwG 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 4 f.; ebenso Beschluss vom 22. September 2005 - BVerwG 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189 Rn. 4 ff. zu im ergänzenden Verfahren ergangenen Planänderungen). Gegenstand des angefochtenen Änderungsbescheides ist lediglich eine Ausdehnung der lichten Weite der Überführung und der Breite zwischen den Brückengeländern. Hierfür wird nicht erneut auf das Grundeigentum der Klägerin zugegriffen.
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bb) Eine Verletzung des aus dem Abwägungsgebot (§ 17 Satz 2 FStrG) folgenden Rechts auf gerechte Abwägung schutzwürdiger und mehr als nur geringfügig berührter privater Belange ist ebenfalls nicht möglich (vgl. Urteile vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <66> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 19 S. 12 und vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 16; Beschluss vom 9. November 1979 - BVerwG 4 N 1.78 u.a. - BVerwGE 59, 87 <102 f.> = Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 18 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 6; stRspr).
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(1) Die Klägerin kann nicht die Berücksichtigung derjenigen bauzeitlichen Immissionen verlangen, die dem Ausbau der A 3 zuzurechnen sind. Aufgrund des ihr gegenüber bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 ist sie zur Duldung dieser Belastungen verpflichtet (§ 17c FStrG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Dazu gehören auch die Lärm- und Schadstoffeinwirkungen durch den Bauverkehr zur Verwirklichung des planfestgestellten Ausbaus, der auf eigens dafür planfestgestellten Baustraßen - u.a. auf dem "Langen Kniebrecherweg" samt Überführung über die B 19 - abgewickelt wird.
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(2) Es ist ausgeschlossen, dass die Änderungen am Überführungsbauwerk für sich genommen zu Belastungen der mehr als 2 km entfernt wohnenden Klägerin durch Lärm und Schadstoffe führen können.
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Die Aufweitung der Breite zwischen den Geländern der Überführung von 5,5 m auf 6 m ist für den Umfang des Bauverkehrs und dessen räumliche und zeitliche Verteilung ohne jede Bedeutung. Diese Maßnahme dient nach den von der Klägerin nicht in Abrede gestellten Angaben des Beklagten der Anpassung der Fahrbahnbreite zwischen den Geländern an die Fahrbahnbreite der Rampen der Überführung; dadurch soll die dort vorgesehene Betriebsumfahrt für den Winter- und Straßenbetriebsdienst auf der A 3 verbessert werden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass durch die Aufweitung kein Gegenverkehr der Baufahrzeuge auf der Überführung ermöglicht wird. Die Kapazität der Baustraße "Langer Kniebrecherweg" bleibt also im Wesentlichen unverändert.
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Das gilt auch mit Blick auf die Vergrößerung der lichten Weite der Überführung. Die Annahme der Klägerin, dadurch könnten entlang der B 19 verlaufende Baustraßen unterhalb der Überführung eingerichtet werden, trifft nicht zu. Solche Baustraßen sind weder Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses noch des angefochtenen Änderungsbescheides. Sie können im Übrigen ausweislich der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung gezeigten Lichtbilder der bereits errichteten Überführung auch tatsächlich nicht eingerichtet werden. Soweit die Klägerin darauf verweist, die Überführung ermögliche einen Bauverkehr in Richtung Süden, ist nicht erkennbar, dass gerade die streitgegenständlichen Änderungsmaßnahmen hierfür verantwortlich sein könnten. Der angefochtene Bescheid legt keine weiteren Baustraßen fest und nur die planfestgestellten Baustraßen dürfen über den Gemeingebrauch hinaus durch Baufahrzeuge genutzt werden (Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 S. 40, 510 und 519 f.). Sollte die Klägerin geltend machen wollen, die Auf- und Abfahrrampen der Überführung seien tatsächlich abweichend von der Planung errichtet worden, um Möglichkeiten für einen Bauverkehr in Richtung Süden zu schaffen, ist dies für den vorliegenden Rechtsstreit unbeachtlich. Denn die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Streitigkeiten über fernstraßenrechtliche Planfeststellungsverfahren gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO umfasst nicht Streitigkeiten darüber, ob die konkrete Bauausführung sich im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses hält (vgl. Beschluss vom 11. Juli 2013 a.a.O. Rn. 8 f. m.w.N.). Gegenstand der nicht unter die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO fallenden Ausführungsplanung ist im Übrigen auch die für die Beurteilung der bauzeitlichen Belastungen eigentlich relevante genaue räumliche und zeitliche Verteilung des Bauverkehrs. Schließlich können die Änderungen am Überführungsbauwerk selbst keinen nennenswerten zusätzlichen Bauverkehr auslösen, weil die dazu notwendigen Bauarbeiten nur einen geringen Umfang aufweisen.
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(3) Die Klägerin meint, eine gerechte Abwägung ihrer Belange könne nicht auf die durch die Änderungen am Überführungsbauwerk verursachten Auswirkungen beschränkt werden, sondern setze eine auf sämtliche Änderungen und Ergänzungen der Planfeststellung bezogene Gesamtbetrachtung aller Immissionen voraus, auch wenn über die einzelnen Maßnahmen gesondert entschieden worden sei. Jedenfalls bei der danach gebotenen Berücksichtigung der kumulativen Wirkung aller Planänderungen bzw. -ergänzungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie in abwägungserheblicher Weise zusätzlichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt werde. Dem kann nicht gefolgt werden. Dabei kann offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Kläger mit Blick auf das drittschützende Gebot gerechter Abwägung privater Belange überhaupt verlangen kann, dass eventuelle nachteilige Auswirkungen anderer, von ihm nicht angefochtener Maßnahmen zur Änderung oder Ergänzung der Planfeststellung berücksichtigt werden. Wie ausgeführt, wird die Klägerin durch die hier angefochtene Planänderung in keiner Weise belastet. Selbst wenn unterstellt wird, dass es eine von mehreren Maßnahmen ausgehende, kumulativ auf die Klägerin wirkende und daher nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sachgerecht zu bewertende Immissionsbelastung gibt, können jedenfalls die Änderungen an der Überführung hierzu keinen Beitrag leisten.
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b) Der Klägerin steht eine Klagebefugnis auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensrecht zu. Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften ist regelmäßig kein Selbstzweck, sondern dient der besseren Durchsetzung von materiellen Rechten und Belangen. Daher können Verfahrensrechte eine Klagebefugnis grundsätzlich nicht selbständig begründen, sondern nur unter der Voraussetzung, dass sich der behauptete Verfahrensverstoß auf eine materiell-rechtliche Position des Klägers ausgewirkt haben kann (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 19; stRspr). Hier liegen die von der Klägerin in Anspruch genommenen Verfahrensrechte bereits nicht vor.
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aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass über die Änderungen am Überführungsbauwerk isoliert und nicht zusammen mit weiteren Änderungen und Ergänzungen der Planung entschieden wurde. Den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (§ 17d FStrG i.V.m. § 76 VwVfG, § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG) lässt sich nicht entnehmen, dass über alle Modifikationen eines Planfeststellungsbeschlusses nur einheitlich entschieden werden kann. Eine solche Pflicht zur Entscheidungskonzentration wäre im Übrigen auch nicht sachgerecht, weil sich die Notwendigkeit punktueller Änderungen der Planung nicht notwendig zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern nicht selten in unterschiedlichen Phasen der Bauausführung herausstellen wird. Die Klägerin kann einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf einheitliche Entscheidung - insbesondere auf Einbeziehung der Änderungen an der Überführung in die Planergänzung zur Behelfsbrücke der B 19 unter dem Gesichtspunkt einer "Folgemaßnahme" - auch nicht aus dem Abwägungsgebot herleiten. Wie bereits ausgeführt, ist die hier angefochtene Maßnahme in keiner Weise konfliktträchtig. Daher kann das Gebot der umfassenden Bewältigung aller durch die Planung aufgeworfenen Konflikte einer isolierten Zulassung der Planänderung nicht entgegenstehen.
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bb) Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die in der mündlichen Verhandlung am 17. Februar 2011 zu Protokoll erklärte Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, wonach "dem Vorhabenträger aufgegeben wird, vor Baubeginn seine Ausführungsplanung der Planfeststellungsbehörde zur Ergänzung oder Änderung der Planfeststellung oder zur Genehmigung vorzulegen." Sie meint, aufgrund dieser Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 könne sie verlangen, dass der Vorhabenträger die Ausführungsplanung als Ganzes vorlegt und die Planfeststellungsbehörde hierüber einheitlich durch Genehmigung oder durch Änderung bzw. Ergänzung der Planfeststellung entscheidet. Das trifft nicht zu.
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Hintergrund der Protokollerklärung ist die nach ständiger Rechtsprechung eröffnete Möglichkeit, die Bauausführung aus der Planfeststellung auszuklammern, soweit sie lediglich nach dem Stand der Technik lösbare Probleme aufwirft; die Pflicht zur Vorlage der Ausführungsplanung vor Baubeginn ermöglicht der Planfeststellungsbehörde die Prüfung und Entscheidung darüber, ob diese Grenze eingehalten ist (vgl. Urteil vom 3. März 2011 a.a.O. Rn. 50 m.w.N.). Es ist nicht erkennbar, weshalb die Planfeststellungsbehörde diesen Prüfauftrag von vornherein nur dann sachgerecht sollte wahrnehmen können, wenn die Ausführungsplanung als Ganze vorgelegt wird. Dass dem nicht so ist, zeigt im Übrigen das Urteil vom 3. März 2011, mit dem die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau der A 3 abgewiesen wurde. Darin wird die Frage, ob die weitere Ausführung verschiedener baulicher Maßnahmen (Abbruch der alten Talbrücke Heidingsfeld und deren Neubau, Errichtung des Katzenbergtunnels, Behelfsfahrbahn der A 3 und Behelfsbrücke der B 19) aus der Planfeststellung ausgeklammert werden durfte, jeweils gesondert abgehandelt (vgl. Rn. 51 bis 57, 63). Erst recht erschließt sich nicht, weshalb sich aus der Protokollerklärung eine Pflicht der Planfeststellungsbehörde ergeben sollte, über alle von ihr nach Prüfung der Ausführungsplanung als notwendig erachteten Änderungen oder Ergänzungen der Planung einheitlich zu entscheiden. Unabhängig davon ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass hier eine besondere Situation vorliegt, die ausnahmsweise für die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung über alle Modifikationen der Planfeststellung sprechen könnte.
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c) Die Klägerin rügt schließlich, die angefochtene Planänderung bilde nach § 3b UVPG zusammen mit sonstigen Änderungen der Planfeststellung und allen bauzeitlichen Maßnahmen wie insbesondere der Behelfsbrücke der B 19 und der Behelfsfahrbahn der A 3 ein Projekt, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 UmwRG und mit Blick auf die Anforderungen des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl EU Nr. L 26 S. 1) - UVP-RL - könne sie diesen Fehler unabhängig von der Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte und Belange i.S.d. § 42 Abs. 1 VwGO geltend machen. Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen.
