Die am … geborene Klägerin begehrt ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.
Sie bewarb sich am 21. Januar 2009 für die Einstellung in die Laufbahngruppe der Offiziere mit Zulassung zum Hochschulstudium in der Fachrichtung Medizin. Mit Formblatt vom 21. April 2009 erklärte die Klägerin, dass sie über die Abgabe einer widerruflichen Verpflichtungserklärung informiert worden sei und diese Möglichkeit nicht in Anspruch nehme; im Falle der Inanspruchnahme einer widerruflichen Verpflichtungserklärung sei eine Zuweisung eines Studienplatzes nur möglich, wenn während der sechsmonatigen Dienstzeit als Soldatin auf Zeit schriftlich auf das Widerrufsrecht verzichtet werde. Am 15. Juni 2009 verpflichtete sich die Klägerin schriftlich, 17 Jahre Wehrdienst zu leisten. Sodann wurde die Klägerin unter Berufung in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit am 1. Juli 2009 zur Sanitätssoldatin ernannt. Nach Absolvierung der allgemeinen Grundausbildung mit darin enthaltener Schießausbildung wurde die Klägerin ab dem 1. Oktober 2009 zum Studium der Humanmedizin an der Universität Würzburg beurlaubt. Mit Wirkung vom 1. Juli 2012 wurde die Klägerin zum Leutnant befördert. Laut Vermerk über ein Personalentwicklungsgespräch vom 13. Mai 2015 wurde im Rahmen der weiteren Verwendungsplanung eine Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin festgelegt unter der Voraussetzung einer Dienstzeitverlängerung um zwei Jahre. Die Klägerin erklärte sich mit dieser Verwendungsplanung einverstanden. Am 8. Dezember 2015 hätte die Klägerin ihr Studium regulär beenden sollen. Die letzte medizinische Staatsprüfung hat die Klägerin zu diesem Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht abgelegt.
Am 1. Dezember 2015 stellte die Klägerin einen Antrag als Kriegsdienstverweigerer und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass sie in einem christlich-katholischen Haushalt mit entsprechenden Wertvorstellungen aufgewachsen sei; sie habe vor diesem Hintergrund eine dezidierte Vorstellung von Gut und Böse und ein entsprechendes Gewissen ausgebildet. In dem Wunsch, einen sozialen Beruf zu erlernen und in dem Bewusstsein eines nicht sicher ausreichenden Notendurchschnitts für einen Medizinstudien Platz habe ihr Vater, der selbst Berufssoldat gewesen sei, vorgeschlagen, sich bei der Bundeswehr um einen Studienplatz zu bewerben. In der Grundausbildung habe sie die Art und Weise des zwischenmenschlichen Umgangs als verstörend empfunden. Auch mit Schießübungen, die sie auf das notwendige Minimum beschränkt habe, habe sie von Beginn an ein immenses Problem gehabt mit zunehmenden Schlafstörungen und Albträumen im Vorfeld. Die Bezeichnung der Schießfunktion „F“ des Gewehrs G 36 als „Fleischsalatfunktion“ habe sie als zutiefst abstoßend empfunden, was eines von mehreren Schlüsselerlebnissen in ihrem Entwicklungsprozess gewesen sei. Eine ihrer engsten Freundinnen sei Kriegsflüchtling aus Syrien; diese habe ihr von traumatischen Erlebnisse berichtet, die sie noch immer sehr belasteten. Ihre erste große Lebenskrise sei dann der plötzliche Tod des Vaters im September 2013 gewesen. Die zahlreichen Auslandseinsätze ihres verstorbenen Vaters seien für sie als Kind mit Traurigkeit und Sehnsucht verbunden gewesen und sie habe nur zu gut bemerkt, dass sich ihr Vater durch die Auslandsaufenthalte verändert habe. Gefechtssituationen seien seinerzeit jedoch nicht thematisiert worden; insofern sei das ursprüngliche Bild vom Militär vorwiegend von Kameradschaft und sportlicher Aktivität geprägt gewesen. Nach dem Tod ihres Vaters habe sie sich in ambulante psychologische Behandlung begeben müssen; auch körperliche und seelische Veränderungen hätten bei ihr stattgefunden. Nach dem Tod des Vaters hätten sich bislang unterdrückte Zweifel, Ängste und Gewissensbisse zusehends ihren Weg gebahnt. Im November 2015 sei dann ihr Onkel als eine der engsten familiären Bezugspersonen völlig unerwartet ebenfalls verstorben, woraufhin sie wiederum psychologische Hilfe in Anspruch habe nehmen müssen. Hierdurch sei sie erneut gezwungen gewesen, sich mit dem Thema Tod und Sterben auseinanderzusetzen und sie könne sich nicht vorstellen, dieses Leid auch anderen Menschen zuzufügen, wenn sie in einem Auslandseinsatz in die Situation gerate, ihre Waffe einsetzen zu müssen. Vor drei Jahren habe sie ihren Lebenspartner kennengelernt, der selbst den Wehrdienst verweigert habe; es sei wiederholt zu Konflikten wegen ihrer Berufswahl gekommen. Durch den Partner sei auch ihr Glaube wieder mehr in den Vordergrund getreten. Auch aufgrund ihres Kinderwunsches könne sie sich nicht vorstellen, wie sie einerseits als Mutter christliche Werte vorleben und andererseits Soldatin sein könne. Erst während des Studiums habe sie immer wieder Kontakt zu Bundeswehrärzten mit Einsatzerfahrung im Ausland gehabt, die ihr schreckliche Situationen geprägt von Leid und Tod berichtet hätten. Sie habe im Zeitpunkt ihrer Verpflichtung nicht erahnen können, welchen Selbsterkenntnisprozess sie während der folgenden Jahre gezwungenermaßen vollziehen würde. Der Entschluss, einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerer zu stellen, sei über die letzten Jahre hinweg stetig gereift, wofür viele nicht absehbare Ereignisse und persönliche Verluste verantwortlich gewesen seien. Nunmehr sei der Gewissenskonflikt so stark, dass sie nicht einmal in der Lage sei, ihr mündliches Staatsexamen abzulegen.
