Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 09. Mai 2016 - 4 K 1107/15.NW
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2015 rechtswidrig war, soweit darin dem Beigeladenen die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung über 24 Uhr hinaus erlaubt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes sowie einer immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung.
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Die Klägerin wohnt auf dem mit einem Wohngebäude bebauten Grundstück Flurstück-Nr. …, „A-Straße ...“ in Neustadt an der Weinstraße, Ortsteil Haardt. Der Beigeladene ist Eigentümer der beiden nördlich der A-Straße gelegenen Grundstücke Flurstück-Nrn. … und …, die im Westen an die B-Straße angrenzen. Das Grundstück Flurstück-Nr. … ist mit einem Wohnhaus bebaut, in dem der Beigeladene auch sein ... Geschäft betreibt. Das südlich sich anschließende Grundstück Flurstück-Nr. … besteht aus einer Grünfläche mit mehreren Bäumen und Rasen. Östlich der beiden Grundstücke des Beigeladenen steht die protestantische Kirche. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftaufnahme des betroffenen Straßenabschnitts dienen (rot = Grundstück der Klägerin, gelb = Grundstücke des Beigeladenen):
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Es folgt die Luftbildaufnahme
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Im Ortsteil Haardt findet jährlich Anfang Mai das „Haardter Weinfest auf der Straße“ mit dem „Schubkarrenrennen“ statt. Am ersten Septemberwochenende veranstaltet die Beklagte die Haardter „Woi- und Quetschekuche-Kerwe“, bei dem Stücke eines überdimensionierten Zwetschgenkuchens verkauft werden und das „Quetschekern-Zielspucken“ angeboten wird. Während der beiden Veranstaltungen werden auf der etwa 850 m langen Kerwemeile entlang des Mandelrings an verschiedenen Plätzen Musik und Pfälzische Spezialitäten angeboten.
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Der Beigeladene beteiligt sich an den beiden Festen mit einer Ausschankstelle auf seinen Grundstücken Flurstück-Nrn. … und …. Auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … stehen während des Festes mehrere Bierzeltgarnituren, vereinzelte Stehtische und die Ausschankstelle. Die zwei an der Hauswand des Gebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … angebrachten Lautsprecher sind vom Wohnhaus der Klägerin etwa knapp 35 m entfernt.
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Für das „Haardter Weinfest auf der Straße“ im Mai 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen neben der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes nach dem Gaststättengesetz am 8. Mai 2015 auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von CD-Musik sowie Live-Musik an insgesamt sechs Tagen im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 bis maximal 24 Uhr. Gestattet wurde die Benutzung von Lautsprechern, Tonwiedergabegeräten, Musikinstrumenten und ähnlichen Geräten. Die Genehmigung wurde mit mehreren Nebenbestimmungen versehen.
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Da sich die Klägerin in der Vergangenheit bei der Beklagten mehrfach über von der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehende starke Lärmbelästigungen beschwert hatte, vereinbarte die Beklagte mit ihr die Durchführung von Lärmmessungen. Diese ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A).
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Mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe für den Zeitraum vom 4. September 2015 bis zum 8. September 2015 im Rahmen der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes die Erlaubnis, bis auf Widerruf alkoholische Getränke auf dem Platz vor der (protestantischen) Kirche zu verabreichen. Die Erlaubnis enthielt u.a. die folgende Auflage:
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„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
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Die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilten Gestattung wurde mit Verfügung vom 31. August 2015 angeordnet.
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Mit weiterem Bescheid vom 20. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Benutzung von Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten zum Abspielen von Musik (CD) an seiner Ausschankstelle anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe. Das Abspielen von CD-Musik wurde unter I. des Bescheides für folgende Tage bis maximal 24 Uhr gestattet: Freitag, 4. September 2015, Samstag, 5. September 2015, Sonntag, 6. September und Montag, 7. September 2015. Die Genehmigung enthielt unter II. u.a. folgende Auflagen:
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„1. Zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen sind die Geräuschemissionen der Verstärkeranlagen so zu begrenzen, dass der Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) nächstgelegener Wohngebäude bzw. in angrenzenden Wohngebieten folgende Werte nicht überschreitet: In den unter Ziffer I. dieser Verfügung genehmigten Zeiten 70 dB(A), Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags einhalten. Zum Immissionsort wurde folgendes geregelt: Maßgeblicher Immissionsort für die Einhaltung des Grenzwertes ist entsprechend der schutzwürdigen Nutzung in der Nachbarschaft vor dem Fenster des Anwesens 67433 Neustadt, A-Straße …, sofern sich die Anwohnerin mit einer Lärmmessung vor Ort einverstanden erklärt, ansonsten vor dem Anwesen 67433 Neustadt, A-Straße …
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2. Die Beschallungstechnik ist so auszurichten, dass das Anwesen Am Bürgergarten 2 so wenig wie möglich beschallt wird. Insbesondere ist auf eine Reduzierung der abgestrahlten tiefen Frequenzanteile hinzuwirken (z.B. durch Minimierung einzelner nicht relevanter Terzen).
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3. Vor Beginn der Veranstaltungen ist die Beschallungsanlage so einzupegeln, dass der o. g. Immissionsrichtwert (Ziffer II Nr. 1) eingehalten wird. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken. Die ermittelten Schalldruckpegel und Beurteilungspegel sind zu dokumentieren.
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4. Um sicherzustellen, dass der Immissionsrichtwert eingehalten wird, hat die für die Veranstaltung verantwortliche Person während den Veranstaltungen stündliche Messungen am Emissionsort vorzunehmen. Als Emissionsort wird der Standort in 1 Meter Abstand zur hauptangesteuerten Lautsprecherbox festgelegt. Welcher Grenzwert am Emissionsort einzuhalten ist, wird dem Veranstalter in Abstimmung mit der Einmessung durch den Kommunalen Vollzugsdienst vorgegeben. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken.“
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Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug sowie die Standortgebundenheit und zahlenmäßig eng begrenzte Durchführung solcher Ereignisse als seltene Veranstaltung privilegiert. Im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung sei für die Musikdarbietungen bis 23 Uhr bzw. 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) bezogen auf den Beurteilungszeitraum für den Tag zugelassen worden.
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Am 27. August 2015 legte die Klägerin gegen die dem Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 4. und 20. August 2015 Widerspruch mit der Begründung ein, der Ausschank an dieser Örtlichkeit in unmittelbarer Nähe zum allgemeinen Wohngebiet führe mit und ohne Musik stets zu unangemessenen Lärmbelästigungen. Ihr Anwesen sei am stärksten von den Lärmbelästigungen betroffen. Der Beigeladene halte sich auch nicht an die vorgegebenen Zeiten. Auch beim Weinfest 2015 habe der Beigeladene die zugelassenen Zeiten überzogen. Der Ansicht der Beklagten, Weinfeste und Kerwen gehörten zu den sehr seltenen Festen, sei zu widersprechen. Laut Freizeitlärmrichtlinie seien Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Es gebe zahlreiche Ausschankstellen beim Haardter Weinfest und der Woi- und Quetschekuchekerwe. Eine Unvermeidbarkeit sei nicht gegeben. Da die Beklagte den Ausschank des Beigeladenen erneut genehmigt habe, möge sie begründen, warum hierauf im Bereich der Kirche nicht verzichtet werden könne.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015, der Klägerin zugestellt am 7. November 2015, wies der Stadtrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin als offensichtlich unzulässig zurück, da die Verwaltungsakte sich erledigt hätten.
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Die Klägerin hat am 7. Dezember 2015 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Ausnahmegenehmigung auch mit den Nebenbestimmungen zum Schutz der Nachbarschaft rechtswidrig sei. Es sei nicht dafür Sorge getragen worden, dass die Musikwiedergabe zu den angegebenen Zeiten tatsächlich enden würde.
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Zwar erkenne die Rechtsprechung in einzelnen Fällen bestimmter Ereignisse als „sehr seltene“ Ereignisse wegen Herkömmlichkeit, Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft und sozialer Adäquanz trotz der damit verbundenen Belästigungen für die Nachbarschaft als zumutbar an. Die Zahl dieser sehr seltenen Ereignisse dürfe aber fünf pro Jahr nicht übersteigen. Auch seien die maximal zugelassenen Ereignisse innerhalb eines Ortes aufzuteilen und auf die zehn seltenen Ereignisse pro Jahr seien diese fünf sehr seltenen Ereignisse anzurechnen. Durch das Weinfest vom 8. bis 14. Mai 2015 und durch die Quetschekuchekerwe vom 4. bis 7. September 2015 seien schon zehn Tage erreicht worden. Zu diesen zehn Tagen seien noch Tage für Aufbau und Abbau von jeweils einem Tag hinzuzurechnen, da auch diese Tage mit Musikdarbietungen untermauert worden seien. Ebenfalls hinzugerechnet werden müssten das Sommernachtsfest und andere Veranstaltungen. Alle diese Feste seien konzentriert auf den Bereich von Gemeindezentrum und protestantischer Kirche. Die maximal zulässigen zehn Ereignisse seien weit überschritten, was bei der Entscheidung im Hinblick auf die Ausnahmegenehmigung und die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nicht bedacht worden sei.
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Entgegen dem Verlangen der Rechtsprechung sei auch keine Entscheidung darüber getroffen worden, ob möglicherweise Ausweichstandorte für die Veranstaltungen zur Verfügung stünden. Dass entsprechende Prüfungen stattgefunden haben, lasse sich dem Bescheid nicht entnehmen. Es müsse dargelegt werden, welche anderen Standorte man in die Prüfung einbezogen habe. Auch sei nicht in Betracht gezogen worden, dass es bei dem ausgewählten Standort zu erheblichen Reflektionen an der Schlossbergmauer und der Kirche kommen könne. Eine solche Reflektion führe zur Verstärkung der Richtwerte und mache die Veranstaltung unzulässig. Es sei davon auszugehen, dass die im Bescheid festgelegten 70 dB(A) nicht eingehalten werden könnten, weshalb die Ausnahmegenehmigung bereits nichtig, zumindest aber rechtswidrig sei.
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Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 rechtswidrig waren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verweist zur Begründung auf die ergangenen Ausgangsbescheide.
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Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig (1.), in der Sache aber nur teilweise begründet (2.).
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1. Die Klage ist zulässig.
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1.1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 haben sich durch Zeitablauf vor Klageerhebung erledigt. Die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe 2015 fand bereits in der Zeit vom 4. bis 8. September 2015 statt. Nur hierauf bezogen sich die vorübergehende Gestattung und die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung.
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1.2. Die Klägerin ist auch im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt, da sie durch die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nach § 12 Abs. 1 Gaststättengesetz – GastG – und durch die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 5 Landesimmissionsschutzgesetz – LImSchG – zumindest möglicherweise in drittschützenden Rechten verletzt ist. Im Hinblick auf die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung folgt dies daraus, dass eine solche von Nachbarn erfolgreich angefochten werden kann, wenn die enthaltenen Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – ausgehen (vgl. VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 lässt Ausnahmen von dem Verbot im Hinblick auf den Schutz der Nachtruhe nach § 4 Abs. 1 LImSchG und der Regelung nach § 6 Abs. 1 LImSchG in Bezug auf die Verwendung von Tongeräten zu. Insoweit schützen die §§ 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 LImSchG nicht nur die Allgemeinheit, sondern dienen auch dem Nachbarschutz, auf den sich die Klägerin hier berufen kann (vgl. VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –).
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Auf die in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 aufgeworfene Frage, ob die Klägerin – wie ursprünglich angegeben – Miteigentümerin des Grundstücks Flurstück-Nr. … oder nur Besitzerin ist, kommt es hier nicht an, denn auch nur obligatorisch Berechtigte sind befugt, sich auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu berufen. Diese Vorschrift verweist auf den immissionsschutzrechtlichen Begriff der Nachbarschaft, der auch Anwohner umfasst, die keine Eigentümer der von ihnen bewohnten oder genutzten Grundstücke sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 – 7 C 50/78 –, GewArch 1983, 101; Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437).
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1.3. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse an der begehrten gerichtlichen Entscheidung unter dem Aspekt der konkreten Wiederholungsgefahr. Eine solche ist anzunehmen, wenn die berechtigte Erwartung besteht, dass gleichartige, die Klägerin im Wesentlichen in ähnlicher Weise belastende Verwaltungsakte unter weitgehend gleichen Umständen künftig wieder erlassen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 – 4 C 12/04 –, juris). Davon ist hier angesichts der Praxis der Vorjahre und weil der Beigeladene seine Ausschankstelle mit CD-Musik auf der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe auch künftig betreiben will, ohne Weiteres auszugehen.
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2. In der Sache hat die Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch nur teilweise Erfolg.
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Zunächst kann offen bleiben, ob die Beklagte vorliegend berechtigt war, für die Ausschankstelle des Beigeladenen und das Abspielen von CD-Musik sowohl eine vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung als auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen (2.1.). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 verletzt die Klägerin nicht in ihren materiellen Rechten (2.2.). Dagegen verstößt die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung vom 4. August 2015 zum Teil gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verankerte Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarlichen Ausprägung (2.3.).
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2.1. In der hier gegeben Situation der Drittanfechtung von den Beigeladenen begünstigenden Verwaltungsakten kommt es ausschließlich darauf an, ob die beiden Bescheide vom 4. und 20. August 2015 subjektiv-öffentliche Rechte der drittbetroffenen Klägerin verletzt haben (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, LKRZ 2013, 442). Infolgedessen geht die Kammer nicht näher darauf ein, ob die Beklagte formal überhaupt befugt war, neben der am 4. August 2015 erteilten vorübergehenden gaststättenrechtliche Gestattung eine eigenständige immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erlassen oder ob die Beklagte die Frage nach der Zulässigkeit des Abspielens von CD-Musik umfassend und abschließend in der gaststättenrechtliche Gestattung hätte regeln müssen, weil das Gaststättengesetz als Bundesgesetz für eine Ausgliederung der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen keinen Raum lässt (so VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Abgesehen davon, dass die Beklagte hier gemäß § 1 Satz 1 Gaststättenverordnung – GastVO – sowohl zuständige Behörde für die Erteilung der gaststättenrechtlichen Gestattung als auch gemäß § 15 Abs. 1 LImSchG zuständige Behörde für den Erlass der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung war, kommt es nach Auffassung der Kammer für den Erfolg der Klage der Klägerin allein darauf an, ob diese durch die in den beiden Bescheiden getroffenen Regelungen in ihrem Zusammenspiel materiell-rechtlich beschwert ist, also entweder durch den von der Musikanlage des Beigeladenen oder von den Gästen der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehenden Lärm unzumutbar beeinträchtigt wurde (vgl. auch zur Unbeachtlichkeit der fehlenden Zuständigkeit der Behörde bei Drittanfechtungen OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. August 2012 – 8 B 10627/12.OVG –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. April 2006 – 3 S 547/06 –, NVwZ-RR 2007, 82; VG Neustadt, Urteil vom 18. April 2016 – 3 K 818/14.NW –). Dies war nur teilweise der Fall.
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2.2. Die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 war rechtmäßig.
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2.2.1. Die von dem Beigeladenen anlässlich der Durchführung der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe betriebene Ausschankstelle inklusive Tongeräten ist eine Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die keiner Genehmigung bedarf und daher in den Anwendungsbereich der §§ 22, 23 BImSchG fällt. Nach § 22 Abs. 2 BImSchG bleiben weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zählen sowohl § 4 Abs. 1 LImSchG als auch § 6 Abs. 1 LImSchG. Nach § 4 Abs. 1 LImSchG sind von 22 Uhr bis 6 Uhr Betätigungen verboten, die zu einer Störung der Nachtruhe führen können. Nach § 6 Abs. 1 LImSchG dürfen Geräte, die der Erzeugung oder Wiedergabe von Schall oder Schallzeichen dienen (Tongeräte), insbesondere Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte, Musikinstrumente und ähnliche Geräte, nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden oder die natürliche Umwelt nicht beeinträchtigt werden kann.
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2.2.2. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 LImSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen von dem Verbot der Störung der Nachtruhe (§ 4 Abs. 1 LImSchG) bzw. von dem Verbot der erheblichen Belästigung Dritter durch Tonwiedergabegeräte (§ 6 Abs. 1 LImSchG) bei einem öffentlichen oder überwiegenden privaten Interesse zulassen. Die Ausnahme soll gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden. Ferner kann die zuständige Behörde nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 LImSchG für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde und bei Vorliegen eines öffentlichen oder eines berechtigten privaten Interesses um mehr als eine Stunde hinausschieben. Schließlich kann die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse u.a. für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach § 4 Abs. 1 LImSchG zulassen. Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung der Pflege des historischen oder kulturellen Brauchtums dient oder sonst von besonderer kommunaler Bedeutung ist und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Interesse der Nachbarschaft an ungestörter Nachtruhe überwiegt.
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2.2.3. Die Erteilung einer Ausnahme nach den genannten Vorschriften erfordert eine Güterabwägung auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist die Lärmsituation unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der angestrebten Betätigung und des Schutzbedürfnisses der von Störungen betroffenen Nachbarn eingehend und sorgfältig zu würdigen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 – 21 A 1136/87 –, NVwZ 1988, 178). Hierbei steht der Behörde ein Ermessensspielraum zu (VG Mainz, Urteil vom 24. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Diesen Anforderungen genügt die verfahrensgegenständliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015.
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2.2.3.1. Zunächst ist ein besonderes Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe mit einer eigenen Ausschankstelle unter Nutzung von Tongeräten im Rahmen seiner vorübergehenden Betriebsführung anzuerkennen. Es steht außer Frage, dass die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe als „Weinkerwe“ ebenso wie das Haardter Weinfest auf der Straße ein traditionelles örtliches Fest mit Brauchtumscharakter ist (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris zur Jakobuskerwe in Neustadt-Hambach). Bei den in der Pfalz stattfindenden und sich regelmäßig großem Zuspruch des Publikums erfreuenden „Weinkerwen“ stehen die Ausschankstellen von Weingütern, Winzergenossenschaften, Vereinen und Privatleuten im Mittelpunkt. Ohne diese Ausschankstellen, die häufig auch Live- oder CD-Musik im Programm haben, wäre die Durchführung einer „Weinkerwe“ nicht denkbar. Insofern erfüllen diese eine „soziale Funktion“ (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zu Biergärten in Bayern).
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2.2.3.2. Trotz dieser sozialen Funktion ist der Betrieb einer Ausschankstelle auf einer Weinkerwe in der Pfalz nicht von der Rücksichtnahme auf die benachbarte Wohnbebauung freigestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –, NJW 1989, 1291 zur Problematik des Sportlärms und der sozialen Funktion des Sports; Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zur sozialen Funktion von Biergärten). Ob das besondere Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Weinkerwe das in die Abwägung einzustellende Interesse der Klägerin an einer ungestörten Nachtruhe und daran, durch Tongeräte auch während des Tages nicht erheblich belästigt zu werden, überwiegt, beurteilt sich daher maßgeblich danach, ob die Immissionen der Klägerin zumutbar sind.
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Die durch das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen entstehenden Lärmimmissionen sind für die Klägerin dann unzumutbar, wenn sie schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 LImSchG i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG verursachen. Für dieses Verständnis spricht der Zweck der im Landesimmissionsschutzgesetz getroffenen Regelung. Wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, d. h. als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), ist im Kontext der §§ 4 und 6 LImSchG ebenso wie im Rahmen des § 22 Abs. 1 BImSchG anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, NJW 2003, 3360). Die Zumutbarkeit bestimmt sich grundsätzlich nach der Lage des beeinträchtigten Objekts bzw. der dort ausgeübten Nutzung; die Art des Gebiets, in dem sich die Liegenschaft des Rechtsschutzsuchenden befindet bzw. eine grundstücksbezogene Nutzung ausgeübt wird, bestimmt maßgeblich den Grad der zuzubilligenden Schutzwürdigkeit (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 – , juris). Sowohl nach der verwaltungsgerichtlichen als auch nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung wird als erhebliche Belästigung alles angesehen, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher oder privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2009 – 8 B 13/09 –, juris und BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14 –, NJW 2015, 2023).
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Vorliegend bezieht sich die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auf die Benutzung von Tongeräten i. S. d. § 6 LImSchG (Lautsprecher und Tonwiedergabegeräte). In Übereinstimmung mit § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG erteilte die Beklagte die Ausnahmegenehmigung unter Auflagen und zwar mit dem Inhalt, dass das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen an vier Tagen (von Freitag, dem 4. September 2015 bis Montag, dem 7. September 2015) bis maximal 24 Uhr am maßgeblichen Immissionsort (Bürgergarten 2, Anwesen der Klägerin) ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) nicht überschritten werden darf. Ferner enthielt die Ausnahmegenehmigung weitere Auflagen zur Sicherstellung der Einhaltung der erlaubten Beurteilungspegel wie die Ausrichtung der Beschallungstechnik und die Einpegelung der Beschallungsanlage.
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2.2.3.3. Diese Auflagen waren geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
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2.2.3.3.1. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen der Musikveranstaltungen im Rahmen des vorübergehenden Gaststättenbetriebs des Beigeladenen hat die Beklagte sich in nicht zu beanstandender Weise an der von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) herausgegebenen Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 (im Folgenden 3. Freizeitlärm-Richtlinie) orientiert, die nach dem Rundschreiben des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 22. Juli 2015 von den rheinland-pfälzischen Immissionsschutzbehörden bei der Ermittlung und Beurteilung von Freizeitlärm herangezogen werden soll. Die von Sachverständigen ausgearbeitete 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat zwar keinen Normcharakter, kann aber auch von Behörden und Gerichten als Entscheidungshilfe mit Indiz-Charakter zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 – 7 C 16/00 –, NVwZ 2001, 1167 und BGH, Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699). Die Regelungen der Freizeitlärm-Richtlinie bieten eine Orientierungshilfe insbesondere für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Live- oder CD-Musik, Platzkonzerte oder Volksfeste dargeboten werden. Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG kommt im Einzelfall der Dauer und der Häufigkeit solcher Immissionen besondere Bedeutung zu.
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2.2.3.3.2. Die Kammer hat sich mit den Bewertungsgrundsätzen der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, welche nach den früheren Fassungen von 1987 bzw. von 1997 (letztere im Folgenden 2. Freizeitlärm-Richtlinie) erneut in der Fassung vom 6. März 2015 überarbeitet worden sind, befasst und hält diese grundsätzlich für gut geeignet, über Konflikte zwischen einerseits dem Ruhebedürfnis der Wohnbevölkerung und den Bedürfnissen der Allgemeinheit an Freizeitveranstaltungen insbesondere im Freien während des Sommerhalbjahres zu entscheiden (so auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris zum Frankfurter Museumsuferfest und VG Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2016 – 4 K 1275/15.WI –, juris zum Kulturfestival „Folklore“ in Wiesbaden).
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2.2.3.3.3. Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie sieht in Ziffer 4.1 für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden für allgemeine Wohngebiete – vom Vorliegen eines solchen Gebiets geht die Kammer zugunsten der Klägerin hier aus – einen Immissionsrichtwert tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit von 55 dB (A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB(A) sowie nachts von 40 dB(A) vor. Die Genehmigung vom 20. August 2015 geht über diese Richtwerte deutlich hinaus. Allerdings trifft die Nr. 4.4 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für seltene Veranstaltungen eine Sonderfallbeurteilung. Ausgehend von dem Umstand, dass bei Veranstaltungen im Freien und/oder in Zelten die unter Ziffer 4.1 bis 4.3 genannten Immissionsrichtwerte mitunter trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen nicht eingehalten werden können, können in Sonderfällen solche Veranstaltungen gleichwohl zulässig sein, wenn sie eine hohe Standortgebundenheit oder soziale Adäquanz und Akzeptanz aufweisen und zudem zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden (Ziffer 4.4.1). Eine hohe Standortgebundenheit ist bei besonderem örtlichem oder regionalem Bezug gegeben. Hierunter können auch Feste mit kommunaler Bedeutung wie die örtliche Kirmes fallen. Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. Gemäß Ziffer 4.4.2 soll in derartigen Sonderfällen die zuständige Behörde zunächst die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen prüfen. In Bezug auf die Zumutbarkeit gibt die 3. Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 folgende Hinweise:
- 50
„Voraussetzung ist die Zumutbarkeit der Immissionen unter Berücksichtigung von Schutzwürdigkeit und Sensibilität des Einwirkungsbereichs.
- 51
a) Sofern bei seltenen Veranstaltungen Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts zu erwarten sind, ist deren Zumutbarkeit explizit zu begründen.
- 52
b) Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden.
- 53
c) In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein.
- 54
d) Die Anzahl der Tage (24 Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten.
- 55
e) Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten.
- 56
Die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen ist schriftlich nachvollziehbar zu begründen. Da das Spektrum derjenigen Veranstaltungen, die die Immissionsrichtwerte der Ziffern 4.1 bis 4.3 nicht einhalten können, groß ist und vom Dorffest bis zu überregionalen Großereignissen reicht, gilt:
- 57
In je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen (24 Stunden-Zeitraum) seltene Veranstaltungen stattfinden sollen, desto intensiver hat die zuständige Behörde die in dieser Ziffer genannten Voraussetzungen zu prüfen, zu bewerten und zu begründen. Bei herausragenden Veranstaltungen sind in der Begründung gerade der sozialen Adäquanz und Akzeptanz besondere Bedeutung beizumessen.“
- 58
2.2.3.3.4. Die Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 unterscheidet sich von der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aus dem Jahre 1997 (s. NVwZ 1997, 469) in mehreren Punkten. Die 2. Freizeitlärm-Richtlinie sah in Ziffer 4.4. ebenfalls Besonderheiten bei seltenen Störereignissen vor. Unter Bezugnahme auf die Nr. 2.3.5 der Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschemmissionen wurden die seltenen Störereignisse auf zehn pro Jahr begrenzt (vgl. auch die Ziffern 6.3 und 7.2 der Technischen Anleitung Lärm 1998). Bei den seltenen Ereignissen sollten die Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) die nachfolgenden Werte nicht überschreiten: tags außerhalb der Ruhezeit 70 dB(A), tags innerhalb der Ruhezeit 65 dB(A) und nachts 55 dB(A). Geräuschspitzen sollten die vorgenannten Werte tagsüber um nicht mehr als 20 dB(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.
- 59
2.2.3.3.5. Nach der Rechtsprechung (s. insbesondere OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494 – und Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September – 20 V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) galt darüber hinaus Folgendes: Konnten bei einer Veranstaltung die für seltene Störereignisse in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie festgelegten Immissionsrichtwerte voraussichtlich nicht eingehalten werden, durfte sie immissionsschutz- und gaststättenrechtlich dennoch gestattet werden, wenn sie als „sehr seltenes Ereignis“ wegen ihrer Herkömmlichkeit, ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft oder ihrer sozialen Adäquanz trotz der mit ihr verbundenen Belästigungen den Nachbarn zumutbar war. Gelangte die zuständige Behörde aufgrund ihrer prognostischen Bewertung zu dem Ergebnis, dass es sich bei einer Feier um eine Brauchtumsveranstaltung oder eine solche von besonderer kommunaler Bedeutung handelt, hatte sie in eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten einzutreten. Das OVG Rheinland-Pfalz (s. Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494) hielt Musikdarbietungen in der Regel bis 24 Uhr für zulässig und zwar auch an Tagen, an denen der Folgetag nicht allgemein arbeitsfrei war. In Bezug auf die Anzahl der „sehr seltenen Ereignisse“ führte das OVG Rheinland-Pfalz wörtlich aus: „Ausgehend davon, dass als seltene Ereignisse solche definiert sind, die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen an nicht mehr als zwei aufeinander folgenden Wochenenden die niedrigeren Regelwerte überschreiten, kann nach Auffassung des Senats von sehr seltenen Ereignissen nur dann die Rede sein, wenn deren Anzahl deutlich niedriger als bei seltenen Ereignissen liegt. In aller Regel werden deshalb allenfalls fünf sehr seltene Ereignisse an einem Veranstaltungsort pro Jahr zugelassen werden dürfen. Des Weiteren hält der Senat mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) für solche sehr seltenen Ereignisse für erforderlich.“
- 60
2.2.3.3.6. Im Unterschied zur 2. Freizeitlärm-Richtlinie, die noch von zehn seltenen „Störereignissen“ pro Kalenderjahr ausging, hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie nunmehr bis zu 18 „seltene Veranstaltungen“ pro Kalenderjahr für zumutbar (vgl. auch § 5 Abs. 5 i.V.m. mit der Nr. 1.5 der Achtzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung) – 18. BImSchV –). Während die 2. Freizeitlärm-Richtlinie noch vorsah, dass bei seltenen Ereignissen der Beurteilungspegel vor den Fenstern tags außerhalb der Ruhezeit den Wert von 70 db(A) und innerhalb der Ruhezeit den Wert von 65 db(A) sowie nachts den Wert von 55 dB(A) nicht überschreiten sollte, ist nach der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, wie insbesondere das Zusammenspiel in Ziffer 4.4.2 a), b) und d) zeigt, die Einhaltung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr ohne nähere Begründung sowie eine Überschreitung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr und von 55 dB(A) jedenfalls in der Zeit von 22 bis 24 Uhr den Nachbarn zuzumuten, sofern die Zumutbarkeit explizit begründet wird. Daraus, dass es erst im Falle einer Überschreitung der in Ziffer 4.4.2 a) genannten Beurteilungspegel von 70 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts einer expliziten Begründung der Zumutbarkeit bedarf, ist zu folgern, dass diese Werte grundsätzlich als zumutbar zu erachten sind (s. auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris). Die angesprochene Begründungspflicht der Behörde hat umso intensiver auszufallen, in je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen seltene Veranstaltungen stattfinden sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die reine Zahl der Veranstaltungen bzw. Veranstaltungstage in der Gesamtbetrachtung nur einen Aspekt neben insbesondere der Intensität der Veranstaltungen und dem Schutzniveau des Gebiets abbildet (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris).
- 61
Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat damit zwar nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Begriff des „sehr seltenen Ereignisses“ eingeführt. Sie hat aber offensichtlich die in der Vergangenheit ergangene Rechtsprechung zur Zumutbarkeit von Immissionen bei Sonderfreizeitveranstaltungen gewürdigt und berücksichtigt, dass die in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten zumutbaren Immissionsrichtwerte in Bezug auf Sonderveranstaltungen im Freien mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz in der Lebenswirklichkeit nicht (immer) einzuhalten sind. Die zuvor in der Rechtsprechung erfolgte Unterscheidung zwischen „seltenen Ereignissen“ und „sehr seltenen Ereignissen“ hat damit nach Auffassung der Kammer an Bedeutung verloren. War nach der oben zitierten Rechtsprechung zu den „sehr seltenen Ereignissen“ an bis zu fünf Tagen pro Kalenderjahr über die Regelungen der 2. Freizeitlärm-Richtlinie hinaus eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) bis 24 Uhr zumutbar, so hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie diesen Beurteilungspegel sogar an 18 Tagen im Kalenderjahr bis 24 Uhr für grundsätzlich zumutbar. Im Falle einer expliziten und intensiven Begründung ist darüber hinaus sogar eine Immissionsrichtwertbegrenzung auf mehr als 70 dB(A) nicht ausgeschlossen. Angesichts der in Ziffer 4.4 getroffenen Hinweise in der 3. Freizeitlärm-Richtlinie bedarf es daher nach Ansicht der Kammer prinzipiell nicht mehr des Rückgriffs auf die Rechtsfigur des sog. „sehr seltenen Ereignisses“.
- 62
2.2.3.3.7. Hiernach waren die von der Beklagten dem Beigeladenen erteilten Auflagen geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
- 63
Die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 erlaubte dem Beigeladenen von Freitag, dem 4. September 2015 bis zum Montag, dem 7. September 2015 an insgesamt vier Tagen CD-Musikdarbietungen unter Begrenzung der Schallpegel auf 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr. Die in Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie genannte Zumutbarkeitsgrenze für die Klägerin von 70 dB(A) wurde damit nicht überschritten. Addiert man hinzu, dass die Beklagte dem Beigeladenen auch für das Haardter Weinfest auf der Straße im Mai 2015 eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von Musik an seiner Ausschankstelle für insgesamt sechs Termine im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 mit einem einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 70 dB(A) gewährt hatte, ergeben sich insgesamt zehn immissionsrelevante „seltene Veranstaltungen pro Kalenderjahr“ im Sinne der 3. Freizeitlärm-Richtlinie.
- 64
Selbst wenn man das von der Klägerin genannte von der Liedertafel Neustadt veranstaltete Sommernachtsfest am 4. Juli 2015 im Haardter Schlosspark, der etwa 150 m Luftlinie vom Anwesen der Klägerin entfernt ist, als weiteres „seltenes Ereignis“ hinzuzählen würde, ergeben sich insgesamt elf einzelne Ereignisse, die nach Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie und unter Berücksichtigung der sozialen Funktion der Weinkerwen in der Pfalz in der genehmigten Intensität und Zahl über zwei Halbjahre verteilt einem Nachbarn und damit auch der Klägerin zumutbar sind. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung liegt die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle jedenfalls für Wohngebiete bei 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 – 7 A 28/12, 7 A 28/12 (7 A 22/12) –, NVwZ 2014, 730). Allerdings ist nichts dafür ersichtlich, dass die durch den angefochtenen Bescheid vom 20. August 2015 im Zusammenspiel mit der Ausnahmegenehmigung für das Haardter Weinfest im Mai 2015 zugelassenen Immissionen von 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr von solcher Intensität hätten sein können, dass mit Gesundheitsschäden (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –) bei den in der Nachbarschaft wohnenden Personen zu rechnen gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755). Derartiges hat die Klägerin auch nicht behauptet. Ihren Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 war vielmehr zu entnehmen, dass sie die Weinkerwe als solche ablehnt. Das Interesse der Allgemeinheit am geselligen Zusammensein an der von Musik begleiteten Ausschankstelle des Beigeladenen auf der Weinkerwe überwiegt daher insoweit das Schutzbedürfnis der Klägerin.