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In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass sich ein Einzelner nicht unabhängig von der Betroffenheit in eigenen materiellen Rechten auf die Verfahrensfehler einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung berufen kann. § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG stellt keine "andere gesetzliche Bestimmung" i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO dar, die Einzelnen eine von der möglichen eigenen Betroffenheit unabhängige Klagebefugnis verleiht, sondern betrifft die Begründetheitsprüfung. Die genannten Fehler führen abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Begründetheit der Klage, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften des UVP-Rechts der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts Einzelner dienen; abweichend von § 46 VwVfG erstreckt sich die Begründetheitsprüfung außerdem nicht auf die Frage, ob diese Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können (Urteile vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 21 f. und - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3 jeweils Rn. 34; ebenso Beschluss vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 37.12 - juris Rn. 10). Insoweit wird den Einzelnen folglich eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition eingeräumt. Für deren Klagebefugnis bleibt es hingegen bei dem allgemeinen Erfordernis, dass eine eigene Betroffenheit durch die Zulassung des UVP-pflichtigen Vorhabens möglich erscheint.
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Wie der Senat ebenfalls bereits ausgesprochen hat, können vernünftigerweise keine Zweifel daran bestehen, dass diese Ausgestaltung der Klagebefugnis mit Unionsrecht vereinbar ist (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 23). Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. b UVP-RL kann das nationale Recht den Zugang zu Gerichten davon abhängig machen, dass der Kläger eine Rechtsverletzung geltend macht. Das nationale Recht kann nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 UVP-RL ferner in Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als Rechtsverletzung gilt. Den Mitgliedstaaten steht es frei, diese Rechtspositionen auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - Rs. C-115/09, Trianel - NJW 2011, 2779 Rn. 45). Das Unionsrecht gebietet mithin nicht die Einführung einer UVP-rechtlichen Popular- oder Interessentenklage ohne die Notwendigkeit eigener Betroffenheit. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Spielraum genutzt und auch für den Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie an der Systementscheidung zugunsten eines auf subjektive Rechte Einzelner zugeschnittenen Rechtsschutzes festgehalten (BTDrucks 16/2495 S. 7 f.). Auch widerspricht es offenkundig weder dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gericht zu gewähren noch dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip, dass ein Einzelner nur dann gegen die Zulassung eines UVP-pflichtigen Vorhabens klagen kann, wenn überhaupt die Möglichkeit besteht, dass er dadurch betroffen wird (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - a.a.O. Rn. 23).
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Das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gibt keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Der Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 7. Januar 2004 - Rs. C-201/02, Wells - (NVwZ 2004, 593) geht fehl. Die im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens ergangene Entscheidung betraf nicht die Frage, ob Einzelne den Verfahrensmangel einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von eigener Betroffenheit klageweise geltend machen können. Dasselbe gilt für das von der Klägerin außerdem in Bezug genommene, im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens ergangene Urteil des Gerichtshofs vom 11. August 1995 - Rs. C-431/92 - (NVwZ 1996, 369); auf Rügemöglichkeiten Einzelner kam es in diesem Zusammenhang nicht an (Rn. 26). Wenn die Klägerin meint, nach Unionsrecht dürfe der Zugang zu Gericht allein von der Zugehörigkeit des Einzelnen zur "betroffenen Öffentlichkeit" i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e UVP-RL abhängig gemacht werden, übersieht sie, dass sich die den Mitgliedstaaten eröffnete Systementscheidung zugunsten eines subjektiven Rechtsschutzes nach dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 UVP-RL gerade auf den Zugang der "Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit" zu den Gerichten bezieht; zu Klagemöglichkeiten der allgemeinen Öffentlichkeit trifft die UVP-Richtlinie ohnehin keine Aussagen.
Tatbestand
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Die Klägerin, eine Gemeinde, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Punkt F. - Punkt St. T., Bauleitnummer (Bl.) 4571.
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Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist die Errichtung und der Betrieb einer rund 7,4 km langen 380 kV-Höchstspannungsfreileitung einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Folgemaßnahmen sowie der Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die Leitung dient einem Lückenschluss und soll die Energieversorgung der Stadt K. und ihrer Umgebung langfristig sichern. Insgesamt werden 23 Masten unterschiedlichen Bautyps neu errichtet, zugleich 17 Masten demontiert. Die planfestgestellte Trasse beginnt am Punkt F. unter Anschluss an die Höchstspannungsfreileitung Bl. 4123. Sie kreuzt aus südöstlicher Richtung kommend die Bundesautobahn A 44 und wird dann weitgehend parallel zu dieser Bundesautobahn geführt, berührt bei Mast 5 das Gebiet des "Campus F.", kreuzt an der Anschlussstelle F. die Landesstraße L 382 und verläuft weiter in weitgehend westlicher Richtung bis zu einer stillgelegten, nach Norden verlaufenden Eisenbahntrasse. Parallel hierzu wird sie zum Edelstahlwerk geführt. Dort verschwenkt sie leicht nach Westen und führt zum Punkt St. T.. Auf diesem etwa 2,9 km langen Teilstück befindet sich die rückzubauende Freileitung Bl. 2339. Die Trasse verläuft hier am Ortsrand der Klägerin, dem sie sich bis auf knapp 30 m von der Trassenmitte nähert. Über die gesamte Strecke wird die Trasse parallel zur bestehenden Freileitung Bl. 2388 geführt.
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Im Juni 2007 übersandte eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen dem Beklagten ein Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) zur Prüfung, ob das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfe. Das Gutachten verneinte eine solche Pflicht. Für die Umweltauswirkungen legte es eine dreistufige Skala ("erheblich" - "deutlich" - "gering") zu Grunde. Erhebliche Umweltauswirkungen verneinte es durchgängig, deutliche Auswirkungen bejahte es hinsichtlich einzelner Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 2 zum UVPG. Die zu erwartenden Umweltverschmutzungen (Ziff. 1.4 der Anlage 2 zum UVPG) schätzte das Gutachten als gering ein, da die Immissionen durch elektromagnetische Felder die maßgeblichen Grenzwerte einhielten. Nach Beteiligung verschiedener Fachdezernate stellte die Planfeststellungsbehörde des Beklagten in einem Vermerk vom 8. Januar 2008 fest, der Eingriff werde in keinem relevanten Schutzgut zu erheblichen Umweltauswirkungen führen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei daher nicht erforderlich. Auf Nachfrage teilte der Beklagte dem Beigeladenen unter dem 20. Dezember 2010 mit, es bleibe bei dieser Einschätzung.
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Zu den im Jahr 2010 eingereichten Planfeststellungsunterlagen beteiligte die Beklagte im März 2011 die Träger der öffentlichen Belange, darunter die Klägerin. Die Unterlagen wurden in der Zeit vom 28. März bis 9. Mai 2011 bei der Stadt K. ausgelegt.
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Die Klägerin nahm unter dem 5. Mai 2011, beim Beklagten eingegangen am 9. Mai 2011, zu dem Vorhaben Stellung. Die Trasse habe einen zu geringen Abstand zur Wohnbebauung im Bereich des Stadtteils B., es müsse geprüft werden, ob die Leitung negative gesundheitliche Wirkungen für die Bewohner der dortigen Wohngebiete habe. Die Unterlagen ließen die Stärke der elektromagnetischen Felder nicht erkennen. Es bedürfe einer Prüfung von Alternativen, sowohl einer Erdverkabelung als auch einer mindestens teilweisen Verlegung der Trasse. Die Planung berühre beim "Campus F." den Bebauungsplan Nr. 653, dort reiche der Schutzstreifen auf einer Breite von ca. 300 m bis zu 5 m in die festgesetzten Gewerbegebiete hinein. Weiter rügte die Klägerin Mängel hinsichtlich des Landschafts- und Artenschutzes sowie des Grund- und Trinkwasserschutzes während der Bauphase. Schließlich forderte sie, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.
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Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 legte die Klägerin ein Gutachten zu den Möglichkeiten und Auswirkungen einer 380-kV-Erdkabelverlegung vor. Es beschreibt die technischen, betrieblichen und umweltrelevanten Eigenschaften von Freileitungen und Erdkabeln und vergleicht die Wirtschaftlichkeit. Die Ausführung der Leitung als Freileitung stelle, so das Gutachten, aus technischer, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht eindeutig die zu bevorzugende Variante dar. Die Einwendungen der Klägerin wurden in einem nicht-öffentlichen Erörterungstermin am 28. Februar 2012 erörtert.
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Der Beklagte stellte den Plan mit Planfeststellungsbeschluss vom 7. November 2012 fest und stellte ihn der Klägerin am 27. November 2012 zu.
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Die Klägerin ist Eigentümerin zahlreicher Grundstücke, für die der Planfeststellungsbeschluss eine Enteignung für zulässig erklärt. Wegen der bereits bestehenden Leitung (Bl. 2388), aber auch wegen einer 1962 planfestgestellten, aber nicht verwirklichten Leitung ist eine Vielzahl dieser Grundstücke dinglich zugunsten von Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen belastet. Die privatrechtliche Situation weicht im Detail voneinander ab. Von elektromagnetischen Feldern und Lärm sind einzelne Grundstücke im Eigentum der Klägerin betroffen, die auf der Grundlage von Erbbaurechten zu Wohnzwecken genutzt werden.
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Die Klägerin hat am 20. Dezember 2012 Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung bedurfte das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Landschaftsschutz sei unzutreffend abgearbeitet. Die nur knapp unterschrittenen Grenzwerte der 26. BImSchV seien wissenschaftlich überholt und die entstehenden Immissionen unzumutbar. Die Richtwerte der TA Lärm seien überschritten, die hierzu vorgelegten Unterlagen unvollständig. Der Planfeststellungsbeschluss greife durch eine rechteckige Gestaltung der Schutzstreifen mehr als erforderlich auf ihr Eigentum zu. Den Gefahren durch Mastbrüche werde nicht ausreichend begegnet. Die Alternativenprüfung sei unzureichend. Mindestens teilweise dränge sich die Ausführung als Erdkabel auf, insbesondere im Bereich zwischen dem Edelstahlwerk und dem Punkt St. T..
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Die Klägerin beantragt,
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den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. November 2012 für den Neubau der 380 kV-Höchstspannungsleitung Punkt F. - Punkt St. T., Bl. 4571 in den Abschnitten Punkt F. - Punkt St. T. aufzuheben,
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hilfsweise,
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den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 7. November 2012 zu verpflichten, über Schutzvorkehrungen zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin und zum Schutz ihres Grundeigentums, insbesondere vor Immissionen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin sei hinsichtlich mehrerer Einwendungen präkludiert. Den Anforderungen an eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls habe die Beklagte genügt. Verstöße gegen Vorschriften des Landschaftsschutzes könne die Klägerin nicht rügen. Die Grenzwerte der 26. BImSchV seien gewahrt und in der Sache nicht zu beanstanden. Hinsichtlich des Lärmschutzes mache die Klägerin keine eigenen Belange geltend. Im Übrigen würden die maßgeblichen Werte der TA-Lärm eingehalten. Der Planfeststellungsbeschluss leide nicht an Abwägungsfehlern. Die Alternativenprüfung sei rechtmäßig. Insbesondere sei eine Führung als Erdkabel gesetzlich ausgeschlossen, jedenfalls fehlerfrei abgewogen und abgelehnt worden. Sicherheitsgefahren beständen nicht, weil die Anlage die allgemein anerkannten Regeln der Technik beachte.
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Die Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klage sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Der Klägerin fehle die Klagebefugnis. Sie sei als Gemeinde nicht Trägerin von Grundrechten und mache sich hinsichtlich einzelner Belange zur Sachwalterin fremder Interessen. Ihre Planungshoheit sei nicht betroffen. Die Klägerin habe kein subjektives öffentliches Recht auf Erdverkabelung. Schließlich sei die Klägerin mit einer Reihe von Einwänden präkludiert, so auch mit der Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung. In der Sache hält die Beigeladene die Klage für unbegründet und verteidigt den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss.
