Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 20. Juli 2017 - 12 A 313/15

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:0720.12A313.15.00
bei uns veröffentlicht am20.07.2017

Tenor

Die Klage wird abgewiesen

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin.

2

Die am 4. Januar 1987 geborene Klägerin steht als Sanitätsoffizierin im Range einer Stabsärztin im Dienstverhältnis bei der Bundeswehr.

3

Im August 2006 bewarb sich die – seinerzeit 19jährige - Klägerin bei der Bundeswehr für die Laufbahn einer Sanitätsoffizier-Anwärterin und erhielt nach Absolvierung der Offizierbewerber-Prüfzentrale im Dezember 2006 die Sofortzusage; ab dem 2. Juli 2007 begann sie ihre Allgemeine Grundausbildung an der Marineschule in….

4

Zum 2. Oktober 2007 wurde die Klägerin an das Sanitätszentrum … versetzt untergleichzeitiger Beurlaubung zum Studium der Humanmedizin an der Universität …, welches sie zum selben Termin aufnahm.

5

Die Klägerin wurde zum 1. Januar 2008 zur Obergefreiten-Sanitätsoffiziersanwärterin befördert. Im Juli und August 2008 nahm sie an den Offizierslehrgängen an der Sanitätsakademie in … (Modul 1 und Modul 2) teil.

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Ihre Studienfamulaturen absolvierte sie unter anderem am Bundeswehrkrankenhaus … im Jahr 2011 (Abteilung für Radiologie) und im Jahr 2013 (Abteilung für Innere Medizin). Die Tertiale des praktischen Jahres nahm die Klägerin an nicht-bundeswehreigenen Häusern bzw. -Praxen wahr.

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Am 19. November 2014 schloss die Klägerin die ärztliche Approbationsprüfung mit der Note 2,5 (gut) ab. Im Januar 2015 wurde die Klägerin zur Stabsärztin befördert.

8

Vom 9. Februar 2015 bis zum 7. März 2015 war die Klägerin dem Bundeswehrkrankenhaus … (Abt. XIV Orthopädie und Unfallchirurgie) zugewiesen.

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Vom 9. März bis 18. März 2015 nahm sie am Lehrgang Grundlagenausbildung Sanitätsoffiziere Teil A2 und A1 in … als Teil der postuniversitären militärischen Ausbildung (PUMA) teil.

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Unter dem 19. März 2015 beantragte die Klägerin – zunächst ohne nähere inhaltliche Begründung – die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin.

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Seit dem 13. April 2015 ist die Klägerin dem Sanitätsversorgungszentrum … zugewiesen.

12

Mit Schreiben vom 8. Juni 2015 begründete die Klägerin ihren Antrag. Im Einzelnen gliederte sie diese Begründung nach ihrem Werdegang auf (1.-6.), an dem sie ihre Gewissensveränderung festmacht (7.-8.):

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1. Hinsichtlich ihres familiär-biographischen Hintergrundes bei der Verpflichtung weist sie zunächst darauf hin, dass ihr mit ihrem Abiturschnitt von 1,4 und ihrem musikalischen Talent viele Berufswege offen gestanden hätten. Allerdings habe sie das Krankheitsleiden eines Nachbarn dazu bewogen, sich mit dem Studienfach Medizin als Möglichkeit der Linderung von Leid für Menschen, ihnen zu helfen und Leben zu retten auseinander zu setzen. Besonders weist sie auf das in ihrem konservativen Elternhaus vermittelte Erziehungsbild (Pflichtbewusstsein, feste Werte und Normen) hin. Sie gibt ferner an, dass sie schon damals „gesellschaftliche und soziale Problempunkte, ethische und moralische Fragen, Bibelauslegung, fremde Religionen und gesellschaftliche Einflüsse“ fasziniert hätten (Beiakte B, Teil 2, Bl. 20). In diesem Zusammenhang gibt sie an, zwar nicht im kirchlich-institutionellen Sinne einer Religion nachzugehen, würde sich aber noch als religiös bezeichnen und sei der Ansicht, dass sie – in Anlehnung an ihren Konfirmationsspruch „auf einem Pfad gewandelt [sei], der nicht ‚vom Wort Gottes‘ beleuchtet war“ (Beiakte B, Teil 2, Bl. 20).

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2. Im Folgenden beschreibt sie ihre vorherigen Kontakte zur Bundeswehr; namentlich durch ihre Arbeit als Babysitter sei sie in engen Kontakt gekommen zu einer Familie, deren Vater Marineangehöriger gewesen sei. In Gesprächen mit ihm habe sie die Überzeugung gewonnen, neben dem finanziellen Anreiz des festen Gehalts sowohl medizinisch als auch militärisch etwas Gutes zu tun. Hier habe aber auch die Zerrüttung ihrer Familie eine Rolle gespielt. Für die Verpflichtung bei der Bundeswehr habe sie auch die dort erwartete feste Struktur bewogen. In der Vorbereitung auf das Bewerbungsgespräch habe sie sich zwar auch mit einem möglichen Schießbefehl befasst, dessen Tragweite aber ebenso wenig abschätzen können wie einen Widerspruch zu ihrer Vorstellung von ärztlicher Tätigkeit. Außerdem sei sie davon ausgegangen, vor allem als Ärztin eingesetzt zu werden. Insgesamt verweist die Klägerin neben den Gesprächen als Quellen für ihr Bundeswehrbild auf „TV und [das] aktuelle Zeitgeschehen“ (Beiakte B, Teil 2, Bl. 22). Ihre Eltern hätten ihre Bewerbung teils kritisch-besorgt, am Ende aber stolz begleitet.

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3. Die Absolvierung ihrer Grundausbildung beschreibt sie sodann als stressbelastet, sie habe jene vor allem wegen des Ziels (Medizinstudium) und des Kameradschaftsgefühls durchgestanden. Bezogen auf die Schießübungen gibt sie an, dass jene „irgendwie dazu“ gehört hätten, sie aber ein „unglaublich schlechter Schütze“ sei und „mit dem Werfen der Einzeleile mehr bewirken [könnte]“ (Beiakte B, Teil 2, Bl. 25). Sie habe sich „gleichzeitig gefährlich und gefährdet“ gefühlt, insgesamt aber sei ein Schuss auf einen Papp-Aufsteller aber für sie nicht mit einem richtigen Schuss auf einen richtigen Menschen zu vergleichen. Sie fasst dabei den „wichtigsten Lerninhalt“ zusammen „Wie stelle ich es an, dass meine Kameraden und ich selbst nicht verletzt werden?“ (Beiakte B, Teil 2, Bl. 25). Ihre Ernennung zum Soldaten auf Zeit sowie die Vereidigung habe sie eher passiv erlebt. Ihre nachfolgende Zeit auf der Gorch Fock beschreibt sie positiv, was sie kontrastiert mit der weitgehenden Zerrüttung der Familie (Beiakte B, Teil 2, Bl. 26).

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4. Ihre folgende Studienzeit beschreibt sie sodann als sehr zeitintensiv und anspruchsvoll, mit „wenige[n] Berührungspunkte[n]“ zwischen Studium und Bundeswehr, so dass „weder Zeit noch Bedarf“ für Reflexion bestanden hätten (Beiakte B, Teil 2, Bl. 26 d.A.). In Zusammenhang mit einem Offizierslehrgang im August 2008 seien ihr aber Bilder von Opfern eines Anschlags auf einen Bundeswehrbus in Kunduz gezeigt worden, wobei sie diese nur mit einer späteren Tätigkeit als Arzt verbunden habe (Beiakte B, Teil 2, Bl. 27). In den Schießübungen bei diesem Lehrgang beschreibt sie ihren Umgang mit der Waffe als „sehr unsicher“ (Beiakte B, Teil 2, Bl. 27). Zugleich gibt sie an, mit ihrer Beförderung zum Leutnant im Jahr 2010 „sich als Soldat nicht immer wohl gefühlt“ zu haben (Beiakte B, Teil 2, Bl. 28 d.A.). In Zusammenhang mit einem Vortrag über den ISAF-Einsatz der Bundeswehr im November 2011 sei ihr erstmals klargeworden, dass ein Soldat „so richtig schießen muss“ und nicht „der Arzt eigentlich nur für die Verletzten da ist und die anderen Soldaten irgendwie auf den Arzt aufpassen.“ (Beiakte B, Teil 2, Bl. 29). In ihren Famulaturen sei sie selbst in Bundeswehreinrichtungen größtenteils mit Soldaten in Zivil in Kontakt gewesen, der Fokus habe auf der medizinischen Ausbildung gelegen; das Soldat-Sein oder Einsätze seien nicht thematisiert worden. Ihre Famulatur auf dem Einsatztruppenversorger beschreibt sie als von „militärische[m] Ton“ geprägt, verbindet diesen aber auch mit Abenteuerlust, welche sie auch aufgrund der Vorteile des Offizierdienstgrades als positiv erlebt habe (Beiakte B, Teil 2, Bl. 29).

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5. Als einschneidend beschreibt sie sodann ihren Sportunfall im Jahr 2012, wobei sie hervorhebt „die Kombination aus Schmerz, Hilfsbedürftigkeit und dem Wegfall des bewährten Ausgleichs Sport machten mir schwer zu schaffen. (…) Meine heimliche Grundüberzeugung, dass Unfälle und Verletzungen solcher Art mir schon nicht passierten und wenn dann nicht so schlimm, wurde Lügen gestraft.“ Sie habe dieses Grundgefühl aber nicht mit möglichen Auslandseinsätzen in Verbindung gebracht, zumal sie sich aufgrund ihrer Verletzung auch nicht als tauglich für Auslandseinsätze gesehen habe.

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6. Ihr praktisches Jahr sei davon geprägt gewesen, dass sie erstmals praktisch Menschen habe helfen können, gerade in der Notaufnahme, wenn schnelle Entscheidungen über Leben und Tod entscheiden könnten (Beiakte B. Teil 2 Bl. 31). In Zusammenhang mit dem Ableben ihrer Großmutter im Jahr 2013, deren Tod „sicher eine Erleichterung für sie“ gewesen sei (Beiakte B, Teil 2, Bl. 31) habe sie sich vermehrt mit dem Thema Sterben auseinandergesetzt wie auch mit dem drogeninduzierten Selbstmord ihres Cousins. Sie habe sich dabei auch mit Fragen der Nutzen-Risiko-Abwägung für Patienten befasst, ebenso wie der Frage der künstlichen Verlängerung des Lebens im Rahmen der Palliativmedizin (Beiakte B, Teil 2, Bl, 32). Sie sei zu dem Fazit gelangt: „Leben ist die Basis für alles. Jeder Mensch verdient es und jeder Mensch verdient es auch, dass Ärzte um sein Leben und seine Lebensqualität kämpfen. Ein Leben ist einfach unbezahlbar und verdient es als eines der höchsten Güter angesehen zu werden.“ (Beiakte B, Teil 2, Bl. 32).

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7. Diese Gedanken hätten zu einem grundsätzlichen Anzweifeln der Vereinbarkeit von soldatischer und ärztlicher Tätigkeit geführt. Ein vier-Augen-Gespräch mit ihrem Betreuungsoffizier im Mai 2014 habe aber dazu geführt, dass sie angeschrien und persönlich angegriffen worden sei; ein Lösungsansatz sei ihr nicht aufgezeigt worden. Vielmehr sei ihr geraten worden, im Rahmen der Einplanung Bedenken nur anzumelden, wenn sie sich sicher sei, einen KDV-Antrag stellen zu wollen. Die Einplanung selbst sei „eine Art seelischer Ausnahmezustand“ gewesen (Beiakte B, Teil 2, Bl. 33). Sie habe an sich nicht eingeplant werden wollen und ihre eigene Zustimmung zur Einplanung mit ihrer Unterschrift erst im Nachhinein als solche erkannt (Beiakte B, Teil 2, Bl. 34). Insbesondere habe sie ja gerade ihre Bedenken mündlich angesprochen, ferner habe sie Angst vor den Konsequenzen gehabt und zu ihrem Wort stehen wollen (Beiakte B, Teil 2, Bl. 34). Die Beschäftigung mit der Thematik hätte angesichts der belastenden Examensvorbereitung zu Panikattacken geführt (Beiakte B, Teil 2, Bl. 34), wobei im Rahmen eines Semestertreffens im Oktober 2014 mit den neuen Offiziersanwärtern ihr aufgefallen sei, dass die Erstsemester aus ihrer Sicht die Konsequenzen der Verpflichtung noch gar nicht überblicken könnten. Während der postuniversitären militärischen Ausbildung habe sie Probleme gehabt, sich in Flecktarn-Uniform im Spiegel zu sehen und gedacht „Das ist nicht das, was mich ausmacht“ sowie „Ich möchte anderen Menschen helfen und nicht ein System unterstützen, das billigend in Kauf nimmt andere Menschen zu verletzen“ (Beiakte B, Teil 2, Bl. 35). Kriegsdienstverweigerer seien in den Gesprächen mit anderen Soldaten grundlegend auf Ablehnung gestoßen. Ferner habe ihr zugesetzt, dass sie wenig Schnittpunkte mit ihren Kameraden erkannt habe, deren Gedankengut „von Zeit zu Zeit eher extrem rechts“ angemutet habe, sie habe sich fehl am Platze gefühlt (Beiakte B, Teil 2, Bl. 36). Die Beförderung zur Stabsärztin sei für sie gleichsam automatisch mit der Approbation erfolgt, in der Verwendung im Bundeswehrkrankenhaus … habe sie sich nicht wohl gefühlt angesichts des prägenden „Soldat-Seins“. Selbst wenn sie nicht an Einsätzen teilnehmen würde, sei ihr klargeworden, dass sie mit ihrer Gegenwart und der Sicherstellung der Basisversorgung anderen ermöglichen würde in den Einsatz zu gehen, also einen Beitrag zu seinem System leisten, dass sie nicht unterstützen könne (Beiakte B, Teil 2, Bl. 36). Hierfür spreche auch, dass im Rahmen der EAKK-Ausbildung, an der sie aus gesundheitlichen Gründen nicht habe teilnehmen können, ihre Kollegen am Maschinengewehr ausgebildet worden seien, was nichts mit der eigenen Verteidigung im engeren Sinne zu tun habe (Beiakte B, Teil 2, Bl. 37). Außerdem schildert sie die Begegnung mit einem Patienten, der nach einem Einsatz in Afghanistan an einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten habe: „Ich hatte das sichere Gefühl, dass mir nach einem Einsatz das Gleiche wiederfahren würde. Eine Angst zu empfinden, die nicht rational erklärbar ist und die nicht verschwindet. (…) Das ist es, was der Krieg mit Menschen anstellt. Er zeichnet sie für ihr Leben Lang (…). So klar wie nie zuvor habe ich erkannt, dass ich Krieg in jeglicher Form nicht unterstützen kann, mich auch nicht direkt oder indirekt daran beteiligen kann. Ich bin mir sicher, dass ich durch den Gebrauch der Waffe in etwas Ähnliches verwandelt werde.“ (Beiakte B, Teil 2, Bl. 37).

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8. Dies habe zu ihrem Gewissenswandel geführt. Sie wolle sich „dem Leben verschreiben“ und nicht „die Menschen […] heilen, und den Menschen […] helfen, die andere Menschen wiederum verletzen oder zumindest dazu gezwungen sein können“. (Beiakte B, Teil 2, Bl. 37). Zwar sehe auch sie die Möglichkeit, in Notwehr einen Menschen zu töten, dies sei aber zu unterscheiden von der soldatischen vorsätzlichen Gewaltanwendung. Hilfsorganisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ würden ebenfalls aus humanitären Gründen in andere Länder reisen, aber nicht „mit einer Waffe im Gepäck“ (Beiakte B, Teil 2, Bl. 38 d.A.). Der Wert eines Lebens aber sei immer gleich, und auch dem Soldaten das Töten nicht erlaubt und „selbst bösen Menschen kann das Recht auf Mensch-Sein nicht aberkannt werden, denn der Wert des Lebens ist unschätzbar. Niemand darf Leben nehmen!“ (Beiakte B, Teil 2, Bl. 38 d.A.). Sie selbst würde bei einem Soldaten „in einem Notfall“ auch „eine nötige und lebenserhaltende Behandlung“ durchführen, sie könne aber nicht die hausärztliche, systematische Versorgung und Einsatzvorbereitung unterstützen. Sie könne daher eine Tätigkeit im Dienste der Bundeswehr nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren.

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Unter dem 10. Juni 2015 machte die Beklagte der Klägerin gegenüber Zweifel an der Wahrheit ihrer Angaben geltend und gab ihr Gelegenheit zu weiterer Stellungnahme unter anderem mit dem Hinweis, für einen Soldaten des Sanitätsdienstes gebe es keinen Befehl, keine gesetzliche Verpflichtung zum Töten, vielmehr habe er selbständig zu entscheiden, ob und wann er zum Eigen- oder Patientenschutz von der Waffe Gebrauch mache. Kampfaufträge gehörten nicht zum Aufgabenspektrum, über den Umstand, dass auch ein Sanitätsoffizier in die Lage kommen könne, Waffengewalt zum Eigen- oder Patientenschutz einsetzen zu müssen, sei sie auch im Bewerbungsverfahren belehrt worden. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass bereits zum Zeitpunkt der Verpflichtung der Klägerin der ISAF-Einsatz in Afghanistan regelmäßiger Gegenstand der Medienberichterstattung gewesen sei.

22

Dieser Aufforderung kam die Klägerin mit ergänzendem Schreiben vom 6. Juli 2015 nach (Beiakte B, Teil 2, Bl. 44). Sie führte unter Wiederholung und Vertiefung der Erklärung vom 8. Juni 2015 aus, ihre Gewissensbildung sei über einen längeren Zeitraum erfolgt, eine frühere Klarheit habe sie nicht gewinnen können. Das Erlebnis mit dem an PTBS erkranktem Patienten sei „lediglich das i-Tüpfelchen auf einem langen Entscheidungsweg“. Den Vortrag über den ISAF-Einsatz im Oktober 2011 beschreibt sie neuerlich als „kleinen Schock“, den sie aber durch beschwichtigende Worte des Vaters und die Studienbelastung sodann zunächst ignoriert habe. Hinsichtlich des eingeschränkten Waffen-Einsatzes durch Sanitätskräfte legt sie dar, es sei zu unterschieden „zwischen einer eigenen Entscheidung und dem MUSS eines Waffengebrauchs“; letzteren lehne sie im Allgemeinen ab, ebenso wie ein System, welches mit Gewalt seine Ziele durchsetze. Erneut legt sie auch dar, ursprünglich davon ausgegangen zu sein, es handele sich bei der Tätigkeit als Sanitätsoffizieren gleichsam um „‘bewachte‘ humanitäre Hilfe“.

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Mit Bescheid vom 20. Juli 2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab.

24

Zur Begründung führte sie an, es bestünden Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Klägerin gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 KDVG, denn sie könne nicht überzeugend darlegen, dass sie in schwerwiegende Gewissensnot geraten würde, wenn sie in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen in Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsste. Weder habe die Klägerin eine Gewissensumkehr durch ein Schlüsselerlebnis, noch durch einen längeren intensiven Wandlungsprozess darlegen können. Der Suizidfall ein Jahr vor Stellung des KDV-Antrags stelle kein solches Schlüsselerlebnis dar, denn die Klägerin habe mit ihrer Antragstellung bis zu ihrer Approbation und der Beförderung zum Stabsarzt gewartet; die Annahme der Beförderung spreche gegen Identifikationsprobleme mit dem Beruf der Soldatin; vielmehr werde hierdurch gerade die positive Identifikation mit der Bundeswehr nach außen deutlich. Gerade weil die Klägerin ihr Zuwarten mit ihrem Pflichtbewusstsein begründe, sei zu erkennen, dass keine zwingende Gewissensnot vorgelegen habe. Auch die Schilderung von Unwohlsein anlässlich des Semestertreffens im Oktober 2011 habe offensichtlich nicht zu einem intensiven Nachdenken über die Richtigkeit der Berufswahl geführt, vielmehr habe die erfolgreiche Beendigung des Studiums hier für die Klägerin im Vordergrund gestanden. Auch habe sie bereits vor der Verpflichtung zur Soldatin auf Zeit bewusst und bekannt sein müssen, dass, wie sie nunmehr vorbringt, kein Mensch das Recht habe, Leben zu nehmen. Auch die Zusatz - Erklärung habe nicht nachvollziehbar begründet, warum binnen weniger Wochen nach der Approbation und Beförderung die Verweigerung eingereicht worden sei.

25

Mit Widerspruch vom 22. September machte die Klägerin unter Bezugnahme auf ihre vorherigen Einlassungen geltend, der Bescheid lasse ihr Vorbringen weitgehend außer Betracht und sei allenfalls generalisierend begründet. Der lange Zeitraum der Gewissensbildung sei durch ihr Pflichtbewusstsein und ihr eigenes Hinterfragen zu erklären.

26

Unter dem 14. Oktober 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie nahm zur Begründung Bezug auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid, der sich bereits mit den Ausführungen der Klägerin auseinandergesetzt habe. Im Widerspruchsverfahren seien keine neuen Gründe vorgetragen worden, die zu einer Änderung der getroffenen Entscheidung führen könnten.

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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 16. November 2015.

28

Unter Bezugnahme auf ihren schriftlichen Vortrag im Verwaltungsverfahren beruft sie sich auf ihr Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 S. 1 GG. Es gebe für sie keine Alternative oder keinen Kompromiss bei der ärztlichen Tätigkeit. Auch habe sich zumindest in tatsächlicher Hinsicht die Situation der Sanitätsoffiziere stark geändert, die heute viel schneller als früher in der Situation seien, tatsächlich von der Schusswaffe Gebrauch machen zu müssen.

29

Ferner hätte sie drei weitere Begegnungen mit Patienten, welche an einer posttraumatischen Belastungsstörung litten, „fast völlig aus der Bahn geworfen“. Sie habe hierdurch erkannt „was der Krieg mit Menschen tut“, und dass auch Ärzte im Umgang mit solchen Patienten eigener Gefährdung ausgesetzt seien. Ferner sei ihr klargeworden, „dass auch ich wahrscheinlich so enden würde, gefangen in meiner eigenen Gedankenwelt, heimgesucht von Flashbacks und Alpträumen, wenn ich dieser Situation ausgesetzt wäre. Das Bewusstsein, einem Menschen willentlich Schaden zugefügt zu haben, wäre immer vorhanden und würde auch mir ein richtiges Leben unmöglich machen.“ Dies sei ihr – ihrer damaligen Reife entsprechend - bei der Bewerbung nicht bewusst gewesen. Maßgeblich für den Berufswunsch sei das Heilen gewesen, den Soldatinnenstatus habe sie unterschätzt. Ihre Gewissensnot sei auch im Einplanungsgespräch zur Sprache gekommen, welches sie in einem Gedächtnisprotokoll rekonstruiert.

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Schließlich werde sie auch finanziell nicht besser gestellt, wenn sie nach der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin in der Privatwirtschaft als Ärztin tätig werde.

31

Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2015 zu verpflichten, festzustellen, dass sie berechtigt ist, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

35

Unter Wiederholung und Vertiefung des Vorbringens in Ausgangs- und Widerspruchsbescheid macht sie Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Darlegungen der Klägerin geltend und verweist auf die Zielstrebigkeit, mit der die Klägerin ihre Einstellung verfolgt habe, die Präsenz von Auslandseinsätzen der Bundeswehr in den Medien und den völkerrechtlich geschützten Nichtkombattantenstatus von Sanitätssoldaten. Sämtliche Offizierslehrgänge, auch solche mit Waffeneinsatz, habe die Klägerin erfolgreich durchlaufen, auch während ihres Studiums. Eine persönliche Entwicklung im Sinne einer Gewissensumkehr sei nicht erkennbar, insbesondere angesichts der acht Jahre langen konfliktfreien Dienstwahrnehmung. Ferner habe sich das Einplanungsgespräch anders zugetragen, namentlich habe die Klägerin angedeutet, ein KDV-Antrag könne ein probates Mittel darstellen, um beispielsweise eine heimatnahe Verwendung herbeizuführen.

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Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter durch Beschluss vom 01.Juni 2017 zur Entscheidung übertragen.

37

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Klägerin als Partei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

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Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

40

Die als Verpflichtungsklage statthafte Klage ist zulässig, insbesondere ist auch das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin zu bejahen. Grundsätzlich können nicht nur gediente und ungediente Wehrpflichtige, sondern auch Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen, vgl. § 2 Abs. 6 Satz 3 Kriegsdienstverweigerungsgesetz – KDVG -, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (SG). Sie können auch nicht auf ein vorrangig zu betreibendes Dienstentlassungsverfahren verwiesen werden. Die dahingehende frühere Rechtsprechung, der zufolge Berufs- und Zeitsoldaten im Sanitätsdienst der Bundeswehr aus Rechtsgründen kein Rechtsschutzbedürfnis für ein auf ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtetes Verfahren zuzubilligen sei, hat das Bundesverwaltungsgericht mittlerweile aufgegeben (BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2012 - 6 C 11/11 - und - 6 C 31/11 -; hierzu auch VG Minden, Urteil vom 14. Januar 2014 – 10 K 90/13 –, Rn. 30, alle juris).

41

Unter Zugrundelegung des schriftlichen Vortrages und unter Einbeziehung der Ausführungen der Klägerin bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung ist die Klage aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin. In Anwendung der gesetzlichen Anspruchsgrundlagen (1.) und eingedenk der gerichtlichen Pflicht, die Angaben der Klägerin wohlwollend, aber umfassend zu würdigen (2.) verbleiben im konkreten Fall erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der geltend gemachten Gewissensentscheidung (3.).

42

1.) Gemäß Art. 4 Abs. 3 S. 1 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden, wobei die näheren Einzelheiten der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer im Gesetz über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen – Kriegsdienstverweigerungsgesetz, KDVG - geregelt sind, vgl. Art. 4 Abs. 3 S. 2 GG, § 1 KDVG.

43

Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 des KDVG als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist, die dargelegten Beweggründe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen geeignet sind und das tatsächliche Gesamtvorbringen und die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nicht mehr bestehen. Nach § 7 Abs. 1 KDVG ist der Antrag – spiegelbildlich – abzulehnen, wenn der Antrag unvollständig ist, die dargelegten Beweggründe kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung begründen oder Zweifel an der Wahrheit der Angaben bestehen.

44

Für eine verbindliche Gewissensentscheidung müssen konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden dafür, dass eine ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung vorliegt, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann (VG Würzburg, Urteil vom 29. April 2014 – W 1 K 13.960 –, Rn. 42, juris, mwN.). Voraussetzung ist dabei nicht das drohende „Zerbrechen der Persönlichkeit“ oder der Eintritt eines „schweren seelischen Schadens“, sondern es genügt eine schwere Gewissensnot des Betreffenden, die im Einzelfall zu einem schweren seelischen Schaden führen kann, aber nicht muss (BVerwG, Urteil vom 01. Februar 1989 – 6 C 61/86 –, BVerwGE 81, 239-, Rn. 13, juris).

45

Handelt es sich um Personen, die sich – wie die Klägerin – freiwillig als Soldaten auf Zeit verpflichtet und schon mehrere Jahre Wehrdienst geleistet haben ohne einen Konflikt mit dem Gewissen zu empfinden, kann von einer Ersthaftigkeit der Gewissensentscheidung nur ausgegangen werden bei einer „Umkehr“ der früheren Einstellung gegenüber dem Kriegsdienst mit der Waffe (BVerwG, Beschluss vom 29. April 1991 – 6 B 9/91 –, Rn. 2, juris). Eine solche Umkehr kann nicht nur durch ein „Schlüsselerlebnis“ oder entsprechend schwerwiegende Umstände herbeigeführt werden. Sie kann ebenso am Ende eines Wandlungsprozesses und einer Entwicklung stehen, die ohne spektakuläre äußere Umstände zu einer innerlich absolut verbindlichen Entscheidung gegen jegliches Töten im Kriege geführt hat, so dass die Anforderungen an die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG erfüllt sind. (BVerwG, Urteil vom 2. März 1989 – 6 C 10/87 –, BVerwGE 81, 294-298, Rn. 13, juris).

46

2.) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein voller Beweis dafür, dass der Kriegsdienst aus durch Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Gewissensgründen verweigert wird, häufig nicht geführt werden. Deshalb muss im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein auf Grund aller in Betracht kommenden Umstände ermittelter hoher Grad von Wahrscheinlichkeit genügen. Kann sich jedoch das Gericht auch bei wohlwollender Beurteilung des Sachverhalts im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nicht dazu entschließen, das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der erforderlichen Gewissensentscheidung abschließend zu bejahen, geht dies nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts zu Lasten des seine Anerkennung begehrenden Kriegsdienstverweigerers (BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2014 – 6 B 17/14 –, Rn. 6, juris, unter Verweis auf BVerwG v. 18.10.1972 – VIII C 46.72 – BVerwGE 41, 53). Maßgeblicher Zeitpunkt der Entscheidung ist dabei die letzte mündliche Verhandlung (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1969 – VIII C 112.67 –, BVerwGE 34, 155-159, Rn. 11, juris; siehe auch VG Augsburg, Urteil vom 19. März 2015 – Au 2 K 14.833 –, Rn. 32, juris). Das Gericht hat die Pflicht der umfassenden Würdigung der von der Klägerin angeführten Hintergründe ihrer Entscheidung.

47

3.) Gemessen an diesen Grundsätzen lässt sich keine Gewissensumkehr der Klägerin feststellen. Die von ihr dargelegten Gründe können die von der Beklagten angeführten Zweifel an einem inneren Wandlungsprozess im Sinne der Rechtsprechung nicht ausräumen. Die Angaben der Klägerin zu ihrem längeren inneren Wandlungsprozess sind auch bei wohlwollender Betrachtung nicht überzeugend, sondern teils widersprüchlich, teils wenig glaubhaft und mögen zwar einen Reifeprozess und Erkenntnisgewinn, nicht aber eine vollständige Gewissensumkehr von einer Soldatin auf Zeit ohne erkennbare Gewissensbelastung hin zu einer Kriegsdienstverweigerin aus Gewissensgründen belegen (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 29. April 2014 – W 1 K 13.960 –, Rn. 46, juris; VG Trier, Urteil vom 10. November 2015 – 1 K 2618/15.TR –, Rn. 57 –, beide juris).

48

Allerdings dürfte dies entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits aus den zeitlichen Umständen der Dienstdauer und Antragstellung sowie der von der Beklagten aufgestellten Behauptung, die Klägerin habe die Stellung eines KDV-Antrags bei ihrem Einplanungsgespräch als Mittel zur Erreichung ihrer Ziele, namentlich einer heimatnahen Verwendung erwähnt, folgen (a.). Jedoch überzeugen die Ausführungen zur fehlenden Entscheidungsreife bei der Berufswahl nicht (b.), ebenso sind die Darlegungen zu Gewissensnöten im Umgang mit der Waffe nicht tauglich, eine Gewissensumkehr nahe zu legen (c.). Die von der Klägerin geltend gemachten geänderten Einsatzumstände für ärztliches Personal der Bundeswehr reichen ebenfalls nicht als hier relevante Umstände hin (d.). Schlussendlich legt die Klägerin keinen Wandel ihrer moralischen Überzeugungen dar, der ihr das Töten eines Menschen unter jeglichen Umständen als unmöglich darlegt – vielmehr erscheint ihr Einstellungswandel weniger von ethischen Bedenken und Respekt vor dem menschlichen Leben, als vielmehr von der Besorgnis einer eigenen Gefährdung im Einsatz getragen (e.).

49

a.) Ob und inwieweit ein jahrelanges Dienen ohne erkennbaren Gewissenskonflikt sowie ein KDV-Antrag in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Abschluss der Berufsausbildung gegen das Vorliegen einer Gewissensentscheidung sprechen, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. So wird teils zumindest gefordert, dass sich der Wandlungsprozess zumindest in Einzel-Gesprächen äußern müsse, was vorliegend wohl mit den Elterngesprächen, auf welche die Klägerin hinweist, erfolgt ist (vgl. zum Maßstab auch VG Augsburg, Urteil vom 19. März 2015 – Au 2 K 14.833 –, Rn. 34, juris, mwN). Zum Teil werden Anträge, welche unmittelbar nach Studienende gestellt werden, vergleichsweise streng gehandhabt (vgl. VG München, Urteil vom 13. Juni 2013 – M 15 K 13.572 –, Rn. 38; VG Dresden, Urteil vom 11. März 2014 – 11 K 1121/13 Rn25 – beide juris). Es wird insoweit darauf hingewiesen, dass zumindest aufgrund des Ausbildungsgeldes, welches monatlich gezahlt werde und der Inanspruchnahme soldatenversorgungsrechtlicher Leistungen im Krankheitsfall ein gewisses „Grund-Bewusstsein“ der Zugehörigkeit zur Bundeswehr auch im zivilen Studium stets vorhanden sein dürfte (vgl. VG Aachen, Urteil vom 03. März 2016 – 1 K 523/15 –, Rn. 60, juris).

50

Zwar spricht die bereits von der Beklagten monierte Tatsache, dass ihr nach ihrem eigenen Vortrag der Dienst an der Waffe mit den damit möglichen Konsequenzen schon im Oktober 2011 anlässlich eines Vortrages über den ISAF-Einsatz der Bundeswehr „richtig klar geworden (sei)“ (Anhörung), gegen die Annahme, die Klägerin habe diese Erkenntnis erst nach Abschluss des Studiums und nach Beförderung zur Stabsärztin erlangt.

51

Allerdings weist die Klägerin darauf hin, dass sie von ihrem Vater beruhigt worden ist und das Studium sie so in Anspruch genommen habe, dass sie diesen Gedanken zunächst nicht weiter verfolgt habe. Weiter führt sie mehrfach plausibel aus, dass sie sie sich ihre Entscheidung gerade nicht leichtgemacht habe und – auch aus Sorge vor möglichen Anfeindungen im Kollegenkreis – eine möglichst große Sicherheit über ihre Gewissenslage hatte gewinnen wollen.

52

Auch erscheint der Vortrag der Klägerin, sie habe sich auf ihr Staatsexamen konzentrieren müssen, zumindest plausibel. Dass in der – durchaus existentiellen – Situation einer berufsentscheidenden Prüfung möglicherweise latente Grundkonflikte zurücktreten, erscheint dem Gericht für sich genommen nicht widersprüchlich.

53

Das Gesamtbild spricht insofern dafür, dass Antragszeitpunkt und die Dauer der Gewissensentscheidung als solche nicht geeignet sind, Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Entscheidung hervorzurufen, sondern lediglich das Ergebnis eines Gedankenprozesses darstellen, welcher aufgrund seiner Tragweite einige Zeit in Anspruch genommen haben dürfte.

54

Der Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe anlässlich des Einplanungsgesprächs Ende Mai 2014 einen KDV-Antrag als Mittel zur Verfolgung ihrer Ziele erwähnt und damit quasi als Erpressungsmittel eingesetzt, was gegen eine Gewissensentscheidung spreche, ist die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erfolgreich entgegengetreten. Insofern hat sie glaubhaft dargelegt, dass – sollte sie tatsächlich einen solchen Antrag erwähnt haben – dies allenfalls als Zitat einer am Vortag anlässlich eines Vortrages/einer Vorlesung aufgenommenen Bemerkung wiedergegeben hat und dies keinesfalls als Erpressungsversuch zu werten ist.

55

b.) Etwas anders bewertet das Gericht Alter und fehlende Reife bei der Bewerbung. Darauf hat sich die Klägerin als Ausgangspunkt ihres Gesinnungswandels berufen. Diese Umstände können zwar als Indiz dafür gesehen werden, dass – je nach dem gewonnenen Persönlichkeitsbild – ein Erkenntnisprozess parallel zu langjährigem Dienst abläuft (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 29. April 2014 – W 1 K 13.960 –, Rn. 45, juris). Allerdings ist es auch ebenso möglich - ebenfalls vom Persönlichkeitsbild und konkreten Lebenslauf ausgehend –, dass darin gerade Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin begründet sind (so im Einzelfall VG Minden, Urteil vom 14. Januar 2014 – 10 K 90/13 –, Rn. 43, juris; VG Augsburg, Urteil vom 19. März 2015 – Au 2 K 14.833 –, Rn. 39, juris).

56

Hier kann der Klägerin zwar zugutegehalten werden, dass ihr Familienumfeld und der von ihr wiederholt erwähnte Vater der von ihr beaufsichtigten Kinder, der Berufssoldat ist, ein einseitig geprägtes Bild von der Bundeswehr vermittelt hätten (VG Würzburg, Urteil vom 21. Februar 2017 – W 1 K 16.589 –, Rn. 23, juris). Indes kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass von einer 18-19jährigen Person erwartet werden kann, dass sie sich bei ihrer Entscheidung, sich langjährig bei der Bundeswehr zu verpflichten, auseinandersetzt mit deren Aufgaben und dem Alltag (VG München, Urteil vom 13. Juni 2013 – M 15 K 13.572 –, Rn. 40, juris; VG Minden, Urteil vom 14. Januar 2014 – 10 K 90/13 –, Rn. 44, juris).

57

Hinsichtlich der dahingehenden Einlassungen der Klägerin fällt auch eine gewisse Diskrepanz auf, wenn sie zum einen zielstrebig und in Vorbereitung auf das Bewerbungsverfahren ihre Aufnahme in die Bundeswehr verfolgt hat, andererseits aber unreflektiert die Angaben des Familienvaters aus der Familie, in der sie als Babysitterin tätig war, übernommen haben will. Während es zwar für eine nur schwache Kritikneigung der Klägerin damals sprechen mag, dass ihr die Stabilität der Bundeswehr einen Gegenpol zu dem zunehmend zerrütteten Familienleben bot, ist doch ein gewisser Widerspruch zu sehen in der gleichzeitigen Angabe der Klägerin, sie sei schon in der Abiturzeit fasziniert gewesen von „gesellschaftlichen und sozialen Problempunkten, ethischen und moralischen Fragen, Bibelauslegung, fremde Religionen und gesellschaftliche Einflüssen“.

58

Ebenso bestehen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Klägerin, sie habe seinerzeit keinerlei konkrete Vorstellungen vom „Dienst an der Waffe“ gehabt bzw. den Konsequenzen von Tötungshandlungen, da sie zugleich angibt, durch Medien allgemein informiert gewesen zu sein. Gerade eingedenk der durchaus kontrovers diskutierten Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen der Operation Enduring Freedom und der zeitgleichen Beobachtermission im Sudan bestehen auch hieran erhebliche Zweifel. Bei ihrer Anhörung hat die Klägerin ihren diesbezüglichen Vortrag auch insofern relativiert, als sie durchaus eingeräumt hat, aufgrund ihrer Hochschulreife konkrete Vorstellungen vom Dienst an der Waffe gehabt zu haben. Dass dies nur „theoretischer Natur“ gewesen sein soll, ändert daran nichts, da zu diesem Zeitpunkt praktische Erfahrungen der Klägerin noch gar nicht zur Debatte standen.

59

c.) Als weiteren wichtigen Indikator hinsichtlich der Frage, ob ein KDV-Antragsteller glaubhaft machen kann, aus Gewissensgründen schlechterdings nicht an Tötungshandlungen teilnehmen zu können, werden in der Rechtsprechung auch die Teilnahme an Schießübungen herangezogen, wobei insbesondere auf innere Konflikte, Gewissenszweifel von Anfang an sowie die Beschränkung der Teilnahme auf ein Minimum herangezogen wird (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 21. Februar 2017 – W 1 K 16.589 –, Rn. 24, juris).

60

Auch hier sprechen die Angaben der Klägerin allerdings nicht für einen grundlegenden Gewissenswandel, welcher den Einsatz von Waffen gegen Menschen ihr persönlich unmöglich machen würde.

61

So weist sie zunächst – in nahezu humoristischem Tonfall – darauf hin, dass ihr selbst die Schießübungen schwergefallen seien. Sie geht mehrfach darauf ein, dass beim Schießen auf Papp-Aufsteller keine vergleichbare Situation vorliege hinsichtlich des Schießens auf Menschen, das Ganze mehr den Charakter einer „sportlichen Veranstaltung“ aufgewiesen habe. Indes hat sie sogar 2011 noch an Schießübungen teilgenommen, so dass eine grundlegende moralische Abneigung gegen den Schusswaffengebrauch nicht ersichtlich ist. Dass die Klägerin hier vielmehr differenziert, wird auch in der Schilderung der postuniversitären Ausbildung deutlich: die geschilderten „tiefgreifende Bedenken“ bezieht die Klägerin auf die Ausbildung an einem Maschinengewehr, welches nicht der „Selbstverteidigung im engeren Sinne“ diene, und ist der Ansicht, „wenn die ärztliche Tätigkeit bei der Bundeswehr auch nur zum Schein eine ärztliche sein soll, so kann doch nicht von Menschen, die prinzipiell anderen helfen sollten, verlangt werden, eine solche Waffe zu bedienen“. Dies lässt aber den Rückschluss zu, dass für die Klägerin der Schusswaffengebrauch auch zur (militärischen) Selbstverteidigung als solcher mit anderen Waffen, beziehungsweise jedenfalls die Ausbildung auch an Maschinengewehren für nichtmedizinisches Personal oder deren Anwendung im Falle des „Selbstverteidigung im weiteren Sinne“ moralisch vertretbar erscheint. Mit den übrigen generellen Aussagen der Klägerin zur Unantastbarkeit Menschlichen Lebens als dem für sie höchsten Gut steht dies in Widerspruch.

62

Als einprägsames Element der Grundausbildung schildert die Klägerin schließlich entsprechend den „Kern-Lerninhalt“, nämlich die Verhinderung der eigenen Verletzung bzw. der Verletzung von Kameraden. Eine grundlegende Ablehnung des Waffeneinsatzes ist darin nicht zu erkennen.

63

Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob tatsächlich das Sanitätspersonal der Beklagten nach den konkreten Einsätzen vermehrt zum Eigenschutz etwa bei den als Sanitätsfahrzeugen verwendeten Transportpanzern durch die Beklagte (als sog. Ärztetrupps) eingesetzt wird, Verwundete erst nach sicherer Lage versorgt werden würden (so die Klägerin bei ihrer Anhörung) und die Wahrscheinlichkeit der Waffenverwendung für die Klägerin dadurch gestiegen ist (vgl. Antwort der Bundesregierung vom 9. April 2010 zur Kleinen Anfrage u.a. der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 17/1338, Frage 16, S. 5: „Die Bedienung des Maschinengewehrs zum Eigenschutz obliegt nach der Weisungslage grundsätzlich Soldatinnen und Soldaten, die nicht Angehörige des Sanitätsdienstes sind. Stehen hierzu keine ausreichenden Kräfte zur Verfügung, erfolgt die Bedienung auch durch ausgebildete und eingewiesene Sanitätssoldatinnen und -soldaten mit deren Einverständnis. Sie tragen dabei kein Schutzzeichen.“). Denn eine am Charakter bestimmter Auslandseinsätze anknüpfende und insofern situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung erfüllt grundsätzlich nicht die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 19. März 2015 – Au 2 K 14.833 –, Rn. 38, juris; siehe bereits grundsätzlich BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 1960 – 1 BvL 21/60 –, BVerfGE 12, 45-61 - juris). Es liegt hierin nämlich allenfalls eine Motivänderung der Klägerin und keine moralische Erkenntnis über den intrinsischen Wert des menschlichen Lebens.

64

d.) Insgesamt legen die Ausführungen der Klägerin es nahe, dass sie mit der Wiedereingliederung in den Soldatendienst im Rahmen der PUMA nach Abschluss ihres Studiums der Humanmedizin an einer zivilen Universität mit der Realität des eigentlichen Einsatzes im Sanitätsdienst konfrontiert wurde und erkannt hat, dass die Ausübung ihres Berufes in der Bundeswehr auch bzw. insbesondere wegen des „gesamten soldatischen Umfelds“ für sie nicht (mehr) in Frage kommt. Charakteristisch ist hier die Aussage, im Gegensatz zu früheren, oft als kameradschaftlich empfundenen Dienst-Zeiten habe sie sich „nicht immer wohl gefühlt“ .Dies begründet aber keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 19. März 2015 – Au 2 K 14.833 –, Rnrn. 35, 43, juris).

65

Hingegen nehmen in der Schilderung des Entwicklungsprozesses die Todesfälle in der Familie sowie ihre religiöse Prägung einen vergleichsweise geringen Raum ein – zumal die Klägerin selbst angibt, den Tod der Großmutter nach langem Krankheitsleiden auch als erlösend wahrgenommen zu haben, während ihr Cousin ihr weniger nahegestanden habe. Einen religiös-motivierten Gewissenkonflikt als solchen macht die Klägerin hingegen nicht geltend, sondern beruft sich durchgängig auf ihre allgemeinen ethischen Überzeugungen sowie ihr Berufsbild als Ärztin. Der Verweis auf die Todesfälle wie auch auf die religiösen Gebote wirkt lediglich pauschal und formelhaft.

66

In diesem Zusammenhang ist bezeichnend, dass sich durch die Beschreibung des Werdegangs in der ursprünglichen Antragsbegründung weniger ein wachsender Respekt der Klägerin vor dem – respektive eine vollständig geänderte Einstellung zum – Wert des Lebens anderer abzeichnet. Vielmehr scheint die Ablehnung des Militärdienstes in der Erkenntnis begründet, dass sie als Stabsärztin nicht lediglich „bewachte humanitäre Hilfe“ vornehme (welche die Klägerin nach wie vor zu tolerieren scheint, zumindest bleibt ihr dahingehender Vortrag unklar), sondern unter Umständen auch – verteidigend – selbst zur Waffe greifen würde. Ursprünglich ist sie davon ausgegangen, dass ein Stabsarzt nicht „so richtig schießen muss“ und „der Arzt eigentlich nur für die Verletzten da ist und die anderen Soldaten irgendwie auf den Arzt aufpassen. Jenes „irgendwie“ aufpassen bezeichnet die Klägerin nicht näher – es lässt aber den Schluss zu, dass sie zumindest damals es gutgeheißen hat, wenn nicht sie selbst Waffen hätte einsetzen müssen, aber ihr eigener Schutz durch Waffeneinsatz gewährleistet worden wäre. Mit der Verantwortung für die eigene Verteidigung betraut, beschreibt sie sodann aber aufgrund ihres unsicheren Schusswaffengebrauchs zunehmende Zweifel. Eine dahingehende – mehr als verständliche – Sorge um das eigene Wohl stellt aber keinen Gewissenswandel dar.

67

Hinzu kommt, dass die eindringlichste und persönliche Schilderung der Klägerin ihrer veränderten Einstellung zum menschlichen Leben und körperlichen Unversehrtheit nicht an die familiären Todesfälle anknüpft, an Opferbilder oder moralische Hemmungen gegenüber einem „Angreifer“. Vielmehr geht die Klägerin als einschneidendem Erlebnis von einem Unfall aus, der ihr selbst widerfahren ist.

68

Insbesondere die Gespräche mit den an posttraumatischer Belastungsstörung leidenden Patienten führten nach der Schilderung der Klägerin bei ihr nicht zu einer Vergegenwärtigung der Schrecken des Krieges für zivile Opfer oder gegnerische Kombattanten. Vielmehr ist ihre Schilderung vorrangig darauf gerichtet, was die Tötung eines anderen Menschen mit ihrer (geistigen) Gesundheit selbst anrichten würde: „Ich hatte das sichere Gefühl, dass mir nach einem Einsatz das Gleiche wiederfahren würde. Eine Angst zu empfinden, die nicht rational erklärbar ist und die nicht verschwindet. (…) Das ist es, was der Krieg mit Menschen anstellt. Er zeichnet sie für ihr Leben Lang (…). So klar wie nie zuvor habe ich erkannt, dass ich Krieg in jeglicher Form nicht unterstützen kann, mich auch nicht direkt oder indirekt daran beteiligen kann. Ich bin mir sicher, dass ich durch den Gebrauch der Waffe in etwas Ähnliches verwandelt werde. (…) Auch wenn ich in meiner jetzigen Verwendung Leute untersuchen müsste hinsichtlich der Tauglichkeit für den Auslandseinsatz, würde ich mittelbar dafür sorgen, dass diese Soldaten an Kampf-oder Tötungshandlungen beteiligt sein können“ (Anhörung).

69

Die Ablehnung des Krieges folgt in der – eindringlichen, bildhaften und bezogen auf den empfundenen Erlebnishintergrund auch überzeugend glaubhaften – Schilderung der Klägerin, gerade nicht aus Mitgefühl mit den Opfern des Krieges, nicht aus dem Ablehnung von Tötungshandlungen, sondern vielmehr aus Mitgefühl mit den schießenden Soldaten, in deren Schicksal sie sich selbst projiziert. Die Klägerin verurteilt den Einsatz von Gewalt nicht aufgrund des unbedingten Schutzes menschlichen Lebens, sondern allein aus Sorge um ihr seelisches Wohl. Dies stellt zwar eine gewiss berechtigte und ernsthafte Sorge dar – allerdings gerade keine moralische Gewissensnot im Sinne von Art. 4 GG.

70

Gleichermaßen sind die Einlassungen der Klägerin zu den ethischen Hintergründen ihrer ärztlichen Tätigkeit widersprüchlich, was gegen die Annahme einer ernsthaften Gewissensumkehr in aller Konsequenz spricht.