- 65
Die Beklagte hat die Zumutbarkeit in der Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auch explizit und ausreichend begründet. Zutreffend hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie darauf abgestellt, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug als seltene Veranstaltung privilegiert. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit des passiven Lärmschutzes und der technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärm in Form von Auflagen sei im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung für die Musikdarbietungen bis maximal 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) zulässig. Damit dieser Wert eingehalten wird, hat die Beklagte in Übereinstimmung mit den Ziffern 4.4.2 c) und 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie sowie mit § 4 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LImSchG mehrere Auflagen in die Genehmigung aufgenommen. So war die Beklagte befugt, nach Ziffer 4.4.2 c) und Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für die Veranstaltungen am Freitag, dem 4. September 2015 und am Samstag, dem 5. September 2015 die Nachtzeit von 22 Uhr auf 24 Uhr zu verschieben. Ebenso wenig ist die Verschiebung der Nachtzeit am Sonntag, dem 6. September und am Montag, dem 7. September 2015 um jeweils eine Stunde auf 23 Uhr rechtlich zu beanstanden. Während die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach Absatz 1 zulassen kann, bestimmt § 4 Abs. 4 Satz 1 LImSchG, dass die zuständige Behörde für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde hinausschieben kann.
- 66
Dem besonderen öffentlichen Interesse an der Musikveranstaltung des Beigeladenen ist die Beklagte in der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung mit Nebenbestimmungen zum Schutz auch der Klägerin vor unzumutbarem Lärm begegnet. So hat die Beklagte dem Beigeladenen Maßnahmen der Eigenüberwachung in Form von Einpegelungen, Ausrichtung der Beschallungstechnik und stündlichen Messungen mit Dokumentation aufgegeben (s. Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie). Darüber hinaus hat die Beklagte dem Beigeladenen die Benennung einer auf der Veranstaltung anwesenden verantwortlichen Person auferlegt, die in der Lage ist, die behördlichen Anordnungen gegenüber Mitwirkenden und Publikum durchzusetzen.
- 67
Anhaltspunkte dafür, dass die in der Ausnahmegenehmigung enthaltenen Regelungen und Nebenbestimmungen zur Einhaltung eines Beurteilungspegels von 70 dB(A) von vornherein ungeeignet sind, sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung moniert hat, der Beigeladene habe sich nicht an die vorgegebenen Zeiten gehalten und möglicherweise die genehmigten Immissionsrichtwerte nicht eingehalten, kann sie damit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Eventuelle Verstöße gegen die in einer Genehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen lassen regelmäßig die Rechtmäßigkeit der Genehmigung unberührt und betreffen zunächst allein die Frage der Vollzugskontrolle (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 1 ZB 09.247 –, juris; VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Allenfalls dann, wenn auch Kontrollen der zuständigen Überwachungsbehörden sich als ungeeignet zur Einhaltung des zulässigen Beurteilungspegels darstellten, könnte von einer zur Rechtwidrigkeit der Genehmigung führenden Ungeeignetheit führen. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Die Messungen der Beklagten anlässlich des Haardter Weinfestes ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A). Die weitere Messung der Beklagten während der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 ergab einen Wert von 67 dB(A), wurde aber nach dem Vermerk vom 7. September 2015 abgebrochen, weil die Klägerin die Messung gestört habe.
- 68
Die genannten Messungen, gegen die die Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben hat, erfassten nicht nur den von der Beschallungsanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärm, sondern auch den von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche sowie das dem Beigeladenen nicht zurechenbare sog. „Kerwegrundgeräusch“ (s. dazu VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris) und führten nicht zu einer Überschreitung des für die Musik genehmigten Beurteilungspegels von 70 dB(A).
- 69
Schließlich begegnet die streitgegenständliche Ausnahmegenehmigung auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil die Lautsprecher unmittelbar am Gebäude des Beigeladenen in der B-Straße … und damit in einem Abstand von weniger als 35 m zu dem Anwesen der Klägerin angebracht sind. Im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung hat die Beklagte zwar auch mögliche Alternativstandorte in den Blick zu nehmen; hierbei darf sie sich neben weiteren Gesichtspunkten auch vom Ziel der Veranstaltung und deren Adressatenkreis leiten lassen. Angesichts dieser Grundsätze ist die Zulassung der Tongeräte unmittelbar am Haus des Beigeladenen ohnehin die für die Klägerin schonendste Variante. Wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt hat, war die Beschallungsanlage bis vor einigen Jahren direkt an der Ausschankstelle und damit deutlich näher zum Anwesen der Klägerin montiert. Von der angewandten „architektonischen Selbsthilfe“ des Beigeladenen hat die Klägerin insoweit profitiert. Ein anderer lokal geeigneter Ausweichort für den Beigeladenen außerhalb seines eigenen Grundstücks scheidet von vornherein aus. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass der Beigeladene an seiner Ausschankstelle überhaupt auf Musik verzichtet.
- 70
2.3. Allerdings ist die dem Beigeladenen gemäß § 12 GastG erteilte vorübergehende gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 4. August 2015 zum Ausschank alkoholischer Getränke insoweit rechtlich zu beanstanden und nachbarrechtsverletzend, als dem Beigeladenen eine Betriebszeit bis 1 oder 2 Uhr gestattet wurde, ohne verbindlich festzuschreiben, dass der Beigeladene nach 24 Uhr die für die Klägerin zumutbaren Immissionsrichtwerte einzuhalten hat.
- 71
Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im Zusammenhang mit der Erteilung einer gaststättenrechtlichen Gestattung muss die zuständige Behörde die subjektiven Rechte der von dem vorübergehenden Gaststättenbetrieb betroffenen Nachbarn berücksichtigen und darf insbesondere nur zumutbare Lärmimmissionen erlauben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494).
- 72
Allerdings kann Nachbarn bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris m.w.N.). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit – d.h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz – zu berücksichtigen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 –, GewArch 2014, 485).
- 73
Da die Beklagte die Zumutbarkeit des von der Musikanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärms in der gesondert ergangenen immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 geregelt hat – und dies nach den Ausführungen in 2.2. rechtlich nicht zu beanstanden war –, war im Rahmen der vorübergehenden Gestattung des Gaststättenbetriebs noch über die Zumutbarkeit der von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche zu befinden. Hierzu findet sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 die folgende Regelung:
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„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
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Die Beklagte entschied sich in Bezug auf die Festlegung der Betriebszeit somit nicht für eine zeitliche Einschränkung der vorübergehenden Gaststättenerlaubnis nach § 18 GastG i. V. m. § 18 Abs. 2, § 19 und 20 GastVO, wonach die Sperrzeit für Volksfeste, die um 22 Uhr beginnt und um 6 Uhr endet, bei einem öffentlichen Bedürfnis oder besonderen örtlichen Verhältnissen u.a. allgemein oder für einzelne Betriebe verkürzt werden kann, sondern für den Erlass einer Auflage nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG, wonach die Erlaubnis jederzeit mit Auflagen u. a. zum Schutz der Nachbarn versehen werden kann. Hierzu war die Beklagte berechtigt, denn die genannten Bestimmungen stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Vielmehr sind sie nebeneinander anwendbar, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, NVwZ 1995, 1021 zum Verhältnis von § 5 und § 18 GastG; VG Neustadt, Urteil vom 6. April 2006 – 4 K 1919/05.NW –; ebenso Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, 14. Auflage 2003, § 5 Rn. 4).
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In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf nicht nur eine nach § 2 GastG erforderliche Gaststättenerlaubnis, sondern auch eine vorübergehende Gestattung nach § 12 GastG gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Auflagen (s. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG Genüge zu tun (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2016 – 2 A 2423/15 –, juris und VG Neustadt, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 K 396/15.NW -, juris jeweils zur Baugenehmigung). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der vorübergehenden Gestattung nach § 12 GastG getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Gastwirt die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris zur Baugenehmigung).
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Dem gesetzlichen Regelungsauftrag wird die Gestattung vom 8. August 2015 im Zusammenspiel mit der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 nicht gerecht. Die nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG erlassene Auflage, die Betriebszeit auf 1 bzw. 2 Uhr zu beschränken und die Aufforderung an den Beigeladenen, jeweils ab 22 Uhr darauf zu achten, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist, soweit der Zeitraum von 24 Uhr bis 2 Uhr betroffen ist, rechtswidrig.
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Was die Zeit bis 24 Uhr anbetrifft, fehlt es nach Auffassung der Kammer nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, da für die betroffenen Tage im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie die Auflage ergangen ist, bis 24 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) einzuhalten. Dies war der Klägerin, wie oben ausgeführt, zumutbar; auf diese Lautstärke musste sie sich einstellen. Zwar war Regelungsinhalt der genannten Ausnahmegenehmigung „nur“ der von der Musikanlage ausgehende Lärm. Es versteht sich aber von selbst, dass die von den Gästen zusätzlich zur Musik verursachten Geräusche vom einzuhaltenden Beurteilungspegel von 70 dB(A) umfasst ist (s. dazu auch die von der Beklagten vorgenommenen Messungen).
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Da das unter Auflagen genehmigte Abspielen von Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen aber nur bis maximal 24 Uhr begrenzt war und die vorübergehende Gestattung darüber hinaus einen Gaststättenbetrieb bis längstens 2 Uhr erlaubte, musste die Beklagte indessen eine verbindlichen Regelung dazu treffen, welchen Kommunikationslärm sie in Bezug auf die Nachbarn und damit auf die Klägerin nach Beendigung der Musikdarbietungen um spätestens 24 Uhr über diesen Zeitpunkt hinaus für zulässig hält (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Ohne näher darauf einzugehen, ob die Betriebszeit von seltenen Veranstaltungen, die – wie hier – mehr als zehnmal pro Kalenderjahr stattfinden, überhaupt über 24 Uhr hinaus für die Nachbarn zumutbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 - 21 A 1136/87 -, NVwZ 1988, 178 zu einem auf drei Tage beschränkten Schützenfest, bei dem die Veranstaltungszeit über 24 Uhr hinaus festgesetzt wurde; vgl. auch VG Gera, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 K 1399/12 Ge –, juris, wonach eine Verschiebung der Nachtzeit auf 1 Uhr in sehr seltenen Fällen wie z.B. beim Maibaumsetzen in Betracht kommt), führt die Ziffer 4.4.2 b) der 3. Freizeitlärm-Richtlinie hierzu aus, Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden. Selbst wenn die Überschreitung eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr nach dieser Formulierung im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen sein soll, hätte die Beklagte einen genauen Beurteilungspegel, der nicht überschritten werden darf, in dem Bescheid vom 4. August festschreiben und nachvollziehbar begründen müssen, dass der genannte Wert für die Klägerin nach Mitternacht zumutbar ist. Dies galt umso mehr, als die Beklagte mit dem Haardter Weinfest im Mai 2015 und der Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 insgesamt zehn seltene Veranstaltungen im Kalenderjahr 2015 zugelassen hatte, die Prüfung der Zumutbarkeit von Immissionen nach 24 Uhr folglich besonders intensiv ausfallen musste. Derartige Erwägungen finden sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 jedoch nicht. Die in den der vorübergehenden gaststättenrechtlichen Gestattung beigefügten Auflagen aufgeführte Formulierung, ab 22 Uhr müsse darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist nicht geeignet, dem Schutzbedürfnis der Anwohner und damit auch der Klägerin nach 24 Uhr hinreichend Rechnung zu tragen. Die genannte Auflage genügt nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG in seiner nachbarlichen Ausgestaltung, um eine Begrenzung der Belastung der Klägerin nach 24 Uhr zu gewährleisten (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris; VG Münster, Beschluss vom 9. Februar 2009 – 10 L 39/09 –, juris). Durch die Nebenbestimmung wird in keiner Weise deutlich, welche maximale Lautstärke von dem Kommunikationslärm zwischen 24 Uhr und 2 Uhr ausgehen durfte. Die Klägerin konnte damit das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit nicht zweifelsfrei feststellen; sie war insoweit durch die Regelung schutzlos gestellt. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, auch nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird (s. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris).
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Auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten nach 24 Uhr konnte hier auch nicht deshalb verzichtet werden, weil, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 angegeben hat, die Gäste nach 24 Uhr nahezu vollständig die Veranstaltung verlassen und die Ausschankstelle daher regelmäßig bereits um 24 Uhr geschlossen werde. Für die Frage, ob eine Veranstaltung den Nachbarn zugemutet werden darf, ist grundsätzlich von dem der Genehmigung zugrundeliegenden Nutzungsumfang auszugehen, nicht aber lediglich von einer möglicherweise hinter diesem Umfang zurückbleibenden tatsächlichen Nutzung (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 1992 – 3 S 829/92 –, UPR 1993, 308). Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund zuverlässig feststehender, gleichbleibender Umstände davon ausgegangen werden kann, dass die Anlage dauerhaft in einem geringeren Umfang als genehmigt genutzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1974 – IV C 77.73 –, GewArch 1975, 69). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es steht zum einen dem Beigeladenen frei, zukünftig eine kürzere Betriebszeit zu beantragen. Zum anderen wird die Beklagte, will sie auch zukünftig eine Bewirtung über 24 Uhr hinaus zulassen, für die Zeit nach 24 Uhr einen verbindlichen Immissionsrichtwert festschreiben müssen, dessen Einhaltung im Übrigen bei Bedarf auch überwacht werden muss.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
- 83
Beschluss
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 09. Mai 2016 - 4 K 1107/15.NW
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 09. Mai 2016 - 4 K 1107/15.NW zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz betreffend die zukünftige Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebs.
Der Antragsteller wohnt auf dem Grundstück Fl.Nr. 381, Gemarkung ... Nördlich angrenzend an dieses Grundstück befindet sich ein Sportplatz, südöstlich grenzt das sogenannte „BRK Heim“ an, ein vom BRK genutztes Grundstück mit den Fl.Nrn. 378/4 und 378/5. Auf dem östlich gelegenen Grundstück Fl.Nr. 378/1 befindet sich ein Feuerwehrhaus.
Mit Bescheid vom ... Juni 2015 erteilte der Antragsgegner einer örtlichen Organisationseinheit des BRK eine Gestattung nach § 12 Gaststättengesetz - GastG - zur Veranstaltung einer „...-party“ im Innenhof des „BRK Heims“ am ... Juli 2015 ab 20:00 Uhr mit dem Ausschank u. a. alkoholischer Getränke. Als „Musik- und Ausschankende“ wurde 2:00 Uhr, als Veranstaltungsende 2:30 Uhr festgelegt. Einer Auflage Nr. 6 zum Immissionsschutz zufolge durfte ein „Beurteilungspegel der Lärmeinwirkung auf die Nachbarschaft“ einen Richtwert tags von 70 dB (A) und nachts - zwischen 22:00 Uhr und 7:00 Uhr - von 55 dB (A) nicht überschreiten. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen durften diese Werte am Tag um nicht mehr als 20 dB (A) und in der Nacht nicht mehr als 10 dB (A) überschreiten.
Am
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
dem Antragsgegner zu untersagen, zukünftig Veranstaltungen zu genehmigen, die mit einer Überschreitung der amtlich festgesetzten Lärmgrenze starten, stattfinden oder enden würden, und für jeden Fall der Zuwiderhandlung einen Betrag von 500.000,- EUR und eine Ersatzhaft von sechs Monaten für den Sachbearbeiter des Antragsgegners anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde in der Antragserwiderung vom
Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen die künftige Gestattung von Veranstaltungen auf dem Nachbargrundstück des BRK nach § 12 GastG begehrt (§ 88 VwGO). Die von ihm angestrebte einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO soll zudem eine Strafandrohung in Bezug auf Ordnungsgeld und Ordnungshaft beinhalten (vgl. § 167 VwGO i. V. m. § 890 ZPO). Wie das Gericht dem Antragsteller mit Schreiben vom 15. Juli 2015 mitteilte wurde der Antrag so verstanden, dass er sich lediglich gegen den Antragsgegner richtet.
Es kann dahinstehen, ob das für die Zulässigkeit des Antrags erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist; dies ist nur ausnahmsweise zu bejahen, wenn vorbeugender Rechtsschutz vor Erlass eines Verwaltungsakts - hier vor künftigen Gestattungen nach § 12 GastG - begehrt wird. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft zu machen.
Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass eine künftige Gestattung nach § 12 GastG für Veranstaltungen auf dem BRK-Grundstück wegen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften, die dem Schutz der subjektiven Rechte des Antragstellers dienen, rechtswidrig wäre (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Ein Nachbar im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG kann sich darauf berufen, dass bei erlaubnisgemäßem Gaststättenbetrieb derartige Immissionen zu erwarten seien. Für das Vorliegen „erheblicher“ Nachteile bzw. Belästigungen kommt es entscheidend darauf an, ob die fraglichen Immissionen dem Betroffenen unter Würdigung aller Umstände zumutbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2014 - 22 CS 14.2013 - juris Rn. 5). Für die Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle ist nicht die individuelle Empfindlichkeit eines konkret schutzbedürftigen Nachbarn, sondern die durchschnittliche Empfindlichkeit gegenüber Lärmbeeinträchtigungen maßgeblich (vgl. BayVGH, U.v. 30.6.2015 - 22 B 14.564 - juris Rn. 20).
Bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG kann Nachbarn eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (vgl. BayVGH, B.v. 26.5.1988 - 22 CS 87.02172 - GewArch 1988, 275). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit - d. h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz - zu berücksichtigen ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2014 - 22 CS 14.2013 - juris Rn. 8). Die in verschiedenen Regelwerken entwickelten Grundsätze zur Behandlung sogenannter seltener Störereignisse können dabei Anhaltspunkte geben, dürfen aber nicht schematisch angewendet werden (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2015 - 22 CS 15.2058 - juris Rn. 4). Es besteht vielmehr Raum für die Berücksichtigung z. B. der besonderen Seltenheit einer Veranstaltung. Je kleiner die Zahl der Tage und Nächte mit Ruhestörungen ist, desto eher kann man diese der Nachbarschaft „aus besonderem Anlass“ zumuten (vgl. BayVGH, U.v. 22.10.1998 - 22 B 98.602 - juris Rn. 29).
Aufgrund der Äußerungen des Antragsgegners ist davon auszugehen, dass er künftig Gestattungen nach § 12 GastG für Veranstaltungen auf dem BRK-Grundstück mit den gleichen Auflagen erteilen würde, die im Bescheid vom... Juni 2015 enthalten waren. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner zum Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbaren Lärmimmissionen einzuhaltende Beurteilungspegel von tags 70 dB (A) und nachts 55 dB (A) festgesetzt hat. Maßgeblicher Immissionsort ist ersichtlich die nächstgelegene Wohnung des Antragstellers. Die festgelegten Immissionsrichtwerte entsprechen den Vorgaben für seltene Ereignisse nach Ziff. 6.3 TA Lärm bzw. § 5 Abs. 5 Sportanlagenlärmschutzverordnung - 18. BImSchV, an denen sich der Antragsgegner orientieren konnte. Die Lage unmittelbar angrenzend an das BRK-Grundstück prägt das vom Antragsteller bewohnte Grundstück mit; dieser muss die herkömmliche Nutzung des Nachbargrundstücks hinnehmen. Die Veranstaltung einzelner Feste im Jahr wie hier gehört zur üblichen Nutzung eines Vereinsgrundstücks. Solche Veranstaltungen dienen dem Zusammenhalt der Organisation und tragen zur Rekrutierung neuer Mitglieder bei. Im Hinblick darauf, dass das BRK im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben des Rettungsdienstes erfüllt, besteht eine hohe allgemeine Akzeptanz für derartige Veranstaltungen dieser Organisation. Zudem befinden sich mit dem Feuerwehrhaus und dem Sportplatz in unmittelbarer Nachbarschaft des Antragstellers weitere Anlagen, mit deren bestimmungsgemäßer Nutzung relativ hohe Lärmimmissionen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund muss der Antragsteller allgemein eine höhere Lärmbelastung hinnehmen, als dies z. B. in einem allgemeinen Wohngebiet der Fall wäre.
Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und entspricht der Hälfte des in einem etwaigen Klageverfahren anzusetzenden Streitwerts.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die vorläufigen Gestattungen der Beklagten nach § 12 des Gaststättengesetzes vom 5. September 2014 und 12. September 2014 in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 sowie die Genehmigungen der Beklagten vom 5. und 12. September 2014 nach dem Landesimmissionsschutzgesetz in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; die jeweiligen Kostenschuldnerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Kostengläubiger nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
1
Tatbestand:
2In der Zeit vom 2. Oktober 2013 bis zum 13. Oktober 2013 fand in Essen-Rüttenscheid auf dem Messeparkplatz 2 erstmals ein „ bayerisches Oktoberfest“ in einem Festzelt statt. Nach dessen Ankündigung in der Presse wandte sich der Kläger zu 2. unter dem 29. Juli 2013 an die Beklagte und bat um Informationen zur baurechtlichen Zulässigkeit und den vorgesehenen Lärmschutzauflagen. Das Schreiben wurde nicht beantwortet. Die Beklagte holte Stellungnahmen ihres Bauordnungs- und des Bauplanungsamtes ein. Für das Bauordnungsamt teilte das Rechtsamt mit, für den Messeparkplatz bestehe ein planungsrechtlicher Vorbescheid, eine Baugenehmigung stehe noch aus. Eine Nutzung der Fläche als temporärer Festplatz sei grundsätzlich genehmigungsfähig, allerdings könne die Einhaltung der Lärmwerte problematisch sein. Da diesem Aspekt aber im Rahmen der zu erteilenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Rechnung getragen werde, gebe es baurechtlich keinen zwingenden Handlungsbedarf. Die formelle Baugenehmigung sei für die Nutzung als Festplatz völlig irrelevant, „Fluchtwege usw.“ seien rundherum großzügig vorhanden. Es beständen keine Bedenken, auf das Erfordernis einer baurechtlichen Genehmigung zu verzichten. Das Bauplanungsamt teilte mit, die Parkplatzfläche sei keinem der Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung zuzuordnen. Das gelte auch für die Wohngrundstücke an der X.--------straße . Es seien die Schutzziele eines Mischgebiets einzuhalten.
3Unter dem 1.Oktober 2013 erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9 und 10 des Landesimmissionsschutzgesetzes – LImSchG –, mit denen der Beigeladenen störende Betätigungen während der Nachtruhe und die Benutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, erlaubt wurden. Die zulässigen Immissionsgrenzwerte wurde teils tageweise, teils nach Tagesabschnitten gestaffelt, auf 65 – 75 dB (A) festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Genehmigung (Beiakte Heft 1 Bl. 28-34) verwiesen.
4Mit weiterer Verfügung vom 1. Oktober 2013 wurde der Beigeladenen eine vorübergehende Gestattung nach § 12 des Gaststättengesetzes – GastG – für den Ausschank alkoholischer Getränke in der Zeit des Oktoberfestes auf dem Messeparkplatz erteilt, der Zeitrahmen wurde auf Zeiten zwischen 11.00 und 24.00 Uhr festgesetzt. An allen Veranstaltungstagen war als Betriebsende 23.00 oder 24.00 Uhr angegeben, der Gestattung war die Auflage beigefügt, der Betrieb sei so zu führen, dass weder die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke noch die Allgemeinheit erhebliche Gefahren oder Belästigungen, z. B. Geräusch- oder Geruchsemissionen, erleiden. Im Übrigen wird auf die Gestattung (Beiakte Heft1 Bl. 35-36) verwiesen.
5Nach Durchführung des Festes beurteilten die Beklagte und die Beigeladene dieses positiv. Die Veranstaltung habe 25.000 Besucher aus dem Ruhrgebiet angezogen. Es wurde erwartet, bei einer Wiederholung der Veranstaltung im Jahr 2014, bei der ein Zelt gleicher Größe geplant sei, mit etwa 35.000 Besuchern rechnen zu können.
6Den Klägern zu 1. und 2., die sich auch während des Oktoberfestes wiederholt über Lärmbelästigungen beschwerten, teilte die Beklagte unter dem 10. Dezember 2013 mit, die festgesetzten Immissionswerte seien während des Festes im Wesentlichen eingehalten worden. Es sei verständlich, dass das Fest bei den Anwohnern nicht unbedingt Verständnis finde. Es habe jedoch ein öffentliches Interesse an der Durchführung der Veranstaltung gegeben: Zwar handele es sich beim Rüttenscheider Oktoberfest nicht um eine Traditionsveranstaltung, Nachahmungen des Münchener Oktoberfests fänden aber im gesamten Bundesgebiet statt. Die Abendveranstaltungen seien insbesondere am Wochenende schnell ausgebucht gewesen, das belege das große Besucherinteresse. Die Veranstaltung bedeute einen Imagegewinn für Rüttenscheid, zumal die Besucher nach Betriebsbeendigung noch die örtliche Gastronomie aufgesucht hätten und allgemein zu Folgebesuchen des Stadtteils angeregt werden sollten. Die für die Nachtzeit bewilligten Immissionswerte seien zumutbar gewesen. Bei im Oktober zumutbarem Schließen der Fenster werde die Lärmbelastung erfahrungsgemäß zwischen 30 und 40 dB(A) reduziert.
7Nach Vorgesprächen beantragte die Beigeladene am 19. Mai 2014 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Oktoberfest 2014. Wegen des Standorts des Zeltes wird auf Bl.1, 8 – 10 der Beiakte Heft 1, wegen dessen äußerer Gestaltung auf Bl. 985-987 der Beiakte Heft 2 verwiesen. Es sei beabsichtigt, das Zelt in der Zeit vom 25. September 2014, 8.00 Uhr bis zum 29. September 2014 um 18.00 Uhr aufzubauen. Der Abbau solle vom 12. Oktober 2014, 8.00 Uhr bis zum 14. Oktober 2014, 18.00 Uhr dauern.
8Folgende Veranstaltungen seien vorgesehen: Am Dienstag, dem 30. September 2014 von 18.00 Uhr bis 24.00 Uhr ein Treffen von RWE-Führungskräften mit ca. 1.000 Personen.
9Von Donnerstag, dem 2. Oktober 2014, bis zum Samstag, dem 11. Oktober 2014, solle das Rüttenscheider Oktoberfest stattfinden. Das Live-Musikprogramm solle an den Werktagen bis 22.00 Uhr dauern, am Freitag, Samstag und am Eröffnungstag bis 23.00 Uhr. Nach der Live-Musik solle jeweils noch eine weitere Stunde ruhigere Musik von CDs gespielt werden.
10Zudem beantragte die Beigeladene die für die Durchführung der Veranstaltung erforderliche gaststättenrechtliche Erlaubnis.
11Unter dem 26. Mai 2014 wandten sich die Kläger, die Eigentümer und Bewohner von Wohnungen im Haus X.--------straße 11 sind, an die Beklagte. Unter Hinweis auf die Erfahrungen mit dem Oktoberfest 2013 verlangten sie, die Durchführung der Veranstaltung zu untersagen. Jedenfalls seien Schutzauflagen bei Durchführung der Veranstaltung notwendig. Die maßgeblichen Immissionsrichtwerte seien tagsüber an
12Werktagen auf 55 dB (A), tags an Werktagen während der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen auf 50 dB (A) und nachts auf 40 dB (A) festzusetzen. Live- Musikdarbietungen müssten um 22.00 Uhr enden. Der Auf- und Abbau der Anlagen dürfe werktags nur außerhalb der Ruhezeiten und nicht an Sonn- und Feiertagen stattfinden.
13Unter dem 11. Juli 2014 lehnte die Beklagte die Untersagung der Veranstaltung ab. Der Freizeitlärmerlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2009- Freizeitlärmerlass - regele die Zulässigkeit der maßgeblichen Immissionsrichtwerte bei komplexen Veranstaltungen nicht abschließend. Es liege auf der Hand, dass bei großen Veranstaltungen schon durch die Anwesenheit des Publikums höhere Werte erzielt würden. Insbesondere werde die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach dem Landesimmissionsschutzgesetz dort nicht abschließend geregelt. Zu Einzelheiten der beabsichtigten Genehmigungen könne derzeit noch keine Auskunft gegeben werden.
14Ungeachtet eines Antrags der Kläger an das erkennende Gericht, die Veranstaltung im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, erteilte die Beklagte der Beigeladenen am 5.September 2014 eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9 und 10 LImSchG. Es wurden für die folgenden Veranstaltungstage Ausnahmen vom Verbot von Betätigungen, die die Nachtruhe zu stören geeignet sind, und vom Verbot der Nutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, mit folgenden Immissionsgrenzwerten zugelassen.
15Donnerstag, den 2.10.2014 16.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
1622.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
17Freitag, den 3.10.2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
1813.00 – 17.00 Uhr 65 dB (A)
1917.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
2022.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
21Samstag, den 4.10. 2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
2213.00 – 17.00 Uhr 65 dB (A)
2317.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
2422.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
25Sonntag, den 5.10. 2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
2613.00 - 17.00 Uhr 65 dB (A)
2717.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
28Montag, den 6.10. 2014 17.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
29Dienstag, den 7.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
30Mittwoch, den 8.10. 2014 17.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
31Donnerstag, den 9.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
32Freitag, den 10.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
3322.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
34Samstag, den 11.10.2014 11.00 - 13.00 Uhr 70 dB (A)
3513.00 - 17.00 Uhr 65 dB (A)
3617.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
3722.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
38Wegen der weiteren Auflagen wird auf die Genehmigung (Beiakte Heft 2 Bl. 405 -413) verwiesen.
39Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Veranstaltung, die in Anlehnung an andere ähnliche Großveranstaltungen in München, Stuttgart und Münster als Außenveranstaltung konzipiert worden sei, stehe die Zeltatmosphäre im Vordergrund, deren gemütlicher Charakter sei in Veranstaltungs- und Messehallen nicht erreichbar. Das Zelt biete etwa 3.000 Besuchern Platz, der allgemeine Schallpegel innerhalb größerer Menschenansammlungen liege erfahrungsgemäß zwischen 65 und 70 dB (A). Damit Musik noch wahrgenommen werden könne, sei es notwendig, die Beschallung mindestens 5 dB(A) höher anzusetzen.
40Die zumutbaren technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Verminderung des mit der Veranstaltung verbundenen Lärms seien auf dieser Grundlage getroffen worden.
41Die Veranstaltung liege im öffentlichen Interesse. Gerade an Wochenenden zeige das Freizeitverhalten ein Bedürfnis nach großen Abendveranstaltungen. Aufgrund der Erfahrungen aus dem Vorjahr sei davon auszugehen, dass gerade die Abendveranstaltungen ausverkauft sein würden und zum Fest mindestens 25.000 Besucher zu erwarten seien. Das damit verbundene Interesse sei höher zu bewerten als das der Anlieger an der Beachtung der im Freizeitlärmerlass aufgeführten Immissionsrichtwerte.
42Die zweifelsohne zu erwartende Störung der Anwohner werde durch die zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der Genehmigung so weit wie möglich begrenzt und sei daher zumutbar. Die erlaubte Verkürzung der Nachtruhe an einigen Stunden für einige Tage werde sich für den größten Teil der Anwohner nicht auswirken, da der folgende Tag in der Regel arbeitsfrei sei und somit zum Ausschlafen genutzt werden könne. Da die Veranstaltung während der Herbstferien stattfinde, würden Schüler nicht besonders beeinträchtigt.
43Die Immissionsrichtwerte und –zeiten seien zudem so gewählt, dass es den Anwohnern zuzumuten sei, die Fenster für einen überschaubaren Zeitraum zu schließen und so passiven Lärmschutz von etwa 30 dB (A) zu erhalten.
44Die mit einer Zwangsgeldandrohung verbundene Genehmigung, deren sofortige Vollziehung angeordnet wurde, wurde der Beigeladenen am 8. September 2014 übersandt. Gleichzeitig wurde der Beigeladenen eine vorübergehende Gestattung vom 5. September 2014 für die oben aufgeführten Betriebszeiten in der Zeit vom2. Oktober 2014 bis zum 11. Oktober 2014 zum Ausschank alkoholischer Getränke erteilt. In ihr ist neben einer Lärmschutzbestimmung für die Nutzung von Kühlcontainern, Kühlaggregaten und Lüftungsanlagen unter anderem folgende Auflage enthalten:„Der gestattete Betrieb ist stets so zu führen, dass weder die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder die Nachbargrundstücke noch die Allgemeinheit erhebliche Gefahren oder Belästigungen, z.B. durch Geräusch- oder Geruchsemissionen, erleiden.“
45Auch bezüglich der vorübergehenden Gestattung wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
46Mit Schreiben vom 12. September 2014 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, sie habe am 12. September 2014 eine gaststättenrechtliche Erlaubnis für eine Abendveranstaltung für RWE-Führungskräfte am 30. September 2014 im Oktoberfestzelt erteilt ( Beiakte Heft 2 Bl. 452). Diese Genehmigung betreffe aber allein den gastronomischen Teil der Veranstaltung (Speisen- und Getränkeabgabe), nicht etwa eine über den erlaubten Rahmen hinausgehende Lautstärke von Musikdarbietungen oder eine Einschränkung der Nachtruhe. Es handele sich um eine Firmenveranstaltung, ein besonderes öffentliches Interesse an der Veranstaltung sei nicht erkennbar. Bei deren Durchführung dürften die zulässigen Immissionsrichtwerte nicht überschritten werden, in Anbetracht der planungsrechtlichen Einstufung der der Veranstaltungsfläche nächstgelegenen Wohnbebauung seien an der Außenseite der Bebauung folgende Werte zulässig:
47Bis 20.00 Uhr 60 dB(A)
4820.00 – 22.00 Uhr 55 dB (A)
49Nachts, also ab 22.00 Uhr 45 dB(A).