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Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat einen Eilantrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage mit Beschluss vom 28. Februar 2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 = ER 2013, 119) abgelehnt.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Dem Planfeststellungsbeschluss hätte eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorausgehen müssen. Dieser Mangel führt nicht zur Aufhebung des Beschlusses, aber zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit.
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A. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 3 des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) i.V.m. Nr. 14 der Anlage zum EnLAG im ersten und letzten Rechtszug, weil das Vorhaben ein Teil des Neubaus der Höchstspannungsleitung Niederrhein - Utfort - Osterath mit einer Nennspannung von 380 kV ist.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Eine Verletzung von Rechten der Klägerin kann nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden (vgl. Urteil vom 22. Februar 1984 - BVerwG 1 C 24.92 - BVerwGE 95, 133 <134> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 202 S. 2).
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Die Klägerin kann wie ein privater Grundstückseigentümer geltend machen, die (teilweise) Inanspruchnahme der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke verletze das Gebot einer gerechten Abwägung ihrer eigenen Belange (Urteil vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <101> = Buchholz 451.22 AbfG Nr. 48 S. 125 und Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17). Hiervon ist auch der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinen Beschlüssen vom 9. Oktober 2012 (BVerwG 7 VR 10.12 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 31 Rn. 7) und vom 28. Februar 2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 7) ausgegangen. Anders als die Beigeladene meint, spielt es nur für die Abwägung, nicht aber für die Klagebefugnis eine Rolle, ob die betroffenen Grundstücke der Klägerin einen Bezug zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben haben (vgl. Urteil vom 24. November 1994 - BVerwG 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <151 f.> = Buchholz 451.22 § 7 Abfallbeseitigung Nr. 1 S. 9 und Beschluss vom 18. März 2008 - BVerwG 9 VR 5.07 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 197 Rn. 16).
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Der Klagebefugnis steht nicht entgegen, dass im Bereich der zurückzubauenden Freileitung (Bl. 2339) - also zwischen dem Edelstahlwerk und dem Punkt St. T. - die vorhandenen Schutzstreifen ausreichen (S. 32 des Planfeststellungsbeschlusses) und mindestens zu einem Teil dinglich gesichert sind. Gegenstand der Planfeststellung ist ein Gesamtbauvorhaben, das die Errichtung einer Freileitung bei Rückbau einer bestehenden Freileitung umfasst. Gegenüber diesem Eigentumszugriff ist die Klägerin klagebefugt, da sie ihre Klage mit der Hoffnung verbinden kann, dass eine veränderte Planung bestehende Belastungen entfallen lässt, ohne neue Lasten zu begründen (Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17).
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Ob die Klagebefugnis auch aus einer möglichen Beeinträchtigung der Planungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, kann offen bleiben. Mit Bejahung der Klagebefugnis wegen der Eigentumsbetroffenheit ist die Klage insgesamt zulässig. § 42 Abs. 2 VwGO lässt es nicht zu, die Klage nach unterschiedlichen Klagegründen aufzuspalten mit der Folge, einzelne Klagegründe im Wege einer Art Vorprüfung endgültig auszuschalten und die sachliche Nachprüfung des klägerischen Vorbringens auf die verbleibenden Klagegründe zu beschränken (Urteil vom 20. Mai 1998 - BVerwG 11 C 3.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 S. 52). Gleiches gilt für den Einwand der Beigeladenen, die Klägerin sei mit bestimmten Einwendungen präkludiert. Denn die mögliche Präklusion von einzelnen Einwendungen berührt nicht die Klagebefugnis, sondern betrifft den Umfang der Begründetheitsprüfung.
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B. Die Klage ist überwiegend begründet. Zwar war der Hauptantrag auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses abzuweisen, die Klage hat aber mit dem in diesem Antrag als "Minus" enthaltenen Begehren Erfolg, die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72 <74> = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 36) (I.). Die übrigen Einwendungen der Klägerin führen nicht auf Rechtsfehler des Planfeststellungsbeschlusses (II.).
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I. 1. a) Die Klägerin als von der Fachplanung betroffene Gemeinde ist auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche Eigentum an den Grundstücken, die durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf Vollüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <391 f.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 114 S. 123, Beschlüsse vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 10 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 26). Auch eine enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses zu ihren Lasten führt nicht zu dem aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG hergeleiteten Anspruch auf vollumfängliche Prüfung, da die Klägerin nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ist (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <100 f.>).
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Damit scheidet eine Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses an naturschutzrechtlichen Regelungen von vornherein aus (Beschluss vom 18. März 2008 - a.a.O. Rn. 12). Dies gilt auch, soweit die Klägerin untere Landschaftsbehörde nach § 8 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft Nordrhein-Westfalen (Landschaftsgesetz - LG NRW) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV. NRW S. 568), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 16. März 2010 (GV. NRW S. 185) ist. Insoweit nimmt sie zwar Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (§ 8 Abs. 3 Satz 1 LG NRW) wahr, sie wird aber nicht Begünstigte des materiellen Naturschutzrechtes, wenn - wie hier die Planfeststellungsbehörde (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW) - eine andere Behörde für naturschutzrechtliche Entscheidungen zuständig ist.
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b) Maßgeblich für die Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses ist die Rechtslage bei dessen Erlass am 7. November 2012, soweit nicht spätere Rechtsänderungen einen vormaligen Rechtsverstoß entfallen lassen (Urteil vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 Rn. 52).
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2. Der Einwand der Klägerin, vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses habe es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft, ist nicht nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert (a). Er hat in der Sache Erfolg. Auch unter Berücksichtigung der durch § 3a Satz 4 UVPG eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (b) ist festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist, weil es vor seinem Erlass einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurfte (c). Dieser Fehler führt nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, aber nach § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit (d).
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a) Die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert.
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Gemäß § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG sind Äußerungen, Einwendungen und Stellungnahmen nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach Satz 1 ausgeschlossen. Diese Mitwirkungslast gilt uneingeschränkt auch für eine Gebietskörperschaft, die im Planfeststellungsverfahren als Behörde und damit als Trägerin öffentlicher Belange zur Stellungnahme aufgefordert worden ist (vgl. Urteil vom 9. Februar 2005 - BVerwG 9 A 62.03 - NVwZ 2005, 813 <815>
§ 78 vwvfg nr. 10 nicht abgedruckt> zur Mitwirkungslast nach § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG). Die Einwendungsfrist, über die entsprechend § 43b Satz 3 EnWG belehrt worden ist, lief hier am 9. Mai 2011 ab. Der damit eintretende Einwendungsausschluss erstreckt sich auch auf das gerichtliche Verfahren (Urteile vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 7.97 - BVerwGE 104, 337 <343> = Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 S. 32 und vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 - NVwZ 2013, 1605 Rn. 65).
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Der 7. Senat hat dargelegt (Beschluss vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 12), dass das Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 2011 den Anforderungen an ein Einwendungsschreiben einer Gebietskörperschaft genügt. Diese Einschätzung teilt der erkennende Senat. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen hat die Klägerin auch substantiiert eine Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert. Die Klägerin erhob diese Forderung vor dem Hintergrund, dass nach ihrer Auffassung "dem Antrag für das Planfeststellungsverfahren entscheidungserhebliche Unterlagen fehlen und darüber hinaus weitere Belange und umweltbezogene Auswirkungen geprüft" werden sollten. Welche Umweltbelange die Klägerin im Auge hatte, ergab sich aus dem Schreiben im Übrigen.
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Anders als die Beigeladene meint, ist die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht in Folge des Erörterungstermins vom 28. Februar 2012 präkludiert. Allerdings ist es unzulässig, im Klageverfahren auf frühere Einwendungen zurückzukommen, wenn im Anhörungsverfahren eine streitbefriedende Erörterung gelingt (Beschluss vom 17. Februar 1997 - BVerwG 4 VR 17.96 - LKV 1997, 328
§ 17 fstrg nr. 127 nicht abgedruckt>). Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor. Die auf naturschutzfachliche Erwägungen bezogene Äußerung eines Mitarbeiters der Klägerin in deren Funktion als untere Landschaftsschutzbehörde im Erörterungstermin vom 28. Februar 2012 konnte nicht dahin verstanden werden, für die Klägerin als planbetroffene Gebietskörperschaft solle die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung fallen gelassen werden.
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Hiervon ausgehend bedarf es weder einer Entscheidung, ob die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung den fachplanungsrechtlichen Regelungen über die Präklusion unterliegt (offengelassen in Beschluss vom 10. Oktober 2006 - BVerwG 9 B 27.05 - NVwZ 2007, 84 Rn. 19
§ 11 uvpg nr. 4 nicht abgedruckt>; dafür OVG Lüneburg, Urteil vom 19. September 2013 - 7 KS 209/11 - juris Rn. 63; Neumann, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 73 Rn. 98), noch, ob - bejahendenfalls - gegen eine solche nationale Regelung unionsrechtliche Bedenken bestehen.
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b) Gemäß § 3a Satz 4 UVPG unterliegt die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die behördliche Einschätzung ist im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat (Urteil vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 26 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2).
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Anknüpfend an diese der zuständigen Behörde in § 3a Satz 4 UVP eingeräumte Beurteilungsermächtigung stellt § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG klar, dass die behördliche Entscheidung im gerichtlichen Verfahren unter anderem darauf zu überprüfen ist, ob das anzuwendende Recht verkannt wurde. Das Umweltrechtsbehelfsgesetz findet hier Anwendung, weil infolge der von § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Ziffer 19.1.3 der Anlage 1 zum UVPG angeordneten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls für den in Rede stehenden Planfeststellungsbeschluss eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG bestehen kann (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 18 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: April 2013, § 1 UmwRG Rn. 29).
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Der Anwendung von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG steht nicht entgegen, dass die Vorschrift nach Art. 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) erst am 29. Januar 2013 und damit nach Klageerhebung in Kraft getreten ist. Die geänderten Vorschriften des Gesetzes gelten nach § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfsverfahren nach § 2, die am 12. Mai 2011 anhängig waren oder nach diesem Tag eingeleitet worden sind und die am 29. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Zwar handelt es sich hier nicht um den Rechtsbehelf einer anerkannten Vereinigung nach § 2 Abs. 1 UmwRG, der Gesetzgeber knüpft in § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG aber an allgemeine Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts an, die gleichfalls eine Anwendung des § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG fordern (vgl. BTDrucks 17/10957 S. 18; Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 194 Rn. 1).
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c) Der Beklagte hat die UVP-Vorprüfung nicht entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt und damit das anzuwendende Recht im Sinne von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG verkannt. Die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls hätte zu der Annahme führen müssen, dass das Vorhaben unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG haben kann, so dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte. Dies folgt aus der bei der Vorprüfung absehbaren Belastung der Wohnbevölkerung mit Immissionen durch elektromagnetische Felder.
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Das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls verneint erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen der Sache nach mit dem Hinweis, dass die Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV <1996>) i.d.F. vom 16. Dezember 1996 (BGBl I S. 1966) nicht überschritten werden. Sie setzt damit die Schwelle der erheblichen Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG mit der Schwelle der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 BImSchG i.V.m. der 26. BImSchV gleich, die durch Abwägung nicht überwindbar ist (vgl. Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 23). Dieser Sichtweise entspricht es, dass der Gutachter der Beigeladenen die Umweltauswirkungen durch elektromagnetische Felder auf einer dreistufigen Skala als "gering" einschätzt, ohne der Frage nachzugehen, inwieweit sich die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte bereits dem maßgeblichen Grenzwert nähern.