Zum Antrag auf Kriegsdienstverweigerung nahmen am 9. Dezember 2015 der Disziplinarvorgesetzte der Klägerin sowie ein Oberstarzt mit Schreiben vom 9. März 2016 Stellung.
Mit Schreiben der Beklagten vom 29. März 2016 wurde die Klägerin aufgefordert, zur Beseitigung von Unklarheiten weitere Fragen zu beantworten. Dieser Aufforderung kam die Klägerin mit Schreiben vom 14. April 2016 nach. Mit Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ab, da Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Klägerin bestünden. Ein Schlüsselerlebnis oder einen längeren intensiven Wandlungsprozess habe die Klägerin nicht darlegen können, insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass ihr Vater selbst Berufssoldat gewesen sei, so dass die Klägerin über den Soldatenberuf besser als andere informiert gewesen sei.
Mit Schreiben vom 12. Mai 2016 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch einlegen. Die Klägerin stellte hierbei insbesondere darauf ab, dass sie - gerade weil ihr Vater Soldat gewesen sei - eine sehr einseitige Berufsvorstellung gehabt habe. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters habe sie sich persönlich mehr und mehr verändert und begonnen sich mit Themen auseinanderzusetzen, die für sie bis dahin keine Rolle gespielt hätten, zum Beispiel mit dem Tod. In der unmittelbaren Zeit nach dem Tod des Vaters habe sie noch nicht die Informationen zum Beruf des Sanitätsoffiziers gehabt, die sie nunmehr habe. Aus diesem Grunde sei es ihr im Jahre 2014 noch möglich gewesen, an einer Schießübung teilzunehmen, nicht mehr jedoch im Jahre 2015. Vor allem im Laufe des Jahres 2015 hätten neue Informationen von Soldaten und Erzählungen ihrer syrischen Freundin zu einem veränderten Berufsbild geführt. Unter dem erneuten Schicksalsschlag in Form des Todes ihres Onkels im Herbst 2015 hätten sie und ihre Mutter sehr gelitten. Angesichts der Verzweiflung ihrer Mutter sei sie sich sicher, dass sie niemals einer anderen Mutter einen solchen Verlust antun könne. Ihre Mutter könne ihre Tätigkeit bei der Bundeswehr mittlerweile nicht mehr akzeptieren. Wenn ihr etwas zustoßen solle, würde die Mutter nach deren Aussage ihren letzten Lebenswillen verlieren. Nach dem Tod des Onkels sei der Gewissenskonflikt dann so vereinnahmend gewesen, dass sie nicht wie bisher habe weitermachen können.
Dem Widerspruch wurden Stellungnahmen, jeweils datierend vom 11. Mai 2016, des Militärdekans des katholischen Pfarramtes Ulm I, der syrischen-stämmigen Freundin der Klägerin sowie eines psychologischen Psychotherapeuten vorgelegt, zu dem sich die Klägerin am 26. November 2015 im Rahmen einer Krisenintervention nach dem Tod ihres Onkels in Behandlung begeben hatte. Dieser führt aus, dass inhaltlich der Tod des Onkels, des Vaters und ihre Tätigkeit bei der Bundeswehr dominiert hätten, weiterhin das bevorstehende Examen und die Sorge, emotional und körperlich nicht in der Lage zu sein hierbei ein gutes Ergebnis zu erzielen. Ihre Gedanken hätten immer wieder um den Umstand gekreist, dass sie nicht für den Tod von anderen Menschen verantwortlich sein könne, weil sie nun erlebe, wie schrecklich der Tod für Angehörige sei. Sie könne sich daher nicht mehr vorstellen, den Berufs Weg als Soldatin weiterzuverfolgen, da ihr Werte- und Normensystem dies nicht zulasse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde dargelegt, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass die Klägerin trotz des Berufes ihres Vaters nicht gleichermaßen wie andere Bewerber das soldatische Berufsbild reflektiert habe. Die Trauer um den Tod des Vaters und des Onkels sei verständlich, ein Zusammenhang mit der unabdingbar erforderlichen Gewissensentscheidung sei jedoch nicht erkennbar.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 7. Juni 2016 ließ die Klägerin Klage erheben. Die ablehnenden Bescheide bestünden hauptsächlich aus pauschalen Textbausteinen und seien nicht nachvollziehbar. Die Klägerin habe ausführlich und glaubwürdig dargelegt, dass es sich bei ihrem Gewissenskonflikt um einen schleichenden Prozess über einen längeren Zeitraum gehandelt habe, der kontinuierlich über Jahre gewachsen sei; sie habe Schlüsselerlebnisse benannt und den Wandlungsprozess beschrieben. Der wahre Grund für die Ablehnung bestehe vielmehr darin, dass seit den Jahren 2012/2013 deutlich mehr Kriegsdienstverweigerungsanträge gestellt worden seien, was die Beklagte dazu veranlasst habe, diese möglichst ablehnend zu bearbeiten. Der Klägerbevollmächtigte verwies diesbezüglich auf seine Erfahrung, er bearbeite jährlich ca. 200 Kriegsdienstverweigerungsverfahren; zudem habe ein Sachbearbeiter der Beklagten dies telefonisch bestätigt.