50Mit weiterer Ausnahmegenehmigung gemäß § 10 Abs. 4 LImSchG vom 12. September 2014 erlaubte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung am 10. Oktober 2014 in der Zeit von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr die Nutzung von Geräten zur Schallerzeugung und Schallwiedergabe zur Durchführung eines Seniorennachmittags und setzte den erlaubten Immissionsrichtwert auf 70 dB (A) fest. Gleichzeitig erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine vorläufige Gestattung zum Ausschank alkoholischer Getränke für diese Zeit, deren Nebenbestimmungen der vorübergehenden Gestattung vom 8. September 2014 entsprachen.
51Am 24. September 2014 schlossen die Beteiligten vor dem erkennenden Gericht einen Vergleich im Rahmen des auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens, der der Beigeladenen die Durchführung der Veranstaltung ermöglichte. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins im Verfahren 19 L 1153/14 (Beiakte Heft 2 Bl 500- 506) verwiesen.
52Mit Verfügung vom 2. Oktober 2014 änderte die Beklagte die Zwangsgeldandrohungen in den Ausnahmegenehmigungen vom 5. und 12. September 2014. Mit weiterem Bescheid vom 2. Oktober 2014 ergänzte die Beklagte die vorübergehende Gestattung vom 5. September 2014 um eine Zwangsgeldandrohung. Die Änderungsbescheide wurden der Beigeladenen am 2. Oktober 2014 zugestellt.
53Die Kläger haben unter Rücknahme des am 16. September 2014 gegen die Ausnahmegenehmigung vom 5. September 2014 erhobenen Widerspruchs entsprechend dem am 24. September 2014 geschlossenen Vergleich am 2. Oktober 2014 Anfechtungsklage gegen die von der Beklagten erteilten vorläufigen Gestattungen und Ausnahmegenehmigungen mit dem angekündigten Ziel erhoben, die Rechtswidrigkeit der Entscheidungen nach Durchführung des Festes feststellen zu lassen. Sie führen aus, die erteilten Genehmigungen und Gestattungen seien rechtswidrig. Ihre Wohnungen lägen in einem allgemeinen Wohngebiet, hiernach richte sich der ihnen zukommende Schutz. Bei der Durchführung des Oktoberfestes 2014 sei es wie im Vorjahr zu erheblichen Lärmbelästigungen gekommen, die festgesetzten Immissionsrichtwerte seien unzulässig überhöht. Die erteilten Erlaubnisse seien schon deshalb rechtswidrig, weil lediglich die Lärmemissionen durch die Musikveranstaltungen und die Störung der Nachtruhe erfasst worden seien, die Kommunikationsgeräusche durch den Betrieb und die Besucher und den An-und Abfahrtsverkehr habe die Beklagte überhaupt nicht bewältigt. Entsprechend sei bei der Festsetzung der Immissionsrichtwerte nicht beachtet worden, dass auch deshalb Zuschläge wegen der Ton-, Informations- und Impulshaltigkeit des Lärms zu berücksichtigen gewesen seien. Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen des Freizeitlärmerlasses bei der Festlegung der Immissionsrichtwerte nicht beachtet worden. Das wiege besonders schwer, weil die dort genannten Voraussetzungen für eine Privilegierung der Veranstaltung der Beigeladenen offenbar nicht gegeben seien. Es handele sich nicht um eine traditionelle ortsgebundene Veranstaltung und auch nicht um ein seltenes Ereignis im Sinn der Freizeitlärmrichtlinie. Das scheitere schon daran, dass der Messeparkplatz weit mehr als 10 Tage im Jahr für außergewöhnliche lärmträchtige Veranstaltungen genutzt werde. So habe in der Zeit vom 30. Juli 2014 bis zum 3. August 2014 die Veranstaltung „Rü…Genuss pur 2014“ stattgefunden, in diesem Rahmen seien die Kläger nachts Immissionen mit Beurteilungspegeln von bis zu 64 dB (A) ausgesetzt worden. Darüber hinaus werde der Platz zur Veranstaltung von Flohmärkten genutzt, zudem komme es bei Großveranstaltungen in der Grugahalle nachts zu erheblichem Abreiseverkehr. Auf dem benachbarten Fußballplatz komme es darüber hinaus vielfach bei Vereinsfesten zu erheblichen Lärmbelästigungen. Selbst wenn man ein seltenes Ereignis annehmen wolle, sei der eingeräumte Zeitraum, an dem das Oktoberfest stattfinde, eindeutig zu lang. Abgesehen davon, dass auch die Beklagte im Erörterungstermin vom 24. September 2014 zugestanden habe, dass die Voraussetzungen eines seltenen Ereignisses nach dem Freizeitlärmerlass und der TA Lärm nicht vorlägen, seien die Immissionswerte für seltene Ereignisse zudem noch überschritten worden. Hierfür fehle jede Rechtfertigung, zumal Alternativstandorte für das Fest überhaupt nicht geprüft worden seien. Es sei nicht einzusehen, warum die Veranstaltung, für die ein Ortsbezug ohnehin fehle, nicht in der nahegelegenen Grugahalle durchgeführt werden könne.
54Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der Parkplatz nicht als Festplatz genehmigt sei. Das habe zur Folge, dass die Veranstaltung auch mangels Baugenehmigung rechtswidrig sei.
55Es sei zudem zu bemängeln, dass der Aufbau und Abbau des Festzeltes unter Verstoß gegen das Feiertagsgesetz und die Bestimmungen zum Schutz der Nachtruhe stattgefunden habe.
56Die Kläger beantragen,
57festzustellen, dass die Ausnahmegenehmigungen der Beklagten nach dem Landesimmissionsschutzgesetz für das „Rüttenscheider Oktoberfest“ vom 5. September 2014 mit Ergänzung vom 12. September 2014 und in der Fassung der Ergänzung vom 2. Oktober 2014 sowie die gaststättenrechtlichen Gestattungen der Beklagten vom 5. und zweimal 12. September 2014 in der Fassung der Ergänzung vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren,
58hilfsweise,
59- 60
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, durch Auflagen oder Anordnungen zu den genannten Genehmigungen und Gestattungen sicherzustellen, dass bei der Durchführung des „Oktoberfestes Rüttenscheid“ 2014 an den Immissionsorten 0,5 m vor dem geöffneten Fenster der Wohnküche im EG rechts, 2. OG rechts und im 1. OG links tags bzw. des Schlafzimmers im EG rechts, im 2. OG rechts und im 1. OG links nachts im Gebäude X.--------straße 11 in Essen Beurteilungspegel von
- tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten von 55 dB (A)
62- tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB (A) und
63- nachts von 40 dB (A)
64eingehalten werden und dies durch Lärmmessungen einer anerkannten Messstelle oder eines Fachgutachters an den besagten Immissionsorten sichergestellt und bei Überschreitungen die Veranstaltung sofort abgebrochen wird,
65- 66
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, durch Auflagen oder Anordnungen gegen die Beigeladene sicherzustellen, dass der Aufbau und Abbau des Festzeltes sowie sonstiger zu der Veranstaltung gehörender Anlagen und Einrichtungen und der Sound-Check für das „Oktoberfest Rüttenscheid“ 2014 nur tagsüber außerhalb der Ruhezeiten und nicht an Sonn- und Feiertagen stattfinden und das Festzelt nur tags und außerhalb der Ruhezeiten aufgeräumt werden durfte.
Die Beklagte beantragt,
68die Klage abzuweisen.
69Sie führt aus, die Einwirkungsorte lägen in einem Mischgebiet, hiernach richte sich der Schutzbedarf der Wohnnutzung der Kläger. Das Oktoberfest sei entsprechend den Vorgaben der angefochtenen Genehmigungen durchgeführt worden. Unter Berücksichtigung der von den Besuchern ausgehenden Grundgeräusche sei hinsichtlich der Beschallung bei den Immissionsrichtwerten kein Zuschlag erforderlich gewesen. Die nach Veranstaltungsende auftretenden Kommunikations- und Verkehrsgeräusche könne der Veranstalter nicht verhindern, auch ohne diesbezügliche Auflagen wären die Ordner der Beigeladenen gegen lautes Geschrei oder andere Beeinträchtigungen eingeschritten. Die Zahl der Beschwerden sei gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, die Polizei habe keine negativen Erkenntnisse.
70Es werde nicht bestritten, dass es sich nicht um eine Traditionsveranstaltung handele. Unter Berücksichtigung des Freizeitverhaltens der Bevölkerung sei es allerdings lebensfremd, ein früheres Veranstaltungsende oder gemäßigtere Immissionsrichtwerde vorzugeben. Dann wäre die Veranstaltung von vornherein zum Scheitern verurteilt.
71Der Freizeitlärmerlass stehe der Veranstaltung nicht entgegen, dessen Regelungen seien mehrdeutig. Über die dort geregelten Sachverhalte hinaus seien Ausnahmegenehmigungen zulässig, in diesem Rahmen seien die angefochtenen Entscheidungen getroffen worden. Zuvor sei nach Alternativstandorten gesucht worden. Gegen eine Verlagerung in eine Halle spreche jedoch der angestrebte Zeltcharakter der Veranstaltung, zudem sei die Durchführung des Festes in einer Halle weder finanzierbar noch zeitlich durchführbar. Das Zelt habe auf einem unbefestigten Boden errichtet werden müssen, hierfür sei nur der Parkplatz in Rüttenscheid geeignet. Die Verbindung zu diesem Stadtteil sei notwendig, um Gästen des Festes nach Veranstaltungsende die Möglichkeit zu geben, die umliegenden Gastronomiebetriebe insbesondere an der Rüttenscheider Straße aufzusuchen.
72Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
73die Klage abzuweisen.
74Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Akte des Verfahrens19 L 1153/14 verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
75E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
76Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – bzw. in analoger Anwendung dieser Bestimmung zulässig. Die angefochtenen Entscheidungen sind insbesondere nicht vor ihrer Erledigung mit Ablauf ihrer zeitlichen Geltung bestandskräftig geworden.
77Gegen die vorläufigen Gestattungen vom 5. und 12.September 2014 haben die Kläger am 2. Oktober 2014 und damit vor Ablauf eines Monats nach Ergehen der Entscheidungen Klage erhoben, damit ungeachtet der Frage, ob und wann diese den Klägern bekanntgegeben wurden, die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO jedenfalls gewahrt. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war insoweit nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 110 Abs. 1 und 3 Sätze 1 und 2 Nr. 8 des Justizgesetzes nicht statthaft.
78Solange sich die Ausnahmegenehmigungen nicht durch Zeitablauf erledigt hatten, mussten diese dagegen mit dem Widerspruch angefochten werden (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 110 Abs. 3 Satz 1 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen, § 69 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die am 2. Oktober 2014 erhobene Anfechtungsklage war insoweit bei Klageerhebung deshalb unzulässig; da der Widerspruch vom 16. September 2014 gegen die Ausnahmegenehmigung vom 5. September 2014 am 2. Oktober 2014 zurückgenommen wurde, konnte auch dieser den Eintritt der Bestandkraft nicht hindern. Den Klägern sind die angefochtenen Ausnahmegenehmigungen allerdings durch die Beklagte zu keiner Zeit bekanntgegeben worden, zudem ist die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung für die Kläger als am Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Dritte unrichtig, da lediglich auf die Klage hingewiesen wird. Infolgedessen konnten die Ausnahmegenehmigungen bis zu ihrer Erledigung durch Zeitablauf gegenüber den Klägern mangels Laufs und Ablaufs der Widerspruchsfrist nicht bestandskräftig werden. Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens wurde mit Erledigung der Ausnahmegenehmigungen unzulässig, die von den Klägern begehrte Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit war danach nur noch im gerichtlichen Verfahren in analoger Anwendung § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO möglich. Einen hierauf gerichteten Klageantrag haben die Kläger bereits in der Klageschrift angekündigt und spätestens mit Schriftsatz vom 9.Januar 2015 bei Gericht anhängig gemacht. Dieses Begehren ist nicht fristgebunden gerichtlich geltend zu machen.
79Die Kläger sind auch klagebefugt. Sie können sich bezüglich aller angefochtenen Entscheidungen darauf berufen, dass eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte möglich erscheint.
80Soweit sich die Kläger gegen gaststättenrechtliche vorübergehende Gestattungen wenden, folgt das daraus, dass diese von Nachbarn erfolgreich angefochten werden können, wenn deren Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes ausgehen. Die Erteilung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis ist nämlich nach § 4 Abs. 1 Satz 3 GastG zu versagen, wenn solche schädlichen Umwelteinwirkungen zu befürchten sind, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG bestätigt diese Zielsetzung des Gesetzes damit, das auch nachträglich zu jeder Zeit diesem Schutzzweck dienende Auflagen bei bestehenden Betrieben erteilt werden können. Zwar enthält § 12 GastG für vorübergehende Auflagen zu schädlichen Umwelteinwirkungen keine ausdrücklichen Regelungen, ihre Erteilung ist auch unter erleichterten Voraussetzungen – was auch Erleichterungen im Bereich der Umwelteinwirkungen einschließen kann – möglich. Das stellt allerdings vorübergehende Gestattungen nicht von den Pflichten des Immissionsschutzrechts frei. Die gesetzlichen Regelungen haben auch bei vorübergehenden Gestattungen zum Ziel, die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen. Die Nachbarn können die sachgerechte Beachtung der immissionsrechtlichen Vorschriften im Rahmen des gerichtlichen Nachbarschutzes auch bei Entscheidungen nach § 12 GastG geltend machen.
81Die Kläger sind als Eigentümer der von den Lärmimmissionen betroffenen Wohnungen auch befugt, gegen nach ihrer Auffassung unzumutbare Belastungen durch die Veranstaltung vorzugehen, da sie damit verbundene Einschränkungen ihres Eigentums nur nach Maßgabe der Gesetze hinnehmen müssen. Zudem gehören die Kläger als Anwohner des Veranstaltungsorts auch wegen ihrer persönlichen Betroffenheit zur Nachbarschaft im Sinne des Gesetzes. Auf die in den Verwaltungsvorgängen diskutierte Frage, ob sich die Klägerin zu 1) dauerhaft im Einwirkungsbereich der Veranstaltung aufhalte, kommt es schon wegen ihres Eigentums nicht an.
82Nichts anderes gilt, soweit sich die Kläger gegen die Ausnahmegenehmigungen nach dem Landesimmissionsschutzgesetz wenden. Die Verbote der Störung der Nachtruhe und die Einschränkung der Nutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, sind nicht nur im öffentlichen Interesse erlassen worden. Sie sollen auch die von solchen Einwirkungen Betroffenen schützen und können deshalb auch gegenüber den zuständigen Behörden gerichtlich durchgesetzt werden.
83Der Klagebefugnis kann die Beklagte auch nicht, wie dies der Sache nach durch ihren Vertreter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist, entgegenhalten, bei seltenen Ereignissen oder Ausnahmen im Rahmen der Anwendung des Freizeitlärmerlasses sei eine Verletzung von Rechten der Nachbarn ausgeschlossen, weil wegen der zeitlichen Begrenzung der Immissionen auf wenige Tage eine Gesundheitsgefahr ausgeschlossen sei. Dieser Auffassung ist offenbar nicht zu folgen:
84Ihr steht zunächst schon entgegen, dass es bei dem hier angesprochenen Rechtsschutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen nach der gesetzlichen Definition in § 3 Abs. 1 BImSchG nicht nur um Immissionen geht, die Gefahren hervorrufen können, sondern auch solche Einwirkungen relevant sind, die erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft zur Folge haben können. Es tritt hinzu, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass seltene Ereignisse mit derart schwerwiegenden Beeinträchtigungen etwa durch Lärm verbunden sind, dass die Gefahrenschwelle in Rede steht. Im Übrigen ist die Funktion des Begriffs des seltenen Ereignisses in Nummer 7.2 TA Lärm bzw. Nr. 3.2 des Freizeitlärmerlasses nicht die eines Irrelevanzkriteriums, was zur Folge hätte, dass die damit einhergehenden Immissionen als von vornherein unschädlich zu bewerten wären. Das Vorkommen seltener Ereignisse rechtfertigt allenfalls, die damit verbundenen Immissionen bei der Bestimmung der von einem Dauerbetrieb ausgehenden Belastungen außer Acht zu lassen, sowohl Nr. 7.2 TA Lärm als auch Nr. 3.2 der Freizeitlärmrichtlinie lassen aber keinen Zweifel daran, dass seltene Ereignisse nach Maßgabe der jeweils getroffenen Regelungen im Einzelfall zu bewerten sind und ihre Regelung dem Ziel der Vermeidung schädlicher Umweltbeeinträchtigungen verpflichtet bleibt. Die Beachtung dieses Ziels ist auch im Rahmen des Nachbarschutzes durchsetzbar. Jede andere Handhabung würde verkennen, dass Nachbarschutz dauerhaft gewollt ist und gerade im Fall seltener Ereignisse oder bei der Anwendung von Ausnahmebestimmungen, die ein Abweichen von Schutzstandards im Einzelfall ermöglichen, garantiert sein muss, dass im Rahmen solcher Sonderfälle das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmen und ihre Begrenzung effektiv kontrolliert werden kann. Das kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, dass auch in Nummer 3.2. des Freizeiterlasses Immissionsrichtwerte als Höchstwerte aufgeführt sind und in Nummer 7.2 TA Lärm für seltene Fälle eine eingehende Einzelfallprüfung vorgeschrieben ist. Nichts anderes gilt erst recht, wenn über diese Begrenzungen hinaus im Wege der Ausnahme nach Nummer 3.4 der Freizeitlärmrichtlinie noch die Eingrenzungen seltener Fälle überschnitten werden. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretene entgegenstehende Auffassung führt in letzter Konsequenz zu dem untragbaren Ergebnis, dass Nachbarschutz gerade dann nicht geltend gemacht werden könnte, wenn die mit den Immissionen verbundenen Beeinträchtigungen offenbar höher sind als bei der Regelnutzung einer Anlage.
85Die Kläger haben auch ein Feststellungsinteresse. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass sie auch in Zukunft in vergleichbarem Umfang Oktoberfeste einmal jährlich nach den Maßstäben, die für dessen Zulassung im Jahr 2014 angewendet wurden, auf der Grundlage des Gaststättenrechts und des Landesimmissionsschutzgesetzes ermöglichen will. Die Beigeladene hat die Durchführung vergleichbarer Veranstaltungen in Zukunft nicht ausgeschlossen. Es ist deshalb unverkennbar, dass die Kläger auch zukünftig mit der Durchführung von Oktoberfesten am bisherigen Standort rechnen müssen. Sie haben daher ein berechtigtes Interesse an einer Klärung der Zulässigkeit solcher Veranstaltungen anhand der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der für das letzte Jahr von der Beklagten getroffenen Entscheidungen, um gegebenenfalls anhand verbindlicher Maßstäbe entscheiden zu können, ob sie deren Wiederholung hinnehmen müssen. Zur Klärung dieser Fragen durch ein gerichtliches Hauptsacheverfahren haben sich die Beteiligten zudem im Vergleich vom 24. September 2014 ungeachtet der dort in Aussicht genommenen Entschädigungen verpflichtet.
86Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Die dort aufgeführten von der Beklagten erteilten vorübergehenden Gestattungen und Genehmigungen waren rechtswidrig:
87Dabei ist vorab klarzustellen, dass vorliegend keinerlei Veranlassung bestand, Regelungen im Rahmen der Ausnahmebestimmungen nach den §§ 9,10 LImSchG zu treffen. Ungeachtet des Umstandes, dass diese Bestimmungen prinzipiell nur von Personen ausgehende und diesen zuzurechnende Verhaltensweisen betreffen, die zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen können, war der Anwendungsbereich des Landesimmissionsschutzgesetzes schon deshalb nicht eröffnet, weil die Bewältigung der mit der Veranstaltung Oktoberfest 2014 verbundenen Immissionen abschließend im Rahmen der gaststättenrechtlichen Vorschriften vorzunehmen war. Die hier anwendbare Bestimmung des § 12 GastG gibt der Beklagten auf, die Vereinbarkeit des danach zugelassenen Betriebs angesichts fehlender verbindlicher Bestimmungen aufgrund baurechtlicher Genehmigungen umfassend und damit auch einschließlich der zu erwartenden Einwirkungen auf die Umwelt abschließend und effektiv zu regeln. Für eine Ausgliederung der Betriebsdauer und der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen lässt das Gaststättengesetz als Bundesgesetz keinen Raum. Die von der Beklagten auf der Grundlage der §§ 9,10 LImSchG erteilten Ausnahmegenehmigungen sind daher schon deshalb rechtswidrig, weil diese Bestimmungen nicht angewendet werden durften und eine gesetzmäßige Einschränkung der Rechte der Kläger auf dieser Grundlage ausscheidet.
88Die von der Beklagten ausgesprochenen vorübergehenden Gestattungen nach § 12 GastG sind ebenfalls rechtswidrig. Sie lassen in unzulässiger Weise schädliche Umwelteinwirkungen auf die Kläger und deren Eigentum zu und verfehlen deshalb den gesetzlichen Regelungsauftrag.
89Dazu ist zunächst allgemein festzuhalten, dass vorläufige Gestattungen den mit einem solchen Gaststättenbetrieb verbundenen Lärm nach Maßgabe der Eigenart der gestatteten Betriebsweise umfassend und vollständig zu regeln haben. Dazu gehört nicht nur die Frage der Betriebszeit und der Musikdarbietungen, sondern auch ganz essentiell die Bewältigung der Konflikte, die erkennbar durch das Publikum und den der Veranstaltung zurechenbaren Straßen- und Zugangsverkehr hervorgerufen werden. Dass solche Konflikte in erheblichem Umfang zu erwarten waren, war angesichts der großen Zahl der Besucher der Veranstaltungen und der Lage der Betriebsstätte außerhalb öffentlicher Verkehrswege offenkundig. Es ist nicht ansatzweise zu erkennen, was die Auffassung der Beklagten rechtfertigen soll, Umstände dieser Art seien der Beigeladenen nicht zuzurechnen und bedürften deshalb keiner Beachtung im Rahmen der Zulassung des Betriebs.
90Dem gesetzlichen Regelungsauftrag werden die vorläufigen Gestattungen nicht gerecht. Sie sind sämtlich unbestimmt, da in ihnen verbindliche Bestimmungen dazu fehlen, welche Werte die Beigeladene nicht überschreiten darf. Die in ihnen enthaltenen Auflagen verweisen, von lediglich Randbereiche betreffenden Aussagen zum Betrieb technischer Einrichtungen abgesehen, ohne nähere einzelfallbezogene Angaben auf die gesetzlichen Verpflichtungen zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen. Angesichts der offenkundig zu erwartenden erheblichen Lärmbeeinträchtigungen der Anwohner genügt dies nicht der Pflicht, durch die konkrete Festsetzung von Immissionsrichtwerten den Nachbarschutz effektiv und überprüfbar zu regeln. Die Beklagte handelt daher schon durch die Erteilung vorläufiger Gestattungen nach § 12 GastG, die - wie vorliegend – dieser Steuerungspflicht zu Lasten der Anwohner nicht genügen, rechtswidrig. Sie verletzt damit zugleich die Rechte der Anwohner, die aufgrund der aufgezeigten Nachbarrechte Anspruch darauf haben, dass zu ihrem Schutz effektiv schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden.
91Das gilt umso mehr, als die Entscheidungen erkennbar nicht auf Verwirklichung angelegt sind. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird.
92Unabhängig davon gilt: Selbst wenn man entgegen dem vorstehenden Ansatz zu Gunsten der Beklagten die Regelungen in den Ausnahmegenehmigungen sowie die Zwangsmittelandrohungen vom 2. Oktober 2014 in eine Gesamtbetrachtung, ob unter Beachtung aller Regelungen verlässlich tatsächlich schädliche Umwelteinwirkungen zu Lasten der Kläger verhindert wurden, einbeziehen wollte, bleiben die vorläufigen Gestattungen rechtswidrig Das in der Gesamtheit der Regelungen verwirklichte Konzept zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen bleibt in entscheidender Weise hinter den gesetzlichen Anforderungen zurück. Es kann daher offen bleiben, ob und wie diese Regelungen einem Anspruch der Kläger, die Rechtswidrigkeit der Gestattungen und Genehmigungen festzustellen, entgegengehalten werden könnten.
93Für die Veranstaltung mit RWE-Mitarbeitern am 30.September 2014 gilt das schon deshalb, weil es hierfür keine wirksame Begrenzung der Immissionen in der Gestattung vom 12. September 2014 zu Gunsten der Nachbarschaft gab. Das beruht, wie sich aus dem Schreiben der Beklagten an die Beigeladene vom gleichen Tag ergibt, auf der Annahme, es gebe ohnehin keinen Anlass für eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9,10 LImSchG und es sei Aufgabe der Beigeladenen, für die Beachtung der Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet zu Gunsten der Anwohner an der X.--------straße zu sorgen.An dieser Einschätzung ist allein die Bestimmung des zu Gunsten der Kläger einzuhaltenden Schutzniveaus zutreffend. Die Umgebung der Wohnhäuser ist zutreffend als diffus bzw. keinem Baugebiet der Baunutzungsverordnung zuzuordnen bewertet worden. Angesichts der großen Parkplatzflächen und des Kraftwerks in der Umgebung der Wohnhäuser handelt es sich um eine Innenbereichsbebauung, die lediglich auch dem Wohnen dient. Die daran anknüpfende Festlegung auf den Schutzstandard eines Mischgebiets wird von der Kammer geteilt.
94Für einen Verzicht auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten für diese Veranstaltung gibt es dagegen keinerlei Rechtfertigung. Es ist unverkennbar, das eine bis Mitternacht dauernde Veranstaltung der Außengastronomie, die hier angesichts der Durchführung in einem Zelt ohne besondere Schallschutzeinrichtungen ohne Zweifel anzunehmen ist, bei zu einer erwartenden Gästezahl von etwa 1.000 Besuchern und einem gleichzeitigen Musikprogramm einer effektiven Gestaltung des Lärms im Rahmen einer Gestattung bedarf. Dass dies nicht geschehen ist, beruht erkennbar nicht allein auf der fehlerhaften Annahme, der von den Besuchern verursachte Kommunikations- und Verkehrslärm sei unbeachtlich. Es wird auch deutlich, dass die Beklagte zu keiner Zeit ihrer Pflicht nachgekommen ist, die zu erwartenden Immissionen ordnungsgemäß zu erfassen und auf dieser Basis eine sachverständige Lärmprognose zu erstellen. Dazu war die Beklagte gerade zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen aber verpflichtet. Dem kann nicht entgegengehalten werden, entsprechende Daten hätten nicht vorgelegen. Wenn die Beklagte nicht aufgrund eigener Sachkunde eine tragfähige Bewertung vornehmen kann, hat sie entweder dem Veranstalter aufzugeben, hierzu tragfähige Unterlagen beizubringen, oder aber selbst Sachverständige einzuschalten. Dem kann sich die Beklagte nicht dadurch entziehen, dass sie ohne vollziehbare Regelungen dem Veranstalter lediglich die allgemein für die Anwohnergrundstücke geltenden Immissionsrichtwerte mitteilt und hinnimmt, dass deren Beachtung – wie vorliegend – angesichts des Charakters der gestatteten Veranstaltung offenbar nicht möglich ist. Die Kenntnis der Beklagten von diesen Umständen ist für die Kammer offenkundig, sie ergibt sich zwanglos aus der Begründung der Ausnahmegenehmigung vom 5.September 2014. Dort heißt es, der Mittelungspegel innerhalb größerer Menschenansammlungen liege erfahrungsgemäß zwischen 65 und 70 dB (A) und es sei, um die Wahrnehmung von Musik in diesen Fällen sicherzustellen, notwendig, die Beschallung um mindestens5 dB (A) höher anzusetzen. Wie es angesichts solcher Vorkenntnisse der Beigeladenen möglich sein sollte, ab 20.00 Uhr einen Immissionsrichtwert von 55 dB (A) und ab 22.00 Uhr einen Immissionsrichtwert von 45 dB (A) zugunsten der Kläger einzuhalten, entbehrt jeder Erklärung.
95Auch soweit für die sonstigen Veranstaltungen des Oktoberfestes Immissionsrichtwerte in den Ausnahmegenehmigungen festgesetzt worden sind, genügen diese nicht den rechtlichen Anforderungen, sie bleiben teilweise unbestimmt, sind nicht ordnungsgemäß ermittelt worden und zudem überhöht.
96Dabei ist vorab festzuhalten, dass es keine verbindlichen Regelungen für die Veranstaltungen auf der Grundlage der TA Lärm gibt, diese ist vorliegend nicht anwendbar. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dem Gaststättenbetrieb in einem Festzelt um eine nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlage, die nach Überzeugung der Kammer in gleicher Weise wie Freiluftgaststätten dem Anwendungsbereich der TA Lärm nach deren Nr. 1 Satz 2 Buchstabe b entzogen sind.
97Maßgeblich für die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen vorliegen, ist vielmehr eine wertende Beurteilung des Einzelfalls, die sich an den Regelungen des Freizeitlärmerlasses orientiert. Dieser Erlass beruht auf der Freizeitlärmrichtlinie des Länderausschusses der für Immissionsschutzfragen zuständigen obersten Landesbehörden und setzt diese in Nordrhein-Westfalen in sachverständiger Weise um. Der Erlass bezieht nach seiner Nr. 1 im vierten Absatz über die Musikdarbietungen in Zelten hinaus Anlagen der Außengastronomie ausdrücklich in seinen Anwendungsbereich ein. Die Kammer sieht keine Veranlassung, diese auf sachverständigen Erkenntnissen beruhenden Maßstäbe im Rahmen der von ihr zu treffenden konkreten Abwägungsentscheidung nicht anzuwenden. Die dort niedergelegten Grundsätze sind für die Kammer zwar nicht verbindlich, sie haben aber die Bedeutung einer Orientierungshilfe, der sich die Kammer bei der konkreten Beurteilung des Oktoberfestes bedient. Das entspricht erkennbar auch der Praxis der Beklagten, die sich gerade auf die Ausnahmebestimmungen des Freizeitlärmerlasses beruft.
98In diesem kommt zunächst zum Ausdruck, dass Anlagen der Außengastronomie im Grundsatz gegenüber anderen gewerblichen Betätigungen nur geringfügig privilegiert sind. Sie werden in Nr. 3. 1 und Nr. 4 des Erlasses im Grundsatz wie sonstige Anlagen im Sinne des § 3 Abs.5 Nr. 1 BImschG Immissionsrichtwerten unterworfen, die sich an Nr. 6.1 TA Lärm für gewerbliche Betätigungen orientieren. Diese Werte sind auch Grundlage für die Beurteilung, ob bei vorübergehenden Gestattungen nach § 12 GastG Erleichterungen zugestanden werden können. Hier könnte zwar der Umstand, dass es sich nicht um dauerhafte Belastungen handelt, im Einzelfall geringfügige Überschreitungen rechtfertigen. Das bedeutet allerdings entgegen der von der Beklagten in ihren Entscheidungen zugrunde gelegten und in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bekräftigten Auffassung nicht, dass die Schutzgüter der §§ 4 Abs.1 Nr. 3, 5 Abs.1 Nr. 3 GastG außer Betracht bleiben könnten oder ihnen geringeres Gewicht zugemessen werden darf. Die Erleichterungen können sich beispielsweise darauf beziehen, dass in Ausnahmefällen, in denen die Beachtung der Immissionsrichtwerte nicht nachgewiesen ist zur Vermeidung unverhältnismäßigen Aufwandes darauf verzichtet werden kann, vom Veranstalter den Nachweis zu verlangen, dass er mit seiner Immissionsprognose auf der „sicheren Seite“ liegt. Für eine spürbare Überschreitung von Immissionsrichtwerten gibt die Möglichkeit erleichterter Zulassung aber keine Rechtfertigung. Da die Beklagte rechtswidrig davon abgesehen hat, die mit der Außengastronomie verbundenen Immissionen überhaupt zu regeln, bedarf das keiner Vertiefung. Es bedarf deshalb auch keines Eingehens auf die Frage, ob die in § 9 LImSchG angelegte Privilegierung der Außengastronomie, die in Nr. 4 des Freizeitlärmerlasses aufgenommen wird, hingenommen werden kann, wonach von solchen Betrieben ausgehender Lärm bis 24.00 Uhr nicht vollständig den Bestimmungen über die Nachtruhe unterliegt. Mit dem bundesrechtlich in Nr. 6.3 der TA Lärm zum Ausdruck kommenden, für das Gaststättenrecht verbindlichen Verständnis der Nachtzeit könnte dies unvereinbar sein, eine hieran orientierte Praxis deshalb gegen Art. 31 GG verstoßen.