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Dies verkennt den rechtlichen Maßstab. Nach § 3c Satz 1 UVPG ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht erst dann, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können (Urteil vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 30). Denn die Umweltverträglichkeitsprüfung soll die Umweltbelange so herausarbeiten, dass sie in die Abwägung in gebündelter Form eingehen (Urteil vom 18. November 2004 - BVerwG 4 CN 11.03 - BVerwGE 122, 207 <211> = Buchholz 406.251 § 17 UVPG Nr. 1 S. 6). Sie ist ein formalisierter Zwischenschritt mit dem Ziel einer zunächst auf die Umweltbelange beschränkten Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens im Rahmen der Abwägung aller Belange und dient als wirkungsvolle Methode, die Umweltbelange in den Abwägungsprozess einzuführen (Urteil vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <247> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 62 f.). Gerade die Abwägungsentscheidung lässt das Planfeststellungsrecht als besonders geeignetes Trägerverfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung erscheinen (Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 12 UVPG Rn. 83). Hiervon ausgehend muss die Umweltverträglichkeitsprüfung daher grundsätzlich auch die Abwägungsentscheidung vorbereiten, wenn Umweltauswirkungen in die Abwägung eingehen und damit bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht (Urteile vom 13. Dezember 2007 a.a.O., vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 34 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2 und vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 32 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 32; vgl. auch BTDrucks 14/4599 S. 95).
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Im Luftverkehrsrecht hat der Senat angenommen, dass nachteilige betriebsbedingte Auswirkungen bei einer Änderungsgenehmigung zu berücksichtigen und damit grundsätzlich im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG erheblich sind, wenn sie mehr als geringfügig und damit abwägungserheblich sind (Urteile vom 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 30 und vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 30). Jedenfalls bei Überschreiten der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle könne die Erheblichkeit allenfalls verneint werden, wenn bereits der Vorhabenträger Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen vorgesehen habe und diese die nachteiligen Umweltauswirkungen offensichtlich ausschlössen. Auch in der Anordnung von Betriebsbeschränkungen zugunsten von Anwohnern hat der Senat einen Anhaltspunkt für die Abwägungserheblichkeit gesehen (Urteil vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 33). Hiervon ausgehend musste der Beklagte vorliegend ebenfalls erhebliche Umweltauswirkungen annehmen. Denn bei der Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung gehört zu den weiteren erheblichen Belangen in der Abwägung das Interesse an jeglicher Verschonung vor elektromagnetischen Feldern, auch wenn diese die Grenzwerte unterschreiten (Beschlüsse vom 22. Juli 2010 a.a.O. Rn. 35 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 59).
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Die Rechtsprechung des Senats ist auf Vorbehalte gestoßen. Ihr mag entgegnet werden, dass nach ihren Maßstäben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 1 UVPG im Widerspruch zur Konzeption des Gesetzgebers nahezu zwangsläufig zur Annahme erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen und damit zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung führe. Denn es erscheint kaum ein der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls unterliegendes Vorhaben der Fachplanung denkbar, das nicht jedenfalls abwägungserhebliche Umweltauswirkungen hat (zweifelnd daher etwa OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 5 Bs 24/10 - NordÖR 2010, 206 - juris Rn. 21). Diesen Vorbehalten braucht der Senat hier indes nicht nachzugehen. Zwar sind bei Höchstspannungsfreileitungen regelmäßig Immissionen elektromagnetischer Felder in der Abwägung zu bewältigen. Vorliegend war aber auf einem erheblichen Teilabschnitt eine Belastung der Wohnbevölkerung in einer Stärke zu erwarten, die so nah an einen Grenzwert heranreichte, dass im Zeitpunkt der Vorprüfung ein Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses nicht ausgeschlossen werden konnte. Denn die Abwägung des Schutzes vor elektromagnetischer Strahlung ist ausgehend von den Grenzwerten zu gewichten. Dieser Belang ist umso gewichtiger, je näher die Belastung an die Grenzwerte heranreicht, sein Gewicht ist umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleibt. Insoweit orientiert sich der Senat an dem im Fluglärmschutzrecht entwickelten Ansatz (Urteil vom 4. April 2012 - BVerwG 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 190 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 37). Nach einer Berechnung der Beigeladenen aus dem Mai 2010 - und damit vor der erneuten Vorprüfung (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 29 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3) - war zwischen Mast 21 und 22 angrenzend an Wohngebiete in B. eine elektrische Feldstärke von 3,8 kV/m und eine magnetische Flussdichte von 21,0 µT zu erwarten. Die elektrische Feldstärke näherte sich damit deutlich dem Grenzwert von 5,0 kV/m und betraf absehbar auf einer nicht unerheblichen Länge der Trasse Wohnbebauung. Die prognostizierte Belastung warf erkennbar die Frage auf, ob im Rahmen der Abwägung eine Senkung dieser Belastung in Betracht kam. Es wäre Aufgabe einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewesen, diese Abwägung vorzubereiten. Die Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG hätte die Planfeststellungsbehörde deshalb nicht verneinen dürfen.
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d) Die Fehlerfolge ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 UmwRG i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG. Namentlich ist § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG anzuwenden, der durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) mit Wirkung vom 29. Januar 2013 erlassen worden ist, und der die bisherige Rechtslage klarstellt (BTDrucks 17/10957 S. 17; vgl. bereits Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 33).
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Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Ein solcher Fall liegt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch vor, wenn - wie hier - eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Die Vorschrift gilt nach § 4 Abs. 3 UmwRG für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO und damit für die Klägerin entsprechend. Sie wird so auf Rechtsbehelfe erstreckt, deren Zulässigkeit von der Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte abhängt (BTDrucks 16/2495 S. 14). § 4 Abs. 3 UmwRG begründet damit nicht die Klagebefugnis, sondern verändert gegenüber der allgemeinen Regelung des § 46 VwVfG NRW die Begründetheitsprüfung (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 22). Hat die Behörde eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft unterlassen, ist dieser Fehler erheblich, ohne dass es nach nationalem Recht darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob dieser Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte. Der Verfahrensfehler führt damit zur Begründetheit der Klage, unabhängig von den sonst nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltenden einschränkenden Maßgaben (Beschluss vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014 Rn. 10).
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Ungeachtet des Wortlauts des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG führt der festgestellte Rechtsfehler hier nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Der auf den Regelfall des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugeschnittene Wortlaut ersetzt die spezielle Fehlerfolgenregelung des § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG nicht, vielmehr geht die letztgenannte Regelung als speziellere vor (ebenso Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 34 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3 zu § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG). Vorliegend kann es mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit nach § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG sein Bewenden haben. Denn der eingetretene Verfahrensfehler kann in einem ergänzenden Verfahren behoben werden.
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Dies begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 36). Denn die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit stellt sicher, dass die Zulassungsentscheidung nicht ausgeführt werden darf, bevor die unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung nachgeholt und die in ihrem Rahmen getroffenen Feststellungen und Bewertungen der Umweltauswirkungen des Vorhabens in einer erneuten Zulassungsentscheidung gewürdigt worden sind. Diese Würdigung muss ergebnisoffen erfolgen und ist wiederum mit Rechtsbehelfen angreifbar. Eine Umgehung oder Nichtanwendung der Regelungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung wird dadurch verhindert. Diese können vielmehr ihre volle Wirkkraft entfalten.
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II. Die weiteren von der Klägerin gerügten Rechtsverletzungen führen schon deshalb nicht zu einem weitergehenden Klageerfolg, weil sie - ihr Vorliegen unterstellt - nicht von einer solchen Art und Schwere wären, dass die Planung als Ganzes von vornherein in Frage gestellt schiene (vgl. Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 83 = Buchholz 406.11 § 7 BauGB Nr. 4). Es bedarf insoweit aber auch weder einer Planergänzung noch der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens mangels Rechtsfehlern zu Lasten der Klägerin. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob einzelne Einwendungen nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert sein könnten und - bejahendenfalls - ob diese Präklusion unionsrechtlichen Bedenken begegnet.
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1. Die Planrechtfertigung liegt vor. Das Vorhaben ist gemessen an den Zielen des zugrunde liegenden Fachplanungsgesetzes vernünftigerweise geboten (Urteile vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <168> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 59 S. 60 f. und vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 27). Die planfestgestellte Trasse ist Teil des Vorhabens Nr. 14 der Anlage zum EnLAG und entspricht damit nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EnLAG den Zielsetzungen des § 1 EnWG. Seine energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf stehen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EnLAG fest. Diese Feststellungen sind für die Planfeststellung und die Plangenehmigung nach den §§ 43 bis 43d EnWG gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 EnLAG verbindlich. Dies gilt auch für das gerichtliche Verfahren (Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 - NuR 2013, 794 Rn. 35 - zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen).
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Der Einwand der Klägerin, die Schutzstreifen griffen auf ihre Grundstücke zu umfangreich zu, betrifft nicht die Planrechtfertigung. Für sie reicht aus, dass die mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen generell geeignet sind, entgegenstehende Eigentumsrechte zu überwinden. Ob das Wohl der Allgemeinheit den Zugriff auf ein einzelnes Grundstück letztlich erfordert, hängt von der weiteren planerischen Konkretisierung des Vorhabens ab und ist eine Frage der fachplanerischen Abwägung (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 183 f. = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23).
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-
2. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt - abgesehen von dem unter B I. festgestellten Rechtsverstoß - kein zwingendes Recht. Die planfestgestellte Höchstspannungsfreileitung unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Da sie keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV bedarf, ist sie nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
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Diese Anforderungen dienen dem allgemeinen öffentlichen Interesse und dem Schutz Betroffener und sind nicht dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet (Urteil vom 18. Juli 2013 a.a.O. Rn. 64). Die Klägerin könnte indes einen Eingriff in ihr Eigentum rügen, wenn Nutzer und Bewohner ihrer Anlagen in rechtswidriger Weise Immissionen ausgesetzt würden (vgl. Urteil vom 26. März 2007 - BVerwG 7 B 73.06 - Buchholz 451.171 § 9b AtG Nr. 2 Rn. 10).
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a) Hinsichtlich elektromagnetischer Felder konkretisiert die 26. BImSchV (1996) die Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der 26. BImSchV <1996>).
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Die planfestgestellte Leitung, eine Niederfrequenzanlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a der 26. BImSchV (1996), ist nach § 3 Satz 1 der 26. BImSchV (1996) i.V.m. dem Anhang 2 so zu errichten und zu betreiben, dass in ihrem Einwirkungsbereich in Gebäuden oder auf Grundstücken, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, bei höchster betrieblicher Auslastung unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere Niederfrequenzanlagen der Effektivwert der elektrischen Feldstärke 5 kV/m und der Effektivwert der magnetischen Flussdichte 100 µT nicht überschreitet. Zum Zwecke der Vorsorge haben nach § 4 der 26. BImSchV (1996) bei der Errichtung einer Niederfrequenzanlage in der Nähe von Wohnungen oder Schulen in diesen Gebäuden oder auf diesen Grundstücken auch die maximalen Effektivwerte diesen Anforderungen zu entsprechen. Diese Vorgaben wahrt das streitgegenständliche Vorhaben.