Die Klägerin beantragte daher,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2016 zu verpflichten, die Klägerin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 7. Juli 2016,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die Vorwürfe einer unsachlichen Handhabung bei der Bearbeitung von Kriegsdienstverweigerungsanträgen. Eine Änderung des Prüfungsmaßstabes habe nicht stattgefunden; die Anerkennungsquote liege bei 63%. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nach Art. 4 Abs. 3 GG verlange eine zwingende Gewissensentscheidung, bei der der Betroffene nur unter schwerer seelischer Not imstande sei, an einem Krieg mit der Waffe teilzunehmen. Die hierfür darzulegenden tatsächlichen Anhaltspunkte müssten einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung in sich tragen. Für Soldaten auf Zeit, die sich freiwillig für den Dienst in der Bundeswehr entschieden hätten, sei die nachvollziehbare Darlegung der Gründe, die für die Umkehr von dem seinerzeit gefassten Entschluss maßgeblich seien, erforderlich. Diese könnten in einem Schlüsselerlebnis oder einem längeren Wandlungsprozess bestehen, an deren Ende das Gewissensgebot stehe, dass der Betroffene das Töten nicht nur aus moralischen oder ethischen Gründen missbillige, sondern es grundsätzlich und ohne Einschränkung als verwerflich empfinde. Auch wenn Soldaten im Sanitätsdienst das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ebenfalls zustehe, so dürfe doch ihr Nichtkombattantenstatus im Kriegsfalle nicht unberücksichtigt bleiben.
Vorliegend fehle es an der schlüssigen Darlegung eines Wandlungsprozesses. Die Klägerin habe angegeben, bereits zum Zeitpunkt des Eintritts in die Bundeswehr eine dezidierte Vorstellung von Gut und Böse entwickelt zu haben. Der Soldatenberuf sei ihr aufgrund der Tätigkeit ihres Vaters samt der Ängste, denen die Familie während der Auslandseinsätze ausgesetzt war und der beobachteten Veränderungen des Vaters im Nachgang, bekannt gewesen. Sie habe von Beginn an die Schießübungen als körperlich und seelisch belastend wahrgenommen. Auch habe sie eine unwiderrufliche Verpflichtungserklärung abgegeben, obwohl sie sich für die Dauer der Grundausbildung auch hätte widerruflich verpflichten können. Noch im September 2014 habe sie eine Schießübung ohne erkennbare Gewissenskonflikte mit höchster Auszeichnung absolviert. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die Klägerin seitdem weiterentwickelt hätte. Ihre seinerzeitigen moralischen Überzeugungen und Kenntnisse hätten sie nicht davon abgehalten, den Dienst bei der Bundeswehr anzutreten. Die inneren und äußeren Umstände seien unverändert geblieben, so dass die jetzige Entscheidung nicht zwingend im Sinne der Rechtsprechung sei. Der behauptete Einfluss des Todes des Vaters und des Onkels sowie die Reaktion ihrer Mutter auf die Gewissensbildung der Klägerin seien nicht nachvollziehbar. Etwaige psychische Folgen derartiger Ereignisse bestünden unabhängig davon, welcher Tätigkeit der Betroffene nachgehe. Die in der Widerspruchsbegründung erkennbare Abkehr der Klägerin von ihrem zunächst als Vorbild beschriebenen Vater, indem sie diesem bewusste Fehlinformation über den Soldatenberuf vorwerfe, stelle eine überraschende Steigerung der bisherigen Argumentation dar und sei daher nicht glaubhaft. Zudem habe die Klägerin eingeräumt, dass sie ihren unbedingten Wunsch, Medizin zu studieren, aufgrund ihres Notendurchschnitts im Abitur nur durch einen Studienplatz bei der Bundeswehr habe erfüllen können. Nunmehr rücke der Zeitpunkt eines militärischen Einsatzes näher. Dies sei ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass weder für den Eintritt in die Bundeswehr noch für die Abkehr von dieser Gewissensgründe ausschlaggebend seien. Schließlich erscheine es nachvollziehbar, dass die Klägerin der beschriebenen Konfliktsituation mit ihrem den Soldatenberuf ablehnenden Lebenspartner und dem Wunsch einer Familiengründung nachgeben wolle, um ihre Beziehung und ihren Lebensplan nicht zu gefährden. Hierbei handele es sich jedoch um die Lösung zwischenmenschlicher Probleme, nicht jedoch um die Umsetzung einer als zwingend empfundenen Gewissensentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch darauf, nach § 5 des Gesetzes über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG) als Kriegsdienstverweigerin anerkannt zu werden. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (im Folgenden: Bundesamt) vom 2. Mai 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 2016 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 KDVG als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf ihren Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist, die dargelegten Beweggründe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen geeignet sind und das tatsächliche Gesamtvorbringen und die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nicht mehr bestehen.
Die genannten Voraussetzungen liegen bei der Klägerin vor. Der Antrag der Klägerin ist vollständig und ihre Beweggründe vermögen einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin zu rechtfertigen. Auch an der Wahrheit der Angaben der Klägerin bestehen keine Zweifel. Das Gericht ist aufgrund der Parteieinvernahme der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass sie aus Gewissensgründen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG und § 1 Abs. 1 KDVG den Dienst an der Waffe berechtigt verweigert.