99Für die Musikdarbietungen und die damit verbundenen Lärmeinwirkungen gelten diese Privilegierungen ohnehin nicht. Die Ausnahmebestimmungen der Nr. 4 des Freizeitlärmerlasses erfassen allein den Betriebslärm, der üblicherweise von Außengaststätten ausgeht. Die für diese vorgesehenen Begünstigungen auf Musikveranstaltungen auszudehnen, gibt es keine Veranlassung. Musikveranstaltungen sind – unabhängig davon, ob sie mit einen Gaststättenbetrieb verbunden sind oder nicht – allein an den Regelungen der Nr. 3 der Freizeitlärmrichtlinie zu messen. Für sie gilt, dass ihnen, wie Nr. 3.1 des Erlasses belegt, prinzipiell keine Erleichterung gegenüber anderen gewerblichen Nutzungen zu Gute kommt. Dabei ist klarzustellen, dass es für die Bewertung des Lärms vorliegend nicht genügt, allein auf den von Lautsprechern bzw. den Musikinstrumenten verursachten Lärm abzustellen. Bei den maßgeblichen Emissionen ist vielmehr zu beachten, dass das Fest gerade darauf angelegt ist, die Besucher zum Mitsingen zu bewegen. Der hierdurch verursachte möglicherweise zusätzliche Veranstaltungslärm ist bei der Lärmprognose zu beachten.
100Die von der Beklagten bezüglich der Musikveranstaltungen festgelegten Immissionsrichtwerte übersteigen massiv die Begrenzungen, die für Mischgebiete zu beachten sind. Damit steht fest, dass die von der Beklagten in den Ausnahmegenehmigungen festgelegten Immissionsrichtwerte nur dann gerechtfertigt wären, wenn sie den besonderen Anforderungen der Nr. 3.2 bzw. 3 .4 des Freizeitlärmerlasses entsprechen würden. Das ist nicht der Fall.
101Dabei genügt es bei Veranstaltungen der vorliegenden Art schon im Ausgangspunkt nicht, lediglich Immissionsrichtwerte festzusetzen. Ungeachtet des durch die Besucher erzeugten Lärms ist – insbesondere vor dem Hintergrund, dass es bereits im Vorjahr erhebliche Beschwerden über die Auswirkungen der Lautsprecheranlagen gegeben hatte – in aller Regel wie auch vorliegend erforderlich, Regelungen an den Emissionsquellen zu treffen und bereits technisch durch Sicherungen an den Anlagen zur Schallerzeugung und zur Schallwiedergabe auszuschließen, dass deren Auswirkungen zu Überschreitung den von Grenzwerten führen (s. dazu auch Nr. 5 des Freizeitlärmerlasses).
102Der für solche Maßnahmen notwendige Beschallungsplan war unabdingbar, um im Zusammenhang mit der anzustellenden Lärmprognose überhaupt nachvollziehbar zu begründen, dass die vorgesehen Immissionsrichtwerte den notwendigen Schutz der Nachbarschaft tatsächlich gewährleisten. Die für die Berechnung des maßgeblichen
103Beurteilungspegels erforderlichen Grundlagen waren zudem auch deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte in unzulässiger Weise den Kommunikations- und Verkehrslärm bei der Festlegung der Auflagen zur Ausnahmegenehmigung außer Betracht gelassen hat. Erst recht fehlt eine Bewertung des Lärms, die die Informations- und Impulshaltigkeit der Lärmquellen bei der Berechnung des festgelegten Beurteilungspegels angemessenen berücksichtigt. Dass hier Zuschläge wegen der Informationshaltigkeit notwendig waren, ergibt sich schon aus dem hohen Wiedererkennungswert des durch bekannte Musiktitel geprägten Programms und die anschaulich durch Nachbarbeschwerden geschilderte besondere Belastung daraus, dass stündlich mehrfach ein Tusch auf das „Prosit der Gemütlichkeit“ gespielt wurde. Dass daneben noch die Belastung durch die Impulshaltigkeit der Musikdarbietungen bei der Festlegung des Beurteilungspegels einzubeziehen war, hat die Beklagte ebenfalls nicht beachtet.
104Ungeachtet dessen sind die festgesetzten Immissionsrichtwerte unabhängig von den aufgezeigten Fehlern auch als solche nicht nach Ziffer 3.2. des Freizeitlärmerlasses zu rechtfertigen. Die Beklagte hat schon im Erörterungstermin am 24. September 2014 zugestanden, dass das Oktoberfest nicht als seltenes Ereignis nach dieser Bestimmung angesehen werden kann. Das ergibt sich schon zweifelfrei daraus, dass die Immissionsrichtwerte deren Höchstwerte an allen Tagen in den Ruhezeiten und am 2.,3.,4.,10. und 11. Oktober 2014 zum Teil erheblich überschreiten. Es ist zudem durch nichts gerechtfertigt, dass ohne Begründung auf eine Begrenzung durch Richtwerte für Geräuschspitzen verzichtet worden ist. Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, dass die Vorbelastung zumindest durch die Veranstaltung von „Rü…Genuss pur 2014“ in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist. Ausweislich der Genehmigung für diese fünftägige Veranstaltung vom 2. Juli 2014 wurden auch hierfür Immissionsrichtwerte zu Lasten der Kläger zugelassen, die bei einem seltenen Ereignis bewilligt werden können. Die Kammer hält es für gerechtfertigt, auch für Einzelveranstaltungen die Einschätzung als seltenes Ereignis zuzulassen und deren immissionsrechtliche Zulässigkeit an den hierfür geltenden Grenzen zu messen. Der Freizeitlärmerlass lässt solche Überschreitungen im Rahmen einer Dauergenehmigung für eine Anlage aber nur an 10 Tagen im Jahr zu. Es spricht nichts dagegen, auch bei mehreren Einzelveranstaltungen an einem Ort diese Höchstbegrenzung für seltene Ereignisse für verbindlich zu halten und daraus abzuleiten, dass jedenfalls auf dem Messeparkplatz nur noch an weiteren fünf Tagen ein seltenes Ereignis im Sinne des Freizeitlärmerlasses stattfinden durfte. Dafür streitet das Ziel, Nachbarn von Vergnügungsstätten nur in einen begrenzten Zeitraum im Jahr solche erheblichen Beeinträchtigungen zuzumuten. Dem steht auch
105nicht die Sonderregelung in Nr. 3.2 c des Freizeitlärmerlasses entgegen, wonach unzumutbare Geräuschbelästigungen jedenfalls bei Überschreitung der Werte nach Nr. 3.1 des Freizeitlärmerlasses anzunehmen sind, wenn diese am selben Einwirkungsort an insgesamt mehr als 14 Kalendertagen eines Jahres auftreten. Diese Bestimmung erweitert nicht die Zahl der Tage, an denen an einem bestimmten Ort seltene Ereignisse stattfinden dürfen, sondern verpflichtet die Behörde, nötigenfalls zur Vermeidung einer Gesamtbelastung der Nachbarn von mehr als 14 Kalendertagen im Jahr, die Zahl der seltenen Ereignisse an einem Ort unter 10 Tage zu begrenzen.
106Die von der Beklagten festgelegten Immissionsrichtwerte können auch nicht durch die Überlegung gerechtfertigt werden, beim Rüttenscheider Oktoberfest seien die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Nr. 3.4. des Freizeitlärmerlasses anzunehmen. Danach kann von den Begrenzungen der Nr. 3.1 und 3.2. des Erlasses abgewichen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Durchführung der Veranstaltung angenommen wird und dieses rechtfertigt, die Belange der Anwohner zurückzustellen. Die Ausnahme kann nur bejaht werden, wenn eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass das Schutzbedürfnis der Wohnnutzung zurücktreten muss.
107Die Kammer betont dabei, dass das die Ausnahme ermöglichende und rechtfertigende öffentliche Interesse nicht einer ungesteuerten Vielfalt von öffentlichen Belangen eröffnet ist. Allgemeine Belange etwa der Wirtschafts- und Tourismusförderung oder fiskalische Interessen haben in diesem Zusammenhang keine erhebliche Bedeutung. In den immissionsrechtlichen Grundsätzen der Nr. 2 des Freizeitlärmerlasses wird zu Recht darauf abgestellt, dass dessen Regelungen auf den Grad der mit der Veranstaltung verbundenen Belästigung abstellen und die Wertungen hierzu aufnimmt, die der Einstellung eines verständigen, durchschnittlich empfindlichen Mitbürgers entsprechen. Darin kommt zum Ausdruck, dass gerade die Bewertung von Freizeitveranstaltungen je nach ihrem Anlass von Anwohnern unterschiedlich wahrgenommen wird und die Toleranz gegenüber Lärmeinwirkungen selbstverständlich auch davon abhängt, ob diese durch besondere Ereignisse veranlasst sind. Es ist unverkennbar, dass Immissionen trotz eines höheren Lärmaufkommens als sozialadäquat und damit im Sinne des Umweltrechts unschädlich akzeptiert werden, wenn ihr Anlass in der örtlichen Gemeinschaft der Umgebung einen hohen und allgemein anerkannten Stellenwert besitzt.
108Diesen Ansatz übernimmt Nr. 3.4 des Freizeitlärmerlasses, wenn dort ausgeführt wird, bei Veranstaltungen könnten für die Annahme von Ausnahmen deren historische, kulturelle oder sonst sozialgewichtige Grundlagen berücksichtigt werden. Eine vergleichbare Wertung findet sich auch in § 9 Abs. 3 LImSchG für ortsrechtliche Bestimmungen zur Einschränkung der Nachtruhe. Diese Regelungen beruhen auf der Erkenntnis, dass Volks- und Gemeindefeiern, Feiern örtlicher Vereine, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens gehören. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese oftmals in der Nähe zur Wohnbebauung durchgeführt werden müssen und zwangsläufig mit Beeinträchtigungen der Nachbarschaft verbunden sind. Verständige Nachbarn werden die damit verbundenen Geräuschentwicklungen deshalb in aller Regel in höherem Maß akzeptieren als die der sonstigen, nicht durch konkrete örtliche Bezüge ausgelöste Freizeitbetätigungen. Das gilt insbesondere, wenn es sich um ein außergewöhnliches und weitgehend einmaliges Ereignis handelt oder aber eine langjährige, mit dem Veranstaltungsort verbundene Traditionsveranstaltung (etwa Cranger Kirmes, Karnevalsveranstaltungen) betrifft, auf deren regelmäßige Wiederkehr sich die Umgebung eingerichtet hat und der sie notfalls dadurch ausweicht, das die Wohnnutzung in der Umgebung kurzfristig aufgegeben wird. Soweit keine solche Tradition besteht, kann eine vergleichbare Toleranz allerdings nur erwartet werden, wenn die mit der Veranstaltung verbundenen Ziele ein vergleichbares Gewicht für die örtliche Gemeinschaft am Veranstaltungsort aufweisen, die redlicherweise erwarten lassen, dass die verständigen Anwohner die berechtigten Belange der Wohnbedürfnisse zurückstellen. Nur wenn diese Voraussetzungen im Rahmen einer konkreten ergebnisoffenen Abwägung, in die auch die Schutzbedürfnisse der Anwohner eingestellt werden, erfüllt sind, kann die Überschreitung der Werte nach Nr. 3.2 und 3.2 des Freizeitlärmerlasses im Einzelfall hingenommen werden.
109Diesen Anforderungen genügen die Erwägungen der Beklagten offenbar nicht. Schon der Ausgangspunkt, es gebe ein verändertes Freizeitverhalten und ein daran anknüpfendes Bedürfnis nach Ausweitung eines abendlichen Freizeitangebots in Großveranstaltungen, lässt eine Grundlage für eine daran anknüpfende Beschränkung des Schutzes der Wohnbevölkerung nicht erkennen. Der Sache nach ist das lediglich die Umschreibung eines weiteren Freizeitangebots aus schlicht kommerziellen Interessen, für das wie für jegliche andere gewerbliche Tätigkeit verlangt werden kann, dass die bestehenden rechtlichen Grenzen solcher Betätigungen beachtet werden müssen und das nur verwirklicht werden kann, wenn dies am vorgesehenen Standort ohne Nutzungskonflikte möglich ist. Das hat selbstverständlich zur Folge, dass bestimmte Veranstaltungen schon auf dieser Ebene am vorgesehenen Ort nicht zulässig sind. Dementsprechend formuliert Nr. 2 des Freizeitlärmerlasses am Ende, dass es möglich ist, dass die Genehmigungsfähigkeit einer Veranstaltung bauplanungsrechtlich nicht herbeigeführt werden kann.
110Dem kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, es gebe eine besondere Nähe der Veranstaltung zu Rüttenscheid und für diesen Stadtteil habe die Veranstaltung besondere Bedeutung. Schon eine besondere Nähebeziehung zum Stadtteil vermag die Kammer nicht zu erkennen. Deren inhaltliche Gestaltung ist von örtlichen Bezügen völlig unabhängig, sie weist insoweit keinerlei Besonderheiten gegenüber anderen inzwischen dutzendfach allein in Nordrhein-Westfalen zeitnah oder gleichzeitig durchgeführten Oktoberfesten auf. Die Nähe zur Rüttenscheider Straße und dem dort vorhandenen Gastronomieangebot, das von den Gästen im Anschluss an die Veranstaltung wahrgenommen werden könne, erhöht lediglich die Attraktivität des kommerziell begründeten Festes für Besucher, denen der schlichte Besuch des Festes nicht genügt. Es handelt sich dabei allerdings nur um einen Standortvorteil für die Veranstalter, keineswegs um ein in der örtlichen Gemeinschaft wurzelndes, über Gewinninteressen hinausgehendes Bedürfnis. Dass ein anderer Platz für ein Festzelt in Rüttenscheid nicht vorhanden und die Veranstaltung in der Halle auch zu teuer sein soll, ist unerheblich. Die Konsequenz daraus ist allein, dass das Fest dann in Rüttenscheid nicht stattfinden kann, nicht aber, dass Nachbarinteressen unberücksichtigt bleiben müssen, um dem Veranstalter des Fests zum geschäftlichen Erfolg zu verhelfen.
111Die Entscheidung der Beklagten ist daher schon mangels eines hinreichenden, in den Besonderheiten der örtlichen Gemeinschaft wurzelnden Anlasses historischer, kultureller oder sozialgewichtiger Art nicht tragfähig. Sie ist auch im Übrigen durch fehlende Rücksicht auf die berechtigten Belange der Anwohner gekennzeichnet. Den Verwaltungsvorgängen ist eindeutig zu entnehmen, dass zu keiner Zeit auch nur erwogen wurde, das Fest könne wegen der von ihm ausgehenden massiven Belästigungen nicht zuzulassen sein. Alle Entscheidungen, die von der Beklagten getroffen wurden, waren allein durch das Ziel bestimmt, den wirtschaftlichen Erfolg und damit die Durchführung der Veranstaltung zu ermöglichen. Das wird nicht zuletzt dadurch erkennbar, dass die Beklagte zu keiner Zeit in Erwägung gezogen hat, das schon die bloße Dauer der Veranstaltung und die damit verbundene massive Beeinträchtigung der betroffenen Wohnbevölkerung ungewöhnlich schwerwiegend sind und schon dies ein überragendes örtliches Interesse an der Realisierung des Oktoberfestes verlangte.
112Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die vorläufigen Gestattungen der Beklagten nach § 12 des Gaststättengesetzes vom 5. September 2014 und 12. September 2014 in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 sowie die Genehmigungen der Beklagten vom 5. und 12. September 2014 nach dem Landesimmissionsschutzgesetz in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; die jeweiligen Kostenschuldnerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Kostengläubiger nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
1
Tatbestand:
2In der Zeit vom 2. Oktober 2013 bis zum 13. Oktober 2013 fand in Essen-Rüttenscheid auf dem Messeparkplatz 2 erstmals ein „ bayerisches Oktoberfest“ in einem Festzelt statt. Nach dessen Ankündigung in der Presse wandte sich der Kläger zu 2. unter dem 29. Juli 2013 an die Beklagte und bat um Informationen zur baurechtlichen Zulässigkeit und den vorgesehenen Lärmschutzauflagen. Das Schreiben wurde nicht beantwortet. Die Beklagte holte Stellungnahmen ihres Bauordnungs- und des Bauplanungsamtes ein. Für das Bauordnungsamt teilte das Rechtsamt mit, für den Messeparkplatz bestehe ein planungsrechtlicher Vorbescheid, eine Baugenehmigung stehe noch aus. Eine Nutzung der Fläche als temporärer Festplatz sei grundsätzlich genehmigungsfähig, allerdings könne die Einhaltung der Lärmwerte problematisch sein. Da diesem Aspekt aber im Rahmen der zu erteilenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Rechnung getragen werde, gebe es baurechtlich keinen zwingenden Handlungsbedarf. Die formelle Baugenehmigung sei für die Nutzung als Festplatz völlig irrelevant, „Fluchtwege usw.“ seien rundherum großzügig vorhanden. Es beständen keine Bedenken, auf das Erfordernis einer baurechtlichen Genehmigung zu verzichten. Das Bauplanungsamt teilte mit, die Parkplatzfläche sei keinem der Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung zuzuordnen. Das gelte auch für die Wohngrundstücke an der X.--------straße . Es seien die Schutzziele eines Mischgebiets einzuhalten.
3Unter dem 1.Oktober 2013 erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9 und 10 des Landesimmissionsschutzgesetzes – LImSchG –, mit denen der Beigeladenen störende Betätigungen während der Nachtruhe und die Benutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, erlaubt wurden. Die zulässigen Immissionsgrenzwerte wurde teils tageweise, teils nach Tagesabschnitten gestaffelt, auf 65 – 75 dB (A) festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Genehmigung (Beiakte Heft 1 Bl. 28-34) verwiesen.
4Mit weiterer Verfügung vom 1. Oktober 2013 wurde der Beigeladenen eine vorübergehende Gestattung nach § 12 des Gaststättengesetzes – GastG – für den Ausschank alkoholischer Getränke in der Zeit des Oktoberfestes auf dem Messeparkplatz erteilt, der Zeitrahmen wurde auf Zeiten zwischen 11.00 und 24.00 Uhr festgesetzt. An allen Veranstaltungstagen war als Betriebsende 23.00 oder 24.00 Uhr angegeben, der Gestattung war die Auflage beigefügt, der Betrieb sei so zu führen, dass weder die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke noch die Allgemeinheit erhebliche Gefahren oder Belästigungen, z. B. Geräusch- oder Geruchsemissionen, erleiden. Im Übrigen wird auf die Gestattung (Beiakte Heft1 Bl. 35-36) verwiesen.
5Nach Durchführung des Festes beurteilten die Beklagte und die Beigeladene dieses positiv. Die Veranstaltung habe 25.000 Besucher aus dem Ruhrgebiet angezogen. Es wurde erwartet, bei einer Wiederholung der Veranstaltung im Jahr 2014, bei der ein Zelt gleicher Größe geplant sei, mit etwa 35.000 Besuchern rechnen zu können.
6Den Klägern zu 1. und 2., die sich auch während des Oktoberfestes wiederholt über Lärmbelästigungen beschwerten, teilte die Beklagte unter dem 10. Dezember 2013 mit, die festgesetzten Immissionswerte seien während des Festes im Wesentlichen eingehalten worden. Es sei verständlich, dass das Fest bei den Anwohnern nicht unbedingt Verständnis finde. Es habe jedoch ein öffentliches Interesse an der Durchführung der Veranstaltung gegeben: Zwar handele es sich beim Rüttenscheider Oktoberfest nicht um eine Traditionsveranstaltung, Nachahmungen des Münchener Oktoberfests fänden aber im gesamten Bundesgebiet statt. Die Abendveranstaltungen seien insbesondere am Wochenende schnell ausgebucht gewesen, das belege das große Besucherinteresse. Die Veranstaltung bedeute einen Imagegewinn für Rüttenscheid, zumal die Besucher nach Betriebsbeendigung noch die örtliche Gastronomie aufgesucht hätten und allgemein zu Folgebesuchen des Stadtteils angeregt werden sollten. Die für die Nachtzeit bewilligten Immissionswerte seien zumutbar gewesen. Bei im Oktober zumutbarem Schließen der Fenster werde die Lärmbelastung erfahrungsgemäß zwischen 30 und 40 dB(A) reduziert.
7Nach Vorgesprächen beantragte die Beigeladene am 19. Mai 2014 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Oktoberfest 2014. Wegen des Standorts des Zeltes wird auf Bl.1, 8 – 10 der Beiakte Heft 1, wegen dessen äußerer Gestaltung auf Bl. 985-987 der Beiakte Heft 2 verwiesen. Es sei beabsichtigt, das Zelt in der Zeit vom 25. September 2014, 8.00 Uhr bis zum 29. September 2014 um 18.00 Uhr aufzubauen. Der Abbau solle vom 12. Oktober 2014, 8.00 Uhr bis zum 14. Oktober 2014, 18.00 Uhr dauern.
8Folgende Veranstaltungen seien vorgesehen: Am Dienstag, dem 30. September 2014 von 18.00 Uhr bis 24.00 Uhr ein Treffen von RWE-Führungskräften mit ca. 1.000 Personen.
9Von Donnerstag, dem 2. Oktober 2014, bis zum Samstag, dem 11. Oktober 2014, solle das Rüttenscheider Oktoberfest stattfinden. Das Live-Musikprogramm solle an den Werktagen bis 22.00 Uhr dauern, am Freitag, Samstag und am Eröffnungstag bis 23.00 Uhr. Nach der Live-Musik solle jeweils noch eine weitere Stunde ruhigere Musik von CDs gespielt werden.
10Zudem beantragte die Beigeladene die für die Durchführung der Veranstaltung erforderliche gaststättenrechtliche Erlaubnis.
11Unter dem 26. Mai 2014 wandten sich die Kläger, die Eigentümer und Bewohner von Wohnungen im Haus X.--------straße 11 sind, an die Beklagte. Unter Hinweis auf die Erfahrungen mit dem Oktoberfest 2013 verlangten sie, die Durchführung der Veranstaltung zu untersagen. Jedenfalls seien Schutzauflagen bei Durchführung der Veranstaltung notwendig. Die maßgeblichen Immissionsrichtwerte seien tagsüber an
12Werktagen auf 55 dB (A), tags an Werktagen während der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen auf 50 dB (A) und nachts auf 40 dB (A) festzusetzen. Live- Musikdarbietungen müssten um 22.00 Uhr enden. Der Auf- und Abbau der Anlagen dürfe werktags nur außerhalb der Ruhezeiten und nicht an Sonn- und Feiertagen stattfinden.
13Unter dem 11. Juli 2014 lehnte die Beklagte die Untersagung der Veranstaltung ab. Der Freizeitlärmerlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2009- Freizeitlärmerlass - regele die Zulässigkeit der maßgeblichen Immissionsrichtwerte bei komplexen Veranstaltungen nicht abschließend. Es liege auf der Hand, dass bei großen Veranstaltungen schon durch die Anwesenheit des Publikums höhere Werte erzielt würden. Insbesondere werde die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach dem Landesimmissionsschutzgesetz dort nicht abschließend geregelt. Zu Einzelheiten der beabsichtigten Genehmigungen könne derzeit noch keine Auskunft gegeben werden.
14Ungeachtet eines Antrags der Kläger an das erkennende Gericht, die Veranstaltung im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, erteilte die Beklagte der Beigeladenen am 5.September 2014 eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9 und 10 LImSchG. Es wurden für die folgenden Veranstaltungstage Ausnahmen vom Verbot von Betätigungen, die die Nachtruhe zu stören geeignet sind, und vom Verbot der Nutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, mit folgenden Immissionsgrenzwerten zugelassen.
15Donnerstag, den 2.10.2014 16.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
1622.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
17Freitag, den 3.10.2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
1813.00 – 17.00 Uhr 65 dB (A)
1917.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
2022.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
21Samstag, den 4.10. 2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
2213.00 – 17.00 Uhr 65 dB (A)
2317.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
2422.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
25Sonntag, den 5.10. 2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
2613.00 - 17.00 Uhr 65 dB (A)
2717.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
28Montag, den 6.10. 2014 17.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
29Dienstag, den 7.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
30Mittwoch, den 8.10. 2014 17.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
31Donnerstag, den 9.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
32Freitag, den 10.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
3322.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
34Samstag, den 11.10.2014 11.00 - 13.00 Uhr 70 dB (A)
3513.00 - 17.00 Uhr 65 dB (A)
3617.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
3722.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
38Wegen der weiteren Auflagen wird auf die Genehmigung (Beiakte Heft 2 Bl. 405 -413) verwiesen.
39Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Veranstaltung, die in Anlehnung an andere ähnliche Großveranstaltungen in München, Stuttgart und Münster als Außenveranstaltung konzipiert worden sei, stehe die Zeltatmosphäre im Vordergrund, deren gemütlicher Charakter sei in Veranstaltungs- und Messehallen nicht erreichbar. Das Zelt biete etwa 3.000 Besuchern Platz, der allgemeine Schallpegel innerhalb größerer Menschenansammlungen liege erfahrungsgemäß zwischen 65 und 70 dB (A). Damit Musik noch wahrgenommen werden könne, sei es notwendig, die Beschallung mindestens 5 dB(A) höher anzusetzen.
40Die zumutbaren technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Verminderung des mit der Veranstaltung verbundenen Lärms seien auf dieser Grundlage getroffen worden.
41Die Veranstaltung liege im öffentlichen Interesse. Gerade an Wochenenden zeige das Freizeitverhalten ein Bedürfnis nach großen Abendveranstaltungen. Aufgrund der Erfahrungen aus dem Vorjahr sei davon auszugehen, dass gerade die Abendveranstaltungen ausverkauft sein würden und zum Fest mindestens 25.000 Besucher zu erwarten seien. Das damit verbundene Interesse sei höher zu bewerten als das der Anlieger an der Beachtung der im Freizeitlärmerlass aufgeführten Immissionsrichtwerte.
42Die zweifelsohne zu erwartende Störung der Anwohner werde durch die zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der Genehmigung so weit wie möglich begrenzt und sei daher zumutbar. Die erlaubte Verkürzung der Nachtruhe an einigen Stunden für einige Tage werde sich für den größten Teil der Anwohner nicht auswirken, da der folgende Tag in der Regel arbeitsfrei sei und somit zum Ausschlafen genutzt werden könne. Da die Veranstaltung während der Herbstferien stattfinde, würden Schüler nicht besonders beeinträchtigt.
43Die Immissionsrichtwerte und –zeiten seien zudem so gewählt, dass es den Anwohnern zuzumuten sei, die Fenster für einen überschaubaren Zeitraum zu schließen und so passiven Lärmschutz von etwa 30 dB (A) zu erhalten.
44Die mit einer Zwangsgeldandrohung verbundene Genehmigung, deren sofortige Vollziehung angeordnet wurde, wurde der Beigeladenen am 8. September 2014 übersandt. Gleichzeitig wurde der Beigeladenen eine vorübergehende Gestattung vom 5. September 2014 für die oben aufgeführten Betriebszeiten in der Zeit vom2. Oktober 2014 bis zum 11. Oktober 2014 zum Ausschank alkoholischer Getränke erteilt. In ihr ist neben einer Lärmschutzbestimmung für die Nutzung von Kühlcontainern, Kühlaggregaten und Lüftungsanlagen unter anderem folgende Auflage enthalten:„Der gestattete Betrieb ist stets so zu führen, dass weder die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder die Nachbargrundstücke noch die Allgemeinheit erhebliche Gefahren oder Belästigungen, z.B. durch Geräusch- oder Geruchsemissionen, erleiden.“
45Auch bezüglich der vorübergehenden Gestattung wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
46Mit Schreiben vom 12. September 2014 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, sie habe am 12. September 2014 eine gaststättenrechtliche Erlaubnis für eine Abendveranstaltung für RWE-Führungskräfte am 30. September 2014 im Oktoberfestzelt erteilt ( Beiakte Heft 2 Bl. 452). Diese Genehmigung betreffe aber allein den gastronomischen Teil der Veranstaltung (Speisen- und Getränkeabgabe), nicht etwa eine über den erlaubten Rahmen hinausgehende Lautstärke von Musikdarbietungen oder eine Einschränkung der Nachtruhe. Es handele sich um eine Firmenveranstaltung, ein besonderes öffentliches Interesse an der Veranstaltung sei nicht erkennbar. Bei deren Durchführung dürften die zulässigen Immissionsrichtwerte nicht überschritten werden, in Anbetracht der planungsrechtlichen Einstufung der der Veranstaltungsfläche nächstgelegenen Wohnbebauung seien an der Außenseite der Bebauung folgende Werte zulässig:
47Bis 20.00 Uhr 60 dB(A)
4820.00 – 22.00 Uhr 55 dB (A)
49Nachts, also ab 22.00 Uhr 45 dB(A).
50Mit weiterer Ausnahmegenehmigung gemäß § 10 Abs. 4 LImSchG vom 12. September 2014 erlaubte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung am 10. Oktober 2014 in der Zeit von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr die Nutzung von Geräten zur Schallerzeugung und Schallwiedergabe zur Durchführung eines Seniorennachmittags und setzte den erlaubten Immissionsrichtwert auf 70 dB (A) fest. Gleichzeitig erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine vorläufige Gestattung zum Ausschank alkoholischer Getränke für diese Zeit, deren Nebenbestimmungen der vorübergehenden Gestattung vom 8. September 2014 entsprachen.
51Am 24. September 2014 schlossen die Beteiligten vor dem erkennenden Gericht einen Vergleich im Rahmen des auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens, der der Beigeladenen die Durchführung der Veranstaltung ermöglichte. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins im Verfahren 19 L 1153/14 (Beiakte Heft 2 Bl 500- 506) verwiesen.
52Mit Verfügung vom 2. Oktober 2014 änderte die Beklagte die Zwangsgeldandrohungen in den Ausnahmegenehmigungen vom 5. und 12. September 2014. Mit weiterem Bescheid vom 2. Oktober 2014 ergänzte die Beklagte die vorübergehende Gestattung vom 5. September 2014 um eine Zwangsgeldandrohung. Die Änderungsbescheide wurden der Beigeladenen am 2. Oktober 2014 zugestellt.
53Die Kläger haben unter Rücknahme des am 16. September 2014 gegen die Ausnahmegenehmigung vom 5. September 2014 erhobenen Widerspruchs entsprechend dem am 24. September 2014 geschlossenen Vergleich am 2. Oktober 2014 Anfechtungsklage gegen die von der Beklagten erteilten vorläufigen Gestattungen und Ausnahmegenehmigungen mit dem angekündigten Ziel erhoben, die Rechtswidrigkeit der Entscheidungen nach Durchführung des Festes feststellen zu lassen. Sie führen aus, die erteilten Genehmigungen und Gestattungen seien rechtswidrig. Ihre Wohnungen lägen in einem allgemeinen Wohngebiet, hiernach richte sich der ihnen zukommende Schutz. Bei der Durchführung des Oktoberfestes 2014 sei es wie im Vorjahr zu erheblichen Lärmbelästigungen gekommen, die festgesetzten Immissionsrichtwerte seien unzulässig überhöht. Die erteilten Erlaubnisse seien schon deshalb rechtswidrig, weil lediglich die Lärmemissionen durch die Musikveranstaltungen und die Störung der Nachtruhe erfasst worden seien, die Kommunikationsgeräusche durch den Betrieb und die Besucher und den An-und Abfahrtsverkehr habe die Beklagte überhaupt nicht bewältigt. Entsprechend sei bei der Festsetzung der Immissionsrichtwerte nicht beachtet worden, dass auch deshalb Zuschläge wegen der Ton-, Informations- und Impulshaltigkeit des Lärms zu berücksichtigen gewesen seien. Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen des Freizeitlärmerlasses bei der Festlegung der Immissionsrichtwerte nicht beachtet worden. Das wiege besonders schwer, weil die dort genannten Voraussetzungen für eine Privilegierung der Veranstaltung der Beigeladenen offenbar nicht gegeben seien. Es handele sich nicht um eine traditionelle ortsgebundene Veranstaltung und auch nicht um ein seltenes Ereignis im Sinn der Freizeitlärmrichtlinie. Das scheitere schon daran, dass der Messeparkplatz weit mehr als 10 Tage im Jahr für außergewöhnliche lärmträchtige Veranstaltungen genutzt werde. So habe in der Zeit vom 30. Juli 2014 bis zum 3. August 2014 die Veranstaltung „Rü…Genuss pur 2014“ stattgefunden, in diesem Rahmen seien die Kläger nachts Immissionen mit Beurteilungspegeln von bis zu 64 dB (A) ausgesetzt worden. Darüber hinaus werde der Platz zur Veranstaltung von Flohmärkten genutzt, zudem komme es bei Großveranstaltungen in der Grugahalle nachts zu erheblichem Abreiseverkehr. Auf dem benachbarten Fußballplatz komme es darüber hinaus vielfach bei Vereinsfesten zu erheblichen Lärmbelästigungen. Selbst wenn man ein seltenes Ereignis annehmen wolle, sei der eingeräumte Zeitraum, an dem das Oktoberfest stattfinde, eindeutig zu lang. Abgesehen davon, dass auch die Beklagte im Erörterungstermin vom 24. September 2014 zugestanden habe, dass die Voraussetzungen eines seltenen Ereignisses nach dem Freizeitlärmerlass und der TA Lärm nicht vorlägen, seien die Immissionswerte für seltene Ereignisse zudem noch überschritten worden. Hierfür fehle jede Rechtfertigung, zumal Alternativstandorte für das Fest überhaupt nicht geprüft worden seien. Es sei nicht einzusehen, warum die Veranstaltung, für die ein Ortsbezug ohnehin fehle, nicht in der nahegelegenen Grugahalle durchgeführt werden könne.
54Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der Parkplatz nicht als Festplatz genehmigt sei. Das habe zur Folge, dass die Veranstaltung auch mangels Baugenehmigung rechtswidrig sei.
55Es sei zudem zu bemängeln, dass der Aufbau und Abbau des Festzeltes unter Verstoß gegen das Feiertagsgesetz und die Bestimmungen zum Schutz der Nachtruhe stattgefunden habe.