- 51
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Die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden (stRspr, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 25, vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 20 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 33 ff.). Die staatliche Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG fordert nach derzeitigem fachwissenschaftlichen Kenntnisstand keine niedrigeren Grenzwerte. Der Verordnungsgeber verfügt bei der Erfüllung seiner Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit über einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, der auch Raum lässt, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht wird erst verletzt, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Von einem solchen völlig unzureichenden Schutz kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 <202>, vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 - NJW 2002, 1638 <1639> sowie Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 - 1 BvR 382/05 - NVwZ 2007, 805 = juris Rn. 18).
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Gemessen hieran ist davon auszugehen, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) wirksam akute Beeinträchtigungen der Gesundheit verhindern. Der Verordnungsgeber hat bei der Novelle zur 26. BImSchV (Art. 1 der Verordnung vom 14. August 2013 - BGBl I S. 3259) an dem Grenzwert für die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte festgehalten (Anhang 1
i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV) und sich dabei auf Empfehlungen der 2010 veröffentlichten Guidelines der International Commission on non-Ionizing radiation protection (ICNIRP) berufen (veröffentlicht in Health Physics 99 <6>: S. 818 <2010>). Auch mögliche Langzeitfolgen lassen nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte. Die zu Langzeitfolgen vorliegende Befundlage erweist sich als "nicht stark genug, um einen Kausalzusammenhang zu belegen, aber ausreichend, um eine Besorgnis zu begründen" (Sachverständiger Matthes, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 17. WP, 92. Sitzung vom 27. Februar 2013, Protokoll 17/92 S. 10). Diese Bewertung entspricht im Kern der Einschätzung der Strahlenschutzkommission (Vergleichende Bewertung der Evidenz von Krebsrisiken durch elektromagnetische Felder und Strahlungen, Stellungnahme der Strahlenschutzkommission vom 14./15. April 2011, S. 52 ff.). Die von der Klägerin angeführten wissenschaftlichen Arbeiten ziehen diese Einschätzung nicht in Zweifel. Der Strahlenschutzkommission war der Standpunkt von J. Schütz und A. Ahlborn bekannt, auf die sich die Klägerin beruft (vgl. Stellungnahme, a.a.O. S. 77). Ob die weiter von der Klägerin vorgelegte Tabelle zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen bei Kindern und der Wohnentfernung zu Höchstspannungsfreileitungen eine Risikoerhöhung belegt, mag offen bleiben. Jedenfalls bietet sie keinen Anhalt für die Annahme, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte.
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b) Den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert für anlagenbezogene Lärmimmissionen die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503). Ihr kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmtem Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (Urteile vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 9 und vom 29. November 2012 - BVerwG 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 Rn. 18). Den Anforderungen der TA Lärm genügt das Vorhaben.
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Das vom Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Gutachten des TÜV Hessen prognostiziert an den am höchsten belasteten Immissionsorten einen nächtlichen Beurteilungspegel von geringfügig mehr als 35 dB(A). Substantiierte Einwendungen dagegen hat die Klägerin nicht erhoben. Insbesondere fehlt ein Anhaltspunkt für den Verdacht, bei den der Prognose zugrunde liegenden Messwerten sei ein Messabschlag nach Ziffer 6.9 TA Lärm in Abzug gebracht worden.
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Den Anforderungen der TA Lärm ist auch unter der Annahme genügt, dass die am höchsten belasteten Immissionsorte in reinen Wohngebieten liegen. Wegen ihrer Randlage zum Außenbereich gegenüber einem privilegierten Außenbereichsvorhaben (hier: § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) und ihrer Vorbelastung durch die fortbestehende Freileitung Bl. 2388 sind die Grundstücke nur vermindert schutzwürdig (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2000 - BVerwG 7 B 4.10 - BRS 78 Nr. 117 Rn. 32). Daher ist der maßgebliche Immissionsrichtwert nach Ziffer 6.7 der TA Lärm ("Gemengelage") zu ermitteln. Hier reicht der Schutz eines allgemeinen Wohngebiets aus. Der damit nach Ziffer 6.1 Buchst. d TA Lärm einzuhaltende Immissionsrichtwert von 40 dB(A) für die Nacht wird gewahrt.
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Diese Einschätzung liegt auf der sicheren Seite. Das Gutachten des TÜV Hessen geht von einem Datenpool aus, dem Messwerte für 4er-Bündel-Seile in der Ausführung 4 * Al/St 265/35 zugrunde liegen (S. 5, 12). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss in dem Abschnitt Edelstahlwerk bis Punkt Sankt T. die Verwendung dickerer Phasenseile (Al/St 550/70) zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm festsetzt (Erläuterungsbericht, S. 30). Diese Phasenseile lassen wegen der geringeren Randfeldstärken eine deutliche Minderung der Emissionen gegenüber den prognostizierten Werten erwarten (Gutachten TÜV Hessen S. 39).
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3. Nach § 43 Satz 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Dieses Abwägungsgebot ist nicht verletzt.
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Dabei ist die gerichtliche Kontrolle der Auswahl zwischen verschiedenen Planungsalternativen als Abwägungsentscheidung auf erhebliche Abwägungsmängel begrenzt (§ 43 Satz 3, § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG). Ihre Rechtmäßigkeit hängt nicht davon ab, ob für eine andere planerische Lösung einleuchtende Gründe angeführt werden können. Es reicht vielmehr aus, wenn die Behörde ernsthaft in Betracht kommende Alternativen prüft, sich mit dem Für und Wider der jeweiligen Lösung auseinandersetzt und tragfähige Gründe für die gewählte Lösung anführen kann. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit sind erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Lösung sich unter Berücksichtigung der abwägungserheblichen Belange als die eindeutig bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellt (vgl. Urteile vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <249 f.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 65 f. und vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41 m.w.N.
).
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a) Die planfestgestellte rechteckige statt der von der Klägerin geforderten elliptischen Form der Schutzstreifen ist im Ergebnis nicht abwägungsfehlerhaft. Der Beklagte hält die Nutzungsbeschränkungen bei rechteckigen Schutzstreifen für leichter erkennbar; diese Form entspreche der Eintragung im Grundbuch und ermögliche Wartungsarbeiten im Bereich der Masten. Diese Gesichtspunkte können die entgegenstehenden Eigentümerinteressen der Klägerin überwinden, die von der Form der festgelegten Schutzstreifen nur am Rande berührt werden. Dass entsprechende Darlegungen im Planfeststellungsbeschluss fehlen, ist jedenfalls nach § 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG unbeachtlich, weil ein etwaiger Mangel auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen ist.
- 60
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b) Besondere Vorkehrungen gegen die Gefahr von Mastbrüchen brauchte der Planfeststellungsbeschluss nicht zu treffen. Eine Planfeststellungsbehörde hat sich Gewissheit darüber zu verschaffen, dass ein durch das Vorhaben aufgeworfenes tatsächliches Problem bei der Ausführung des Planfeststellungsbeschlusses beherrschbar ist und das hierfür notwendige Instrumentarium bereit steht. Der Planfeststellungsbeschluss kann daher die Bauausführung ausklammern, soweit der Stand der Technik für die zu bewältigenden Probleme geeignete Lösungen zur Verfügung stellt und die Beachtung der entsprechenden technischen Vorgaben gewährleistet ist (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 97 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 201). Nach § 49 Abs. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Der Erläuterungsbericht nennt die zu beachtenden technischen Regelwerke (S. 16 f.). Der Planfeststellungsbeschluss durfte davon ausgehen, dass diese Regelungen ausreichende Möglichkeiten bereitstellen, um hinreichend vor Mastbrüchen zu schützen.
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c) Der Planfeststellungsbeschluss verletzt nicht die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnde Planungshoheit der Klägerin. Der 7. Senat hat dies in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 28. Februar 2013 dargelegt und dabei insbesondere das Gebiet des Bebauungsplans Nr. 653 in den Blick genommen (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 23). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Die Klägerin ist ihr in der mündlichen Verhandlung nicht mehr entgegengetreten.
- 62
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d) Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 1 Abs. 1 EnLAG i.V.m. der Anlage sowie § 43 Abs. 1 Nr. 1 EnWG die von der Klägerin geforderte Führung als Erdkabel ausschließt. Der Planfeststellungsbeschluss hat sich jedenfalls ohne Abwägungsfehler gegen diese Alternative ausgesprochen (Beschluss vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 32 f.).
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Er hat die Vor- und Nachteile einer Freileitung und eines Erdkabels in den Blick genommen, gewürdigt und der Ausführung als Freileitung in Übereinstimmung mit dem von der Klägerin beauftragten Gutachter den Vorrang eingeräumt. Störungen seien bei Freileitungen besser beherrschbar, der Reparaturaufwand geringer, die zu erwartende Lebensdauer höher und die Kosten erheblich niedriger. Ein Erdkabel entlaste zwar das Landschaftsbild, belaste aber die Schutzgüter Biotope, Boden und Wasser stärker. Das unterschiedliche Emissionsverhalten von Freileitung und Erdkabel sieht der Planfeststellungsbeschluss, misst ihm aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Diese Überlegungen genügen dem Abwägungsgebot.
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Die Einwände der Klägerin zeigen keinen im Ergebnis erheblichen Abwägungsfehler auf. Ob der Planfeststellungsbeschluss davon ausgehen durfte, dass bei Erdkabeln die technische Sicherheit im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG nicht gewährleistet ist, kann mangels Ergebnisrelevanz offen bleiben (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG). Denn die Abwägung des Beklagten wird gerade für den Fall angestellt, dass ein Erdkabel grundsätzlich planfeststellungsfähig ist und nicht von vornherein an rechtlichen Grenzen scheitert. Der Planfeststellungsbeschluss durfte auch - entgegen der Auffassung der Klägerin - die höhere Übertragungskapazität einer Freileitung berücksichtigen, da er diese nicht begrenzt. Welche Einwände die Klägerin gegen die Bewertung der Kabelübergabestation als nicht ganz unerhebliches Bauwerk erhebt, ist nicht erkennbar.
- 65
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Schließlich kann die Klägerin den Hinweis des Planfeststellungsbeschlusses auf die erheblichen Mehrkosten einer teilweisen Endverkabelung nicht entkräften. Es kommt dem Planfeststellungsbeschluss entscheidend auf die Mehrkosten an, nicht, jedenfalls nicht ergebnisrelevant (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG), auf die Frage des Investitionsbudgets. Ob die Mehrkosten ins Verhältnis zu den Gesamtkosten oder zu denjenigen der jeweiligen Teilstrecke gesetzt werden, ist eine Frage der Darstellung, spielt für die Abwägungskontrolle aber keine Rolle (Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 44).
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Die zuständige Behörde beteiligt die Öffentlichkeit zu den Umweltauswirkungen des Vorhabens. Der betroffenen Öffentlichkeit wird im Rahmen der Beteiligung Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Dabei sollen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen. Das Beteiligungsverfahren muss den Anforderungen des § 73 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 5 bis 7 des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechen.
(2) In einem vorgelagerten Verfahren oder in einem Planfeststellungsverfahren über einen Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan nach § 41 des Flurbereinigungsgesetzes kann die zuständige Behörde abweichend von Absatz 1 und abweichend von § 73 Absatz 6 des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf die Durchführung eines Erörterungstermins verzichten. Auf eine Benachrichtigung nach § 73 Absatz 5 Satz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes kann in einem vorgelagerten Verfahren verzichtet werden.
(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.
(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.
(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.
(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.
(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.
(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist
- 1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind; - 2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen; - 3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden; - 4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.
(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.
(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:
- 1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. - 2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind. - 3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.
(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.
(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.
(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.
(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.
(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:
- 1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie - 2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.