71

So gibt sie an „jeder Mensch verdient es auch, dass Ärzte um sein Leben und seine Lebensqualität kämpfen. Ein Leben ist einfach unbezahlbar und verdient es als eines der höchsten Güter angesehen zu werden. Das Leben hat und hatte da für mich den höchsten Wert überhaupt“ (Anhörung). Dies passt nicht nur nicht zusammen mit ihren früheren Angaben, dass sie erwartet habe, im Einsatz vor Angreifern beschützt zu werden. Diese Aussage passt auch schlichtweg nicht zusammen mit der von der Klägerin selbst vorgenommenen Einschränkung ihres hippokratischen Eides dahingehend, sie wolle Leiden heilen und lindern, außer es handele sich um Soldaten, dann sei sie nur zu einer Grundversorgung im Notfall bereit. Eine solche Relativierung des ärztlichen Behandlungsauftrages erscheint sehr problematisch angesichts des zuvor postulierten hohen Ideals. Entweder verdienen nämlich wirklich alle Menschen eine ärztliche Behandlung, und ist entsprechend mit allen Menschen gewaltfrei umzugehen – oder aber die Klägerin nimmt eine Differenzierung vor. Dann aber wäre sie auch eine Erklärung schuldig zur Frage der weiteren humanitären Auswirkungen und ethischen Wertungen hinsichtlich Auslandseinsätzen der Bundeswehr, beispielsweise im Rahmen von Beobachtermissionen zur Vermeidung von Genoziden. Auch gibt sie Klägerin keinerlei Auskunft darüber, ob sie Patienten hausärztlich betreuen würde, deren Berufe mit einem ähnlichen hohen Gewaltrisiko einhergehen, beispielsweise Beamte der GSG 9 oder auch nur Streifenpolizisten, welche von Gesetzes wegen zum Schusswaffengebrauch berechtigt sein können. Schlussendlich spricht auch die – bereits oben erwähnte - Aussage der Klägerin, sie wolle sich nicht dafür verantwortlich fühlen, wenn sie einen Soldaten behandele, der – wieder kampfesbereit – sodann andere Menschen im Kampf töten würde, gegen eine durchdachte, durchdrungene und ernsthafte Gewissensumkehr. Eine solche weitreichende Verantwortungsethik, welche die Entschließungsfreiheit des Einzelnen nahezu negiert und auf reinen Kausalitäten aufbaut ist nicht nur im Alltag nicht praktikabel. Wenn die Klägerin tatsächlich derart weitreichende Konsequenzen für jegliche ihrer Handlungen übernähme, wäre sie gleichermaßen auch für jede Straftat, jede Gewalttat eines ihrer Patienten verantwortlich. Konsequent müsste sie auch jedem potentiellen Gewalttäter die ärztliche Behandlung verweigern, auch dies spricht gegen eine vollständig vollzogene ethische Wende.

72

Auch die pauschale Aussage, „als Ärztin habe ich mich dem Heilen verschrieben. Wenn das Heilen nicht möglich ist, bleibt das Lindern und manchmal nur das Trösten“ dürfte kaum der ärztlichen Realität gerecht werden; bereits aus ihren Studienfamulaturen heraus beschreibt die Klägerin die Arbeit oft an der Grenze zwischen Leben und Tod (das gilt insbesondere bei dem von ihr in der mündlichen Verhandlung erwähnten Fall eines Patienten, den sie während ihres Praktischen Jahres aus akuter Lebensgefahr gerettet hat), und geht darüber hinweg, dass in der medizinischen Entscheidung (z.B. im Rahmen palliativer Medizin, im Rahmen von Spätabtreibungen, oder auch nur hinsichtlich der Frage, in welcher Reihenfolge Patienten in der Notaufnahme behandelt werden) oftmals eine rein auf das Leben bezogene Perspektive kaum möglich erscheint. Das entsprechende Ideal, das die Klägerin zu vertreten vorgibt, erscheint angesichts ihrer eigenen Erfahrungen so kaum glaubhaft. Die Aussage, es gebe für sie „keine Alternative oder keinen Kompromiss bei der ärztlichen Tätigkeit“ wirkt in ihrer Überhöhung unausgereift und wenig glaubwürdig angesichts des medizinischen Alltags.

73

Den hier zugrundeliegenden, komplexen ethischen Wertungen, welche sich nicht einfach auf die vorgebrachten Kategorien von „bösen Menschen“ herunterbrechen lassen, verschließt sich die Klägerin in ihrem Vorbringen. Es ist dabei insgesamt auffällig – und spricht gegen die Glaubhaftigkeit der geschilderten Gewissensnot – dass die Passagen des Antrags, in welchen die Klägerin auf die Wertigkeit menschlichen Lebens eingeht, plakativer und generalisierender ausfallen als jene, in denen sie das Erleben von Kameradschaft innerhalb der Bundeswehr (oder das Fehlen derselben) oder die Sorge vor eigenen Gefährdungen im Einsatz bzw. danach schildert. Die Klägerin greift im ersten Falle auf sehr generelle, nahezu floskelhafte Formulierungen zurück. Die übrigen Erlebnisse hingegen beschreibt sie plastisch und anschaulich, unter Darlegung teils ungewöhnlicher Details sowie unter Bezugnahme auf eigene Gefühle als Merkmale eines realen Erlebnishintergrundes für das Berichtete. Diese Elemente fehlen hingegen bei der Darlegung ihrer Einstellung zum Schutz des Lebens. So wirkt die Schilderung ihrer Gedanken beim Anblick des eigenen – uniformierten - Spiegelbildes „Das ist nicht das, was mich ausmacht“ nachvollziehbar und einprägsam, hingegen die Eingebung „Ich möchte anderen Menschen helfen und nicht ein System unterstützen, dass billigend in Kauf nimmt andere Menschen zu verletzen“ vergleichsweise gekünstelt und elaboriert.

74

Dies ist in der Gesamtschau nicht geeignet, die Zweifel zu beseitigen, dass hier von Seiten der Klägerin sich eher fremde Standpunkte zu eigen gemacht wurden bzw. fremde Ansichten wiedergegeben werden, nicht aber aus eigenem Erleben und moralischem Empfinden heraus berichtet wird. Die Schilderungen der Klägerin sind in Teilen widersprüchlich, gehen teils an der Sache der ethischen Grundentscheidung für eine hier relevante Gewissensbetätigung vorbei und deuten jedenfalls nicht auf eine umfassende Auseinandersetzung der Klägerin mit der Abwägung „Leben gegen Leben“ hin.

75

Die Feststellung einer Vielzahl von Zweifeln spricht nach Auffassung des Gerichts gegen die Annahme, dass es der Klägerin tatsächlich aus Gewissensgründen nicht zumutbar wäre, dem Dienst an der Waffe als Stabsärztin nachzukommen.

76

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verb. mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

77

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen (§ 135 VwGO i. V. m. § 10 Abs. 2 KDVG).


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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 20. Juli 2017 - 12 A 313/15 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 4


(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit

Soldatengesetz - SG | § 55 Entlassung


(1) Für den Soldaten auf Zeit gilt § 46 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 5 sowie 7 und 8 und Satz 2 und 3 entsprechend. § 46 Abs. 3a gilt mit Ausnahme des Satzes 5 mit der Maßgabe entsprechend, dass ein Soldat auf Zeit auch nicht entlassen ist,

Soldatengesetz - SG | § 46 Entlassung


(1) Ein Berufssoldat ist entlassen, wenn er die Eigenschaft als Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes verliert. Das Bundesministerium der Verteidigung entscheidet darüber, ob diese Voraussetzung vorliegt, und stellt den Tag der Beendi

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 135


Gegen das Urteil eines Verwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 2) steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn durch Bundesgesetz die Berufung ausgeschlossen ist. Die Revision kann nur eingelegt werden, wenn das Verwaltungsgerich

Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG 2003 | § 1 Grundsatz


(1) Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Artikels 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Kriegsdienst

Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG 2003 | § 5 Anerkennung


Die Antragstellerin ist als Kriegsdienstverweigerin und der Antragsteller ist als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn 1. der Antrag vollständig ist (§ 2 Abs. 2),2. die dargelegten Beweggründe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen

Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG 2003 | § 10 Verwaltungsgerichtliches Verfahren


(1) Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht gelten die §§ 8 und 9 Abs. 2 entsprechend. § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt. (2) Die Berufung gegen ein Urteil und die Beschwerde gegen eine andere Ents

Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG 2003 | § 7 Ablehnung des Antrags


(1) Das Bundesamt lehnt den Antrag ab, wenn 1. er nicht vollständig ist (§ 2 Abs. 2) und die Antragstellerin oder der Antragsteller ihn nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Aufforderung durch das Bundesamt vervollständigt hat,2. die in ih

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(1) Das Bundesamt lehnt den Antrag ab, wenn

1.
er nicht vollständig ist (§ 2 Abs. 2) und die Antragstellerin oder der Antragsteller ihn nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Aufforderung durch das Bundesamt vervollständigt hat,
2.
die in ihm dargelegten Beweggründe ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung auch nach schriftlicher und gegebenenfalls mündlicher Anhörung der Antragstellerin oder des Antragstellers nicht zu begründen vermögen oder
3.
Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Antragstellerin oder des Antragstellers trotz der schriftlichen Anhörung oder einer mündlichen Anhörung nicht ausgeräumt wurden.

(2) Folgt die Antragstellerin oder der Antragsteller einer Ladung zur mündlichen Anhörung nicht, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Ein Berufssoldat ist entlassen, wenn er die Eigenschaft als Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes verliert. Das Bundesministerium der Verteidigung entscheidet darüber, ob diese Voraussetzung vorliegt, und stellt den Tag der Beendigung des Dienstverhältnisses fest.

(2) Ein Berufssoldat ist zu entlassen,

1.
wenn er aus einem der in § 38 genannten Gründe nicht hätte ernannt werden dürfen und das Hindernis noch fortbesteht,
2.
wenn er seine Ernennung durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt hat,
3.
wenn sich herausstellt, dass er vor seiner Ernennung eine Straftat begangen hat, die ihn der Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten unwürdig erscheinen lässt, und er deswegen zu einer Strafe verurteilt war oder wird,
4.
wenn er sich weigert, den Eid abzulegen,
5.
wenn er zur Zeit der Ernennung Mitglied des Europäischen Parlaments, des Bundestages oder eines Landtages war und nicht innerhalb der vom Bundesministerium der Verteidigung gesetzten angemessenen Frist sein Mandat niederlegt,
6.
wenn in den Fällen des § 44 Abs. 1 bis 3 die Voraussetzungen des § 44 Abs. 5 nicht erfüllt sind,
7.
wenn er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt ist; diese Entlassung gilt als Entlassung auf eigenen Antrag, oder
8.
wenn er ohne Genehmigung des Bundesministeriums der Verteidigung seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nimmt.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 kann das Bundesministerium der Verteidigung wegen besonderer Härte eine Ausnahme zulassen. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 8 kann das Bundesministerium der Verteidigung seine Zuständigkeit auf andere Stellen übertragen.

(3) Der Berufssoldat kann jederzeit seine Entlassung verlangen; soweit seine militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, gilt dies jedoch erst nach einer sich daran anschließenden Dienstzeit, die der dreifachen Dauer des Studiums oder der Fachausbildung entspricht, längstens nach zehn Jahren. In einer Rechtsverordnung kann für bestimmte Verwendungen wegen der Höhe der mit dem Studium oder der Fachausbildung verbundenen Kosten oder auf Grund sonstiger studien- oder ausbildungsbedingter Besonderheiten eine längere als die dreifache Dauer bestimmt werden; die in Satz 1 genannte Höchstdauer darf nicht überschritten werden.

(3a) Ein Berufssoldat ist entlassen, wenn er zum Beamten ernannt wird. Die Entlassung gilt als solche auf eigenen Antrag. Satz 1 gilt nicht, wenn der Berufssoldat

1.
in ein Beamtenverhältnis als Ehrenbeamter oder
2.
als Professor, Juniorprofessor, wissenschaftlicher oder künstlerischer Mitarbeiter an einer nach Landesrecht staatlich anerkannten oder genehmigten Hochschule, deren Personal im Dienste des Bundes steht, in ein Beamtenverhältnis auf Zeit
berufen wird. Satz 1 gilt ebenfalls nicht, solange das Bundesministerium der Verteidigung oder eine von ihm bestimmte Stelle in seinem Geschäftsbereich der Entlassung nach Satz 1 nicht zugestimmt hat. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn der Soldat nach Absatz 3 seine Entlassung verlangen könnte. Im Übrigen kann die Zustimmung unter Berücksichtigung der dienstlichen Interessen der Bundeswehr erteilt werden.

(4) Hat der Berufssoldat Elternzeit nach § 28 Abs. 7 im Anschluss an ein Studium oder eine Fachausbildung in Anspruch genommen, verlängert sich die Dienstzeit nach Absatz 3 um diese Zeit entsprechend, soweit das Studium oder die Fachausbildung mehr als sechs Monate gedauert hat; die Höchstdauer von zehn Jahren bleibt unberührt. Gleiches gilt für einen Berufssoldaten, der eine Teilzeitbeschäftigung nach § 30a in Anspruch genommen hat; die Dienstzeit nach Absatz 3 verlängert sich um die Differenz der Teilzeitbeschäftigung zur Vollzeitbeschäftigung.

(5) Der Berufsoffizier kann auch dann, wenn er weder ein Studium noch eine Fachausbildung erhalten hat, seine Entlassung erst nach Ende des sechsten Dienstjahres als Offizier verlangen.

(6) Vor Ablauf der in den Absätzen 3, 4 und 5 genannten Dienstzeiten ist der Berufssoldat auf seinen Antrag zu entlassen, wenn das Verbleiben im Dienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, beruflicher oder wirtschaftlicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde.

(7) Das Verlangen auf Entlassung muss dem Disziplinarvorgesetzten schriftlich erklärt werden. Die Erklärung kann, solange die Entlassungsverfügung dem Soldaten noch nicht zugegangen ist, innerhalb zweier Wochen nach Zugang bei dem Disziplinarvorgesetzten zurückgenommen werden, mit Zustimmung der für die Entlassung zuständigen Stelle auch nach Ablauf dieser Frist. Die Entlassung ist für den beantragten Zeitpunkt auszusprechen; sie kann jedoch so lange hinausgeschoben werden, bis der Berufssoldat seine dienstlichen Obliegenheiten ordnungsgemäß erledigt hat, längstens drei Monate.

(8) Ein Leutnant kann in Ausnahmefällen bis zum Ende des dritten Dienstjahres als Offizier, spätestens vor dem Ende des zehnten Jahres der Gesamtdienstzeit in der Bundeswehr, wegen mangelnder Eignung als Berufsoffizier entlassen werden. Die in diesen Fällen zu gewährende Dienstzeitversorgung regelt das Soldatenversorgungsgesetz.

(1) Für den Soldaten auf Zeit gilt § 46 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 5 sowie 7 und 8 und Satz 2 und 3 entsprechend. § 46 Abs. 3a gilt mit Ausnahme des Satzes 5 mit der Maßgabe entsprechend, dass ein Soldat auf Zeit auch nicht entlassen ist, wenn er zum Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst oder zum Zwecke der Ausbildung zum Polizeivollzugsbeamten oder zum Beamten des Einsatzdienstes der Berufsfeuerwehr ernannt wird. Für einen Soldaten auf Zeit, der auf Grund eines Eingliederungsscheines zum Beamten ernannt wird, gilt § 46 Absatz 3a Satz 1 entsprechend.

(2) Ein Soldat auf Zeit ist zu entlassen, wenn er dienstunfähig ist. § 44 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein Soldat auf Zeit ist auf seinen Antrag zu entlassen, wenn das Verbleiben im Dienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, beruflicher oder wirtschaftlicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde.

(4) Ein Soldat auf Zeit kann in den ersten vier Jahren seiner Dienstzeit entlassen werden, wenn er die Anforderungen, die an ihn in seiner Laufbahn zu stellen sind, nicht mehr erfüllt. Unbeschadet des Satzes 1 soll entlassen werden:

1.
ein Offizieranwärter, der sich nicht zum Offizier eignet,
2.
ein Sanitätsoffizieranwärter, der sich nicht zum Sanitätsoffizier eignet,
3.
ein Militärmusikoffizieranwärter, der sich nicht zumMilitärmusikoffiziereignet,
4.
ein Geoinformationsoffizieranwärter, der sich nicht zum Geoinformationsoffizier eignet,
5.
ein Feldwebelanwärter, der sich nicht zum Feldwebel eignet, und
6.
ein Unteroffizieranwärter, der sich nicht zum Unteroffizier eignet.
Ist er zuvor in einer anderen Laufbahn verwendet worden, soll er nicht entlassen, sondern in diese zurückgeführt werden, soweit er noch einen dieser Laufbahn entsprechenden Dienstgrad führt.

(5) Ein Soldat auf Zeit kann während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.

(6) Für die Zuständigkeit, die Anhörungspflicht und die Fristen bei der Entlassung gilt § 47 Abs. 1 bis 3 entsprechend. Die Entlassungsverfügung muss dem Soldaten in den Fällen des Absatzes 2 wenigstens drei Monate und in den Fällen des Absatzes 4 wenigstens einen Monat vor dem Entlassungstag unter schriftlicher Angabe der Gründe zugestellt werden. Für Soldaten, die einen Eingliederungsschein (§ 9 Absatz 1 Nummer 2 des Soldatenversorgungsgesetzes) erhalten können und die Erteilung beantragt haben, beträgt die Frist in den Fällen des Absatzes 2 ein Jahr. In den Fällen des Absatzes 3 gilt § 46 Abs. 7 entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Oberstabsarzt und Soldat auf Zeit. Die Beteiligten streiten um seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

2

Der Kläger wurde noch als Schüler mit Bescheid des Bundesamts für den Zivildienst (nunmehr: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben) vom 17. Februar 1993 als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife im Juni 1993 leistete er Zivildienst im Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes. In der Zeit von 1995 bis 2001 absolvierte er ein Studium der Humanmedizin. Im November 2001 bestand er die Ärztliche Prüfung, im Oktober 2003 wurde er als Arzt approbiert. Von 2001 bis zum Frühjahr 2006 war er als Arzt in einem Klinikum tätig.

3

Unter dem 22. September 2005 erklärte der Kläger gegenüber dem Personalamt der Bundeswehr sein Einverständnis, in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen zu werden und verpflichtete sich, sechs Jahre Wehrdienst zu leisten. Mit Schreiben vom 23. September 2005 bekundete er gegenüber dem Bundesamt für den Zivildienst, "nach Gewissensgründen nicht mehr daran gehindert zu sein, den Dienst an der Waffe zu leisten".

4

Nach Absolvierung einer Eignungsübung wurde der Kläger mit Wirkung zum 1. Juli 2006 unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Stabsarzt ernannt. Er wurde - unterbrochen durch Auslandseinsätze von Anfang Juni bis Mitte Juli 2007 in Kunduz/Afghanistan und von Ende September bis Anfang November 2008 in Prizren/Kosovo - im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz verwandt. Am 15. Oktober 2008 wurde er zum Oberstabsarzt befördert.

5

Unter dem 15. Juni 2009 stellte der Kläger gegenüber dem Kreiswehrersatzamt Koblenz einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Unter demselben Datum beantragte er bei dem Personalamt der Bundeswehr, ihn nach § 55 Abs. 3 SG aus dem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit zu entlassen.

6

Mit Bescheid vom 14. Juli 2009 lehnte das Bundesamt für den Zivildienst den Anerkennungsantrag des Klägers mit der Begründung als unzulässig ab, dass Sanitätsoffizieren, die sich freiwillig zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet hätten, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das für die Durchführung eines Anerkennungsverfahrens erforderliche Rechtsschutzinteresse fehle. Den Widerspruch des Klägers wies das Bundesamt mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2010 zurück. Mit seinem Entlassungsbegehren blieb der Kläger im Verwaltungsverfahren vor dem Personalamt der Bundeswehr und im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht Koblenz erfolglos.

7

Die Kriegsdienstverweigerung des Klägers ist Gegenstand seiner am 17. Februar 2010 erhobenen Klage. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger geltend gemacht, seine Erklärung vom 23. September 2005 sei als Verzicht auf seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vom 17. Februar 1993 unwirksam, da sie nicht als actus contrarius eines Anerkennungsbegehrens formuliert sei. Er hat ferner darauf angetragen, im Einzelnen bezeichnete Zeugen aus dem Sanitätsdienst der Bundeswehr zum Beweis der von ihm behaupteten infanteristischen Ausbildung, Bewaffnung und Verwendung von Sanitätssoldaten - insbesondere im Hinblick auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr - zu vernehmen. Das Verwaltungsgericht hat die Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellten Behauptungen würden als wahr unterstellt.

8

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Ihr fehle bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers das Rechtsschutzinteresse, da er die Auffassung vertrete, sein Verzicht auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer sei wegen Formmangels mit der Folge unwirksam, dass die Anerkennung fortgelte und es der begehrten erneuten Anerkennung nicht bedürfe. Dies könne indes dahinstehen, da die Klage auch deshalb unzulässig sei, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts freiwillig in der Bundeswehr dienende Sanitätssoldaten kein Rechtsschutzbedürfnis für die Stellung eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer hätten. Da der Sanitätsdienst kein Kriegsdienst mit der Waffe sei, könne den aktiven Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, die sich in diesem waffenlosen Dienst befänden, zugemutet werden, zunächst ihre Entlassung aus dem freiwillig eingegangenen Dienstverhältnis zu betreiben und erst dann den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu stellen. Die von dem Kläger zur Situation der Sanitätssoldaten im Auslandseinsatz aufgestellten Behauptungen verdeutlichten allenfalls eine Verschärfung der Einsatzbedingungen, nicht aber eine Änderung der Rolle des Sanitätsdienstes. Der Waffeneinsatz dürfe und müsse sich an der Bedrohungsintensität ausrichten.

9

Der Kläger begehrt mit seiner von dem Senat zugelassenen Revision, die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidungen zu seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu verpflichten. Er macht geltend, das Verwaltungsgericht sei im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil es über die Klage durch die nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts für das Soldatenrecht zuständige zweite Kammer und nicht durch die für das Recht der Kriegsdienstverweigerung zuständige siebte Kammer entschieden habe. Einen weiteren Verfahrensfehler habe das Verwaltungsgericht dadurch begangen, dass es sein Klagebegehren nicht vollständig erfasst und beschieden habe. Dieses sei in interessengerechter Auslegung nach § 88 VwGO auch ohne entsprechende Bezeichnung mit dem Hauptantrag auf die Feststellung des Fortbestehens seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und lediglich hilfsweise auf die Verpflichtung der Beklagten zu seiner erneuten Anerkennung gerichtet gewesen. In materieller Hinsicht verkenne die von dem Verwaltungsgericht entscheidungstragend herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge Sanitätssoldaten, die sich als Berufs- oder Zeitsoldaten freiwillig zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet hätten, kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zustehe, schon von ihrem Ansatz her den Schutzumfang des Art. 4 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG. Unabhängig hiervon sei die Einstufung des Sanitätsdienstes als waffenloser Dienst im Sinne dieser Rechtsprechung jedenfalls unter der Geltung der von dem Verwaltungsgericht als wahr unterstellten Bedingungen im Rahmen der Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht haltbar. Darüber hinaus führe die Verweisung auf eine vorrangig zu betreibende Dienstentlassung nach § 55 Abs. 3 SG zu einer Verletzung der grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

10

Die Beklagte tritt der Revision mit Ausführungen zu Ausbildung und Bewaffnung des Sanitätspersonals sowie zu seiner Verwendung im Auslandseinsatz entgegen. Sie sieht keinen Anlass, die Qualifikation des Sanitätsdienstes als waffenlos aufzugeben.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zwar greifen die von dem Kläger erhobenen Verfahrensrügen nicht durch (1.). Jedoch trifft die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht zu, Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr hätten generell kein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Verfahrens auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (2.). Im Fall des Klägers kann ein solches Rechtsschutzbedürfnis auch nicht unter Verweis auf eine Fortgeltung seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Jahr 1993 verneint werden (3.). Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich, da es an tatsächlichen Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

1. Dem verwaltungsgerichtlichen Urteil haften die von dem Kläger gerügten Verfahrensfehler nicht an. Weder kann eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts festgestellt werden (a) noch hat das Verwaltungsgericht das Klagebegehren falsch ausgelegt und teilweise unbeschieden gelassen (b).

13

a) Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht sei bei der Entscheidung über die von ihm anhängig gemachte Klage mit der nach dem gerichtlichen Geschäftsverteilungsplan für das Soldatenrecht zuständigen zweiten Kammer im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, rechtfertigt nicht die Aufhebung des Urteils.

14

Zwar spricht Überwiegendes - insbesondere die Sachbehandlung des Verwaltungsgerichts in dem Parallelverfahren zum Aktenzeichen BVerwG 6 C 31.11 - dafür, dass auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtete Verfahren auch dann, wenn sie von Berufs- und Zeitsoldaten betrieben werden, nach dem Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts der Zuständigkeit der siebten Kammer für das Recht der Kriegsdienstverweigerung zuzuordnen sind. Jedoch rechtfertigt allein die unrichtige Handhabung des Geschäftsverteilungsplans nicht die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts nach § 138 Nr. 1 VwGO (BVerfG, Beschluss des Plenums vom 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95 - BVerfGE 95, 322 <333>; BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1994 - BVerwG 1 B 176.93 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 32 S. 2, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 - juris Rn. 11, insoweit in BVerwGE 115, 32 und Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 158 nicht abgedruckt). Die Besetzungsrüge ist vielmehr nur begründet, wenn und soweit in der unrichtigen Anwendung des Geschäftsverteilungsplans zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt, weil das Gericht seine Zuständigkeit auf Grund von willkürlichen Erwägungen angenommen hat. Dass sich die zweite Kammer des Verwaltungsgerichts auf Grund einer willkürlichen Überdehnung des in dem nicht revisiblen Geschäftsverteilungsplan enthaltenen Begriffs des Soldatenrechts zu einer Entscheidung in dem Verfahren berufen gesehen hat, vermag der Senat nicht festzustellen. Näher liegt die Annahme, dass die Kammer sich deshalb für zuständig erachtet hat, weil sie neben dem Antrag des Klägers auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer auch mit dessen - zu gemeinsamer Verhandlung verbundenen und mit Urteil vom selben Tag entschiedenen - Begehren auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit befasst war.

15

Unabhängig hiervon nimmt der Senat die Sachbehandlung des Verwaltungsgerichts in dem Parallelverfahren zum Aktenzeichen BVerwG 6 C 31.11 zum Anlass, die Sache im Rahmen der auszusprechenden Zurückverweisung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO der nach dem geltenden Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts für das Recht der Kriegsdienstverweigerung zuständigen Kammer zu überantworten.

16

b) Fehl geht auch die Rüge der fehlerhaften Auslegung und teilweisen Nichtbescheidung des Klagebegehrens.

17

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durch Bezugnahme auf die Klageschrift vom 10. Februar 2010 beantragt, den Bescheid des Bundesamts für den Zivildienst vom 14. Juli 2009 über die Ablehnung seines Anerkennungsantrags vom 15. Juni 2009 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2010 aufzuheben und seine Berechtigung zur Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe festzustellen. Bei sachgemäßer Auslegung dieses Klagebegehrens nach § 88 VwGO musste das Verwaltungsgericht das Fortbestehen der durch den Bescheid des Bundesamts für den Zivildienst vom 17. Februar 1993 ausgesprochenen Anerkennung des Klägers als Kriegsdienstverweigerer nicht prüfen.

18

Zwar war der gestellte Antrag insoweit auslegungsbedürftig und auslegungsfähig, als er entgegen seinem Wortlaut nicht auf eine Feststellung, sondern auf die Verpflichtung der Beklagten zu der von dem Kläger erstrebten - erneuten - Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtet war. Richtige Klageart ist nämlich nach geltendem Recht die Verpflichtungsklage; sie schließt die Anfechtung der vorangegangenen, ablehnenden Verwaltungsentscheidung mit ein und zugleich gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine allgemeine Feststellungsklage aus (Urteil vom 29. Juni 1992 - BVerwG 6 C 11.92 - BVerwGE 90, 265 <268 ff.> = Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 249 S. 95 ff.).

19

Demgegenüber lässt sich ein auf das Fortbestehen der Anerkennungsentscheidung vom 17. Februar 1993 bezogenes eigenständiges Klagebegehren dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Klageantrag und der umfänglichen Klageschrift vom 10. Februar 2010 auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen. Erst recht fehlt jeder Anhaltspunkt für die von dem Kläger im Nachhinein reklamierte Stufung in einen Haupt- und einen Hilfsantrag. Das schriftliche Klagevorbringen beschäftigt sich vielmehr ausschließlich mit der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage gegen die Ablehnung des neuerlichen Anerkennungsantrags des Klägers durch die Bescheide des Bundesamts vom 14. Juli 2009 und vom 4. Februar 2010. Eine Ungültigkeit seiner Erklärung vom 23. September 2005, die Voraussetzung für ein Fortwirken der ersten Anerkennung wäre, hat der Kläger erst in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht. Er hat anwaltlich vertreten gleichwohl an seiner in der Klageschrift enthaltenen Antragstellung festgehalten.

20

2. Das angefochtene Urteil verstößt jedoch gegen Bundesrecht, weil das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für sein Begehren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu Unrecht verneint und dadurch die grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt hat.

21

Aus den gesetzlichen Bestimmungen der § 2 Abs. 6 Satz 3 KDVG, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG ergibt sich, dass nicht nur gediente und ungediente Wehrpflichtige, sondern auch Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen können. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung nicht fest, derzufolge Berufs- und Zeitsoldaten im Sanitätsdienst der Bundeswehr aus Rechtsgründen gleichwohl kein Rechtsschutzbedürfnis für ein auf ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtetes Verfahren zuzubilligen ist (a). Auch für die freiwillig dienenden Angehörigen eines waffenlosen Sanitätsdienstes ist die Rechtsposition nicht nutzlos, die sie durch einen Antrag auf Anerkennung der Berechtigung, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, zu gewinnen trachten. Sie müssen sie deshalb grundsätzlich in gleicher Weise wie alle anderen Wehrpflichtigen und Soldaten der Bundeswehr erreichen können (b). Eine Rechtfertigung dafür, die im Sanitätsdienst tätigen Berufs- und Zeitsoldaten von der Möglichkeit auszunehmen, jederzeit ein Anerkennungsverfahren durchlaufen zu können, kann nicht in deren freiwilliger Dienstverpflichtung gefunden werden (c). Ebenso wenig können die Betroffenen auf ein vorrangig zu betreibendes Dienstentlassungsverfahren verwiesen werden (d).

22

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats haben Berufs- und Zeitsoldaten, die sich auf Grund freiwilliger Verpflichtung im aktiven Sanitätsdienst der Bundeswehr befinden, bis zur Beendigung ihres Dienstverhältnisses kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Soldaten, die auf Grund ihrer Wehrpflicht als Sanitäter Dienst leisten müssen, unterliegen dagegen im Hinblick auf die Geltendmachung einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe keinen Einschränkungen.

23

Der Senat hat mit dieser Rechtsprechung an die in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - (BVerfGE 69, 1 <24 f., 54 ff.>) angelegte Unterscheidung zwischen dem erst geltend gemachten und dem bereits förmlich festgestellten Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG angeknüpft. Während der volle Schutz des förmlich festgestellten Grundrechts unter Berücksichtigung des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG das Recht zur Verweigerung auch des waffenlosen Dienstes in der Bundeswehr umfasse, lasse sich aus dem lediglich geltend gemachten Grundrecht nur eine vorläufige Sicherung seines Kernbereichs in dem Sinne ableiten, dass zwar eine Heranziehung zum Kriegsdienst mit der Waffe, nicht aber zum waffenlosen Dienst ausgeschlossen sei.

24

Ein den Kernbereich der grundrechtlichen Gewährleistung nicht berührender waffenloser Dienst sei ein solcher, der objektiv keine Tätigkeiten umfasse, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stünden. Dies gelte insbesondere für den Sanitätsdienst. Auch wenn Sanitätssoldaten an Handfeuerwaffen wie Pistolen und Gewehren ausgebildet würden, werde ihr Dienst wegen der besonderen völkerrechtlichen Stellung des Sanitätsdienstes nicht zum Kriegsdienst mit der Waffe.

25

Da das nach Durchführung des Anerkennungsverfahrens förmlich zuerkannte Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG gemäß Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG das Recht einschließe, jeglichen Dienst in der Bundeswehr, also auch einen waffenlosen Dienst einschließlich des Sanitätsdienstes, zu verweigern, hätten Wehrpflichtige, die sich auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG beriefen, einen Anspruch auf Durchführung des Anerkennungsverfahrens, wenn und solange sie auf Grund ihrer Wehrpflicht zu irgendeinem Dienst in der Bundeswehr einschließlich des Sanitätsdienstes herangezogen werden könnten. Dagegen sei ein Anspruch auf Durchführung des Anerkennungsverfahrens zu verneinen, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine Heranziehung zum Wehrdienst auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht nicht in Betracht komme, die betroffenen Wehrpflichtigen den Schutz des Grundrechts also nicht benötigten. Dies sei auch dann der Fall, wenn und solange sie nicht auf Grund ihrer Wehrpflicht, sondern als Folge eigener freiwilliger Verpflichtung waffenlosen Dienst - insbesondere Sanitätsdienst - leisteten, ihre gesetzliche Wehrpflicht also von der selbst eingegangenen Verpflichtung zu einem Dienst überlagert werde, der als waffenloser Dienst vor Tätigkeiten schütze, die den Kernbereich des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG berührten. Die Betroffenen, die sich der für anerkannte Kriegsdienstverweigerer durch Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG garantierten Möglichkeit, einen Ersatzdienst außerhalb der Bundeswehr zu wählen, durch ihre freiwillige Verpflichtung zum Sanitätsdienst in der Bundeswehr begeben hätten, hätten es - wenn ihnen ihr Gewissen auch die Leistung dieses Dienstes verbiete - selbst in der Hand, ihr freiwillig eingegangenes Dienstverhältnis mit einem Entlassungsantrag nach dem Soldatendienstrecht vorzeitig zu beenden. Werde nach der Entlassung aus dem Soldatenverhältnis die gesetzliche Wehrpflicht der Betroffenen wieder aktuell, hätten sie ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Einem auf § 46 Abs. 6 (§ 46 Abs. 3 Satz 3 a.F.), § 55 Abs. 3 SG gestützten Antrag auf vorzeitige Entlassung aus dem Soldatendienstverhältnis werde stattzugeben sein, wenn dadurch die Möglichkeit geschaffen werden solle, die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen beantragen zu können. Denn der Zwang, gegen die Gebote des eigenen Gewissens einen Dienst leisten zu müssen, der jedenfalls im Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte stehe, sei im Licht des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nach den genannten soldatenrechtlichen Entlassungsvorschriften als eine schwerwiegende persönliche Härte anzusehen, die ein weiteres Verbleiben im Soldatendienstverhältnis unzumutbar mache (vgl. zum Ganzen: Urteile vom 27. November 1985 - BVerwG 6 C 5.85 - BVerwGE 72, 241 <242 ff.> = Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 3 S. 7 ff., vom 22. August 1994 - BVerwG 6 C 14.93 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 17 S. 2 ff. und vom 28. August 1996 - BVerwG 6 C 2.95 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 19 S. 7 ff. sowie - im Wesentlichen auf formelle Erwägungen gestützt - Beschluss vom 20. November 2009 - BVerwG 6 B 24.09 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 58 Rn. 4 f. - für im Sanitätsdienst befindliche Zeit- und Berufssoldaten; Urteile vom 17. August 1988 - BVerwG 6 C 36.86 - BVerwGE 80, 62 <63 ff.> = Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 9 S. 5 ff. und - BVerwG 6 C 27.86 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 10, vom 20. Dezember 1988 - BVerwG 6 C 38.87 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 11 S. 17 f., vom 10. Februar 1989 - BVerwG 6 C 9.86 - Buchholz 448.6 § 14 KDVG Nr. 21 S. 12, vom 26. März 1990 - BVerwG 6 C 24.88 - juris Rn. 7, vom 28. März 1990 - BVerwG 6 C 45.88 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 16 S. 28 ff. und vom 3. April 1990 - BVerwG 6 C 30.88 - juris Rn. 8 - für wehrpflichtige Sanitätssoldaten).

26

Soweit nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen freiwillig dienenden Sanitätssoldaten der Bundeswehr ein Rechtsschutzbedürfnis für das jederzeitige und unmittelbare Durchlaufen eines auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichteten Verfahrens abzusprechen ist, hält der Senat an ihnen nicht fest. Die den Grundsätzen insoweit zu Grunde liegenden Annahmen haben sich als nicht tragfähig erwiesen.

27

b) Das Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozess - und in Entsprechung dazu das Sachbescheidungsinteresse im Verwaltungsverfahren - ist im Regelfall zu bejahen und bedarf nur in besonderen Fällen der Begründung (Urteile vom 17. Januar 1989 - BVerwG 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 <165 f.> = Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 9 S. 19 f. und vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3> = Buchholz 451.74 § 9 KHG Nr. 9 S. 5). Von den Fallgruppen, in denen diese Voraussetzung für eine Sachentscheidung fehlen kann (vgl. dazu: Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 1, Stand: September 2011, Vorbemerkung § 40 Rn. 81 ff.), kommt hier nur diejenige der Nutzlosigkeit der begehrten Entscheidung in Betracht. Nutzlos ist eine Entscheidung indes nur dann, wenn sie demjenigen, der sie erstrebt, offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom 29. April 2004 a.a.O. S. 3 bzw. S. 5).

28

Die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, die am Ende eines erfolgreich durchlaufenen Anerkennungsverfahrens steht, ist für die Berufs- und Zeitsoldaten im aktiven Sanitätsdienst der Bundeswehr nicht in dem beschriebenen Sinne offensichtlich ohne jeglichen Nutzen. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass die betroffenen Soldaten in Gestalt des Sanitätsdienstes einen waffenlosen Dienst versehen und deshalb dauerhaft in dem Kernbereich ihres Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt sind, weil sie vor dem Zwang bewahrt werden, entgegen den Geboten ihres Gewissens in einer Kriegshandlung einen anderen töten bzw. Tätigkeiten ausführen zu müssen, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stehen (vgl. dazu: BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1970 - 1 BvR 83/69 u.a. - BVerfGE 28, 243 <262> und vom 12. Oktober 1971 - 2 BvR 65/71 - BVerfGE 32, 40 <46>, Urteile vom 13. April 1978 - 2 BvF 1/77 u.a. - BVerfGE 48, 127 <163 f.> und vom 24. April 1985 a.a.O. S. 54, 56, Beschluss vom 11. Juli 1989 - 2 BvL 11/88 - BVerfGE 80, 354 <358>). Denn mit einer Sicherung des bloßen Kernbereichs des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG müssen sich anerkannte Kriegsdienstverweigerer nicht begnügen.

29

Auf den Kernbereich des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung hat das Bundesverfassungsgericht nur im Zusammenhang mit der Frage abgestellt, welche Dienstpflichten Soldaten in der Übergangszeit zwischen der Einreichung eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und dem Abschluss des Anerkennungsverfahrens erfüllen müssen. Da einerseits der Kernbereich des Grundrechts durch den Waffendienst im Frieden nicht berührt wird und andererseits auch der Einrichtung und der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr Verfassungsrang zukommt, ist es den Betroffenen in Friedenszeiten zumutbar, den bisher geleisteten Dienst für die Dauer des mit möglichster Beschleunigung zu führenden Anerkennungsverfahrens fortzusetzen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1970 a.a.O. S. 262 und vom 12. Oktober 1971 a.a.O. S. 45 ff.). Im Spannungs- und Verteidigungsfall bleibt jedenfalls die Heranziehung zu einem waffenlosen Dienst zulässig, bis endgültig feststeht, dass das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG zu Recht in Anspruch genommen wird (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 a.a.O. S. 56 f.).

30

Jenseits der durch das Anerkennungsverfahren bedingten zeitlichen Übergangsphase geht bei einem für den jeweiligen Antragsteller erfolgreichen Abschluss dieses Verfahrens der Gewährleistungsgehalt des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung indes über den beschriebenen Kernbereich hinaus. Dies gibt das Grundgesetz durch die in Art. 12a Abs. 2 GG erteilte Ermächtigung, auf gesetzlichem Wege eine Ersatzdienstpflicht einzuführen, allgemein zu erkennen (vgl. im Hinblick auf das Recht zur Kriegsdienstverweigerung bereits im Frieden: BVerfG, Urteil vom 13. April 1978 a.a.O. S. 164, Beschluss vom 11. Juli 1989 a.a.O.). Speziell der Regelung des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG kann - hieran hält der Senat fest - entnommen werden, dass ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer das Recht hat, jeglichen Dienst in der Bundeswehr, also auch einen waffenlosen Dienst einschließlich des Sanitätsdienstes zu verweigern. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund bestimmt das einfache Recht in § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG, dass Berufs- und Zeitsoldaten im Falle ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu entlassen sind. Dies entspricht der Regelung, die § 29 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 WPflG für als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Wehrpflichtige trifft.

31

Sind mit der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer derartige, über die bloße Sicherung des Kernbereichs des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG hinausgehende Gewährleistungen verbunden, muss den Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes wie allen Wehrpflichtigen und Soldaten der Bundeswehr grundsätzlich die Möglichkeit zugestanden werden, diese Rechtsposition jederzeit und unmittelbar durch das Durchlaufen des für die Anerkennung erforderlichen Verfahrens zu erreichen.

32

c) Dem Sanitätspersonal im Status von Berufs- und Zeitsoldaten ein beachtliches Bedürfnis hierfür abzusprechen, kann entgegen der bisherigen Einschätzung des Senats nicht durch die Erwägung gerechtfertigt werden, dass die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 SG eingegangene freiwillige Dienstverpflichtung der Betroffenen deren Wehrpflicht überlagere und diese sich hierdurch des durch Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG garantierten Rechts zur Ableistung eines Ersatzdienstes außerhalb der Bundeswehr begeben hätten.

33

Denn zum einen ist das Recht der Kriegsdienstverweigerung ausweislich der einfachgesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 6 Satz 3 KDVG, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG nicht an die gesetzliche Wehrpflicht gekoppelt. Zum anderen ist mit den Begriffen des Überlagerns und des Sich-Begebens im Ergebnis die Annahme verbunden, die Betroffenen verzichteten bei Abgabe ihrer Dienstverpflichtung mit Wirkung für die gesamte Dauer ihres jahrelangen Dienstes unwiderruflich darauf, das Recht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen in seinem vollen Gewährleistungsgehalt wahrzunehmen. Ein derartiger Verzicht erfasste mithin nicht nur bereits getroffene, sondern auch erst im Laufe der Jahre entstehende Gewissensentscheidungen. Ein solcher Gehalt kann der von den Betroffenen abgegebenen Dienstverpflichtung rechtlich und tatsächlich keinesfalls zukommen.

34

d) Entgegen der bisherigen Annahme des Senats stellt für die Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes auch die Möglichkeit, unter Verweis auf einen beabsichtigten Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ihre vorzeitige Entlassung aus dem Soldatendienstverhältnis auf der Grundlage der Härtefallklauseln der § 46 Abs. 6 (§ 46 Abs. 3 Satz 3 a.F.), § 55 Abs. 3 SG zu betreiben und im Erfolgsfall gegebenenfalls in das Anerkennungsverfahren überzuwechseln, keine Alternative dar, die das unmittelbare Durchlaufen eines Anerkennungsverfahrens als überflüssig erscheinen lassen könnte.

35

Hierfür spricht bereits, dass der Entlassungsgrund der persönlichen Härte eines Verbleibens im Dienst einer Inanspruchnahme durch sämtliche Berufs- und Zeitsoldaten der Bundeswehr und nicht nur durch diejenigen des Sanitätsdienstes offen steht, ohne dass indes allgemein das Dienstentlassungsverfahren als vorrangig gegenüber einem Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer begriffen und die damit verbundene zusätzliche Verfahrenslast als hinnehmbar erachtet würde.

36

Hinzu kommt, dass das von dem Senat bisher befürwortete Verhältnis von Anerkennungsverfahren und Dienstentlassungsverfahren in den einschlägigen Verfahrensvorschriften nicht angelegt ist. Vielmehr hat das Kriegsdienstverweigerungsgesetz in allen seinen bisherigen Fassungen die Entscheidung über Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer Stellen außerhalb der Wehrverwaltung bzw. ihrer Weisungsbefugnis überantwortet. Zudem hat bei einer Kriegsdienstverweigerung von Berufs- oder Zeitsoldaten das von diesen Stellen durchzuführende Anerkennungsverfahren nach der Vorstellung des Gesetzgebers einem Dienstentlassungsverfahren voranzugehen. Dies ergibt sich aus den bereits genannten Vorschriften der § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG, die die Entlassung aus dem Dienst als Rechtsfolge einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ausgestalten.

37

Diese im Sinne des Gesetzes liegende Zuständigkeitsverteilung und Entscheidungsabfolge ist durch die bisherige Rechtsprechung des Senats zur Kriegsdienstverweigerung, derzufolge zunächst die Wehrverwaltung über einen Antrag von freiwillig dienenden Sanitätssoldaten auf Dienstentlassung wegen besonderer Härte zu entscheiden hat, bevor diese gegebenenfalls ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer betreiben können, praktisch abgeändert bzw. umgekehrt worden. Hierdurch wird in jedem Fall die Beschleunigungsmaxime, der das Anerkennungsverfahren unterliegt, in vermeidbarer Weise eingeschränkt. Es kann darüber hinaus zu einer nicht hinnehmbaren Komplizierung der Verfahrensabläufe kommen. Denn es ist einerseits grundsätzlich möglich, dass ein Betroffener im Hinblick auf einen beabsichtigten Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Dienst entlassen, später jedoch nicht anerkannt wird. Dann stellt sich die Frage einer Aufhebung der Entlassungsverfügung nach §§ 48, 49 VwVfG. Andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Sanitätssoldat, der tatsächlich eine Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG getroffen hat, in dem für die Feststellung dieser Entscheidung nicht geschaffenen Dienstentlassungsverfahren scheitert und mit ihr dann über eine lange Zeit kein Gehör mehr findet.

38

3. Das verwaltungsgerichtliche Urteil stellt sich schließlich nicht deshalb nach § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis als richtig dar, weil davon ausgegangen werden müsste, dass der Kläger wegen einer nach wie vor gegebenen Wirksamkeit des Anerkennungsbescheids vom 17. Februar 1993 bereits anerkannter Kriegsdienstverweigerer ist und deshalb für die Klage, mit der er seine erneute Anerkennung erstrebt, kein Rechtsschutzbedürfnis hat. Denn auf seine erstmalige Anerkennung hat der Kläger durch die unter dem 23. September 2005 abgegebene Erklärung verzichtet, aus Gewissensgründen nicht mehr daran gehindert zu sein, den Dienst an der Waffe zu leisten.

39

Der Senat hat den Gehalt der Erklärung des Klägers vom 23. September 2005 nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, obwohl es sich insoweit um eine Tatsachenfeststellung handelt. Die Vorschrift des § 137 Abs. 2 VwGO, die das Revisionsgericht grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bindet, bezieht sich nicht auf Tatsachen, die für das Vorliegen von Sachurteilsvoraussetzungen - hier in Gestalt des Rechtsschutzbedürfnisses für die erhobene Klage - erheblich sind. Über das Vorliegen dieser Tatsachen hat vielmehr das Revisionsgericht von Amts wegen zu entscheiden.

40

Die Erklärung des Klägers vom 23. September 2005 kann objektiv nur als Verzicht auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vom 17. Februar 1993 verstanden werden. Die Zulässigkeit eines solchen Verzichts unterliegt in Anbetracht der Vorschriften des § 7 Abs. 2 WPflG und des § 43 Abs. 1 Nr. 10 ZDG keinen Bedenken. Der Kläger hatte ein erkennbares Interesse daran, den Verzicht auszusprechen, da er als anerkannter Kriegsdienstverweigerer einen Entlassungsgrund erfüllte und deshalb nicht die für die Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit erforderliche Eignung besaß. Die Ausräumung dieses Berufungshindernisses war nur in der Form des Verzichts auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer möglich.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Stabsarzt und Soldat auf Zeit. Er begehrt seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

2

Der Kläger trat nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife in den Sanitätsdienst der Bundeswehr ein. Er wurde am 6. Juli 2000 als Sanitätssoldat und Unteroffiziersanwärter in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und mit Wirkung zum 1. Februar 2001 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes übernommen. Die Dienstzeit des Klägers soll am 30. Juni 2018 enden. Ab dem Wintersemester 2001/2002 wurde der Kläger zum Studium der Humanmedizin vom Dienst freigestellt. Nach erfolgreichem Studienabschluss erhielt er am 3. Juli 2008 die Approbation als Arzt. Mit Wirkung zum 14. Juli 2008 wurde er zum Stabsarzt ernannt und ab September 2008 in dem Bundeswehrzentralkrankenhaus in K. verwandt. Seit März 2010 ist der Kläger als Truppenarzt in das Sanitätszentrum L. abkommandiert.

3

Unter dem 18. Januar 2010 stellte der Kläger gegenüber dem Kreiswehrersatzamt K. einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Einen Tag später beantragte er bei dem Personalamt der Bundeswehr, ihn nach § 55 Abs. 3 SG aus dem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit zu entlassen.

4

Mit Bescheid vom 9. Februar 2010 lehnte das Bundesamt für den Zivildienst (nunmehr: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben) den Anerkennungsantrag des Klägers mit der Begründung als unzulässig ab, dass Sanitätsoffizieren, die sich freiwillig zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet hätten, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das für die Durchführung eines Anerkennungsverfahrens erforderliche Rechtsschutzinteresse fehle. Den Widerspruch des Klägers wies das Bundesamt mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2010 zurück. Mit seinem Entlassungsbegehren ist der Kläger im Verwaltungsverfahren vor dem Personalamt der Bundeswehr und im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht K. erfolglos geblieben.

5

Der Kläger hat gegen die Ablehnung seines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer Klage erhoben und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht darauf angetragen, im Einzelnen bezeichnete Zeugen aus dem Sanitätsdienst der Bundeswehr sowie aus dem Bundesministerium der Verteidigung zum Beweis der von ihm behaupteten infanteristischen Ausbildung, Bewaffnung und Verwendung von Sanitätssoldaten - insbesondere im Hinblick auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr - zu vernehmen. Das Verwaltungsgericht hat die Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt, es komme auf die Beweiserhebung aus Rechtsgründen nicht an.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen, weil es dem Kläger an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei für die aktiven Berufs- und Zeitsoldaten, die sich in dem waffenlosen Sanitätsdienst befänden, ein Anspruch auf Durchführung des Anerkennungsverfahrens erst dann gegeben, wenn nach einer vorrangig zu betreibenden Entlassung aus dem Dienst die gesetzliche Wehrpflicht wieder aktuell werde. Auf die von dem Kläger behaupteten Veränderungen der Einsatzbedingungen von Sanitätssoldaten komme es insoweit nicht an. Er sei auf absehbare Zeit in dem Kernbereich des Grundrechts der Kriegsdienstverweigerung geschützt, da er im Rahmen seiner Verwendung als Truppenarzt in dem Sanitätszentrum L. nicht Gefahr laufe, Tätigkeiten ausführen zu müssen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stünden.