56Die Kläger beantragen,
57festzustellen, dass die Ausnahmegenehmigungen der Beklagten nach dem Landesimmissionsschutzgesetz für das „Rüttenscheider Oktoberfest“ vom 5. September 2014 mit Ergänzung vom 12. September 2014 und in der Fassung der Ergänzung vom 2. Oktober 2014 sowie die gaststättenrechtlichen Gestattungen der Beklagten vom 5. und zweimal 12. September 2014 in der Fassung der Ergänzung vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren,
58hilfsweise,
59- 60
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, durch Auflagen oder Anordnungen zu den genannten Genehmigungen und Gestattungen sicherzustellen, dass bei der Durchführung des „Oktoberfestes Rüttenscheid“ 2014 an den Immissionsorten 0,5 m vor dem geöffneten Fenster der Wohnküche im EG rechts, 2. OG rechts und im 1. OG links tags bzw. des Schlafzimmers im EG rechts, im 2. OG rechts und im 1. OG links nachts im Gebäude X.--------straße 11 in Essen Beurteilungspegel von
- tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten von 55 dB (A)
62- tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB (A) und
63- nachts von 40 dB (A)
64eingehalten werden und dies durch Lärmmessungen einer anerkannten Messstelle oder eines Fachgutachters an den besagten Immissionsorten sichergestellt und bei Überschreitungen die Veranstaltung sofort abgebrochen wird,
65- 66
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, durch Auflagen oder Anordnungen gegen die Beigeladene sicherzustellen, dass der Aufbau und Abbau des Festzeltes sowie sonstiger zu der Veranstaltung gehörender Anlagen und Einrichtungen und der Sound-Check für das „Oktoberfest Rüttenscheid“ 2014 nur tagsüber außerhalb der Ruhezeiten und nicht an Sonn- und Feiertagen stattfinden und das Festzelt nur tags und außerhalb der Ruhezeiten aufgeräumt werden durfte.
Die Beklagte beantragt,
68die Klage abzuweisen.
69Sie führt aus, die Einwirkungsorte lägen in einem Mischgebiet, hiernach richte sich der Schutzbedarf der Wohnnutzung der Kläger. Das Oktoberfest sei entsprechend den Vorgaben der angefochtenen Genehmigungen durchgeführt worden. Unter Berücksichtigung der von den Besuchern ausgehenden Grundgeräusche sei hinsichtlich der Beschallung bei den Immissionsrichtwerten kein Zuschlag erforderlich gewesen. Die nach Veranstaltungsende auftretenden Kommunikations- und Verkehrsgeräusche könne der Veranstalter nicht verhindern, auch ohne diesbezügliche Auflagen wären die Ordner der Beigeladenen gegen lautes Geschrei oder andere Beeinträchtigungen eingeschritten. Die Zahl der Beschwerden sei gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, die Polizei habe keine negativen Erkenntnisse.
70Es werde nicht bestritten, dass es sich nicht um eine Traditionsveranstaltung handele. Unter Berücksichtigung des Freizeitverhaltens der Bevölkerung sei es allerdings lebensfremd, ein früheres Veranstaltungsende oder gemäßigtere Immissionsrichtwerde vorzugeben. Dann wäre die Veranstaltung von vornherein zum Scheitern verurteilt.
71Der Freizeitlärmerlass stehe der Veranstaltung nicht entgegen, dessen Regelungen seien mehrdeutig. Über die dort geregelten Sachverhalte hinaus seien Ausnahmegenehmigungen zulässig, in diesem Rahmen seien die angefochtenen Entscheidungen getroffen worden. Zuvor sei nach Alternativstandorten gesucht worden. Gegen eine Verlagerung in eine Halle spreche jedoch der angestrebte Zeltcharakter der Veranstaltung, zudem sei die Durchführung des Festes in einer Halle weder finanzierbar noch zeitlich durchführbar. Das Zelt habe auf einem unbefestigten Boden errichtet werden müssen, hierfür sei nur der Parkplatz in Rüttenscheid geeignet. Die Verbindung zu diesem Stadtteil sei notwendig, um Gästen des Festes nach Veranstaltungsende die Möglichkeit zu geben, die umliegenden Gastronomiebetriebe insbesondere an der Rüttenscheider Straße aufzusuchen.
72Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
73die Klage abzuweisen.
74Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Akte des Verfahrens19 L 1153/14 verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
75E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
76Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – bzw. in analoger Anwendung dieser Bestimmung zulässig. Die angefochtenen Entscheidungen sind insbesondere nicht vor ihrer Erledigung mit Ablauf ihrer zeitlichen Geltung bestandskräftig geworden.
77Gegen die vorläufigen Gestattungen vom 5. und 12.September 2014 haben die Kläger am 2. Oktober 2014 und damit vor Ablauf eines Monats nach Ergehen der Entscheidungen Klage erhoben, damit ungeachtet der Frage, ob und wann diese den Klägern bekanntgegeben wurden, die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO jedenfalls gewahrt. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war insoweit nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 110 Abs. 1 und 3 Sätze 1 und 2 Nr. 8 des Justizgesetzes nicht statthaft.
78Solange sich die Ausnahmegenehmigungen nicht durch Zeitablauf erledigt hatten, mussten diese dagegen mit dem Widerspruch angefochten werden (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 110 Abs. 3 Satz 1 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen, § 69 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die am 2. Oktober 2014 erhobene Anfechtungsklage war insoweit bei Klageerhebung deshalb unzulässig; da der Widerspruch vom 16. September 2014 gegen die Ausnahmegenehmigung vom 5. September 2014 am 2. Oktober 2014 zurückgenommen wurde, konnte auch dieser den Eintritt der Bestandkraft nicht hindern. Den Klägern sind die angefochtenen Ausnahmegenehmigungen allerdings durch die Beklagte zu keiner Zeit bekanntgegeben worden, zudem ist die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung für die Kläger als am Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Dritte unrichtig, da lediglich auf die Klage hingewiesen wird. Infolgedessen konnten die Ausnahmegenehmigungen bis zu ihrer Erledigung durch Zeitablauf gegenüber den Klägern mangels Laufs und Ablaufs der Widerspruchsfrist nicht bestandskräftig werden. Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens wurde mit Erledigung der Ausnahmegenehmigungen unzulässig, die von den Klägern begehrte Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit war danach nur noch im gerichtlichen Verfahren in analoger Anwendung § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO möglich. Einen hierauf gerichteten Klageantrag haben die Kläger bereits in der Klageschrift angekündigt und spätestens mit Schriftsatz vom 9.Januar 2015 bei Gericht anhängig gemacht. Dieses Begehren ist nicht fristgebunden gerichtlich geltend zu machen.
79Die Kläger sind auch klagebefugt. Sie können sich bezüglich aller angefochtenen Entscheidungen darauf berufen, dass eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte möglich erscheint.
80Soweit sich die Kläger gegen gaststättenrechtliche vorübergehende Gestattungen wenden, folgt das daraus, dass diese von Nachbarn erfolgreich angefochten werden können, wenn deren Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes ausgehen. Die Erteilung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis ist nämlich nach § 4 Abs. 1 Satz 3 GastG zu versagen, wenn solche schädlichen Umwelteinwirkungen zu befürchten sind, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG bestätigt diese Zielsetzung des Gesetzes damit, das auch nachträglich zu jeder Zeit diesem Schutzzweck dienende Auflagen bei bestehenden Betrieben erteilt werden können. Zwar enthält § 12 GastG für vorübergehende Auflagen zu schädlichen Umwelteinwirkungen keine ausdrücklichen Regelungen, ihre Erteilung ist auch unter erleichterten Voraussetzungen – was auch Erleichterungen im Bereich der Umwelteinwirkungen einschließen kann – möglich. Das stellt allerdings vorübergehende Gestattungen nicht von den Pflichten des Immissionsschutzrechts frei. Die gesetzlichen Regelungen haben auch bei vorübergehenden Gestattungen zum Ziel, die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen. Die Nachbarn können die sachgerechte Beachtung der immissionsrechtlichen Vorschriften im Rahmen des gerichtlichen Nachbarschutzes auch bei Entscheidungen nach § 12 GastG geltend machen.
81Die Kläger sind als Eigentümer der von den Lärmimmissionen betroffenen Wohnungen auch befugt, gegen nach ihrer Auffassung unzumutbare Belastungen durch die Veranstaltung vorzugehen, da sie damit verbundene Einschränkungen ihres Eigentums nur nach Maßgabe der Gesetze hinnehmen müssen. Zudem gehören die Kläger als Anwohner des Veranstaltungsorts auch wegen ihrer persönlichen Betroffenheit zur Nachbarschaft im Sinne des Gesetzes. Auf die in den Verwaltungsvorgängen diskutierte Frage, ob sich die Klägerin zu 1) dauerhaft im Einwirkungsbereich der Veranstaltung aufhalte, kommt es schon wegen ihres Eigentums nicht an.
82Nichts anderes gilt, soweit sich die Kläger gegen die Ausnahmegenehmigungen nach dem Landesimmissionsschutzgesetz wenden. Die Verbote der Störung der Nachtruhe und die Einschränkung der Nutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, sind nicht nur im öffentlichen Interesse erlassen worden. Sie sollen auch die von solchen Einwirkungen Betroffenen schützen und können deshalb auch gegenüber den zuständigen Behörden gerichtlich durchgesetzt werden.
83Der Klagebefugnis kann die Beklagte auch nicht, wie dies der Sache nach durch ihren Vertreter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist, entgegenhalten, bei seltenen Ereignissen oder Ausnahmen im Rahmen der Anwendung des Freizeitlärmerlasses sei eine Verletzung von Rechten der Nachbarn ausgeschlossen, weil wegen der zeitlichen Begrenzung der Immissionen auf wenige Tage eine Gesundheitsgefahr ausgeschlossen sei. Dieser Auffassung ist offenbar nicht zu folgen:
84Ihr steht zunächst schon entgegen, dass es bei dem hier angesprochenen Rechtsschutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen nach der gesetzlichen Definition in § 3 Abs. 1 BImSchG nicht nur um Immissionen geht, die Gefahren hervorrufen können, sondern auch solche Einwirkungen relevant sind, die erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft zur Folge haben können. Es tritt hinzu, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass seltene Ereignisse mit derart schwerwiegenden Beeinträchtigungen etwa durch Lärm verbunden sind, dass die Gefahrenschwelle in Rede steht. Im Übrigen ist die Funktion des Begriffs des seltenen Ereignisses in Nummer 7.2 TA Lärm bzw. Nr. 3.2 des Freizeitlärmerlasses nicht die eines Irrelevanzkriteriums, was zur Folge hätte, dass die damit einhergehenden Immissionen als von vornherein unschädlich zu bewerten wären. Das Vorkommen seltener Ereignisse rechtfertigt allenfalls, die damit verbundenen Immissionen bei der Bestimmung der von einem Dauerbetrieb ausgehenden Belastungen außer Acht zu lassen, sowohl Nr. 7.2 TA Lärm als auch Nr. 3.2 der Freizeitlärmrichtlinie lassen aber keinen Zweifel daran, dass seltene Ereignisse nach Maßgabe der jeweils getroffenen Regelungen im Einzelfall zu bewerten sind und ihre Regelung dem Ziel der Vermeidung schädlicher Umweltbeeinträchtigungen verpflichtet bleibt. Die Beachtung dieses Ziels ist auch im Rahmen des Nachbarschutzes durchsetzbar. Jede andere Handhabung würde verkennen, dass Nachbarschutz dauerhaft gewollt ist und gerade im Fall seltener Ereignisse oder bei der Anwendung von Ausnahmebestimmungen, die ein Abweichen von Schutzstandards im Einzelfall ermöglichen, garantiert sein muss, dass im Rahmen solcher Sonderfälle das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmen und ihre Begrenzung effektiv kontrolliert werden kann. Das kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, dass auch in Nummer 3.2. des Freizeiterlasses Immissionsrichtwerte als Höchstwerte aufgeführt sind und in Nummer 7.2 TA Lärm für seltene Fälle eine eingehende Einzelfallprüfung vorgeschrieben ist. Nichts anderes gilt erst recht, wenn über diese Begrenzungen hinaus im Wege der Ausnahme nach Nummer 3.4 der Freizeitlärmrichtlinie noch die Eingrenzungen seltener Fälle überschnitten werden. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretene entgegenstehende Auffassung führt in letzter Konsequenz zu dem untragbaren Ergebnis, dass Nachbarschutz gerade dann nicht geltend gemacht werden könnte, wenn die mit den Immissionen verbundenen Beeinträchtigungen offenbar höher sind als bei der Regelnutzung einer Anlage.
85Die Kläger haben auch ein Feststellungsinteresse. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass sie auch in Zukunft in vergleichbarem Umfang Oktoberfeste einmal jährlich nach den Maßstäben, die für dessen Zulassung im Jahr 2014 angewendet wurden, auf der Grundlage des Gaststättenrechts und des Landesimmissionsschutzgesetzes ermöglichen will. Die Beigeladene hat die Durchführung vergleichbarer Veranstaltungen in Zukunft nicht ausgeschlossen. Es ist deshalb unverkennbar, dass die Kläger auch zukünftig mit der Durchführung von Oktoberfesten am bisherigen Standort rechnen müssen. Sie haben daher ein berechtigtes Interesse an einer Klärung der Zulässigkeit solcher Veranstaltungen anhand der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der für das letzte Jahr von der Beklagten getroffenen Entscheidungen, um gegebenenfalls anhand verbindlicher Maßstäbe entscheiden zu können, ob sie deren Wiederholung hinnehmen müssen. Zur Klärung dieser Fragen durch ein gerichtliches Hauptsacheverfahren haben sich die Beteiligten zudem im Vergleich vom 24. September 2014 ungeachtet der dort in Aussicht genommenen Entschädigungen verpflichtet.
86Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Die dort aufgeführten von der Beklagten erteilten vorübergehenden Gestattungen und Genehmigungen waren rechtswidrig:
87Dabei ist vorab klarzustellen, dass vorliegend keinerlei Veranlassung bestand, Regelungen im Rahmen der Ausnahmebestimmungen nach den §§ 9,10 LImSchG zu treffen. Ungeachtet des Umstandes, dass diese Bestimmungen prinzipiell nur von Personen ausgehende und diesen zuzurechnende Verhaltensweisen betreffen, die zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen können, war der Anwendungsbereich des Landesimmissionsschutzgesetzes schon deshalb nicht eröffnet, weil die Bewältigung der mit der Veranstaltung Oktoberfest 2014 verbundenen Immissionen abschließend im Rahmen der gaststättenrechtlichen Vorschriften vorzunehmen war. Die hier anwendbare Bestimmung des § 12 GastG gibt der Beklagten auf, die Vereinbarkeit des danach zugelassenen Betriebs angesichts fehlender verbindlicher Bestimmungen aufgrund baurechtlicher Genehmigungen umfassend und damit auch einschließlich der zu erwartenden Einwirkungen auf die Umwelt abschließend und effektiv zu regeln. Für eine Ausgliederung der Betriebsdauer und der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen lässt das Gaststättengesetz als Bundesgesetz keinen Raum. Die von der Beklagten auf der Grundlage der §§ 9,10 LImSchG erteilten Ausnahmegenehmigungen sind daher schon deshalb rechtswidrig, weil diese Bestimmungen nicht angewendet werden durften und eine gesetzmäßige Einschränkung der Rechte der Kläger auf dieser Grundlage ausscheidet.
88Die von der Beklagten ausgesprochenen vorübergehenden Gestattungen nach § 12 GastG sind ebenfalls rechtswidrig. Sie lassen in unzulässiger Weise schädliche Umwelteinwirkungen auf die Kläger und deren Eigentum zu und verfehlen deshalb den gesetzlichen Regelungsauftrag.
89Dazu ist zunächst allgemein festzuhalten, dass vorläufige Gestattungen den mit einem solchen Gaststättenbetrieb verbundenen Lärm nach Maßgabe der Eigenart der gestatteten Betriebsweise umfassend und vollständig zu regeln haben. Dazu gehört nicht nur die Frage der Betriebszeit und der Musikdarbietungen, sondern auch ganz essentiell die Bewältigung der Konflikte, die erkennbar durch das Publikum und den der Veranstaltung zurechenbaren Straßen- und Zugangsverkehr hervorgerufen werden. Dass solche Konflikte in erheblichem Umfang zu erwarten waren, war angesichts der großen Zahl der Besucher der Veranstaltungen und der Lage der Betriebsstätte außerhalb öffentlicher Verkehrswege offenkundig. Es ist nicht ansatzweise zu erkennen, was die Auffassung der Beklagten rechtfertigen soll, Umstände dieser Art seien der Beigeladenen nicht zuzurechnen und bedürften deshalb keiner Beachtung im Rahmen der Zulassung des Betriebs.
90Dem gesetzlichen Regelungsauftrag werden die vorläufigen Gestattungen nicht gerecht. Sie sind sämtlich unbestimmt, da in ihnen verbindliche Bestimmungen dazu fehlen, welche Werte die Beigeladene nicht überschreiten darf. Die in ihnen enthaltenen Auflagen verweisen, von lediglich Randbereiche betreffenden Aussagen zum Betrieb technischer Einrichtungen abgesehen, ohne nähere einzelfallbezogene Angaben auf die gesetzlichen Verpflichtungen zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen. Angesichts der offenkundig zu erwartenden erheblichen Lärmbeeinträchtigungen der Anwohner genügt dies nicht der Pflicht, durch die konkrete Festsetzung von Immissionsrichtwerten den Nachbarschutz effektiv und überprüfbar zu regeln. Die Beklagte handelt daher schon durch die Erteilung vorläufiger Gestattungen nach § 12 GastG, die - wie vorliegend – dieser Steuerungspflicht zu Lasten der Anwohner nicht genügen, rechtswidrig. Sie verletzt damit zugleich die Rechte der Anwohner, die aufgrund der aufgezeigten Nachbarrechte Anspruch darauf haben, dass zu ihrem Schutz effektiv schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden.
91Das gilt umso mehr, als die Entscheidungen erkennbar nicht auf Verwirklichung angelegt sind. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird.
92Unabhängig davon gilt: Selbst wenn man entgegen dem vorstehenden Ansatz zu Gunsten der Beklagten die Regelungen in den Ausnahmegenehmigungen sowie die Zwangsmittelandrohungen vom 2. Oktober 2014 in eine Gesamtbetrachtung, ob unter Beachtung aller Regelungen verlässlich tatsächlich schädliche Umwelteinwirkungen zu Lasten der Kläger verhindert wurden, einbeziehen wollte, bleiben die vorläufigen Gestattungen rechtswidrig Das in der Gesamtheit der Regelungen verwirklichte Konzept zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen bleibt in entscheidender Weise hinter den gesetzlichen Anforderungen zurück. Es kann daher offen bleiben, ob und wie diese Regelungen einem Anspruch der Kläger, die Rechtswidrigkeit der Gestattungen und Genehmigungen festzustellen, entgegengehalten werden könnten.
93Für die Veranstaltung mit RWE-Mitarbeitern am 30.September 2014 gilt das schon deshalb, weil es hierfür keine wirksame Begrenzung der Immissionen in der Gestattung vom 12. September 2014 zu Gunsten der Nachbarschaft gab. Das beruht, wie sich aus dem Schreiben der Beklagten an die Beigeladene vom gleichen Tag ergibt, auf der Annahme, es gebe ohnehin keinen Anlass für eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9,10 LImSchG und es sei Aufgabe der Beigeladenen, für die Beachtung der Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet zu Gunsten der Anwohner an der X.--------straße zu sorgen.An dieser Einschätzung ist allein die Bestimmung des zu Gunsten der Kläger einzuhaltenden Schutzniveaus zutreffend. Die Umgebung der Wohnhäuser ist zutreffend als diffus bzw. keinem Baugebiet der Baunutzungsverordnung zuzuordnen bewertet worden. Angesichts der großen Parkplatzflächen und des Kraftwerks in der Umgebung der Wohnhäuser handelt es sich um eine Innenbereichsbebauung, die lediglich auch dem Wohnen dient. Die daran anknüpfende Festlegung auf den Schutzstandard eines Mischgebiets wird von der Kammer geteilt.
94Für einen Verzicht auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten für diese Veranstaltung gibt es dagegen keinerlei Rechtfertigung. Es ist unverkennbar, das eine bis Mitternacht dauernde Veranstaltung der Außengastronomie, die hier angesichts der Durchführung in einem Zelt ohne besondere Schallschutzeinrichtungen ohne Zweifel anzunehmen ist, bei zu einer erwartenden Gästezahl von etwa 1.000 Besuchern und einem gleichzeitigen Musikprogramm einer effektiven Gestaltung des Lärms im Rahmen einer Gestattung bedarf. Dass dies nicht geschehen ist, beruht erkennbar nicht allein auf der fehlerhaften Annahme, der von den Besuchern verursachte Kommunikations- und Verkehrslärm sei unbeachtlich. Es wird auch deutlich, dass die Beklagte zu keiner Zeit ihrer Pflicht nachgekommen ist, die zu erwartenden Immissionen ordnungsgemäß zu erfassen und auf dieser Basis eine sachverständige Lärmprognose zu erstellen. Dazu war die Beklagte gerade zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen aber verpflichtet. Dem kann nicht entgegengehalten werden, entsprechende Daten hätten nicht vorgelegen. Wenn die Beklagte nicht aufgrund eigener Sachkunde eine tragfähige Bewertung vornehmen kann, hat sie entweder dem Veranstalter aufzugeben, hierzu tragfähige Unterlagen beizubringen, oder aber selbst Sachverständige einzuschalten. Dem kann sich die Beklagte nicht dadurch entziehen, dass sie ohne vollziehbare Regelungen dem Veranstalter lediglich die allgemein für die Anwohnergrundstücke geltenden Immissionsrichtwerte mitteilt und hinnimmt, dass deren Beachtung – wie vorliegend – angesichts des Charakters der gestatteten Veranstaltung offenbar nicht möglich ist. Die Kenntnis der Beklagten von diesen Umständen ist für die Kammer offenkundig, sie ergibt sich zwanglos aus der Begründung der Ausnahmegenehmigung vom 5.September 2014. Dort heißt es, der Mittelungspegel innerhalb größerer Menschenansammlungen liege erfahrungsgemäß zwischen 65 und 70 dB (A) und es sei, um die Wahrnehmung von Musik in diesen Fällen sicherzustellen, notwendig, die Beschallung um mindestens5 dB (A) höher anzusetzen. Wie es angesichts solcher Vorkenntnisse der Beigeladenen möglich sein sollte, ab 20.00 Uhr einen Immissionsrichtwert von 55 dB (A) und ab 22.00 Uhr einen Immissionsrichtwert von 45 dB (A) zugunsten der Kläger einzuhalten, entbehrt jeder Erklärung.
95Auch soweit für die sonstigen Veranstaltungen des Oktoberfestes Immissionsrichtwerte in den Ausnahmegenehmigungen festgesetzt worden sind, genügen diese nicht den rechtlichen Anforderungen, sie bleiben teilweise unbestimmt, sind nicht ordnungsgemäß ermittelt worden und zudem überhöht.
96Dabei ist vorab festzuhalten, dass es keine verbindlichen Regelungen für die Veranstaltungen auf der Grundlage der TA Lärm gibt, diese ist vorliegend nicht anwendbar. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dem Gaststättenbetrieb in einem Festzelt um eine nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlage, die nach Überzeugung der Kammer in gleicher Weise wie Freiluftgaststätten dem Anwendungsbereich der TA Lärm nach deren Nr. 1 Satz 2 Buchstabe b entzogen sind.
97Maßgeblich für die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen vorliegen, ist vielmehr eine wertende Beurteilung des Einzelfalls, die sich an den Regelungen des Freizeitlärmerlasses orientiert. Dieser Erlass beruht auf der Freizeitlärmrichtlinie des Länderausschusses der für Immissionsschutzfragen zuständigen obersten Landesbehörden und setzt diese in Nordrhein-Westfalen in sachverständiger Weise um. Der Erlass bezieht nach seiner Nr. 1 im vierten Absatz über die Musikdarbietungen in Zelten hinaus Anlagen der Außengastronomie ausdrücklich in seinen Anwendungsbereich ein. Die Kammer sieht keine Veranlassung, diese auf sachverständigen Erkenntnissen beruhenden Maßstäbe im Rahmen der von ihr zu treffenden konkreten Abwägungsentscheidung nicht anzuwenden. Die dort niedergelegten Grundsätze sind für die Kammer zwar nicht verbindlich, sie haben aber die Bedeutung einer Orientierungshilfe, der sich die Kammer bei der konkreten Beurteilung des Oktoberfestes bedient. Das entspricht erkennbar auch der Praxis der Beklagten, die sich gerade auf die Ausnahmebestimmungen des Freizeitlärmerlasses beruft.
98In diesem kommt zunächst zum Ausdruck, dass Anlagen der Außengastronomie im Grundsatz gegenüber anderen gewerblichen Betätigungen nur geringfügig privilegiert sind. Sie werden in Nr. 3. 1 und Nr. 4 des Erlasses im Grundsatz wie sonstige Anlagen im Sinne des § 3 Abs.5 Nr. 1 BImschG Immissionsrichtwerten unterworfen, die sich an Nr. 6.1 TA Lärm für gewerbliche Betätigungen orientieren. Diese Werte sind auch Grundlage für die Beurteilung, ob bei vorübergehenden Gestattungen nach § 12 GastG Erleichterungen zugestanden werden können. Hier könnte zwar der Umstand, dass es sich nicht um dauerhafte Belastungen handelt, im Einzelfall geringfügige Überschreitungen rechtfertigen. Das bedeutet allerdings entgegen der von der Beklagten in ihren Entscheidungen zugrunde gelegten und in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bekräftigten Auffassung nicht, dass die Schutzgüter der §§ 4 Abs.1 Nr. 3, 5 Abs.1 Nr. 3 GastG außer Betracht bleiben könnten oder ihnen geringeres Gewicht zugemessen werden darf. Die Erleichterungen können sich beispielsweise darauf beziehen, dass in Ausnahmefällen, in denen die Beachtung der Immissionsrichtwerte nicht nachgewiesen ist zur Vermeidung unverhältnismäßigen Aufwandes darauf verzichtet werden kann, vom Veranstalter den Nachweis zu verlangen, dass er mit seiner Immissionsprognose auf der „sicheren Seite“ liegt. Für eine spürbare Überschreitung von Immissionsrichtwerten gibt die Möglichkeit erleichterter Zulassung aber keine Rechtfertigung. Da die Beklagte rechtswidrig davon abgesehen hat, die mit der Außengastronomie verbundenen Immissionen überhaupt zu regeln, bedarf das keiner Vertiefung. Es bedarf deshalb auch keines Eingehens auf die Frage, ob die in § 9 LImSchG angelegte Privilegierung der Außengastronomie, die in Nr. 4 des Freizeitlärmerlasses aufgenommen wird, hingenommen werden kann, wonach von solchen Betrieben ausgehender Lärm bis 24.00 Uhr nicht vollständig den Bestimmungen über die Nachtruhe unterliegt. Mit dem bundesrechtlich in Nr. 6.3 der TA Lärm zum Ausdruck kommenden, für das Gaststättenrecht verbindlichen Verständnis der Nachtzeit könnte dies unvereinbar sein, eine hieran orientierte Praxis deshalb gegen Art. 31 GG verstoßen.
99Für die Musikdarbietungen und die damit verbundenen Lärmeinwirkungen gelten diese Privilegierungen ohnehin nicht. Die Ausnahmebestimmungen der Nr. 4 des Freizeitlärmerlasses erfassen allein den Betriebslärm, der üblicherweise von Außengaststätten ausgeht. Die für diese vorgesehenen Begünstigungen auf Musikveranstaltungen auszudehnen, gibt es keine Veranlassung. Musikveranstaltungen sind – unabhängig davon, ob sie mit einen Gaststättenbetrieb verbunden sind oder nicht – allein an den Regelungen der Nr. 3 der Freizeitlärmrichtlinie zu messen. Für sie gilt, dass ihnen, wie Nr. 3.1 des Erlasses belegt, prinzipiell keine Erleichterung gegenüber anderen gewerblichen Nutzungen zu Gute kommt. Dabei ist klarzustellen, dass es für die Bewertung des Lärms vorliegend nicht genügt, allein auf den von Lautsprechern bzw. den Musikinstrumenten verursachten Lärm abzustellen. Bei den maßgeblichen Emissionen ist vielmehr zu beachten, dass das Fest gerade darauf angelegt ist, die Besucher zum Mitsingen zu bewegen. Der hierdurch verursachte möglicherweise zusätzliche Veranstaltungslärm ist bei der Lärmprognose zu beachten.
100Die von der Beklagten bezüglich der Musikveranstaltungen festgelegten Immissionsrichtwerte übersteigen massiv die Begrenzungen, die für Mischgebiete zu beachten sind. Damit steht fest, dass die von der Beklagten in den Ausnahmegenehmigungen festgelegten Immissionsrichtwerte nur dann gerechtfertigt wären, wenn sie den besonderen Anforderungen der Nr. 3.2 bzw. 3 .4 des Freizeitlärmerlasses entsprechen würden. Das ist nicht der Fall.
101Dabei genügt es bei Veranstaltungen der vorliegenden Art schon im Ausgangspunkt nicht, lediglich Immissionsrichtwerte festzusetzen. Ungeachtet des durch die Besucher erzeugten Lärms ist – insbesondere vor dem Hintergrund, dass es bereits im Vorjahr erhebliche Beschwerden über die Auswirkungen der Lautsprecheranlagen gegeben hatte – in aller Regel wie auch vorliegend erforderlich, Regelungen an den Emissionsquellen zu treffen und bereits technisch durch Sicherungen an den Anlagen zur Schallerzeugung und zur Schallwiedergabe auszuschließen, dass deren Auswirkungen zu Überschreitung den von Grenzwerten führen (s. dazu auch Nr. 5 des Freizeitlärmerlasses).
102Der für solche Maßnahmen notwendige Beschallungsplan war unabdingbar, um im Zusammenhang mit der anzustellenden Lärmprognose überhaupt nachvollziehbar zu begründen, dass die vorgesehen Immissionsrichtwerte den notwendigen Schutz der Nachbarschaft tatsächlich gewährleisten. Die für die Berechnung des maßgeblichen
103Beurteilungspegels erforderlichen Grundlagen waren zudem auch deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte in unzulässiger Weise den Kommunikations- und Verkehrslärm bei der Festlegung der Auflagen zur Ausnahmegenehmigung außer Betracht gelassen hat. Erst recht fehlt eine Bewertung des Lärms, die die Informations- und Impulshaltigkeit der Lärmquellen bei der Berechnung des festgelegten Beurteilungspegels angemessenen berücksichtigt. Dass hier Zuschläge wegen der Informationshaltigkeit notwendig waren, ergibt sich schon aus dem hohen Wiedererkennungswert des durch bekannte Musiktitel geprägten Programms und die anschaulich durch Nachbarbeschwerden geschilderte besondere Belastung daraus, dass stündlich mehrfach ein Tusch auf das „Prosit der Gemütlichkeit“ gespielt wurde. Dass daneben noch die Belastung durch die Impulshaltigkeit der Musikdarbietungen bei der Festlegung des Beurteilungspegels einzubeziehen war, hat die Beklagte ebenfalls nicht beachtet.
104Ungeachtet dessen sind die festgesetzten Immissionsrichtwerte unabhängig von den aufgezeigten Fehlern auch als solche nicht nach Ziffer 3.2. des Freizeitlärmerlasses zu rechtfertigen. Die Beklagte hat schon im Erörterungstermin am 24. September 2014 zugestanden, dass das Oktoberfest nicht als seltenes Ereignis nach dieser Bestimmung angesehen werden kann. Das ergibt sich schon zweifelfrei daraus, dass die Immissionsrichtwerte deren Höchstwerte an allen Tagen in den Ruhezeiten und am 2.,3.,4.,10. und 11. Oktober 2014 zum Teil erheblich überschreiten. Es ist zudem durch nichts gerechtfertigt, dass ohne Begründung auf eine Begrenzung durch Richtwerte für Geräuschspitzen verzichtet worden ist. Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, dass die Vorbelastung zumindest durch die Veranstaltung von „Rü…Genuss pur 2014“ in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist. Ausweislich der Genehmigung für diese fünftägige Veranstaltung vom 2. Juli 2014 wurden auch hierfür Immissionsrichtwerte zu Lasten der Kläger zugelassen, die bei einem seltenen Ereignis bewilligt werden können. Die Kammer hält es für gerechtfertigt, auch für Einzelveranstaltungen die Einschätzung als seltenes Ereignis zuzulassen und deren immissionsrechtliche Zulässigkeit an den hierfür geltenden Grenzen zu messen. Der Freizeitlärmerlass lässt solche Überschreitungen im Rahmen einer Dauergenehmigung für eine Anlage aber nur an 10 Tagen im Jahr zu. Es spricht nichts dagegen, auch bei mehreren Einzelveranstaltungen an einem Ort diese Höchstbegrenzung für seltene Ereignisse für verbindlich zu halten und daraus abzuleiten, dass jedenfalls auf dem Messeparkplatz nur noch an weiteren fünf Tagen ein seltenes Ereignis im Sinne des Freizeitlärmerlasses stattfinden durfte. Dafür streitet das Ziel, Nachbarn von Vergnügungsstätten nur in einen begrenzten Zeitraum im Jahr solche erheblichen Beeinträchtigungen zuzumuten. Dem steht auch
105nicht die Sonderregelung in Nr. 3.2 c des Freizeitlärmerlasses entgegen, wonach unzumutbare Geräuschbelästigungen jedenfalls bei Überschreitung der Werte nach Nr. 3.1 des Freizeitlärmerlasses anzunehmen sind, wenn diese am selben Einwirkungsort an insgesamt mehr als 14 Kalendertagen eines Jahres auftreten. Diese Bestimmung erweitert nicht die Zahl der Tage, an denen an einem bestimmten Ort seltene Ereignisse stattfinden dürfen, sondern verpflichtet die Behörde, nötigenfalls zur Vermeidung einer Gesamtbelastung der Nachbarn von mehr als 14 Kalendertagen im Jahr, die Zahl der seltenen Ereignisse an einem Ort unter 10 Tage zu begrenzen.