(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer, Einzelrichter - vom 19. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf
12.500,-- Euro
festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Beigeladene ist Landwirt. Er betreibt auf seinem Grundstück in .., … Weg eine Ferkelaufzucht mit 1.500 Ferkeln und einigen Sauen. Er beabsichtigt, die Ferkel in Zukunft selbst zu mästen. Auf seinen Antrag erteilte der Antragsgegner ihm eine Genehmigung für den Neubau eines Schweinemaststalles mit 2.968 Plätzen sowie von zwei Güllebehältern mit insgesamt 4.800 m³ Lagervolumen und ordnete die sofortige Vollziehung der Genehmigung an. Vor Erteilung der Genehmigung ließ der Beigeladene eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach dem UVPG durchführen und kam zu dem Schluss, dass durch das Vorhaben keine erheblichen Auswirkungen auf die Schutzgüter Mensch, Pflanzen, Tiere, Boden, Wasser, Landschaft und Kulturgüter zu erwarten seien. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich.
- 2
Der Antragsteller ist Eigentümer eines ca. 750 m von dem Standort des Vorhabens entfernten Wohnhauses (…Straße in …). Er erhob im Planungsverfahren zahlreiche Einwendungen gegen das Vorhaben und machte u.a. geltend, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung jedenfalls deshalb erforderlich sei, weil unter Berücksichtigung des bereits vorhandenen Ferkelstalles der maßgebliche Größen- bzw. Leistungswert gemäß Nr. 7.7.1 der Anlage 1 zum UVPG überschritten werde und dass der Betrieb der Anlage zu unzumutbaren Immissionen auf seinem Grundstück führe. Der Antragsgegner lehnte die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Hinblick auf § 3 b Abs. 2 S. 3 UVPG ab.
- 3
Den auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellten Antrag des Antragstellers wies das Verwaltungsgericht zurück. Das Verwaltungsgericht ließ es offen, ob im Hinblick auf die vorhandene Ferkelzucht wegen nachträglicher Kumulation eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen gewesen wäre oder ob die Vorprüfung sachlich fehlerhaft gewesen sei und bei richtiger Vorprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung anzuordnen gewesen wäre, denn derartige Fehler berechtigten nicht zur Aufhebung der angefochtenen Genehmigung. Unter anderem unter Berufung auf das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24.09.2008 – 6 C 1600/07 (DVBl. 2009, 186) vertrat das Verwaltungsgericht die Auffassung, dass die Aufhebung der Genehmigung nur dann gerechtfertigt sei, wenn die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder die Vorprüfung des Einzelfalls gänzlich unterblieben sei. Hier sei jedoch eine Vorprüfung des Einzelfalls durchgeführt worden.
II.
- 4
Die dagegen erhobene Beschwerde bleibt erfolglos, denn die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist nicht gerechtfertigt.
- 5
1) Der Antragsgegner hat zunächst zu Recht davon abgesehen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen zu lassen, denn das Vorhaben unterschreitet den maßgeblichen Größen- bzw. Leistungswert gemäß Nr. 7.7.1 der Anlage 1 zum UVPG (3000 Plätze). Die Ferkelaufzuchtanlage ist in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen. § 3b Abs. 2 UPVG ist bereits deshalb nicht anwendbar, weil diese Vorschrift sich nur auf gleichzeitig zu verwirklichende neue Anlagen bezieht (S. 1). Sie wäre aber selbst dann nicht anwendbar, wenn die Ferkelaufzuchtanlage neu errichtet würde, denn diese Anlage überschreitet für sich allein weder die Werte für eine standortbezogene Vorprüfung noch für die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls (vgl. 7.9 der Anlage 1 zum UVPG). Gemäß § 3b Abs. 2 S. 3 UVPG sind aber solche, die Bagatellgrenze nicht überschreitenden Anlagen nicht kumulierend zu berücksichtigen. Schließlich ist die Berücksichtigung der Ferkelaufzuchtanlage auch nicht gemäß § 3b Abs. 3 S. 2 UVPG geboten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift, die ihrem Wortlaut nach nur bereits vorhandene kumulierende Anlagen betrifft, auch auf Fälle der nachträglichen Kumulation angewendet werden kann oder ob derartige Fälle möglicherweise in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 2 UPVG der Umweltverträglichkeitsprüfung unterfallen (vgl. zu dieser Problematik (Hoppe/Dienes, UVPG, 3. Aufl. 2007, § 36 Rn. 41). Nach der Wertung des § 3 Abs. 2 S. 3 UVPG scheidet die Einbeziehung von Betrieben, die – wie die Ferkelaufzuchtanlage – die dort geregelte Bagatellschwelle unterschreiten, in jedem Fall aus.
- 6
Bei dieser Sachlage stellt sich die Frage, ob eine Beschränkung auf eine Vorprüfung des Einzelfalls auch bei einer Überschreitung des Größen- bzw. Leistungswertes gemäß Nr. 7.7.1 der Anlage 1 zum UVPG die Aufhebung der Genehmigung gemäß § 4 Abs. 1 UmwRG rechtfertigt, nicht. Die Entscheidung des Antragsgegners, von einer Umweltverträglichkeitsprüfung abzusehen, kann hier nur dann fehlerhaft sein, wenn aufgrund einer mangelhaften Durchführung der Vorprüfung des Einzelfalls oder einer unzutreffenden Interpretation des Vorprüfungsergebnisses zu Unrecht von einer Umweltverträglichkeitsprüfung abgesehen wurde. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, denn derartige Fehler ermöglichen regelmäßig die Aufhebung der angefochtenen Genehmigung und damit auch ihre Suspendierung nicht. Gemäß § 4 Abs. 1 UmwRG rechtfertigt nämlich nur das vollständige Fehlen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer erforderlichen Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit, nicht aber die fehlerhafte Durchführung dieser Prüfungen die Aufhebung der Genehmigung. Dies ist nach dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig und entspricht auch der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/2495, S. 14). Zur Begründung seiner abweichenden Auffassung beruft der Antragsteller sich insoweit zu Unrecht auf Ziekow (NVwZ 2007, 259). Zu der hier maßgeblichen Problematik setzt sich Ziekow zunächst mit der Geschichte des Gesetzgebungsverfahrens auseinander. Er äußert zwar erhebliche rechtspolitische Bedenken an der letztlich zustande gekommenen gesetzlichen Fassung, geht jedoch auch davon aus, dass ein Anspruch auf Aufhebung des Bescheides nur dann besteht, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalles gänzlich unterbleibt. So heißt es bei Ziekow ausdrücklich:
- 7
"Zum andern soll die … schließlich verabschiedete Fassung offenbar klarstellen, dass nur das vollständige Fehlen von Umweltverträglichkeitsprüfung oder Einzelfallvorprüfung beachtlich ist, nicht aber die fehlerhafte Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung. … Beispiel ist die fehlerhaft durchgeführte Einzelfallvorprüfung, nämlich die Konstellation, dass die Behörde zwar eine Vorprüfung durchführt, dabei aber fehlerhaft zu dem Ergebnis kommt, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. … Da in der genannten Konstellation ja eine Vorprüfung durchgeführt worden ist – wenn auch eine fehlerhafte – entsteht eine missliche Situation: Mangels dahingehender Einschätzung der Behörde in der Vorprüfung ist eine UVP-Pflicht nicht entstanden; eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 URG liegt daher nicht vor. Ebenso wenig aber ist § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 URG einschlägig, da die Vorprüfung ja erfolgt ist. In der Konsequenz würde dies bedeuten, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt worden ist, obwohl eine UVG-Pflicht bestehen kann. …"
- 8
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 17. September 2008 – 2 M 146/08 (NVwZ 2009, 340), auf den sich der Antragsteller des weiteren bezieht, äußert sich zu der hier maßgeblichen Rechtsfrage, ob auch die fehlerhaft durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls, die eine Unterlassung einer gebotenen Umweltverträglichkeitsprüfung zur Konsequenz hat, nicht ausdrücklich. Hierfür bestand auch kein Anlass, denn nach dem von ihm zu beurteilenden Sachverhalt lag weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung noch eine Vorprüfung des Einzelfalles vor. Auch die vom Antragsteller zitierte Passage aus dem Aufsatz von Schwanenflug (NVwZ 2007, 1351) nimmt hierzu nicht Stellung.
- 9
Eine erweiternde Auslegung des § 4 Abs. 1 UmwRG kommt allenfalls in Bezug auf die in § 3a S. 4 UPVG geregelten Fehler in Betracht, denn anderenfalls liefe die dort geregelte (eingeschränkte) verwaltungsgerichtliche Kontrolle leer (vgl. Kment, NVwZ 2007, 276). Dies bedarf jedoch keiner weiteren Überprüfung, denn der Antragsteller hat derartige Fehler nicht geltend gemacht (vgl. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO).
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2) Die vom Antragsteller dargelegten materiellen Gesichtspunkte rechtfertigen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ebenfalls nicht. Der Antragsteller hat nicht substantiiert dargelegt, dass er durch den Betrieb der genehmigten Anlage in seinen Rechten verletzt wird. Der schlichte, nicht näher begründete Hinweis auf die Entfernung des Vorhabens zum Grundstück des Antragstellers, die Forderungen nach einer Abdeckung des Güllebehälters, nach Filteranlagen für die Stallabluft und nach einer Anordnung des Schleppschlauchverfahrens bei der Gülleausbringung sind nicht geeignet, die Anordnung einer aufschiebende Wirkung des Widerspruchs zu rechtfertigen. Der Senat weist in diesem Zusammenhang lediglich darauf hin, dass die Gülleausbringung nicht Gegenstand der Genehmigung ist und dass in 3.1.2 g) der Genehmigung emissionsmindernde Maßnahmen vorgesehen sind. Selbst wenn die Gülleausbringung Gegenstand der Genehmigung wäre und/oder dem Antragsteller aufgrund der anderen von ihm erwähnten Gesichtspunkte unzumutbare Immissionen drohten, so würde dies die Suspendierung der Genehmigung nicht rechtfertigen. Die von ihm geforderten Maßnahmen können nämlich – falls sich ihre Kritik im Hauptsacheverfahren als gerechtfertigt erweist – ohne weiteres nachträglich angeordnet werden.
- 11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG (zur näheren Begründung vgl. Beschluss des Senats vom heutigen Tage zur Streitwertbeschwerde – 1 O 6/10).
- 12
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil er einen eigenen Antrag gestellt und sich damit am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
- 13
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
(1) Bei der Bekanntmachung zu Beginn des Beteiligungsverfahrens unterrichtet die zuständige Behörde die Öffentlichkeit
- 1.
über den Antrag auf Zulassungsentscheidung oder über eine sonstige Handlung des Vorhabenträgers zur Einleitung eines Verfahrens, in dem die Umweltverträglichkeit geprüft wird, - 2.
über die Feststellung der UVP-Pflicht des Vorhabens nach § 5 sowie, falls erforderlich, über die Durchführung einer grenzüberschreitenden Beteiligung nach den §§ 54 bis 56, - 3.
über die für das Verfahren und für die Zulassungsentscheidung jeweils zuständigen Behörden, bei denen weitere relevante Informationen erhältlich sind und bei denen Äußerungen oder Fragen eingereicht werden können, sowie über die festgelegten Fristen zur Übermittlung dieser Äußerungen oder Fragen, - 4.
über die Art einer möglichen Zulassungsentscheidung, - 5.
darüber, dass ein UVP-Bericht vorgelegt wurde, - 6.