7

Der Kläger begehrt mit seiner von dem Senat zugelassenen Revision, die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidungen zu seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu verpflichten. Er sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG i.V.m. Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, weil das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses für sein Begehren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer auf die von ihm konkret wahrgenommene dienstliche Funktion abgestellt und zudem in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angenommen habe, dass die freiwillige Verpflichtung zur Dienstleistung als Sanitätssoldat die direkte Inanspruchnahme des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung ausschließe. Er erhebt ferner die Gehörs- und die Aufklärungsrüge.

8

Die Beklagte tritt der Revision mit Ausführungen zu Ausbildung und Bewaffnung des Sanitätspersonals sowie zu seiner Verwendung im Auslandseinsatz entgegen. Sie sieht keinen Anlass, die Qualifikation des Sanitätsdienstes als waffenlos aufzugeben.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil es auf der unzutreffenden Annahme beruht, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit im Sanitätsdienst der Bundeswehr fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Verfahrens auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Auf das weitere Revisionsvorbringen des Klägers kommt es nicht an. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich, da es an tatsächlichen Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

10

Das Verwaltungsgericht hat die grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, weil es das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für sein Begehren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer maßgeblich unter Verweis auf die freiwillige Verpflichtung des Klägers für den Sanitätsdienst der Bundeswehr verneint hat.

11

Aus den gesetzlichen Bestimmungen der § 2 Abs. 6 Satz 3 KDVG, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG ergibt sich, dass nicht nur gediente und ungediente Wehrpflichtige, sondern auch Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen können. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung nicht fest, derzufolge Berufs- und Zeitsoldaten im Sanitätsdienst der Bundeswehr aus Rechtsgründen gleichwohl kein Rechtsschutzbedürfnis für ein auf ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtetes Verfahren zuzubilligen ist (1.). Auch für die freiwillig dienenden Angehörigen eines waffenlosen Sanitätsdienstes ist die Rechtsposition nicht nutzlos, die sie durch einen Antrag auf Anerkennung der Berechtigung, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, zu gewinnen trachten. Sie müssen sie deshalb grundsätzlich in gleicher Weise wie alle anderen Wehrpflichtigen und Soldaten der Bundeswehr erreichen können (2.). Eine Rechtfertigung dafür, die im Sanitätsdienst tätigen Berufs- und Zeitsoldaten von der Möglichkeit auszunehmen, jederzeit ein Anerkennungsverfahren durchlaufen zu können, kann nicht in deren freiwilliger Dienstverpflichtung gefunden werden (3.). Ebenso wenig können die Betroffenen auf ein vorrangig zu betreibendes Dienstentlassungsverfahren verwiesen werden (4.).

12

1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats haben Berufs- und Zeitsoldaten, die sich auf Grund freiwilliger Verpflichtung im aktiven Sanitätsdienst der Bundeswehr befinden, bis zur Beendigung ihres Dienstverhältnisses kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Soldaten, die auf Grund ihrer Wehrpflicht als Sanitäter Dienst leisten müssen, unterliegen dagegen im Hinblick auf die Geltendmachung einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe keinen Einschränkungen.

13

Der Senat hat mit dieser Rechtsprechung an die in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - (BVerfGE 69, 1 <24 f., 54 ff.>) angelegte Unterscheidung zwischen dem erst geltend gemachten und dem bereits förmlich festgestellten Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG angeknüpft. Während der volle Schutz des förmlich festgestellten Grundrechts unter Berücksichtigung des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG das Recht zur Verweigerung auch des waffenlosen Dienstes in der Bundeswehr umfasse, lasse sich aus dem lediglich geltend gemachten Grundrecht nur eine vorläufige Sicherung seines Kernbereichs in dem Sinne ableiten, dass zwar eine Heranziehung zum Kriegsdienst mit der Waffe, nicht aber zum waffenlosen Dienst ausgeschlossen sei.

14

Ein den Kernbereich der grundrechtlichen Gewährleistung nicht berührender waffenloser Dienst sei ein solcher, der objektiv keine Tätigkeiten umfasse, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stünden. Dies gelte insbesondere für den Sanitätsdienst. Auch wenn Sanitätssoldaten an Handfeuerwaffen wie Pistolen und Gewehren ausgebildet würden, werde ihr Dienst wegen der besonderen völkerrechtlichen Stellung des Sanitätsdienstes nicht zum Kriegsdienst mit der Waffe.

15

Da das nach Durchführung des Anerkennungsverfahrens förmlich zuerkannte Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG gemäß Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG das Recht einschließe, jeglichen Dienst in der Bundeswehr, also auch einen waffenlosen Dienst einschließlich des Sanitätsdienstes, zu verweigern, hätten Wehrpflichtige, die sich auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG beriefen, einen Anspruch auf Durchführung des Anerkennungsverfahrens, wenn und solange sie auf Grund ihrer Wehrpflicht zu irgendeinem Dienst in der Bundeswehr einschließlich des Sanitätsdienstes herangezogen werden könnten. Dagegen sei ein Anspruch auf Durchführung des Anerkennungsverfahrens zu verneinen, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine Heranziehung zum Wehrdienst auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht nicht in Betracht komme, die betroffenen Wehrpflichtigen den Schutz des Grundrechts also nicht benötigten. Dies sei auch dann der Fall, wenn und solange sie nicht auf Grund ihrer Wehrpflicht, sondern als Folge eigener freiwilliger Verpflichtung waffenlosen Dienst - insbesondere Sanitätsdienst - leisteten, ihre gesetzliche Wehrpflicht also von der selbst eingegangenen Verpflichtung zu einem Dienst überlagert werde, der als waffenloser Dienst vor Tätigkeiten schütze, die den Kernbereich des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG berührten. Die Betroffenen, die sich der für anerkannte Kriegsdienstverweigerer durch Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG garantierten Möglichkeit, einen Ersatzdienst außerhalb der Bundeswehr zu wählen, durch ihre freiwillige Verpflichtung zum Sanitätsdienst in der Bundeswehr begeben hätten, hätten es - wenn ihnen ihr Gewissen auch die Leistung dieses Dienstes verbiete - selbst in der Hand, ihr freiwillig eingegangenes Dienstverhältnis mit einem Entlassungsantrag nach dem Soldatendienstrecht vorzeitig zu beenden. Werde nach der Entlassung aus dem Soldatenverhältnis die gesetzliche Wehrpflicht der Betroffenen wieder aktuell, hätten sie ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Einem auf § 46 Abs. 6 (§ 46 Abs. 3 Satz 3 a.F.), § 55 Abs. 3 SG gestützten Antrag auf vorzeitige Entlassung aus dem Soldatendienstverhältnis werde stattzugeben sein, wenn dadurch die Möglichkeit geschaffen werden solle, die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen beantragen zu können. Denn der Zwang, gegen die Gebote des eigenen Gewissens einen Dienst leisten zu müssen, der jedenfalls im Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte stehe, sei im Licht des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nach den genannten soldatenrechtlichen Entlassungsvorschriften als eine schwerwiegende persönliche Härte anzusehen, die ein weiteres Verbleiben im Soldatendienstverhältnis unzumutbar mache (vgl. zum Ganzen: Urteile vom 27. November 1985 - BVerwG 6 C 5.85 - BVerwGE 72, 241 <242 ff.> = Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 3 S. 7 ff., vom 22. August 1994 - BVerwG 6 C 14.93 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 17 S. 2 ff. und vom 28. August 1996 - BVerwG 6 C 2.95 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 19 S. 7 ff. sowie - im Wesentlichen auf formelle Erwägungen gestützt - Beschluss vom 20. November 2009 - BVerwG 6 B 24.09 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 58 Rn. 4 f. - für im Sanitätsdienst befindliche Zeit- und Berufssoldaten; Urteile vom 17. August 1988 - BVerwG 6 C 36.86 - BVerwGE 80, 62 <63 ff.> = Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 9 S. 5 ff. und - BVerwG 6 C 27.86 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 10, vom 20. Dezember 1988 - BVerwG 6 C 38.87 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 11 S. 17 f., vom 10. Februar 1989 - BVerwG 6 C 9.86 - Buchholz 448.6 § 14 KDVG Nr. 21 S. 12, vom 26. März 1990 - BVerwG 6 C 24.88 - juris Rn. 7, vom 28. März 1990 - BVerwG 6 C 45.88 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 16 S. 28 ff. und vom 3. April 1990 - BVerwG 6 C 30.88 - juris Rn. 8 - für wehrpflichtige Sanitätssoldaten).

16

Soweit nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen freiwillig dienenden Sanitätssoldaten der Bundeswehr ein Rechtsschutzbedürfnis für das jederzeitige und unmittelbare Durchlaufen eines auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichteten Verfahrens abzusprechen ist, hält der Senat an ihnen nicht fest. Die den Grundsätzen insoweit zu Grunde liegenden Annahmen haben sich als nicht tragfähig erwiesen.

17

2. Das Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozess - und in Entsprechung dazu das Sachbescheidungsinteresse im Verwaltungsverfahren - ist im Regelfall zu bejahen und bedarf nur in besonderen Fällen der Begründung (Urteile vom 17. Januar 1989 - BVerwG 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 <165 f.> = Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 9 S. 19 f. und vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3> = Buchholz 451.74 § 9 KHG Nr. 9 S. 5). Von den Fallgruppen, in denen diese Voraussetzung für eine Sachentscheidung fehlen kann (vgl. dazu: Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 1, Stand: September 2011, Vorbemerkung § 40 Rn. 81 ff.), kommt hier nur diejenige der Nutzlosigkeit der begehrten Entscheidung in Betracht. Nutzlos ist eine Entscheidung indes nur dann, wenn sie demjenigen, der sie erstrebt, offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom 29. April 2004 a.a.O. S. 3 bzw. S. 5).

18

Die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, die am Ende eines erfolgreich durchlaufenen Anerkennungsverfahrens steht, ist für die Berufs- und Zeitsoldaten im aktiven Sanitätsdienst der Bundeswehr nicht in dem beschriebenen Sinne offensichtlich ohne jeglichen Nutzen. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass die betroffenen Soldaten in Gestalt des Sanitätsdienstes einen waffenlosen Dienst versehen und deshalb dauerhaft in dem Kernbereich ihres Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt sind, weil sie vor dem Zwang bewahrt werden, entgegen den Geboten ihres Gewissens in einer Kriegshandlung einen anderen töten bzw. Tätigkeiten ausführen zu müssen, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stehen (vgl. dazu: BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1970 - 1 BvR 83/69 u.a. - BVerfGE 28, 243 <262> und vom 12. Oktober 1971 - 2 BvR 65/71 - BVerfGE 32, 40 <46>, Urteile vom 13. April 1978 - 2 BvF 1/77 u.a. - BVerfGE 48, 127 <163 f.> und vom 24. April 1985 a.a.O. S. 54, 56, Beschluss vom 11. Juli 1989 - 2 BvL 11/88 - BVerfGE 80, 354 <358>). Denn mit einer Sicherung des bloßen Kernbereichs des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG müssen sich anerkannte Kriegsdienstverweigerer nicht begnügen.

19

Auf den Kernbereich des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung hat das Bundesverfassungsgericht nur im Zusammenhang mit der Frage abgestellt, welche Dienstpflichten Soldaten in der Übergangszeit zwischen der Einreichung eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und dem Abschluss des Anerkennungsverfahrens erfüllen müssen. Da einerseits der Kernbereich des Grundrechts durch den Waffendienst im Frieden nicht berührt wird und andererseits auch der Einrichtung und der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr Verfassungsrang zukommt, ist es den Betroffenen in Friedenszeiten zumutbar, den bisher geleisteten Dienst für die Dauer des mit möglichster Beschleunigung zu führenden Anerkennungsverfahrens fortzusetzen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1970 a.a.O. S. 262 und vom 12. Oktober 1971 a.a.O. S. 45 ff.). Im Spannungs- und Verteidigungsfall bleibt jedenfalls die Heranziehung zu einem waffenlosen Dienst zulässig, bis endgültig feststeht, dass das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG zu Recht in Anspruch genommen wird (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 a.a.O. S. 56 f.).

20

Jenseits der durch das Anerkennungsverfahren bedingten zeitlichen Übergangsphase geht bei einem für den jeweiligen Antragsteller erfolgreichen Abschluss dieses Verfahrens der Gewährleistungsgehalt des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung indes über den beschriebenen Kernbereich hinaus. Dies gibt das Grundgesetz durch die in Art. 12a Abs. 2 GG erteilte Ermächtigung, auf gesetzlichem Wege eine Ersatzdienstpflicht einzuführen, allgemein zu erkennen (vgl. im Hinblick auf das Recht zur Kriegsdienstverweigerung bereits im Frieden: BVerfG, Urteil vom 13. April 1978 a.a.O. S. 164, Beschluss vom 11. Juli 1989 a.a.O.). Speziell der Regelung des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG kann - hieran hält der Senat fest - entnommen werden, dass ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer das Recht hat, jeglichen Dienst in der Bundeswehr, also auch einen waffenlosen Dienst einschließlich des Sanitätsdienstes zu verweigern. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund bestimmt das einfache Recht in § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG, dass Berufs- und Zeitsoldaten im Falle ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu entlassen sind. Dies entspricht der Regelung, die § 29 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 WPflG für als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Wehrpflichtige trifft.

21

Sind mit der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer derartige, über die bloße Sicherung des Kernbereichs des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG hinausgehende Gewährleistungen verbunden, muss den Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes wie allen Wehrpflichtigen und Soldaten der Bundeswehr grundsätzlich die Möglichkeit zugestanden werden, diese Rechtsposition jederzeit und unmittelbar durch das Durchlaufen des für die Anerkennung erforderlichen Verfahrens zu erreichen.

22

3. Dem Sanitätspersonal im Status von Berufs- und Zeitsoldaten ein beachtliches Bedürfnis hierfür abzusprechen, kann entgegen der bisherigen Einschätzung des Senats nicht durch die Erwägung gerechtfertigt werden, dass die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 SG eingegangene freiwillige Dienstverpflichtung der Betroffenen deren Wehrpflicht überlagere und diese sich hierdurch des durch Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG garantierten Rechts zur Ableistung eines Ersatzdienstes außerhalb der Bundeswehr begeben hätten.

23

Denn zum einen ist das Recht der Kriegsdienstverweigerung ausweislich der einfachgesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 6 Satz 3 KDVG, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG nicht an die gesetzliche Wehrpflicht gekoppelt. Zum anderen ist mit den Begriffen des Überlagerns und des Sich-Begebens im Ergebnis die Annahme verbunden, die Betroffenen verzichteten bei Abgabe ihrer Dienstverpflichtung mit Wirkung für die gesamte Dauer ihres jahrelangen Dienstes unwiderruflich darauf, das Recht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen in seinem vollen Gewährleistungsgehalt wahrzunehmen. Ein derartiger Verzicht erfasste mithin nicht nur bereits getroffene, sondern auch erst im Laufe der Jahre entstehende Gewissensentscheidungen. Ein solcher Gehalt kann der von den Betroffenen abgegebenen Dienstverpflichtung rechtlich und tatsächlich keinesfalls zukommen.

24

4. Entgegen der bisherigen Annahme des Senats stellt für die Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes auch die Möglichkeit, unter Verweis auf einen beabsichtigten Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ihre vorzeitige Entlassung aus dem Soldatendienstverhältnis auf der Grundlage der Härtefallklauseln der § 46 Abs. 6 (§ 46 Abs. 3 Satz 3 a.F.), § 55 Abs. 3 SG zu betreiben und im Erfolgsfall gegebenenfalls in das Anerkennungsverfahren überzuwechseln, keine Alternative dar, die das unmittelbare Durchlaufen eines Anerkennungsverfahrens als überflüssig erscheinen lassen könnte.

25

Hierfür spricht bereits, dass der Entlassungsgrund der persönlichen Härte eines Verbleibens im Dienst einer Inanspruchnahme durch sämtliche Berufs- und Zeitsoldaten der Bundeswehr und nicht nur durch diejenigen des Sanitätsdienstes offen steht, ohne dass indes allgemein das Dienstentlassungsverfahren als vorrangig gegenüber einem Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer begriffen und die damit verbundene zusätzliche Verfahrenslast als hinnehmbar erachtet würde.

26

Hinzu kommt, dass das von dem Senat bisher befürwortete Verhältnis von Anerkennungsverfahren und Dienstentlassungsverfahren in den einschlägigen Verfahrensvorschriften nicht angelegt ist. Vielmehr hat das Kriegsdienstverweigerungsgesetz in allen seinen bisherigen Fassungen die Entscheidung über Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer Stellen außerhalb der Wehrverwaltung bzw. ihrer Weisungsbefugnis überantwortet. Zudem hat bei einer Kriegsdienstverweigerung von Berufs- oder Zeitsoldaten das von diesen Stellen durchzuführende Anerkennungsverfahren nach der Vorstellung des Gesetzgebers einem Dienstentlassungsverfahren voranzugehen. Dies ergibt sich aus den bereits genannten Vorschriften der § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG, die die Entlassung aus dem Dienst als Rechtsfolge einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ausgestalten.

27

Diese im Sinne des Gesetzes liegende Zuständigkeitsverteilung und Entscheidungsabfolge ist durch die bisherige Rechtsprechung des Senats zur Kriegsdienstverweigerung, derzufolge zunächst die Wehrverwaltung über einen Antrag von freiwillig dienenden Sanitätssoldaten auf Dienstentlassung wegen besonderer Härte zu entscheiden hat, bevor diese gegebenenfalls ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer betreiben können, praktisch abgeändert bzw. umgekehrt worden. Hierdurch wird in jedem Fall die Beschleunigungsmaxime, der das Anerkennungsverfahren unterliegt, in vermeidbarer Weise eingeschränkt. Es kann darüber hinaus zu einer nicht hinnehmbaren Komplizierung der Verfahrensabläufe kommen. Denn es ist einerseits grundsätzlich möglich, dass ein Betroffener im Hinblick auf einen beabsichtigten Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Dienst entlassen, später jedoch nicht anerkannt wird. Dann stellt sich die Frage einer Aufhebung der Entlassungsverfügung nach §§ 48, 49 VwVfG. Andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Sanitätssoldat, der tatsächlich eine Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG getroffen hat, in dem für die Feststellung dieser Entscheidung nicht geschaffenen Dienstentlassungsverfahren scheitert und mit ihr dann über eine lange Zeit kein Gehör mehr findet.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Artikels 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Kriegsdienstverweigerin oder Kriegsdienstverweigerer anerkannt.

(2) Wehrpflichtige, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden sind, haben im Spannungs- oder Verteidigungsfall statt des Wehrdienstes Zivildienst außerhalb der Bundeswehr als Ersatzdienst nach Artikel 12a Absatz 2 des Grundgesetzes zu leisten.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Artikels 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Kriegsdienstverweigerin oder Kriegsdienstverweigerer anerkannt.

(2) Wehrpflichtige, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden sind, haben im Spannungs- oder Verteidigungsfall statt des Wehrdienstes Zivildienst außerhalb der Bundeswehr als Ersatzdienst nach Artikel 12a Absatz 2 des Grundgesetzes zu leisten.

Die Antragstellerin ist als Kriegsdienstverweigerin und der Antragsteller ist als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn

1.
der Antrag vollständig ist (§ 2 Abs. 2),
2.
die dargelegten Beweggründe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen geeignet sind und
3.
das tatsächliche Gesamtvorbringen und die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Antragstellerin oder des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nach § 6 nicht mehr bestehen.

(1) Das Bundesamt lehnt den Antrag ab, wenn

1.
er nicht vollständig ist (§ 2 Abs. 2) und die Antragstellerin oder der Antragsteller ihn nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Aufforderung durch das Bundesamt vervollständigt hat,
2.
die in ihm dargelegten Beweggründe ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung auch nach schriftlicher und gegebenenfalls mündlicher Anhörung der Antragstellerin oder des Antragstellers nicht zu begründen vermögen oder
3.
Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Antragstellerin oder des Antragstellers trotz der schriftlichen Anhörung oder einer mündlichen Anhörung nicht ausgeräumt wurden.

(2) Folgt die Antragstellerin oder der Antragsteller einer Ladung zur mündlichen Anhörung nicht, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 14. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Klägerin ist Stabsärztin und Soldatin auf Zeit. Ihren Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin lehnte das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben mit Bescheid vom 25. Juli 2012 ab. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhobene Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision.

II

2

Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (2.) - jeweils in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 KDVG und § 135 Satz 3 VwGO - gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3

1. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz liegt nur vor, wenn das Ausgangsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Dies ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO in der Beschwerdebegründung darzulegen. Den Darlegungen der Klägerin lassen sich die Merkmale einer solchen Abweichung nicht entnehmen.

4

a) Die Klägerin meint (unter 1. a) der Beschwerdebegründung), das Verwaltungsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt (die Klägerin verweist auf UA S. 11), es reiche für eine gerichtliche Bestätigung der Ablehnung der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus, wenn nicht wahrscheinlich sei, dass eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen worden sei. Demgegenüber habe das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 25. Mai 1984 - BVerwG 6 B 40.84 - (Buchholz 448.6 § 14 KDVG Nr. 1 S. 7) nur, was die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer anbelange, auf den Maßstab der Wahrscheinlichkeit abgestellt und zwar dergestalt, dass ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Gewissensentscheidung sprechen müsse. Für eine ablehnende Entscheidung reiche nach den Maßgaben des Bundesverwaltungsgerichts eine Wahrscheinlichkeit im Sinne des von dem Verwaltungsgericht zu Grunde gelegten Verständnisses dagegen nicht aus.

5

Mit diesem Vortrag missversteht die Klägerin sowohl das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts als auch den angeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts. Tatsächlich besteht die gerügte Divergenz nicht.

6

Sowohl der von der Klägerin zitierte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Mai 1984 (a.a.O.) als auch das angefochtene Urteil (UA S. 12) nehmen wegen der Anforderungen an den Nachweis einer Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 1972 - BVerwG 8 C 46.72 - (BVerwGE 41, 53 <58>) Bezug. In diesem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, ein voller Beweis dafür, dass der Kriegsdienst aus durch Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Gewissensgründen verweigert werde, lasse sich häufig nicht führen. Deshalb müsse im verwaltungsgerichtlichen Verfahren insoweit ein auf Grund aller in Betracht kommenden Umstände ermittelter hoher Grad von Wahrscheinlichkeit genügen. Könne sich jedoch das Gericht auch bei wohlwollender Beurteilung des Sachverhalts im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nicht dazu entschließen, das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der erforderlichen Gewissensentscheidung abschließend zu bejahen, gehe dies nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts zu Lasten des seine Anerkennung begehrenden Kriegsdienstverweigerers.

7

Der Maßstab des dergestalt umschriebenen hohen Grades von Wahrscheinlichkeit einer Gewissensentscheidung stimmt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit demjenigen der Überzeugung, dass eine solche Entscheidung hinreichend sicher angenommen werden kann, überein (Beschluss vom 25. Mai 1984 a.a.O., Urteil vom 24. Oktober 1984 - BVerwG 6 C 49.84 - BVerwGE 70, 216 <220 f.> = Buchholz 448.6 § 14 KDVG Nr. 4 S. 17). Ist dieser letztgenannte Maßstab nicht erfüllt, bestehen wiederum Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers im Sinne des § 5 Nr. 3 KDVG (BTDrucks 15/908 S. 10).

8

Hiernach gibt es die von der Klägerin behaupteten unterschiedlichen Maßstäbe für die Anerkennung bzw. die Ablehnung eines Rechts zur Kriegsdienstverweigerung in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Die Entscheidung richtet sich vielmehr insgesamt danach, ob eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst - jedenfalls - mit hoher Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichend sicher bejaht werden kann oder nicht. Nach ebendiesen Vorgaben und nicht nach dem von der Klägerin unterstellten reduzierten Aufklärungsmaßstab hat das Verwaltungsgericht, wie sich aus dem weiteren Zusammenhang der von der Klägerin in Bezug genommenen Ausführungen des angefochtenen Urteils (UA S. 11 bis 13) ergibt, das Anerkennungsbegehren der Klägerin beurteilt.

9

b) Die Klägerin wirft dem Verwaltungsgericht ferner vor (unter 2. a) der Beschwerdebegründung, auf UA S. 17 verweisend), es habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Rechtssatz aufgestellt, demzufolge der Umstand, dass sich ein Kriegsdienstverweigerer wegen der zu erwartenden, auf § 56 Abs. 4 SG gestützten Forderung des Dienstherrn auf Erstattung von Ausbildungskosten von der Geltendmachung einer Gewissensentscheidung auch nur vorübergehend abhalten lasse, gegen das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung spreche. Das Bundesverwaltungsgericht sei im Gegensatz hierzu in dem Urteil vom 30. März 2006 - BVerwG 2 C 18.05 - (Buchholz 449 § 56 SG Nr. 3 Rn. 16) davon ausgegangen, dass eine Gewissensentscheidung getroffen worden sein könne und der Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gleichwohl aus Gründen der zu erwartenden finanziellen Belastung gar nicht oder erst später gestellt werde.

10

Auch die derart begründete Abweichung besteht bei zutreffendem Verständnis der in Rede stehenden Entscheidungen nicht.

11

Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem von der Klägerin benannten Urteil vom 30. März 2006 (a.a.O. Rn. 13 ff.) dargelegt, dass die in § 56 Abs. 4 SG statuierte Erstattungspflicht mit Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar sei, wenn und soweit sie nicht ein Druckmittel darstelle, das die betroffenen Soldaten von der Grundrechtsausübung abhalte, sondern als Instrument des wirtschaftlichen Vorteilsausgleichs eingesetzt werde. Dies sei über eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG sicherzustellen, die den Dienstherrn ermächtige, auf die Erstattung ganz oder teilweise zu verzichten, wenn diese für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeute. Die Erstattungsverpflichtung, der sich ein wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entlassener Soldat gegenübersehe, sei als besondere Härte im Sinne der Vorschrift zu werten. Denn der Betroffene befinde sich in einer Zwanglage, der er sich nicht entziehen könne, weil er zwar der Erstattungsverpflichtung dadurch entgehen könnte, dass er den für die Anerkennung seiner Gewissensentscheidung erforderlichen Antrag nicht stelle und so im Wehrdienstverhältnis verbleibe, damit aber seinem Gewissen zuwider handeln müsste. Die grundrechtliche Gewährleistung des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG fordere deshalb, dass der Dienstherr sich im Rahmen des von ihm nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG auszuübenden Ermessens für eine Reduzierung der Erstattungsforderung auf denjenigen Betrag entscheide, den der als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Soldat dadurch erspart habe, dass der Dienstherr ihm den Erwerb von Spezialkenntnissen und Fähigkeiten, die im weiteren Berufsleben von Nutzen seien, finanziert habe. Durch diese Abschöpfung nur des erst durch die Ausbildung erworbenen finanziellen Vorteils werde sichergestellt, dass die Erstattung nicht zu einer Maßnahme werde, die den Betroffenen von der Stellung eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abschrecke.

12

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass das Bundesverwaltungsgericht entgegen der Ansicht der Klägerin gerade nicht davon ausgegangen ist, dass ein Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer trotz getroffener Gewissensentscheidung wegen zu erwartender finanzieller Nachteile nicht oder mit zeitlicher Verzögerung gestellt wird. Die Gründe des in Rede stehenden Urteils zielen im Gegenteil darauf, eine durch das Zurückhalten eines Anerkennungsantrags verursachte Grundrechtsbeeinträchtigung dadurch auszuschließen, dass tatsächliche finanzielle Einbußen der betroffenen Soldaten vermieden werden.

13

Hinzu kommt, dass auch das Verwaltungsgericht sein angefochtenes Urteil nicht tragend auf einen Erfahrungssatz mit dem von der Klägerin bezeichneten Inhalt gestützt hat. Es hat vielmehr den Gesichtspunkt der Pflicht zur Erstattung von Ausbildungskosten nur als einen von mehreren Aspekten im Hinblick auf den langen Zeitraum von dem Eintritt der Klägerin in die Bundeswehr bis zu ihrem Entlassungsbegehren gewürdigt. Dabei stellt dieser Zeitraum seinerseits nur eines von mehreren von dem Verwaltungsgericht (UA S. 13 ff.) bezeichneten Indizien gegen den von der Klägerin geltend gemachten Wandlungsprozess zu einer Entscheidung gegen jegliches Töten im Krieg dar.

14

c) Erfolglos bleibt auch die dritte von der Klägerin erhobene Divergenzrüge. Mit ihrem Vortrag (unter 7. der Beschwerdebegründung), das Verwaltungsgericht habe die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellte Maxime einer wohlwollenden Beurteilung der Bekundungen eines Kriegsdienstverweigerers nicht beachtet, bezeichnet die Klägerin keine divergierenden Rechtssätze im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Sie rügt vielmehr einen ihrer Ansicht nach vorliegenden, für den Zulassungsgrund der Divergenz jedoch von vornherein irrelevanten Rechtsanwendungsfehler.

15

2. Die Revision ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Eine solche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Klägerin in der Begründung ihrer Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.

16

a) Die Klägerin hält (nach 1. b) der Beschwerdebegründung) die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

"(ob) es für die Ablehnung eines Antrages auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin aus(reicht), wenn festgestellt wird, dass das Vorliegen einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe nicht wahrscheinlich sei."

17

Dieser Frage kommt keine Grundsatzbedeutung zu, weil sie in einem Revisionsverfahren weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig ist.

18

Die Frage ist nicht klärungsfähig, weil sie sich, wie sich aus den obigen Ausführungen (unter 1. a) ergibt, dem Verwaltungsgericht nicht gestellt hat und dementsprechend nicht Grundlage der angefochtenen Entscheidung geworden ist (vgl. zu dieser Konstellation zuletzt: Beschluss vom 21. Mai 2014 - BVerwG 6 B 24.14 - juris Rn. 17). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es der Frage, weil die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Anforderungen an den Nachweis einer Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG in der oben bezeichneten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt sind.

19

b) Eine grundsätzliche Bedeutung misst die Klägerin (nach 2. b) der Beschwerdebegründung) ferner der Frage bei,

"(ob) die Inkaufnahme einer drohenden Rückzahlungsverpflichtung gem. § 56 Abs. 4 Satz 2 SG ein Indiz für das Vorliegen einer Gewissensentscheidung (ist)."

20

Die Klägerin knüpft hieran als ihrer Ansicht nach grundsätzlich bedeutsam die weiteren Fragen,

"(ob) die Bereitschaft, auf Ansprüche nach dem Soldatenversorgungsgesetz zu verzichten und Rückzahlungsverpflichtungen in erheblicher Höhe in Kauf zu nehmen, als 'tragendes Indiz' für das Vorliegen einer Gewissensentscheidung zu betrachten (ist)"

und

"(ob) die Tatsache, dass ein seine (Anerkennung als) Kriegsdienstverweigerer begehrender Soldat im Hinblick auf mit der Anerkennung verbundene finanzielle Einbußen und Rückzahlungsverpflichtungen seinen Kriegsdienstverweigerungsantrag hinauszögert, Zweifel an (der) Wahrheit (seiner Angaben) i.S.v. § 5 Nr. 3 KDVG (begründet)."

21

Auch diesen Fragen kommt mangels Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit in einem Revisionsverfahren eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

22

Ausweislich der obigen Ausführungen (unter 1. b) ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der Dienstherr auf § 56 Abs. 4 SG gestützte Ansprüche auf Erstattung von Ausbildungskosten derart auszugestalten hat, dass sich Beeinträchtigungen des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht ergeben. Aus den bisherigen Darlegungen ergibt sich ferner, dass sich die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen dem Verwaltungsgericht zum einen nicht gestellt haben und dieses zum anderen den Gesichtspunkt der Pflicht zur Erstattung von Ausbildungskosten nur als einen der zahlreichen für den zu beurteilenden Einzelfall relevanten Umstände in den Blick genommen hat, so dass es keinen Anknüpfungspunkt für eine fallübergreifende Klärung im Sinne der von der Klägerin aufgeworfenen Fragen gibt.

23

c) Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung sieht die Klägerin (unter 6. der Beschwerdebegründung) weiter darin,

"(ob) die vom Bundesverwaltungsgericht für die Kriegsdienstverweigerung von Reservisten, die den vollen Grundwehrdienst geleistet haben, entwickelten Kriterien auf die Fälle von weiblichen Zeitsoldaten anzuwenden (sind), die den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigern."

24

Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision. Sie bedarf nicht der revisionsgerichtlichen Klärung, weil sie anhand der Maßgaben, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zu den von der Frage berührten Sachverhaltskomplexen bereits entwickelt hat, ohne Weiteres mit dem Verwaltungsgericht (UA S. 12 f.) bejahend beantwortet werden kann.

25

So hat das Bundesverwaltungsgericht unter der uneingeschränkten Geltung der Wehrpflicht entschieden, dass die für den Nachweis einer Gewissensentscheidung eines Reservisten gegen den Kriegsdienst anerkannten Grundsätze in Bezug auf eine Umkehr hinsichtlich der gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst (zusammenfassend etwa: Urteil vom 2. März 1989 - BVerwG 6 C 10.87 - BVerwGE 81, 294 <295 f.> = Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 33 S. 57 f.) auch dann gelten, wenn der Grundwehrdienst in einer Sanitätseinheit geleistet wurde (Urteil vom 11. März 1981 - BVerwG 6 C 73.80 - Buchholz 448.0 § 25 WPflG Nr. 120 S. 4 f.). Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner geklärt, dass die genannten Grundsätze ebenfalls Anwendung finden, wenn ein Zeitsoldat, der längere Zeit freiwillig Wehrdienst mit der Waffe geleistet hat, einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellt (Beschluss vom 29. April 1991 - BVerwG 6 B 9.91 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 44 S. 77 f.). Nicht mehr zweifelhaft ist schließlich nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass im Hinblick auf die Behandlung des Begehrens von Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden, im Vergleich mit Anerkennungsanträgen von - vormals -anderen Wehrpflichtigen und von anderen Soldaten der Bundeswehr keine Besonderheiten bestehen (Urteil vom 22. Februar 2012 - BVerwG 6 C 11.11 -BVerwGE 142, 48 = Buchholz 448.6 § 2 KDVG Nr. 7 Rn. 31).

26

d) In einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig und daher ohne Grundsatzbedeutung sind schließlich alle übrigen von der Klägerin (unter 3. bis 5. der Beschwerdebegründung) bezeichneten Fragestellungen. Die Fragen, ob

"die Begründung eines Kriegsdienstverweigerungsantragstellers, blauäugig und naiv eine Verpflichtung als Zeitsoldat eingegangen zu sein, Glaubwürdigkeitszweifel i.S.d. § 5 Nr. 3 KDVG (begründet), wenn ansonsten gute Schulleistungen vorliegen und schwierige Lebensverhältnisse gemeistert wurden",

ob

"das Vorbringen einer KDV-Antragstellerin Zweifel i.S.d. § 5 Nr. 3 KDVG (begründet), wenn sie vorträgt, sich im Alter von 18 oder 19 Jahren noch nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit mit den Aufgaben der Bundeswehr befasst zu haben",

ob

"im Falle der Kriegsdienstverweigerung einer Zeitsoldatin ein Zeitraum von mehr als zehn Jahren zwischen Dienstantritt und Antragstellung maßgeblich gegen das Vorliegen einer geltend gemachten Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG (spricht)",

und ob

"der Umstand, dass eine Antragstellerin vorträgt, nach der Geburt ihres Kindes und der Schwangerschaft mit einem weiteren Kind und dessen Geburt für einen längeren Zeitraum so in Anspruch genommen gewesen zu sein, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, die Gründe für ihre Kriegsdienstverweigerung schriftlich niederzulegen, Zweifel an der Wahrheit ihrer Angaben (begründet)",

beziehen sich handgreiflich auf die konkreten Umstände des Einzelfalls und sind einer fallübergreifenden allgemeinen Klärung nicht zugänglich.

26

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die am ... 1986 geborene Klägerin hat sich als Soldatin auf Zeit für 17 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet und begehrt die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

Die Klägerin wurde zum 1. Juli 2006 als Sanitätsoffizier-Anwärterin in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit einberufen und den Teilstreitkräften Luftwaffe mit Studienrichtung Medizin zugeordnet. Ab 1. Oktober 2006 wurde sie zum Studium an einer Hochschule der Bundesrepublik Deutschland beurlaubt. Während des Studiums absolvierte sie in den Semesterferien verschiedene militärische Lehrgänge an der Sanitätsakademie der Bundeswehr, welche sie am 28. September 2007 mit der Note „gut und bestanden“ ablegte. Mit Wirkung zum 1. Juli 2009 wurde sie zum Leutnant und mit Wirkung zum 26. Oktober 2012 zum Stabsarzt (BesGr. A 13) ernannt. Laut Vermerk über ein Personalgespräch vom 1. Juni 2012 wurde einvernehmlich die Verwendungsplanung mit einer Verwendung im Fachgebiet Urologie erstellt. Demgemäß sollte die Klägerin nach dem Abschluss des Studiums an den Dienstort ihrer klinischen Erstverwendung versetzt und bis zur Einsteuerung in die „Postuniversitäre modulare Ausbildung von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr“ (PumA) an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in einer noch festzulegenden regionalen Sanitätseinrichtung eingesetzt werden. Nach Abschluss der PumA war für 24 weitere Monate eine in verschiedene Abschnitte gegliederte Weiterbildung bzw. Verwendung vorgesehen. Die Klägerin stimmte der Planung zu und zeichnete den Gesprächsvermerk am 20. Juni 2012 gegen.

Den ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung legte die Klägerin am 20. August 2008, den zweiten Abschnitt am 26. Oktober 2012 ab. Die Approbation zur Ärztin erhielt sie am 6. November 2012.

Am 7. August 2013 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen und begründete am 13. September 2013 dies im Wesentlichen wie folgt:

Den größten Teil ihr Dienstzeit habe sie in Freistellung zum Studium der Humanmedizin verbracht, so dass es nur selten Gelegenheiten gegeben habe, bei denen sie sich wirklich intensiv mit dem Thema Krieg und den Folgen beschäftigen habe müssen. Trotzdem habe sie immer wieder einzelne Ausschnitte und Situationen erlebt, die sich im letzten Jahr des Studiums so sehr verdichtet und zu einem äußerst bedrückenden Zustand verbunden hätten, dass sie bereits bei dem bloßen Gedanken an einen späteren Einsatz als Soldatin an der Waffe schweren seelischen Schaden erlitten habe.

Der Dienstantritt 2006 sei freiwillig erfolgt. Allerdings sei ihr inzwischen klar geworden, dass sie damals mit 19 Jahren nicht reif genug gewesen sei und auch nicht genug Erfahrungen besessen habe, um die Konsequenzen des Dienstes an der Waffe wirklich zu erfassen. Aufgrund diverser Erfahrungen sei sie weitergereift und denke nun über vieles anders als zu jener Zeit. Der Grundstein zu dieser Entscheidung sei schon in ihrer Erziehung, hauptsächlich durch die von der Mutter vermittelten religiösen Werte, gelegt worden. Ihre Erziehung sei geprägt gewesen von einem friedlichen und rücksichtsvollen Verhalten gegenüber anderen Menschen. Der Verzicht auf Gewalt zur Lösung von Konflikten sei oberstes Gebot gewesen. Ihr Vater, 38 Jahre im Dienst der Bundeswehr, stamme aus einer Familie, in der die Offizierslaufbahn Tradition gewesen sei. Er habe sie inspiriert, der Bundeswehr beizutreten. Aufgrund dieser Familiengeschichte sei sie praktisch mit der Bundeswehr aufgewachsen. Die Kameraden ihres Vaters habe sie als verantwortungsvolle und kultivierte Männer erlebt, bei denen Kameradschaft, sportliche Herausforderung und Verantwortung gegenüber Mitmenschen im Vordergrund gestanden hätten. Sie hingegen sei auf Kollegen mit latent rassistischer, zynischer und geradezu menschenverachtender Gesinnung gestoßen. Die Ausbildung an sich sei auch bei den Sanitätern hauptsächlich auf das Töten von Menschen ausgerichtet, da aufgrund der Einsatzbedingungen keine klare Grenze mehr zwischen Sanitätsdienst und kämpfender Truppe bestünde.

Ein Punkt, der die Gewissensentscheidung angestoßen habe, sei der Umgang ihres Vaters mit seinen Einsätzen im Kosovo und in Afghanistan. Über die Mission zur Aufdeckung ethnisch motivierter Gräueltaten, an der er beteiligt gewesen sei, spreche er mit niemandem aus der Familie. Er sei mit dem Leben in der Heimat nach seiner Pensionierung nicht wirklich zu Recht gekommen und habe als Zivilist eine Stelle bei der NATO in ... angetreten, wo er nun seit sieben Jahren arbeiten würde. Ein einschneidendes Erlebnis sei es gewesen, als sie eine CD mit einem Vortrag ihres Vaters über den KFOR-Einsatz gefunden habe. Darin hätten sich Fotos von dem Einsatz befunden; diese Erlebnisse müssten bei jedem Menschen eine nicht zu vermeidende Verrohung und Abstumpfung auslösen.

Das zweite Ereignis habe sie während ihrer Famulatur in der Anästhesie im Bundeswehrkrankenhaus 2009 erlebt. Sie habe einen im Einsatz durch friendly fire schwerst verwundeten Soldaten kennengelernt und erfahren, dass er vorher semiprofessioneller Triathlet gewesen, jetzt aber an Sport nicht mehr zu denken sei. Sie habe Wut angesichts ihrer Hilflosigkeit gefühlt. Ihr sei zum ersten Mal bewusst geworden, dass eine Waffe nicht nur töte, wenn sie gegen den Feind gerichtet werde. Es reiche vollkommen, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort sei. Dies habe sie bei ihrer Grundausbildung verdrängen können, da man immer gewusst hätte, dass sich im Gewehr nur Platzpatronen befänden bzw. man nur auf Pappscheiben geschossen habe.

Obwohl sie diese Erlebnisse schwer belastet hätten, habe sie keine Entscheidung treffen können, da seinerzeit die Verweigerung des Kriegsdienstes für Sanitätsoffiziere nicht möglich gewesen sei. Währenddessen hätten sich die Eindrücke über Krieg gehäuft, u. a. weil ihr Vater noch in Afghanistan gewesen sei bzw. ihre damalige Chefin jedes Jahr ins Ausland gegangen sei und davon berichtet habe. Der Konflikt sei schließlich so weit gegangen, dass sie ihre Lieblingssportart, eine asiatische Selbstverteidigung, aufgegeben habe.

Im letzten Studienjahr sei die Einplanung erfolgt. Zugleich habe die Vorbereitungsphase auf das Staatsexamen begonnen mit einer ihr vorher nie bekannten Stresssituation. Die Angst vor der Dienstzeit sei so groß gewesen, dass sie zeitweise nichts mehr habe essen können und wegen Alpträumen nie mehr als zwei bis drei Stunden geschlafen habe. Nach einem nur knapp überlebten Suizidversuch kurz nach dem Examen hätte sie sich dem Gewissenskonflikt gestellt. Während der PumA sei sie täglich mit dem Krieg konfrontiert worden und hätte erkannt, dass sie ihren Dienst nicht mehr fortsetzen könne, da sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren könne, einen Menschen durch Waffen zu verletzen oder zu töten. Im Ernstfall müsste sie durch Befehlsverweigerung ihre Kameraden gefährden. Ihr sei schmerzlich bewusst geworden, dass man mit der Waffe in der Hand nicht einmal eine Verletzungsabsicht haben müsse, denn Unfälle würden immer wieder vorkommen, auch in Friedensmissionen oder im Verteidigungskrieg. Als Ärztin sehe sie ihre Aufgabe in der Heilung von Menschen, weshalb sie später jeden Menschen unabhängig von äußeren Kriterien wie etwa Herkunft, Religion, etc. nach bestem Wissen und Gewissen behandeln werde.

Mit Schreiben vom 30. August 2013 gab Oberstabsarzt Dr. ... vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr eine ablehnende Stellungnahme zu dem Antrag der Klägerin ab. Unter Berücksichtigung der erfolgreich absolvierten militärischen Ausbildungsabschnitte und des Fehlens jeglicher Hinweise auf einen Gewissenskonflikt dränge sich der Verdacht auf, dass sich die Klägerin nach einer langjährigen und kostenintensiven Ausbildung ihrer Dienstpflicht zu entziehen versuche. Der Sanitätsdienst sei bezüglich seines Auftrags und Charakters ein waffenloser Dienst, der die Verwendung von Waffen im Sinne der Genfer Konvention nur zum Schutz des eigenen Lebens und des Lebens der anvertrauten Patienten zulasse. Die militärische Grundausbildung vom 1. Juli bis 30. September 2006 habe eine Schießausbildung mit Gefechtsmunition eingeschlossen, deren Wertungsprüfungen von der Klägerin vollumfänglich erfüllt worden seien. Sie habe während der Beurlaubung zum Studium verschiedene Schießübungen absolviert. Das Studium sei absolut planmäßig und ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Die militärischen Lehrgänge habe sie mit der Note „gut“ abgeschlossen (Offiziersprüfung 2007) und sei laut Beurteilungsvermerken zur Famulatur in den Einzelmerkmalen „Einsatzbereitschaft“ und „Zusammenarbeit/Teamfähigkeit“ mit „entspricht sehr deutlich den Anforderungen“ beurteilt worden. Schließlich habe sie wunschgemäß für den ersten klinischen Verwendungsabschnitt im Fachgebiet Urologie eingesetzt werden und an das Studium der Humanmedizin anrechenbare Weiterbildungsabschnitte erwerben können.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 ergänzte die Klägerin auf Anfrage der Beklagten die Begründung ihres Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (Bl. 32 - 37 der Behördenakten).

Mit Bescheid vom 26. November 2013 hat die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgelehnt, weil die Klägerin nicht zu überzeugen vermochte, dass sie in eine schwerwiegende Gewissensnot gerate, wenn sie in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsse. Bei einer Soldatin auf Zeit, die zunächst ohne erkennbaren Gewissenskonflikt über mehrere Jahre ihren Dienst geleistet habe, könne eine schwerwiegende Gewissensnot regelmäßig nur nach einem einschneidenden Schlüsselerlebnis oder einem längeren intensiven Wandlungsprozess angenommen werden. Wer sich freiwillig als Soldatin auf Zeit verpflichte, müsse sich auch der sich hieraus ergebenden Pflichten bewusst sein. Hierzu gehöre, im Gefahren- oder Bedrohungsfall gezielt auf Menschen zu schießen und diese ggf. zu töten. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ihr Vater 38 Jahre bei der Bundeswehr gedient habe, müsste ihr der Waffengebrauch bewusst gewesen sein. Ferner hätte sich die Klägerin als Sanitätskraft und nie als Teil der kämpfenden Truppe beworben. Seit der Einstellung hätten sich die Einsatz- und Verwendungsoptionen für Sanitätsoffiziere nicht grundlegend geändert. Schließlich bleibe offen, warum nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt der Weg aus der Bundeswehr gesucht, sondern der Antrag erst nach Abschluss des Studiums gestellt worden sei.

Hiergegen ließ die Klägerin am 30. Dezember 2013 Widerspruch einlegen und trug unter dem 11. Mai 2014 zur Begründung ergänzend vor, dass sie wegen der Belastung durch ihr Dienstverhältnis schwere gesundheitliche und psychische Schäden davongetragen habe. Hinzu komme ein Umstand, den sie bislang wegen Vertraulichkeit nicht habe anführen wollen. Nun habe aber aufgrund der ewigen Verzögerungen einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben einen solchen Schaden erlitten, dass sie eine Berücksichtigung des Umstands für unabdingbar halte. Ihr Verlobter leide seit seiner Adoleszenz an einer psychischen Erkrankung, wegen der er auch schon stationär behandelt habe werden müssen. Er habe zwar in den letzten zehn Jahren eine stabile Phase erreicht, allerdings hätte sich der Zustand Anfang des Jahres destabilisiert und er habe sich wegen eines Suizidversuchs in längerer stationärer Behandlung befunden. Ihre eigene Erfahrung mit dem Tod sei nicht halb so beängstigend gewesen, wie miterleben zu müssen, dass das Leben eines geliebten Menschen auf dem Spiel stehe. Von der Belastung durch den Umgang mit traumatisierten Soldaten brauche sie gar nicht zu reden. Die Geschichten und Lebensumstände dieser Menschen würden ihr jedes Mal das Herz brechen. Sie könne mit fester Entschlossenheit mitteilen, dass sie nicht aufgeben und jede zur Verfügung stehende Möglichkeit mit allen Konsequenzen durchführen werde, bis ihr das ihr zustehende Recht auf Verweigerung des Kriegsdiensts gewährt werden würde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe in der Begründung ihres Widerspruchs im Kern nichts Neues angeführt. Wenn die Klägerin ernstlich in einer Gewissensnot gewesen wäre, hätte sie schon früher reagieren können. Auch mit Blick auf die zeitliche Verzögerung bei der Widerspruchsbegründung hätten Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung nicht ausgeräumt werden können.