106Die von der Beklagten festgelegten Immissionsrichtwerte können auch nicht durch die Überlegung gerechtfertigt werden, beim Rüttenscheider Oktoberfest seien die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Nr. 3.4. des Freizeitlärmerlasses anzunehmen. Danach kann von den Begrenzungen der Nr. 3.1 und 3.2. des Erlasses abgewichen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Durchführung der Veranstaltung angenommen wird und dieses rechtfertigt, die Belange der Anwohner zurückzustellen. Die Ausnahme kann nur bejaht werden, wenn eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass das Schutzbedürfnis der Wohnnutzung zurücktreten muss.
107Die Kammer betont dabei, dass das die Ausnahme ermöglichende und rechtfertigende öffentliche Interesse nicht einer ungesteuerten Vielfalt von öffentlichen Belangen eröffnet ist. Allgemeine Belange etwa der Wirtschafts- und Tourismusförderung oder fiskalische Interessen haben in diesem Zusammenhang keine erhebliche Bedeutung. In den immissionsrechtlichen Grundsätzen der Nr. 2 des Freizeitlärmerlasses wird zu Recht darauf abgestellt, dass dessen Regelungen auf den Grad der mit der Veranstaltung verbundenen Belästigung abstellen und die Wertungen hierzu aufnimmt, die der Einstellung eines verständigen, durchschnittlich empfindlichen Mitbürgers entsprechen. Darin kommt zum Ausdruck, dass gerade die Bewertung von Freizeitveranstaltungen je nach ihrem Anlass von Anwohnern unterschiedlich wahrgenommen wird und die Toleranz gegenüber Lärmeinwirkungen selbstverständlich auch davon abhängt, ob diese durch besondere Ereignisse veranlasst sind. Es ist unverkennbar, dass Immissionen trotz eines höheren Lärmaufkommens als sozialadäquat und damit im Sinne des Umweltrechts unschädlich akzeptiert werden, wenn ihr Anlass in der örtlichen Gemeinschaft der Umgebung einen hohen und allgemein anerkannten Stellenwert besitzt.
108Diesen Ansatz übernimmt Nr. 3.4 des Freizeitlärmerlasses, wenn dort ausgeführt wird, bei Veranstaltungen könnten für die Annahme von Ausnahmen deren historische, kulturelle oder sonst sozialgewichtige Grundlagen berücksichtigt werden. Eine vergleichbare Wertung findet sich auch in § 9 Abs. 3 LImSchG für ortsrechtliche Bestimmungen zur Einschränkung der Nachtruhe. Diese Regelungen beruhen auf der Erkenntnis, dass Volks- und Gemeindefeiern, Feiern örtlicher Vereine, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens gehören. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese oftmals in der Nähe zur Wohnbebauung durchgeführt werden müssen und zwangsläufig mit Beeinträchtigungen der Nachbarschaft verbunden sind. Verständige Nachbarn werden die damit verbundenen Geräuschentwicklungen deshalb in aller Regel in höherem Maß akzeptieren als die der sonstigen, nicht durch konkrete örtliche Bezüge ausgelöste Freizeitbetätigungen. Das gilt insbesondere, wenn es sich um ein außergewöhnliches und weitgehend einmaliges Ereignis handelt oder aber eine langjährige, mit dem Veranstaltungsort verbundene Traditionsveranstaltung (etwa Cranger Kirmes, Karnevalsveranstaltungen) betrifft, auf deren regelmäßige Wiederkehr sich die Umgebung eingerichtet hat und der sie notfalls dadurch ausweicht, das die Wohnnutzung in der Umgebung kurzfristig aufgegeben wird. Soweit keine solche Tradition besteht, kann eine vergleichbare Toleranz allerdings nur erwartet werden, wenn die mit der Veranstaltung verbundenen Ziele ein vergleichbares Gewicht für die örtliche Gemeinschaft am Veranstaltungsort aufweisen, die redlicherweise erwarten lassen, dass die verständigen Anwohner die berechtigten Belange der Wohnbedürfnisse zurückstellen. Nur wenn diese Voraussetzungen im Rahmen einer konkreten ergebnisoffenen Abwägung, in die auch die Schutzbedürfnisse der Anwohner eingestellt werden, erfüllt sind, kann die Überschreitung der Werte nach Nr. 3.2 und 3.2 des Freizeitlärmerlasses im Einzelfall hingenommen werden.
109Diesen Anforderungen genügen die Erwägungen der Beklagten offenbar nicht. Schon der Ausgangspunkt, es gebe ein verändertes Freizeitverhalten und ein daran anknüpfendes Bedürfnis nach Ausweitung eines abendlichen Freizeitangebots in Großveranstaltungen, lässt eine Grundlage für eine daran anknüpfende Beschränkung des Schutzes der Wohnbevölkerung nicht erkennen. Der Sache nach ist das lediglich die Umschreibung eines weiteren Freizeitangebots aus schlicht kommerziellen Interessen, für das wie für jegliche andere gewerbliche Tätigkeit verlangt werden kann, dass die bestehenden rechtlichen Grenzen solcher Betätigungen beachtet werden müssen und das nur verwirklicht werden kann, wenn dies am vorgesehenen Standort ohne Nutzungskonflikte möglich ist. Das hat selbstverständlich zur Folge, dass bestimmte Veranstaltungen schon auf dieser Ebene am vorgesehenen Ort nicht zulässig sind. Dementsprechend formuliert Nr. 2 des Freizeitlärmerlasses am Ende, dass es möglich ist, dass die Genehmigungsfähigkeit einer Veranstaltung bauplanungsrechtlich nicht herbeigeführt werden kann.
110Dem kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, es gebe eine besondere Nähe der Veranstaltung zu Rüttenscheid und für diesen Stadtteil habe die Veranstaltung besondere Bedeutung. Schon eine besondere Nähebeziehung zum Stadtteil vermag die Kammer nicht zu erkennen. Deren inhaltliche Gestaltung ist von örtlichen Bezügen völlig unabhängig, sie weist insoweit keinerlei Besonderheiten gegenüber anderen inzwischen dutzendfach allein in Nordrhein-Westfalen zeitnah oder gleichzeitig durchgeführten Oktoberfesten auf. Die Nähe zur Rüttenscheider Straße und dem dort vorhandenen Gastronomieangebot, das von den Gästen im Anschluss an die Veranstaltung wahrgenommen werden könne, erhöht lediglich die Attraktivität des kommerziell begründeten Festes für Besucher, denen der schlichte Besuch des Festes nicht genügt. Es handelt sich dabei allerdings nur um einen Standortvorteil für die Veranstalter, keineswegs um ein in der örtlichen Gemeinschaft wurzelndes, über Gewinninteressen hinausgehendes Bedürfnis. Dass ein anderer Platz für ein Festzelt in Rüttenscheid nicht vorhanden und die Veranstaltung in der Halle auch zu teuer sein soll, ist unerheblich. Die Konsequenz daraus ist allein, dass das Fest dann in Rüttenscheid nicht stattfinden kann, nicht aber, dass Nachbarinteressen unberücksichtigt bleiben müssen, um dem Veranstalter des Fests zum geschäftlichen Erfolg zu verhelfen.
111Die Entscheidung der Beklagten ist daher schon mangels eines hinreichenden, in den Besonderheiten der örtlichen Gemeinschaft wurzelnden Anlasses historischer, kultureller oder sozialgewichtiger Art nicht tragfähig. Sie ist auch im Übrigen durch fehlende Rücksicht auf die berechtigten Belange der Anwohner gekennzeichnet. Den Verwaltungsvorgängen ist eindeutig zu entnehmen, dass zu keiner Zeit auch nur erwogen wurde, das Fest könne wegen der von ihm ausgehenden massiven Belästigungen nicht zuzulassen sein. Alle Entscheidungen, die von der Beklagten getroffen wurden, waren allein durch das Ziel bestimmt, den wirtschaftlichen Erfolg und damit die Durchführung der Veranstaltung zu ermöglichen. Das wird nicht zuletzt dadurch erkennbar, dass die Beklagte zu keiner Zeit in Erwägung gezogen hat, das schon die bloße Dauer der Veranstaltung und die damit verbundene massive Beeinträchtigung der betroffenen Wohnbevölkerung ungewöhnlich schwerwiegend sind und schon dies ein überragendes örtliches Interesse an der Realisierung des Oktoberfestes verlangte.
112Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2006 - 2 K 622/06 - geändert. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorzuschreiben, dass die Errichtung, die Beschaffenheit und der Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen bestimmten Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und, soweit diese Anlagen gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden und Betriebsbereiche oder Bestandteile von Betriebsbereichen sind, vor sonstigen Gefahren zur Verhütung schwerer Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU und zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle für Mensch und Umwelt sowie zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen genügen müssen, insbesondere dass
- 1.
die Anlagen bestimmten technischen Anforderungen entsprechen müssen, - 2.
die von Anlagen ausgehenden Emissionen bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfen, - 3.
die Betreiber von Anlagen Messungen von Emissionen und Immissionen nach in der Rechtsverordnung näher zu bestimmenden Verfahren vorzunehmen haben oder von einer in der Rechtsverordnung zu bestimmenden Stelle vornehmen lassen müssen, - 4.
die Betreiber bestimmter Anlagen der zuständigen Behörde unverzüglich die Inbetriebnahme oder eine Änderung einer Anlage, die für die Erfüllung von in der Rechtsverordnung vorgeschriebenen Pflichten von Bedeutung sein kann, anzuzeigen haben, - 4a.
die Betreiber von Anlagen, die Betriebsbereiche oder Bestandteile von Betriebsbereichen sind, innerhalb einer angemessenen Frist vor Errichtung, vor Inbetriebnahme oder vor einer Änderung dieser Anlagen, die für die Erfüllung von in der Rechtsverordnung vorgeschriebenen Pflichten von Bedeutung sein kann, dies der zuständigen Behörde anzuzeigen haben und - 5.
bestimmte Anlagen nur betrieben werden dürfen, nachdem die Bescheinigung eines von der nach Landesrecht zuständigen Behörde bekannt gegebenen Sachverständigen vorgelegt worden ist, dass die Anlage den Anforderungen der Rechtsverordnung oder einer Bauartzulassung nach § 33 entspricht.
(1a) Für bestimmte nicht genehmigungsbedürftige Anlagen kann durch Rechtsverordnung nach Absatz 1 vorgeschrieben werden, dass auf Antrag des Trägers des Vorhabens ein Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung nach § 4 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 6 durchzuführen ist. Im Falle eines Antrags nach Satz 1 sind für die betroffene Anlage an Stelle der für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen geltenden Vorschriften die Vorschriften über genehmigungsbedürftige Anlagen anzuwenden. Für das Verfahren gilt § 19 Absatz 2 und 3 entsprechend.
(2) Soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, sind die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften im Sinne des Absatzes 1 zu erlassen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf eine oder mehrere oberste Landesbehörden übertragen.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.
Gründe
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien sind Mieter in einem Mehrfamilienhaus in Brandenburg. Die Kläger wohnen im ersten Stock, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone der Wohnungen liegen übereinander. Die Beklagten sind Raucher und nutzen ihren Balkon mehrmals am Tag zum Rauchen, wobei der Umfang des täglichen Zigarettenkonsums streitig ist. Die Kläger fühlen sich als Nichtraucher durch den aufsteigenden Tabakrauch im Gebrauch ihrer Wohnung gestört. Sie haben - soweit hier von Interesse - beantragt, die Beklagten zu verurteilen, das Rau- chen auf dem Balkon während bestimmter Stunden zu unterlassen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit der die Kläger den Unterlassungsantrag weiter verfolgen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
- 2
- Das Berufungsgericht (dessen Entscheidung u.a. in WuM 2014, 414 ff. veröffentlicht ist) meint, dass den Klägern kein Unterlassungsanspruch wegen einer Besitzstörung (§ 862 Abs. 1 Satz 2, § 858 Abs. 1 BGB) zustehe, weil das Rauchen zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung gehöre. Selbst wenn die Kläger durch das Rauchen der Beklagten in dem Gebrauch ihrer Wohnung beeinträchtigt sein sollten, stünde ihnen lediglich ein vertraglicher Anspruch gegen den Vermieter wegen eines Mangels der Mietsache zu. Die Kläger hätten auch keinen Abwehranspruch wegen einer drohenden Gesundheitsverletzung (§ 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB), weil das Rauchen im Freien keine dem Rauchen in Innenräumen vergleichbaren gesundheitlichen Risiken durch Passivrauchen mit sich bringe. Schließlich ergebe sich auch kein Abwehranspruch aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Es könne dahinstehen, ob diese Regeln im Verhältnis zwischen Mietern untereinander anwendbar seien, da es an zwingenden Gründen fehle, aus denen es geboten sei, den Beklagten zeitabschnittsweise das Rauchen auf dem Balkon zu untersagen. Ein solches Verbot wäre mit Art. 2 Abs. 1 GG unvereinbar; die grundrechtlich geschützte Freiheit der Lebensführung schließe das Recht ein, in der eigenen Wohnung unabhängig von zeitlichen und mengenmä- ßigen Vorgaben zu rauchen. Da es sich bei den Beklagten nicht um exzessive Raucher (Kettenraucher) handele, sei es den Klägern auch unter Berücksichtigung ihres Interesses, nicht durch Tabakrauch belästigt zu werden, zuzumuten, für die verhältnismäßig kurzen Zeiträume, in denen die Beklagten rauchten, die Fenster zu schließen und einen Aufenthalt auf dem Balkon zurückzustellen.
II.
- 3
- Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 4
- 1. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht einen Abwehranspruch der Kläger wegen einer Störung ihres Besitzes nach § 862 Abs. 1, § 858 Abs. 1 BGB.
- 5
- a) Eine Besitzstörung kann darin begründet sein, dass der Besitzer bei dem Gebrauch der Sache durch Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB beeinträchtigt wird (vgl. Bamberger/Roth/Fritsche, BGB, 3. Aufl., § 858 Rn. 10; Erman/Lorenz, BGB, 14. Aufl., § 858 Rn. 3a; Jauernig/Berger, BGB, 15. Aufl., § 858 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Joost, BGB, 6. Aufl., § 858 Rn. 5; Paschke, NZM 2000, 595, 596; PWW/Prütting, BGB, 9. Aufl., § 858 Rn. 4). Dass einem Mieter ein Abwehranspruch nach § 862 Abs. 1 BGB gegen Besitzstörungen durch den von einem anderen Mieter verursachten Lärm zustehen kann, ist in der Rechtsprechung (BayObLGZ 1987, 36, 40; KG, KGR 2004, 75, 76; OLG Düsseldorf, WuM 1997, 221; OLG München, NJW-RR 1992, 1097) und im Schrifttum (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap III Rn. 2581; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 535 Rn. 28; MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 535 Rn. 171; PWW/Elzer, BGB, 9. Aufl., § 535 Rn. 50) anerkannt und ist auch in der von dem Berufungsgericht zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs zur sog. Versorgungssperre (Urteil vom 6. Mai 2009 - VIII ZR 137/07, BGHZ 180, 300 Rn. 28) nicht anders gesehen worden. Dem Besitzer wird - obwohl ihm an der Sache kein dingliches Recht zusteht - durch den Abwehranspruch ein dem § 1004 BGB entsprechender Schutz gegen von außen kommende Störungen seiner Sachherrschaft gewährt. Er wird insoweit behandelt, als wäre er Eigentümer der Sache (Westermann/Gursky, Sachenrecht , 8. Aufl., § 23 Rn. 13). Für Besitzstörungen durch Rauch und Ruß kann grundsätzlich nichts anderes gelten.
- 6
- b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob den Beklagten das Rauchen im Verhältnis zu ihrem Vermieter gestattet ist.
- 7
- aa) Verbotene Eigenmacht ist nicht deswegen zu verneinen, weil das Rauchen im Verhältnis zwischen Mietvertragsparteien im Allgemeinen zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2006 - VIII ZR 124/05, NJW 2006, 2915 Rn. 23; Urteil vom 5. März 2008 - VIII ZR 37/07, NJW 2008, 1439 Rn. 22). Nach § 858 Abs. 1 BGB ist allein maßgeblich, dass die Entziehung oder Störung des Besitzes ohne den Willen des Besitzers erfolgt und nicht durch das Gesetz gestattet ist. Vertragliche Vereinbarungen des Störers mit Dritten vermögen eine Besitzstörung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen.
- 8
- Das gilt auch für die hier zu beurteilenden Besitzstörungen durch andere Mieter. Allerdings kann sich für den gestörten Mieter aus seinem Mietvertrag und einer darin in Bezug genommenen Hausordnung ergeben, dass er Störungen durch Mitmieter in einem bestimmten Umfang (etwa durch das Musizieren oder durch die Haustierhaltung in einer anderen Wohnung) dulden muss und daher nicht nach § 862 Abs. 1 BGB abwehren kann (vgl. OLG München, NJW- RR 1992, 1099). Fehlt es jedoch - wie hier - an einer vertraglich begründeten Duldungspflicht, steht dem Mieter der Anspruch nach § 862 Abs. 1 BGB unabhängig davon zu, ob dem Mitmieter der die Beeinträchtigungen verursachende Gebrauch nach seinem Mietvertrag erlaubt ist oder nicht.
- 9
- bb) Einen gegenteiligen Rechtssatz hat der Senat in der von dem Berufungsgericht zitierten Entscheidung vom 12. Dezember 2003 (V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 194) nicht aufgestellt. Er hat lediglich einen - hier nicht streitgegenständlichen - verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei Immissionen verneint, die von dem Nutzungsbereich eines Mieters auf den eines anderen einwirken. Dass zwischen den Mietern auf besitzschutz- und deliktsrechtlichen Normen beruhende Abwehransprüche bestehen können, ist nicht in Abrede gestellt worden (aaO S. 194 f.).
- 10
- c) Zur Bestimmung der Grenzen dessen, was der Mieter an Immissionen (hier durch Tabakrauch) hinzunehmen hat, die von dem Gebrauch der anderen Wohnung ausgehen, ist der in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB bezeichnete Maßstab entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 1954 - VI ZR 35/53, JZ 1954, 613, 614; RG, HRR 1931 Nr. 1219; MünchKomm-BGB/Säcker, 6. Aufl., § 906 Rn. 165 Fn. 362; Roth, JZ 2004, 918, 919, ders. in Staudinger/ Roth, BGB [2009], § 906 Rn. 107; Siems, JuS 2005, 884, 885). Demnach kann der Mieter Einwirkungen durch das Rauchen eines anderen Mieters nicht verbieten , wenn sie ihn in dem Gebrauch der Mietsache nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Wann eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (Senat, Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06, BGHZ 175, 254 Rn. 24 mwN).
- 11
- Ob die Kläger nach diesem Maßstab durch den aufsteigenden Tabakrauch in dem Gebrauch ihrer Wohnung wesentlich beeinträchtigt sind, ist zunächst eine Tatfrage. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat, Urteil vom 5. Februar 1993 - V ZR 61/91, BGHZ 121, 248, 252; Urteil vom 30. Oktober 1998 - V ZR 64/98, BGHZ 140, 1, 7). Das Berufungsgericht hat die zur Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung erforderlichen Feststellungen, ob und wie intensiv und damit störend der Tabakrauch auf dem Balkon der Kläger wahrgenommen wird (vgl. OLG Düsseldorf, WuM 2003, 515, 516), bislang nicht getroffen. Sie sind - entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragenen Ansicht der Beklagten - nicht deshalb entbehrlich, weil revisionsrechtlich von einem durch Aufzeichnungen der Kläger dokumentierten und von den Beklagten zugestandenen durchschnittlichen Konsum von zwölf Zigaretten täglich ausgegangen werden müsste. Es kann dahinstehen, ob die Beklagten durchschnittlich zwölf oder zwanzig Zigaretten an einem Tag auf dem Balkon rauchen. Intensiv wahrgenommene und deshalb als störend empfundene Raucheinwirkungen in den für die Balkonnutzung bevorzugten Zeiten wären auch dann nicht als eine nur unwesentliche Beeinträchtigung anzusehen, wenn der durchschnittliche Zigarettenkonsum der Beklagten sich auf die von ihnen zugestandene Menge beschränkte.
- 12
- d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheidet die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung der Kläger nicht deshalb von vornherein aus, weil das Rauchen auf dem Balkon in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG fällt.
- 13
- aa) Vor dem Inkrafttreten der Nichtraucherschutzgesetze ist ein Abwehranspruch des Mieters gegen Beeinträchtigungen durch das Rauchen eines Mitmieters im Freien allerdings mit der Begründung verneint worden, dass das Rauchen sozialadäquat und in der Gesellschaft akzeptiert sei. Da Rauchen durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sei, müsse das Interesse des nichtrauchenden Mieters an einer von Tabakrauch nicht gestörten Nutzung seiner Wohnung zurücktreten (AG Bonn, NZM 2000, 33; AG Wennigsen, WuM 2001, 487). Für das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter vertritt das Landgericht Berlin (63. Zivilkammer) die Auffassung, dass der Vermieter einem Mieter das Rauchen auf dem Balkon auch im Hinblick auf das Interesse eines anderen Mieters an einer von Tabakrauch ungestörten Nutzung seiner Wohnung nicht untersagen könne, weil das Rauchen grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehöre (LG Berlin, Grundeigentum 2009, 781).
- 14
- bb) Das Schrifttum ist demgegenüber der Ansicht, dass auch das Recht des nicht rauchenden Mieters auf ungestörten Gebrauch seiner Mietsache zu beachten und der rauchende Mieter daher verpflichtet sei, sich auf maßvolles Rauchen zu beschränken (Börstinghaus/Pielsticker, WuM 2012, 480, 481 f.; Derleder, NJW 2007, 812, 814; Paschke, NZM 2008, 265, 267; Stapel, NZM 2000, 595, 597). Im Verhältnis zum Vermieter wird vom Landgericht Hamburg (NJW-RR 2012, 1362) und vom Landgericht Berlin, 67. Zivilkammer, (NJW-RR 2013, 1284) ein Mangel der Mietsache (§ 536 Abs. 1 Satz 2 BGB) durch die von dem Rauchen auf dem Balkon einer anderen Wohnung ausgehenden Einwirkungen bejaht, weil der in die Wohnung eines Nichtrauchers eindringende Tabakrauch deren Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mindere.
- 15
- cc) Der Senat teilt den im Schrifttum vertretenen Ansatz. Angesichts der Nichtrauchergesetze von Bund und Ländern kommt die Annahme, durch Rauchen erzeugte Immissionen seien als sozialadäquat einzustufen und damit von stets unwesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB, heute nicht mehr in Be- tracht. Deutlich (intensiv) wahrnehmbarer Rauch ist vielmehr grundsätzlich als eine wesentliche Beeinträchtigung anzusehen; das gilt auch dann, wenn sie nur eine Zigarettenlänge andauert.
- 16
- Allerdings besteht der Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenüber als wesentlich anzusehenden Beeinträchtigungen durch Tabakrauch nicht uneingeschränkt, weil der gestörte Mieter auf das Recht des anderen Mieters Rücksicht nehmen muss, seine Wohnung vertragsgemäß zu nutzen, wozu grundsätzlich auch das Rauchen in der Wohnung und auf dem Balkon gehört (siehe oben 1. b) aa). Bei Störungen durch solche Immissionen kollidieren die durch die Mietverträge begründeten Besitzrechte. Diese Rechtspositionen sind grundrechtlich geschützte Eigentumsrechte im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, da jede Partei auf den Gebrauch der Wohnung zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse wie zur Freiheitssicherung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit angewiesen ist (BVerfGE 89, 1, 6). Sie müssen daher - unter Einbeziehung des ebenfalls betroffenen Grundrechts des Rauchers aus Art. 2 Abs. 1 GG - in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden.
- 17
- (1) Fehlt es an für beide Teile verbindlichen vertraglichen Regelungen in einer Hausordnung, bestimmen sich die Grenzen des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (vgl. KG, ZMR 2004, 261, 262; AG Bonn, NJW-RR 1989, 10; MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 569 Rn. 17; vgl. auch Börstinghaus /Pielsticker, WuM 2012, 480, 482). Aus der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich für jeden Hausbewohner die Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Interesse des anderen, die von ihm genutzte Wohnung für seine Lebensbedürfnisse und zur Entfaltung seiner Persönlichkeit zu gebrauchen. In Anbetracht dieser Verpflichtung kann die Ausübung auch eines an sich bestehenden Unterlassungsanspruchs des Mieters nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB unzulässig sein (vgl. AG Bonn, aaO - Rauch von einem Grill; Paschke, NZM 2008, 265, 267; Stapel, NZM 2000, 595, 597 - Tabakrauch ; zum Gebot der Rücksichtnahme zwischen Grundstücksnachbarn: Senat, Urteil vom 9. Juli 1958 - V ZR 202/57, BGHZ 28, 110, 114).
- 18
- (2) Bei Beeinträchtigungen durch Tabakrauch führt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme - wenn eine Verständigung der Parteien untereinander nicht möglich ist - im Allgemeinen zu einer Gebrauchsregelung für die Zeiten, in denen beide Mieter an einer Nutzung ihrer Balkone interessiert sind. Dem Mieter sind Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts darf der nichtrauchende Mieter nicht darauf verwiesen werden, seinen Aufenthalt auf dem Balkon zurückzustellen, sobald sich der andere Mieter entschließt zu rauchen. Es muss ihm vielmehr möglich sein, seinen Balkon mindestens stundenweise zu nutzen, ohne jederzeit eine Unterbrechung des Aufenthalts gewärtigen zu müssen.
- 19
- 2. Ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht einen Abwehranspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB wegen der Gefahr einer Verletzung der Gesundheit der Kläger durch den vom Balkon der Beklagten aufsteigenden Tabakrauch. Ein solcher Anspruch käme in Betracht , wenn das Rauchen der Beklagten zwar zu keiner oder nur zu einer unwesentlichen Beeinträchtigung durch Qualm oder Geruch führte, aber die konkrete Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung bei dem Gebrauch des Balkons der Kläger mit sich brächte.
- 20
- a) Im Ausgangspunkt nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass den Klägern unter dieser Voraussetzung gegen die Beklagten ein Unterlas- sungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zustünde. Die Vorschrift ist nicht auf Beeinträchtigungen des Eigentums beschränkt. Der negatorische Schutz wird vielmehr sämtlichen absoluten Rechten zuerkannt und auf alle deliktsrechtlich unmittelbar nach § 823 Abs. 1 BGB oder durch Gesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB geschützten Rechtsgüter ausgedehnt (Senat, Urteil vom 13. März 1998 - V ZR 190/97, NJW 1998, 2058, 2059; BGH, Urteil vom 18. Januar 1952 - I ZR 87/51, NJW 1952, 417; Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 219/05, NJW 2008, 3565 Rn. 12).
- 21
- b) Gesundheitsschädliche Immissionen durch Tabakrauch sind wesentliche Beeinträchtigungen, die nicht geduldet werden müssen. Das gilt auch im Verhältnis von Mietern untereinander (vgl. zu Lärm BGH, Urteil vom 14. April 1954 - VI ZR 35/53, JZ 1954, 613, 614). Sie überschreiten stets die Grenze dessen, was der beeinträchtigte Mieter hinzunehmen hat (vgl. SchmidtFutterer /Eisenschmid, Mietrecht, § 535 Rn. 515; Staudinger/Roth, BGB [2009], § 906 Rn. 110).
- 22
- c) Rechtsfehlerhaft sind aber die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Feststellbarkeit einer solchen Gefahr verneint.
- 23
- aa) Richtig ist allerdings die Erwägung, dass die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden durch das Einatmen der im Tabakrauch enthaltenen krebserzeugenden Substanzen aus der Raumluft (Passivrauchen) grundsätzlich geringer einzuschätzen ist, wenn nicht in geschlossenen Räumen, sondern - wie hier - im Freien geraucht wird. Nicht zu beanstanden ist auch, dass sich die Gefahr gesundheitlicher Schäden bei einer größeren Distanz zwischen der Stelle, an der geraucht, und derjenigen, an der die mit dem Rauch belastete Luft eingeatmet wird (hier ein Höhenunterschied von ca. drei Metern) und bei einem dazwischen liegenden Hindernis (Balkondach) eher als gering einzuschätzen ist.
- 24
- bb) Nicht zulässig ist es jedoch, die Gefahr gesundheitlicher Schäden auch unter Berücksichtigung des auf eine Feinstaubmessung gestützten und unter Beweis gestellten Vortrags der Kläger zu verneinen, dass während des Rauchens der Beklagten erhöhte Belastungen der Luft durch die im Tabakrauch enthaltenen Feinstaubpartikel festgestellt worden seien, die eine Gefahr für die Gesundheit bei einem Aufenthalt auf dem Balkon bedeuteten.
- 25
- (1) Wird im Freien geraucht, ist allerdings grundsätzlich davon auszugehen , dass damit keine Gefahr für die Gesundheit anderer verbunden ist. Insoweit kommt den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder, die im Grundsatz das Rauchen nur in Gebäuden und in vollständig umschlossenen Räumen verbieten (§ 1 Abs. 2 BNichtrSchG; Art. 3 Abs. 1 BayGSG, § 2 Abs. 2 NRSG Bln, § 2 Abs. 2 Satz 1 BbgNiRSchG, § 1 Abs. 1 BremNiSchG, § 2 Abs. 2 Satz 1 HbgPSchG, § 1 Abs. 1 HessNRG, § 1 Abs. 1 NichtRauchSchG M-V, § 1 Abs. 1 NNiRSchG, § 1 Abs. 1 Satz 1 NiRSchG NRW, § 1 Abs. 2 NRauSchG SL, § 1 Abs. 3 SächsNSG, § 3 Abs. 1 NRauchSchG LSA, § 2 Abs. 1 NRauSchG Schl.-H., § 3 Abs. 3 Satz 1 ThürNRSchutzG), eine indizielle Bedeutung bei der Einschätzung der Gefahren durch Passivrauchen zu. Der Anwendungsbereich dieser Gesetze ist zwar auf öffentliche Einrichtungen und öffentlich zugängliche Bereiche privater Grundstücke beschränkt; mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke, zu denen nur Eigentümer, Mieter und Besucher Zutritt haben, fallen nicht darunter. Die diesen Gesetzen zugrunde liegende Einschätzung ist jedoch im Hinblick auf das Rauchen im Freien bei der Beurteilung der Gefahr von Gesundheitsschäden heranzuziehen, die von dem Rauchen in nicht öffentlich zugänglichen Bereichen ausgehen. Das rechtfertigt sich aus dem Zweck der genannten Gesetze, Nichtraucher vor den im Tabakrauch enthaltenen gesundheitsgefährdenden Giftstoffen zu schützen (Begründung zum Bundesnichtraucherschutzgesetz: BT-Drucks. 16/5049, S. 7; in vielen Landesgesetzen wird dieser Schutzzweck im Gesetzestext selbst genannt: § 1 Abs. 1 Satz 2 LNRSchG BW, Art. 1 BayGSG, § 1 NRSG Bln, § 1 BbgNiRSchG, § 1 Abs. 1 BremNiSchG, § 1 Abs. 1 HbgPSchG, § 1 NiSchG NRW, § 1 Abs. 1 NRauSchG RP, § 1 NRauSchG SL, § 1 SächsNSG, § 1 NRauchSchG LSA, § 1 Abs. 1 NRauSchG Schl.-H., § 1 Abs. 1 ThürNRSchutzG). Die Gefahr gesundheitlicher Schäden ist grundsätzlich nicht anders zu beurteilen, wenn nicht im öffentlichen Raum, sondern auf einem privaten, nicht frei zugänglichen Grundstück geraucht wird.
- 26
- (2) Den Verboten in den Nichtraucherschutzgesetzen kommt jedoch lediglich eine Indizwirkung dafür zu, dass mit dem Rauchen im Freien keine gesundheitlichen Gefahren für Dritte durch das Passivrauchen einhergehen. Diese kann im Einzelfall erschüttert sein. Auch wenn in Gesetzen, Verordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften für bestimmte Immissionen Grenz- oder Richtwerte festgelegt sind, bei deren Einhaltung nach § 906 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB in der Regel von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen ist, kommt eine davon abweichende Beurteilung bei einer besonderen Gefahrenlage im Einzelfall stets in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juli 2001 - V ZR 246/00, BGHZ 148, 261, 264; Urteil vom 13. Februar 2004 - V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318). Das gilt erst recht, wenn sich das für die Ungefährlichkeit des Rauchens im Freien sprechende Indiz - wie hier - allein aus den auf das Rauchen in geschlossenen Räumen beschränkten und nur für öffentlich zugängliche Grundstücke geltenden Verbotsgesetzen entnehmen lässt.