über die Bezeichnung der das Vorhaben betreffenden entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorliegen, - 7.
darüber, wo und in welchem Zeitraum die Unterlagen nach den Nummern 5 und 6 zur Einsicht ausgelegt werden sowie - 8.
über weitere Einzelheiten des Verfahrens der Beteiligung der Öffentlichkeit.
(2) Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens legt die zuständige Behörde zumindest folgende Unterlagen zur Einsicht für die Öffentlichkeit aus:
- 1.
den UVP-Bericht, - 2.
die das Vorhaben betreffenden entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorgelegen haben.
(3) Weitere Informationen, die für die Zulassungsentscheidung von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn des Beteiligungsverfahrens vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger, eine anerkannte Vereinigung im Sinne von § 3 Abs. 1 UmwRG, wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10. August 2009 zur Errichtung und zum Betrieb einer Schweinemastanlage, gegen eine mit Bescheid vom 30. Mai 2012 ergänzend angeordnete Auflage sowie gegen drei Bescheide vom 20. Oktober 2011, 5. September 2013 und 8. Juni 2015, mit denen die Frist zur Inbetriebnahme des Vorhabens jeweils verlängert wurde, zuletzt bis zum 31. Dezember 2016.
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-
Der Standort des genehmigten Vorhabens befindet sich in der Nähe eines Ortsteils der Stadt J., benachbart zu einem FFH-Gebiet. Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung, die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erfolgte, waren unter anderem eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung und eine Immissionsprognose. Einwendungen des Klägers gingen erst nach Ablauf der Einwendungsfrist bei dem Beklagten ein. Nach Durchführung des Erörterungstermins forderte der Beklagte von der Vorhabenträgerin eine FFH-Verträglichkeitsstudie, einen artenschutzrechtlichen Fachbeitrag und eine Beeinträchtigungsprognose nach. Zu diesen Unterlagen erhielt der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.
- 3
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Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen die Bescheide vom 10. August 2009, vom 20. Oktober 2011 und vom 30. Mai 2012 als unzulässig ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Weder § 42 Abs. 2 VwGO noch die Vorschriften über die Zulässigkeit von Verbandsklagen vermittelten dem Kläger ein Klagerecht. Im Hinblick auf die angefochtene Genehmigung sei der Kläger mit allen Einwendungen ausgeschlossen, da er sie nicht innerhalb der Frist des § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG erhoben habe. Die in § 2 Abs. 3 UmwRG geregelte Präklusion, deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt seien, stehe mit Unionsrecht im Einklang. Die Bescheide vom 20. Oktober 2011 und vom 30. Mai 2012 gehörten nicht zu den Entscheidungen, die nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im Wege einer Verbandsklage anfechtbar seien.
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Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision, zu deren Gegenstand er auch die Bescheide vom 5. September 2013 und vom 8. Juni 2015 gemacht hat, trägt der Kläger im Wesentlichen vor: § 2 Abs. 3 UmwRG sei mit Unionsrecht nicht zu vereinbaren und daher nicht anwendbar. Die Genehmigung sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und auch materiell rechtswidrig, namentlich wegen einer Verletzung von § 34 Abs. 2 BNatSchG. Hinsichtlich der weiteren angefochtenen Bescheide stehe ihm ein Klagerecht nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz zu. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts leide zudem unter mehreren Verfahrensfehlern.
- 5
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Der Kläger beantragt,
-
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 28. November 2013, das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 28. August 2012, den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 10. August 2009, den Ergänzungsbescheid vom 30. Mai 2012 und den Verlängerungsbescheid vom 8. Juni 2015 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Verlängerungsbescheide vom 20. Oktober 2011 und 5. September 2013 rechtswidrig gewesen sind.
- 6
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
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die Revision zurückzuweisen.
- 7
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Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Die Beigeladene ist der Auffassung, die Vorschriften über die Präklusion von Einwendungen im gerichtlichen Verfahren seien aus verfassungsrechtlichen Gründen unbeschadet der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anwendbar.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zulässig und hat teilweise Erfolg. Soweit das angefochtene Urteil die Berufung gegen das die Klage gegen den Bescheid vom 10. August 2009 abweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen hat, beruht es auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), denn für eine abschließende Entscheidung bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen (1.). Die weitergehende Revision ist unbegründet (2.).
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1. a) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger unterliege bei der Anfechtung des Genehmigungsbescheids vom 10. August 2009 einem Einwendungsausschluss nach § 2 Abs. 3 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 753), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069), weil er es unterlassen habe, innerhalb der Frist des § 10 Abs. 3 Satz 4 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1839) schriftlich Einwendungen zu erheben, steht mit revisiblem Recht nicht im Einklang. Der Ausschluss von Einwendungen, die nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist geltend gemacht worden sind, und die daran anknüpfende Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle durch § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG sind mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten - UVP-Richtlinie (ABl. L 26 S. 1) und Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (ABl. L 334 S. 17) nicht vereinbar (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683] - NJW 2015, 3495 Rn. 78 ff.). Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU ist zwar erst nach Erlass des Bescheids vom 10. August 2009 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt galt mit Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175 S. 40) in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten geänderten Fassung eine Vorschrift, die Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU entspricht; die Neukodifikation durch die Richtlinie 2011/92/EU hat am Regelungsgehalt der zuvor geltenden Norm nichts geändert. Die Ausführungen des Gerichtshofs zum Anwendungsvorrang des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU sind somit auf Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG übertragbar.
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Eine Präklusion des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall der Einwendungsausschluss allein auf die speziellere Norm des § 2 Abs. 3 UmwRG zu stützen wäre, ist auch § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG wegen seiner Unvereinbarkeit mit den genannten unionsrechtlichen Vorschriften nicht anwendbar, da sich sein Regelungsgehalt mit demjenigen des § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG deckt.
- 11
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b) Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber § 2 Abs. 3 UmwRG und § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ist nicht von Verfassungs wegen ausgeschlossen. Zwar reicht der Anwendungsvorrang nur so weit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen; er wird demnach durch die in Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegte Verfassungsidentität des Grundgesetzes begrenzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 2 BvR 2735/14 - BVerfGE 140, 317 Rn. 40). Die Verfassungsidentität, namentlich im Hinblick auf das von Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärte Prinzip der Gewaltenteilung (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 2 BvF 1/69 u.a. - BVerfGE 30, 1 <27>), ist durch die Unanwendbarkeit der Präklusionsvorschriften jedoch nicht berührt. Denn dies führt lediglich dazu, dass der Regelfall wirkungsvollen Rechtsschutzes, wie er in Art. 19 Abs. 4 GG vorgesehen ist, eintritt. Danach ist - unbeschadet normativ eröffneter Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume sowie der Tatbestandswirkung von Hoheitsakten - eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen seitens anderer Gewalten hinsichtlich dessen, was im Einzelfall rechtens ist, grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <111>). Mit der Präklusion fällt eine - ihrerseits rechtfertigungsbedürftige - Ausnahme von dieser Regel weg, ohne dass dies die von Art. 79 Abs. 3 GG garantierten Grundsätze berührte.
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c) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts erweist sich nicht als anderweitig richtig (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Entgegen der Auffassung des Klägers scheidet eine abschließende Sachentscheidung jedoch aus. Ohne weitere Tatsachenaufklärung lässt sich nicht beurteilen, ob der Genehmigungsbescheid rechtmäßig ist.
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aa) Dies gilt zunächst für die von der Revision geltend gemachten Fehler des Verwaltungsverfahrens.
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aaa) Das Vorhaben der Beigeladenen bedarf einer Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Die hierfür geltenden Verfahrensvorschriften finden sich in § 10 BImSchG und der 9. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über das Genehmigungsverfahren (BImSchV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 29. Mai 1992 (BGBl. I S. 1001), zuletzt geändert durch Art. 5 der Verordnung vom 28. April 2015 (BGBl. I S. 670), nicht aber in den von der Revision herangezogenen Normen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und des Unionsrechts. Insbesondere enthält die 9. BImSchV abschließende Regelungen über die in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung, wie sich aus § 1 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV ergibt. Ein ergänzender Rückgriff auf die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung kommt daher nicht in Betracht (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2016, § 1 der 9. BImSchV Rn. 9; Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 1 der 9. BImSchV Rn. 17; Gallas, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2016, § 4 UVPG Rn. 24 f.).
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Anderes folgt entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG. Diese Vorschrift legt Rechtsfolgen bestimmter Verstöße gegen § 9 UVPG oder § 10 BImSchG fest, ordnet aber nicht an, dass diese beiden Vorschriften in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nebeneinander anzuwenden sind. Schließlich sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die UVP-Richtlinie hinsichtlich des hier in Rede stehenden Verfahrensrechts im deutschen Recht unzureichend umgesetzt ist, so dass sich schon aus diesem Grund eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie verbietet.
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bbb) Die Beurteilung der Frage, ob die Genehmigungsbehörde ihrer Pflicht genügt hat, gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV nach Antragseingang die Vollständigkeit der - auch als Grundlage der Öffentlichkeitsbeteiligung dienenden - Antragsunterlagen zu prüfen, setzt weitere tatsächliche Feststellungen voraus.
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Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren wird nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BImSchG durch einen schriftlichen Antrag eingeleitet. Ihm sind gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG die zur Prüfung nach § 6 BImSchG erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen, welche gegebenenfalls zu ergänzen sind (§ 10 Abs. 1 Satz 3 BImSchG). Weitere Bestimmungen über den Umfang der vorzulegenden Unterlagen enthalten §§ 4 ff. der 9. BImSchV; in § 4e der 9. BImSchV finden sich Regelungen über zusätzliche Angaben, die der Antragsteller bei einem UVP-pflichtigen Vorhaben zu machen hat. Ob die vorgelegten Unterlagen diesen Anforderungen entsprechen, ist nicht rückblickend auf der Grundlage der bis zur Entscheidung über die Genehmigung gewonnenen Erkenntnisse, sondern aus der Perspektive der Genehmigungsbehörde vor Durchführung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zu beurteilen. Von den Vorinstanzen sind keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen worden, die dem Senat diese Beurteilung erlauben würden.
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ccc) Die Revision hält außerdem die durchgeführte Öffentlichkeitsbeteiligung für fehlerhaft. Auch insoweit ist dem Senat eine abschließende Sachentscheidung verwehrt.
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Im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung bestimmen § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG und § 10 Abs. 1 der 9. BImSchV den Umfang der auszulegenden Unterlagen. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG sind der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, die Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, zur Einsicht auszulegen. § 10 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV konkretisiert den Umfang dieser Unterlagen. Auszulegen sind die dem Antrag beigefügten Unterlagen, die die Angaben über die Auswirkungen der Anlage auf die Nachbarschaft und die Allgemeinheit enthalten. Ferner sind die vom Antragsteller zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zusätzlich beigefügten Unterlagen auszulegen, wenn das Vorhaben - wie hier - eine UVP-pflichtige Anlage betrifft (§ 10 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 der 9. BImSchV). Diese Vorschrift knüpft an § 4e der 9. BImSchV an, wonach bei UVP-pflichtigen Vorhaben zusätzliche Angaben zur Prüfung der Umweltverträglichkeit zu machen sind. Die erwähnten Regelungen beziehen sich ihrem Wortlaut nach auf die tatsächlich vorgelegten Unterlagen. Im systematischen Zusammenhang mit dem Erfordernis des § 7 Abs. 1 der 9. BImSchV, die Unterlagen vor Durchführung des weiteren Verfahrens auf Vollständigkeit zu prüfen und gegebenenfalls auf ihre Vervollständigung hinzuwirken, ist aber davon auszugehen, dass Fehler auf dieser vorgängigen Verfahrensstufe auf die nachfolgende Auslegung der Planunterlagen durchschlagen können mit der Folge, dass ein solcher Mangel der Auslegung sich nur durch Einholung ergänzender Unterlagen und erneute Beteiligung der Öffentlichkeit ausräumen ließe. Auch insoweit fehlt es bisher an ausreichenden Feststellungen für die gebotene Überprüfung.