Hiergegen ließ die Klägerin am 4. Juni 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben. Für sie ist beantragt:

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 26. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2014 verpflichtet, die Klägerin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

2. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Klägerin führt zur Begründung aus, sie habe bei der Antragstellung ausführlich und überzeugend dargelegt, dass es sich bei dem Gewissenskonflikt um einen kontinuierlichen Prozess über eine längere Zeit gehandelt habe. Sie habe die den Wandlungsprozess auslösenden Schlüsselerlebnisse beschrieben und dargestellt. Dieser Wandlungsprozess stelle sich als glaubwürdig und nachvollziehbar dar. Die ergänzenden Fragen seien am 29. Oktober 2013 umfassend beantwortet worden. Die Ablehnungsbescheide seien lediglich formelhaft mit entsprechenden Textbausteinen begründet. Der wahre Grund der Ablehnung liege darin, dass im Jahr 2012 deutlich mehr Kriegsdienstverweigerungsanträge gestellt worden seien, was zu einer sehr viel strengeren und mit der Handhabung in den vorvergangenen Jahren nicht mehr vergleichbaren Entscheidungspraxis bei der Beklagten geführt habe.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2014 trat die Beklagte der Klage entgegen. Für sie ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

In beiden Bescheiden sei das klägerische Vorbringen wiedergegeben und einzelfallbezogen gewürdigt worden. Die Klägerin vermöge nicht zu überzeugen, dass sie in schwerwiegende Gewissensnot geriete, wenn sie in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsste. Ihre Gesinnungsumkehr aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses habe die Klägerin nicht glaubhaft machen können. Sie sei aufgrund eigener und freiwilliger Bewerbung am 1. Juli 2006 als Sanitätsoffiziersanwärterin bei der Bundeswehr eingestellt worden. Es müsse aufgrund des familiären Hintergrunds der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie im Vorfeld umfassend über die Aufgaben in der Bundeswehr informiert gewesen sei. Sie habe auch wissen müssen, was der Dienst bei der Bundeswehr neben „Kameradschaft“, „sportlicher Herausforderung“ und „Verantwortung gegenüber Menschen“ bedeuten würde. Darüber hinaus werde der Aufgabenbereich bereits in der Grundausbildung und anschließend in weiteren Informationsveranstaltungen vermittelt. Es überzeuge auch nicht, dass sich die Klägerin bei den Schießübungen auf Pappscheiben keine Gedanken gemacht haben wolle, da die Silhouette von Menschen darauf deutlich erkennbar sei. Soweit sich die Klägerin auf ein Ereignis während ihrer Famulatur im Bundeswehrkrankenhaus bzw. auf den Suizidversuch und den Eintritt eines endgültigen Gewissenskonflikts im Jahr 2012 berufe, hätte sie bereits damals einen Antrag stellen müssen. Schließlich sei die Klägerin noch am 26. Oktober 2012 zur Stabsärztin ernannt worden und habe sich somit auch rein äußerlich erkennbar mit der Bundeswehr und ihrem Beruf identifiziert. Soweit die Klägerin schwerwiegende gesundheitliche und psychische Beeinträchtigungen anführe, lasse dies nicht zwangsläufig auf einen Gewissensnotstand mit der Waffe schließen.

Am 18. Februar 2015 legte die Beklagte den „Leitfaden Grundsätze für Führung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr“ sowie das „Handbuch über die Einsatzgrundsätze der Sanitätsstaffel Einsatz, Stand Juli 20122 des Sanitätsamts der Bundeswehr vor, welche das Aufgabenspektrum des Sanitätspersonals festlegten. Danach halte der Sanitätsdienst der Bundeswehr sowohl konzeptionell als auch einsatztaktisch daran fest, dass Sanitätssoldaten ausschließlich gemäß den Bestimmungen des „Humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten“ eingesetzt würden. Ferner werde auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hinsichtlich des rechtlichen Status des Sanitätspersonals der Bundeswehr in Afghanistan vom 9. April 2010 verwiesen (BT-Drs. 17/1338).

Hierzu führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, dass die vorgelegten Richtlinien nicht mehr der Realität entsprächen, weil nach den Berichten von aus dem Einsatz zurückkehrenden Sanitätern und Ärzten diese an zwei von drei Tagen im Einsatz auf Fahrzeugen bewaffnet mitfahren und genauso eingesetzt werden würden, wie alle anderen Soldaten auch, d. h. sie müssten schießen, wenn sie angegriffen werden würden.

Am 19. März 2015 fand mündliche Verhandlung statt, bei der die Klägerin als Partei einvernommen wurde zu der Frage, welche Beweg- und Gewissensgründe für die von ihr begehrte Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin ausschlaggebend gewesen waren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behörden- und die Gerichtsakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 19. März 2015 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG) als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf ihren Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist, die dargelegten Beweggründe geeignet sind, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen, und das tatsächliche Gesamtvorbringen sowie die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nach § 6 KDVG nicht mehr bestehen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die von der Klägerin dargelegten Beweggründe sind nicht geeignet, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen. Auch hat sie bei ihrer Parteieinvernahme in der mündlichen Verhandlung die Zweifel an dem Vorliegen einer schwerwiegenden Gewissensnot wegen des Dienstes an der Waffe nicht zu entkräften vermocht. Das Gericht hält es nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände nicht für wahrscheinlich, dass die Klägerin eine verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat.

Für eine verbindliche Gewissensentscheidung müssen konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden (BVerwG, B.v. 6.2.1978 - VI B 36.77 - BVerwGE 55, 217). Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BVerfGE 12,45) jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 1. Februar 1989 (Az. 6 C 61.86 - BVerwGE 81, 239) klargestellt hat, ist Voraussetzung für die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht das „Zerbrechen der Persönlichkeit“ oder der Eintritt eines „schweren seelischen Schadens“. Es genügt vielmehr eine schwere Gewissensnot des Betroffenen, die im Einzelfall zu einem seelischen Schaden führen kann, aber nicht muss. Das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung lässt sich vielfach nicht in vollem Umfang beweisen. Es kann daher genügen, dass ein aufgrund aller in Betracht kommender Umstände ermittelter hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für eine solche Entscheidung spricht (BVerwG, U.v. 18.10.1972 - VIII C 46.72 - BVerwGE 41, 53).

Anders als bei Wehrpflichtigen, die vor oder bei Beginn des Wehrdienstes einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, ist bei Soldaten auf Zeit, die den Grundwehrdienst geleistet haben, ohne einen Konflikt mit dem Gewissen zu empfinden, für die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung allerdings der Nachweis einer „Umkehr“ der gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst mit der Waffe zu fordern. Die Umkehr kann nicht nur durch ein „Schlüsselerlebnis“ oder entsprechend schwerwiegende Umstände herbeigeführt werden, sondern kann auch das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses sein (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10.87 - BVerwGE 81, 294).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu Recht abgelehnt. Nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände, auch aufgrund des Eindrucks, den das Gericht bei der Befragung der Klägerin im Rahmen ihrer Einvernahme als Partei gewonnen hat, hält es das Gericht nicht für wahrscheinlich, dass bei der Klägerin im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt die behauptete verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorgelegen hat. Sie hat eine innere Umkehr nicht glaubhaft gemacht. Die von ihr ausgeführten Beweggründe für ihren Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer konnten die von der Beklagten angeführten Zweifel an einer inneren Umkehr im Sinne der Rechtsprechung nicht ausräumen.

Die Klägerin hat ihre innere Umkehr nicht mit einem „Schlüsselerlebnis“ begründet, sondern auf einen längeren Wandlungsprozess zurückgeführt. Insofern hat sie aber dem Gericht nicht die notwendige Überzeugungsgewissheit vermitteln können, dass sie aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses aus Gewissensgründen nicht mehr zum Dienst an der Waffe in der Lage sei. Die von ihr angeführten Beweggründe sind nicht geeignet, ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen.

Gegen das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe spricht zum einen der von der Klägerin gewählte Zeitpunkt zur Einreichung ihres Antrages auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nach Abschluss ihres Studiums. Die Klägerin konnte nicht überzeugend darlegen, weshalb sie gerade zum Zeitpunkt nach Erlangen der ärztlichen Approbation bzw. während der postuniversitären modularen Ausbildung von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr (PumA) und damit nach dem Ende ihres Medizinstudiums den inneren Wandlungsprozess mit dem Ergebnis einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe abgeschlossen hat. Insofern erscheint es vielmehr nicht unwahrscheinlich, dass sie im Hinblick auf ihre bevorstehende Versetzung in die Sanitätseinrichtungen der Bundeswehr andere Gründe zu ihrem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bewogen haben. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Klägerin nach ihrer freiwilligen Verpflichtung ihre mehrjährige Ausbildung absolvierte, ohne dass sie einen Konflikt mit ihrem Gewissen empfunden bzw. dies gegenüber Dritten bekundet hätte. Dies stellt ein starkes Indiz gegen die Annahme dar, sie habe nunmehr eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10.87 - BVerwGE 81, 294/295). Insofern fällt auf, dass die vorgetragene Entwicklung hin zu einer Gewissensentscheidung parallel zur beruflichen Ausbildungssituation verlief. Erst zu dem Zeitpunkt, als das Studium abgeschlossen war und sich somit Perspektiven für eine Berufsausübung außerhalb der Bundeswehr aufgetan haben, will die Klägerin zu einer endgültigen Gewissenentscheidung gelangt sein (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 38; U.v. 4.7.2013 - M 15 K 13.1234 - juris Rn. 62; VG Leipzig, U.v. 22.8.2013 - 3 K 733/11 - juris Rn. 24). Insofern ist es wenig überzeugend, dass die Klägerin zu keinem früheren Zeitpunkt, wo nach ihrem Bekunden ein gewisses Umdenken eingesetzt habe, ihre Gewissensprobleme zum Ausdruck gebracht hat. Selbst das Personalgespräch am 1. Juni 2012, bei dem die weitere Verwendungsplanung besprochen und einvernehmlich geregelt wurde, hat die Klägerin nicht zum Anlass genommen, ihre Gewissensnot zumindest anzudeuten. Schließlich ist die Klägerin noch am 26. Oktober 2012 zur Stabsärztin ernannt worden, womit sie auch nach außen hin zu erkennen gegeben hat, sich mit dem Dienst in der Bundeswehr zu identifizieren.

In diesem Zusammenhang sind auch die weiteren Erklärungen der Klägerin zu sehen. So gab sie an, sich mit der Zuspitzung des Afghanistankonflikts und der Fokussierung der Ausbildung auf Kampfeinsätze auch beim Sanitätspersonal nicht mehr habe vorstellen können, an einem solchen Einsatz teilzunehmen. Insofern erscheint es nicht fernliegend, dass die Klägerin im Hinblick auf die Versetzung in den Sanitätsdienst der Bundeswehr andere Gründe zu ihrem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bewogen haben. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin einen Kriegsdienst schlechthin ablehnt, da sie sich zunächst mit ihrer Verpflichtung als Soldatin auf Zeit im Sanitätsdienst zu einem Tun bereitgefunden hat, das auch ihre Teilnahme an militärischen Auseinandersetzungen bedeuten kann. Dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Bundeswehr nunmehr anders einordnet, nämlich auch als Waffen- und Soldatendienst verbunden mit einem etwaigen Auslandseinsatz und nicht (nur) in der Erfüllung eines Ausbildungsauftrags durch erfolgreiches Absolvieren eines Studiums, und dass sie sich insoweit in ihren Motiven, die sie zu dieser Berufswahl bewogen haben, getäuscht sieht, weil sie sich über die tatsächliche Tätigkeit einer Soldatin im Sanitätsdienst bei ihrer Bewerbung andere Vorstellungen gemacht hat, begründet selbst keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603).

Auch ist es für die Kammer insgesamt schwer nachvollziehbar, dass die Klägerin die Tätigkeit einer Sanitätsoffizierin, v.a. aber die damit einhergehenden möglichen Gefahren und Risiken etwa bei Auslandseinsätzen, erst aufgrund der Begegnung mit einem durch Beschuss eigener Kräfte schwer verwundeten Soldaten im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz richtig erfasst haben will. Hierzu gibt sie zwar an, ihr Vater, der selbst 38 Jahre im Dienst der Bundeswehr stand, habe sie inspiriert, der Bundeswehr beizutreten. Aufgrund der Familiengeschichte sei sie praktisch mit der Bundeswehr aufgewachsen, hätte diese aber in erster Linie mit Kameradschaft, sportlicher Herausforderung und anderen soldatischen Tugenden verbunden. Ihre Mutter hingegen scheint von Anfang an der Berufswahl reserviert gegenüber gestanden zu sein, da sie unter den häufigen Versetzungen und Abwesenheiten des Vaters gelitten habe. Es begegnet jedoch erheblichen Zweifeln, dass die Klägerin zutreffend davon ausgehen konnte und davon ausgegangen ist, der Dienst auch (nur) im Sanitätsbereich der Bundeswehr könnte sich dauerhaft auf eine Tätigkeit in dem oben geschilderten Umfeld beschränken. Diese Darstellung lässt die Tätigkeit eines Sanitätssoldaten in der Bundeswehr in einem Licht erscheinen, die der einer zivilen Verwendung nahe kommen würde. Dies widerspricht sowohl der offensichtlichen Aufgabe der Bundeswehr als Verteidigungsarmee als auch im speziellen der Aufgabe und Pflicht eines Soldaten im Sanitätsdienst, der, obwohl er entsprechend den einschlägigen Einsatzgrundsätzen trotz seiner allgemein-militärischen Fähigkeiten nicht für Sicherungsaufgaben und zur Durchsetzung von Kampfaufträgen eingesetzt und eingeplant werden darf, da er entsprechend den Vorgaben des Humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten nicht den Rechtsstatus eines Kombattanten hat, der zum Schutz der ihm anvertrauten Verwundeten und Kranken sowie zum eigenen Schutz Waffengewalt einsetzen darf bzw. muss. Nach den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen sprechen rechtliche Gründe nicht dagegen, Sanitätspersonal zeitweilig auch für andere Aufgaben, beispielsweise zur Übernahme von Sicherungsaufgaben in gemeinsamen Feldlagern, einzusetzen (Leitfaden - Grundsätze für Führung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr v. 31.7.2006, Kap. 3, Ziff. 301).

Überdies klammert die Vorstellung der Klägerin über den Dienst bei der Bundeswehr die sich schon lange vor 2006 verändernde Art der Auslandseinsätze, etwa 1999 durch die Teilnahme der Bundeswehr an Luftangriffen unter NATO-Führung im ehemaligen Jugoslawien oder an Kampfeinsätzen im Afghanistankonflikt, aus (vgl. VG Leipzig, U.v. 22.8.2013 - 3 K 733/11 - juris Rn. 36; VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.123 - juris Rn. 36; U.v. 4.7.2013 - M 15 K 13.1234 - juris Rn. 49). Bereits damals wurde in den Medien kritisch über die zunehmende Zahl ziviler Opfer verursacht durch Kampfeinsätze der Koalitionstruppen berichtet (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 36), etwa über den bislang schwerwiegendsten Einsatz mit der größten Anzahl ziviler Opfer durch die IASF in Folge einer Bombardierung durch US-Flugzeuge im September 2009, die von deutschen Soldaten angefordert worden waren. Die Rechtmäßigkeit dieses Einsatzes war und ist in der ISAF und in Deutschland umstritten (Quelle: wikipedia, Krieg in Afghanistan seit 2001).

Die Argumentation der Klägerin, im Hinblick auf die Besonderheiten des nichtinternationalen bewaffneten Konflikts in Afghanistan habe bezüglich der einsatztaktischen und -technischen Verfahrensweisen eine Anpassung dergestalt stattgefunden, dass Sanitätspersonal vermehrt zum Eigenschutz etwa bei den als Sanitätsfahrzeugen verwendeten Transportpanzern eingesetzt werde (vgl. Antwort der Bundesregierung vom 9.4.2010 zur Kleinen Anfrage u. a. der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 17/1338) und damit hinsichtlich seiner Verwendung - de facto - im Vergleich zur kämpfenden Truppe kaum mehr ein Unterschied ausgemacht werden könne, verfängt ebenfalls nicht. Denn eine am Charakter bestimmter Auslandseinsätze anknüpfende und insofern situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung erfüllt nicht die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG. Denn nicht geschützt ist eine Gewissensentscheidung lediglich gegen die Teilnahme an bestimmten Einsätzen und Kriegen oder unter bestimmten Bedingungen (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603). Entsprechendes gilt, wenn die Klägerin sich in dem menschlichen Umfeld in der Bundeswehr getäuscht sieht, weil sie - anders als bei den Kameraden ihres Vaters - Kollegen mit latent rassistischer, zynischer oder geradezu menschenverachtender Gesinnung angetroffen habe.

Die Erläuterungen der Klägerin, sie sei möglicherweise noch nicht reif genug gewesen, um die vollen Konsequenzen dieses Berufes abzuschätzen, überzeugen angesichts ihrer Ausbildung (Abitur mit Gesamtnote 1,4), ihrer Hobbys (Sportschützin von 1999 bis 2003), insbesondere aber im Hinblick auf ihren familiären Hintergrund, auch in der Sache nicht.

Schließlich erscheint es dem Gericht wenig glaubhaft und sogar widersprüchlich, dass sich die Klägerin in ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag wiederholt auf ihre gewaltfreie Erziehung berief. Es überzeugt bereits nicht, dass die Klägerin sieben Jahre nach ihrer Verpflichtung als Soldatin auf Zeit ihre von einem friedlichen und rücksichtsvollen Verhalten gegenüber anderen Menschen geprägte Erziehung als Grund für einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung angibt. Es kann auch bereits von einem neunzehnjährigen Menschen erwartet werden, dass sich dieser, bevor er sich als Soldat auf Zeit für 17 Jahre verpflichtet, mit den Aufgaben der Bundeswehr auseinandersetzt. Bereits im Jahre 2006, also zum Zeitpunkt der Verpflichtung als Soldatin auf Zeit, hatte die Klägerin die Möglichkeit, sich zu überlegen, inwieweit ihre gewaltfreie Erziehung mit den Zielen und den Aufgaben der Bundeswehr, und hier speziell im Bereich des Sanitätsdienstes, übereinstimmt (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 40). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Schilderung ihrer Schlüsse, die sie aus den Erzählungen von Auslandserfahrungen ihrer Vorgesetzten bzw. aus dem Verarbeitungsprozess ihres Vaters bezüglich seiner Auslandseinsätze gezogen haben will. Es ist für die Kammer schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin das Geschehen erst nach über sieben Jahren Dienst bei der Bundeswehr und nach Ende ihres Studiums in seinen wahren Ausmaßen erfasst haben will.

Soweit die Klägerin dies v.a. damit erklärt, dass sie während ihres Studiums mit der Bundeswehr wenig zu tun gehabt und aufgrund des Leistungsdrucks bei der Vorbereitung auf die Examina den Konflikt verdrängt habe, legen es ihre Ausführungen nahe, dass sie sich nach dem Ende ihres Studiums und mit Beginn der PumA erstmals nach ihrer Grundausbildung (wieder) mit der Realität des eigentlichen Einsatzes im Sanitätsdienst konfrontiert sah, nachdem sich nach ihren eigenem Bekunden die äußeren Bedingungen während ihrer Studienzeit von denen im „zivilen Leben“, abgesehen von den verschiedenen militärischen Lehrgängen und Übungen in den Semesterferien, kaum unterschieden hätten. Nachdem aber - wie oben ausgeführt - der Umstand, dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Bundeswehr nunmehr anders einordnet, nämlich auch als (Sanitäts-)Dienst in der Truppe und nicht nur in Erfüllung ihres Ausbildungsauftrags, selbst keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe begründet (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603), vermag dies keinen Anspruch auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu rechtfertigen.

Auch die von der Klägerin angeführte eigene gesundheitliche Belastung wie auch die psychische Erkrankung ihres Lebensgefährten sind nicht imstande, das Vorliegen einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst an der Waffe im Sinne der Rechtsprechung zu begründen. Abgesehen davon, dass diese allein auf den klägerischen Angaben beruhen und durch kein ärztliches Attest o.ä. belegt sind, können diese als Reaktion auf einmalige oder fortbestehende belastende Ereignisse vielfältige auslösende Faktoren haben. Die Ursache für die von der Klägerin geschilderten Symptome kann also nicht nur auf einer Belastung des Gewissens mit einem eventuellen Einsatz der Schusswaffe gegen Menschen beruhen, sondern ebenso gut auf Prüfungsangst, der Angst vor einem möglichen Auslandseinsatz, oder auch der Erkenntnis zuzuschreiben sein, in der Bundeswehr keine berufliche Zukunft (mehr) zu sehen. Insofern gibt die Klägerin selbst an, sich in der Vorbereitungsphase auf das Staatsexamen in einer ihr vorher nie bekannten Stresssituation befunden zu haben, was andere, weitere Ursachen für die psychische Belastung oder Erkrankung zumindest nahe legt. In diesem Kontext sind auch die weiteren Ausführungen der Klägerin einzuordnen, wonach sie das Gefühl gehabt habe, an dem Beruf zu zerbrechen, wenn sie in der Bundeswehr verbleibe. Das gesamte soldatische Umfeld habe sie belastet, insbesondere aber auch die Erwartungshaltung ihrer Ausbilder, wonach Ärzte im Einsatz vor allem gute Soldaten sein sollen.

Schließlich vermag auch der Gesamteindruck, den das Gericht von der Klägerin unter Berücksichtigung ihres Vortrags in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, die Zweifel an deren Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe nicht zu entkräften. Vielmehr legen die Ausführungen der Klägerin es nahe, dass sie mit der Wiedereingliederung in den Soldatendienst im Rahmen der PumA nach Abschluss ihres Studiums der Humanmedizin an einer zivilen Universität mit der Realität des eigentlichen Einsatzes im Sanitätsdienst konfrontiert wurde und erkannt hat, dass die Ausübung ihres Berufes in der Bundeswehr auch bzw. insbesondere wegen des „gesamten soldatischen Umfelds“ für sie nicht (mehr) in Frage kommt. Dieser Eindruck wird bestärkt dadurch, dass die Klägerin angibt, aus der Bundeswehr ausscheiden zu wollen, selbst wenn ihr ein Dienst ohne Waffe zugesichert werden würde. All dies lässt erkennen, dass die Klägerin angesichts der nunmehr erfolgten Versetzung in den Sanitätsdienst der Truppe, des für sie nicht tragbaren „soldatischen Umfelds“ und der Aussicht, unter diesen Rahmenbedingungen nunmehr über Jahre hinweg ihren Dienst verrichten zu müssen, „um jeden Preis“ ihren Dienst bei der Bundeswehr beenden will. Dies begründet aber keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen (§ 135 VwGO i. V. m. § 34 Satz 1 Wehrpflichtgesetz).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

2

Der 1986 geborene Kläger, Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr, trat am 1. April 2011 als Feldwebelanwärter (Luftwaffe) in die Bundeswehr ein und verpflichtete sich für 13 Jahre. Ziel war die Ausbildung zum Informations- und Kommunikationstechnik- und Netzwerkadministratorfeldwebel. Vom 5. April bis 30. Mai 2011 absolvierte er den Grundlehrgang zum Unteroffizier und vom 30. August 2011 bis zum 5. Januar 2012 den Feldwebellehrgang. Im Rahmen der zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung wurde der Kläger vom 3. Mai 2012 bis 31. Januar 2014 zum IT-Systemelektroniker ausgebildet. Am 1. Juni 2014 wurde er zum Feldwebel befördert. Am 21. August 2014 beendete er seine Fachausbildung zum IT InfoÜtr Bw (IT Informationsübertragung Bundeswehr). Die Verpflichtungszeit des Klägers wurde am 26. August 2014 schlussendlich auf 13 Jahre festgesetzt (Blatt 21 Anerkennungsakte).

3

Bereits im Februar und März 2014 stellte der Kläger erfolglos Versetzungsanträge mit dem Ziel einer heimatnäheren Stationierung.

4

Am 23. September 2014 stellte der Kläger einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung beim ... der Bundeswehr ... und legte seine Gewissensgründe dar. In der Begründung seines Antrags führte er aus, dass er sich seit mehreren Monaten viel mit dem Thema Krieg und Waffen auseinander gesetzt habe. Aufgrund dieser Auseinandersetzung könne er den weiteren Dienst an der Waffe mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren.

5

Erläuternd führte er aus, dass er bei seinen Eltern eine gewaltfreie Erziehung genossen habe. Es sei immer eine gewaltfreie Lösung von Konflikten im Rahmen von Gesprächen gefunden worden. Er würde in einem persönlichen Konflikt mit sich selbst stehen, müsse er wider sein Gewissen Gewalt in Form von Waffengewalt gegenüber Menschen ausüben. Von dieser Lebenseinstellung könne er niemals abrücken, da seine moralischen Werte mit dem Dienst an der Waffe in Konflikt zueinander stünden.

6

Als auslösendes Ereignis führte er an, dass die Erfahrungen seines Großvaters, der kürzlich verstorben sei, im Zweiten Weltkrieg ihn zum Umdenken bewegt hätten. Sein Großvater sei kurz von dem Ende des Krieges als 13-jähriger „von der SS in die Wehrmacht“ eingezogen worden. Diese Erlebnisse seien so schlimm gewesen, dass der Großvater erst wenige Monate vor seinem Tod angefangen habe, darüber zu sprechen. Durch diese Schilderungen sei ihm erst bewusst geworden, welche Folgen Krieg, das Führen einer Waffe und das damit verbundene Leid beinhalten würden. Von diesen Erfahrungen habe sein Großvater auch schwere psychische Schäden davongetragen. Der Großvater habe ihm auch immer davon abgeraten, sich bei der Bundeswehr zu verpflichten, jedoch ohne ihm von seinen Erlebnissen zu berichten. Nach dessen Tod im Mai 2015 habe er sich an seine ausführlichen Worte erinnert und gemerkt, dass er jegliche Art von Krieg und Waffenanwendung verachte.

7

Er habe sich, als er bei einem Schießtraining im März 2014 auf mehrere annähernd menschlich wirkende Pappziele habe schießen müssen, an die Worte des Großvaters erinnern müssen, wie schlimm es für ihn gewesen sei, auf Menschen zu schießen und welche Folgen das für ihn gehabt habe. Er – der Kläger - habe beim Schießen große Angst empfunden, da er sich vorgestellt habe, mit welchen Folgen er insbesondere im psychischen Bereich zu kämpfen habe, wenn er auf Menschen zielen und schießen müsste. Dieses von ihm verursachte Leid könne er nie mit seinem Gewissen und seinen moralischen Vorstellungen vereinbaren. Dieses Gefühl sei bei einem Lehrgang im August 2014 erneut bestätigt worden. Dabei sei mittels eines Schießsimulators geübt worden. Er habe die Geräusche der Waffen und die Kommandos der schießenden Soldaten nicht mehr ertragen können. Viele Soldaten würden zudem mit massiven psychischen Schäden nach Auslandseinsätzen zu kämpfen haben. Daran würden Familien zerbrechen, was für ihn das Schlimmste wäre.

8

Zudem würde seine Aufgabe als Soldat gegen die Menschenwürde und damit gegen das Grundgesetz verstoßen. Des Weiteren beruft er sich auf seinen katholischen Glauben. Die katholische Religion verbiete das Verletzen und Töten von Menschen. Da ihm die religiöse Erziehung äußerst wichtig sei, könne der weitere Dienst an der Waffe sein Selbstwertgefühl enorm schädigen. Er würde im krassen Konflikt zu dem stehen, was ihm durch die katholische Kirche und insbesondere durch seine Eltern beigebracht worden sei.

9

Auch könne er sich nicht vorstellen, gegen die Länder Krieg zu führen, die er privat schon einmal bereist habe. Es sei für ihn unvorstellbar, jene Menschen zu schädigen, die ihn zuvor in ihrem Land freundlich aufgenommen hätten.

10

Er stelle den Antrag erst jetzt, da ihm vorher nicht klar gewesen sei, dass jeder Soldat in der Lage sein müsse, auf andere Menschen zu schießen. Er habe die Vorstellung gehabt, dass seine Tätigkeit bei der Bundeswehr nur den IT-Bereich umfassen würde. Zudem habe er aufgrund seiner Situation im Zeitpunkt der Verpflichtung naiv gehandelt und sei sich des völligen Ausmaßes seines Handelns nicht bewusst gewesen. Er habe sein Studium vorzeitig aufgegeben und die Arbeitslosigkeit verhindern wollen. Er sei in die Bundeswehr eingetreten, um Menschen zu helfen. Dabei sei ihm nicht bewusst gewesen, dass Menschen durch ihn Leid erfahren würden, damit er anderen Menschen helfe. Er habe sich damals den Dienst bei der Bundeswehr so vorgestellt, dass insbesondere Kameradschaft, Sport und die Arbeit mit IT-Geräten im Vordergrund stehen würden. Ihm sei erst im Laufe der Zeit bewusst geworden, dass es bei der Bundeswehr letztendlich nur um das Töten gehe.

11

Durch diese hervorgerufenen Gewissenskonflikte habe er Albträume und finde keine Ruhe mehr.

12

Mit Schreiben vom 19. Februar 2015 forderte die Beklagten den Kläger auf, sich ergänzend zu äußern, was dieser mit Schreiben vom 5. März 2015 in Bezug auf die einzelnen gestellten Fragen tat. Auslöser für seinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer sei gewesen, als er sich ein weiteres Mal nach dem Tod des Großvaters an dessen Worte erinnert habe. Die Schilderungen über seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg in der Wehrmacht seien so schlimm gewesen, dass er sich dafür entschieden habe, solche Erfahrungen und Erlebnisse nie selber durchleben zu müssen. Sein Großvater sei unter Zwang dem Elternhaus entrissen worden. „Unter der Ausbildung von SS-Soldaten“ sei der „Großvater in mehreren FLAK-Stellungen eingesetzt worden“. Hier habe er hautnah die Grausamkeiten erlebt. Ältere Erwachsene hätten versucht, zu fliehen. Um weitere Fluchtversuche zu unterbinden, sei demonstrativ vor allen herangezogenen Zivilisten ein Erschießungskommando durchgeführt worden. Ein ähnlicher Fluchtversuch sei ebenfalls entsprechend geahndet worden, jedoch mit dem Unterschied, dass kein Soldat den Flüchtling erschoss, sondern ein Kind. Beim nächsten Fluchtversuch wäre sein Großvater derjenige gewesen, der einen Menschen hätte erschießen müssen. Dazu sei es zum Glück nicht gekommen. Diese Erlebnisse seien für den Großvater so intensiv gewesen, dass er es nie zulassen würde, dass ein Teil seiner Familie sich einer Armee anschließen würde. Von diesen traumatischen und grausamen Erlebnissen habe er niemandem berichten wollen. Vor seinem Eintritt in die Bundeswehr habe der Großvater ihn immer davor gewarnt, mit den seelischen Konsequenzen leben zu müssen, die bei kriegerischen Aktivitäten entstünden. Diese Warnung habe er naiver Weise ignoriert.

13

Den vorgehaltenen Widerspruch, dass ihn die gewaltfreie Erziehung nicht davon abgehalten habe, sich 13 Jahre bei der Bundeswehr zu verpflichten, erklärt er dahingehend, dass er damals gedacht habe, dass der Dienst an der Waffe nicht im Vordergrund stünde, sondern Aspekte wie Sport, Kameradschaft und vor allen Dingen die Arbeit mit IT-Geräten. In der Bundeswehrzeit habe er durch andere Kameraden erfahren, um was es sich bei einer EAKK-Ausbildung (Einsatzvorbereitende Ausbildung im Rahmen von Konfliktverhütung und Krisenbewältigung) handele. Er habe bisher immer die Vorstellung gehabt, dass andere Truppenteile wie z.B. Jäger sich damit befassten. Dies sei eine große Fehleinschätzung gewesen.

14

Er habe nicht bereits früher einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt, obwohl er seit vier Jahren Soldat sei, da er durch die Ausbildungszeit bei der Bundeswehr nie einen Eindruck habe gewinnen können, was im täglichen Dienstgeschehen vorgehe. Erst nachdem er eine längere Zeit in der Stammeinheit verbracht habe, hätte er einen Eindruck darüber gewinnen können, dass der Waffendienst im Vordergrund stünde und sein eigentliches Interesse, die IT, nur zweitrangig sei.

15

Er habe nicht bereits im Mai 2014, als der Großvater verstarb, einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt, da er lange Zeit gebraucht habe, den schlimmen Schicksalsschlag zu verarbeiten. Er habe erst nach dieser Zeit klare Gedanken fassen und intensiver über die Erzählungen nachdenken können. Er habe seine Entscheidung genau überdenken wollen. Er könne den Dienst an der Waffe bei der Bundeswehr nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren, und wolle ähnlich negative Erlebnisse wie die des Großvaters vermeiden.

16

Mit Bescheid vom 2. April 2015 wurde der Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass nach § 7 Abs. 1 Kriegsdienstverweigerungsgesetz ein Antrag abgelehnt würde, wenn Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers nicht ausgeräumt werden könnten. Im Falle des Klägers bestünden Zweifel an der Wahrheit seiner Angaben, weil er seit April 2011 der Bundeswehr mit einer Verpflichtungszeit von 13 Jahren angehöre und erst am 1. September 2014 einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt habe.

17

Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung gemäß Art. 4 Abs. 3 GG bestehe, wenn der Betroffene aufgrund einer für ihn zwingenden Gewissensentscheidung nur unter schwerer seelischer Not im Stande sei, an einem Krieg mit der Waffe teilzunehmen. Die Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe setze deshalb voraus, dass jemand das Töten von Menschen nicht aus moralischen oder ethischen Gründen missbillige, sondern es grundsätzlich ohne Einschränkung als wirklich verwerflich empfinde. Dabei sei es erforderlich, dass der Betroffene seine Gewissensentscheidung plausibel mache. Ein bloß verbales Bekenntnis zur Kriegsdienstverweigerung genüge nicht.

18

Bei einem Soldat auf Zeit, der zunächst ohne erkennbaren Gewissenskonflikt seinen Dienst geleistet habe, könne eine solche ernsthafte Gewissensentscheidung regelmäßig nur nach einem einschneidenden Schlüsselerlebnis oder einem längeren intensiven Wandlungsprozess angenommen werden. Diese Gesinnungsumkehr habe der Kläger weder in seiner Begründung noch in seiner Stellungnahme glaubhaft machen können. Es überzeuge bereits nicht, dass er in seiner schriftlichen Begründung ca. dreieinhalb Jahre nach der Verpflichtung als Soldat auf Zeit seine gewaltfreie Erziehung als Grund für seinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer angebe. Es könne von einem 25-jährigen Menschen erwartet werden, dass sich dieser, bevor er sich als Soldat auf Zeit für 13 Jahre verpflichte, mit den Aufgaben der Bundeswehr auseinandersetze. Bereits im Jahr 2011 hätte er die Möglichkeit gehabt, sich zu überlegen, inwieweit seine gewaltfreie Erziehung mit den Zielen und Aufgaben der Bundeswehr übereinstimme. Zudem werde nicht klar, warum der Tod des Großvaters ursächlich für seinen oben angeführten Gewissenskonflikt sei, zumal er noch über fünf Monate hin gewartet habe, bis er seinen Antrag gestellt habe. Gegen eine Gewissensentscheidung spreche auch die Tatsache, dass er noch im Juni 2014, nach dem Tod des Großvaters und nach den Erlebnissen beim Schießen, die Beförderung zum Feldwebel angenommen habe.

19

Die Möglichkeit, an einem bewaffneten Konflikt teilnehmen zu müssen, sei für ihn nun realer geworden, als zur Zeit der Verpflichtung. Diese Tatsache alleine begründe keinen Gewissenskonflikt. Seine anfänglich naive Vorstellung des Soldatenberufs könne nicht angeführt werden, um einen Gewissenskonflikt zu begründen.

20

Der Kläger legte am 27. April 2014 Widerspruch ein. Diesem fügte er eine weitere Begründung sowie eine Stellungnahme des evangelischen Militärpfarrers A... des Militärpfarramts B... vom 15. April 2015 bei. Erläuternd führte der Kläger aus, die Bundeswehr damals als Zufluchtsort gesehen zu haben, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Insbesondere habe die Bundeswehr eine sehr umfangreiche gute Ausbildung angeboten, verbunden mit der Möglichkeit Geld zu verdienen. Im Übrigen vertiefte er seinen bisherigen Vortrag.

21

Das lange Zuwarten erläuterte er dahingehend, dass er lange und sehr gründlich über die Erzählungen des Großvaters nachgedacht habe. Dieser Prozess sei über die Beförderung zum Feldwebel hinausgegangen, da er sich beim Tod des Großvaters auf einem Lehrgang befunden habe. Er habe nicht ohne eine feste Entscheidung bezüglich seiner weiteren Karriere bei der Bundeswehr die Beförderung zum Feldwebel ablehnen wollen. Das Schießen mit dem Simulator habe jedoch seine Entscheidungsfindung bestärkt. Auf dem Lehrgang „ITF-InfoUtr Bw“ von Juli bis August habe er überhaupt erstmals erlebt, inwiefern die Arbeit mit IT-Geräten jeglicher Art bei der Bundeswehr ihren Beitrag zu kriegerischen Handlungen leiste. Diese Informationen zu den einzelnen IT-Systemen habe er vor dem Lehrgang nie erhalten, da es sich bei dem Lehrgang auch um als geheim eingestufte Informationen gehandelt habe. Seine vorherige Ausbildung habe nur zivile Informationen beinhaltet, so dass er keinen Eindruck bekommen habe, wie die IT-Systeme der Bundeswehr im Krieg eingesetzt würden. Somit werde auch die IT innerhalb der Bundeswehr genutzt um kriegerischere Akte und Gewalttaten durchsetzen zu können, und genau dies widerspreche der Erziehung seiner Eltern. Das Wissen um die Nutzung der IT-Systeme habe einen maßgeblichen Einfluss darauf gehabt, den Kriegsdienstverweigerungsantrag zu stellen. Zu Zeiten seiner Verpflichtung im Jahr 2011 hätte er nicht das Wissen gehabt, welches er jetzt habe.

22

Des Weiteren leide er, beginnend ab dem Tod seines Großvaters, zunehmend an Albträumen. Er erlebe immer Situationen in Gedanken, in denen er vor der Entscheidung stehe, Menschen zu töten. Er finde keinen ruhigen Schlaf mehr. Jeder weitere Tag im Dienst der Bundeswehr sei für ihn unerträglich, da durch diese Zugehörigkeit zum Militär immer wieder diese von ihm beschriebenen Albträume vorkämen. Das von ihm beschriebene seelische Leid spiegele seine momentane psychologische Verfassung wieder. Diese Situation vorher zu erläutern, habe er als zu persönlich empfunden und sie dementsprechend in den vorherigen Schriftstücken nicht erwähnt.

23

Der evangelische Militärpfarrer gab in seiner Stellungnahme an, dass er den Eindruck habe, dass der Kläger umsichtig und gründlich der Frage nachgegangen sei, was sein Gewissen von ihm fordere. Auf ihn habe der Kläger absolut glaubhaft mit seiner Begründung gewirkt. Er bitte daher, dem Antrag stattzugeben.

24

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 28. Mai 2015 zurück. Sie führte aus, dass das Vorbringen, der Arbeitslosigkeit entgehen zu wollen, nicht glaubhaft sei. Die Stellungnahme des Seelsorgers beruhe im Wesentlichen auf den Ausführungen des Klägers, ohne das Bestehen einer zwingenden Gewissensnot zu bestätigen.

25

Der Kläger hat am 3. Juni 2015 beim Verwaltungsgericht Hannover Klage erhoben. Dieses hat mit Beschluss vom 1. September 2015 den Rechtsstreit wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Verwaltungsgericht Trier verwiesen.

26

Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass die Beklagte den Antrag mit Textbausteinen, ohne konkret sein Vorbringen in Bezug zu nehmen, abgelehnt habe. Die angeführte Begründung der Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe ausführlich in seiner Begründung für den Antrag dargelegt, dass es sich bei dem Gewissenskonflikt um einen schleichenden Prozess über eine längere Zeit gehandelt habe. Er stelle in seiner Begründung dar, dass sein Gewissenskonflikt kontinuierlich über die Jahre gewachsen sei. Das Schlüsselerlebnis sei eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Sammlung von Erfahrungen, was zusammen als Schlüsselerlebnis gewertet werden könne. Dies sei sowohl in der ersten wie auch in der zweiten Begründung dargelegt worden.

27

Der wahre Grund der Ablehnung liege darin, dass seit den Jahren 2012 und 2013 deutlich mehr Kriegsdienstverweigerungsanträge gestellt worden seien als in den Jahren zuvor.

28

Im Rahmen seiner Parteivernehmung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die wesentlichen Gründe seiner behaupteten Gewissensentscheidung wiederholt und vertieft.

29

Er beantragt,

30

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2015 zu verpflichten, ihn als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

31

Die Beklagte beantragt,

32

die Klage abzuweisen.

33

Sie bezieht sich zunächst auf die Ausführungen in den Bescheiden. Der Kläger befinde sich seit dreieinhalb Jahren als überzeugter Soldat ohne einen auch nur im Ansatz erkennbaren Gewissenskonflikt im Dienst der Bundeswehr. Er habe sämtliche militärischen Lehrgänge und die damit verbundenen Schießausbildungen erfolgreich abgeschlossen. Er habe vom 30. August 2011 bis zum 5. Januar 2012 problemlos den Feldwebellehrgang der Luftwaffe absolviert. In dem diesbezüglichen Lehrgangszeugnis werde ihm ausdrücklich bescheinigt, dass bei ihm in der Funktion als militärischer Vorgesetzter die Bereitschaft bestehe, Verantwortung zu übernehmen sowie die Einsatzfreunde deutlich erkennbar sei.

34

Bereits der Zeitpunkt der Antragstellung, erst nach Absolvierung der zivilberuflichen Ausbildung zum IT-Systemelektroniker und dem Erwerb weiterer fachlicher Qualifikationen im Dienst der Bundeswehr, stelle ein wesentliches Indiz dafür dar, dass der Kläger nicht aus einer inneren Gewissensumkehr heraus die Bundeswehr verlassen möchte. Auffällig sei insoweit auch, dass der Kläger im Jahr 2014 zwei Versetzungsanträge mit dem Ziel, heimatnah eingesetzt zu werden, gestellt habe, welche abschlägig beschieden worden seien.

35

Eine Gewissensumkehr sei aber auch den Ausführungen des Klägers nicht schlüssig zu entnehmen. Die Darlegungen betreffend seinen Großvater seien vor dem Hintergrund, dass er mit seinen Großeltern in einem Haus gelebt und ein sehr inniges Verhältnis zu ihnen gehabt habe, schon nicht nachvollziehbar. Wenig überzeugend sei, dass dem Kläger erst zum Zeitpunkt der Erzählungen des Großvaters und in diesem Zusammenhang klar geworden sein solle, welche Folgen ein Krieg herbeiführen könne und wozu eine Waffe diene. Insbesondere sei es wenig schlüssig, wenn der Kläger gleichzeitig vortrage, sein Großvater habe ihm stets abgeraten zur Bundeswehr zu gehen, jedoch nicht gesagt habe, warum er diese Haltung habe. Es erscheine schlichtweg lebensfremd, dass der Kläger vor dem Hintergrund seiner Verpflichtung bei der Bundeswehr den Großvater nicht nach der Ursache seiner Einstellung gefragt haben wolle. Zudem würden die Ausführungen an der Oberfläche bleiben. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, dass der Kläger im März 2014 aufgrund der Äußerung des Großvaters bei Schießübungen Angst empfunden haben wolle, da er sämtliche militärischen Ausbildungen zuvor problemlos gemeistert habe. Etwaige Probleme ergäben sich nicht aus den Ausbildungszeugnissen.

36

Wenig nachvollziehbar sei auch die Darlegung, er habe erst im Jahr 2014 die Kenntnis erlangt, dass ein Soldat nicht nur im unmittelbaren Truppendienst einen „Beitrag zum Töten“ leiste. Es stelle sich die Frage, welche Vorstellung vom Soldatenberuf der Kläger gehabt habe. Soweit der Kläger ausführe, er habe die Vorstellung gehabt, nur in der IT-Abteilung tätig zu sein, so sei ein solcher Irrtum, dessen Vorliegen schon aufgrund des militärischen Werdegangs bezweifelt werde, jedenfalls nicht durch Art. 4 Abs. 3 S. 1 GG geschützt, denn eine Entscheidung in der gebotenen Tiefe, Ernsthaftigkeit und absoluten Verbindlichkeit sei nicht zu erkennen. Dass sich der Kläger in seinen Motiven, die ihn zu seiner Berufswahl bewogen hätten, möglicherweise getäuscht sehe, begründe überdies keine Gewissensentscheidung gegen das Töten im Krieg.

37

Eine Gewissensumkehr des Klägers im Sinne eines tiefen unumstößlichen Erkenntnisprozesses sei auch vor dem Hintergrund nicht gegeben, dass der Kläger sich nicht wirklich geistig mit dem auch verfassungsmäßig legitimierten Verteidigungsauftrag der Bundeswehr einerseits und seiner gewissensmäßigen Einstellung andererseits auseinandergesetzt habe.

38

Auch überzeuge nicht, wenn der Kläger für seinen Gesinnungswandel nach dreieinhalbjähriger Zugehörigkeit zur Bundeswehr seine katholische Erziehung bemühe. Es fehle schon an einer vertieften Auseinandersetzung mit den christlich moralischen Geboten und dem Auftrag der Bundeswehr. Dieser diene als Verteidigungsauftrag der Friedenssicherung damit auch dem Lebensschutz. Selbstverständlich könnten daher gerade auch Soldaten aus einer christlichen Wertorientierung heraus Dienst in der Bundeswehr leisten.

39

Auch die Stellungnahme des evangelischen Militärpfarrers führe zu keinem anderen Ergebnis. Ob eine tief unabdingbare Gewissensnot vorliege, entziehe sich dem zeugenschaftlichen Beweis.

40

Das Gericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben zu der Frage, ob der Kläger eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat, durch Vernehmung des Klägers als Partei.

41

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

42

Das Gericht kann gemäß § 102 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO - trotz des Ausbleibens des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen des Fernbleibens von der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden ist.

43

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die Bescheide der Beklagten vom 2. April 2015 und 28. Mai 2015 nicht in seinen Rechten verletzt Ihm steht kein Anspruch auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

44

Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz – GG - darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz – KDVG) als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf ihren Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist, die dargelegten Beweggründe geeignet sind, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen, und das tatsächliche Gesamtvorbringen sowie die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nach § 6 KDVG nicht mehr bestehen.

45

Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Entscheidung vom 20. Dezember 1960 – 1 BvL 21/60 –, BVerfGE 12, 45-61, juris) jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 1. Februar 1989 (Az. 6 C 61.86 – BVerwGE 81, 239) klargestellt hat, ist Voraussetzung für die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht das „Zerbrechen der Persönlichkeit“ oder der Eintritt eines „schweren seelischen Schadens“. Es genügt vielmehr eine schwere Gewissensnot des Betroffenen, die im Einzelfall zu einem seelischen Schaden führen kann, aber nicht muss. Das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung lässt sich vielfach nicht in vollem Umfang beweisen. Es kann daher genügen, dass ein auf Grund aller in Betracht kommender Umstände ermittelter hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für eine solche Entscheidung spricht (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1972 – VIII C 46.72 –, BVerwGE 41, 53-58; BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2014 – 6 B 17.14 -, juris). Um das Vorliegen einer verbindlichen Gewissensentscheidung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit annehmen zu können, müssen konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden (BVerwG, Beschluss vom 06. Februar 1978 – VI B 36.77 –, BVerwGE 55, 217-220, juris).

46

Anders als bei Wehrpflichtigen, die vor oder bei Beginn des Wehrdienstes einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, ist bei Soldaten auf Zeit, die den Grundwehrdienst geleistet haben, ohne einen Konflikt mit dem Gewissen zu empfinden, für die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung allerdings der Nachweis einer „Umkehr“ der gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst mit der Waffe zu fordern. Die Umkehr kann nicht nur durch ein „Schlüsselerlebnis“ oder entsprechend schwerwiegende Umstände herbeigeführt werden, sondern kann auch das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 02. März 1989 – 6 C 10/87 –, BVerwGE 81, 294-298).

47

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu Recht abgelehnt. Die vom Kläger dargelegten Beweggründe sind nicht geeignet, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen. Das Gericht hält es nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände und dem persönlichen Eindruck des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht für wahrscheinlich, dass bei dem Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt, die behauptete verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorgelegen hat. Er hat eine innere Umkehr nicht glaubhaft gemacht.

48

Der Kläger hat seine Umkehr im Wesentlichen mit einem „Schlüsselerlebnis“, den Erzählungen seines Großvaters kurz vor dessen Tod, begründet sowie dem daraus resultierenden inneren Wandlungsprozess in seiner Einstellung zum Dienst an der Waffe. Diesbezüglich hat er jedoch das Gericht nicht davon überzeugen können, dass er aufgrund dieses Schlüsselereignisses, bestätigt unter anderem durch anschließende Schießtrainings, aus Gewissensgründen nicht mehr zum Dienst an der Waffe in der Lage ist (1.). Auch der Gesamteindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung unterstreicht die bestehenden Zweifel an der Gewissensentscheidung (2.). Des Weiteren bieten das Vorbringen, sich über den tatsächlichen Einsatzbereich als IT-Systemelektroniker getäuscht zu haben (3.), als auch die weiteren angeführten Gründen für den Kriegsdienstweigerungsantrag, keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Gewissensentscheidung (4.).

49

1. Zunächst hält das Gericht das vorgetragene Schlüsselerlebnis in Form der Erzählung des Großvaters als solches für nicht nachvollziehbar. Die Beklagte geht berechtigterweise von Zweifeln an der Wahrhaftigkeit der Angaben aus, die der Kläger auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht zu entkräften vermochte. Es erscheint nicht nachvollziehbar und lebensfremd, dass der Großvater des Klägers, der mit ihm in einem Haushalt lebte und für ihn nach eigenen Angaben eine wichtige Rolle in seinem Leben spielte, zum einen versucht haben soll den Kläger davon abzuhalten, der Bundeswehr beizutreten - nach eigenen Worten des Klägers hätte es sein Großvater nie zugelassen, dass ein Teil seiner Familie sich einer Armee anschließen würde (Bl. 26 der Gerichtsakte)-, jedoch gegenüber seinem Enkel seine Beweggründe nicht offengelegt und damit dabei zugesehen haben soll, wie der Kläger sich auf 13 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtete. Diesen auch in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Zweifel erklärte der Kläger lediglich dahingehend, dass sein Großvater ihn mit Standardäußerungen von der Verpflichtung habe abhalten wollen. Warum sein Großvater dann im Februar 2014 sein Schweigen gebrochen habe, könne er nicht sagen. Die dargelegten Zweifel an dem Vorliegen des beschriebenen Schlüsselerlebnisses konnten damit nicht ausgeräumt werden.