Für eine verbindliche Gewissensentscheidung müssen konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden (BVerwG, B.v. 6.2.1978 - VI B 36.77 - BVerwGE 55, 217, juris Rn. 5). Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U.v. 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BverfGE 12, 45, juris Rn. 30 f.) jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 1.2.1989 - 6 C 61/86 - BVerwGE 81, 239, juris Rn. 11 ff.) klargestellt hat, ist Voraussetzung für die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht das „Zerbrechen der Persönlichkeit“ oder der Eintritt eines „schweren seelischen Schadens“, sondern es genügt eine schwere Gewissensnot des Betreffenden, die im Einzelfall zu einem schweren seelischen Schaden führen kann, aber nicht muss. Das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung lässt sich vielfach nicht in vollem Umfang beweisen. Es kann daher genügen, dass ein aufgrund aller in Betracht kommender Umstände ermittelter, hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für eine solche Entscheidung spricht (BVerwG, U.v. 18.10.1972 - VIII C 46.72 - BVerwGE 41, 53, juris Rn. 17). Handelt es sich um Personen, die - wie die Klägerin - aufgrund ihres Antrags in das Dienstverhältnis als Berufssoldaten bzw. Zeitsoldaten eingetreten sind und schon mehrere Jahre in diesem Dienstverhältnis Wehrdienst geleistet haben, ohne einen Konflikt mit dem Gewissen zu empfinden, kann von einer Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung nur bei einer „Umkehr“ der früheren Einstellung gegenüber dem Kriegsdienst mit der Waffe ausgegangen werden (BVerwG, B.v. 29.4.1991 - 6 B 9/91 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 44, juris Rn. 2). Eine solche Umkehr kann nicht nur durch ein „Schlüsselerlebnis“ oder entsprechend schwerwiegende Umstände herbeigeführt werden, sondern auch das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses sein (BVerwG, U.v. 2.3.1989 - 6 C 10/87 - BVerwGE 81, 294 ff., juris Rn. 13).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen konnte das Gericht eine innere „Umkehr“ bei der Klägerin feststellen. Aufgrund des glaubwürdigen persönlichen Eindrucks, den das Gericht bei der Befragung der Klägerin im Rahmen ihrer Einvernahme als Partei gewonnen hat, ist das Gericht überzeugt davon, dass bei der Klägerin in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit die erforderliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorliegt. Das Gericht hat keine Zweifel mehr daran, dass die Klägerin einen länger dauernden Wandlungsprozess in Bezug auf ihr Gewissen durchlaufen hat, an dessen Ende die Überzeugung steht, dass sie unter keinen Umständen und zu keinem Zweck von der Waffe Gebrauch machen oder gar töten kann.
a) Die Klägerin hat aus Sicht des Gerichts offen und ehrlich dargelegt, aus welchen Gründen und mit welcher Motivation sie sich ursprünglich für die Verpflichtung als Zeitsoldatin entschieden hat. Sie habe damals einen sozialen Beruf ergreifen wollen und habe sich daher für ein Medizinstudium entschieden. Aufgrund ihres nicht sicher ausreichenden Notendurchschnitts im Abitur habe ihr Vater, der selbst Berufssoldat gewesen sei, vorgeschlagen, sich bei der Bundeswehr um einen Studienplatz zu bewerben. Auch der Stolz ihres Vaters auf sie habe sie schließlich bewogen, den Studienplatz bei der Bundeswehr anzunehmen. Sie habe gleichwohl von Anfang an Zweifel gehabt, ob der Beruf der Soldatin ihrer Persönlichkeit entsprechen würde, da sie ein eher ängstlicher, zurückhaltender und Konfliktsituationen meidender Mensch sei. Die Themen Krieg und der todbringende Gebrauch von Waffen in der Bundeswehr seien durch ihren Vater niemals im häuslichen Umfeld thematisiert worden, so dass ihr ursprüngliches Bild von der Bundeswehr von kameradschaftlichem Zusammenhalt und sportlicher Aktivität geprägt gewesen sei. Auch durch die Wehrdienstberater sei ihr allein das Bild der ärztlich-hilfeleistenden Tätigkeit bei der Bundeswehr vermittelt worden. Es erscheint für die erkennende Kammer nachvollziehbar, dass die Klägerin trotz ihres Bildungsniveaus zur Zeit ihrer Verpflichtung ein einseitig geprägtes Bild von der Bundeswehr gehabt hat, gerade weil ihr Vater Berufssoldat war und es daher glaubhaft erscheint, dass er infolgedessen aufgrund seiner eigenen inneren Überzeugung ein ausschließlich positives Bild der Bundeswehr gegenüber seiner Tochter vermittelt hat. In der Zusammenschau ergibt sich daraus, dass die Klägerin sich zwar freiwillig unwiderruflich für 17 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet hat, dies jedoch offensichtlich bereits nicht aus einer tiefen inneren Überzeugung zum Soldatenberuf geschehen ist.