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Soweit der Kläger eine unzureichende Öffentlichkeitsbeteiligung daraus ableitet, dass der betroffenen Öffentlichkeit nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der UVP-Richtlinie alle im Laufe des Verfahrens gemäß Art. 5 der Richtlinie eingeholten Informationen zugänglich zu machen seien, ist ihm nicht zu folgen. Hierfür findet sich in der Richtlinie kein Anhalt. Vielmehr stellen die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie sicher, dass nachträglich zugänglich gewordene Unterlagen der betroffenen Öffentlichkeit in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Umweltinformations-Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABI. L 41 S. 26) zugänglich gemacht werden. Diese Verpflichtung hat der nationale Gesetzgeber in § 10 Abs. 3 Satz 3 BImSchG und § 10 Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV umgesetzt. Danach sind der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegende Unterlagen der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Daraus folgt zugleich, dass nachgereichte Unterlagen die Genehmigungsbehörde nicht ohne Weiteres verpflichten, einen weiteren Erörterungstermin durchzuführen, zumal Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 2011/92/EU die Festlegung der genauen Vorkehrungen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und die Anhörung der betroffenen Öffentlichkeit den Mitgliedstaaten überlässt. Entsprechendes gilt für die von der Revision ebenfalls in Bezug genommene Richtlinie 2010/75/EU. Nach deren Anhang IV Nr. 2 Buchst. b stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der betroffenen Öffentlichkeit nachgereichte Unterlagen in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Umweltinformations-Richtlinie zugänglich gemacht werden.
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ddd) Ein Verfahrensfehler könnte zudem nur dann zum Erfolg der Klage führen, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 oder 1a UmwRG vorliegen, zu denen es gegebenenfalls weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.
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bb) Ohne zusätzliche tatrichterliche Feststellungen kann auch kein Verstoß des Genehmigungsbescheids gegen materielles Recht, insbesondere § 34 Abs. 2 BNatSchG, bejaht werden.
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aaa) Entgegen der Auffassung der Revision ist ein Verstoß gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG nicht schon dem angefochtenen Bescheid selbst zu entnehmen. Der Senat kann den Genehmigungsbescheid mangels tatrichterlicher Feststellungen zu seinem Erklärungsinhalt selbst auslegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 7 C 15.13 - NVwZ 2016, 308 Rn. 33). Dabei ist entsprechend §§ 133, 157 BGB der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger verstehen konnte. Eine daran orientierte Auslegung des Genehmigungsbescheids ergibt, dass sich der Beklagte der Naturschutzbehörde angeschlossen hat, die unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers zu der Einschätzung gelangt ist, an dem bisherigen Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung sei festzuhalten. Dies kann nur so interpretiert werden, dass erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne des § 34 Abs. 2 BNatSchG verneint werden. Ein gegenteiliges Verständnis erscheint fernliegend, denn es unterstellte dem Beklagten, er habe die Genehmigung erteilt, obwohl er selbst davon ausgegangen sei, dass eine Voraussetzung hierfür nicht vorliege.
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bbb) Letzteres folgt auch nicht daraus, dass der Beklagte der Genehmigung die Nebenbestimmung 10.1 beigefügt hat. Die Anordnung eines Monitorings beruht nicht darauf, dass der Beklagte von der praktischen Möglichkeit bestimmter erheblicher Beeinträchtigungen im Sinne des § 34 Abs. 2 BNatSchG ausgegangen wäre. Vielmehr wollte er lediglich ergänzend für den Fall vorsorgen, dass sich später prognostisch nicht absehbare Beeinträchtigungen der näher bezeichneten Lebensraumtypen einstellen sollten.
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ccc) Die Revision meint außerdem, der angefochtene Bescheid lege einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde, weil er verkenne, dass auch eine "noch tolerierbare Beeinträchtigung" eines Erhaltungsziels als Beeinträchtigung im Rechtssinne zu werten sei. Der Bescheid geht indes aufgrund des angewendeten Prüfungsschemas auch bei einer als noch tolerierbare Beeinträchtigung bezeichneten Einwirkung davon aus, dass die betroffenen Lebensräume ihre Funktion in vollem Umfang erfüllen können. Es handelt sich - wie in der von der Revision zitierten Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13 Rn. 85) - um eine nicht präzise Wortwahl. Der Beklagte hat aber nicht verkannt, dass es darauf ankommt, ob die Einwirkungen den Erhaltungszielen zuwiderlaufen.
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ddd) Soweit die Revision sich darauf beruft, der Genehmigungsbescheid habe eine Beeinträchtigung des LRT 3150 durch anlagebedingte Stickstoffeinträge nicht ausgeschlossen, die vorhabenbedingten Einwirkungen könnten zu einer Erheblichkeit hinsichtlich des Erhaltungsziels und damit zu einem Verstoß gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG führen, hängt die Beurteilung von tatsächlichen Fragen ab, die sich einer Würdigung im Revisionsverfahren entziehen.
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eee) Schließlich vermag der Senat die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmungen 10.1.3 und 10.1.4 nicht abschließend zu beurteilen. Eine Rechtsgrundlage für einen Vorbehalt nachträglicher Auflagen, wie er in Nr. 10.1.3 sinngemäß, in Nr. 10.1.4 ausdrücklich enthalten ist, bietet § 12 Abs. 2a Satz 1 BImSchG. Danach kann die Genehmigung mit Einverständnis des Antragstellers unter dem Vorbehalt nachträglicher Auflagen erteilt werden, soweit hierdurch hinreichend bestimmte, in der Genehmigung bereits allgemein festgelegte Anforderungen an die Errichtung oder den Betrieb der Anlage in einem Zeitpunkt nach Erteilung der Genehmigung näher festgelegt werden sollen. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann ohne darauf bezogene Feststellungen jedoch nicht beurteilt werden.
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2. Die weitergehende Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil in Bezug auf die Anfechtung des Ergänzungsbescheids vom 30. Mai 2012 zu Recht zurückgewiesen (a). Die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den Verlängerungsbescheid vom 20. Oktober 2011 ist unzulässig (b). Soweit der Kläger die Verlängerungsbescheide vom 5. September 2013 und vom 8. Juni 2015 zum Gegenstand eines Fortsetzungsfeststellungsbegehrens gemacht bzw. angefochten hat, liegt eine gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung vor (c). Die Verfahrensrügen greifen nicht durch (d).
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a) Die Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2012, mit dem der Beklagte eine Nebenbestimmung zur Ablufthöhe (3.1.2.3 a) nachträglich in den Genehmigungsbescheid aufgenommen hat, ist mangels Klagebefugnis unzulässig. Ein Klagerecht nach § 2 UmwRG steht dem Kläger nicht zu. Die nachträgliche Hinzufügung einer weiteren (belastenden) Nebenbestimmung zu einer Genehmigung nach § 4 BImSchG ist keine Entscheidung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 3 UVPG, die im Wege einer Verbandsklage anfechtbar ist. Nach dem hier allein in Frage kommenden § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVPG zählen zu den Entscheidungen die Bewilligung, Erlaubnis, Genehmigung, der Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden. Damit kommen im immissionsschutzrechtlichen Verfahren als Gegenstand der Umweltverbandsklage nach § 2 Abs. 1 UmwRG die Zulassungsentscheidung nach § 4 BImSchG, die Teilgenehmigung nach § 8 BImSchG und der Vorbescheid nach § 9 BImSchG in Betracht (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2016, § 1 UmwRG Rn. 8), nicht jedoch eine nachträgliche Nebenbestimmung zu einer Genehmigung; denn diese entfaltet weder eine Zulassungswirkung noch enthält sie wenigstens Elemente einer Zulassungsentscheidung. Dieses Normverständnis steht mit Unionsrecht im Einklang. Art. 11 Abs. 1 der UVP-Richtlinie stellt zwar auf "Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen" ab, worunter grundsätzlich auch nachträgliche Maßnahmen in Bezug auf ein genehmigtes Vorhaben fallen. Allerdings muss für diese Maßnahmen in der UVP-Richtlinie eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen sein. Aus Art. 2 Abs. 2 der UVP-Richtlinie 2011/92/EU folgt, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung und damit auch die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens durchzuführen ist (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2016, § 1 UmwRG Rn. 15). Einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung bedarf es vor Erlass nachträglicher Nebenbestimmungen danach nicht.
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b) Soweit die Revision das Fortsetzungsfeststellungsbegehren hinsichtlich des Verlängerungsbescheids vom 20. Oktober 2011 betrifft, bleibt sie ohne Erfolg.
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Nachdem dieser Bescheid sich durch Zeitablauf erledigt hat, durfte der Kläger sein Klagebegehren auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) umstellen. Das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO) steht dem nicht entgegen. Der Übergang von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage ist keine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO) und deshalb auch in der Revisionsinstanz noch zulässig (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 26. August 2010 - 3 C 35.09 - NVwZ 2011, 368 Rn. 10 und vom 20. November 2014 - 3 C 25.13 - NVwZ 2015, 749 Rn. 11).
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Der Kläger hat aber - ungeachtet der Frage seines Klagerechts - nicht das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Es kommt darauf an, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 20 m.w.N.). Das ist im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz nicht der Fall. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse lässt sich nicht unter dem hier allein in Betracht kommenden Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr begründen. Daran fehlt es, weil der Beklagte in dem Verlängerungsbescheid vom 8. Juni 2015 die Frist letztmalig bis zum 31. Dezember 2016 verlängert hat. Der Erlass eines vergleichbaren Bescheids erscheint daher ausgeschlossen.
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c) Soweit der Kläger die Verlängerungsbescheide vom 5. September 2013 und vom 8. Juni 2015 zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht hat, liegt eine nach § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässige Klageänderung vor. Insoweit hat der Kläger den bisherigen Klageanträgen weitere Klageanträge hinzugefügt, und damit den Streitgegenstand des Verfahrens geändert. Das führt auf eine Klageänderung im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO; denn ein Fall des § 264 ZPO i.V.m. § 173 VwGO ist nicht gegeben. Eine nach § 264 Nr. 2 ZPO statthafte Klageerweiterung setzt voraus, dass der Klagegrund unverändert bleibt. Dies trifft hier nicht zu. Denn die Verlängerungsbescheide vom 5. September 2013 und vom 8. Juni 2015 betreffen andere Zeiträume als der Verlängerungsbescheid vom 20. Oktober 2011.
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d) Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO).
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Die Sache ist auf Anregung aller Beteiligten an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Eine Erörterung in der Sache hat bislang nicht stattgefunden; sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht haben die Klage als unzulässig abgewiesen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 1967 - 4 C 147.65 - BVerwGE 28, 317 und vom 18. November 1982 - 1 C 62.81 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 11).
(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.
(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.
(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.
(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.
(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.
(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist
- 1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind; - 2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen; - 3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden; - 4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.
(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.
(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:
- 1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. - 2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind. - 3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.
(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.
(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.
(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.
(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.
(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:
- 1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie - 2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.
(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.