50

Verstärkt werden diese Zweifel weiter dadurch, dass der Kläger, angesprochen auf das Schlüsselereignis und der Bitte des Gerichts, dies näher zu beschreiben und zu erläutern, sich darauf berief, dies nicht tun zu können, da er seinem Großvater Verschwiegenheit versprochen habe. Diese Einlassung im Rahmen der mündlichen Verhandlung steht jedoch in einem unauflösbaren Widerspruch dazu, dass er mit Schreiben vom 5. März 2015 auf Nachfrage der Beklagten erklärte, was dem Großvater konkret im Rahmen 2. Weltkriegs widerfahren sein soll. Würde das geschilderte Schlüsselerlebnis für ihn tatsächlich der maßgebliche Auslöser für eine Gewissensentscheidung sein, so würde er sich nicht in einer solch widersprüchlichen Weise auf seine Verschwiegenheit berufen, sondern versuchen, überzeugend darzulegen und auch im Rahmen seiner Parteivernehmung zu erläutern, warum gerade die geschilderten Erlebnisse des Großvaters für ihn eine so belastende Wirkung entfaltet haben. Der Kläger ist jedoch im Rahmen einer Parteieinvernahme in keiner Weise auf die konkreten Erzählungen des Großvaters eingegangen. Seine Berichte blieben vielmehr oberflächlich, detailarm und emotionslos. Auch ließ der Vortrag des Klägers bezüglich der Ereignisse im 2. Weltkrieg, wenn diese für ihn ein solches Schlüsselerlebnis dargestellt hätten, die nötige Detailschärfe vermissen. Der Kläger gibt wörtlich an, dass der Großvater “als 13-jähriger von der SS in die Wehrmacht eingezogen“ worden sei. Diese Äußerung, die das Kerngeschehen der Schilderung des Großvaters darstellt, ergibt inhaltlich wenig Sinn, da SS und Wehrmacht zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige Truppenteile darstellten und der Großvater dies sicherlich näher ausgeführt und differenziert hätte, der Kläger aber offenbar nur eine rudimentäre Erinnerung aufbringt.

51

Auch ist nicht erkennbar, dass der Kläger sich ernsthaft mit den Aufgaben der Bundeswehr auseinandergesetzt hat und dabei die Rolle der Bundeswehr von denen der Wehrmacht im Rahmen des 2. Weltkriegs abgegrenzt hat. Warum gerade die Erfahrungen des Großvaters im 2. Weltkrieg ihn zu der Gewissensentscheidung bewogen haben, keinen Dienst an der Waffe bei der Bundeswehr mehr leisten zu können, insbesondere es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren zu können auf Menschen zu schießen, erschließt sich allein aus den Erfahrungen des Großvaters im Rahmen des 2. Weltkrieges nicht. Insbesondere erläutert der Kläger nicht, inwieweit seine ursprüngliche Entscheidung, der Bundeswehr beizutreten und seine damaligen Beweggründe nunmehr durch die Erfahrungen des Großvaters “aufgehoben“ wurden.

52

Auch ist es für die Kammer insgesamt schwer nachvollziehbar, dass der Kläger die Tätigkeit eines Soldaten und vor allem die damit einhergehenden möglichen Gefahren und Risiken bei Auslandseinsätzen, wie auch die psychische Belastung durch den Dienst an der Waffe, erst nach den Erzählungen seines Großvaters im Februar 2014 richtig erfasst haben will. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass der Kläger die Grundausbildung durchlaufen hat, die Bundeswehr sich seit dem Jahre 2001 z.B. im Afghanistaneinsatz (ISAF Einsatz) befindet, der in der medialen Berichterstattung ausführlich dargestellt wurde und wird, und auch auf der Homepage der Bundeswehr ausführlich über die Tätigkeit als Soldat informiert wird, unglaubhaft.

53

2. Insbesondere vermag auch der Gesamteindruck, den das Gericht vom Kläger unter Berücksichtigung seines Vortrages in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, die Zweifel an der Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe nicht zu entkräften. Vielmehr legen Art und Weise der Ausführungen des Klägers nahe, dass er, nachdem er nunmehr mit der Realität des eigentlichen Einsatzes konfrontiert wurde und erkannt hat, dass er eine zivilberufliche Laufbahn bevorzugt, die angeführten Ereignisse bzw. Erlebnisse vorschiebt, um eine Gewissensentscheidung vorzuspiegeln. Gegenüber dem Gericht gab der Kläger, angesprochen auf das Schlüsselereignis und die daraufhin bei ihm ausgelösten Emotionen bzw. die von ihm geschilderte Gewissensentscheidung, Standardantworten und zeigt - wie bereits oben ausgeführt – keinerlei Emotionen. Vor allem ist er im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht bereit gewesen, zur Unterstreichung und Bekräftigung seines Vorbringens das Schlüsselerlebnis eingehend zu schildern. Darüber hinaus beantwortete er die Frage des Klägerbevollmächtigten, ob er an Schlaflosigkeit und Albträumen leide, lediglich dahingehend, dass er unter diesen nur leide, wenn er in der Kaserne nächtige. Auf Nachfrage erst schildert er, dass er davon träume, eine Waffe zu tragen und auf Menschen zu schießen. Weitere Ausführungen, wie sich die Träume konkret darstellen und was diese Träume bei ihm auslösen, schilderte er von sich aus nicht. Auf Nachfrage gab er lediglich - ohne weitere Regung zu zeigen - an Angst zu verspüren.

54

Dieser mehr indifferente Ausdruck wird auch dadurch bestärkt, dass der Kläger nach eigenen Angaben nach Stellung des Kriegsdienstverweigerungsantrags einen erneuten Versetzungsantrag gestellt hat, nachdem die ersten beiden bereits negativ beschieden wurden, um „zweigleisig“ zu fahren. Diese Vorgehensweise lässt jedoch erkennen, dass für ihn das Ausscheiden aus der Bundeswehr nicht der einzig gangbare Weg darstellt, d.h. er nicht „um jeden Preis“ seinen Dienst bei der Bundeswehr beenden möchte, sondern dass er sich alternativ die Möglichkeit offenhalten möchte, heimatnäher eingesetzt zu werden. Eine solche „zweigleisige“ Vorgehensweise würde kaum jemand wählen, der ernsthaft eine unbedingte Gewissensentscheidung gegen den Dienst mit der Waffe getroffen hat.

55

Abgerundet wird dieses Bild auch durch den von dem Kläger gewählten Zeitpunkt zur Einreichung seines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nach Abschluss seiner Ausbildung Anfang des Jahres 2014. Aufgrund der sehr wortkargen Einlassung des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte dieser nicht hinreichend darlegen– er begründet die Wahl des Zeitpunktes allein mit den Erzählungen des Großvaters und der erforderlichen Bedenkzeit – warum er erst nach Abschluss seiner Ausbildung und Ablehnung zweier Versetzungsanträge die Entscheidung traf, aufgrund einer Gewissensentscheidung den Kriegsdienst mit der Waffe abzulehnen. Für diese Einschätzung spricht auch der Umstand, dass der Kläger kurz vor Stellung seines Kriegsdienstweigerungsantrags sich noch auf eine Beförderung zum Feldwebel beworben und diese auch angenommen hat. Er wollte sich damit für den Fall, dass sein Kriegsdienstverweigerungsantrag keinen Erfolg hat, die bestehenden Karriereoptionen offenhalten. Insofern fällt auf, dass im Rahmen der beruflichen Ausbildung, obwohl diese im militärischen Rahmen verlief, und nicht in einem privaten Wirtschaftsbetrieb, ein Konflikt mit dem Gewissen beim Kläger nicht zu erkennen war. Erst mit Abschluss der Ausbildung und damit möglicher Perspektiven für eine Berufsausübung außerhalb der Bundeswehr ist es zu dieser Gewissensnot des Klägers gekommen.

56

3. Darüber hinaus ist für die Kammer schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass der Kläger den tatsächlichen Umfang seiner Tätigkeit und seinen Einsatzbereich bei der Bundeswehr erst nach über drei Jahren Dienst bei der Bundeswehr und nach Ende der Ausbildung in seinen wahren Ausmaßen erfasst haben will. Es erscheint mehr als zweifelhaft, dass der Kläger zutreffend davon ausgehen konnte und auch davon ausgegangen ist, dass seine Einsätze bei der Bundeswehr sich allein auf den zivilen Bereich beschränken würden. Dem steht schon alleine entgegen, dass die Bundeswehr streng zwischen einer zivilen und militärischen Laufbahn unterscheidet und der Kläger sich offenbar bewusst für die militärische Laufbahn entschieden hat. Insbesondere hält es die Kammer für nicht glaubhaft, dass der Kläger dachte, keinen Dienst an der Waffe leisten zu müssen, weil der Umgang mit der Waffe zu den originären Grundfertigkeiten eines jeden Soldaten gehört, und der Kläger auch eine entsprechende Grundausbildung durchlaufen musste. Soweit der Kläger dies damit begründet, dass er während seiner Ausbildung kaum bzw. keine Berührungspunkte mit dem Dienst an der Waffe gehabt habe und ihm das Wissen gefehlt habe, dass auch IT-Systemelektroniker bei der Bundeswehr zumindest mittelbar kriegerischen Einsätzen dienen, so legen diese Ausführungen nahe, dass er sich erst nach Abschluss seiner Ausbildung, jedoch nach Abschluss seiner Grundausbildung, mit der Realität möglicher Einsatzbereiche als IT-Systemelektroniker konfrontiert sah. Allein der Umstand, dass der Kläger eine Tätigkeit in der Bundeswehr nunmehr jedoch anders einordnet und sich nach eigenen Angaben über das Berufsbild getäuscht haben will, begründet jedoch selbst keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. November 1993 – 6 B 48.93 –).

57

4. Schließlich erscheint es dem Gericht wenig glaubhaft und sogar widersprüchlich, dass sich der Kläger in seinem Kriegsdienstverweigerungsantrag wiederholt auf seine gewaltfreie Erziehung berufen hat. Es überzeugt bereits nicht, dass der Kläger drei Jahre nach seiner Verpflichtung als Soldat auf Zeit seine von einem friedlichen und rücksichtsvollen Verhalten gegenüber anderen Menschen geprägte Erziehung als Grund für einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung angibt. Es kann auch bereits von einem Mitte 20-jährigen erwartet werden, dass sich dieser, bevor er sich als Soldat auf Zeit für 13 Jahre verpflichtet, mit den Aufgaben der Bundeswehr auseinandersetzt. Bereits im Jahre 2011, also zum Zeitpunkt der Verpflichtung als Soldat auf Zeit, hatte der Kläger die Möglichkeit, sich zu überlegen, inwieweit seine gewaltfreie Erziehung mit den Zielen und den Aufgaben der Bundeswehr übereinstimmt (vgl. VG München, Urteil vom 13. Juni 2013 – M 15 K 13.572 – juris, Rn. 40).

58

Auch das Anführen seiner religiösen Erziehung erscheint wenig glaubhaft, insbesondere vor dem Hintergrund, dass er als nach eigenen Angaben gläubiger Katholik eine Erklärung des evangelischen Militärpfarrers vorlegt, und angesprochen auf diesen Umstand im Rahmen der mündlichen Verhandlung lediglich angibt, er glaube, der katholische Militärpfarrer habe zum Zeitpunkt seines Besuchs einen anderweitigen Termin gehabt, so dass er auf den evangelischen Militärpfarrer habe ausweichen müssen. Diese Vorgehensweise lässt es wenig überzeugend erscheinen, dass für ihn der Glaubensaspekt so im Vordergrund steht, dass dieser einem Dienst an der Waffe entgegenstehen könnte. Wäre dies tatsächlich der Fall, hätte sich der Kläger eher ernsthaft um einen Termin bei „seinem Militärpfarrer“ bemüht und auch auf einen solchen zugewartet. Dieses Verhalten bestätigt erneut den vom Gericht gewonnenen Eindruck, dass seine Entscheidung die notwendige Ernsthaftigkeit vermissen lässt. Im Übrigen gelten bezüglich der nunmehr angeführten religiösen Erziehung die gleichen Erwägungen wie zum Vorbringen seiner gewaltfreien Erziehung.

59

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Schreiben des evangelischen Militärpfarrers. Bei dessen Einschätzung handelt es sich lediglich um den äußerlichen Eindruck einer 3. Person, die für die Würdigung des Gerichts nicht ausschlaggebend sein kann. Er kann lediglich über das äußere Verhalten des Klägers Auskunft geben. Ob eine tiefe unabdingbare Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorliegt, entzieht sich dem zeugenschaftlichen Beweis. Insbesondere vor dem Hintergrund der Gesamtwürdigung des klägerischen Vorbringens und dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung kommt dieser Erklärung daher nur eine untergeordnete Bedeutung zu (vgl. auch Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 12. August 2014 – 7 A 247/13 -, juris, Rn. 40).

60

Zudem lässt sich aus dem Umstand, dass der Kläger den evangelischen Militärseelsorger nur aufgrund der vorübergehenden Verhinderung des katholischen Seelsorgers aufgesucht hat, ableiten, dass die Einschätzung des Seelsorgers über die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung bestenfalls auf einem oberflächlichen Eindruck statt auf einer tiefgreifenden Vertrauensbeziehung, die einen Einblick in tiefer liegende Persönlichkeitsschichten gestattet hätte, beruht. Er hat vielmehr diesen „Termin“ noch als zusätzlichen Argumentationspunkt mitgenommen.

61

Ob die Beklagte darüber hinaus in der letzten Zeit gegenüber den vergangenen Jahren aufgrund vermehrter Anträge auf Kriegsdienstverweigerung ihre Verwaltungspraxis in Bezug auf die Anerkennung als solche geändert hat, ist für die hiesige Entscheidung unerheblich, da das Gericht durch eine Verwaltungspraxis nicht gebunden ist. Darüber hinaus wurde nicht substantiiert dargelegt, dass die Ablehnung des Klägers als Kriegsdienstverweigerer gegen das Willkürverbot bzw. gegen Art. 3 GG verstoßen würde. Entgegen den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten wurde der Kriegsdienstverweisungsantrag nicht mittels Textbausteinen abgelehnt, sondern die Beklagte hat eine konkrete Einzelprüfung vorgenommen und sich mit den konkreten Ausführungen des Klägers substantiiert auseinandergesetzt.

62

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

63

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZivilprozessordnungZPO.

64

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §§ 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen (§ 135 VwGO i.V.m. § 10 Abs. 2 KDVG).

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die am ... 1986 geborene Klägerin hat sich als Soldatin auf Zeit für 17 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet und begehrt die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

Die Klägerin wurde zum 1. Juli 2006 als Sanitätsoffizier-Anwärterin in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit einberufen und den Teilstreitkräften Luftwaffe mit Studienrichtung Medizin zugeordnet. Ab 1. Oktober 2006 wurde sie zum Studium an einer Hochschule der Bundesrepublik Deutschland beurlaubt. Während des Studiums absolvierte sie in den Semesterferien verschiedene militärische Lehrgänge an der Sanitätsakademie der Bundeswehr, welche sie am 28. September 2007 mit der Note „gut und bestanden“ ablegte. Mit Wirkung zum 1. Juli 2009 wurde sie zum Leutnant und mit Wirkung zum 26. Oktober 2012 zum Stabsarzt (BesGr. A 13) ernannt. Laut Vermerk über ein Personalgespräch vom 1. Juni 2012 wurde einvernehmlich die Verwendungsplanung mit einer Verwendung im Fachgebiet Urologie erstellt. Demgemäß sollte die Klägerin nach dem Abschluss des Studiums an den Dienstort ihrer klinischen Erstverwendung versetzt und bis zur Einsteuerung in die „Postuniversitäre modulare Ausbildung von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr“ (PumA) an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in einer noch festzulegenden regionalen Sanitätseinrichtung eingesetzt werden. Nach Abschluss der PumA war für 24 weitere Monate eine in verschiedene Abschnitte gegliederte Weiterbildung bzw. Verwendung vorgesehen. Die Klägerin stimmte der Planung zu und zeichnete den Gesprächsvermerk am 20. Juni 2012 gegen.

Den ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung legte die Klägerin am 20. August 2008, den zweiten Abschnitt am 26. Oktober 2012 ab. Die Approbation zur Ärztin erhielt sie am 6. November 2012.

Am 7. August 2013 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen und begründete am 13. September 2013 dies im Wesentlichen wie folgt:

Den größten Teil ihr Dienstzeit habe sie in Freistellung zum Studium der Humanmedizin verbracht, so dass es nur selten Gelegenheiten gegeben habe, bei denen sie sich wirklich intensiv mit dem Thema Krieg und den Folgen beschäftigen habe müssen. Trotzdem habe sie immer wieder einzelne Ausschnitte und Situationen erlebt, die sich im letzten Jahr des Studiums so sehr verdichtet und zu einem äußerst bedrückenden Zustand verbunden hätten, dass sie bereits bei dem bloßen Gedanken an einen späteren Einsatz als Soldatin an der Waffe schweren seelischen Schaden erlitten habe.

Der Dienstantritt 2006 sei freiwillig erfolgt. Allerdings sei ihr inzwischen klar geworden, dass sie damals mit 19 Jahren nicht reif genug gewesen sei und auch nicht genug Erfahrungen besessen habe, um die Konsequenzen des Dienstes an der Waffe wirklich zu erfassen. Aufgrund diverser Erfahrungen sei sie weitergereift und denke nun über vieles anders als zu jener Zeit. Der Grundstein zu dieser Entscheidung sei schon in ihrer Erziehung, hauptsächlich durch die von der Mutter vermittelten religiösen Werte, gelegt worden. Ihre Erziehung sei geprägt gewesen von einem friedlichen und rücksichtsvollen Verhalten gegenüber anderen Menschen. Der Verzicht auf Gewalt zur Lösung von Konflikten sei oberstes Gebot gewesen. Ihr Vater, 38 Jahre im Dienst der Bundeswehr, stamme aus einer Familie, in der die Offizierslaufbahn Tradition gewesen sei. Er habe sie inspiriert, der Bundeswehr beizutreten. Aufgrund dieser Familiengeschichte sei sie praktisch mit der Bundeswehr aufgewachsen. Die Kameraden ihres Vaters habe sie als verantwortungsvolle und kultivierte Männer erlebt, bei denen Kameradschaft, sportliche Herausforderung und Verantwortung gegenüber Mitmenschen im Vordergrund gestanden hätten. Sie hingegen sei auf Kollegen mit latent rassistischer, zynischer und geradezu menschenverachtender Gesinnung gestoßen. Die Ausbildung an sich sei auch bei den Sanitätern hauptsächlich auf das Töten von Menschen ausgerichtet, da aufgrund der Einsatzbedingungen keine klare Grenze mehr zwischen Sanitätsdienst und kämpfender Truppe bestünde.

Ein Punkt, der die Gewissensentscheidung angestoßen habe, sei der Umgang ihres Vaters mit seinen Einsätzen im Kosovo und in Afghanistan. Über die Mission zur Aufdeckung ethnisch motivierter Gräueltaten, an der er beteiligt gewesen sei, spreche er mit niemandem aus der Familie. Er sei mit dem Leben in der Heimat nach seiner Pensionierung nicht wirklich zu Recht gekommen und habe als Zivilist eine Stelle bei der NATO in ... angetreten, wo er nun seit sieben Jahren arbeiten würde. Ein einschneidendes Erlebnis sei es gewesen, als sie eine CD mit einem Vortrag ihres Vaters über den KFOR-Einsatz gefunden habe. Darin hätten sich Fotos von dem Einsatz befunden; diese Erlebnisse müssten bei jedem Menschen eine nicht zu vermeidende Verrohung und Abstumpfung auslösen.

Das zweite Ereignis habe sie während ihrer Famulatur in der Anästhesie im Bundeswehrkrankenhaus 2009 erlebt. Sie habe einen im Einsatz durch friendly fire schwerst verwundeten Soldaten kennengelernt und erfahren, dass er vorher semiprofessioneller Triathlet gewesen, jetzt aber an Sport nicht mehr zu denken sei. Sie habe Wut angesichts ihrer Hilflosigkeit gefühlt. Ihr sei zum ersten Mal bewusst geworden, dass eine Waffe nicht nur töte, wenn sie gegen den Feind gerichtet werde. Es reiche vollkommen, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort sei. Dies habe sie bei ihrer Grundausbildung verdrängen können, da man immer gewusst hätte, dass sich im Gewehr nur Platzpatronen befänden bzw. man nur auf Pappscheiben geschossen habe.

Obwohl sie diese Erlebnisse schwer belastet hätten, habe sie keine Entscheidung treffen können, da seinerzeit die Verweigerung des Kriegsdienstes für Sanitätsoffiziere nicht möglich gewesen sei. Währenddessen hätten sich die Eindrücke über Krieg gehäuft, u. a. weil ihr Vater noch in Afghanistan gewesen sei bzw. ihre damalige Chefin jedes Jahr ins Ausland gegangen sei und davon berichtet habe. Der Konflikt sei schließlich so weit gegangen, dass sie ihre Lieblingssportart, eine asiatische Selbstverteidigung, aufgegeben habe.

Im letzten Studienjahr sei die Einplanung erfolgt. Zugleich habe die Vorbereitungsphase auf das Staatsexamen begonnen mit einer ihr vorher nie bekannten Stresssituation. Die Angst vor der Dienstzeit sei so groß gewesen, dass sie zeitweise nichts mehr habe essen können und wegen Alpträumen nie mehr als zwei bis drei Stunden geschlafen habe. Nach einem nur knapp überlebten Suizidversuch kurz nach dem Examen hätte sie sich dem Gewissenskonflikt gestellt. Während der PumA sei sie täglich mit dem Krieg konfrontiert worden und hätte erkannt, dass sie ihren Dienst nicht mehr fortsetzen könne, da sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren könne, einen Menschen durch Waffen zu verletzen oder zu töten. Im Ernstfall müsste sie durch Befehlsverweigerung ihre Kameraden gefährden. Ihr sei schmerzlich bewusst geworden, dass man mit der Waffe in der Hand nicht einmal eine Verletzungsabsicht haben müsse, denn Unfälle würden immer wieder vorkommen, auch in Friedensmissionen oder im Verteidigungskrieg. Als Ärztin sehe sie ihre Aufgabe in der Heilung von Menschen, weshalb sie später jeden Menschen unabhängig von äußeren Kriterien wie etwa Herkunft, Religion, etc. nach bestem Wissen und Gewissen behandeln werde.

Mit Schreiben vom 30. August 2013 gab Oberstabsarzt Dr. ... vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr eine ablehnende Stellungnahme zu dem Antrag der Klägerin ab. Unter Berücksichtigung der erfolgreich absolvierten militärischen Ausbildungsabschnitte und des Fehlens jeglicher Hinweise auf einen Gewissenskonflikt dränge sich der Verdacht auf, dass sich die Klägerin nach einer langjährigen und kostenintensiven Ausbildung ihrer Dienstpflicht zu entziehen versuche. Der Sanitätsdienst sei bezüglich seines Auftrags und Charakters ein waffenloser Dienst, der die Verwendung von Waffen im Sinne der Genfer Konvention nur zum Schutz des eigenen Lebens und des Lebens der anvertrauten Patienten zulasse. Die militärische Grundausbildung vom 1. Juli bis 30. September 2006 habe eine Schießausbildung mit Gefechtsmunition eingeschlossen, deren Wertungsprüfungen von der Klägerin vollumfänglich erfüllt worden seien. Sie habe während der Beurlaubung zum Studium verschiedene Schießübungen absolviert. Das Studium sei absolut planmäßig und ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Die militärischen Lehrgänge habe sie mit der Note „gut“ abgeschlossen (Offiziersprüfung 2007) und sei laut Beurteilungsvermerken zur Famulatur in den Einzelmerkmalen „Einsatzbereitschaft“ und „Zusammenarbeit/Teamfähigkeit“ mit „entspricht sehr deutlich den Anforderungen“ beurteilt worden. Schließlich habe sie wunschgemäß für den ersten klinischen Verwendungsabschnitt im Fachgebiet Urologie eingesetzt werden und an das Studium der Humanmedizin anrechenbare Weiterbildungsabschnitte erwerben können.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 ergänzte die Klägerin auf Anfrage der Beklagten die Begründung ihres Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (Bl. 32 - 37 der Behördenakten).

Mit Bescheid vom 26. November 2013 hat die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgelehnt, weil die Klägerin nicht zu überzeugen vermochte, dass sie in eine schwerwiegende Gewissensnot gerate, wenn sie in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsse. Bei einer Soldatin auf Zeit, die zunächst ohne erkennbaren Gewissenskonflikt über mehrere Jahre ihren Dienst geleistet habe, könne eine schwerwiegende Gewissensnot regelmäßig nur nach einem einschneidenden Schlüsselerlebnis oder einem längeren intensiven Wandlungsprozess angenommen werden. Wer sich freiwillig als Soldatin auf Zeit verpflichte, müsse sich auch der sich hieraus ergebenden Pflichten bewusst sein. Hierzu gehöre, im Gefahren- oder Bedrohungsfall gezielt auf Menschen zu schießen und diese ggf. zu töten. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ihr Vater 38 Jahre bei der Bundeswehr gedient habe, müsste ihr der Waffengebrauch bewusst gewesen sein. Ferner hätte sich die Klägerin als Sanitätskraft und nie als Teil der kämpfenden Truppe beworben. Seit der Einstellung hätten sich die Einsatz- und Verwendungsoptionen für Sanitätsoffiziere nicht grundlegend geändert. Schließlich bleibe offen, warum nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt der Weg aus der Bundeswehr gesucht, sondern der Antrag erst nach Abschluss des Studiums gestellt worden sei.

Hiergegen ließ die Klägerin am 30. Dezember 2013 Widerspruch einlegen und trug unter dem 11. Mai 2014 zur Begründung ergänzend vor, dass sie wegen der Belastung durch ihr Dienstverhältnis schwere gesundheitliche und psychische Schäden davongetragen habe. Hinzu komme ein Umstand, den sie bislang wegen Vertraulichkeit nicht habe anführen wollen. Nun habe aber aufgrund der ewigen Verzögerungen einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben einen solchen Schaden erlitten, dass sie eine Berücksichtigung des Umstands für unabdingbar halte. Ihr Verlobter leide seit seiner Adoleszenz an einer psychischen Erkrankung, wegen der er auch schon stationär behandelt habe werden müssen. Er habe zwar in den letzten zehn Jahren eine stabile Phase erreicht, allerdings hätte sich der Zustand Anfang des Jahres destabilisiert und er habe sich wegen eines Suizidversuchs in längerer stationärer Behandlung befunden. Ihre eigene Erfahrung mit dem Tod sei nicht halb so beängstigend gewesen, wie miterleben zu müssen, dass das Leben eines geliebten Menschen auf dem Spiel stehe. Von der Belastung durch den Umgang mit traumatisierten Soldaten brauche sie gar nicht zu reden. Die Geschichten und Lebensumstände dieser Menschen würden ihr jedes Mal das Herz brechen. Sie könne mit fester Entschlossenheit mitteilen, dass sie nicht aufgeben und jede zur Verfügung stehende Möglichkeit mit allen Konsequenzen durchführen werde, bis ihr das ihr zustehende Recht auf Verweigerung des Kriegsdiensts gewährt werden würde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe in der Begründung ihres Widerspruchs im Kern nichts Neues angeführt. Wenn die Klägerin ernstlich in einer Gewissensnot gewesen wäre, hätte sie schon früher reagieren können. Auch mit Blick auf die zeitliche Verzögerung bei der Widerspruchsbegründung hätten Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung nicht ausgeräumt werden können.

Hiergegen ließ die Klägerin am 4. Juni 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben. Für sie ist beantragt:

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 26. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2014 verpflichtet, die Klägerin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

2. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Klägerin führt zur Begründung aus, sie habe bei der Antragstellung ausführlich und überzeugend dargelegt, dass es sich bei dem Gewissenskonflikt um einen kontinuierlichen Prozess über eine längere Zeit gehandelt habe. Sie habe die den Wandlungsprozess auslösenden Schlüsselerlebnisse beschrieben und dargestellt. Dieser Wandlungsprozess stelle sich als glaubwürdig und nachvollziehbar dar. Die ergänzenden Fragen seien am 29. Oktober 2013 umfassend beantwortet worden. Die Ablehnungsbescheide seien lediglich formelhaft mit entsprechenden Textbausteinen begründet. Der wahre Grund der Ablehnung liege darin, dass im Jahr 2012 deutlich mehr Kriegsdienstverweigerungsanträge gestellt worden seien, was zu einer sehr viel strengeren und mit der Handhabung in den vorvergangenen Jahren nicht mehr vergleichbaren Entscheidungspraxis bei der Beklagten geführt habe.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2014 trat die Beklagte der Klage entgegen. Für sie ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

In beiden Bescheiden sei das klägerische Vorbringen wiedergegeben und einzelfallbezogen gewürdigt worden. Die Klägerin vermöge nicht zu überzeugen, dass sie in schwerwiegende Gewissensnot geriete, wenn sie in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsste. Ihre Gesinnungsumkehr aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses habe die Klägerin nicht glaubhaft machen können. Sie sei aufgrund eigener und freiwilliger Bewerbung am 1. Juli 2006 als Sanitätsoffiziersanwärterin bei der Bundeswehr eingestellt worden. Es müsse aufgrund des familiären Hintergrunds der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie im Vorfeld umfassend über die Aufgaben in der Bundeswehr informiert gewesen sei. Sie habe auch wissen müssen, was der Dienst bei der Bundeswehr neben „Kameradschaft“, „sportlicher Herausforderung“ und „Verantwortung gegenüber Menschen“ bedeuten würde. Darüber hinaus werde der Aufgabenbereich bereits in der Grundausbildung und anschließend in weiteren Informationsveranstaltungen vermittelt. Es überzeuge auch nicht, dass sich die Klägerin bei den Schießübungen auf Pappscheiben keine Gedanken gemacht haben wolle, da die Silhouette von Menschen darauf deutlich erkennbar sei. Soweit sich die Klägerin auf ein Ereignis während ihrer Famulatur im Bundeswehrkrankenhaus bzw. auf den Suizidversuch und den Eintritt eines endgültigen Gewissenskonflikts im Jahr 2012 berufe, hätte sie bereits damals einen Antrag stellen müssen. Schließlich sei die Klägerin noch am 26. Oktober 2012 zur Stabsärztin ernannt worden und habe sich somit auch rein äußerlich erkennbar mit der Bundeswehr und ihrem Beruf identifiziert. Soweit die Klägerin schwerwiegende gesundheitliche und psychische Beeinträchtigungen anführe, lasse dies nicht zwangsläufig auf einen Gewissensnotstand mit der Waffe schließen.

Am 18. Februar 2015 legte die Beklagte den „Leitfaden Grundsätze für Führung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr“ sowie das „Handbuch über die Einsatzgrundsätze der Sanitätsstaffel Einsatz, Stand Juli 20122 des Sanitätsamts der Bundeswehr vor, welche das Aufgabenspektrum des Sanitätspersonals festlegten. Danach halte der Sanitätsdienst der Bundeswehr sowohl konzeptionell als auch einsatztaktisch daran fest, dass Sanitätssoldaten ausschließlich gemäß den Bestimmungen des „Humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten“ eingesetzt würden. Ferner werde auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hinsichtlich des rechtlichen Status des Sanitätspersonals der Bundeswehr in Afghanistan vom 9. April 2010 verwiesen (BT-Drs. 17/1338).

Hierzu führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, dass die vorgelegten Richtlinien nicht mehr der Realität entsprächen, weil nach den Berichten von aus dem Einsatz zurückkehrenden Sanitätern und Ärzten diese an zwei von drei Tagen im Einsatz auf Fahrzeugen bewaffnet mitfahren und genauso eingesetzt werden würden, wie alle anderen Soldaten auch, d. h. sie müssten schießen, wenn sie angegriffen werden würden.

Am 19. März 2015 fand mündliche Verhandlung statt, bei der die Klägerin als Partei einvernommen wurde zu der Frage, welche Beweg- und Gewissensgründe für die von ihr begehrte Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin ausschlaggebend gewesen waren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behörden- und die Gerichtsakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 19. März 2015 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG) als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf ihren Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist, die dargelegten Beweggründe geeignet sind, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen, und das tatsächliche Gesamtvorbringen sowie die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nach § 6 KDVG nicht mehr bestehen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die von der Klägerin dargelegten Beweggründe sind nicht geeignet, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen. Auch hat sie bei ihrer Parteieinvernahme in der mündlichen Verhandlung die Zweifel an dem Vorliegen einer schwerwiegenden Gewissensnot wegen des Dienstes an der Waffe nicht zu entkräften vermocht. Das Gericht hält es nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände nicht für wahrscheinlich, dass die Klägerin eine verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat.

Für eine verbindliche Gewissensentscheidung müssen konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden (BVerwG, B.v. 6.2.1978 - VI B 36.77 - BVerwGE 55, 217). Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BVerfGE 12,45) jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 1. Februar 1989 (Az. 6 C 61.86 - BVerwGE 81, 239) klargestellt hat, ist Voraussetzung für die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht das „Zerbrechen der Persönlichkeit“ oder der Eintritt eines „schweren seelischen Schadens“. Es genügt vielmehr eine schwere Gewissensnot des Betroffenen, die im Einzelfall zu einem seelischen Schaden führen kann, aber nicht muss. Das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung lässt sich vielfach nicht in vollem Umfang beweisen. Es kann daher genügen, dass ein aufgrund aller in Betracht kommender Umstände ermittelter hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für eine solche Entscheidung spricht (BVerwG, U.v. 18.10.1972 - VIII C 46.72 - BVerwGE 41, 53).

Anders als bei Wehrpflichtigen, die vor oder bei Beginn des Wehrdienstes einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, ist bei Soldaten auf Zeit, die den Grundwehrdienst geleistet haben, ohne einen Konflikt mit dem Gewissen zu empfinden, für die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung allerdings der Nachweis einer „Umkehr“ der gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst mit der Waffe zu fordern. Die Umkehr kann nicht nur durch ein „Schlüsselerlebnis“ oder entsprechend schwerwiegende Umstände herbeigeführt werden, sondern kann auch das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses sein (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10.87 - BVerwGE 81, 294).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu Recht abgelehnt. Nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände, auch aufgrund des Eindrucks, den das Gericht bei der Befragung der Klägerin im Rahmen ihrer Einvernahme als Partei gewonnen hat, hält es das Gericht nicht für wahrscheinlich, dass bei der Klägerin im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt die behauptete verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorgelegen hat. Sie hat eine innere Umkehr nicht glaubhaft gemacht. Die von ihr ausgeführten Beweggründe für ihren Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer konnten die von der Beklagten angeführten Zweifel an einer inneren Umkehr im Sinne der Rechtsprechung nicht ausräumen.

Die Klägerin hat ihre innere Umkehr nicht mit einem „Schlüsselerlebnis“ begründet, sondern auf einen längeren Wandlungsprozess zurückgeführt. Insofern hat sie aber dem Gericht nicht die notwendige Überzeugungsgewissheit vermitteln können, dass sie aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses aus Gewissensgründen nicht mehr zum Dienst an der Waffe in der Lage sei. Die von ihr angeführten Beweggründe sind nicht geeignet, ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen.

Gegen das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe spricht zum einen der von der Klägerin gewählte Zeitpunkt zur Einreichung ihres Antrages auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nach Abschluss ihres Studiums. Die Klägerin konnte nicht überzeugend darlegen, weshalb sie gerade zum Zeitpunkt nach Erlangen der ärztlichen Approbation bzw. während der postuniversitären modularen Ausbildung von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr (PumA) und damit nach dem Ende ihres Medizinstudiums den inneren Wandlungsprozess mit dem Ergebnis einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe abgeschlossen hat. Insofern erscheint es vielmehr nicht unwahrscheinlich, dass sie im Hinblick auf ihre bevorstehende Versetzung in die Sanitätseinrichtungen der Bundeswehr andere Gründe zu ihrem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bewogen haben. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Klägerin nach ihrer freiwilligen Verpflichtung ihre mehrjährige Ausbildung absolvierte, ohne dass sie einen Konflikt mit ihrem Gewissen empfunden bzw. dies gegenüber Dritten bekundet hätte. Dies stellt ein starkes Indiz gegen die Annahme dar, sie habe nunmehr eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10.87 - BVerwGE 81, 294/295). Insofern fällt auf, dass die vorgetragene Entwicklung hin zu einer Gewissensentscheidung parallel zur beruflichen Ausbildungssituation verlief. Erst zu dem Zeitpunkt, als das Studium abgeschlossen war und sich somit Perspektiven für eine Berufsausübung außerhalb der Bundeswehr aufgetan haben, will die Klägerin zu einer endgültigen Gewissenentscheidung gelangt sein (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 38; U.v. 4.7.2013 - M 15 K 13.1234 - juris Rn. 62; VG Leipzig, U.v. 22.8.2013 - 3 K 733/11 - juris Rn. 24). Insofern ist es wenig überzeugend, dass die Klägerin zu keinem früheren Zeitpunkt, wo nach ihrem Bekunden ein gewisses Umdenken eingesetzt habe, ihre Gewissensprobleme zum Ausdruck gebracht hat. Selbst das Personalgespräch am 1. Juni 2012, bei dem die weitere Verwendungsplanung besprochen und einvernehmlich geregelt wurde, hat die Klägerin nicht zum Anlass genommen, ihre Gewissensnot zumindest anzudeuten. Schließlich ist die Klägerin noch am 26. Oktober 2012 zur Stabsärztin ernannt worden, womit sie auch nach außen hin zu erkennen gegeben hat, sich mit dem Dienst in der Bundeswehr zu identifizieren.

In diesem Zusammenhang sind auch die weiteren Erklärungen der Klägerin zu sehen. So gab sie an, sich mit der Zuspitzung des Afghanistankonflikts und der Fokussierung der Ausbildung auf Kampfeinsätze auch beim Sanitätspersonal nicht mehr habe vorstellen können, an einem solchen Einsatz teilzunehmen. Insofern erscheint es nicht fernliegend, dass die Klägerin im Hinblick auf die Versetzung in den Sanitätsdienst der Bundeswehr andere Gründe zu ihrem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bewogen haben. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin einen Kriegsdienst schlechthin ablehnt, da sie sich zunächst mit ihrer Verpflichtung als Soldatin auf Zeit im Sanitätsdienst zu einem Tun bereitgefunden hat, das auch ihre Teilnahme an militärischen Auseinandersetzungen bedeuten kann. Dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Bundeswehr nunmehr anders einordnet, nämlich auch als Waffen- und Soldatendienst verbunden mit einem etwaigen Auslandseinsatz und nicht (nur) in der Erfüllung eines Ausbildungsauftrags durch erfolgreiches Absolvieren eines Studiums, und dass sie sich insoweit in ihren Motiven, die sie zu dieser Berufswahl bewogen haben, getäuscht sieht, weil sie sich über die tatsächliche Tätigkeit einer Soldatin im Sanitätsdienst bei ihrer Bewerbung andere Vorstellungen gemacht hat, begründet selbst keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603).

Auch ist es für die Kammer insgesamt schwer nachvollziehbar, dass die Klägerin die Tätigkeit einer Sanitätsoffizierin, v.a. aber die damit einhergehenden möglichen Gefahren und Risiken etwa bei Auslandseinsätzen, erst aufgrund der Begegnung mit einem durch Beschuss eigener Kräfte schwer verwundeten Soldaten im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz richtig erfasst haben will. Hierzu gibt sie zwar an, ihr Vater, der selbst 38 Jahre im Dienst der Bundeswehr stand, habe sie inspiriert, der Bundeswehr beizutreten. Aufgrund der Familiengeschichte sei sie praktisch mit der Bundeswehr aufgewachsen, hätte diese aber in erster Linie mit Kameradschaft, sportlicher Herausforderung und anderen soldatischen Tugenden verbunden. Ihre Mutter hingegen scheint von Anfang an der Berufswahl reserviert gegenüber gestanden zu sein, da sie unter den häufigen Versetzungen und Abwesenheiten des Vaters gelitten habe. Es begegnet jedoch erheblichen Zweifeln, dass die Klägerin zutreffend davon ausgehen konnte und davon ausgegangen ist, der Dienst auch (nur) im Sanitätsbereich der Bundeswehr könnte sich dauerhaft auf eine Tätigkeit in dem oben geschilderten Umfeld beschränken. Diese Darstellung lässt die Tätigkeit eines Sanitätssoldaten in der Bundeswehr in einem Licht erscheinen, die der einer zivilen Verwendung nahe kommen würde. Dies widerspricht sowohl der offensichtlichen Aufgabe der Bundeswehr als Verteidigungsarmee als auch im speziellen der Aufgabe und Pflicht eines Soldaten im Sanitätsdienst, der, obwohl er entsprechend den einschlägigen Einsatzgrundsätzen trotz seiner allgemein-militärischen Fähigkeiten nicht für Sicherungsaufgaben und zur Durchsetzung von Kampfaufträgen eingesetzt und eingeplant werden darf, da er entsprechend den Vorgaben des Humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten nicht den Rechtsstatus eines Kombattanten hat, der zum Schutz der ihm anvertrauten Verwundeten und Kranken sowie zum eigenen Schutz Waffengewalt einsetzen darf bzw. muss. Nach den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen sprechen rechtliche Gründe nicht dagegen, Sanitätspersonal zeitweilig auch für andere Aufgaben, beispielsweise zur Übernahme von Sicherungsaufgaben in gemeinsamen Feldlagern, einzusetzen (Leitfaden - Grundsätze für Führung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr v. 31.7.2006, Kap. 3, Ziff. 301).

Überdies klammert die Vorstellung der Klägerin über den Dienst bei der Bundeswehr die sich schon lange vor 2006 verändernde Art der Auslandseinsätze, etwa 1999 durch die Teilnahme der Bundeswehr an Luftangriffen unter NATO-Führung im ehemaligen Jugoslawien oder an Kampfeinsätzen im Afghanistankonflikt, aus (vgl. VG Leipzig, U.v. 22.8.2013 - 3 K 733/11 - juris Rn. 36; VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.123 - juris Rn. 36; U.v. 4.7.2013 - M 15 K 13.1234 - juris Rn. 49). Bereits damals wurde in den Medien kritisch über die zunehmende Zahl ziviler Opfer verursacht durch Kampfeinsätze der Koalitionstruppen berichtet (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 36), etwa über den bislang schwerwiegendsten Einsatz mit der größten Anzahl ziviler Opfer durch die IASF in Folge einer Bombardierung durch US-Flugzeuge im September 2009, die von deutschen Soldaten angefordert worden waren. Die Rechtmäßigkeit dieses Einsatzes war und ist in der ISAF und in Deutschland umstritten (Quelle: wikipedia, Krieg in Afghanistan seit 2001).

Die Argumentation der Klägerin, im Hinblick auf die Besonderheiten des nichtinternationalen bewaffneten Konflikts in Afghanistan habe bezüglich der einsatztaktischen und -technischen Verfahrensweisen eine Anpassung dergestalt stattgefunden, dass Sanitätspersonal vermehrt zum Eigenschutz etwa bei den als Sanitätsfahrzeugen verwendeten Transportpanzern eingesetzt werde (vgl. Antwort der Bundesregierung vom 9.4.2010 zur Kleinen Anfrage u. a. der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 17/1338) und damit hinsichtlich seiner Verwendung - de facto - im Vergleich zur kämpfenden Truppe kaum mehr ein Unterschied ausgemacht werden könne, verfängt ebenfalls nicht. Denn eine am Charakter bestimmter Auslandseinsätze anknüpfende und insofern situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung erfüllt nicht die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG. Denn nicht geschützt ist eine Gewissensentscheidung lediglich gegen die Teilnahme an bestimmten Einsätzen und Kriegen oder unter bestimmten Bedingungen (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603). Entsprechendes gilt, wenn die Klägerin sich in dem menschlichen Umfeld in der Bundeswehr getäuscht sieht, weil sie - anders als bei den Kameraden ihres Vaters - Kollegen mit latent rassistischer, zynischer oder geradezu menschenverachtender Gesinnung angetroffen habe.

Die Erläuterungen der Klägerin, sie sei möglicherweise noch nicht reif genug gewesen, um die vollen Konsequenzen dieses Berufes abzuschätzen, überzeugen angesichts ihrer Ausbildung (Abitur mit Gesamtnote 1,4), ihrer Hobbys (Sportschützin von 1999 bis 2003), insbesondere aber im Hinblick auf ihren familiären Hintergrund, auch in der Sache nicht.

Schließlich erscheint es dem Gericht wenig glaubhaft und sogar widersprüchlich, dass sich die Klägerin in ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag wiederholt auf ihre gewaltfreie Erziehung berief. Es überzeugt bereits nicht, dass die Klägerin sieben Jahre nach ihrer Verpflichtung als Soldatin auf Zeit ihre von einem friedlichen und rücksichtsvollen Verhalten gegenüber anderen Menschen geprägte Erziehung als Grund für einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung angibt. Es kann auch bereits von einem neunzehnjährigen Menschen erwartet werden, dass sich dieser, bevor er sich als Soldat auf Zeit für 17 Jahre verpflichtet, mit den Aufgaben der Bundeswehr auseinandersetzt. Bereits im Jahre 2006, also zum Zeitpunkt der Verpflichtung als Soldatin auf Zeit, hatte die Klägerin die Möglichkeit, sich zu überlegen, inwieweit ihre gewaltfreie Erziehung mit den Zielen und den Aufgaben der Bundeswehr, und hier speziell im Bereich des Sanitätsdienstes, übereinstimmt (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 40). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Schilderung ihrer Schlüsse, die sie aus den Erzählungen von Auslandserfahrungen ihrer Vorgesetzten bzw. aus dem Verarbeitungsprozess ihres Vaters bezüglich seiner Auslandseinsätze gezogen haben will. Es ist für die Kammer schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin das Geschehen erst nach über sieben Jahren Dienst bei der Bundeswehr und nach Ende ihres Studiums in seinen wahren Ausmaßen erfasst haben will.

Soweit die Klägerin dies v.a. damit erklärt, dass sie während ihres Studiums mit der Bundeswehr wenig zu tun gehabt und aufgrund des Leistungsdrucks bei der Vorbereitung auf die Examina den Konflikt verdrängt habe, legen es ihre Ausführungen nahe, dass sie sich nach dem Ende ihres Studiums und mit Beginn der PumA erstmals nach ihrer Grundausbildung (wieder) mit der Realität des eigentlichen Einsatzes im Sanitätsdienst konfrontiert sah, nachdem sich nach ihren eigenem Bekunden die äußeren Bedingungen während ihrer Studienzeit von denen im „zivilen Leben“, abgesehen von den verschiedenen militärischen Lehrgängen und Übungen in den Semesterferien, kaum unterschieden hätten. Nachdem aber - wie oben ausgeführt - der Umstand, dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Bundeswehr nunmehr anders einordnet, nämlich auch als (Sanitäts-)Dienst in der Truppe und nicht nur in Erfüllung ihres Ausbildungsauftrags, selbst keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe begründet (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603), vermag dies keinen Anspruch auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu rechtfertigen.

Auch die von der Klägerin angeführte eigene gesundheitliche Belastung wie auch die psychische Erkrankung ihres Lebensgefährten sind nicht imstande, das Vorliegen einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst an der Waffe im Sinne der Rechtsprechung zu begründen. Abgesehen davon, dass diese allein auf den klägerischen Angaben beruhen und durch kein ärztliches Attest o.ä. belegt sind, können diese als Reaktion auf einmalige oder fortbestehende belastende Ereignisse vielfältige auslösende Faktoren haben. Die Ursache für die von der Klägerin geschilderten Symptome kann also nicht nur auf einer Belastung des Gewissens mit einem eventuellen Einsatz der Schusswaffe gegen Menschen beruhen, sondern ebenso gut auf Prüfungsangst, der Angst vor einem möglichen Auslandseinsatz, oder auch der Erkenntnis zuzuschreiben sein, in der Bundeswehr keine berufliche Zukunft (mehr) zu sehen. Insofern gibt die Klägerin selbst an, sich in der Vorbereitungsphase auf das Staatsexamen in einer ihr vorher nie bekannten Stresssituation befunden zu haben, was andere, weitere Ursachen für die psychische Belastung oder Erkrankung zumindest nahe legt. In diesem Kontext sind auch die weiteren Ausführungen der Klägerin einzuordnen, wonach sie das Gefühl gehabt habe, an dem Beruf zu zerbrechen, wenn sie in der Bundeswehr verbleibe. Das gesamte soldatische Umfeld habe sie belastet, insbesondere aber auch die Erwartungshaltung ihrer Ausbilder, wonach Ärzte im Einsatz vor allem gute Soldaten sein sollen.

Schließlich vermag auch der Gesamteindruck, den das Gericht von der Klägerin unter Berücksichtigung ihres Vortrags in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, die Zweifel an deren Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe nicht zu entkräften. Vielmehr legen die Ausführungen der Klägerin es nahe, dass sie mit der Wiedereingliederung in den Soldatendienst im Rahmen der PumA nach Abschluss ihres Studiums der Humanmedizin an einer zivilen Universität mit der Realität des eigentlichen Einsatzes im Sanitätsdienst konfrontiert wurde und erkannt hat, dass die Ausübung ihres Berufes in der Bundeswehr auch bzw. insbesondere wegen des „gesamten soldatischen Umfelds“ für sie nicht (mehr) in Frage kommt. Dieser Eindruck wird bestärkt dadurch, dass die Klägerin angibt, aus der Bundeswehr ausscheiden zu wollen, selbst wenn ihr ein Dienst ohne Waffe zugesichert werden würde. All dies lässt erkennen, dass die Klägerin angesichts der nunmehr erfolgten Versetzung in den Sanitätsdienst der Truppe, des für sie nicht tragbaren „soldatischen Umfelds“ und der Aussicht, unter diesen Rahmenbedingungen nunmehr über Jahre hinweg ihren Dienst verrichten zu müssen, „um jeden Preis“ ihren Dienst bei der Bundeswehr beenden will. Dies begründet aber keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen (§ 135 VwGO i. V. m. § 34 Satz 1 Wehrpflichtgesetz).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die am ... 1986 geborene Klägerin hat sich als Soldatin auf Zeit für 17 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet und begehrt die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

Die Klägerin wurde zum 1. Juli 2006 als Sanitätsoffizier-Anwärterin in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit einberufen und den Teilstreitkräften Luftwaffe mit Studienrichtung Medizin zugeordnet. Ab 1. Oktober 2006 wurde sie zum Studium an einer Hochschule der Bundesrepublik Deutschland beurlaubt. Während des Studiums absolvierte sie in den Semesterferien verschiedene militärische Lehrgänge an der Sanitätsakademie der Bundeswehr, welche sie am 28. September 2007 mit der Note „gut und bestanden“ ablegte. Mit Wirkung zum 1. Juli 2009 wurde sie zum Leutnant und mit Wirkung zum 26. Oktober 2012 zum Stabsarzt (BesGr. A 13) ernannt. Laut Vermerk über ein Personalgespräch vom 1. Juni 2012 wurde einvernehmlich die Verwendungsplanung mit einer Verwendung im Fachgebiet Urologie erstellt. Demgemäß sollte die Klägerin nach dem Abschluss des Studiums an den Dienstort ihrer klinischen Erstverwendung versetzt und bis zur Einsteuerung in die „Postuniversitäre modulare Ausbildung von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr“ (PumA) an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in einer noch festzulegenden regionalen Sanitätseinrichtung eingesetzt werden. Nach Abschluss der PumA war für 24 weitere Monate eine in verschiedene Abschnitte gegliederte Weiterbildung bzw. Verwendung vorgesehen. Die Klägerin stimmte der Planung zu und zeichnete den Gesprächsvermerk am 20. Juni 2012 gegen.