b) Die Klägerin hat sodann ihre erste ernsthafte gewissensmäßige Auseinandersetzung mit dem Kriegsdienst an der Waffe im Rahmen ihrer Grundausbildung geschildert. Sie hat in diesem Zusammenhang anschaulich dargestellt, dass sie mit den Schießübungen von Beginn an ein immenses Problem gehabt habe. Ihr sei der Gedanke gekommen, dass sie im Ernstfall einen Menschen lebensbedrohlich verletzen oder gar gezielt töten müsse, was in ihr einen massiven Gewissenskonflikt auslösen würde. Verstörend habe sie auch den zynischen Umgang mit dem Töten von Menschen empfunden, indem etwa in der Grundausbildung die Schießfunktion „F“ des Maschinengewehrs G 36 als „Fleischsalatfunktion“ bezeichnet worden sei, wodurch sich ihr Bild von der Bundeswehr erstmals begonnen habe zu wandeln und unterbewusst eine Auseinandersetzung mit der Berufswahl eingesetzt habe. Aufgrund ihres Pflichtbewusstseins und der Vorstellung, ihren Vater nicht enttäuschen zu wollen, habe sie dann zunächst versucht sich auf ihr Studium zu konzentrieren, ihren zwingenden militärischen Pflichten nachzukommen und aufkommende Zweifel zu unterdrücken. Sie sei damals aufgrund ihrer glaubhaften Erkenntnislage noch davon ausgegangen, dass der Waffeneinsatz für sie als Ärztin nicht praxisrelevant werde, allenfalls in Notwehrsituationen, in denen sie zum damaligen Zeitpunkt für sich einen Waffeneinsatz noch habe rechtfertigen können. Die Gewissenszweifel, die die Klägerin bezüglich ihrer Schießübungen von Anfang an gehabt habe, werden dadurch bestätigt, dass sie unwidersprochen nur das Minimum an Schießübungen absolviert hat und ab dem Jahr 2015 gar nicht mehr an Schießübungen teilgenommen hat. Die Klägerin habe damit in Kauf genommen, dass sie insbesondere durch die Nichtteilnahme an der Schießübung im Jahre 2015 im Rahmen des Credit-Point-Systems in ihrem Studium weniger Punkte erhalten habe, was sich negativ auf spätere Verwendungswünsche habe auswirken können. Die Inkaufnahme derartiger negativer Konsequenzen wiederum belegt für die Kammer die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung der Klägerin.
c) Die Klägerin führte sodann in glaubhafter Weise weiter aus, dass der unerwartete Tod ihres Vaters im September 2013 ihren Wandlungsprozess weiter vorangetrieben habe und sie dadurch in eine erste große Lebenskrise gestürzt sei. Sie habe nach diesem Ereignis psychologische Hilfe zur Bewältigung ihrer Trauer in Anspruch nehmen müssen. Sie sei in dieser Situation erstmals persönlich mit dem Tod konfrontiert worden, wodurch sie gezwungen gewesen sei, sich mit Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Tod intensiv auseinanderzusetzen. Durch den Verlust des Vaters sei jedoch auch die ideelle Unterstützung ihres beruflichen Weges in der Bundeswehr weggefallen, sodass sich in der Folgezeit die bislang unterdrückten Zweifel, Ängste und Gewissensbisse zusehends ihren Weg in das Bewusstsein der Klägerin gebahnt hätten. Schließlich sei dann im November 2015 noch ihr Onkel, der im elterlichen Haushalt mit ihr gemeinsam aufgewachsen und für sie wie ein Bruder gewesen sei, ebenfalls völlig überraschend verstorben, was sie in eine weitere tiefe Krise gestürzt habe, in der sie wiederum im Rahmen einer Krisenintervention psychotherapeutische Hilfe habe in Anspruch nehmen müssen. Nach dieser erneuten Konfrontation mit dem Tod sei sie aufgrund des selbst verspürten extrem hohen Leidensdrucks sowie auch dem ihrer Mutter endgültig zu der Erkenntnis gelangt, dass sie selbst einer anderen Familie nicht das Leid zufügen könne, das mit dem Tod eines Angehörigen verbunden sei. Sie wolle daher niemals und unter keinen Umständen für den Tod eines Menschen verantwortlich sein und sich auch nicht in eine Lage bringen, in der dies auch nur potenziell geschehen könne.
Daneben habe sie - vertieft ab der Jahresmitte 2015 - intensive Gespräche mit einer engen Studienfreundin, die Kriegsflüchtling aus Syrien sei, geführt und darin geschildert bekommen, welche seelischen Verletzungen ein Krieg verursache und welch traumatische Belastungen er hinterlasse. Diese sehr nachhaltigen Gespräche und die kritischen Nachfragen der Freundin zu ihrer Berufswahl hätten sie ebenfalls sehr beschäftigt und ihre Gewissensentscheidung beeinflusst.
Desweiteren schilderte die Klägerin, dass sie seit dem Jahre 2012 einen festen Lebenspartner habe, der selbst den Wehrdienst verweigert habe. Dieser habe ihre Berufswahl immer wieder kritisch hinterfragt und ihr Denkanstöße hierzu geliefert. Ihrem Lebenspartner sei der christliche Glaube sehr wichtig, wodurch dieser auch in ihrem Leben wieder verstärkt in den Vordergrund gerückt sei und ihr vor allem bei der Bewältigung der Todesfälle in ihrer Familie eine wichtige Stütze gewesen sei. Aufgrund dieser christlichen Glaubensüberzeugung und des hierdurch maßgeblich geprägten Gewissens sei sie dann zu der Überzeugung gekommen, dass der Dienst an der Waffe mit der christlichen Überzeugung, keinen anderen Menschen töten zu dürfen, unter keinen Umständen vereinbar sei.