- 27
- Dem nicht rauchenden Mieter kann deshalb gegenüber dem rauchenden Mieter ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen der Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens auch dann zustehen, wenn im Freien geraucht wird. Er muss dazu allerdings das sich aus den Nichtraucherschutzgesetzen ergebende gegenteilige Indiz erschüttern. Das setzt voraus, dass sich auf Grund der besonderen Verhältnisse vor Ort im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch Feinstaubpartikel ergibt, die auf den Balkon oder in die Wohnung des nicht rauchenden Mieters gelangen. Verhält es sich so, kommen die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs - und Beweislast zur Anwendung; es muss dann der rauchende Mieter beweisen, dass die von seiner Wohnung ausgehenden Immissionen nur eine unwesentliche Beeinträchtigung bedeuten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2004 - V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318 f.).
- 28
- Die Kläger haben Umstände dargelegt und unter Beweis gestellt, die geeignet sind, die Annahme, Passivrauchen im Freien sei ungefährlich, für den konkreten Fall zu erschüttern. Sie haben unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Feinstaubmessungen vorgetragen, dass immer dann, wenn die Beklagten rauchen, in einem für die Gesundheit gefährlichen Umfang toxische Feinstaubpartikel auf ihren Balkon und in ihre Wohnung gelangen. Diesem Vortrag wird das Berufungsgericht nachgehen müssen, wenn der Unterlassungsanspruch nicht schon wegen der Geruchsbelästigung begründet ist.
- 29
- cc) Sollte sich dieses Vorbringen als richtig erweisen, erfordert das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme wiederum eine Gebrauchsregelung nach Zeitabschnitten (siehe oben 1.d) cc) (2)).
III.
- 30
- Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nach den bisherigen Feststellungen nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
- 31
- 1. Das Berufungsgericht wird zunächst festzustellen haben, ob der von dem Balkon der Beklagten aufsteigende Rauch nach dem Empfinden eines durchschnittlichen, verständigen Nutzers auf dem Balkon der Kläger oder - sofern er bei offenem Fenster bzw. offener Balkontür in die Wohnung zieht - in deren Wohnung als störend wahrzunehmen ist. Das macht es - wie bei der Beurteilung der von Lärmbelästigungen ausgehenden Störungen - in der Regel erforderlich, dass der Tatrichter sich selbst in einem Ortstermin einen persönlichen Eindruck von dem Maß der Beeinträchtigung verschafft (vgl. Senat, Urteil vom 8. Mai 1992 - V ZR 89/91, NJW 1992, 2019; Urteil vom 5. Februar1993 - V ZR 62/91, BGHZ 121, 248, 255).
- 32
- 2. Sollte eine wesentliche Beeinträchtigung zu verneinen sein, weil der Rauch nicht oder kaum wahrnehmbar ist, wäre der unter Beweis gestellten Behauptung der Kläger nachzugehen, dass mit dem Tabakrauch Feinstaubpartikel auf ihren Balkon bzw. in ihre Wohnung gelangen, hinsichtlich derer der fundierte Verdacht besteht, dass sie geeignet sind, die Gesundheit zu schädigen; Maßstab ist auch insoweit der durchschnittliche Nutzer. Stresemann Czub Brückner Weinland Kazele
AG Rathenow, Entscheidung vom 06.09.2013 - 4 C 300/13 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 14.03.2014 - 1 S 31/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihren Grundstücken, Gemarkung G. -F. , Parzellen-Nr. 2713 und 2739 bei dem Rockkonzert anläßlich des jährlich stattfindenden Sommerfestes des Sportvereins F. Geräusche auf das Grundstück der Kläger R. straße 27, G. -F. , Flurstück 2477, einwirken, die – gemessen 0,5 m vor den Fenstern des klägerischen Wohnhauses - zwischen 20.00 Uhr und 24.00 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) und eine Geräuschspitze von 90 dB(A), sowie zwischen 24.00 Uhr und 08.00 Uhr einen Beurtei- lungspegel von 55 dB(A) und eine Geräuschspitze von 65 dB(A) überschreiten.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander aufgehoben. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 60 % und die Beklagte 40 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen Lärmbelästigungen, die von einem alljährlich stattfindenden Sommerfest eines Sportvereins und dabei insbesondere von einem Rockkonzert ausgehen.
Die Kläger sind Eigentümer eines in einem allgemeinen Wohngebiet gelegenen Grundstücks. Auf dem Nachbargrundstück, das der beklagten Stadt gehört, befinden sich ein Bolzplatz, eine Sporthalle und ein Fußballfeld. Die Beklagte hat das Gelände einem Sportverein für Vereinsaktivitäten überlassen. Einmal im Jahr veranstaltet der Sportverein ein Sommerfest. Dabei finden in
einem Festzelt Musikveranstaltungen statt, darunter ein Rockkonzert. Für das bis weit nach Mitternacht dauernde Rockkonzert wurden für das Grundstück der Kläger in den Jahren 2001 und 2002 Mittelungspegel von 55,9 bis 70,5 dB(A) und 53,3 bis 66 dB(A) gemessen.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung eines weitergehenden Antrags verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihrem Grundstück Geräusche auf das Grundstück der Kläger einwirken, die zwischen 8 Uhr und 20 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A), in der Zeit von 6 Uhr bis 8 Uhr sowie von 20 Uhr bis 22 Uhr einen Beurteilungspegel von 65 dB(A) sowie zwischen 22 Uhr und 6 Uhr einen Beurteilungspegel von 55 dB(A) überschreiten. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beeinträchtigung der Kläger durch den von dem Sommerfest und hier insbesondere von dem Rockkonzert ausgehenden Lärm sei wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies folge aus der vor allem zur Nachtzeit ab 22 Uhr gravierenden Überschreitung der in der LAI-Freizeitlärmrichtlinie festgesetzten Lärmgrenzwerte; die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung werde dadurch indiziert. Diese Werte seien zwar nicht schematisch anzuwenden und erlaubten bei einem einmaligen
Ereignis eine großzügigere Handhabung. Ein einmaliges Ereignis liege aber nicht vor, weil das Fest an drei Tagen stattfinde und auch die weiteren Veranstaltungen Lärm verursachten. Zudem seien die festgestellten Überschreitungen von 22 Uhr bis weit nach Mitternacht so gravierend, daß sie nicht hingenommen werden müßten.
II.
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Auf der Grundlage seiner Feststellungen bejaht das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Unterlassungsanspruch der Kläger (§§ 1004, 906 BGB).
1. Nach § 906 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks von einem anderen Grundstück ausgehende Immissionen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt. Ob Geräuschimmissionen wesentlich sind oder nicht, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (Senat BGHZ 148, 261, 264 - Hammerschmiede; Senatsurt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029, 1030). Die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Lärmbelästigung kann nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgesetzt werden (Senat BGHZ 148, 261, 264). Dabei sind wesentliche Immissionen identisch mit erheblichen Belästigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG (BGHZ 122, 76, 78).
Wann Lärmimmissionen im Einzelfall die Schwelle zur Wesentlichkeit überschreiten, unterliegt weitgehend tatrichterlicher Wertung. Revisionsrecht-
lich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat BGHZ 121, 248, 252 - Jugendzeltplatz). Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil nicht in jeder Hinsicht stand.
2. a) Das Berufungsgericht orientiert sich an den Hinweisen des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche (sog. LAI-Hinweise oder Freizeitlärm-Richtlinie, abgedruckt in NVwZ 1997, 469). Das ist nicht zu beanstanden. Die LAI-Hinweise gelten für Freizeitanlagen, und zwar insbesondere für Grundstücke, auf denen Volksfeste, Platzkonzerte, Lifemusik-Darbietungen und ähnliche Veranstaltungen im Freien stattfinden. Sie sind ungeachtet der generellen Nutzung des Grundstücks der Beklagten als Sportplatz einschlägig, denn die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) regelt nur Immissionen, die von einer Sportanlage bei ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung, der Sportausübung, ausgehen (§ 1 Abs. 1 der 18. BImSchV).
Die von Sachverständigen ausgearbeiteten und von allen Ländern mitgetragenen LAI-Hinweise unterfallen zwar nicht § 906 Abs. 1 Satz 2 u. 3 BGB (Staudinger/Roth, BGB [2002], § 906 Rdn. 193), können den Gerichten aber gleichwohl als Entscheidungshilfe dienen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 67 - Volksfestlärm; 120, 239, 256 f. – Froschlärm; 121, 248, 253 - Jugendzeltplatz; BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453). Sie ersetzen nicht die Prüfung und Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, geben dieser Würdigung aber eine Orientierung. Werden die Richtwerte überschritten, so indiziert dies eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB (vgl. Senat
BGHZ 111, 63, 67; 121, 248, 251). Der Tatrichter muß allerdings auch in diesem Fall berücksichtigen, daß es sich bei den technischen Regelwerken nur um Richtlinien handelt, die nicht schematisch angewendet werden dürfen.
b) Für die Frage der Wesentlichkeit von Lärmimmissionen sind Dauer und Häufigkeit der Einwirkung von erheblicher Bedeutung. Das Berufungsgericht vertritt daher zu Recht die Ansicht, daß bei einem einmaligen Ereignis eine großzügigere Handhabung der Richtwerte geboten, eine Überschreitung im Einzelfall also hinzunehmen sein kann. Rechtsfehlerhaft geht es jedoch davon aus, daß hier ein einmaliges Störereignis deswegen nicht vorliege, weil das Sommerfest an drei aufeinanderfolgenden Wochenendtagen stattfindet. Denn daß von den übrigen Veranstaltungen eine wesentliche Einwirkung auf das Grundstück der Kläger ausginge, hat es nicht festgestellt. Mithin ist revisionsrechtlich nur das Rockkonzert von Bedeutung und die weitergehende Klage schon nicht schlüssig.
Richtig ist allerdings, daß die LAI-Hinweise der Seltenheit eines Ereignisses durch eine Sonderregelung in Ziff. 4.4. Rechnung tragen, in der für Veranstaltungen , die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten im Kalenderjahr stattfinden (sog. seltene Störereignisse), höhere Richtwerte vorgegeben werden. Auch insoweit gibt die Richtlinie jedoch nur eine Orientierung und läßt Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453 "Entscheidungshilfe mit Indizcharakter"). Hierzu gehört auch die Zahl der Störereignisse. Denn die Sonderregelung in Ziff. 4.4. der LAI-Hinweise erfaßt Ereignisse, die bis zu zehn Tagen oder Nächten eines Jahres auftreten und einen relevanten Beitrag zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte verursachen.
In dem der Entscheidung des Senats vom 23. März 1990 (Senat BGHZ 111, 63 - Volksfestlärm) zugrunde liegenden Fall wurde ein an das Grundstück des Klägers angrenzendes Gelände mehrmals im Jahr als Kirmes- und Festplatz genutzt. Für das Jahr 1987 waren beispielsweise für die Monate Juni, Juli und August vier jeweils über das ganze Wochenende, einmal sogar drei Tage dauernde Veranstaltungen angekündigt. Vorliegend ist dagegen mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision davon auszugehen, daß das an nur einem Abend des Sommerfestes stattfindende Rockkonzert, gegen dessen Immissionen sich die Kläger in erster Linie wenden, weitgehend das einzige Ereignis ist, welches unter deutlicher Überschreitung der in den LAI-Hinweisen in Ziffer 4.4. für die Nachtzeit aufgestellten Richtwerte auf das Grundstück der Kläger einwirkt.
c) Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung ferner nicht bedacht, daß bei seltenen Störereignissen auch die Bedeutung der Veranstaltung nicht unberücksichtigt bleiben kann. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats richtet sich die Beurteilung, ob eine Immission wesentlich im Sinne des § 906 BGB ist, nicht nur nach dem Maß der objektiven Beeinträchtigung. Im Interesse der Harmonisierung zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher Beurteilungsmaßstäbe hat der Senat eine Angleichung an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung vollzogen, die als erhebliche Belästigung alles ansieht, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. Senat BGHZ 120, 239, 255 - Froschlärm; 148, 261, 264 – Hammerschmiede). Demgemäß können bei der Prüfung der Erheblichkeit oder Wesentlichkeit von Lärm auch schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit und gesetzliche Wertungen
eine Rolle spielen (vgl. Senat BGHZ 121, 248, 255 - Jugendzeltplatz; 111, 63, 68 – Volksfestlärm).
aa) Volks- und Gemeindefeste, Feiern örtlicher Vereine, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen gehören zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß sie oftmals in der Nähe zur Wohnbebauung durchgeführt werden müssen und zwangsläufig zu Beeinträchtigungen der Nachbarschaft führen. Da solche Veranstaltungen für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft von großer Bedeutung sein können, dabei auch die Identität dieser Gemeinschaft stärken und für viele Bewohner einen hohen Stellenwert besitzen, werden die mit ihnen verbundenen Geräuschentwicklungen von einem verständigen Durchschnittsmenschen bei Würdigung auch anderer Belange in der Regel in höherem Maß akzeptiert werden als sonstige Immissionen. Das kann bei der Beurteilung, ob eine Lärmeinwirkung als wesentlich anzusehen ist, vor allem dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn es sich um ein sehr seltenes Ereignis handelt, das weitgehend das einzige in der Umgebung bleibt. In einem solchen Fall können auch Lärmimmissionen, die die Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten, ausnahmsweise noch unwesentlich sein (so auch VGH Kassel GewArch 1997, 162).
Die kommunale Bedeutung kann einem Ereignis nicht deshalb abgesprochen werden, weil Veranstalter nicht die Gemeinde, sondern ein privater Verein ist. Maßgeblich ist, daß das Ereignis von einem Großteil der Ortsbevölkerung getragen und akzeptiert wird. Unerheblich für die Frage der Wesentlichkeit der Immissionen ist ferner, ob der Nutzung eines Grundstücks als Festplatz eine langjährige Übung zugrunde liegt. Bei der vom Tatrichter vorzuneh-
menden Würdigung, ob Geräuschimmissionen wesentlich sind, kann zwar dem Traditionscharakter einer Veranstaltung besonderes Gewicht zukommen. Umgekehrt steht der Annahme einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung aber nicht entgegen, daß eine Veranstaltung erst seit kurzer Zeit stattfindet. Andernfalls würden Gemeinden gehindert, eine kommunale Festivität zu begründen , wo Traditionsveranstaltungen fehlen, oder die Abläufe bei Festen zu ändern , die auf eine langjährige Übung zurückgehen. Demgemäß können auch die mit Gemeinde- und Vereinsfesten untrennbar verbundenen Musik- und Tanzveranstaltungen Änderungen in Art und Ausrichtung erfahren. Erlangen sie im Einzelfall überregionale Bedeutung, nimmt ihnen das die kommunale Bedeutung nicht, solange die jeweilige Veranstaltung weiterhin auch für die örtliche Bevölkerung bestimmt ist und von ihr angenommen wird.
bb) Bei nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltungen von kommunaler Bedeutung können selbst Lärmeinwirkungen unwesentlich sein, welche die für die Abend- und Nachtzeit aufgestellten Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten. Zwar gebührt nach 22 Uhr dem Schutz der ungestörten Nachtruhe grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse der Bevölkerung, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen zu besuchen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 70 - Volksfestlärm). Insbesondere in Krankenhäusern oder sonstigen Kliniken , aber auch dort, wo die Bewohner der Umgebung bereits tagsüber einem höheren Lärmpegel als üblich ausgesetzt sind, ist eine Störung der Nachtruhe meist eine erhebliche Einwirkung auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden und damit eine wesentliche Immission. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß die Nachtruhe nicht generell geschützt wird. Dort, wo ruhestörende Tätigkeiten zur Nachtzeit durch landesrechtliche Normen ausdrücklich verboten sind, hat der Gesetzgeber zugleich Ausnahmen für den Fall vorgesehen, daß ein Vor-
haben im Einzelfall Vorrang vor den schutzwürdigen Belangen Dritter hat (z.B. § 5 der LärmVO Hamburg, § 8 der LärmVO Berlin). Vorrang kann insbesondere Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen zukommen, wenn sie auf historischen oder kulturellen Umständen beruhen oder sonst von kommunaler Bedeutung sind, und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt (vgl. § 9 Abs. 3 LImSchG Nordrhein-Westfalen, § 4 Abs. 4 LImSchG Rheinland-Pfalz, § 10 Abs. 4 LImSchG Brandenburg). Eine solche Abwägung der widerstreitenden Interessen sieht auch das Gaststättengesetz vor. Nach § 12 Abs. 1 GaststG kann aus besonderem Anlaß der Betrieb eines Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend gestattet werden. Die "erleichterten Voraussetzungen" beziehen sich auch auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 GaststG), und gelten damit beispielsweise für die Lärmimmissionen, die von einer aus Anlaß eines Volksfests betriebenen Außengastronomie ausgehen (vgl. VGH München NVwZ 1999, 555). Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, daß bei besonderem Anlaß und nur vorübergehendem Betrieb die bei der Erteilung der Erlaubnis zu beachtenden Vorschriften weniger streng zu handhaben sind als bei einem Dauerbetrieb. Immissionsschutzrechtliche Gesichtspunkte dürfen zwar nicht vernachlässigt werden, sie sind jedoch zu Art und Dauer des Betriebs in Beziehung zu setzen (vgl. Michel/Kienzle/Pauly, Das Gaststättengesetz, 14. Aufl. 2003, § 12 Rdn. 5). Dies führt im Fall von Lärmbeeinträchtigungen dazu, daß bei der Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle nach § 3 BImSchG die Seltenheit des Anlasses und seine Bedeutung in die Würdigung einzubeziehen sind (VGH München a.a.O., S. 556). Die Berücksichtigung dieser Kriterien ist nicht auf die gastronomischen Betriebe beschränkt, sondern gilt für den verständi-
gen Durchschnittsmenschen gleichermaßen in Bezug auf das besondere Ereignis , an das sie anknüpfen. Insoweit hängt die Beurteilung der Beeinträchtigung als wesentlich auch von einer Interessenabwägung ab (Senat BGHZ 111, 63, 68 – Volksfestlärm; a.A. Roth in Anm. JR 1991, 149).
cc) In welchem Umfang Lärmbeeinträchtigungen von Veranstaltungen mit besonderer historischer, kultureller oder kommunaler Bedeutung noch als unwesentlich angesehen werden können, ist weitgehend eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere Bedeutung und Charakter der Veranstaltung, ihr Ablauf, Dauer und Häufigkeit, die Nutzungsart und Zweckbestimmung sowie die Gesamtbelastung des beeinträchtigten Grundstücks während der Veranstaltung und durch andere seltene Störereignisse, ferner die zeitlichen Abstände dieser Ereignisse. Je gewichtiger der Anlaß für die Gemeinde oder Stadt ist, desto eher ist der Nachbarschaft zuzumuten, an wenigen Tagen im Jahr Ruhestörungen hinzunehmen. Bei Festveranstaltungen von kommunaler Bedeutung, die nur einmal im Jahr für wenige Tage stattfinden, ist dabei auch eine deutliche Überschreitung der in den LAI-Hinweisen für seltene Störereignisse festgelegten Richtwerte denkbar. Hiervon ist selbst die Nachtzeit nicht generell ausgenommen, zumal es im Sommer noch bis gegen 22 Uhr hell bleibt und es dem Charakter bzw. der Tradition vieler Veranstaltungen entspricht , daß sie bis in die Nachtstunden andauern (so auch VGH Mannheim NVwZ-RR 1994, 633, 635). Im Einzelfall kann von den Anliegern jedenfalls an einem Tag bis Mitternacht ein deutlich höherer Beurteilungspegel hinzunehmen sein. Eine über Mitternacht hinausgehende erhebliche Überschreitung der Richtwerte wird demgegenüber in aller Regel nicht mehr als unwesentlich zu qualifizieren sein.
Ob etwas anderes gilt, wenn für die betreffende Veranstaltung eine weitergehende Ausnahmegenehmigung nach öffentlichem Recht erteilt wurde, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte hat zwar der Durchführung der Sportfeste in ihrer Eigenschaft als Ortspolizeibehörde zugestimmt. Auf die zivilrechtliche Beurteilung hat die Genehmigung aber schon deswegen keinen Einfluß, weil eine umfassende Prüfung immissionsschutzrechtlicher Belange im Rahmen eines gesetzlich vorgegebenen Verfahrens mit ihr ersichtlich nicht verbunden war.
Für die Beuteilung durch einen verständigen Durchschnittsmenschen von Bedeutung kann schließlich sein, ob sich die Veranstaltung an einen ebenso geeigneten, Anwohner insgesamt aber deutlich weniger beeinträchtigenden Standort innerhalb der Gemeinde bzw. des Ortsteils verlegen läßt. Können unter Wahrung des Charakters der Veranstaltung die Lärmimmissionen für Anwohner deutlich reduziert werden, unterbleibt aber ein Standortwechsel , so verringert sich das Maß dessen, was einem Anwohner an Geräuscheinwirkungen zuzumuten ist; in der Regel werden dann die Richtwerte der LAI-Hinweise maßgebend sein.
III.
Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst entschieden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Angesichts der Unterstützung, die das Sommerfest und das Rockkonzert seitens der Gemeinde erfahren, kann der Veranstaltung die kommunale Bedeutung nicht abgesprochen werden. Gleichwertige
alternative Standorte für das Festzelt sind nicht ersichtlich. Durch die von den Klägern vorgeschlagene Verlegung des Rockkonzerts in die benachbarte Sporthalle bliebe der Charakter der Veranstaltung nicht gewahrt. Er ist davon geprägt, daß das Konzert als Teil eines Sommerfestes weitgehend im Freien stattfindet.
Die Kläger müssen am Abend des Rockkonzerts allerdings nicht jegliche Lärmeinwirkung hinnehmen, sondern nur das nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen zumutbare Maß. Die Zumutbarkeit ist durch eine Begrenzung der Immissionen zu wahren. Hierfür geben die Richtwerte, die die LAI-Hinweise bei seltenen Störereignissen tagsüber außerhalb der Ruhezeiten vorsehen, eine Orientierung. Im vorliegenden Fall bietet es sich an, die Tageszeit im Sinne der LAI-Hinweise bis 24 Uhr auszudehnen. Damit ist für das Rockkonzert ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) mit einer Geräuschspitze von 90 dB(A) maßgeblich. Eine Verlängerung über 24 Uhr hinaus kommt dagegen mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der Kläger nicht in Betracht. Um ihnen eine ausreichende Nachtruhe zu ermöglichen, ist vielmehr von Mitternacht bis 8 Uhr des auf das Rockkonzert folgenden Tages der für die Nachtzeit vorgegebene Beurteilungspegel von 55 dB(A) einzuhalten.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihren Grundstücken, Gemarkung G. -F. , Parzellen-Nr. 2713 und 2739 bei dem Rockkonzert anläßlich des jährlich stattfindenden Sommerfestes des Sportvereins F. Geräusche auf das Grundstück der Kläger R. straße 27, G. -F. , Flurstück 2477, einwirken, die – gemessen 0,5 m vor den Fenstern des klägerischen Wohnhauses - zwischen 20.00 Uhr und 24.00 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) und eine Geräuschspitze von 90 dB(A), sowie zwischen 24.00 Uhr und 08.00 Uhr einen Beurtei- lungspegel von 55 dB(A) und eine Geräuschspitze von 65 dB(A) überschreiten.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander aufgehoben. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 60 % und die Beklagte 40 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen Lärmbelästigungen, die von einem alljährlich stattfindenden Sommerfest eines Sportvereins und dabei insbesondere von einem Rockkonzert ausgehen.
Die Kläger sind Eigentümer eines in einem allgemeinen Wohngebiet gelegenen Grundstücks. Auf dem Nachbargrundstück, das der beklagten Stadt gehört, befinden sich ein Bolzplatz, eine Sporthalle und ein Fußballfeld. Die Beklagte hat das Gelände einem Sportverein für Vereinsaktivitäten überlassen. Einmal im Jahr veranstaltet der Sportverein ein Sommerfest. Dabei finden in
einem Festzelt Musikveranstaltungen statt, darunter ein Rockkonzert. Für das bis weit nach Mitternacht dauernde Rockkonzert wurden für das Grundstück der Kläger in den Jahren 2001 und 2002 Mittelungspegel von 55,9 bis 70,5 dB(A) und 53,3 bis 66 dB(A) gemessen.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung eines weitergehenden Antrags verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihrem Grundstück Geräusche auf das Grundstück der Kläger einwirken, die zwischen 8 Uhr und 20 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A), in der Zeit von 6 Uhr bis 8 Uhr sowie von 20 Uhr bis 22 Uhr einen Beurteilungspegel von 65 dB(A) sowie zwischen 22 Uhr und 6 Uhr einen Beurteilungspegel von 55 dB(A) überschreiten. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beeinträchtigung der Kläger durch den von dem Sommerfest und hier insbesondere von dem Rockkonzert ausgehenden Lärm sei wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies folge aus der vor allem zur Nachtzeit ab 22 Uhr gravierenden Überschreitung der in der LAI-Freizeitlärmrichtlinie festgesetzten Lärmgrenzwerte; die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung werde dadurch indiziert. Diese Werte seien zwar nicht schematisch anzuwenden und erlaubten bei einem einmaligen
Ereignis eine großzügigere Handhabung. Ein einmaliges Ereignis liege aber nicht vor, weil das Fest an drei Tagen stattfinde und auch die weiteren Veranstaltungen Lärm verursachten. Zudem seien die festgestellten Überschreitungen von 22 Uhr bis weit nach Mitternacht so gravierend, daß sie nicht hingenommen werden müßten.
II.
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Auf der Grundlage seiner Feststellungen bejaht das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Unterlassungsanspruch der Kläger (§§ 1004, 906 BGB).
1. Nach § 906 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks von einem anderen Grundstück ausgehende Immissionen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt. Ob Geräuschimmissionen wesentlich sind oder nicht, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (Senat BGHZ 148, 261, 264 - Hammerschmiede; Senatsurt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029, 1030). Die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Lärmbelästigung kann nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgesetzt werden (Senat BGHZ 148, 261, 264). Dabei sind wesentliche Immissionen identisch mit erheblichen Belästigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG (BGHZ 122, 76, 78).
Wann Lärmimmissionen im Einzelfall die Schwelle zur Wesentlichkeit überschreiten, unterliegt weitgehend tatrichterlicher Wertung. Revisionsrecht-
lich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat BGHZ 121, 248, 252 - Jugendzeltplatz). Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil nicht in jeder Hinsicht stand.
2. a) Das Berufungsgericht orientiert sich an den Hinweisen des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche (sog. LAI-Hinweise oder Freizeitlärm-Richtlinie, abgedruckt in NVwZ 1997, 469). Das ist nicht zu beanstanden. Die LAI-Hinweise gelten für Freizeitanlagen, und zwar insbesondere für Grundstücke, auf denen Volksfeste, Platzkonzerte, Lifemusik-Darbietungen und ähnliche Veranstaltungen im Freien stattfinden. Sie sind ungeachtet der generellen Nutzung des Grundstücks der Beklagten als Sportplatz einschlägig, denn die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) regelt nur Immissionen, die von einer Sportanlage bei ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung, der Sportausübung, ausgehen (§ 1 Abs. 1 der 18. BImSchV).
Die von Sachverständigen ausgearbeiteten und von allen Ländern mitgetragenen LAI-Hinweise unterfallen zwar nicht § 906 Abs. 1 Satz 2 u. 3 BGB (Staudinger/Roth, BGB [2002], § 906 Rdn. 193), können den Gerichten aber gleichwohl als Entscheidungshilfe dienen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 67 - Volksfestlärm; 120, 239, 256 f. – Froschlärm; 121, 248, 253 - Jugendzeltplatz; BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453). Sie ersetzen nicht die Prüfung und Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, geben dieser Würdigung aber eine Orientierung. Werden die Richtwerte überschritten, so indiziert dies eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB (vgl. Senat
BGHZ 111, 63, 67; 121, 248, 251). Der Tatrichter muß allerdings auch in diesem Fall berücksichtigen, daß es sich bei den technischen Regelwerken nur um Richtlinien handelt, die nicht schematisch angewendet werden dürfen.
b) Für die Frage der Wesentlichkeit von Lärmimmissionen sind Dauer und Häufigkeit der Einwirkung von erheblicher Bedeutung. Das Berufungsgericht vertritt daher zu Recht die Ansicht, daß bei einem einmaligen Ereignis eine großzügigere Handhabung der Richtwerte geboten, eine Überschreitung im Einzelfall also hinzunehmen sein kann. Rechtsfehlerhaft geht es jedoch davon aus, daß hier ein einmaliges Störereignis deswegen nicht vorliege, weil das Sommerfest an drei aufeinanderfolgenden Wochenendtagen stattfindet. Denn daß von den übrigen Veranstaltungen eine wesentliche Einwirkung auf das Grundstück der Kläger ausginge, hat es nicht festgestellt. Mithin ist revisionsrechtlich nur das Rockkonzert von Bedeutung und die weitergehende Klage schon nicht schlüssig.
Richtig ist allerdings, daß die LAI-Hinweise der Seltenheit eines Ereignisses durch eine Sonderregelung in Ziff. 4.4. Rechnung tragen, in der für Veranstaltungen , die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten im Kalenderjahr stattfinden (sog. seltene Störereignisse), höhere Richtwerte vorgegeben werden. Auch insoweit gibt die Richtlinie jedoch nur eine Orientierung und läßt Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453 "Entscheidungshilfe mit Indizcharakter"). Hierzu gehört auch die Zahl der Störereignisse. Denn die Sonderregelung in Ziff. 4.4. der LAI-Hinweise erfaßt Ereignisse, die bis zu zehn Tagen oder Nächten eines Jahres auftreten und einen relevanten Beitrag zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte verursachen.
In dem der Entscheidung des Senats vom 23. März 1990 (Senat BGHZ 111, 63 - Volksfestlärm) zugrunde liegenden Fall wurde ein an das Grundstück des Klägers angrenzendes Gelände mehrmals im Jahr als Kirmes- und Festplatz genutzt. Für das Jahr 1987 waren beispielsweise für die Monate Juni, Juli und August vier jeweils über das ganze Wochenende, einmal sogar drei Tage dauernde Veranstaltungen angekündigt. Vorliegend ist dagegen mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision davon auszugehen, daß das an nur einem Abend des Sommerfestes stattfindende Rockkonzert, gegen dessen Immissionen sich die Kläger in erster Linie wenden, weitgehend das einzige Ereignis ist, welches unter deutlicher Überschreitung der in den LAI-Hinweisen in Ziffer 4.4. für die Nachtzeit aufgestellten Richtwerte auf das Grundstück der Kläger einwirkt.
c) Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung ferner nicht bedacht, daß bei seltenen Störereignissen auch die Bedeutung der Veranstaltung nicht unberücksichtigt bleiben kann. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats richtet sich die Beurteilung, ob eine Immission wesentlich im Sinne des § 906 BGB ist, nicht nur nach dem Maß der objektiven Beeinträchtigung. Im Interesse der Harmonisierung zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher Beurteilungsmaßstäbe hat der Senat eine Angleichung an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung vollzogen, die als erhebliche Belästigung alles ansieht, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. Senat BGHZ 120, 239, 255 - Froschlärm; 148, 261, 264 – Hammerschmiede). Demgemäß können bei der Prüfung der Erheblichkeit oder Wesentlichkeit von Lärm auch schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit und gesetzliche Wertungen
eine Rolle spielen (vgl. Senat BGHZ 121, 248, 255 - Jugendzeltplatz; 111, 63, 68 – Volksfestlärm).
aa) Volks- und Gemeindefeste, Feiern örtlicher Vereine, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen gehören zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß sie oftmals in der Nähe zur Wohnbebauung durchgeführt werden müssen und zwangsläufig zu Beeinträchtigungen der Nachbarschaft führen. Da solche Veranstaltungen für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft von großer Bedeutung sein können, dabei auch die Identität dieser Gemeinschaft stärken und für viele Bewohner einen hohen Stellenwert besitzen, werden die mit ihnen verbundenen Geräuschentwicklungen von einem verständigen Durchschnittsmenschen bei Würdigung auch anderer Belange in der Regel in höherem Maß akzeptiert werden als sonstige Immissionen. Das kann bei der Beurteilung, ob eine Lärmeinwirkung als wesentlich anzusehen ist, vor allem dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn es sich um ein sehr seltenes Ereignis handelt, das weitgehend das einzige in der Umgebung bleibt. In einem solchen Fall können auch Lärmimmissionen, die die Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten, ausnahmsweise noch unwesentlich sein (so auch VGH Kassel GewArch 1997, 162).