Den ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung legte die Klägerin am 20. August 2008, den zweiten Abschnitt am 26. Oktober 2012 ab. Die Approbation zur Ärztin erhielt sie am 6. November 2012.

Am 7. August 2013 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen und begründete am 13. September 2013 dies im Wesentlichen wie folgt:

Den größten Teil ihr Dienstzeit habe sie in Freistellung zum Studium der Humanmedizin verbracht, so dass es nur selten Gelegenheiten gegeben habe, bei denen sie sich wirklich intensiv mit dem Thema Krieg und den Folgen beschäftigen habe müssen. Trotzdem habe sie immer wieder einzelne Ausschnitte und Situationen erlebt, die sich im letzten Jahr des Studiums so sehr verdichtet und zu einem äußerst bedrückenden Zustand verbunden hätten, dass sie bereits bei dem bloßen Gedanken an einen späteren Einsatz als Soldatin an der Waffe schweren seelischen Schaden erlitten habe.

Der Dienstantritt 2006 sei freiwillig erfolgt. Allerdings sei ihr inzwischen klar geworden, dass sie damals mit 19 Jahren nicht reif genug gewesen sei und auch nicht genug Erfahrungen besessen habe, um die Konsequenzen des Dienstes an der Waffe wirklich zu erfassen. Aufgrund diverser Erfahrungen sei sie weitergereift und denke nun über vieles anders als zu jener Zeit. Der Grundstein zu dieser Entscheidung sei schon in ihrer Erziehung, hauptsächlich durch die von der Mutter vermittelten religiösen Werte, gelegt worden. Ihre Erziehung sei geprägt gewesen von einem friedlichen und rücksichtsvollen Verhalten gegenüber anderen Menschen. Der Verzicht auf Gewalt zur Lösung von Konflikten sei oberstes Gebot gewesen. Ihr Vater, 38 Jahre im Dienst der Bundeswehr, stamme aus einer Familie, in der die Offizierslaufbahn Tradition gewesen sei. Er habe sie inspiriert, der Bundeswehr beizutreten. Aufgrund dieser Familiengeschichte sei sie praktisch mit der Bundeswehr aufgewachsen. Die Kameraden ihres Vaters habe sie als verantwortungsvolle und kultivierte Männer erlebt, bei denen Kameradschaft, sportliche Herausforderung und Verantwortung gegenüber Mitmenschen im Vordergrund gestanden hätten. Sie hingegen sei auf Kollegen mit latent rassistischer, zynischer und geradezu menschenverachtender Gesinnung gestoßen. Die Ausbildung an sich sei auch bei den Sanitätern hauptsächlich auf das Töten von Menschen ausgerichtet, da aufgrund der Einsatzbedingungen keine klare Grenze mehr zwischen Sanitätsdienst und kämpfender Truppe bestünde.

Ein Punkt, der die Gewissensentscheidung angestoßen habe, sei der Umgang ihres Vaters mit seinen Einsätzen im Kosovo und in Afghanistan. Über die Mission zur Aufdeckung ethnisch motivierter Gräueltaten, an der er beteiligt gewesen sei, spreche er mit niemandem aus der Familie. Er sei mit dem Leben in der Heimat nach seiner Pensionierung nicht wirklich zu Recht gekommen und habe als Zivilist eine Stelle bei der NATO in ... angetreten, wo er nun seit sieben Jahren arbeiten würde. Ein einschneidendes Erlebnis sei es gewesen, als sie eine CD mit einem Vortrag ihres Vaters über den KFOR-Einsatz gefunden habe. Darin hätten sich Fotos von dem Einsatz befunden; diese Erlebnisse müssten bei jedem Menschen eine nicht zu vermeidende Verrohung und Abstumpfung auslösen.

Das zweite Ereignis habe sie während ihrer Famulatur in der Anästhesie im Bundeswehrkrankenhaus 2009 erlebt. Sie habe einen im Einsatz durch friendly fire schwerst verwundeten Soldaten kennengelernt und erfahren, dass er vorher semiprofessioneller Triathlet gewesen, jetzt aber an Sport nicht mehr zu denken sei. Sie habe Wut angesichts ihrer Hilflosigkeit gefühlt. Ihr sei zum ersten Mal bewusst geworden, dass eine Waffe nicht nur töte, wenn sie gegen den Feind gerichtet werde. Es reiche vollkommen, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort sei. Dies habe sie bei ihrer Grundausbildung verdrängen können, da man immer gewusst hätte, dass sich im Gewehr nur Platzpatronen befänden bzw. man nur auf Pappscheiben geschossen habe.

Obwohl sie diese Erlebnisse schwer belastet hätten, habe sie keine Entscheidung treffen können, da seinerzeit die Verweigerung des Kriegsdienstes für Sanitätsoffiziere nicht möglich gewesen sei. Währenddessen hätten sich die Eindrücke über Krieg gehäuft, u. a. weil ihr Vater noch in Afghanistan gewesen sei bzw. ihre damalige Chefin jedes Jahr ins Ausland gegangen sei und davon berichtet habe. Der Konflikt sei schließlich so weit gegangen, dass sie ihre Lieblingssportart, eine asiatische Selbstverteidigung, aufgegeben habe.

Im letzten Studienjahr sei die Einplanung erfolgt. Zugleich habe die Vorbereitungsphase auf das Staatsexamen begonnen mit einer ihr vorher nie bekannten Stresssituation. Die Angst vor der Dienstzeit sei so groß gewesen, dass sie zeitweise nichts mehr habe essen können und wegen Alpträumen nie mehr als zwei bis drei Stunden geschlafen habe. Nach einem nur knapp überlebten Suizidversuch kurz nach dem Examen hätte sie sich dem Gewissenskonflikt gestellt. Während der PumA sei sie täglich mit dem Krieg konfrontiert worden und hätte erkannt, dass sie ihren Dienst nicht mehr fortsetzen könne, da sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren könne, einen Menschen durch Waffen zu verletzen oder zu töten. Im Ernstfall müsste sie durch Befehlsverweigerung ihre Kameraden gefährden. Ihr sei schmerzlich bewusst geworden, dass man mit der Waffe in der Hand nicht einmal eine Verletzungsabsicht haben müsse, denn Unfälle würden immer wieder vorkommen, auch in Friedensmissionen oder im Verteidigungskrieg. Als Ärztin sehe sie ihre Aufgabe in der Heilung von Menschen, weshalb sie später jeden Menschen unabhängig von äußeren Kriterien wie etwa Herkunft, Religion, etc. nach bestem Wissen und Gewissen behandeln werde.

Mit Schreiben vom 30. August 2013 gab Oberstabsarzt Dr. ... vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr eine ablehnende Stellungnahme zu dem Antrag der Klägerin ab. Unter Berücksichtigung der erfolgreich absolvierten militärischen Ausbildungsabschnitte und des Fehlens jeglicher Hinweise auf einen Gewissenskonflikt dränge sich der Verdacht auf, dass sich die Klägerin nach einer langjährigen und kostenintensiven Ausbildung ihrer Dienstpflicht zu entziehen versuche. Der Sanitätsdienst sei bezüglich seines Auftrags und Charakters ein waffenloser Dienst, der die Verwendung von Waffen im Sinne der Genfer Konvention nur zum Schutz des eigenen Lebens und des Lebens der anvertrauten Patienten zulasse. Die militärische Grundausbildung vom 1. Juli bis 30. September 2006 habe eine Schießausbildung mit Gefechtsmunition eingeschlossen, deren Wertungsprüfungen von der Klägerin vollumfänglich erfüllt worden seien. Sie habe während der Beurlaubung zum Studium verschiedene Schießübungen absolviert. Das Studium sei absolut planmäßig und ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Die militärischen Lehrgänge habe sie mit der Note „gut“ abgeschlossen (Offiziersprüfung 2007) und sei laut Beurteilungsvermerken zur Famulatur in den Einzelmerkmalen „Einsatzbereitschaft“ und „Zusammenarbeit/Teamfähigkeit“ mit „entspricht sehr deutlich den Anforderungen“ beurteilt worden. Schließlich habe sie wunschgemäß für den ersten klinischen Verwendungsabschnitt im Fachgebiet Urologie eingesetzt werden und an das Studium der Humanmedizin anrechenbare Weiterbildungsabschnitte erwerben können.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 ergänzte die Klägerin auf Anfrage der Beklagten die Begründung ihres Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (Bl. 32 - 37 der Behördenakten).

Mit Bescheid vom 26. November 2013 hat die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgelehnt, weil die Klägerin nicht zu überzeugen vermochte, dass sie in eine schwerwiegende Gewissensnot gerate, wenn sie in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsse. Bei einer Soldatin auf Zeit, die zunächst ohne erkennbaren Gewissenskonflikt über mehrere Jahre ihren Dienst geleistet habe, könne eine schwerwiegende Gewissensnot regelmäßig nur nach einem einschneidenden Schlüsselerlebnis oder einem längeren intensiven Wandlungsprozess angenommen werden. Wer sich freiwillig als Soldatin auf Zeit verpflichte, müsse sich auch der sich hieraus ergebenden Pflichten bewusst sein. Hierzu gehöre, im Gefahren- oder Bedrohungsfall gezielt auf Menschen zu schießen und diese ggf. zu töten. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ihr Vater 38 Jahre bei der Bundeswehr gedient habe, müsste ihr der Waffengebrauch bewusst gewesen sein. Ferner hätte sich die Klägerin als Sanitätskraft und nie als Teil der kämpfenden Truppe beworben. Seit der Einstellung hätten sich die Einsatz- und Verwendungsoptionen für Sanitätsoffiziere nicht grundlegend geändert. Schließlich bleibe offen, warum nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt der Weg aus der Bundeswehr gesucht, sondern der Antrag erst nach Abschluss des Studiums gestellt worden sei.

Hiergegen ließ die Klägerin am 30. Dezember 2013 Widerspruch einlegen und trug unter dem 11. Mai 2014 zur Begründung ergänzend vor, dass sie wegen der Belastung durch ihr Dienstverhältnis schwere gesundheitliche und psychische Schäden davongetragen habe. Hinzu komme ein Umstand, den sie bislang wegen Vertraulichkeit nicht habe anführen wollen. Nun habe aber aufgrund der ewigen Verzögerungen einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben einen solchen Schaden erlitten, dass sie eine Berücksichtigung des Umstands für unabdingbar halte. Ihr Verlobter leide seit seiner Adoleszenz an einer psychischen Erkrankung, wegen der er auch schon stationär behandelt habe werden müssen. Er habe zwar in den letzten zehn Jahren eine stabile Phase erreicht, allerdings hätte sich der Zustand Anfang des Jahres destabilisiert und er habe sich wegen eines Suizidversuchs in längerer stationärer Behandlung befunden. Ihre eigene Erfahrung mit dem Tod sei nicht halb so beängstigend gewesen, wie miterleben zu müssen, dass das Leben eines geliebten Menschen auf dem Spiel stehe. Von der Belastung durch den Umgang mit traumatisierten Soldaten brauche sie gar nicht zu reden. Die Geschichten und Lebensumstände dieser Menschen würden ihr jedes Mal das Herz brechen. Sie könne mit fester Entschlossenheit mitteilen, dass sie nicht aufgeben und jede zur Verfügung stehende Möglichkeit mit allen Konsequenzen durchführen werde, bis ihr das ihr zustehende Recht auf Verweigerung des Kriegsdiensts gewährt werden würde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe in der Begründung ihres Widerspruchs im Kern nichts Neues angeführt. Wenn die Klägerin ernstlich in einer Gewissensnot gewesen wäre, hätte sie schon früher reagieren können. Auch mit Blick auf die zeitliche Verzögerung bei der Widerspruchsbegründung hätten Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung nicht ausgeräumt werden können.

Hiergegen ließ die Klägerin am 4. Juni 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben. Für sie ist beantragt:

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 26. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2014 verpflichtet, die Klägerin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

2. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Klägerin führt zur Begründung aus, sie habe bei der Antragstellung ausführlich und überzeugend dargelegt, dass es sich bei dem Gewissenskonflikt um einen kontinuierlichen Prozess über eine längere Zeit gehandelt habe. Sie habe die den Wandlungsprozess auslösenden Schlüsselerlebnisse beschrieben und dargestellt. Dieser Wandlungsprozess stelle sich als glaubwürdig und nachvollziehbar dar. Die ergänzenden Fragen seien am 29. Oktober 2013 umfassend beantwortet worden. Die Ablehnungsbescheide seien lediglich formelhaft mit entsprechenden Textbausteinen begründet. Der wahre Grund der Ablehnung liege darin, dass im Jahr 2012 deutlich mehr Kriegsdienstverweigerungsanträge gestellt worden seien, was zu einer sehr viel strengeren und mit der Handhabung in den vorvergangenen Jahren nicht mehr vergleichbaren Entscheidungspraxis bei der Beklagten geführt habe.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2014 trat die Beklagte der Klage entgegen. Für sie ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

In beiden Bescheiden sei das klägerische Vorbringen wiedergegeben und einzelfallbezogen gewürdigt worden. Die Klägerin vermöge nicht zu überzeugen, dass sie in schwerwiegende Gewissensnot geriete, wenn sie in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsste. Ihre Gesinnungsumkehr aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses habe die Klägerin nicht glaubhaft machen können. Sie sei aufgrund eigener und freiwilliger Bewerbung am 1. Juli 2006 als Sanitätsoffiziersanwärterin bei der Bundeswehr eingestellt worden. Es müsse aufgrund des familiären Hintergrunds der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie im Vorfeld umfassend über die Aufgaben in der Bundeswehr informiert gewesen sei. Sie habe auch wissen müssen, was der Dienst bei der Bundeswehr neben „Kameradschaft“, „sportlicher Herausforderung“ und „Verantwortung gegenüber Menschen“ bedeuten würde. Darüber hinaus werde der Aufgabenbereich bereits in der Grundausbildung und anschließend in weiteren Informationsveranstaltungen vermittelt. Es überzeuge auch nicht, dass sich die Klägerin bei den Schießübungen auf Pappscheiben keine Gedanken gemacht haben wolle, da die Silhouette von Menschen darauf deutlich erkennbar sei. Soweit sich die Klägerin auf ein Ereignis während ihrer Famulatur im Bundeswehrkrankenhaus bzw. auf den Suizidversuch und den Eintritt eines endgültigen Gewissenskonflikts im Jahr 2012 berufe, hätte sie bereits damals einen Antrag stellen müssen. Schließlich sei die Klägerin noch am 26. Oktober 2012 zur Stabsärztin ernannt worden und habe sich somit auch rein äußerlich erkennbar mit der Bundeswehr und ihrem Beruf identifiziert. Soweit die Klägerin schwerwiegende gesundheitliche und psychische Beeinträchtigungen anführe, lasse dies nicht zwangsläufig auf einen Gewissensnotstand mit der Waffe schließen.

Am 18. Februar 2015 legte die Beklagte den „Leitfaden Grundsätze für Führung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr“ sowie das „Handbuch über die Einsatzgrundsätze der Sanitätsstaffel Einsatz, Stand Juli 20122 des Sanitätsamts der Bundeswehr vor, welche das Aufgabenspektrum des Sanitätspersonals festlegten. Danach halte der Sanitätsdienst der Bundeswehr sowohl konzeptionell als auch einsatztaktisch daran fest, dass Sanitätssoldaten ausschließlich gemäß den Bestimmungen des „Humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten“ eingesetzt würden. Ferner werde auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hinsichtlich des rechtlichen Status des Sanitätspersonals der Bundeswehr in Afghanistan vom 9. April 2010 verwiesen (BT-Drs. 17/1338).

Hierzu führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, dass die vorgelegten Richtlinien nicht mehr der Realität entsprächen, weil nach den Berichten von aus dem Einsatz zurückkehrenden Sanitätern und Ärzten diese an zwei von drei Tagen im Einsatz auf Fahrzeugen bewaffnet mitfahren und genauso eingesetzt werden würden, wie alle anderen Soldaten auch, d. h. sie müssten schießen, wenn sie angegriffen werden würden.

Am 19. März 2015 fand mündliche Verhandlung statt, bei der die Klägerin als Partei einvernommen wurde zu der Frage, welche Beweg- und Gewissensgründe für die von ihr begehrte Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin ausschlaggebend gewesen waren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behörden- und die Gerichtsakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 19. März 2015 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG) als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf ihren Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist, die dargelegten Beweggründe geeignet sind, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen, und das tatsächliche Gesamtvorbringen sowie die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nach § 6 KDVG nicht mehr bestehen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die von der Klägerin dargelegten Beweggründe sind nicht geeignet, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen. Auch hat sie bei ihrer Parteieinvernahme in der mündlichen Verhandlung die Zweifel an dem Vorliegen einer schwerwiegenden Gewissensnot wegen des Dienstes an der Waffe nicht zu entkräften vermocht. Das Gericht hält es nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände nicht für wahrscheinlich, dass die Klägerin eine verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat.

Für eine verbindliche Gewissensentscheidung müssen konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden (BVerwG, B.v. 6.2.1978 - VI B 36.77 - BVerwGE 55, 217). Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BVerfGE 12,45) jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 1. Februar 1989 (Az. 6 C 61.86 - BVerwGE 81, 239) klargestellt hat, ist Voraussetzung für die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht das „Zerbrechen der Persönlichkeit“ oder der Eintritt eines „schweren seelischen Schadens“. Es genügt vielmehr eine schwere Gewissensnot des Betroffenen, die im Einzelfall zu einem seelischen Schaden führen kann, aber nicht muss. Das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung lässt sich vielfach nicht in vollem Umfang beweisen. Es kann daher genügen, dass ein aufgrund aller in Betracht kommender Umstände ermittelter hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für eine solche Entscheidung spricht (BVerwG, U.v. 18.10.1972 - VIII C 46.72 - BVerwGE 41, 53).

Anders als bei Wehrpflichtigen, die vor oder bei Beginn des Wehrdienstes einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, ist bei Soldaten auf Zeit, die den Grundwehrdienst geleistet haben, ohne einen Konflikt mit dem Gewissen zu empfinden, für die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung allerdings der Nachweis einer „Umkehr“ der gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst mit der Waffe zu fordern. Die Umkehr kann nicht nur durch ein „Schlüsselerlebnis“ oder entsprechend schwerwiegende Umstände herbeigeführt werden, sondern kann auch das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses sein (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10.87 - BVerwGE 81, 294).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu Recht abgelehnt. Nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände, auch aufgrund des Eindrucks, den das Gericht bei der Befragung der Klägerin im Rahmen ihrer Einvernahme als Partei gewonnen hat, hält es das Gericht nicht für wahrscheinlich, dass bei der Klägerin im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt die behauptete verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorgelegen hat. Sie hat eine innere Umkehr nicht glaubhaft gemacht. Die von ihr ausgeführten Beweggründe für ihren Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer konnten die von der Beklagten angeführten Zweifel an einer inneren Umkehr im Sinne der Rechtsprechung nicht ausräumen.

Die Klägerin hat ihre innere Umkehr nicht mit einem „Schlüsselerlebnis“ begründet, sondern auf einen längeren Wandlungsprozess zurückgeführt. Insofern hat sie aber dem Gericht nicht die notwendige Überzeugungsgewissheit vermitteln können, dass sie aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses aus Gewissensgründen nicht mehr zum Dienst an der Waffe in der Lage sei. Die von ihr angeführten Beweggründe sind nicht geeignet, ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen.

Gegen das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe spricht zum einen der von der Klägerin gewählte Zeitpunkt zur Einreichung ihres Antrages auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nach Abschluss ihres Studiums. Die Klägerin konnte nicht überzeugend darlegen, weshalb sie gerade zum Zeitpunkt nach Erlangen der ärztlichen Approbation bzw. während der postuniversitären modularen Ausbildung von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr (PumA) und damit nach dem Ende ihres Medizinstudiums den inneren Wandlungsprozess mit dem Ergebnis einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe abgeschlossen hat. Insofern erscheint es vielmehr nicht unwahrscheinlich, dass sie im Hinblick auf ihre bevorstehende Versetzung in die Sanitätseinrichtungen der Bundeswehr andere Gründe zu ihrem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bewogen haben. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Klägerin nach ihrer freiwilligen Verpflichtung ihre mehrjährige Ausbildung absolvierte, ohne dass sie einen Konflikt mit ihrem Gewissen empfunden bzw. dies gegenüber Dritten bekundet hätte. Dies stellt ein starkes Indiz gegen die Annahme dar, sie habe nunmehr eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10.87 - BVerwGE 81, 294/295). Insofern fällt auf, dass die vorgetragene Entwicklung hin zu einer Gewissensentscheidung parallel zur beruflichen Ausbildungssituation verlief. Erst zu dem Zeitpunkt, als das Studium abgeschlossen war und sich somit Perspektiven für eine Berufsausübung außerhalb der Bundeswehr aufgetan haben, will die Klägerin zu einer endgültigen Gewissenentscheidung gelangt sein (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 38; U.v. 4.7.2013 - M 15 K 13.1234 - juris Rn. 62; VG Leipzig, U.v. 22.8.2013 - 3 K 733/11 - juris Rn. 24). Insofern ist es wenig überzeugend, dass die Klägerin zu keinem früheren Zeitpunkt, wo nach ihrem Bekunden ein gewisses Umdenken eingesetzt habe, ihre Gewissensprobleme zum Ausdruck gebracht hat. Selbst das Personalgespräch am 1. Juni 2012, bei dem die weitere Verwendungsplanung besprochen und einvernehmlich geregelt wurde, hat die Klägerin nicht zum Anlass genommen, ihre Gewissensnot zumindest anzudeuten. Schließlich ist die Klägerin noch am 26. Oktober 2012 zur Stabsärztin ernannt worden, womit sie auch nach außen hin zu erkennen gegeben hat, sich mit dem Dienst in der Bundeswehr zu identifizieren.

In diesem Zusammenhang sind auch die weiteren Erklärungen der Klägerin zu sehen. So gab sie an, sich mit der Zuspitzung des Afghanistankonflikts und der Fokussierung der Ausbildung auf Kampfeinsätze auch beim Sanitätspersonal nicht mehr habe vorstellen können, an einem solchen Einsatz teilzunehmen. Insofern erscheint es nicht fernliegend, dass die Klägerin im Hinblick auf die Versetzung in den Sanitätsdienst der Bundeswehr andere Gründe zu ihrem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bewogen haben. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin einen Kriegsdienst schlechthin ablehnt, da sie sich zunächst mit ihrer Verpflichtung als Soldatin auf Zeit im Sanitätsdienst zu einem Tun bereitgefunden hat, das auch ihre Teilnahme an militärischen Auseinandersetzungen bedeuten kann. Dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Bundeswehr nunmehr anders einordnet, nämlich auch als Waffen- und Soldatendienst verbunden mit einem etwaigen Auslandseinsatz und nicht (nur) in der Erfüllung eines Ausbildungsauftrags durch erfolgreiches Absolvieren eines Studiums, und dass sie sich insoweit in ihren Motiven, die sie zu dieser Berufswahl bewogen haben, getäuscht sieht, weil sie sich über die tatsächliche Tätigkeit einer Soldatin im Sanitätsdienst bei ihrer Bewerbung andere Vorstellungen gemacht hat, begründet selbst keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603).

Auch ist es für die Kammer insgesamt schwer nachvollziehbar, dass die Klägerin die Tätigkeit einer Sanitätsoffizierin, v.a. aber die damit einhergehenden möglichen Gefahren und Risiken etwa bei Auslandseinsätzen, erst aufgrund der Begegnung mit einem durch Beschuss eigener Kräfte schwer verwundeten Soldaten im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz richtig erfasst haben will. Hierzu gibt sie zwar an, ihr Vater, der selbst 38 Jahre im Dienst der Bundeswehr stand, habe sie inspiriert, der Bundeswehr beizutreten. Aufgrund der Familiengeschichte sei sie praktisch mit der Bundeswehr aufgewachsen, hätte diese aber in erster Linie mit Kameradschaft, sportlicher Herausforderung und anderen soldatischen Tugenden verbunden. Ihre Mutter hingegen scheint von Anfang an der Berufswahl reserviert gegenüber gestanden zu sein, da sie unter den häufigen Versetzungen und Abwesenheiten des Vaters gelitten habe. Es begegnet jedoch erheblichen Zweifeln, dass die Klägerin zutreffend davon ausgehen konnte und davon ausgegangen ist, der Dienst auch (nur) im Sanitätsbereich der Bundeswehr könnte sich dauerhaft auf eine Tätigkeit in dem oben geschilderten Umfeld beschränken. Diese Darstellung lässt die Tätigkeit eines Sanitätssoldaten in der Bundeswehr in einem Licht erscheinen, die der einer zivilen Verwendung nahe kommen würde. Dies widerspricht sowohl der offensichtlichen Aufgabe der Bundeswehr als Verteidigungsarmee als auch im speziellen der Aufgabe und Pflicht eines Soldaten im Sanitätsdienst, der, obwohl er entsprechend den einschlägigen Einsatzgrundsätzen trotz seiner allgemein-militärischen Fähigkeiten nicht für Sicherungsaufgaben und zur Durchsetzung von Kampfaufträgen eingesetzt und eingeplant werden darf, da er entsprechend den Vorgaben des Humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten nicht den Rechtsstatus eines Kombattanten hat, der zum Schutz der ihm anvertrauten Verwundeten und Kranken sowie zum eigenen Schutz Waffengewalt einsetzen darf bzw. muss. Nach den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen sprechen rechtliche Gründe nicht dagegen, Sanitätspersonal zeitweilig auch für andere Aufgaben, beispielsweise zur Übernahme von Sicherungsaufgaben in gemeinsamen Feldlagern, einzusetzen (Leitfaden - Grundsätze für Führung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr v. 31.7.2006, Kap. 3, Ziff. 301).

Überdies klammert die Vorstellung der Klägerin über den Dienst bei der Bundeswehr die sich schon lange vor 2006 verändernde Art der Auslandseinsätze, etwa 1999 durch die Teilnahme der Bundeswehr an Luftangriffen unter NATO-Führung im ehemaligen Jugoslawien oder an Kampfeinsätzen im Afghanistankonflikt, aus (vgl. VG Leipzig, U.v. 22.8.2013 - 3 K 733/11 - juris Rn. 36; VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.123 - juris Rn. 36; U.v. 4.7.2013 - M 15 K 13.1234 - juris Rn. 49). Bereits damals wurde in den Medien kritisch über die zunehmende Zahl ziviler Opfer verursacht durch Kampfeinsätze der Koalitionstruppen berichtet (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 36), etwa über den bislang schwerwiegendsten Einsatz mit der größten Anzahl ziviler Opfer durch die IASF in Folge einer Bombardierung durch US-Flugzeuge im September 2009, die von deutschen Soldaten angefordert worden waren. Die Rechtmäßigkeit dieses Einsatzes war und ist in der ISAF und in Deutschland umstritten (Quelle: wikipedia, Krieg in Afghanistan seit 2001).

Die Argumentation der Klägerin, im Hinblick auf die Besonderheiten des nichtinternationalen bewaffneten Konflikts in Afghanistan habe bezüglich der einsatztaktischen und -technischen Verfahrensweisen eine Anpassung dergestalt stattgefunden, dass Sanitätspersonal vermehrt zum Eigenschutz etwa bei den als Sanitätsfahrzeugen verwendeten Transportpanzern eingesetzt werde (vgl. Antwort der Bundesregierung vom 9.4.2010 zur Kleinen Anfrage u. a. der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 17/1338) und damit hinsichtlich seiner Verwendung - de facto - im Vergleich zur kämpfenden Truppe kaum mehr ein Unterschied ausgemacht werden könne, verfängt ebenfalls nicht. Denn eine am Charakter bestimmter Auslandseinsätze anknüpfende und insofern situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung erfüllt nicht die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG. Denn nicht geschützt ist eine Gewissensentscheidung lediglich gegen die Teilnahme an bestimmten Einsätzen und Kriegen oder unter bestimmten Bedingungen (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603). Entsprechendes gilt, wenn die Klägerin sich in dem menschlichen Umfeld in der Bundeswehr getäuscht sieht, weil sie - anders als bei den Kameraden ihres Vaters - Kollegen mit latent rassistischer, zynischer oder geradezu menschenverachtender Gesinnung angetroffen habe.

Die Erläuterungen der Klägerin, sie sei möglicherweise noch nicht reif genug gewesen, um die vollen Konsequenzen dieses Berufes abzuschätzen, überzeugen angesichts ihrer Ausbildung (Abitur mit Gesamtnote 1,4), ihrer Hobbys (Sportschützin von 1999 bis 2003), insbesondere aber im Hinblick auf ihren familiären Hintergrund, auch in der Sache nicht.

Schließlich erscheint es dem Gericht wenig glaubhaft und sogar widersprüchlich, dass sich die Klägerin in ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag wiederholt auf ihre gewaltfreie Erziehung berief. Es überzeugt bereits nicht, dass die Klägerin sieben Jahre nach ihrer Verpflichtung als Soldatin auf Zeit ihre von einem friedlichen und rücksichtsvollen Verhalten gegenüber anderen Menschen geprägte Erziehung als Grund für einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung angibt. Es kann auch bereits von einem neunzehnjährigen Menschen erwartet werden, dass sich dieser, bevor er sich als Soldat auf Zeit für 17 Jahre verpflichtet, mit den Aufgaben der Bundeswehr auseinandersetzt. Bereits im Jahre 2006, also zum Zeitpunkt der Verpflichtung als Soldatin auf Zeit, hatte die Klägerin die Möglichkeit, sich zu überlegen, inwieweit ihre gewaltfreie Erziehung mit den Zielen und den Aufgaben der Bundeswehr, und hier speziell im Bereich des Sanitätsdienstes, übereinstimmt (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 40). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Schilderung ihrer Schlüsse, die sie aus den Erzählungen von Auslandserfahrungen ihrer Vorgesetzten bzw. aus dem Verarbeitungsprozess ihres Vaters bezüglich seiner Auslandseinsätze gezogen haben will. Es ist für die Kammer schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin das Geschehen erst nach über sieben Jahren Dienst bei der Bundeswehr und nach Ende ihres Studiums in seinen wahren Ausmaßen erfasst haben will.

Soweit die Klägerin dies v.a. damit erklärt, dass sie während ihres Studiums mit der Bundeswehr wenig zu tun gehabt und aufgrund des Leistungsdrucks bei der Vorbereitung auf die Examina den Konflikt verdrängt habe, legen es ihre Ausführungen nahe, dass sie sich nach dem Ende ihres Studiums und mit Beginn der PumA erstmals nach ihrer Grundausbildung (wieder) mit der Realität des eigentlichen Einsatzes im Sanitätsdienst konfrontiert sah, nachdem sich nach ihren eigenem Bekunden die äußeren Bedingungen während ihrer Studienzeit von denen im „zivilen Leben“, abgesehen von den verschiedenen militärischen Lehrgängen und Übungen in den Semesterferien, kaum unterschieden hätten. Nachdem aber - wie oben ausgeführt - der Umstand, dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Bundeswehr nunmehr anders einordnet, nämlich auch als (Sanitäts-)Dienst in der Truppe und nicht nur in Erfüllung ihres Ausbildungsauftrags, selbst keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe begründet (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603), vermag dies keinen Anspruch auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu rechtfertigen.

Auch die von der Klägerin angeführte eigene gesundheitliche Belastung wie auch die psychische Erkrankung ihres Lebensgefährten sind nicht imstande, das Vorliegen einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst an der Waffe im Sinne der Rechtsprechung zu begründen. Abgesehen davon, dass diese allein auf den klägerischen Angaben beruhen und durch kein ärztliches Attest o.ä. belegt sind, können diese als Reaktion auf einmalige oder fortbestehende belastende Ereignisse vielfältige auslösende Faktoren haben. Die Ursache für die von der Klägerin geschilderten Symptome kann also nicht nur auf einer Belastung des Gewissens mit einem eventuellen Einsatz der Schusswaffe gegen Menschen beruhen, sondern ebenso gut auf Prüfungsangst, der Angst vor einem möglichen Auslandseinsatz, oder auch der Erkenntnis zuzuschreiben sein, in der Bundeswehr keine berufliche Zukunft (mehr) zu sehen. Insofern gibt die Klägerin selbst an, sich in der Vorbereitungsphase auf das Staatsexamen in einer ihr vorher nie bekannten Stresssituation befunden zu haben, was andere, weitere Ursachen für die psychische Belastung oder Erkrankung zumindest nahe legt. In diesem Kontext sind auch die weiteren Ausführungen der Klägerin einzuordnen, wonach sie das Gefühl gehabt habe, an dem Beruf zu zerbrechen, wenn sie in der Bundeswehr verbleibe. Das gesamte soldatische Umfeld habe sie belastet, insbesondere aber auch die Erwartungshaltung ihrer Ausbilder, wonach Ärzte im Einsatz vor allem gute Soldaten sein sollen.

Schließlich vermag auch der Gesamteindruck, den das Gericht von der Klägerin unter Berücksichtigung ihres Vortrags in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, die Zweifel an deren Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe nicht zu entkräften. Vielmehr legen die Ausführungen der Klägerin es nahe, dass sie mit der Wiedereingliederung in den Soldatendienst im Rahmen der PumA nach Abschluss ihres Studiums der Humanmedizin an einer zivilen Universität mit der Realität des eigentlichen Einsatzes im Sanitätsdienst konfrontiert wurde und erkannt hat, dass die Ausübung ihres Berufes in der Bundeswehr auch bzw. insbesondere wegen des „gesamten soldatischen Umfelds“ für sie nicht (mehr) in Frage kommt. Dieser Eindruck wird bestärkt dadurch, dass die Klägerin angibt, aus der Bundeswehr ausscheiden zu wollen, selbst wenn ihr ein Dienst ohne Waffe zugesichert werden würde. All dies lässt erkennen, dass die Klägerin angesichts der nunmehr erfolgten Versetzung in den Sanitätsdienst der Truppe, des für sie nicht tragbaren „soldatischen Umfelds“ und der Aussicht, unter diesen Rahmenbedingungen nunmehr über Jahre hinweg ihren Dienst verrichten zu müssen, „um jeden Preis“ ihren Dienst bei der Bundeswehr beenden will. Dies begründet aber keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen (§ 135 VwGO i. V. m. § 34 Satz 1 Wehrpflichtgesetz).

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben vom 2. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin als Kriegsdienstverweigerin anzuerkennen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die am … geborene Klägerin begehrt ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

Sie bewarb sich am 21. Januar 2009 für die Einstellung in die Laufbahngruppe der Offiziere mit Zulassung zum Hochschulstudium in der Fachrichtung Medizin. Mit Formblatt vom 21. April 2009 erklärte die Klägerin, dass sie über die Abgabe einer widerruflichen Verpflichtungserklärung informiert worden sei und diese Möglichkeit nicht in Anspruch nehme; im Falle der Inanspruchnahme einer widerruflichen Verpflichtungserklärung sei eine Zuweisung eines Studienplatzes nur möglich, wenn während der sechsmonatigen Dienstzeit als Soldatin auf Zeit schriftlich auf das Widerrufsrecht verzichtet werde. Am 15. Juni 2009 verpflichtete sich die Klägerin schriftlich, 17 Jahre Wehrdienst zu leisten. Sodann wurde die Klägerin unter Berufung in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit am 1. Juli 2009 zur Sanitätssoldatin ernannt. Nach Absolvierung der allgemeinen Grundausbildung mit darin enthaltener Schießausbildung wurde die Klägerin ab dem 1. Oktober 2009 zum Studium der Humanmedizin an der Universität Würzburg beurlaubt. Mit Wirkung vom 1. Juli 2012 wurde die Klägerin zum Leutnant befördert. Laut Vermerk über ein Personalentwicklungsgespräch vom 13. Mai 2015 wurde im Rahmen der weiteren Verwendungsplanung eine Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin festgelegt unter der Voraussetzung einer Dienstzeitverlängerung um zwei Jahre. Die Klägerin erklärte sich mit dieser Verwendungsplanung einverstanden. Am 8. Dezember 2015 hätte die Klägerin ihr Studium regulär beenden sollen. Die letzte medizinische Staatsprüfung hat die Klägerin zu diesem Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht abgelegt.

Am 1. Dezember 2015 stellte die Klägerin einen Antrag als Kriegsdienstverweigerer und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass sie in einem christlich-katholischen Haushalt mit entsprechenden Wertvorstellungen aufgewachsen sei; sie habe vor diesem Hintergrund eine dezidierte Vorstellung von Gut und Böse und ein entsprechendes Gewissen ausgebildet. In dem Wunsch, einen sozialen Beruf zu erlernen und in dem Bewusstsein eines nicht sicher ausreichenden Notendurchschnitts für einen Medizinstudien Platz habe ihr Vater, der selbst Berufssoldat gewesen sei, vorgeschlagen, sich bei der Bundeswehr um einen Studienplatz zu bewerben. In der Grundausbildung habe sie die Art und Weise des zwischenmenschlichen Umgangs als verstörend empfunden. Auch mit Schießübungen, die sie auf das notwendige Minimum beschränkt habe, habe sie von Beginn an ein immenses Problem gehabt mit zunehmenden Schlafstörungen und Albträumen im Vorfeld. Die Bezeichnung der Schießfunktion „F“ des Gewehrs G 36 als „Fleischsalatfunktion“ habe sie als zutiefst abstoßend empfunden, was eines von mehreren Schlüsselerlebnissen in ihrem Entwicklungsprozess gewesen sei. Eine ihrer engsten Freundinnen sei Kriegsflüchtling aus Syrien; diese habe ihr von traumatischen Erlebnisse berichtet, die sie noch immer sehr belasteten. Ihre erste große Lebenskrise sei dann der plötzliche Tod des Vaters im September 2013 gewesen. Die zahlreichen Auslandseinsätze ihres verstorbenen Vaters seien für sie als Kind mit Traurigkeit und Sehnsucht verbunden gewesen und sie habe nur zu gut bemerkt, dass sich ihr Vater durch die Auslandsaufenthalte verändert habe. Gefechtssituationen seien seinerzeit jedoch nicht thematisiert worden; insofern sei das ursprüngliche Bild vom Militär vorwiegend von Kameradschaft und sportlicher Aktivität geprägt gewesen. Nach dem Tod ihres Vaters habe sie sich in ambulante psychologische Behandlung begeben müssen; auch körperliche und seelische Veränderungen hätten bei ihr stattgefunden. Nach dem Tod des Vaters hätten sich bislang unterdrückte Zweifel, Ängste und Gewissensbisse zusehends ihren Weg gebahnt. Im November 2015 sei dann ihr Onkel als eine der engsten familiären Bezugspersonen völlig unerwartet ebenfalls verstorben, woraufhin sie wiederum psychologische Hilfe in Anspruch habe nehmen müssen. Hierdurch sei sie erneut gezwungen gewesen, sich mit dem Thema Tod und Sterben auseinanderzusetzen und sie könne sich nicht vorstellen, dieses Leid auch anderen Menschen zuzufügen, wenn sie in einem Auslandseinsatz in die Situation gerate, ihre Waffe einsetzen zu müssen. Vor drei Jahren habe sie ihren Lebenspartner kennengelernt, der selbst den Wehrdienst verweigert habe; es sei wiederholt zu Konflikten wegen ihrer Berufswahl gekommen. Durch den Partner sei auch ihr Glaube wieder mehr in den Vordergrund getreten. Auch aufgrund ihres Kinderwunsches könne sie sich nicht vorstellen, wie sie einerseits als Mutter christliche Werte vorleben und andererseits Soldatin sein könne. Erst während des Studiums habe sie immer wieder Kontakt zu Bundeswehrärzten mit Einsatzerfahrung im Ausland gehabt, die ihr schreckliche Situationen geprägt von Leid und Tod berichtet hätten. Sie habe im Zeitpunkt ihrer Verpflichtung nicht erahnen können, welchen Selbsterkenntnisprozess sie während der folgenden Jahre gezwungenermaßen vollziehen würde. Der Entschluss, einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerer zu stellen, sei über die letzten Jahre hinweg stetig gereift, wofür viele nicht absehbare Ereignisse und persönliche Verluste verantwortlich gewesen seien. Nunmehr sei der Gewissenskonflikt so stark, dass sie nicht einmal in der Lage sei, ihr mündliches Staatsexamen abzulegen.

Zum Antrag auf Kriegsdienstverweigerung nahmen am 9. Dezember 2015 der Disziplinarvorgesetzte der Klägerin sowie ein Oberstarzt mit Schreiben vom 9. März 2016 Stellung.

Mit Schreiben der Beklagten vom 29. März 2016 wurde die Klägerin aufgefordert, zur Beseitigung von Unklarheiten weitere Fragen zu beantworten. Dieser Aufforderung kam die Klägerin mit Schreiben vom 14. April 2016 nach. Mit Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ab, da Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Klägerin bestünden. Ein Schlüsselerlebnis oder einen längeren intensiven Wandlungsprozess habe die Klägerin nicht darlegen können, insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass ihr Vater selbst Berufssoldat gewesen sei, so dass die Klägerin über den Soldatenberuf besser als andere informiert gewesen sei.

Mit Schreiben vom 12. Mai 2016 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch einlegen. Die Klägerin stellte hierbei insbesondere darauf ab, dass sie - gerade weil ihr Vater Soldat gewesen sei - eine sehr einseitige Berufsvorstellung gehabt habe. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters habe sie sich persönlich mehr und mehr verändert und begonnen sich mit Themen auseinanderzusetzen, die für sie bis dahin keine Rolle gespielt hätten, zum Beispiel mit dem Tod. In der unmittelbaren Zeit nach dem Tod des Vaters habe sie noch nicht die Informationen zum Beruf des Sanitätsoffiziers gehabt, die sie nunmehr habe. Aus diesem Grunde sei es ihr im Jahre 2014 noch möglich gewesen, an einer Schießübung teilzunehmen, nicht mehr jedoch im Jahre 2015. Vor allem im Laufe des Jahres 2015 hätten neue Informationen von Soldaten und Erzählungen ihrer syrischen Freundin zu einem veränderten Berufsbild geführt. Unter dem erneuten Schicksalsschlag in Form des Todes ihres Onkels im Herbst 2015 hätten sie und ihre Mutter sehr gelitten. Angesichts der Verzweiflung ihrer Mutter sei sie sich sicher, dass sie niemals einer anderen Mutter einen solchen Verlust antun könne. Ihre Mutter könne ihre Tätigkeit bei der Bundeswehr mittlerweile nicht mehr akzeptieren. Wenn ihr etwas zustoßen solle, würde die Mutter nach deren Aussage ihren letzten Lebenswillen verlieren. Nach dem Tod des Onkels sei der Gewissenskonflikt dann so vereinnahmend gewesen, dass sie nicht wie bisher habe weitermachen können.

Dem Widerspruch wurden Stellungnahmen, jeweils datierend vom 11. Mai 2016, des Militärdekans des katholischen Pfarramtes Ulm I, der syrischen-stämmigen Freundin der Klägerin sowie eines psychologischen Psychotherapeuten vorgelegt, zu dem sich die Klägerin am 26. November 2015 im Rahmen einer Krisenintervention nach dem Tod ihres Onkels in Behandlung begeben hatte. Dieser führt aus, dass inhaltlich der Tod des Onkels, des Vaters und ihre Tätigkeit bei der Bundeswehr dominiert hätten, weiterhin das bevorstehende Examen und die Sorge, emotional und körperlich nicht in der Lage zu sein hierbei ein gutes Ergebnis zu erzielen. Ihre Gedanken hätten immer wieder um den Umstand gekreist, dass sie nicht für den Tod von anderen Menschen verantwortlich sein könne, weil sie nun erlebe, wie schrecklich der Tod für Angehörige sei. Sie könne sich daher nicht mehr vorstellen, den Berufs Weg als Soldatin weiterzuverfolgen, da ihr Werte- und Normensystem dies nicht zulasse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde dargelegt, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass die Klägerin trotz des Berufes ihres Vaters nicht gleichermaßen wie andere Bewerber das soldatische Berufsbild reflektiert habe. Die Trauer um den Tod des Vaters und des Onkels sei verständlich, ein Zusammenhang mit der unabdingbar erforderlichen Gewissensentscheidung sei jedoch nicht erkennbar.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 7. Juni 2016 ließ die Klägerin Klage erheben. Die ablehnenden Bescheide bestünden hauptsächlich aus pauschalen Textbausteinen und seien nicht nachvollziehbar. Die Klägerin habe ausführlich und glaubwürdig dargelegt, dass es sich bei ihrem Gewissenskonflikt um einen schleichenden Prozess über einen längeren Zeitraum gehandelt habe, der kontinuierlich über Jahre gewachsen sei; sie habe Schlüsselerlebnisse benannt und den Wandlungsprozess beschrieben. Der wahre Grund für die Ablehnung bestehe vielmehr darin, dass seit den Jahren 2012/2013 deutlich mehr Kriegsdienstverweigerungsanträge gestellt worden seien, was die Beklagte dazu veranlasst habe, diese möglichst ablehnend zu bearbeiten. Der Klägerbevollmächtigte verwies diesbezüglich auf seine Erfahrung, er bearbeite jährlich ca. 200 Kriegsdienstverweigerungsverfahren; zudem habe ein Sachbearbeiter der Beklagten dies telefonisch bestätigt.

Die Klägerin beantragte daher,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2016 zu verpflichten, die Klägerin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 7. Juli 2016,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Vorwürfe einer unsachlichen Handhabung bei der Bearbeitung von Kriegsdienstverweigerungsanträgen. Eine Änderung des Prüfungsmaßstabes habe nicht stattgefunden; die Anerkennungsquote liege bei 63%. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nach Art. 4 Abs. 3 GG verlange eine zwingende Gewissensentscheidung, bei der der Betroffene nur unter schwerer seelischer Not imstande sei, an einem Krieg mit der Waffe teilzunehmen. Die hierfür darzulegenden tatsächlichen Anhaltspunkte müssten einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung in sich tragen. Für Soldaten auf Zeit, die sich freiwillig für den Dienst in der Bundeswehr entschieden hätten, sei die nachvollziehbare Darlegung der Gründe, die für die Umkehr von dem seinerzeit gefassten Entschluss maßgeblich seien, erforderlich. Diese könnten in einem Schlüsselerlebnis oder einem längeren Wandlungsprozess bestehen, an deren Ende das Gewissensgebot stehe, dass der Betroffene das Töten nicht nur aus moralischen oder ethischen Gründen missbillige, sondern es grundsätzlich und ohne Einschränkung als verwerflich empfinde. Auch wenn Soldaten im Sanitätsdienst das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ebenfalls zustehe, so dürfe doch ihr Nichtkombattantenstatus im Kriegsfalle nicht unberücksichtigt bleiben.

Vorliegend fehle es an der schlüssigen Darlegung eines Wandlungsprozesses. Die Klägerin habe angegeben, bereits zum Zeitpunkt des Eintritts in die Bundeswehr eine dezidierte Vorstellung von Gut und Böse entwickelt zu haben. Der Soldatenberuf sei ihr aufgrund der Tätigkeit ihres Vaters samt der Ängste, denen die Familie während der Auslandseinsätze ausgesetzt war und der beobachteten Veränderungen des Vaters im Nachgang, bekannt gewesen. Sie habe von Beginn an die Schießübungen als körperlich und seelisch belastend wahrgenommen. Auch habe sie eine unwiderrufliche Verpflichtungserklärung abgegeben, obwohl sie sich für die Dauer der Grundausbildung auch hätte widerruflich verpflichten können. Noch im September 2014 habe sie eine Schießübung ohne erkennbare Gewissenskonflikte mit höchster Auszeichnung absolviert. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die Klägerin seitdem weiterentwickelt hätte. Ihre seinerzeitigen moralischen Überzeugungen und Kenntnisse hätten sie nicht davon abgehalten, den Dienst bei der Bundeswehr anzutreten. Die inneren und äußeren Umstände seien unverändert geblieben, so dass die jetzige Entscheidung nicht zwingend im Sinne der Rechtsprechung sei. Der behauptete Einfluss des Todes des Vaters und des Onkels sowie die Reaktion ihrer Mutter auf die Gewissensbildung der Klägerin seien nicht nachvollziehbar. Etwaige psychische Folgen derartiger Ereignisse bestünden unabhängig davon, welcher Tätigkeit der Betroffene nachgehe. Die in der Widerspruchsbegründung erkennbare Abkehr der Klägerin von ihrem zunächst als Vorbild beschriebenen Vater, indem sie diesem bewusste Fehlinformation über den Soldatenberuf vorwerfe, stelle eine überraschende Steigerung der bisherigen Argumentation dar und sei daher nicht glaubhaft. Zudem habe die Klägerin eingeräumt, dass sie ihren unbedingten Wunsch, Medizin zu studieren, aufgrund ihres Notendurchschnitts im Abitur nur durch einen Studienplatz bei der Bundeswehr habe erfüllen können. Nunmehr rücke der Zeitpunkt eines militärischen Einsatzes näher. Dies sei ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass weder für den Eintritt in die Bundeswehr noch für die Abkehr von dieser Gewissensgründe ausschlaggebend seien. Schließlich erscheine es nachvollziehbar, dass die Klägerin der beschriebenen Konfliktsituation mit ihrem den Soldatenberuf ablehnenden Lebenspartner und dem Wunsch einer Familiengründung nachgeben wolle, um ihre Beziehung und ihren Lebensplan nicht zu gefährden. Hierbei handele es sich jedoch um die Lösung zwischenmenschlicher Probleme, nicht jedoch um die Umsetzung einer als zwingend empfundenen Gewissensentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch darauf, nach § 5 des Gesetzes über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG) als Kriegsdienstverweigerin anerkannt zu werden. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (im Folgenden: Bundesamt) vom 2. Mai 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 2016 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 KDVG als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf ihren Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist, die dargelegten Beweggründe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen geeignet sind und das tatsächliche Gesamtvorbringen und die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nicht mehr bestehen.