Schließlich sei ihr mit zunehmender Dauer ihrer Tätigkeit bei der Bundeswehr durch eine Reihe von Gesprächen mit auslandserfahrenen ärztlichen Kollegen auch bewusst geworden, dass sie als Ärztin in der Bundeswehr - entgegen der seinerzeitigen Darstellung der Wehrdienstberater - sehr wohl realistischerweise in einem Auslandseinsatz in die Situation geraten könne, von der Waffe Gebrauch machen zu müssen. Insbesondere aus Gesprächen im Jahre 2014 mit einem Oberstabsarzt sowie im Jahre 2015 mit einer anderen Ärztin sowie älteren ehemaligen Kommilitonen habe sich für sie ergeben, dass auch Sanitätssoldaten im Ausland Wache schieben und Patrouillengänge durchführen müssten und sie in diesem Zusammenhang auch in Feuergefechte mit eigenem Waffeneinsatz gerieten. Es werde diesbezüglich für den Sanitätsdienst nunmehr die Parole ausgegeben, Feuerüberlegenheit herzustellen sei die beste Therapie.
d) Aus vorstehenden Äußerungen ergibt sich für die erkennende Kammer die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderliche innere Umkehr und ernsthafte Gewissensentscheidung, die bei der Klägerin das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses waren. Dieser hat sich zur Überzeugung des Gerichts im Verlaufe ihrer Studienzeit fortentwickelt und - insbesondere im Laufe des Jahres 2015 - intensiviert. Der Wandlungsprozess beruht dabei in glaubhafter Weise insbesondere auf den oben beschriebenen Erkenntnisprozessen infolge des Todes zweier naher Angehöriger, der intensiven Auseinandersetzung mit den Folgen eines Krieges durch den engen persönlichen Kontakt mit einer selbst hiervon betroffenen Freundin sowie auf christlichen Glaubensüberzeugungen, welche durch die genannten Todesfälle und Diskussionen mit ihrem Lebenspartner stärker in den Mittelpunkt des Lebens der Klägerin gerückt sind. Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eindrücklich, offen und ohne jedes übersteigerte Vorbringen geschildert, auf welchen Wegen sie zu ihrer Gewissensentscheidung gekommen ist. Neben dem persönlichen Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin gewonnen hat, spricht für die Glaubhaftigkeit ihrer inneren Umkehr auch der Umstand, dass die Klägerin ihr abschließendes Examen nicht noch abgelegt hat, bevor sie ihren Kriegsdienstverweigerungsantrag gestellt hat. Vielmehr hat sie nach ihrem glaubhaften Vortrag die Prüfung zunächst nicht durchgeführt, ohne zu diesem Zeitpunkt zu wissen, ob und wie eine Nachholung möglich sein würde. Vielmehr sei sie unmittelbar nach ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag aus dem Studium abgezogen und versetzt worden. Das Examen habe sie dann schließlich nachholen können, jedoch nicht während der Dienstzeit, sondern in ihrer Urlaubszeit. Darüber hinaus spricht für die Ernsthaftigkeit ihrer Gewissensentscheidung, dass die Klägerin angesichts einer vorliegenden psychischen Erkrankung, wie sie sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten fachärztlichen bzw. psychologischen Unterlagen ergibt, bislang nicht versucht hat, ihre Entlassung aus der Bundeswehr infolge einer etwaigen Dienstunfähigkeit zu betreiben. Die Klägerin nimmt dadurch mit Blick auf die Kostenerstattungspflicht nach § 56 Abs. 4 Soldatengesetz gegebenenfalls finanzielle Nachteile gegenüber einer Entlassung wegen Dienstunfähigkeit in Kauf, was ebenfalls für die Ernsthaftigkeit ihrer Gewissensentscheidung spricht. Dass der Lebensführung der Klägerin christliche Überzeugungen zugrunde liegen, manifestiert sich etwa darin, dass sie sich seit Beginn des Jahres 2016 im Paritätischen Wohlfahrtverband engagiert und dort als Patin für einen afghanischen Flüchtling ehrenamtlich tätig ist.
e) Die Klägerin hat darüber hinaus auch schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der weitere Dienst in der Bundeswehr mit einem auch nur potentiellen Waffeneinsatz für sie eine extreme psychische Belastung darstellen würde. So hat sie nachvollziehbar dargelegt, dass der Gewissenskonflikt, den sie seit mehreren Jahren innerlich austrage und zunächst habe immer wieder erfolgreich unterdrücken können, nach dem Tod ihres Onkels so stark geworden sei, dass es ihr nicht mehr möglich gewesen sei, einem geregelten Tagesablauf nachzugehen, geschweige denn sich auf ihr medizinisches Staatsexamen vorzubereiten. Tatsächlich hat die Klägerin, die bereits kurz vor dem Ende ihres Studiums stand, die Prüfung im Dezember 2015 nicht abgelegt und hat im Rahmen einer Krisenintervention am 26. November 2015 einen Psychotherapeuten aufgesucht. Aus dessen Stellungnahme vom 11. Mai 2016 ergibt sich, dass die Klägerin dort eingehend von ihren Gewissensnöten berichtet habe, insbesondere von dem Umstand, dass sie nicht für den Tod von anderen Menschen verantwortlich sein könne, da sie selbst erlebe, wie schrecklich der Tod für die Angehörigen und nahestehende Personen sei. Ihr Werte- und Normensystem ließen den weiteren Berufs Weg als Soldatin aufgrund dessen nicht mehr zu. Dass sich die Klägerin daneben auch aufgrund ihrer Trauer um ihren verstorbenen Onkel in psychotherapeutische Behandlung begeben hat, steht nach Überzeugung der Kammer der ernsthaften Gewissensnot der Klägerin nicht entgegen. Diese wird auch durch die Stellungnahme einer Truppenpsychologin vom 17. Januar 2017 bestätigt, wonach es aufgrund der besonderen privaten Situation von zwei unerwarteten Todesfällen sehr nahestehender Angehöriger gut nachvollziehbar sei, dass bei der Klägerin eine Verschiebung der persönlichen Werte und Prioritäten sowie eine zunehmend starke Belastung aufgrund der Ausweglosigkeit einer Veränderung der beruflichen Situation stattgefunden habe. Der Leidensdruck der Soldatin sei deutlich spürbar gewesen. Sie halte es für fraglich, ob ein Weiterarbeiten als Ärztin der Bundeswehr für die psychische Gesundheit der Soldatin zielführend sei. In der Gesamtschau ergibt sich hieraus für die Kammer auch die notwendige schwere Gewissensnot, die es der Klägerin unmöglich macht, weiterhin Dienst in der Bundeswehr zu versehen.