Die genannten Voraussetzungen liegen bei der Klägerin vor. Der Antrag der Klägerin ist vollständig und ihre Beweggründe vermögen einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin zu rechtfertigen. Auch an der Wahrheit der Angaben der Klägerin bestehen keine Zweifel. Das Gericht ist aufgrund der Parteieinvernahme der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass sie aus Gewissensgründen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG und § 1 Abs. 1 KDVG den Dienst an der Waffe berechtigt verweigert.

Für eine verbindliche Gewissensentscheidung müssen konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden (BVerwG, B.v. 6.2.1978 - VI B 36.77 - BVerwGE 55, 217, juris Rn. 5). Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U.v. 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BverfGE 12, 45, juris Rn. 30 f.) jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 1.2.1989 - 6 C 61/86 - BVerwGE 81, 239, juris Rn. 11 ff.) klargestellt hat, ist Voraussetzung für die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht das „Zerbrechen der Persönlichkeit“ oder der Eintritt eines „schweren seelischen Schadens“, sondern es genügt eine schwere Gewissensnot des Betreffenden, die im Einzelfall zu einem schweren seelischen Schaden führen kann, aber nicht muss. Das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung lässt sich vielfach nicht in vollem Umfang beweisen. Es kann daher genügen, dass ein aufgrund aller in Betracht kommender Umstände ermittelter, hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für eine solche Entscheidung spricht (BVerwG, U.v. 18.10.1972 - VIII C 46.72 - BVerwGE 41, 53, juris Rn. 17). Handelt es sich um Personen, die - wie die Klägerin - aufgrund ihres Antrags in das Dienstverhältnis als Berufssoldaten bzw. Zeitsoldaten eingetreten sind und schon mehrere Jahre in diesem Dienstverhältnis Wehrdienst geleistet haben, ohne einen Konflikt mit dem Gewissen zu empfinden, kann von einer Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung nur bei einer „Umkehr“ der früheren Einstellung gegenüber dem Kriegsdienst mit der Waffe ausgegangen werden (BVerwG, B.v. 29.4.1991 - 6 B 9/91 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 44, juris Rn. 2). Eine solche Umkehr kann nicht nur durch ein „Schlüsselerlebnis“ oder entsprechend schwerwiegende Umstände herbeigeführt werden, sondern auch das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses sein (BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10/87 - BVerwGE 81, 294 ff., juris Rn. 13).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen konnte das Gericht eine innere „Umkehr“ bei der Klägerin feststellen. Aufgrund des glaubwürdigen persönlichen Eindrucks, den das Gericht bei der Befragung der Klägerin im Rahmen ihrer Einvernahme als Partei gewonnen hat, ist das Gericht überzeugt davon, dass bei der Klägerin in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit die erforderliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorliegt. Das Gericht hat keine Zweifel mehr daran, dass die Klägerin einen länger dauernden Wandlungsprozess in Bezug auf ihr Gewissen durchlaufen hat, an dessen Ende die Überzeugung steht, dass sie unter keinen Umständen und zu keinem Zweck von der Waffe Gebrauch machen oder gar töten kann.

a) Die Klägerin hat aus Sicht des Gerichts offen und ehrlich dargelegt, aus welchen Gründen und mit welcher Motivation sie sich ursprünglich für die Verpflichtung als Zeitsoldatin entschieden hat. Sie habe damals einen sozialen Beruf ergreifen wollen und habe sich daher für ein Medizinstudium entschieden. Aufgrund ihres nicht sicher ausreichenden Notendurchschnitts im Abitur habe ihr Vater, der selbst Berufssoldat gewesen sei, vorgeschlagen, sich bei der Bundeswehr um einen Studienplatz zu bewerben. Auch der Stolz ihres Vaters auf sie habe sie schließlich bewogen, den Studienplatz bei der Bundeswehr anzunehmen. Sie habe gleichwohl von Anfang an Zweifel gehabt, ob der Beruf der Soldatin ihrer Persönlichkeit entsprechen würde, da sie ein eher ängstlicher, zurückhaltender und Konfliktsituationen meidender Mensch sei. Die Themen Krieg und der todbringende Gebrauch von Waffen in der Bundeswehr seien durch ihren Vater niemals im häuslichen Umfeld thematisiert worden, so dass ihr ursprüngliches Bild von der Bundeswehr von kameradschaftlichem Zusammenhalt und sportlicher Aktivität geprägt gewesen sei. Auch durch die Wehrdienstberater sei ihr allein das Bild der ärztlich-hilfeleistenden Tätigkeit bei der Bundeswehr vermittelt worden. Es erscheint für die erkennende Kammer nachvollziehbar, dass die Klägerin trotz ihres Bildungsniveaus zur Zeit ihrer Verpflichtung ein einseitig geprägtes Bild von der Bundeswehr gehabt hat, gerade weil ihr Vater Berufssoldat war und es daher glaubhaft erscheint, dass er infolgedessen aufgrund seiner eigenen inneren Überzeugung ein ausschließlich positives Bild der Bundeswehr gegenüber seiner Tochter vermittelt hat. In der Zusammenschau ergibt sich daraus, dass die Klägerin sich zwar freiwillig unwiderruflich für 17 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet hat, dies jedoch offensichtlich bereits nicht aus einer tiefen inneren Überzeugung zum Soldatenberuf geschehen ist.

b) Die Klägerin hat sodann ihre erste ernsthafte gewissensmäßige Auseinandersetzung mit dem Kriegsdienst an der Waffe im Rahmen ihrer Grundausbildung geschildert. Sie hat in diesem Zusammenhang anschaulich dargestellt, dass sie mit den Schießübungen von Beginn an ein immenses Problem gehabt habe. Ihr sei der Gedanke gekommen, dass sie im Ernstfall einen Menschen lebensbedrohlich verletzen oder gar gezielt töten müsse, was in ihr einen massiven Gewissenskonflikt auslösen würde. Verstörend habe sie auch den zynischen Umgang mit dem Töten von Menschen empfunden, indem etwa in der Grundausbildung die Schießfunktion „F“ des Maschinengewehrs G 36 als „Fleischsalatfunktion“ bezeichnet worden sei, wodurch sich ihr Bild von der Bundeswehr erstmals begonnen habe zu wandeln und unterbewusst eine Auseinandersetzung mit der Berufswahl eingesetzt habe. Aufgrund ihres Pflichtbewusstseins und der Vorstellung, ihren Vater nicht enttäuschen zu wollen, habe sie dann zunächst versucht sich auf ihr Studium zu konzentrieren, ihren zwingenden militärischen Pflichten nachzukommen und aufkommende Zweifel zu unterdrücken. Sie sei damals aufgrund ihrer glaubhaften Erkenntnislage noch davon ausgegangen, dass der Waffeneinsatz für sie als Ärztin nicht praxisrelevant werde, allenfalls in Notwehrsituationen, in denen sie zum damaligen Zeitpunkt für sich einen Waffeneinsatz noch habe rechtfertigen können. Die Gewissenszweifel, die die Klägerin bezüglich ihrer Schießübungen von Anfang an gehabt habe, werden dadurch bestätigt, dass sie unwidersprochen nur das Minimum an Schießübungen absolviert hat und ab dem Jahr 2015 gar nicht mehr an Schießübungen teilgenommen hat. Die Klägerin habe damit in Kauf genommen, dass sie insbesondere durch die Nichtteilnahme an der Schießübung im Jahre 2015 im Rahmen des Credit-Point-Systems in ihrem Studium weniger Punkte erhalten habe, was sich negativ auf spätere Verwendungswünsche habe auswirken können. Die Inkaufnahme derartiger negativer Konsequenzen wiederum belegt für die Kammer die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung der Klägerin.

c) Die Klägerin führte sodann in glaubhafter Weise weiter aus, dass der unerwartete Tod ihres Vaters im September 2013 ihren Wandlungsprozess weiter vorangetrieben habe und sie dadurch in eine erste große Lebenskrise gestürzt sei. Sie habe nach diesem Ereignis psychologische Hilfe zur Bewältigung ihrer Trauer in Anspruch nehmen müssen. Sie sei in dieser Situation erstmals persönlich mit dem Tod konfrontiert worden, wodurch sie gezwungen gewesen sei, sich mit Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Tod intensiv auseinanderzusetzen. Durch den Verlust des Vaters sei jedoch auch die ideelle Unterstützung ihres beruflichen Weges in der Bundeswehr weggefallen, sodass sich in der Folgezeit die bislang unterdrückten Zweifel, Ängste und Gewissensbisse zusehends ihren Weg in das Bewusstsein der Klägerin gebahnt hätten. Schließlich sei dann im November 2015 noch ihr Onkel, der im elterlichen Haushalt mit ihr gemeinsam aufgewachsen und für sie wie ein Bruder gewesen sei, ebenfalls völlig überraschend verstorben, was sie in eine weitere tiefe Krise gestürzt habe, in der sie wiederum im Rahmen einer Krisenintervention psychotherapeutische Hilfe habe in Anspruch nehmen müssen. Nach dieser erneuten Konfrontation mit dem Tod sei sie aufgrund des selbst verspürten extrem hohen Leidensdrucks sowie auch dem ihrer Mutter endgültig zu der Erkenntnis gelangt, dass sie selbst einer anderen Familie nicht das Leid zufügen könne, das mit dem Tod eines Angehörigen verbunden sei. Sie wolle daher niemals und unter keinen Umständen für den Tod eines Menschen verantwortlich sein und sich auch nicht in eine Lage bringen, in der dies auch nur potenziell geschehen könne.

Daneben habe sie - vertieft ab der Jahresmitte 2015 - intensive Gespräche mit einer engen Studienfreundin, die Kriegsflüchtling aus Syrien sei, geführt und darin geschildert bekommen, welche seelischen Verletzungen ein Krieg verursache und welch traumatische Belastungen er hinterlasse. Diese sehr nachhaltigen Gespräche und die kritischen Nachfragen der Freundin zu ihrer Berufswahl hätten sie ebenfalls sehr beschäftigt und ihre Gewissensentscheidung beeinflusst.

Desweiteren schilderte die Klägerin, dass sie seit dem Jahre 2012 einen festen Lebenspartner habe, der selbst den Wehrdienst verweigert habe. Dieser habe ihre Berufswahl immer wieder kritisch hinterfragt und ihr Denkanstöße hierzu geliefert. Ihrem Lebenspartner sei der christliche Glaube sehr wichtig, wodurch dieser auch in ihrem Leben wieder verstärkt in den Vordergrund gerückt sei und ihr vor allem bei der Bewältigung der Todesfälle in ihrer Familie eine wichtige Stütze gewesen sei. Aufgrund dieser christlichen Glaubensüberzeugung und des hierdurch maßgeblich geprägten Gewissens sei sie dann zu der Überzeugung gekommen, dass der Dienst an der Waffe mit der christlichen Überzeugung, keinen anderen Menschen töten zu dürfen, unter keinen Umständen vereinbar sei.

Schließlich sei ihr mit zunehmender Dauer ihrer Tätigkeit bei der Bundeswehr durch eine Reihe von Gesprächen mit auslandserfahrenen ärztlichen Kollegen auch bewusst geworden, dass sie als Ärztin in der Bundeswehr - entgegen der seinerzeitigen Darstellung der Wehrdienstberater - sehr wohl realistischerweise in einem Auslandseinsatz in die Situation geraten könne, von der Waffe Gebrauch machen zu müssen. Insbesondere aus Gesprächen im Jahre 2014 mit einem Oberstabsarzt sowie im Jahre 2015 mit einer anderen Ärztin sowie älteren ehemaligen Kommilitonen habe sich für sie ergeben, dass auch Sanitätssoldaten im Ausland Wache schieben und Patrouillengänge durchführen müssten und sie in diesem Zusammenhang auch in Feuergefechte mit eigenem Waffeneinsatz gerieten. Es werde diesbezüglich für den Sanitätsdienst nunmehr die Parole ausgegeben, Feuerüberlegenheit herzustellen sei die beste Therapie.

d) Aus vorstehenden Äußerungen ergibt sich für die erkennende Kammer die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderliche innere Umkehr und ernsthafte Gewissensentscheidung, die bei der Klägerin das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses waren. Dieser hat sich zur Überzeugung des Gerichts im Verlaufe ihrer Studienzeit fortentwickelt und - insbesondere im Laufe des Jahres 2015 - intensiviert. Der Wandlungsprozess beruht dabei in glaubhafter Weise insbesondere auf den oben beschriebenen Erkenntnisprozessen infolge des Todes zweier naher Angehöriger, der intensiven Auseinandersetzung mit den Folgen eines Krieges durch den engen persönlichen Kontakt mit einer selbst hiervon betroffenen Freundin sowie auf christlichen Glaubensüberzeugungen, welche durch die genannten Todesfälle und Diskussionen mit ihrem Lebenspartner stärker in den Mittelpunkt des Lebens der Klägerin gerückt sind. Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eindrücklich, offen und ohne jedes übersteigerte Vorbringen geschildert, auf welchen Wegen sie zu ihrer Gewissensentscheidung gekommen ist. Neben dem persönlichen Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin gewonnen hat, spricht für die Glaubhaftigkeit ihrer inneren Umkehr auch der Umstand, dass die Klägerin ihr abschließendes Examen nicht noch abgelegt hat, bevor sie ihren Kriegsdienstverweigerungsantrag gestellt hat. Vielmehr hat sie nach ihrem glaubhaften Vortrag die Prüfung zunächst nicht durchgeführt, ohne zu diesem Zeitpunkt zu wissen, ob und wie eine Nachholung möglich sein würde. Vielmehr sei sie unmittelbar nach ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag aus dem Studium abgezogen und versetzt worden. Das Examen habe sie dann schließlich nachholen können, jedoch nicht während der Dienstzeit, sondern in ihrer Urlaubszeit. Darüber hinaus spricht für die Ernsthaftigkeit ihrer Gewissensentscheidung, dass die Klägerin angesichts einer vorliegenden psychischen Erkrankung, wie sie sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten fachärztlichen bzw. psychologischen Unterlagen ergibt, bislang nicht versucht hat, ihre Entlassung aus der Bundeswehr infolge einer etwaigen Dienstunfähigkeit zu betreiben. Die Klägerin nimmt dadurch mit Blick auf die Kostenerstattungspflicht nach § 56 Abs. 4 Soldatengesetz gegebenenfalls finanzielle Nachteile gegenüber einer Entlassung wegen Dienstunfähigkeit in Kauf, was ebenfalls für die Ernsthaftigkeit ihrer Gewissensentscheidung spricht. Dass der Lebensführung der Klägerin christliche Überzeugungen zugrunde liegen, manifestiert sich etwa darin, dass sie sich seit Beginn des Jahres 2016 im Paritätischen Wohlfahrtverband engagiert und dort als Patin für einen afghanischen Flüchtling ehrenamtlich tätig ist.

e) Die Klägerin hat darüber hinaus auch schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der weitere Dienst in der Bundeswehr mit einem auch nur potentiellen Waffeneinsatz für sie eine extreme psychische Belastung darstellen würde. So hat sie nachvollziehbar dargelegt, dass der Gewissenskonflikt, den sie seit mehreren Jahren innerlich austrage und zunächst habe immer wieder erfolgreich unterdrücken können, nach dem Tod ihres Onkels so stark geworden sei, dass es ihr nicht mehr möglich gewesen sei, einem geregelten Tagesablauf nachzugehen, geschweige denn sich auf ihr medizinisches Staatsexamen vorzubereiten. Tatsächlich hat die Klägerin, die bereits kurz vor dem Ende ihres Studiums stand, die Prüfung im Dezember 2015 nicht abgelegt und hat im Rahmen einer Krisenintervention am 26. November 2015 einen Psychotherapeuten aufgesucht. Aus dessen Stellungnahme vom 11. Mai 2016 ergibt sich, dass die Klägerin dort eingehend von ihren Gewissensnöten berichtet habe, insbesondere von dem Umstand, dass sie nicht für den Tod von anderen Menschen verantwortlich sein könne, da sie selbst erlebe, wie schrecklich der Tod für die Angehörigen und nahestehende Personen sei. Ihr Werte- und Normensystem ließen den weiteren Berufs Weg als Soldatin aufgrund dessen nicht mehr zu. Dass sich die Klägerin daneben auch aufgrund ihrer Trauer um ihren verstorbenen Onkel in psychotherapeutische Behandlung begeben hat, steht nach Überzeugung der Kammer der ernsthaften Gewissensnot der Klägerin nicht entgegen. Diese wird auch durch die Stellungnahme einer Truppenpsychologin vom 17. Januar 2017 bestätigt, wonach es aufgrund der besonderen privaten Situation von zwei unerwarteten Todesfällen sehr nahestehender Angehöriger gut nachvollziehbar sei, dass bei der Klägerin eine Verschiebung der persönlichen Werte und Prioritäten sowie eine zunehmend starke Belastung aufgrund der Ausweglosigkeit einer Veränderung der beruflichen Situation stattgefunden habe. Der Leidensdruck der Soldatin sei deutlich spürbar gewesen. Sie halte es für fraglich, ob ein Weiterarbeiten als Ärztin der Bundeswehr für die psychische Gesundheit der Soldatin zielführend sei. In der Gesamtschau ergibt sich hieraus für die Kammer auch die notwendige schwere Gewissensnot, die es der Klägerin unmöglich macht, weiterhin Dienst in der Bundeswehr zu versehen.

f) Schließlich vermag das Gericht den Einwänden der Beklagten gegen die Annahme einer Gewissensentscheidung der Klägerin nicht zu folgen. Zunächst spricht der Zeitpunkt der Antragstellung zur Kriegsdienstverweigerung erst am Ende des langjährigen Studiums der Klägerin nicht gegen die Glaubhaftigkeit des Vorliegens einer ernsthaften Gewissensentscheidung. Denn die Klägerin hat den zeitlichen Ablauf ihres Wandlungsprozesses und damit auch den späten Zeitpunkt der Antragstellung nachvollziehbar erklärt. So hat sie überzeugend geschildert, dass die Gewissenszweifel bei ihr über die Jahre hinweg gewachsen seien und sie diese zwischenzeitlich auch erfolgreich habe unterdrücken können. Erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 und insbesondere nach dem plötzlichen Tod ihres Onkels habe sich die Situation für sie dann so zugespitzt, dass sie ihren inneren Gewissenskonflikt nur noch dadurch habe auflösen können, dass sie nunmehr den Kriegsdienstverweigerungsantrag stellte. Vor diesem Hintergrund wird auch nachvollziehbar, warum die Klägerin im Rahmen des Personalentwicklungsgesprächs vom 13. Mai 2015 hinsichtlich ihrer weiteren Verwendung nach Abschluss ihres Studiums ihrer Zukunftsplanung innerhalb der Bundeswehr noch zugestimmt hat. Sie hat hierzu in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher gewusst habe, wie es mit ihr weitergehe und dass die Lage für sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht so zugespitzt gewesen sei wie im Zeitpunkt der Antragstellung. Die Klägerin hat im Übrigen dann auch die Weiterverpflichtungserklärung für zwei weitere Jahre nicht mehr unterzeichnet, welche für die zunächst im Rahmen des Personalentwicklungsgesprächs festgelegte Facharztausbildung vonnöten gewesen wäre. Zeitlich nach diesem Personalentwicklungsgespräch habe sie noch intensive Gespräche mit ihrer Freundin aus Syrien geführt und weitere Erkenntnisse aus einer Semesterveranstaltung mit Bundeswehrärzten mit Auslandserfahrung bekommen. Auch habe sie sich in der zweiten Jahreshälfte 2015 aktiv mit ihrem Lebenspartner mit dem Thema einer möglichen Kriegsdienstverweigerung auseinandergesetzt. Das Gericht erkennt diesbezüglich an, dass die Gewissensentscheidung, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, den Schlusspunkt des inneren Wandlungsprozesses darstellt. Die rechtliche Anerkennung eines solchen Wandlungs- bzw. Umkehrprozesses macht es jedoch aus Sicht der Kammer notwendig, der Soldatin ein „inneres Zwischen-Stadium“ zuzubilligen, während dessen sie sich nach außen noch als pflichtbewusste Soldatin darstellt, ohne ihre Gewissenskonflikte zu offenbaren. Es muss damit also keineswegs gegen die Annahme einer inneren Umkehr sprechen, wenn ein betroffener Soldat sich zunächst noch durch äußere Anpassung geschützt hat, bevor er seine endgültige Gewissensentscheidung getroffen und sich dann auch nach außen dazu bekannt hat. So jedenfalls liegt der Fall nach Überzeugung der erkennenden Kammer hier. Der Einwand der Beklagtenseite, dass ein innerer Zusammenhang zwischen den Todesfällen in der Familie der Klägerin und der erforderlichen Gewissensentscheidung nicht erkennbar sei, vermag ebenfalls nicht durchzugreifen, da die Klägerin - wie bereits ausgeführt - über ihre reine Trauer über den Tod der nahen Angehörigen hinaus durch die damit verbundenen sehr schmerzhaften Verlusterfahrungen auch ihr Gewissen dahingehend fortentwickelt hat, dass sie es nach diesen Todesfällen unter keinen Umständen mehr habe mit ihrem Gewissen vereinbaren können, andere Familien durch ihren eigenen Waffeneinsatz in die von ihr selbst erlebte gleiche Leidenssituation zu bringen. Die beschriebene Weiterentwicklung des Gewissens der Klägerin kann von der Kammer aufgrund der tiefgreifenden Veränderung der Lebenssituation eines jungen Erwachsenen durch derartige Schicksalsschläge ohne weiteres nachvollzogen werden. Desweiteren steht der Annahme einer inneren Umkehr auch nicht entgegen, dass der Vater der Klägerin Berufssoldat gewesen ist und sie hierdurch in besonderer Weise einen vertieften Einblick in die Arbeit der Bundeswehr bereits zum Zeitpunkt ihrer Verpflichtung gehabt habe. Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, dass sie gerade aufgrund der Tatsache, dass ihr Vater Berufssoldat gewesen sei, ein einseitiges, letztlich ausschließlich positives Bild von der Bundeswehr gehabt habe, was vor dem Hintergrund dessen plausibel erscheint, dass der Vater der Klägerin seinem Beruf mit leidenschaftlicher Hingabe nachgegangen sei und er durch seinen Vorschlag, dass die Klägerin bei der Bundeswehr studieren solle, klar zum Ausdruck gebracht hat, dass innerfamiliär jemand in seine Fußstapfen treten solle. Der Klägerin kann auch kein gesteigerter Sachvortrag im Rahmen des Widerspruchsverfahrens dahingehend vorgehalten werden, dass sie erst dort eine Abkehr von ihrem zuvor als Vorbild beschriebenen Vater vorgenommen habe, indem sie ihm bewusste Fehlinformationen über den Soldatenberuf vorgeworfen habe. Denn das ausschließlich positive Bild von der Bundeswehr, das ihr Vater ihr vermittelt habe, hat die Klägerin auch bereits deutlich in ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag angesprochen, etwa in dem sie dort ausgeführt hat, dass der Charakter der Bundeswehr als militärische Organisation und einer bewaffneten Kraft in den Berichten ihres Vaters außer Acht geblieben sei. Wenn die Beklagte vorträgt, dass die Klägerin bereits im Zeitpunkt ihrer Verpflichtung bei der Bundeswehr im christlichen Glauben verwurzelt gewesen sei, so dass diesbezüglich eine Umkehr nicht erkennbar werde, so hat die Klägerin auch diesbezüglich eine plausible Erklärung abgeben können. So seien für sie beim Eintritt in die Bundeswehr der christliche Glaube und das Berufssoldatenleben aufgrund des Vorbilds ihres Vaters noch miteinander vereinbar gewesen. Aufgrund ihrer Erfahrungen während der nachfolgenden Jahre, insbesondere wiederum durch die beiden Todesfälle in der Familie, aber auch durch intensive Diskussionen mit ihrem fest im christlichen Glauben verwurzelten Lebenspartner, sei der Glaube noch stärker in den Mittelpunkt ihres Lebens getreten und sie sei dann nach einem längeren Erkenntnisprozess zu der Überzeugung gekommen, dass ihre christlichen Werte die Tötung eines anderen Menschen unter keinen Umständen mehr zuließen, auch nicht in Notwehrsituationen. Hierdurch wird erkennbar, dass sich die Klägerin in ihrem christlichen Glauben deutlich weiter entwickelt hat und so auch diesbezüglich eine Umkehr und ein Wandlungsprozess für das Gericht erkennbar sind. Darüber hinaus hat die Klägerin auch glaubhaft gemacht, dass sie mit ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag nicht bezweckt, Konfliktsituationen mit ihrem Lebenspartner zu bereinigen, welcher ihrer Tätigkeit bei der Bundeswehr kritisch gegenübersteht. Die Klägerin hat insoweit in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihr nicht darum gegangen, einen „Gleichklang“ mit ihrem Partner herzustellen; er sei auch nicht der Auslöser ihrer Entscheidung gewesen, er habe jedoch Denkanstöße geliefert und sie immer wieder mit Fragen konfrontiert, welche sie sich dann im Laufe der Zeit auch selbst gestellt habe. Auch dies erscheint vor dem Hintergrund der skizzierten persönlichen Entwicklung der Klägerin einsichtig und nachvollziehbar, zumal die Klägerin auf die erkennende Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck gemacht hat, dass sie leicht beeinflussbar wäre und sich zu ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag hätte drängen lassen.

Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin nur eine sog. „situationsbezogene Gewissensentscheidung“ getroffen hat, insbesondere nicht im Hinblick darauf, dass sich das Bild der Klägerin von der Bundeswehr - etwa hinsichtlich der Art der Einsätze für Sanitätspersonal im Ausland - aufgrund der Erfahrungsberichte von Kollegen mit Auslandserfahrung im Laufe der Zeit gewandelt hat. Eine „situationsbezogene Gewissensentscheidung“ ist nicht von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48/93 - juris). Eine solche liegt jedoch hier nicht vor, denn die Entscheidung zur Kriegsdienstverweigerung ist nicht etwa durch gegebenenfalls bevorstehende gefahrbringende Auslandseinsätze motiviert; diese haben der Klägerin vielmehr allenfalls einen zusätzlichen äußeren Anlass dazu gegeben, den bereits begonnenen inneren Wandlungsprozess zum Abschluss zu bringen und die Gewissensentscheidung dann endgültig nach außen kundzutun, da damit der Bezugspunkt ihrer bestehenden schweren Gewissensnot in Form eines gegebenenfalls todbringenden Waffeneinsatzes noch realistischer und greifbarer geworden ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass bei der Klägerin in der Gesamtschau ein längerer innerer Wandlungsprozess im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stattgefunden hat.

Zusammenfassend kann somit aufgrund der Würdigung der in der mündlichen Verhandlung erkennbar gewordenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin und ihrer glaubhaften Ausführungen ein längerfristiger innerer Wandlungsprozess festgestellt werden, sodass nach Überzeugung des Gerichts die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin in der Person der Klägerin vorliegen. Die Klägerin war nach alledem gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 1GG, § 5 KDVG als Kriegsdienstverweigerin anzuerkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die am ... 1986 geborene Klägerin hat sich als Soldatin auf Zeit für 17 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet und begehrt die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

Die Klägerin wurde zum 1. Juli 2006 als Sanitätsoffizier-Anwärterin in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit einberufen und den Teilstreitkräften Luftwaffe mit Studienrichtung Medizin zugeordnet. Ab 1. Oktober 2006 wurde sie zum Studium an einer Hochschule der Bundesrepublik Deutschland beurlaubt. Während des Studiums absolvierte sie in den Semesterferien verschiedene militärische Lehrgänge an der Sanitätsakademie der Bundeswehr, welche sie am 28. September 2007 mit der Note „gut und bestanden“ ablegte. Mit Wirkung zum 1. Juli 2009 wurde sie zum Leutnant und mit Wirkung zum 26. Oktober 2012 zum Stabsarzt (BesGr. A 13) ernannt. Laut Vermerk über ein Personalgespräch vom 1. Juni 2012 wurde einvernehmlich die Verwendungsplanung mit einer Verwendung im Fachgebiet Urologie erstellt. Demgemäß sollte die Klägerin nach dem Abschluss des Studiums an den Dienstort ihrer klinischen Erstverwendung versetzt und bis zur Einsteuerung in die „Postuniversitäre modulare Ausbildung von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr“ (PumA) an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in einer noch festzulegenden regionalen Sanitätseinrichtung eingesetzt werden. Nach Abschluss der PumA war für 24 weitere Monate eine in verschiedene Abschnitte gegliederte Weiterbildung bzw. Verwendung vorgesehen. Die Klägerin stimmte der Planung zu und zeichnete den Gesprächsvermerk am 20. Juni 2012 gegen.

Den ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung legte die Klägerin am 20. August 2008, den zweiten Abschnitt am 26. Oktober 2012 ab. Die Approbation zur Ärztin erhielt sie am 6. November 2012.

Am 7. August 2013 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen und begründete am 13. September 2013 dies im Wesentlichen wie folgt:

Den größten Teil ihr Dienstzeit habe sie in Freistellung zum Studium der Humanmedizin verbracht, so dass es nur selten Gelegenheiten gegeben habe, bei denen sie sich wirklich intensiv mit dem Thema Krieg und den Folgen beschäftigen habe müssen. Trotzdem habe sie immer wieder einzelne Ausschnitte und Situationen erlebt, die sich im letzten Jahr des Studiums so sehr verdichtet und zu einem äußerst bedrückenden Zustand verbunden hätten, dass sie bereits bei dem bloßen Gedanken an einen späteren Einsatz als Soldatin an der Waffe schweren seelischen Schaden erlitten habe.

Der Dienstantritt 2006 sei freiwillig erfolgt. Allerdings sei ihr inzwischen klar geworden, dass sie damals mit 19 Jahren nicht reif genug gewesen sei und auch nicht genug Erfahrungen besessen habe, um die Konsequenzen des Dienstes an der Waffe wirklich zu erfassen. Aufgrund diverser Erfahrungen sei sie weitergereift und denke nun über vieles anders als zu jener Zeit. Der Grundstein zu dieser Entscheidung sei schon in ihrer Erziehung, hauptsächlich durch die von der Mutter vermittelten religiösen Werte, gelegt worden. Ihre Erziehung sei geprägt gewesen von einem friedlichen und rücksichtsvollen Verhalten gegenüber anderen Menschen. Der Verzicht auf Gewalt zur Lösung von Konflikten sei oberstes Gebot gewesen. Ihr Vater, 38 Jahre im Dienst der Bundeswehr, stamme aus einer Familie, in der die Offizierslaufbahn Tradition gewesen sei. Er habe sie inspiriert, der Bundeswehr beizutreten. Aufgrund dieser Familiengeschichte sei sie praktisch mit der Bundeswehr aufgewachsen. Die Kameraden ihres Vaters habe sie als verantwortungsvolle und kultivierte Männer erlebt, bei denen Kameradschaft, sportliche Herausforderung und Verantwortung gegenüber Mitmenschen im Vordergrund gestanden hätten. Sie hingegen sei auf Kollegen mit latent rassistischer, zynischer und geradezu menschenverachtender Gesinnung gestoßen. Die Ausbildung an sich sei auch bei den Sanitätern hauptsächlich auf das Töten von Menschen ausgerichtet, da aufgrund der Einsatzbedingungen keine klare Grenze mehr zwischen Sanitätsdienst und kämpfender Truppe bestünde.

Ein Punkt, der die Gewissensentscheidung angestoßen habe, sei der Umgang ihres Vaters mit seinen Einsätzen im Kosovo und in Afghanistan. Über die Mission zur Aufdeckung ethnisch motivierter Gräueltaten, an der er beteiligt gewesen sei, spreche er mit niemandem aus der Familie. Er sei mit dem Leben in der Heimat nach seiner Pensionierung nicht wirklich zu Recht gekommen und habe als Zivilist eine Stelle bei der NATO in ... angetreten, wo er nun seit sieben Jahren arbeiten würde. Ein einschneidendes Erlebnis sei es gewesen, als sie eine CD mit einem Vortrag ihres Vaters über den KFOR-Einsatz gefunden habe. Darin hätten sich Fotos von dem Einsatz befunden; diese Erlebnisse müssten bei jedem Menschen eine nicht zu vermeidende Verrohung und Abstumpfung auslösen.

Das zweite Ereignis habe sie während ihrer Famulatur in der Anästhesie im Bundeswehrkrankenhaus 2009 erlebt. Sie habe einen im Einsatz durch friendly fire schwerst verwundeten Soldaten kennengelernt und erfahren, dass er vorher semiprofessioneller Triathlet gewesen, jetzt aber an Sport nicht mehr zu denken sei. Sie habe Wut angesichts ihrer Hilflosigkeit gefühlt. Ihr sei zum ersten Mal bewusst geworden, dass eine Waffe nicht nur töte, wenn sie gegen den Feind gerichtet werde. Es reiche vollkommen, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort sei. Dies habe sie bei ihrer Grundausbildung verdrängen können, da man immer gewusst hätte, dass sich im Gewehr nur Platzpatronen befänden bzw. man nur auf Pappscheiben geschossen habe.

Obwohl sie diese Erlebnisse schwer belastet hätten, habe sie keine Entscheidung treffen können, da seinerzeit die Verweigerung des Kriegsdienstes für Sanitätsoffiziere nicht möglich gewesen sei. Währenddessen hätten sich die Eindrücke über Krieg gehäuft, u. a. weil ihr Vater noch in Afghanistan gewesen sei bzw. ihre damalige Chefin jedes Jahr ins Ausland gegangen sei und davon berichtet habe. Der Konflikt sei schließlich so weit gegangen, dass sie ihre Lieblingssportart, eine asiatische Selbstverteidigung, aufgegeben habe.

Im letzten Studienjahr sei die Einplanung erfolgt. Zugleich habe die Vorbereitungsphase auf das Staatsexamen begonnen mit einer ihr vorher nie bekannten Stresssituation. Die Angst vor der Dienstzeit sei so groß gewesen, dass sie zeitweise nichts mehr habe essen können und wegen Alpträumen nie mehr als zwei bis drei Stunden geschlafen habe. Nach einem nur knapp überlebten Suizidversuch kurz nach dem Examen hätte sie sich dem Gewissenskonflikt gestellt. Während der PumA sei sie täglich mit dem Krieg konfrontiert worden und hätte erkannt, dass sie ihren Dienst nicht mehr fortsetzen könne, da sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren könne, einen Menschen durch Waffen zu verletzen oder zu töten. Im Ernstfall müsste sie durch Befehlsverweigerung ihre Kameraden gefährden. Ihr sei schmerzlich bewusst geworden, dass man mit der Waffe in der Hand nicht einmal eine Verletzungsabsicht haben müsse, denn Unfälle würden immer wieder vorkommen, auch in Friedensmissionen oder im Verteidigungskrieg. Als Ärztin sehe sie ihre Aufgabe in der Heilung von Menschen, weshalb sie später jeden Menschen unabhängig von äußeren Kriterien wie etwa Herkunft, Religion, etc. nach bestem Wissen und Gewissen behandeln werde.

Mit Schreiben vom 30. August 2013 gab Oberstabsarzt Dr. ... vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr eine ablehnende Stellungnahme zu dem Antrag der Klägerin ab. Unter Berücksichtigung der erfolgreich absolvierten militärischen Ausbildungsabschnitte und des Fehlens jeglicher Hinweise auf einen Gewissenskonflikt dränge sich der Verdacht auf, dass sich die Klägerin nach einer langjährigen und kostenintensiven Ausbildung ihrer Dienstpflicht zu entziehen versuche. Der Sanitätsdienst sei bezüglich seines Auftrags und Charakters ein waffenloser Dienst, der die Verwendung von Waffen im Sinne der Genfer Konvention nur zum Schutz des eigenen Lebens und des Lebens der anvertrauten Patienten zulasse. Die militärische Grundausbildung vom 1. Juli bis 30. September 2006 habe eine Schießausbildung mit Gefechtsmunition eingeschlossen, deren Wertungsprüfungen von der Klägerin vollumfänglich erfüllt worden seien. Sie habe während der Beurlaubung zum Studium verschiedene Schießübungen absolviert. Das Studium sei absolut planmäßig und ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Die militärischen Lehrgänge habe sie mit der Note „gut“ abgeschlossen (Offiziersprüfung 2007) und sei laut Beurteilungsvermerken zur Famulatur in den Einzelmerkmalen „Einsatzbereitschaft“ und „Zusammenarbeit/Teamfähigkeit“ mit „entspricht sehr deutlich den Anforderungen“ beurteilt worden. Schließlich habe sie wunschgemäß für den ersten klinischen Verwendungsabschnitt im Fachgebiet Urologie eingesetzt werden und an das Studium der Humanmedizin anrechenbare Weiterbildungsabschnitte erwerben können.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 ergänzte die Klägerin auf Anfrage der Beklagten die Begründung ihres Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (Bl. 32 - 37 der Behördenakten).

Mit Bescheid vom 26. November 2013 hat die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgelehnt, weil die Klägerin nicht zu überzeugen vermochte, dass sie in eine schwerwiegende Gewissensnot gerate, wenn sie in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsse. Bei einer Soldatin auf Zeit, die zunächst ohne erkennbaren Gewissenskonflikt über mehrere Jahre ihren Dienst geleistet habe, könne eine schwerwiegende Gewissensnot regelmäßig nur nach einem einschneidenden Schlüsselerlebnis oder einem längeren intensiven Wandlungsprozess angenommen werden. Wer sich freiwillig als Soldatin auf Zeit verpflichte, müsse sich auch der sich hieraus ergebenden Pflichten bewusst sein. Hierzu gehöre, im Gefahren- oder Bedrohungsfall gezielt auf Menschen zu schießen und diese ggf. zu töten. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ihr Vater 38 Jahre bei der Bundeswehr gedient habe, müsste ihr der Waffengebrauch bewusst gewesen sein. Ferner hätte sich die Klägerin als Sanitätskraft und nie als Teil der kämpfenden Truppe beworben. Seit der Einstellung hätten sich die Einsatz- und Verwendungsoptionen für Sanitätsoffiziere nicht grundlegend geändert. Schließlich bleibe offen, warum nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt der Weg aus der Bundeswehr gesucht, sondern der Antrag erst nach Abschluss des Studiums gestellt worden sei.

Hiergegen ließ die Klägerin am 30. Dezember 2013 Widerspruch einlegen und trug unter dem 11. Mai 2014 zur Begründung ergänzend vor, dass sie wegen der Belastung durch ihr Dienstverhältnis schwere gesundheitliche und psychische Schäden davongetragen habe. Hinzu komme ein Umstand, den sie bislang wegen Vertraulichkeit nicht habe anführen wollen. Nun habe aber aufgrund der ewigen Verzögerungen einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben einen solchen Schaden erlitten, dass sie eine Berücksichtigung des Umstands für unabdingbar halte. Ihr Verlobter leide seit seiner Adoleszenz an einer psychischen Erkrankung, wegen der er auch schon stationär behandelt habe werden müssen. Er habe zwar in den letzten zehn Jahren eine stabile Phase erreicht, allerdings hätte sich der Zustand Anfang des Jahres destabilisiert und er habe sich wegen eines Suizidversuchs in längerer stationärer Behandlung befunden. Ihre eigene Erfahrung mit dem Tod sei nicht halb so beängstigend gewesen, wie miterleben zu müssen, dass das Leben eines geliebten Menschen auf dem Spiel stehe. Von der Belastung durch den Umgang mit traumatisierten Soldaten brauche sie gar nicht zu reden. Die Geschichten und Lebensumstände dieser Menschen würden ihr jedes Mal das Herz brechen. Sie könne mit fester Entschlossenheit mitteilen, dass sie nicht aufgeben und jede zur Verfügung stehende Möglichkeit mit allen Konsequenzen durchführen werde, bis ihr das ihr zustehende Recht auf Verweigerung des Kriegsdiensts gewährt werden würde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe in der Begründung ihres Widerspruchs im Kern nichts Neues angeführt. Wenn die Klägerin ernstlich in einer Gewissensnot gewesen wäre, hätte sie schon früher reagieren können. Auch mit Blick auf die zeitliche Verzögerung bei der Widerspruchsbegründung hätten Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung nicht ausgeräumt werden können.

Hiergegen ließ die Klägerin am 4. Juni 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben. Für sie ist beantragt:

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 26. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2014 verpflichtet, die Klägerin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

2. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Klägerin führt zur Begründung aus, sie habe bei der Antragstellung ausführlich und überzeugend dargelegt, dass es sich bei dem Gewissenskonflikt um einen kontinuierlichen Prozess über eine längere Zeit gehandelt habe. Sie habe die den Wandlungsprozess auslösenden Schlüsselerlebnisse beschrieben und dargestellt. Dieser Wandlungsprozess stelle sich als glaubwürdig und nachvollziehbar dar. Die ergänzenden Fragen seien am 29. Oktober 2013 umfassend beantwortet worden. Die Ablehnungsbescheide seien lediglich formelhaft mit entsprechenden Textbausteinen begründet. Der wahre Grund der Ablehnung liege darin, dass im Jahr 2012 deutlich mehr Kriegsdienstverweigerungsanträge gestellt worden seien, was zu einer sehr viel strengeren und mit der Handhabung in den vorvergangenen Jahren nicht mehr vergleichbaren Entscheidungspraxis bei der Beklagten geführt habe.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2014 trat die Beklagte der Klage entgegen. Für sie ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

In beiden Bescheiden sei das klägerische Vorbringen wiedergegeben und einzelfallbezogen gewürdigt worden. Die Klägerin vermöge nicht zu überzeugen, dass sie in schwerwiegende Gewissensnot geriete, wenn sie in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsste. Ihre Gesinnungsumkehr aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses habe die Klägerin nicht glaubhaft machen können. Sie sei aufgrund eigener und freiwilliger Bewerbung am 1. Juli 2006 als Sanitätsoffiziersanwärterin bei der Bundeswehr eingestellt worden. Es müsse aufgrund des familiären Hintergrunds der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie im Vorfeld umfassend über die Aufgaben in der Bundeswehr informiert gewesen sei. Sie habe auch wissen müssen, was der Dienst bei der Bundeswehr neben „Kameradschaft“, „sportlicher Herausforderung“ und „Verantwortung gegenüber Menschen“ bedeuten würde. Darüber hinaus werde der Aufgabenbereich bereits in der Grundausbildung und anschließend in weiteren Informationsveranstaltungen vermittelt. Es überzeuge auch nicht, dass sich die Klägerin bei den Schießübungen auf Pappscheiben keine Gedanken gemacht haben wolle, da die Silhouette von Menschen darauf deutlich erkennbar sei. Soweit sich die Klägerin auf ein Ereignis während ihrer Famulatur im Bundeswehrkrankenhaus bzw. auf den Suizidversuch und den Eintritt eines endgültigen Gewissenskonflikts im Jahr 2012 berufe, hätte sie bereits damals einen Antrag stellen müssen. Schließlich sei die Klägerin noch am 26. Oktober 2012 zur Stabsärztin ernannt worden und habe sich somit auch rein äußerlich erkennbar mit der Bundeswehr und ihrem Beruf identifiziert. Soweit die Klägerin schwerwiegende gesundheitliche und psychische Beeinträchtigungen anführe, lasse dies nicht zwangsläufig auf einen Gewissensnotstand mit der Waffe schließen.

Am 18. Februar 2015 legte die Beklagte den „Leitfaden Grundsätze für Führung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr“ sowie das „Handbuch über die Einsatzgrundsätze der Sanitätsstaffel Einsatz, Stand Juli 20122 des Sanitätsamts der Bundeswehr vor, welche das Aufgabenspektrum des Sanitätspersonals festlegten. Danach halte der Sanitätsdienst der Bundeswehr sowohl konzeptionell als auch einsatztaktisch daran fest, dass Sanitätssoldaten ausschließlich gemäß den Bestimmungen des „Humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten“ eingesetzt würden. Ferner werde auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hinsichtlich des rechtlichen Status des Sanitätspersonals der Bundeswehr in Afghanistan vom 9. April 2010 verwiesen (BT-Drs. 17/1338).

Hierzu führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, dass die vorgelegten Richtlinien nicht mehr der Realität entsprächen, weil nach den Berichten von aus dem Einsatz zurückkehrenden Sanitätern und Ärzten diese an zwei von drei Tagen im Einsatz auf Fahrzeugen bewaffnet mitfahren und genauso eingesetzt werden würden, wie alle anderen Soldaten auch, d. h. sie müssten schießen, wenn sie angegriffen werden würden.

Am 19. März 2015 fand mündliche Verhandlung statt, bei der die Klägerin als Partei einvernommen wurde zu der Frage, welche Beweg- und Gewissensgründe für die von ihr begehrte Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin ausschlaggebend gewesen waren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behörden- und die Gerichtsakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 19. März 2015 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG) als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf ihren Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist, die dargelegten Beweggründe geeignet sind, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen, und das tatsächliche Gesamtvorbringen sowie die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nach § 6 KDVG nicht mehr bestehen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die von der Klägerin dargelegten Beweggründe sind nicht geeignet, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen. Auch hat sie bei ihrer Parteieinvernahme in der mündlichen Verhandlung die Zweifel an dem Vorliegen einer schwerwiegenden Gewissensnot wegen des Dienstes an der Waffe nicht zu entkräften vermocht. Das Gericht hält es nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände nicht für wahrscheinlich, dass die Klägerin eine verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat.

Für eine verbindliche Gewissensentscheidung müssen konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden (BVerwG, B.v. 6.2.1978 - VI B 36.77 - BVerwGE 55, 217). Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BVerfGE 12,45) jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 1. Februar 1989 (Az. 6 C 61.86 - BVerwGE 81, 239) klargestellt hat, ist Voraussetzung für die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht das „Zerbrechen der Persönlichkeit“ oder der Eintritt eines „schweren seelischen Schadens“. Es genügt vielmehr eine schwere Gewissensnot des Betroffenen, die im Einzelfall zu einem seelischen Schaden führen kann, aber nicht muss. Das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung lässt sich vielfach nicht in vollem Umfang beweisen. Es kann daher genügen, dass ein aufgrund aller in Betracht kommender Umstände ermittelter hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für eine solche Entscheidung spricht (BVerwG, U.v. 18.10.1972 - VIII C 46.72 - BVerwGE 41, 53).

Anders als bei Wehrpflichtigen, die vor oder bei Beginn des Wehrdienstes einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, ist bei Soldaten auf Zeit, die den Grundwehrdienst geleistet haben, ohne einen Konflikt mit dem Gewissen zu empfinden, für die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung allerdings der Nachweis einer „Umkehr“ der gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst mit der Waffe zu fordern. Die Umkehr kann nicht nur durch ein „Schlüsselerlebnis“ oder entsprechend schwerwiegende Umstände herbeigeführt werden, sondern kann auch das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses sein (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10.87 - BVerwGE 81, 294).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu Recht abgelehnt. Nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände, auch aufgrund des Eindrucks, den das Gericht bei der Befragung der Klägerin im Rahmen ihrer Einvernahme als Partei gewonnen hat, hält es das Gericht nicht für wahrscheinlich, dass bei der Klägerin im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt die behauptete verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorgelegen hat. Sie hat eine innere Umkehr nicht glaubhaft gemacht. Die von ihr ausgeführten Beweggründe für ihren Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer konnten die von der Beklagten angeführten Zweifel an einer inneren Umkehr im Sinne der Rechtsprechung nicht ausräumen.

Die Klägerin hat ihre innere Umkehr nicht mit einem „Schlüsselerlebnis“ begründet, sondern auf einen längeren Wandlungsprozess zurückgeführt. Insofern hat sie aber dem Gericht nicht die notwendige Überzeugungsgewissheit vermitteln können, dass sie aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses aus Gewissensgründen nicht mehr zum Dienst an der Waffe in der Lage sei. Die von ihr angeführten Beweggründe sind nicht geeignet, ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen.

Gegen das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe spricht zum einen der von der Klägerin gewählte Zeitpunkt zur Einreichung ihres Antrages auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nach Abschluss ihres Studiums. Die Klägerin konnte nicht überzeugend darlegen, weshalb sie gerade zum Zeitpunkt nach Erlangen der ärztlichen Approbation bzw. während der postuniversitären modularen Ausbildung von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr (PumA) und damit nach dem Ende ihres Medizinstudiums den inneren Wandlungsprozess mit dem Ergebnis einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe abgeschlossen hat. Insofern erscheint es vielmehr nicht unwahrscheinlich, dass sie im Hinblick auf ihre bevorstehende Versetzung in die Sanitätseinrichtungen der Bundeswehr andere Gründe zu ihrem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bewogen haben. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Klägerin nach ihrer freiwilligen Verpflichtung ihre mehrjährige Ausbildung absolvierte, ohne dass sie einen Konflikt mit ihrem Gewissen empfunden bzw. dies gegenüber Dritten bekundet hätte. Dies stellt ein starkes Indiz gegen die Annahme dar, sie habe nunmehr eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10.87 - BVerwGE 81, 294/295). Insofern fällt auf, dass die vorgetragene Entwicklung hin zu einer Gewissensentscheidung parallel zur beruflichen Ausbildungssituation verlief. Erst zu dem Zeitpunkt, als das Studium abgeschlossen war und sich somit Perspektiven für eine Berufsausübung außerhalb der Bundeswehr aufgetan haben, will die Klägerin zu einer endgültigen Gewissenentscheidung gelangt sein (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 38; U.v. 4.7.2013 - M 15 K 13.1234 - juris Rn. 62; VG Leipzig, U.v. 22.8.2013 - 3 K 733/11 - juris Rn. 24). Insofern ist es wenig überzeugend, dass die Klägerin zu keinem früheren Zeitpunkt, wo nach ihrem Bekunden ein gewisses Umdenken eingesetzt habe, ihre Gewissensprobleme zum Ausdruck gebracht hat. Selbst das Personalgespräch am 1. Juni 2012, bei dem die weitere Verwendungsplanung besprochen und einvernehmlich geregelt wurde, hat die Klägerin nicht zum Anlass genommen, ihre Gewissensnot zumindest anzudeuten. Schließlich ist die Klägerin noch am 26. Oktober 2012 zur Stabsärztin ernannt worden, womit sie auch nach außen hin zu erkennen gegeben hat, sich mit dem Dienst in der Bundeswehr zu identifizieren.

In diesem Zusammenhang sind auch die weiteren Erklärungen der Klägerin zu sehen. So gab sie an, sich mit der Zuspitzung des Afghanistankonflikts und der Fokussierung der Ausbildung auf Kampfeinsätze auch beim Sanitätspersonal nicht mehr habe vorstellen können, an einem solchen Einsatz teilzunehmen. Insofern erscheint es nicht fernliegend, dass die Klägerin im Hinblick auf die Versetzung in den Sanitätsdienst der Bundeswehr andere Gründe zu ihrem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bewogen haben. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin einen Kriegsdienst schlechthin ablehnt, da sie sich zunächst mit ihrer Verpflichtung als Soldatin auf Zeit im Sanitätsdienst zu einem Tun bereitgefunden hat, das auch ihre Teilnahme an militärischen Auseinandersetzungen bedeuten kann. Dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Bundeswehr nunmehr anders einordnet, nämlich auch als Waffen- und Soldatendienst verbunden mit einem etwaigen Auslandseinsatz und nicht (nur) in der Erfüllung eines Ausbildungsauftrags durch erfolgreiches Absolvieren eines Studiums, und dass sie sich insoweit in ihren Motiven, die sie zu dieser Berufswahl bewogen haben, getäuscht sieht, weil sie sich über die tatsächliche Tätigkeit einer Soldatin im Sanitätsdienst bei ihrer Bewerbung andere Vorstellungen gemacht hat, begründet selbst keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603).

Auch ist es für die Kammer insgesamt schwer nachvollziehbar, dass die Klägerin die Tätigkeit einer Sanitätsoffizierin, v.a. aber die damit einhergehenden möglichen Gefahren und Risiken etwa bei Auslandseinsätzen, erst aufgrund der Begegnung mit einem durch Beschuss eigener Kräfte schwer verwundeten Soldaten im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz richtig erfasst haben will. Hierzu gibt sie zwar an, ihr Vater, der selbst 38 Jahre im Dienst der Bundeswehr stand, habe sie inspiriert, der Bundeswehr beizutreten. Aufgrund der Familiengeschichte sei sie praktisch mit der Bundeswehr aufgewachsen, hätte diese aber in erster Linie mit Kameradschaft, sportlicher Herausforderung und anderen soldatischen Tugenden verbunden. Ihre Mutter hingegen scheint von Anfang an der Berufswahl reserviert gegenüber gestanden zu sein, da sie unter den häufigen Versetzungen und Abwesenheiten des Vaters gelitten habe. Es begegnet jedoch erheblichen Zweifeln, dass die Klägerin zutreffend davon ausgehen konnte und davon ausgegangen ist, der Dienst auch (nur) im Sanitätsbereich der Bundeswehr könnte sich dauerhaft auf eine Tätigkeit in dem oben geschilderten Umfeld beschränken. Diese Darstellung lässt die Tätigkeit eines Sanitätssoldaten in der Bundeswehr in einem Licht erscheinen, die der einer zivilen Verwendung nahe kommen würde. Dies widerspricht sowohl der offensichtlichen Aufgabe der Bundeswehr als Verteidigungsarmee als auch im speziellen der Aufgabe und Pflicht eines Soldaten im Sanitätsdienst, der, obwohl er entsprechend den einschlägigen Einsatzgrundsätzen trotz seiner allgemein-militärischen Fähigkeiten nicht für Sicherungsaufgaben und zur Durchsetzung von Kampfaufträgen eingesetzt und eingeplant werden darf, da er entsprechend den Vorgaben des Humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten nicht den Rechtsstatus eines Kombattanten hat, der zum Schutz der ihm anvertrauten Verwundeten und Kranken sowie zum eigenen Schutz Waffengewalt einsetzen darf bzw. muss. Nach den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen sprechen rechtliche Gründe nicht dagegen, Sanitätspersonal zeitweilig auch für andere Aufgaben, beispielsweise zur Übernahme von Sicherungsaufgaben in gemeinsamen Feldlagern, einzusetzen (Leitfaden - Grundsätze für Führung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr v. 31.7.2006, Kap. 3, Ziff. 301).

Überdies klammert die Vorstellung der Klägerin über den Dienst bei der Bundeswehr die sich schon lange vor 2006 verändernde Art der Auslandseinsätze, etwa 1999 durch die Teilnahme der Bundeswehr an Luftangriffen unter NATO-Führung im ehemaligen Jugoslawien oder an Kampfeinsätzen im Afghanistankonflikt, aus (vgl. VG Leipzig, U.v. 22.8.2013 - 3 K 733/11 - juris Rn. 36; VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.123 - juris Rn. 36; U.v. 4.7.2013 - M 15 K 13.1234 - juris Rn. 49). Bereits damals wurde in den Medien kritisch über die zunehmende Zahl ziviler Opfer verursacht durch Kampfeinsätze der Koalitionstruppen berichtet (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 36), etwa über den bislang schwerwiegendsten Einsatz mit der größten Anzahl ziviler Opfer durch die IASF in Folge einer Bombardierung durch US-Flugzeuge im September 2009, die von deutschen Soldaten angefordert worden waren. Die Rechtmäßigkeit dieses Einsatzes war und ist in der ISAF und in Deutschland umstritten (Quelle: wikipedia, Krieg in Afghanistan seit 2001).

Die Argumentation der Klägerin, im Hinblick auf die Besonderheiten des nichtinternationalen bewaffneten Konflikts in Afghanistan habe bezüglich der einsatztaktischen und -technischen Verfahrensweisen eine Anpassung dergestalt stattgefunden, dass Sanitätspersonal vermehrt zum Eigenschutz etwa bei den als Sanitätsfahrzeugen verwendeten Transportpanzern eingesetzt werde (vgl. Antwort der Bundesregierung vom 9.4.2010 zur Kleinen Anfrage u. a. der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 17/1338) und damit hinsichtlich seiner Verwendung - de facto - im Vergleich zur kämpfenden Truppe kaum mehr ein Unterschied ausgemacht werden könne, verfängt ebenfalls nicht. Denn eine am Charakter bestimmter Auslandseinsätze anknüpfende und insofern situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung erfüllt nicht die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG. Denn nicht geschützt ist eine Gewissensentscheidung lediglich gegen die Teilnahme an bestimmten Einsätzen und Kriegen oder unter bestimmten Bedingungen (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603). Entsprechendes gilt, wenn die Klägerin sich in dem menschlichen Umfeld in der Bundeswehr getäuscht sieht, weil sie - anders als bei den Kameraden ihres Vaters - Kollegen mit latent rassistischer, zynischer oder geradezu menschenverachtender Gesinnung angetroffen habe.

Die Erläuterungen der Klägerin, sie sei möglicherweise noch nicht reif genug gewesen, um die vollen Konsequenzen dieses Berufes abzuschätzen, überzeugen angesichts ihrer Ausbildung (Abitur mit Gesamtnote 1,4), ihrer Hobbys (Sportschützin von 1999 bis 2003), insbesondere aber im Hinblick auf ihren familiären Hintergrund, auch in der Sache nicht.

Schließlich erscheint es dem Gericht wenig glaubhaft und sogar widersprüchlich, dass sich die Klägerin in ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag wiederholt auf ihre gewaltfreie Erziehung berief. Es überzeugt bereits nicht, dass die Klägerin sieben Jahre nach ihrer Verpflichtung als Soldatin auf Zeit ihre von einem friedlichen und rücksichtsvollen Verhalten gegenüber anderen Menschen geprägte Erziehung als Grund für einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung angibt. Es kann auch bereits von einem neunzehnjährigen Menschen erwartet werden, dass sich dieser, bevor er sich als Soldat auf Zeit für 17 Jahre verpflichtet, mit den Aufgaben der Bundeswehr auseinandersetzt. Bereits im Jahre 2006, also zum Zeitpunkt der Verpflichtung als Soldatin auf Zeit, hatte die Klägerin die Möglichkeit, sich zu überlegen, inwieweit ihre gewaltfreie Erziehung mit den Zielen und den Aufgaben der Bundeswehr, und hier speziell im Bereich des Sanitätsdienstes, übereinstimmt (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 40). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Schilderung ihrer Schlüsse, die sie aus den Erzählungen von Auslandserfahrungen ihrer Vorgesetzten bzw. aus dem Verarbeitungsprozess ihres Vaters bezüglich seiner Auslandseinsätze gezogen haben will. Es ist für die Kammer schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin das Geschehen erst nach über sieben Jahren Dienst bei der Bundeswehr und nach Ende ihres Studiums in seinen wahren Ausmaßen erfasst haben will.

Soweit die Klägerin dies v.a. damit erklärt, dass sie während ihres Studiums mit der Bundeswehr wenig zu tun gehabt und aufgrund des Leistungsdrucks bei der Vorbereitung auf die Examina den Konflikt verdrängt habe, legen es ihre Ausführungen nahe, dass sie sich nach dem Ende ihres Studiums und mit Beginn der PumA erstmals nach ihrer Grundausbildung (wieder) mit der Realität des eigentlichen Einsatzes im Sanitätsdienst konfrontiert sah, nachdem sich nach ihren eigenem Bekunden die äußeren Bedingungen während ihrer Studienzeit von denen im „zivilen Leben“, abgesehen von den verschiedenen militärischen Lehrgängen und Übungen in den Semesterferien, kaum unterschieden hätten. Nachdem aber - wie oben ausgeführt - der Umstand, dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Bundeswehr nunmehr anders einordnet, nämlich auch als (Sanitäts-)Dienst in der Truppe und nicht nur in Erfüllung ihres Ausbildungsauftrags, selbst keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe begründet (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603), vermag dies keinen Anspruch auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu rechtfertigen.

Auch die von der Klägerin angeführte eigene gesundheitliche Belastung wie auch die psychische Erkrankung ihres Lebensgefährten sind nicht imstande, das Vorliegen einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst an der Waffe im Sinne der Rechtsprechung zu begründen. Abgesehen davon, dass diese allein auf den klägerischen Angaben beruhen und durch kein ärztliches Attest o.ä. belegt sind, können diese als Reaktion auf einmalige oder fortbestehende belastende Ereignisse vielfältige auslösende Faktoren haben. Die Ursache für die von der Klägerin geschilderten Symptome kann also nicht nur auf einer Belastung des Gewissens mit einem eventuellen Einsatz der Schusswaffe gegen Menschen beruhen, sondern ebenso gut auf Prüfungsangst, der Angst vor einem möglichen Auslandseinsatz, oder auch der Erkenntnis zuzuschreiben sein, in der Bundeswehr keine berufliche Zukunft (mehr) zu sehen. Insofern gibt die Klägerin selbst an, sich in der Vorbereitungsphase auf das Staatsexamen in einer ihr vorher nie bekannten Stresssituation befunden zu haben, was andere, weitere Ursachen für die psychische Belastung oder Erkrankung zumindest nahe legt. In diesem Kontext sind auch die weiteren Ausführungen der Klägerin einzuordnen, wonach sie das Gefühl gehabt habe, an dem Beruf zu zerbrechen, wenn sie in der Bundeswehr verbleibe. Das gesamte soldatische Umfeld habe sie belastet, insbesondere aber auch die Erwartungshaltung ihrer Ausbilder, wonach Ärzte im Einsatz vor allem gute Soldaten sein sollen.

Schließlich vermag auch der Gesamteindruck, den das Gericht von der Klägerin unter Berücksichtigung ihres Vortrags in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, die Zweifel an deren Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe nicht zu entkräften. Vielmehr legen die Ausführungen der Klägerin es nahe, dass sie mit der Wiedereingliederung in den Soldatendienst im Rahmen der PumA nach Abschluss ihres Studiums der Humanmedizin an einer zivilen Universität mit der Realität des eigentlichen Einsatzes im Sanitätsdienst konfrontiert wurde und erkannt hat, dass die Ausübung ihres Berufes in der Bundeswehr auch bzw. insbesondere wegen des „gesamten soldatischen Umfelds“ für sie nicht (mehr) in Frage kommt. Dieser Eindruck wird bestärkt dadurch, dass die Klägerin angibt, aus der Bundeswehr ausscheiden zu wollen, selbst wenn ihr ein Dienst ohne Waffe zugesichert werden würde. All dies lässt erkennen, dass die Klägerin angesichts der nunmehr erfolgten Versetzung in den Sanitätsdienst der Truppe, des für sie nicht tragbaren „soldatischen Umfelds“ und der Aussicht, unter diesen Rahmenbedingungen nunmehr über Jahre hinweg ihren Dienst verrichten zu müssen, „um jeden Preis“ ihren Dienst bei der Bundeswehr beenden will. Dies begründet aber keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen (§ 135 VwGO i. V. m. § 34 Satz 1 Wehrpflichtgesetz).

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die am ... 1986 geborene Klägerin hat sich als Soldatin auf Zeit für 17 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet und begehrt die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

Die Klägerin wurde zum 1. Juli 2006 als Sanitätsoffizier-Anwärterin in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit einberufen und den Teilstreitkräften Luftwaffe mit Studienrichtung Medizin zugeordnet. Ab 1. Oktober 2006 wurde sie zum Studium an einer Hochschule der Bundesrepublik Deutschland beurlaubt. Während des Studiums absolvierte sie in den Semesterferien verschiedene militärische Lehrgänge an der Sanitätsakademie der Bundeswehr, welche sie am 28. September 2007 mit der Note „gut und bestanden“ ablegte. Mit Wirkung zum 1. Juli 2009 wurde sie zum Leutnant und mit Wirkung zum 26. Oktober 2012 zum Stabsarzt (BesGr. A 13) ernannt. Laut Vermerk über ein Personalgespräch vom 1. Juni 2012 wurde einvernehmlich die Verwendungsplanung mit einer Verwendung im Fachgebiet Urologie erstellt. Demgemäß sollte die Klägerin nach dem Abschluss des Studiums an den Dienstort ihrer klinischen Erstverwendung versetzt und bis zur Einsteuerung in die „Postuniversitäre modulare Ausbildung von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr“ (PumA) an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in einer noch festzulegenden regionalen Sanitätseinrichtung eingesetzt werden. Nach Abschluss der PumA war für 24 weitere Monate eine in verschiedene Abschnitte gegliederte Weiterbildung bzw. Verwendung vorgesehen. Die Klägerin stimmte der Planung zu und zeichnete den Gesprächsvermerk am 20. Juni 2012 gegen.

Den ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung legte die Klägerin am 20. August 2008, den zweiten Abschnitt am 26. Oktober 2012 ab. Die Approbation zur Ärztin erhielt sie am 6. November 2012.

Am 7. August 2013 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen und begründete am 13. September 2013 dies im Wesentlichen wie folgt:

Den größten Teil ihr Dienstzeit habe sie in Freistellung zum Studium der Humanmedizin verbracht, so dass es nur selten Gelegenheiten gegeben habe, bei denen sie sich wirklich intensiv mit dem Thema Krieg und den Folgen beschäftigen habe müssen. Trotzdem habe sie immer wieder einzelne Ausschnitte und Situationen erlebt, die sich im letzten Jahr des Studiums so sehr verdichtet und zu einem äußerst bedrückenden Zustand verbunden hätten, dass sie bereits bei dem bloßen Gedanken an einen späteren Einsatz als Soldatin an der Waffe schweren seelischen Schaden erlitten habe.

Der Dienstantritt 2006 sei freiwillig erfolgt. Allerdings sei ihr inzwischen klar geworden, dass sie damals mit 19 Jahren nicht reif genug gewesen sei und auch nicht genug Erfahrungen besessen habe, um die Konsequenzen des Dienstes an der Waffe wirklich zu erfassen. Aufgrund diverser Erfahrungen sei sie weitergereift und denke nun über vieles anders als zu jener Zeit. Der Grundstein zu dieser Entscheidung sei schon in ihrer Erziehung, hauptsächlich durch die von der Mutter vermittelten religiösen Werte, gelegt worden. Ihre Erziehung sei geprägt gewesen von einem friedlichen und rücksichtsvollen Verhalten gegenüber anderen Menschen. Der Verzicht auf Gewalt zur Lösung von Konflikten sei oberstes Gebot gewesen. Ihr Vater, 38 Jahre im Dienst der Bundeswehr, stamme aus einer Familie, in der die Offizierslaufbahn Tradition gewesen sei. Er habe sie inspiriert, der Bundeswehr beizutreten. Aufgrund dieser Familiengeschichte sei sie praktisch mit der Bundeswehr aufgewachsen. Die Kameraden ihres Vaters habe sie als verantwortungsvolle und kultivierte Männer erlebt, bei denen Kameradschaft, sportliche Herausforderung und Verantwortung gegenüber Mitmenschen im Vordergrund gestanden hätten. Sie hingegen sei auf Kollegen mit latent rassistischer, zynischer und geradezu menschenverachtender Gesinnung gestoßen. Die Ausbildung an sich sei auch bei den Sanitätern hauptsächlich auf das Töten von Menschen ausgerichtet, da aufgrund der Einsatzbedingungen keine klare Grenze mehr zwischen Sanitätsdienst und kämpfender Truppe bestünde.

Ein Punkt, der die Gewissensentscheidung angestoßen habe, sei der Umgang ihres Vaters mit seinen Einsätzen im Kosovo und in Afghanistan. Über die Mission zur Aufdeckung ethnisch motivierter Gräueltaten, an der er beteiligt gewesen sei, spreche er mit niemandem aus der Familie. Er sei mit dem Leben in der Heimat nach seiner Pensionierung nicht wirklich zu Recht gekommen und habe als Zivilist eine Stelle bei der NATO in ... angetreten, wo er nun seit sieben Jahren arbeiten würde. Ein einschneidendes Erlebnis sei es gewesen, als sie eine CD mit einem Vortrag ihres Vaters über den KFOR-Einsatz gefunden habe. Darin hätten sich Fotos von dem Einsatz befunden; diese Erlebnisse müssten bei jedem Menschen eine nicht zu vermeidende Verrohung und Abstumpfung auslösen.

Das zweite Ereignis habe sie während ihrer Famulatur in der Anästhesie im Bundeswehrkrankenhaus 2009 erlebt. Sie habe einen im Einsatz durch friendly fire schwerst verwundeten Soldaten kennengelernt und erfahren, dass er vorher semiprofessioneller Triathlet gewesen, jetzt aber an Sport nicht mehr zu denken sei. Sie habe Wut angesichts ihrer Hilflosigkeit gefühlt. Ihr sei zum ersten Mal bewusst geworden, dass eine Waffe nicht nur töte, wenn sie gegen den Feind gerichtet werde. Es reiche vollkommen, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort sei. Dies habe sie bei ihrer Grundausbildung verdrängen können, da man immer gewusst hätte, dass sich im Gewehr nur Platzpatronen befänden bzw. man nur auf Pappscheiben geschossen habe.

Obwohl sie diese Erlebnisse schwer belastet hätten, habe sie keine Entscheidung treffen können, da seinerzeit die Verweigerung des Kriegsdienstes für Sanitätsoffiziere nicht möglich gewesen sei. Währenddessen hätten sich die Eindrücke über Krieg gehäuft, u. a. weil ihr Vater noch in Afghanistan gewesen sei bzw. ihre damalige Chefin jedes Jahr ins Ausland gegangen sei und davon berichtet habe. Der Konflikt sei schließlich so weit gegangen, dass sie ihre Lieblingssportart, eine asiatische Selbstverteidigung, aufgegeben habe.

Im letzten Studienjahr sei die Einplanung erfolgt. Zugleich habe die Vorbereitungsphase auf das Staatsexamen begonnen mit einer ihr vorher nie bekannten Stresssituation. Die Angst vor der Dienstzeit sei so groß gewesen, dass sie zeitweise nichts mehr habe essen können und wegen Alpträumen nie mehr als zwei bis drei Stunden geschlafen habe. Nach einem nur knapp überlebten Suizidversuch kurz nach dem Examen hätte sie sich dem Gewissenskonflikt gestellt. Während der PumA sei sie täglich mit dem Krieg konfrontiert worden und hätte erkannt, dass sie ihren Dienst nicht mehr fortsetzen könne, da sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren könne, einen Menschen durch Waffen zu verletzen oder zu töten. Im Ernstfall müsste sie durch Befehlsverweigerung ihre Kameraden gefährden. Ihr sei schmerzlich bewusst geworden, dass man mit der Waffe in der Hand nicht einmal eine Verletzungsabsicht haben müsse, denn Unfälle würden immer wieder vorkommen, auch in Friedensmissionen oder im Verteidigungskrieg. Als Ärztin sehe sie ihre Aufgabe in der Heilung von Menschen, weshalb sie später jeden Menschen unabhängig von äußeren Kriterien wie etwa Herkunft, Religion, etc. nach bestem Wissen und Gewissen behandeln werde.

Mit Schreiben vom 30. August 2013 gab Oberstabsarzt Dr. ... vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr eine ablehnende Stellungnahme zu dem Antrag der Klägerin ab. Unter Berücksichtigung der erfolgreich absolvierten militärischen Ausbildungsabschnitte und des Fehlens jeglicher Hinweise auf einen Gewissenskonflikt dränge sich der Verdacht auf, dass sich die Klägerin nach einer langjährigen und kostenintensiven Ausbildung ihrer Dienstpflicht zu entziehen versuche. Der Sanitätsdienst sei bezüglich seines Auftrags und Charakters ein waffenloser Dienst, der die Verwendung von Waffen im Sinne der Genfer Konvention nur zum Schutz des eigenen Lebens und des Lebens der anvertrauten Patienten zulasse. Die militärische Grundausbildung vom 1. Juli bis 30. September 2006 habe eine Schießausbildung mit Gefechtsmunition eingeschlossen, deren Wertungsprüfungen von der Klägerin vollumfänglich erfüllt worden seien. Sie habe während der Beurlaubung zum Studium verschiedene Schießübungen absolviert. Das Studium sei absolut planmäßig und ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Die militärischen Lehrgänge habe sie mit der Note „gut“ abgeschlossen (Offiziersprüfung 2007) und sei laut Beurteilungsvermerken zur Famulatur in den Einzelmerkmalen „Einsatzbereitschaft“ und „Zusammenarbeit/Teamfähigkeit“ mit „entspricht sehr deutlich den Anforderungen“ beurteilt worden. Schließlich habe sie wunschgemäß für den ersten klinischen Verwendungsabschnitt im Fachgebiet Urologie eingesetzt werden und an das Studium der Humanmedizin anrechenbare Weiterbildungsabschnitte erwerben können.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 ergänzte die Klägerin auf Anfrage der Beklagten die Begründung ihres Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (Bl. 32 - 37 der Behördenakten).

Mit Bescheid vom 26. November 2013 hat die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgelehnt, weil die Klägerin nicht zu überzeugen vermochte, dass sie in eine schwerwiegende Gewissensnot gerate, wenn sie in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsse. Bei einer Soldatin auf Zeit, die zunächst ohne erkennbaren Gewissenskonflikt über mehrere Jahre ihren Dienst geleistet habe, könne eine schwerwiegende Gewissensnot regelmäßig nur nach einem einschneidenden Schlüsselerlebnis oder einem längeren intensiven Wandlungsprozess angenommen werden. Wer sich freiwillig als Soldatin auf Zeit verpflichte, müsse sich auch der sich hieraus ergebenden Pflichten bewusst sein. Hierzu gehöre, im Gefahren- oder Bedrohungsfall gezielt auf Menschen zu schießen und diese ggf. zu töten. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ihr Vater 38 Jahre bei der Bundeswehr gedient habe, müsste ihr der Waffengebrauch bewusst gewesen sein. Ferner hätte sich die Klägerin als Sanitätskraft und nie als Teil der kämpfenden Truppe beworben. Seit der Einstellung hätten sich die Einsatz- und Verwendungsoptionen für Sanitätsoffiziere nicht grundlegend geändert. Schließlich bleibe offen, warum nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt der Weg aus der Bundeswehr gesucht, sondern der Antrag erst nach Abschluss des Studiums gestellt worden sei.

Hiergegen ließ die Klägerin am 30. Dezember 2013 Widerspruch einlegen und trug unter dem 11. Mai 2014 zur Begründung ergänzend vor, dass sie wegen der Belastung durch ihr Dienstverhältnis schwere gesundheitliche und psychische Schäden davongetragen habe. Hinzu komme ein Umstand, den sie bislang wegen Vertraulichkeit nicht habe anführen wollen. Nun habe aber aufgrund der ewigen Verzögerungen einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben einen solchen Schaden erlitten, dass sie eine Berücksichtigung des Umstands für unabdingbar halte. Ihr Verlobter leide seit seiner Adoleszenz an einer psychischen Erkrankung, wegen der er auch schon stationär behandelt habe werden müssen. Er habe zwar in den letzten zehn Jahren eine stabile Phase erreicht, allerdings hätte sich der Zustand Anfang des Jahres destabilisiert und er habe sich wegen eines Suizidversuchs in längerer stationärer Behandlung befunden. Ihre eigene Erfahrung mit dem Tod sei nicht halb so beängstigend gewesen, wie miterleben zu müssen, dass das Leben eines geliebten Menschen auf dem Spiel stehe. Von der Belastung durch den Umgang mit traumatisierten Soldaten brauche sie gar nicht zu reden. Die Geschichten und Lebensumstände dieser Menschen würden ihr jedes Mal das Herz brechen. Sie könne mit fester Entschlossenheit mitteilen, dass sie nicht aufgeben und jede zur Verfügung stehende Möglichkeit mit allen Konsequenzen durchführen werde, bis ihr das ihr zustehende Recht auf Verweigerung des Kriegsdiensts gewährt werden würde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe in der Begründung ihres Widerspruchs im Kern nichts Neues angeführt. Wenn die Klägerin ernstlich in einer Gewissensnot gewesen wäre, hätte sie schon früher reagieren können. Auch mit Blick auf die zeitliche Verzögerung bei der Widerspruchsbegründung hätten Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung nicht ausgeräumt werden können.

Hiergegen ließ die Klägerin am 4. Juni 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben. Für sie ist beantragt:

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 26. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2014 verpflichtet, die Klägerin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

2. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Klägerin führt zur Begründung aus, sie habe bei der Antragstellung ausführlich und überzeugend dargelegt, dass es sich bei dem Gewissenskonflikt um einen kontinuierlichen Prozess über eine längere Zeit gehandelt habe. Sie habe die den Wandlungsprozess auslösenden Schlüsselerlebnisse beschrieben und dargestellt. Dieser Wandlungsprozess stelle sich als glaubwürdig und nachvollziehbar dar. Die ergänzenden Fragen seien am 29. Oktober 2013 umfassend beantwortet worden. Die Ablehnungsbescheide seien lediglich formelhaft mit entsprechenden Textbausteinen begründet. Der wahre Grund der Ablehnung liege darin, dass im Jahr 2012 deutlich mehr Kriegsdienstverweigerungsanträge gestellt worden seien, was zu einer sehr viel strengeren und mit der Handhabung in den vorvergangenen Jahren nicht mehr vergleichbaren Entscheidungspraxis bei der Beklagten geführt habe.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2014 trat die Beklagte der Klage entgegen. Für sie ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

In beiden Bescheiden sei das klägerische Vorbringen wiedergegeben und einzelfallbezogen gewürdigt worden. Die Klägerin vermöge nicht zu überzeugen, dass sie in schwerwiegende Gewissensnot geriete, wenn sie in irgendeiner Weise einen Beitrag zum Töten von Menschen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen leisten müsste. Ihre Gesinnungsumkehr aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses habe die Klägerin nicht glaubhaft machen können. Sie sei aufgrund eigener und freiwilliger Bewerbung am 1. Juli 2006 als Sanitätsoffiziersanwärterin bei der Bundeswehr eingestellt worden. Es müsse aufgrund des familiären Hintergrunds der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie im Vorfeld umfassend über die Aufgaben in der Bundeswehr informiert gewesen sei. Sie habe auch wissen müssen, was der Dienst bei der Bundeswehr neben „Kameradschaft“, „sportlicher Herausforderung“ und „Verantwortung gegenüber Menschen“ bedeuten würde. Darüber hinaus werde der Aufgabenbereich bereits in der Grundausbildung und anschließend in weiteren Informationsveranstaltungen vermittelt. Es überzeuge auch nicht, dass sich die Klägerin bei den Schießübungen auf Pappscheiben keine Gedanken gemacht haben wolle, da die Silhouette von Menschen darauf deutlich erkennbar sei. Soweit sich die Klägerin auf ein Ereignis während ihrer Famulatur im Bundeswehrkrankenhaus bzw. auf den Suizidversuch und den Eintritt eines endgültigen Gewissenskonflikts im Jahr 2012 berufe, hätte sie bereits damals einen Antrag stellen müssen. Schließlich sei die Klägerin noch am 26. Oktober 2012 zur Stabsärztin ernannt worden und habe sich somit auch rein äußerlich erkennbar mit der Bundeswehr und ihrem Beruf identifiziert. Soweit die Klägerin schwerwiegende gesundheitliche und psychische Beeinträchtigungen anführe, lasse dies nicht zwangsläufig auf einen Gewissensnotstand mit der Waffe schließen.

Am 18. Februar 2015 legte die Beklagte den „Leitfaden Grundsätze für Führung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr“ sowie das „Handbuch über die Einsatzgrundsätze der Sanitätsstaffel Einsatz, Stand Juli 20122 des Sanitätsamts der Bundeswehr vor, welche das Aufgabenspektrum des Sanitätspersonals festlegten. Danach halte der Sanitätsdienst der Bundeswehr sowohl konzeptionell als auch einsatztaktisch daran fest, dass Sanitätssoldaten ausschließlich gemäß den Bestimmungen des „Humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten“ eingesetzt würden. Ferner werde auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hinsichtlich des rechtlichen Status des Sanitätspersonals der Bundeswehr in Afghanistan vom 9. April 2010 verwiesen (BT-Drs. 17/1338).

Hierzu führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, dass die vorgelegten Richtlinien nicht mehr der Realität entsprächen, weil nach den Berichten von aus dem Einsatz zurückkehrenden Sanitätern und Ärzten diese an zwei von drei Tagen im Einsatz auf Fahrzeugen bewaffnet mitfahren und genauso eingesetzt werden würden, wie alle anderen Soldaten auch, d. h. sie müssten schießen, wenn sie angegriffen werden würden.

Am 19. März 2015 fand mündliche Verhandlung statt, bei der die Klägerin als Partei einvernommen wurde zu der Frage, welche Beweg- und Gewissensgründe für die von ihr begehrte Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin ausschlaggebend gewesen waren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behörden- und die Gerichtsakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 19. März 2015 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG) als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf ihren Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist, die dargelegten Beweggründe geeignet sind, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen, und das tatsächliche Gesamtvorbringen sowie die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nach § 6 KDVG nicht mehr bestehen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die von der Klägerin dargelegten Beweggründe sind nicht geeignet, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen. Auch hat sie bei ihrer Parteieinvernahme in der mündlichen Verhandlung die Zweifel an dem Vorliegen einer schwerwiegenden Gewissensnot wegen des Dienstes an der Waffe nicht zu entkräften vermocht. Das Gericht hält es nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände nicht für wahrscheinlich, dass die Klägerin eine verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat.

Für eine verbindliche Gewissensentscheidung müssen konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden (BVerwG, B.v. 6.2.1978 - VI B 36.77 - BVerwGE 55, 217). Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BVerfGE 12,45) jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 1. Februar 1989 (Az. 6 C 61.86 - BVerwGE 81, 239) klargestellt hat, ist Voraussetzung für die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht das „Zerbrechen der Persönlichkeit“ oder der Eintritt eines „schweren seelischen Schadens“. Es genügt vielmehr eine schwere Gewissensnot des Betroffenen, die im Einzelfall zu einem seelischen Schaden führen kann, aber nicht muss. Das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung lässt sich vielfach nicht in vollem Umfang beweisen. Es kann daher genügen, dass ein aufgrund aller in Betracht kommender Umstände ermittelter hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für eine solche Entscheidung spricht (BVerwG, U.v. 18.10.1972 - VIII C 46.72 - BVerwGE 41, 53).

Anders als bei Wehrpflichtigen, die vor oder bei Beginn des Wehrdienstes einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, ist bei Soldaten auf Zeit, die den Grundwehrdienst geleistet haben, ohne einen Konflikt mit dem Gewissen zu empfinden, für die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung allerdings der Nachweis einer „Umkehr“ der gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst mit der Waffe zu fordern. Die Umkehr kann nicht nur durch ein „Schlüsselerlebnis“ oder entsprechend schwerwiegende Umstände herbeigeführt werden, sondern kann auch das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses sein (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10.87 - BVerwGE 81, 294).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu Recht abgelehnt. Nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände, auch aufgrund des Eindrucks, den das Gericht bei der Befragung der Klägerin im Rahmen ihrer Einvernahme als Partei gewonnen hat, hält es das Gericht nicht für wahrscheinlich, dass bei der Klägerin im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt die behauptete verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorgelegen hat. Sie hat eine innere Umkehr nicht glaubhaft gemacht. Die von ihr ausgeführten Beweggründe für ihren Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer konnten die von der Beklagten angeführten Zweifel an einer inneren Umkehr im Sinne der Rechtsprechung nicht ausräumen.

Die Klägerin hat ihre innere Umkehr nicht mit einem „Schlüsselerlebnis“ begründet, sondern auf einen längeren Wandlungsprozess zurückgeführt. Insofern hat sie aber dem Gericht nicht die notwendige Überzeugungsgewissheit vermitteln können, dass sie aufgrund eines längeren intensiven Wandlungsprozesses aus Gewissensgründen nicht mehr zum Dienst an der Waffe in der Lage sei. Die von ihr angeführten Beweggründe sind nicht geeignet, ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen.

Gegen das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe spricht zum einen der von der Klägerin gewählte Zeitpunkt zur Einreichung ihres Antrages auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nach Abschluss ihres Studiums. Die Klägerin konnte nicht überzeugend darlegen, weshalb sie gerade zum Zeitpunkt nach Erlangen der ärztlichen Approbation bzw. während der postuniversitären modularen Ausbildung von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr (PumA) und damit nach dem Ende ihres Medizinstudiums den inneren Wandlungsprozess mit dem Ergebnis einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe abgeschlossen hat. Insofern erscheint es vielmehr nicht unwahrscheinlich, dass sie im Hinblick auf ihre bevorstehende Versetzung in die Sanitätseinrichtungen der Bundeswehr andere Gründe zu ihrem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bewogen haben. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Klägerin nach ihrer freiwilligen Verpflichtung ihre mehrjährige Ausbildung absolvierte, ohne dass sie einen Konflikt mit ihrem Gewissen empfunden bzw. dies gegenüber Dritten bekundet hätte. Dies stellt ein starkes Indiz gegen die Annahme dar, sie habe nunmehr eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10.87 - BVerwGE 81, 294/295). Insofern fällt auf, dass die vorgetragene Entwicklung hin zu einer Gewissensentscheidung parallel zur beruflichen Ausbildungssituation verlief. Erst zu dem Zeitpunkt, als das Studium abgeschlossen war und sich somit Perspektiven für eine Berufsausübung außerhalb der Bundeswehr aufgetan haben, will die Klägerin zu einer endgültigen Gewissenentscheidung gelangt sein (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 38; U.v. 4.7.2013 - M 15 K 13.1234 - juris Rn. 62; VG Leipzig, U.v. 22.8.2013 - 3 K 733/11 - juris Rn. 24). Insofern ist es wenig überzeugend, dass die Klägerin zu keinem früheren Zeitpunkt, wo nach ihrem Bekunden ein gewisses Umdenken eingesetzt habe, ihre Gewissensprobleme zum Ausdruck gebracht hat. Selbst das Personalgespräch am 1. Juni 2012, bei dem die weitere Verwendungsplanung besprochen und einvernehmlich geregelt wurde, hat die Klägerin nicht zum Anlass genommen, ihre Gewissensnot zumindest anzudeuten. Schließlich ist die Klägerin noch am 26. Oktober 2012 zur Stabsärztin ernannt worden, womit sie auch nach außen hin zu erkennen gegeben hat, sich mit dem Dienst in der Bundeswehr zu identifizieren.

In diesem Zusammenhang sind auch die weiteren Erklärungen der Klägerin zu sehen. So gab sie an, sich mit der Zuspitzung des Afghanistankonflikts und der Fokussierung der Ausbildung auf Kampfeinsätze auch beim Sanitätspersonal nicht mehr habe vorstellen können, an einem solchen Einsatz teilzunehmen. Insofern erscheint es nicht fernliegend, dass die Klägerin im Hinblick auf die Versetzung in den Sanitätsdienst der Bundeswehr andere Gründe zu ihrem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bewogen haben. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin einen Kriegsdienst schlechthin ablehnt, da sie sich zunächst mit ihrer Verpflichtung als Soldatin auf Zeit im Sanitätsdienst zu einem Tun bereitgefunden hat, das auch ihre Teilnahme an militärischen Auseinandersetzungen bedeuten kann. Dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Bundeswehr nunmehr anders einordnet, nämlich auch als Waffen- und Soldatendienst verbunden mit einem etwaigen Auslandseinsatz und nicht (nur) in der Erfüllung eines Ausbildungsauftrags durch erfolgreiches Absolvieren eines Studiums, und dass sie sich insoweit in ihren Motiven, die sie zu dieser Berufswahl bewogen haben, getäuscht sieht, weil sie sich über die tatsächliche Tätigkeit einer Soldatin im Sanitätsdienst bei ihrer Bewerbung andere Vorstellungen gemacht hat, begründet selbst keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603).

Auch ist es für die Kammer insgesamt schwer nachvollziehbar, dass die Klägerin die Tätigkeit einer Sanitätsoffizierin, v.a. aber die damit einhergehenden möglichen Gefahren und Risiken etwa bei Auslandseinsätzen, erst aufgrund der Begegnung mit einem durch Beschuss eigener Kräfte schwer verwundeten Soldaten im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz richtig erfasst haben will. Hierzu gibt sie zwar an, ihr Vater, der selbst 38 Jahre im Dienst der Bundeswehr stand, habe sie inspiriert, der Bundeswehr beizutreten. Aufgrund der Familiengeschichte sei sie praktisch mit der Bundeswehr aufgewachsen, hätte diese aber in erster Linie mit Kameradschaft, sportlicher Herausforderung und anderen soldatischen Tugenden verbunden. Ihre Mutter hingegen scheint von Anfang an der Berufswahl reserviert gegenüber gestanden zu sein, da sie unter den häufigen Versetzungen und Abwesenheiten des Vaters gelitten habe. Es begegnet jedoch erheblichen Zweifeln, dass die Klägerin zutreffend davon ausgehen konnte und davon ausgegangen ist, der Dienst auch (nur) im Sanitätsbereich der Bundeswehr könnte sich dauerhaft auf eine Tätigkeit in dem oben geschilderten Umfeld beschränken. Diese Darstellung lässt die Tätigkeit eines Sanitätssoldaten in der Bundeswehr in einem Licht erscheinen, die der einer zivilen Verwendung nahe kommen würde. Dies widerspricht sowohl der offensichtlichen Aufgabe der Bundeswehr als Verteidigungsarmee als auch im speziellen der Aufgabe und Pflicht eines Soldaten im Sanitätsdienst, der, obwohl er entsprechend den einschlägigen Einsatzgrundsätzen trotz seiner allgemein-militärischen Fähigkeiten nicht für Sicherungsaufgaben und zur Durchsetzung von Kampfaufträgen eingesetzt und eingeplant werden darf, da er entsprechend den Vorgaben des Humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten nicht den Rechtsstatus eines Kombattanten hat, der zum Schutz der ihm anvertrauten Verwundeten und Kranken sowie zum eigenen Schutz Waffengewalt einsetzen darf bzw. muss. Nach den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen sprechen rechtliche Gründe nicht dagegen, Sanitätspersonal zeitweilig auch für andere Aufgaben, beispielsweise zur Übernahme von Sicherungsaufgaben in gemeinsamen Feldlagern, einzusetzen (Leitfaden - Grundsätze für Führung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr v. 31.7.2006, Kap. 3, Ziff. 301).

Überdies klammert die Vorstellung der Klägerin über den Dienst bei der Bundeswehr die sich schon lange vor 2006 verändernde Art der Auslandseinsätze, etwa 1999 durch die Teilnahme der Bundeswehr an Luftangriffen unter NATO-Führung im ehemaligen Jugoslawien oder an Kampfeinsätzen im Afghanistankonflikt, aus (vgl. VG Leipzig, U.v. 22.8.2013 - 3 K 733/11 - juris Rn. 36; VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.123 - juris Rn. 36; U.v. 4.7.2013 - M 15 K 13.1234 - juris Rn. 49). Bereits damals wurde in den Medien kritisch über die zunehmende Zahl ziviler Opfer verursacht durch Kampfeinsätze der Koalitionstruppen berichtet (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 36), etwa über den bislang schwerwiegendsten Einsatz mit der größten Anzahl ziviler Opfer durch die IASF in Folge einer Bombardierung durch US-Flugzeuge im September 2009, die von deutschen Soldaten angefordert worden waren. Die Rechtmäßigkeit dieses Einsatzes war und ist in der ISAF und in Deutschland umstritten (Quelle: wikipedia, Krieg in Afghanistan seit 2001).

Die Argumentation der Klägerin, im Hinblick auf die Besonderheiten des nichtinternationalen bewaffneten Konflikts in Afghanistan habe bezüglich der einsatztaktischen und -technischen Verfahrensweisen eine Anpassung dergestalt stattgefunden, dass Sanitätspersonal vermehrt zum Eigenschutz etwa bei den als Sanitätsfahrzeugen verwendeten Transportpanzern eingesetzt werde (vgl. Antwort der Bundesregierung vom 9.4.2010 zur Kleinen Anfrage u. a. der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 17/1338) und damit hinsichtlich seiner Verwendung - de facto - im Vergleich zur kämpfenden Truppe kaum mehr ein Unterschied ausgemacht werden könne, verfängt ebenfalls nicht. Denn eine am Charakter bestimmter Auslandseinsätze anknüpfende und insofern situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung erfüllt nicht die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG. Denn nicht geschützt ist eine Gewissensentscheidung lediglich gegen die Teilnahme an bestimmten Einsätzen und Kriegen oder unter bestimmten Bedingungen (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603). Entsprechendes gilt, wenn die Klägerin sich in dem menschlichen Umfeld in der Bundeswehr getäuscht sieht, weil sie - anders als bei den Kameraden ihres Vaters - Kollegen mit latent rassistischer, zynischer oder geradezu menschenverachtender Gesinnung angetroffen habe.

Die Erläuterungen der Klägerin, sie sei möglicherweise noch nicht reif genug gewesen, um die vollen Konsequenzen dieses Berufes abzuschätzen, überzeugen angesichts ihrer Ausbildung (Abitur mit Gesamtnote 1,4), ihrer Hobbys (Sportschützin von 1999 bis 2003), insbesondere aber im Hinblick auf ihren familiären Hintergrund, auch in der Sache nicht.

Schließlich erscheint es dem Gericht wenig glaubhaft und sogar widersprüchlich, dass sich die Klägerin in ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag wiederholt auf ihre gewaltfreie Erziehung berief. Es überzeugt bereits nicht, dass die Klägerin sieben Jahre nach ihrer Verpflichtung als Soldatin auf Zeit ihre von einem friedlichen und rücksichtsvollen Verhalten gegenüber anderen Menschen geprägte Erziehung als Grund für einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung angibt. Es kann auch bereits von einem neunzehnjährigen Menschen erwartet werden, dass sich dieser, bevor er sich als Soldat auf Zeit für 17 Jahre verpflichtet, mit den Aufgaben der Bundeswehr auseinandersetzt. Bereits im Jahre 2006, also zum Zeitpunkt der Verpflichtung als Soldatin auf Zeit, hatte die Klägerin die Möglichkeit, sich zu überlegen, inwieweit ihre gewaltfreie Erziehung mit den Zielen und den Aufgaben der Bundeswehr, und hier speziell im Bereich des Sanitätsdienstes, übereinstimmt (vgl. VG München, U.v. 13.6.2013 - M 15 K 13.572 - juris Rn. 40). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Schilderung ihrer Schlüsse, die sie aus den Erzählungen von Auslandserfahrungen ihrer Vorgesetzten bzw. aus dem Verarbeitungsprozess ihres Vaters bezüglich seiner Auslandseinsätze gezogen haben will. Es ist für die Kammer schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin das Geschehen erst nach über sieben Jahren Dienst bei der Bundeswehr und nach Ende ihres Studiums in seinen wahren Ausmaßen erfasst haben will.

Soweit die Klägerin dies v.a. damit erklärt, dass sie während ihres Studiums mit der Bundeswehr wenig zu tun gehabt und aufgrund des Leistungsdrucks bei der Vorbereitung auf die Examina den Konflikt verdrängt habe, legen es ihre Ausführungen nahe, dass sie sich nach dem Ende ihres Studiums und mit Beginn der PumA erstmals nach ihrer Grundausbildung (wieder) mit der Realität des eigentlichen Einsatzes im Sanitätsdienst konfrontiert sah, nachdem sich nach ihren eigenem Bekunden die äußeren Bedingungen während ihrer Studienzeit von denen im „zivilen Leben“, abgesehen von den verschiedenen militärischen Lehrgängen und Übungen in den Semesterferien, kaum unterschieden hätten. Nachdem aber - wie oben ausgeführt - der Umstand, dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Bundeswehr nunmehr anders einordnet, nämlich auch als (Sanitäts-)Dienst in der Truppe und nicht nur in Erfüllung ihres Ausbildungsauftrags, selbst keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe begründet (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48.93 - NJW 1994, 603), vermag dies keinen Anspruch auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu rechtfertigen.

Auch die von der Klägerin angeführte eigene gesundheitliche Belastung wie auch die psychische Erkrankung ihres Lebensgefährten sind nicht imstande, das Vorliegen einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst an der Waffe im Sinne der Rechtsprechung zu begründen. Abgesehen davon, dass diese allein auf den klägerischen Angaben beruhen und durch kein ärztliches Attest o.ä. belegt sind, können diese als Reaktion auf einmalige oder fortbestehende belastende Ereignisse vielfältige auslösende Faktoren haben. Die Ursache für die von der Klägerin geschilderten Symptome kann also nicht nur auf einer Belastung des Gewissens mit einem eventuellen Einsatz der Schusswaffe gegen Menschen beruhen, sondern ebenso gut auf Prüfungsangst, der Angst vor einem möglichen Auslandseinsatz, oder auch der Erkenntnis zuzuschreiben sein, in der Bundeswehr keine berufliche Zukunft (mehr) zu sehen. Insofern gibt die Klägerin selbst an, sich in der Vorbereitungsphase auf das Staatsexamen in einer ihr vorher nie bekannten Stresssituation befunden zu haben, was andere, weitere Ursachen für die psychische Belastung oder Erkrankung zumindest nahe legt. In diesem Kontext sind auch die weiteren Ausführungen der Klägerin einzuordnen, wonach sie das Gefühl gehabt habe, an dem Beruf zu zerbrechen, wenn sie in der Bundeswehr verbleibe. Das gesamte soldatische Umfeld habe sie belastet, insbesondere aber auch die Erwartungshaltung ihrer Ausbilder, wonach Ärzte im Einsatz vor allem gute Soldaten sein sollen.

Schließlich vermag auch der Gesamteindruck, den das Gericht von der Klägerin unter Berücksichtigung ihres Vortrags in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, die Zweifel an deren Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe nicht zu entkräften. Vielmehr legen die Ausführungen der Klägerin es nahe, dass sie mit der Wiedereingliederung in den Soldatendienst im Rahmen der PumA nach Abschluss ihres Studiums der Humanmedizin an einer zivilen Universität mit der Realität des eigentlichen Einsatzes im Sanitätsdienst konfrontiert wurde und erkannt hat, dass die Ausübung ihres Berufes in der Bundeswehr auch bzw. insbesondere wegen des „gesamten soldatischen Umfelds“ für sie nicht (mehr) in Frage kommt. Dieser Eindruck wird bestärkt dadurch, dass die Klägerin angibt, aus der Bundeswehr ausscheiden zu wollen, selbst wenn ihr ein Dienst ohne Waffe zugesichert werden würde. All dies lässt erkennen, dass die Klägerin angesichts der nunmehr erfolgten Versetzung in den Sanitätsdienst der Truppe, des für sie nicht tragbaren „soldatischen Umfelds“ und der Aussicht, unter diesen Rahmenbedingungen nunmehr über Jahre hinweg ihren Dienst verrichten zu müssen, „um jeden Preis“ ihren Dienst bei der Bundeswehr beenden will. Dies begründet aber keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen (§ 135 VwGO i. V. m. § 34 Satz 1 Wehrpflichtgesetz).

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Gegen das Urteil eines Verwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 2) steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn durch Bundesgesetz die Berufung ausgeschlossen ist. Die Revision kann nur eingelegt werden, wenn das Verwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat. Für die Zulassung gelten die §§ 132 und 133 entsprechend.

(1) Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht gelten die §§ 8 und 9 Abs. 2 entsprechend. § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(2) Die Berufung gegen ein Urteil und die Beschwerde gegen eine andere Entscheidung des Verwaltungsgerichts sind ausgeschlossen. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 135 in Verbindung mit § 133 der Verwaltungsgerichtsordnung und die Beschwerde gegen Beschlüsse über den Rechtsweg nach § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Auf die Beschwerde gegen Beschlüsse über den Rechtsweg ist § 17a Abs. 4 Satz 4 bis 6 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend anzuwenden.