f) Schließlich vermag das Gericht den Einwänden der Beklagten gegen die Annahme einer Gewissensentscheidung der Klägerin nicht zu folgen. Zunächst spricht der Zeitpunkt der Antragstellung zur Kriegsdienstverweigerung erst am Ende des langjährigen Studiums der Klägerin nicht gegen die Glaubhaftigkeit des Vorliegens einer ernsthaften Gewissensentscheidung. Denn die Klägerin hat den zeitlichen Ablauf ihres Wandlungsprozesses und damit auch den späten Zeitpunkt der Antragstellung nachvollziehbar erklärt. So hat sie überzeugend geschildert, dass die Gewissenszweifel bei ihr über die Jahre hinweg gewachsen seien und sie diese zwischenzeitlich auch erfolgreich habe unterdrücken können. Erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 und insbesondere nach dem plötzlichen Tod ihres Onkels habe sich die Situation für sie dann so zugespitzt, dass sie ihren inneren Gewissenskonflikt nur noch dadurch habe auflösen können, dass sie nunmehr den Kriegsdienstverweigerungsantrag stellte. Vor diesem Hintergrund wird auch nachvollziehbar, warum die Klägerin im Rahmen des Personalentwicklungsgesprächs vom 13. Mai 2015 hinsichtlich ihrer weiteren Verwendung nach Abschluss ihres Studiums ihrer Zukunftsplanung innerhalb der Bundeswehr noch zugestimmt hat. Sie hat hierzu in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher gewusst habe, wie es mit ihr weitergehe und dass die Lage für sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht so zugespitzt gewesen sei wie im Zeitpunkt der Antragstellung. Die Klägerin hat im Übrigen dann auch die Weiterverpflichtungserklärung für zwei weitere Jahre nicht mehr unterzeichnet, welche für die zunächst im Rahmen des Personalentwicklungsgesprächs festgelegte Facharztausbildung vonnöten gewesen wäre. Zeitlich nach diesem Personalentwicklungsgespräch habe sie noch intensive Gespräche mit ihrer Freundin aus Syrien geführt und weitere Erkenntnisse aus einer Semesterveranstaltung mit Bundeswehrärzten mit Auslandserfahrung bekommen. Auch habe sie sich in der zweiten Jahreshälfte 2015 aktiv mit ihrem Lebenspartner mit dem Thema einer möglichen Kriegsdienstverweigerung auseinandergesetzt. Das Gericht erkennt diesbezüglich an, dass die Gewissensentscheidung, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, den Schlusspunkt des inneren Wandlungsprozesses darstellt. Die rechtliche Anerkennung eines solchen Wandlungs- bzw. Umkehrprozesses macht es jedoch aus Sicht der Kammer notwendig, der Soldatin ein „inneres Zwischen-Stadium“ zuzubilligen, während dessen sie sich nach außen noch als pflichtbewusste Soldatin darstellt, ohne ihre Gewissenskonflikte zu offenbaren. Es muss damit also keineswegs gegen die Annahme einer inneren Umkehr sprechen, wenn ein betroffener Soldat sich zunächst noch durch äußere Anpassung geschützt hat, bevor er seine endgültige Gewissensentscheidung getroffen und sich dann auch nach außen dazu bekannt hat. So jedenfalls liegt der Fall nach Überzeugung der erkennenden Kammer hier. Der Einwand der Beklagtenseite, dass ein innerer Zusammenhang zwischen den Todesfällen in der Familie der Klägerin und der erforderlichen Gewissensentscheidung nicht erkennbar sei, vermag ebenfalls nicht durchzugreifen, da die Klägerin - wie bereits ausgeführt - über ihre reine Trauer über den Tod der nahen Angehörigen hinaus durch die damit verbundenen sehr schmerzhaften Verlusterfahrungen auch ihr Gewissen dahingehend fortentwickelt hat, dass sie es nach diesen Todesfällen unter keinen Umständen mehr habe mit ihrem Gewissen vereinbaren können, andere Familien durch ihren eigenen Waffeneinsatz in die von ihr selbst erlebte gleiche Leidenssituation zu bringen. Die beschriebene Weiterentwicklung des Gewissens der Klägerin kann von der Kammer aufgrund der tiefgreifenden Veränderung der Lebenssituation eines jungen Erwachsenen durch derartige Schicksalsschläge ohne weiteres nachvollzogen werden. Desweiteren steht der Annahme einer inneren Umkehr auch nicht entgegen, dass der Vater der Klägerin Berufssoldat gewesen ist und sie hierdurch in besonderer Weise einen vertieften Einblick in die Arbeit der Bundeswehr bereits zum Zeitpunkt ihrer Verpflichtung gehabt habe. Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, dass sie gerade aufgrund der Tatsache, dass ihr Vater Berufssoldat gewesen sei, ein einseitiges, letztlich ausschließlich positives Bild von der Bundeswehr gehabt habe, was vor dem Hintergrund dessen plausibel erscheint, dass der Vater der Klägerin seinem Beruf mit leidenschaftlicher Hingabe nachgegangen sei und er durch seinen Vorschlag, dass die Klägerin bei der Bundeswehr studieren solle, klar zum Ausdruck gebracht hat, dass innerfamiliär jemand in seine Fußstapfen treten solle. Der Klägerin kann auch kein gesteigerter Sachvortrag im Rahmen des Widerspruchsverfahrens dahingehend vorgehalten werden, dass sie erst dort eine Abkehr von ihrem zuvor als Vorbild beschriebenen Vater vorgenommen habe, indem sie ihm bewusste Fehlinformationen über den Soldatenberuf vorgeworfen habe. Denn das ausschließlich positive Bild von der Bundeswehr, das ihr Vater ihr vermittelt habe, hat die Klägerin auch bereits deutlich in ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag angesprochen, etwa in dem sie dort ausgeführt hat, dass der Charakter der Bundeswehr als militärische Organisation und einer bewaffneten Kraft in den Berichten ihres Vaters außer Acht geblieben sei. Wenn die Beklagte vorträgt, dass die Klägerin bereits im Zeitpunkt ihrer Verpflichtung bei der Bundeswehr im christlichen Glauben verwurzelt gewesen sei, so dass diesbezüglich eine Umkehr nicht erkennbar werde, so hat die Klägerin auch diesbezüglich eine plausible Erklärung abgeben können. So seien für sie beim Eintritt in die Bundeswehr der christliche Glaube und das Berufssoldatenleben aufgrund des Vorbilds ihres Vaters noch miteinander vereinbar gewesen. Aufgrund ihrer Erfahrungen während der nachfolgenden Jahre, insbesondere wiederum durch die beiden Todesfälle in der Familie, aber auch durch intensive Diskussionen mit ihrem fest im christlichen Glauben verwurzelten Lebenspartner, sei der Glaube noch stärker in den Mittelpunkt ihres Lebens getreten und sie sei dann nach einem längeren Erkenntnisprozess zu der Überzeugung gekommen, dass ihre christlichen Werte die Tötung eines anderen Menschen unter keinen Umständen mehr zuließen, auch nicht in Notwehrsituationen. Hierdurch wird erkennbar, dass sich die Klägerin in ihrem christlichen Glauben deutlich weiter entwickelt hat und so auch diesbezüglich eine Umkehr und ein Wandlungsprozess für das Gericht erkennbar sind. Darüber hinaus hat die Klägerin auch glaubhaft gemacht, dass sie mit ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag nicht bezweckt, Konfliktsituationen mit ihrem Lebenspartner zu bereinigen, welcher ihrer Tätigkeit bei der Bundeswehr kritisch gegenübersteht. Die Klägerin hat insoweit in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihr nicht darum gegangen, einen „Gleichklang“ mit ihrem Partner herzustellen; er sei auch nicht der Auslöser ihrer Entscheidung gewesen, er habe jedoch Denkanstöße geliefert und sie immer wieder mit Fragen konfrontiert, welche sie sich dann im Laufe der Zeit auch selbst gestellt habe. Auch dies erscheint vor dem Hintergrund der skizzierten persönlichen Entwicklung der Klägerin einsichtig und nachvollziehbar, zumal die Klägerin auf die erkennende Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck gemacht hat, dass sie leicht beeinflussbar wäre und sich zu ihrem Kriegsdienstverweigerungsantrag hätte drängen lassen.
Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin nur eine sog. „situationsbezogene Gewissensentscheidung“ getroffen hat, insbesondere nicht im Hinblick darauf, dass sich das Bild der Klägerin von der Bundeswehr - etwa hinsichtlich der Art der Einsätze für Sanitätspersonal im Ausland - aufgrund der Erfahrungsberichte von Kollegen mit Auslandserfahrung im Laufe der Zeit gewandelt hat. Eine „situationsbezogene Gewissensentscheidung“ ist nicht von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1993 - 6 B 48/93 - juris). Eine solche liegt jedoch hier nicht vor, denn die Entscheidung zur Kriegsdienstverweigerung ist nicht etwa durch gegebenenfalls bevorstehende gefahrbringende Auslandseinsätze motiviert; diese haben der Klägerin vielmehr allenfalls einen zusätzlichen äußeren Anlass dazu gegeben, den bereits begonnenen inneren Wandlungsprozess zum Abschluss zu bringen und die Gewissensentscheidung dann endgültig nach außen kundzutun, da damit der Bezugspunkt ihrer bestehenden schweren Gewissensnot in Form eines gegebenenfalls todbringenden Waffeneinsatzes noch realistischer und greifbarer geworden ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass bei der Klägerin in der Gesamtschau ein längerer innerer Wandlungsprozess im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stattgefunden hat.
Zusammenfassend kann somit aufgrund der Würdigung der in der mündlichen Verhandlung erkennbar gewordenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin und ihrer glaubhaften Ausführungen ein längerfristiger innerer Wandlungsprozess festgestellt werden, sodass nach Überzeugung des Gerichts die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin in der Person der Klägerin vorliegen. Die Klägerin war nach alledem gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 1GG, § 5 KDVG als Kriegsdienstverweigerin anzuerkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.