Die kommunale Bedeutung kann einem Ereignis nicht deshalb abgesprochen werden, weil Veranstalter nicht die Gemeinde, sondern ein privater Verein ist. Maßgeblich ist, daß das Ereignis von einem Großteil der Ortsbevölkerung getragen und akzeptiert wird. Unerheblich für die Frage der Wesentlichkeit der Immissionen ist ferner, ob der Nutzung eines Grundstücks als Festplatz eine langjährige Übung zugrunde liegt. Bei der vom Tatrichter vorzuneh-
menden Würdigung, ob Geräuschimmissionen wesentlich sind, kann zwar dem Traditionscharakter einer Veranstaltung besonderes Gewicht zukommen. Umgekehrt steht der Annahme einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung aber nicht entgegen, daß eine Veranstaltung erst seit kurzer Zeit stattfindet. Andernfalls würden Gemeinden gehindert, eine kommunale Festivität zu begründen , wo Traditionsveranstaltungen fehlen, oder die Abläufe bei Festen zu ändern , die auf eine langjährige Übung zurückgehen. Demgemäß können auch die mit Gemeinde- und Vereinsfesten untrennbar verbundenen Musik- und Tanzveranstaltungen Änderungen in Art und Ausrichtung erfahren. Erlangen sie im Einzelfall überregionale Bedeutung, nimmt ihnen das die kommunale Bedeutung nicht, solange die jeweilige Veranstaltung weiterhin auch für die örtliche Bevölkerung bestimmt ist und von ihr angenommen wird.
bb) Bei nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltungen von kommunaler Bedeutung können selbst Lärmeinwirkungen unwesentlich sein, welche die für die Abend- und Nachtzeit aufgestellten Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten. Zwar gebührt nach 22 Uhr dem Schutz der ungestörten Nachtruhe grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse der Bevölkerung, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen zu besuchen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 70 - Volksfestlärm). Insbesondere in Krankenhäusern oder sonstigen Kliniken , aber auch dort, wo die Bewohner der Umgebung bereits tagsüber einem höheren Lärmpegel als üblich ausgesetzt sind, ist eine Störung der Nachtruhe meist eine erhebliche Einwirkung auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden und damit eine wesentliche Immission. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß die Nachtruhe nicht generell geschützt wird. Dort, wo ruhestörende Tätigkeiten zur Nachtzeit durch landesrechtliche Normen ausdrücklich verboten sind, hat der Gesetzgeber zugleich Ausnahmen für den Fall vorgesehen, daß ein Vor-
haben im Einzelfall Vorrang vor den schutzwürdigen Belangen Dritter hat (z.B. § 5 der LärmVO Hamburg, § 8 der LärmVO Berlin). Vorrang kann insbesondere Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen zukommen, wenn sie auf historischen oder kulturellen Umständen beruhen oder sonst von kommunaler Bedeutung sind, und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt (vgl. § 9 Abs. 3 LImSchG Nordrhein-Westfalen, § 4 Abs. 4 LImSchG Rheinland-Pfalz, § 10 Abs. 4 LImSchG Brandenburg). Eine solche Abwägung der widerstreitenden Interessen sieht auch das Gaststättengesetz vor. Nach § 12 Abs. 1 GaststG kann aus besonderem Anlaß der Betrieb eines Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend gestattet werden. Die "erleichterten Voraussetzungen" beziehen sich auch auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 GaststG), und gelten damit beispielsweise für die Lärmimmissionen, die von einer aus Anlaß eines Volksfests betriebenen Außengastronomie ausgehen (vgl. VGH München NVwZ 1999, 555). Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, daß bei besonderem Anlaß und nur vorübergehendem Betrieb die bei der Erteilung der Erlaubnis zu beachtenden Vorschriften weniger streng zu handhaben sind als bei einem Dauerbetrieb. Immissionsschutzrechtliche Gesichtspunkte dürfen zwar nicht vernachlässigt werden, sie sind jedoch zu Art und Dauer des Betriebs in Beziehung zu setzen (vgl. Michel/Kienzle/Pauly, Das Gaststättengesetz, 14. Aufl. 2003, § 12 Rdn. 5). Dies führt im Fall von Lärmbeeinträchtigungen dazu, daß bei der Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle nach § 3 BImSchG die Seltenheit des Anlasses und seine Bedeutung in die Würdigung einzubeziehen sind (VGH München a.a.O., S. 556). Die Berücksichtigung dieser Kriterien ist nicht auf die gastronomischen Betriebe beschränkt, sondern gilt für den verständi-
gen Durchschnittsmenschen gleichermaßen in Bezug auf das besondere Ereignis , an das sie anknüpfen. Insoweit hängt die Beurteilung der Beeinträchtigung als wesentlich auch von einer Interessenabwägung ab (Senat BGHZ 111, 63, 68 – Volksfestlärm; a.A. Roth in Anm. JR 1991, 149).
cc) In welchem Umfang Lärmbeeinträchtigungen von Veranstaltungen mit besonderer historischer, kultureller oder kommunaler Bedeutung noch als unwesentlich angesehen werden können, ist weitgehend eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere Bedeutung und Charakter der Veranstaltung, ihr Ablauf, Dauer und Häufigkeit, die Nutzungsart und Zweckbestimmung sowie die Gesamtbelastung des beeinträchtigten Grundstücks während der Veranstaltung und durch andere seltene Störereignisse, ferner die zeitlichen Abstände dieser Ereignisse. Je gewichtiger der Anlaß für die Gemeinde oder Stadt ist, desto eher ist der Nachbarschaft zuzumuten, an wenigen Tagen im Jahr Ruhestörungen hinzunehmen. Bei Festveranstaltungen von kommunaler Bedeutung, die nur einmal im Jahr für wenige Tage stattfinden, ist dabei auch eine deutliche Überschreitung der in den LAI-Hinweisen für seltene Störereignisse festgelegten Richtwerte denkbar. Hiervon ist selbst die Nachtzeit nicht generell ausgenommen, zumal es im Sommer noch bis gegen 22 Uhr hell bleibt und es dem Charakter bzw. der Tradition vieler Veranstaltungen entspricht , daß sie bis in die Nachtstunden andauern (so auch VGH Mannheim NVwZ-RR 1994, 633, 635). Im Einzelfall kann von den Anliegern jedenfalls an einem Tag bis Mitternacht ein deutlich höherer Beurteilungspegel hinzunehmen sein. Eine über Mitternacht hinausgehende erhebliche Überschreitung der Richtwerte wird demgegenüber in aller Regel nicht mehr als unwesentlich zu qualifizieren sein.
Ob etwas anderes gilt, wenn für die betreffende Veranstaltung eine weitergehende Ausnahmegenehmigung nach öffentlichem Recht erteilt wurde, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte hat zwar der Durchführung der Sportfeste in ihrer Eigenschaft als Ortspolizeibehörde zugestimmt. Auf die zivilrechtliche Beurteilung hat die Genehmigung aber schon deswegen keinen Einfluß, weil eine umfassende Prüfung immissionsschutzrechtlicher Belange im Rahmen eines gesetzlich vorgegebenen Verfahrens mit ihr ersichtlich nicht verbunden war.
Für die Beuteilung durch einen verständigen Durchschnittsmenschen von Bedeutung kann schließlich sein, ob sich die Veranstaltung an einen ebenso geeigneten, Anwohner insgesamt aber deutlich weniger beeinträchtigenden Standort innerhalb der Gemeinde bzw. des Ortsteils verlegen läßt. Können unter Wahrung des Charakters der Veranstaltung die Lärmimmissionen für Anwohner deutlich reduziert werden, unterbleibt aber ein Standortwechsel , so verringert sich das Maß dessen, was einem Anwohner an Geräuscheinwirkungen zuzumuten ist; in der Regel werden dann die Richtwerte der LAI-Hinweise maßgebend sein.
III.
Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst entschieden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Angesichts der Unterstützung, die das Sommerfest und das Rockkonzert seitens der Gemeinde erfahren, kann der Veranstaltung die kommunale Bedeutung nicht abgesprochen werden. Gleichwertige
alternative Standorte für das Festzelt sind nicht ersichtlich. Durch die von den Klägern vorgeschlagene Verlegung des Rockkonzerts in die benachbarte Sporthalle bliebe der Charakter der Veranstaltung nicht gewahrt. Er ist davon geprägt, daß das Konzert als Teil eines Sommerfestes weitgehend im Freien stattfindet.
Die Kläger müssen am Abend des Rockkonzerts allerdings nicht jegliche Lärmeinwirkung hinnehmen, sondern nur das nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen zumutbare Maß. Die Zumutbarkeit ist durch eine Begrenzung der Immissionen zu wahren. Hierfür geben die Richtwerte, die die LAI-Hinweise bei seltenen Störereignissen tagsüber außerhalb der Ruhezeiten vorsehen, eine Orientierung. Im vorliegenden Fall bietet es sich an, die Tageszeit im Sinne der LAI-Hinweise bis 24 Uhr auszudehnen. Damit ist für das Rockkonzert ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) mit einer Geräuschspitze von 90 dB(A) maßgeblich. Eine Verlängerung über 24 Uhr hinaus kommt dagegen mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der Kläger nicht in Betracht. Um ihnen eine ausreichende Nachtruhe zu ermöglichen, ist vielmehr von Mitternacht bis 8 Uhr des auf das Rockkonzert folgenden Tages der für die Nachtzeit vorgegebene Beurteilungspegel von 55 dB(A) einzuhalten.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann
(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn
- 1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird, - 2.
die zum Betrieb des Gewerbes oder zum Aufenthalt der Beschäftigten bestimmten Räume wegen ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung oder Einteilung für den Betrieb nicht geeignet sind, insbesondere den notwendigen Anforderungen zum Schutze der Gäste und der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder den sonst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung notwendigen Anforderungen nicht genügen oder - 2a.
die zum Betrieb des Gewerbes für Gäste bestimmten Räume von behinderten Menschen nicht barrierefrei genutzt werden können, soweit diese Räume in einem Gebäude liegen, für das nach dem 1. November 2002 eine Baugenehmigung für die erstmalige Errichtung, für einen wesentlichen Umbau oder eine wesentliche Erweiterung erteilt wurde oder das, für den Fall, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, nach dem 1. Mai 2002 fertig gestellt oder wesentlich umgebaut oder erweitert wurde, - 3.
der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten läßt, - 4.
der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, daß er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann.
(2) Wird bei juristischen Personen oder nichtrechtsfähigen Vereinen nach Erteilung der Erlaubnis eine andere Person zur Vertretung nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag berufen, so ist dies unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen.
(3) Die Landesregierungen können zur Durchführung des Absatzes 1 Nr. 2 durch Rechtsverordnung die Mindestanforderungen bestimmen, die an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume im Hinblick auf die jeweilige Betriebsart und Art der zugelassenen Getränke oder Speisen zu stellen sind. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung
- a)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2a Mindestanforderungen bestimmen, die mit dem Ziel der Herstellung von Barrierefreiheit an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume zu stellen sind, und - b)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 2 die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Falles der Unzumutbarkeit festlegen.
(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze
- 1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit, - 2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder - 3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz betreffend die zukünftige Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebs.
Der Antragsteller wohnt auf dem Grundstück Fl.Nr. 381, Gemarkung ... Nördlich angrenzend an dieses Grundstück befindet sich ein Sportplatz, südöstlich grenzt das sogenannte „BRK Heim“ an, ein vom BRK genutztes Grundstück mit den Fl.Nrn. 378/4 und 378/5. Auf dem östlich gelegenen Grundstück Fl.Nr. 378/1 befindet sich ein Feuerwehrhaus.
Mit Bescheid vom ... Juni 2015 erteilte der Antragsgegner einer örtlichen Organisationseinheit des BRK eine Gestattung nach § 12 Gaststättengesetz - GastG - zur Veranstaltung einer „...-party“ im Innenhof des „BRK Heims“ am ... Juli 2015 ab 20:00 Uhr mit dem Ausschank u. a. alkoholischer Getränke. Als „Musik- und Ausschankende“ wurde 2:00 Uhr, als Veranstaltungsende 2:30 Uhr festgelegt. Einer Auflage Nr. 6 zum Immissionsschutz zufolge durfte ein „Beurteilungspegel der Lärmeinwirkung auf die Nachbarschaft“ einen Richtwert tags von 70 dB (A) und nachts - zwischen 22:00 Uhr und 7:00 Uhr - von 55 dB (A) nicht überschreiten. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen durften diese Werte am Tag um nicht mehr als 20 dB (A) und in der Nacht nicht mehr als 10 dB (A) überschreiten.
Am
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
dem Antragsgegner zu untersagen, zukünftig Veranstaltungen zu genehmigen, die mit einer Überschreitung der amtlich festgesetzten Lärmgrenze starten, stattfinden oder enden würden, und für jeden Fall der Zuwiderhandlung einen Betrag von 500.000,- EUR und eine Ersatzhaft von sechs Monaten für den Sachbearbeiter des Antragsgegners anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde in der Antragserwiderung vom
Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen die künftige Gestattung von Veranstaltungen auf dem Nachbargrundstück des BRK nach § 12 GastG begehrt (§ 88 VwGO). Die von ihm angestrebte einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO soll zudem eine Strafandrohung in Bezug auf Ordnungsgeld und Ordnungshaft beinhalten (vgl. § 167 VwGO i. V. m. § 890 ZPO). Wie das Gericht dem Antragsteller mit Schreiben vom 15. Juli 2015 mitteilte wurde der Antrag so verstanden, dass er sich lediglich gegen den Antragsgegner richtet.
Es kann dahinstehen, ob das für die Zulässigkeit des Antrags erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist; dies ist nur ausnahmsweise zu bejahen, wenn vorbeugender Rechtsschutz vor Erlass eines Verwaltungsakts - hier vor künftigen Gestattungen nach § 12 GastG - begehrt wird. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft zu machen.
Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass eine künftige Gestattung nach § 12 GastG für Veranstaltungen auf dem BRK-Grundstück wegen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften, die dem Schutz der subjektiven Rechte des Antragstellers dienen, rechtswidrig wäre (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Ein Nachbar im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG kann sich darauf berufen, dass bei erlaubnisgemäßem Gaststättenbetrieb derartige Immissionen zu erwarten seien. Für das Vorliegen „erheblicher“ Nachteile bzw. Belästigungen kommt es entscheidend darauf an, ob die fraglichen Immissionen dem Betroffenen unter Würdigung aller Umstände zumutbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2014 - 22 CS 14.2013 - juris Rn. 5). Für die Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle ist nicht die individuelle Empfindlichkeit eines konkret schutzbedürftigen Nachbarn, sondern die durchschnittliche Empfindlichkeit gegenüber Lärmbeeinträchtigungen maßgeblich (vgl. BayVGH, U.v. 30.6.2015 - 22 B 14.564 - juris Rn. 20).
Bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG kann Nachbarn eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (vgl. BayVGH, B.v. 26.5.1988 - 22 CS 87.02172 - GewArch 1988, 275). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit - d. h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz - zu berücksichtigen ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2014 - 22 CS 14.2013 - juris Rn. 8). Die in verschiedenen Regelwerken entwickelten Grundsätze zur Behandlung sogenannter seltener Störereignisse können dabei Anhaltspunkte geben, dürfen aber nicht schematisch angewendet werden (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2015 - 22 CS 15.2058 - juris Rn. 4). Es besteht vielmehr Raum für die Berücksichtigung z. B. der besonderen Seltenheit einer Veranstaltung. Je kleiner die Zahl der Tage und Nächte mit Ruhestörungen ist, desto eher kann man diese der Nachbarschaft „aus besonderem Anlass“ zumuten (vgl. BayVGH, U.v. 22.10.1998 - 22 B 98.602 - juris Rn. 29).
Aufgrund der Äußerungen des Antragsgegners ist davon auszugehen, dass er künftig Gestattungen nach § 12 GastG für Veranstaltungen auf dem BRK-Grundstück mit den gleichen Auflagen erteilen würde, die im Bescheid vom... Juni 2015 enthalten waren. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner zum Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbaren Lärmimmissionen einzuhaltende Beurteilungspegel von tags 70 dB (A) und nachts 55 dB (A) festgesetzt hat. Maßgeblicher Immissionsort ist ersichtlich die nächstgelegene Wohnung des Antragstellers. Die festgelegten Immissionsrichtwerte entsprechen den Vorgaben für seltene Ereignisse nach Ziff. 6.3 TA Lärm bzw. § 5 Abs. 5 Sportanlagenlärmschutzverordnung - 18. BImSchV, an denen sich der Antragsgegner orientieren konnte. Die Lage unmittelbar angrenzend an das BRK-Grundstück prägt das vom Antragsteller bewohnte Grundstück mit; dieser muss die herkömmliche Nutzung des Nachbargrundstücks hinnehmen. Die Veranstaltung einzelner Feste im Jahr wie hier gehört zur üblichen Nutzung eines Vereinsgrundstücks. Solche Veranstaltungen dienen dem Zusammenhalt der Organisation und tragen zur Rekrutierung neuer Mitglieder bei. Im Hinblick darauf, dass das BRK im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben des Rettungsdienstes erfüllt, besteht eine hohe allgemeine Akzeptanz für derartige Veranstaltungen dieser Organisation. Zudem befinden sich mit dem Feuerwehrhaus und dem Sportplatz in unmittelbarer Nachbarschaft des Antragstellers weitere Anlagen, mit deren bestimmungsgemäßer Nutzung relativ hohe Lärmimmissionen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund muss der Antragsteller allgemein eine höhere Lärmbelastung hinnehmen, als dies z. B. in einem allgemeinen Wohngebiet der Fall wäre.
Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und entspricht der Hälfte des in einem etwaigen Klageverfahren anzusetzenden Streitwerts.
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.
Gründe
(1) Für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten kann durch Rechtsverordnung der Landesregierungen eine Sperrzeit allgemein festgesetzt werden. In der Rechtsverordnung ist zu bestimmen, daß die Sperrzeit bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse allgemein oder für einzelne Betriebe verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden kann. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden oder andere Behörden übertragen.
(2) (weggefallen)
(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze
- 1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit, - 2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder - 3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.
(1) Für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten kann durch Rechtsverordnung der Landesregierungen eine Sperrzeit allgemein festgesetzt werden. In der Rechtsverordnung ist zu bestimmen, daß die Sperrzeit bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse allgemein oder für einzelne Betriebe verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden kann. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden oder andere Behörden übertragen.
(2) (weggefallen)
(1) Wer ein Gaststättengewerbe betreiben will, bedarf der Erlaubnis. Die Erlaubnis kann auch nichtrechtsfähigen Vereinen erteilt werden.
(2) Der Erlaubnis bedarf nicht, wer
- 1.
alkoholfreie Getränke, - 2.
unentgeltliche Kostproben, - 3.
zubereitete Speisen oder - 4.
in Verbindung mit einem Beherbergungsbetrieb Getränke und zubereitete Speisen an Hausgäste
(3) (weggefallen)
(4) (weggefallen)
(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze
- 1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit, - 2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder - 3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.
(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.
(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die von dem Kläger innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten, für die Prüfung maßgeblichen Einwände (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) begründen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), noch ergeben sie besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.) oder deren grundsätzliche Bedeutung (3.). Der Zulassungsantrag begründet ferner keinen der Beurteilung des beschließenden Gerichts unterliegenden Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann (4.).
41. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
5Derartige Zweifel weckt das Antragsvorbringen nicht.
6Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
7die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 13. August 2014 (Az. BA-0824-0/214) aufzuheben,
8im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Baugenehmigung verstoße nicht gegen baurechtliche Vorschriften, die dem Kläger einen Aufhebungsanspruch vermitteln könnten. Die Baugenehmigung sei in nachbarrechtlicher Hinsicht nicht unbestimmt. Auch im Übrigen seien Nachbarrechte des Klägers nicht verletzt. Dies gelte selbst dann, wenn man zu Gunsten des Klägers eine Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. V 2/5 No-O. , M.------platz (Lebensmittelmarkt), der Beklagten annehmen wollte. Denn die Baugenehmigung sei auch bei Geltung der vorherigen Bebauungspläne nicht unter Verstoß gegen nachbarschützende Festsetzungen erteilt worden. Die Festsetzung des Bebauungsplans Nr. 2/2 NO betreffend das Vorhabengrundstück als „öffentliche Grünfläche“ und „Spielplatz“ sowie „öffentliche Parkfläche“ (gemeint im Sinne einer Stellplatzfläche) und auch die vorherige Ausweisung im Bebauungsplan „O. -Süd 1. Bauabschnitt – Bebauungsplan 2 NO“ als „Gemeinbedarfsfläche (Bürgerhaus)“ begründeten nämlich keinen Nachbarschutz. Eine mögliche Befreiung von diesen Festsetzungen vermittele Drittschutz lediglich über das in § 31 Abs. 2 letzter Halbsatz BauGB angesiedelte Gebot der Rücksichtnahme. Dieses sei hier nicht verletzt. Insbesondere seien die nach Eröffnung des Betriebes zu erwartenden Lärmzunahmen von dem Kläger hinzunehmen.
9Dem setzt der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nichts Erhebliches entgegen, was im vorstehenden Sinne ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung begründen würde.
10a) Die Baugenehmigung verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot, weil sie Merkmale des Betriebs der Beigeladenen unreglementiert ließe, deren Regelung es nach Lage der Dinge zwingend bedurft hätte, um den genehmigten Betrieb im Verhältnis zu dem Kläger nachbarrechtskonform auszugestalten. Dies lässt sich insbesondere nicht daraus ableiten, dass nach Aufnahme des Betriebs durch Kontrollmessungen der Nachweis der Einhaltung der in der Baugenehmigung für einzelne Immissionspunkte vorgegebenen Werte erbracht werden soll, ohne dass weitergehende Regelungen für den Fall der Zuwiderhandlung getroffen werden.
11Das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlangt, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen muss, dass nur solche Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen und - zusätzlich - wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat. Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht.
12Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2012 - 2 A 723/11 -, juris Rn. 35, m. w. N.
13Diesen Anforderungen wird die Genehmigung gerecht. Sie eröffnet entgegen der Befürchtung des Klägers insbesondere keinen im Hinblick auf die Nachbarverträglichkeit unkontrollierten Anlieferungs- sowie Kundenverkehr.
14Die Baugenehmigung legt vielmehr die wesentlichen nachbarrechtsrelevanten Merkmale des Betriebes der Beigeladenen hinreichend klar fest. Wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt hat, wird das Vorhaben unter Berücksichtigung der Lagepläne, Schnittzeichnungen sowie der Baubeschreibung ausreichend umschrieben. Auf dieser Grundlage ist die Überprüfung der Nachbarrechtskonformität der Anlage sowohl für das Gericht als auch für die Nachbarn möglich. Dabei schreibt die Baugenehmigung die maßgeblichen Emissions- und Immissionsparameter des Betriebs, die für die Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme zentral sind, fest. Außerdem macht sie die Immissionsprognosen des H. und Partner Ingenieurbüro vom 29. Juli 2014 zu ihrem Bestandteil und legt Zielwerte für bestimmte Immissionspunkte unter anderem am Grundstück des Klägers fest. Im Weiteren ist zum Nachweis der Einhaltung der Immissionsrichtwerte spätestens drei Monate nach Inbetriebnahme des Marktes durch eine schalltechnische Messung eines anerkannten Sachverständigen der Nachweis zu erbringen, „dass die Immissionsrichtwerte gemäß Ziffer 3 eingehalten werden können“.
15Alle weiteren Gesichtspunkte des Anlagenbetriebs im Einzelnen, welche der Kläger mit Blick auf die Bestimmtheit aufgreift, wie etwa die Befürchtung unzureichender Regelungsdichte zur Absicherung der in der Genehmigung ausgewiesenen Zielwerte, betreffen dann nicht mehr deren Regelungsbereich im engeren Sinne, sondern sind materiell im Zusammenhang mit dem Rücksichtnahmegebot zu behandeln.
16b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die angefochtene Baugenehmigung verstoße im Hinblick auf die mit dem Vorhaben verbundenen Lärmauswirkungen nicht zu Lasten des Klägers gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, stellt der Zulassungsantrag nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Der Einwand, das von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren eingeholten Gutachten des Ingenieurbüros H. und Partner GmbH vom 29. Juli 2014 sei nicht geeignet, den Nachweis zu erbringen, dass von dem genehmigten Vorhaben keine schädliche Umwelteinwirkungen auf sein Grundstück einwirken könnten, bleibt insoweit ohne Erfolg.
17Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Bewertung zugunsten des Klägers dessen Grundstück einen Schutzanspruch nach den Maßstäben für ein reines Wohngebiet (WR-Gebiet) zugestanden [tags 50 dB(A) und nachts 35 dB(A)] und davon ausgehend nachvollziehbar aus den Ergebnissen des schalltechnischen Gutachtens des Ingenieurbüros H. und Partner GmbH vom 29. Juli 2014 die Gefahr vorhabenbedingter rücksichtsloser Lärmimmissionen für das Grundstück des Klägers abgelehnt. Das Gutachten kommt für den das Wohngrundstück des Klägers (H1. -I. -Weg 2) betreffenden Immissionspunkt 1 (1. OG) zu Beurteilungspegeln von 42 dB(A) tagsüber und 29 dB(A) und weist auch im Hinblick auf die im Zusammenhang mit dem Gesamtbetrieb incl. Haustechnik zu erwartenden Geräuschspitzen die Einhaltung der Vorgaben der TA-Lärm für ein reines Wohngebieten aus. Unter Berücksichtigung, dass nicht alle anliefernden LKWs über Rückfahrkamera-Systeme verfügen bzw. auch bei Vorhandensein eines Einweisers das Rückfahr-Warnsignal nicht bei allen LKWs abgeschaltet werden kann ergibt sich ein Beurteilungspegel tags von 48,7 dB(A) (Stellungnahme von H. und Partner vom 19. November 2014).
18Dafür, dass die zum Gegenstand der Genehmigung gemachte Lärmprognose davon ausgehend entscheidungserhebliche, d. h. im Verhältnis zu dem Kläger nachbarrechtsrelevante Fehler beinhalten könnte, gibt der Zulassungsantrag nichts her.
19Die Aussagekraft des Gutachtens wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass es sich um ein von der Beigeladenen im Baugenehmigungsverfahren vorgelegtes Gutachten handelt. Dies führt nicht schon aus sich heraus dazu, dass es sich um ein im gerichtlichen Verfahren nicht verwertbares „Privatgutachten“ handeln würde. Der Bauherr ist im Baugenehmigungsverfahren vielmehr verpflichtet, die für die Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens erforderlichen Unterlagen vorzulegen (vgl. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BauPrüfVO NRW). Dazu gehören auch - insbesondere wenn es wie hier für die Beurteilung der Auswirkungen eines Vorhabens auf die Nachbarschaft und damit für die Einhaltung des Rücksichtnahmegebots erforderlich ist - ein Schallschutzgutachten und je nach Fallgestaltung eine Verkehrsprognose.
20Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Februar 2003 - 7 B 2434/02 -, BRS 66 Nr. 176 = juris Rn. 12, und vom 5. Februar 2001 - 7 A 410/01 -, BRS 64 Nr. 155 = juris Rn. 3.
21Diese vom Bauherrn vorzulegenden Bauvorlagen werden in aller Regel - wie auch hier - durch Grünstempelung Teil der Baugenehmigung, deren Vereinbarkeit mit nachbarschützenden Vorschriften das Verwaltungsgericht zu prüfen hat. Die Einholung eines weiteren Gutachtens im gerichtlichen Verfahren ist nur dann erforderlich, wenn durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit des vorgelegten Gutachtens bestehen und eine Beurteilung aufgrund eigener Sachkunde des Gerichts nicht möglich ist.
22Für eine solche Fallgestaltung bietet der Zulassungsantrag keinen Anhalt. Er erschöpft sich im Kern in der Wiederholung der erstinstanzlichen Einwände, welche das Verwaltungsgericht im Einzelnen mit überzeugenden Argumenten als nicht zielführend erachtet hat. Danach ist insbesondere nichts dafür ersichtlich, dass das Gutachten das lärmrelevante Betriebsgeschehen nur unvollständig erfasst oder sonst in ergebnisrelevanter Weise nicht den wissenschaftlichen und technischen Anforderungen entsprechend bewertet hätte. Die unter Bezugnahme auf (Gegen-)Gutachten der Fa. L. Schalltechnik GmbH angebrachte Kritik des Fehlens eines detaillierten Rechenganges der Schallausbreitung aufgeworfene Fragen, wie mit den Rangier– und den Entsorgungsvorgängen umgegangen worden sei, sind nach den überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgericht durch die Stellungnahme des Ingenieurbüros H. und Partner vom 19. November 2014 ausgeräumt worden. Bedenken dagegen ergeben sich nicht daraus, dass der Zulassungsantrag auf die erforderlichen Rangierwege abhebt und diese durch die Darstellung von Schleppkurven zu verdeutlichen sucht. Das gilt unbeschadet des Umstandes, dass die entscheidende Darstellung erst nach Fristablauf erfolgt ist. Schließlich ist in der genannten Stellungnahme vom 19. November 2014 ausdrücklich hervorgehoben, dass die zurückzulegende Fahrstrecke in digitalisierter Form inklusive Rückwärtsrangieren enthalten sei und dabei auch ein Streckenabschnitt auf der Südstraße berücksichtigt worden sei, worauf bereits die Anlagen 1 und 2 des Ausgangsgutachtens deuten. Die dort angeführten Fahrspuren lassen Zweifel daran, dass die Rangierungen zutreffend erfasst wurden, nicht aufkommen.
23Auch die anschließende Stellungnahme des Ingenieurbüros L. Schalltechnik GmbH vom 27. Januar 2015, welche der Zulassungsantrag selbst anspricht und u. a. in dem Parallelverfahren 9 K 6067/04 eingereicht wurde (BAH 9 im parallelen Zulassungsverfahren 2 A 2421/15), gelangt zu dem Ergebnis: Die in der Stellungnahme vom 16. Oktober 2014 aufgeführten Punkte bezüglich des detaillierten Rechenganges und der Handhabung des Anlieferverkehrs im öffentlichen Verkehrsraum seien ausgeräumt; die Ausführungen könnten nunmehr so akzeptiert werden. Bedenken werden (allein) noch im Hinblick auf die Bewertung der Gutachter H. und Partner geäußert, dass die Überschreitung der Richtwerte für ein WR-Gebiet am H2. Weg unerheblich sei und in Bezug auf die Behandlung der Prognosesicherheit, welche in dem Gutachten mit 1 dB(A) ausgewiesen war. Man habe am Messpunkt IP 4 (H3. Weg 1) statt auf 52 dB(A) zu runden unrichtigerweise auf 50 dB(A) abgerundet.
24Wie das Verwaltungsgericht der Sache nach zutreffend herausgestellt hat, handelt es sich bei der aufgeworfenen Frage, ob die festgestellte Überschreitung der Richtwerte der TA-Lärm für ein reines Wohngebiet am Messpunkt IP 4 in nachbarrechtlicher Hinsicht unbeachtlich ist, um eine rein rechtliche Fragestellung. Die Beantwortung dieser Frage ist von keinem weiteren (lärm-)technischen Sachverstand abhängig. Sie richtet sich vielmehr allein danach, ob das betroffene Grundstück nach den maßgeblichen rechtlichen Vorgaben in den gegebenen Grundstücksverhältnissen (rechtlich) den Schutzanspruch eines reinen Wohngebietes beanspruchen kann oder mit Blick auf die Reglungen der TA-Lärm etwa über die Regelungen zur Zwischenwertbildung (Nr. 6.7 TA-Lärm) auch höhere Belastungen zumutbar sind. Der Zulassungsantrag setzt auch den Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Gemengelage nichts Entscheidendes entgegen. Sie sind im Ansatz nachvollziehbar, wie der Senat in seinem den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. V 2/5 No betreffenden Urteil vom 19. November 2015 – 2 D 57/14.NE – im Einzelnen ausgeführt hat.
25Zudem betrifft die Frage nicht das Grundstück des Klägers. Denn hier ergibt das Gutachten von H. und Partner schon keine Überschreitung der Richtwerte für reine Wohngebiete. Auch ist die Bewertung der Interessenlage in Bezug auf das Grundstück des Klägers nicht davon abhängig, dass die angegriffene Baugenehmigung die gebotene Rücksicht gegenüber den Eigentümern der Grundstücke am H3. Weg 1 und H3. Weg 2 wahrt.
26Was die Behandlung der Prognoseunsicherheit angeht, hat das Verwaltungsgericht eine Relevanz für das Grundstück des Klägers nicht gesehen. Auch dieser Bewertung setzt der Zulassungsantrag nichts an Substanz entgegen. Nur ergänzend sei angemerkt, das Bedenken auch sonst nicht ersichtlich sind. Nachdem die Einhaltung des Schutzniveaus für ein reines Wohngebiet an dem einschlägigen Immissionspunkt 1 neben den gutachterlichen Feststellungen genehmigungsrechtlich abgesichert ist, wenn es dort heißt, dass alle die von diesen Anlagen verursachten Geräuschimmissionen gemäß dem genannten schalltechnischen Gutachten u. a. die genannten Immissionswerte für den Immissionspunkt 1 nicht überschreiten dürfen.
27Bei diesem Befund zur Sach- und Beweislage spricht auch nichts dafür, dass das Verwaltungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Beweisbedürftigkeit der Validität einer schalltechnischen Untersuchung in ergebnisrelevanter Weise überspannt hätte.
28c) Soweit der Zulassungsantrag rügt, die „gesamte Situation der Bushaltestelle am Gerhart-I. -Weg“ sei gutachterlich nicht berücksichtigt worden, ist er im weiteren darauf zu verweisen, dass vorhabendingte Veränderungen im öffentlichen Verkehrsraum dem Vorhaben nur nach Maßgabe der Nr. 7.4. TA Lärm zurechenbar sind. Diese Regelung bildet - wie der beschließende Senat bereits in dem Eilbeschwerdebeschluss gleichen Rubrums vom 30. März 2015 – 2 B 32/15 – im Einzelnen ausgeführt hat – für die Berücksichtigung von Verkehrslärm eine klare, nicht auf Ergänzung angelegte Regelung.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2013 - 4 B 23.12 -, juris Rn. 5.
30Dafür, dass die Voraussetzungen für eine weitergehende Zurechenbarkeit vorliegen, ist dem Zulassungsvorbringen wie schon dem Beschwerdevorbringen im Eilverfahren nichts Greifbares zu entnehmen. Die Verkehrsuntersuchung bietet eine tragfähige Grundlage für die Prognose, dass der Zusatzverkehr zu keiner Erhöhung der Verkehrsvorbelastung um 3 dB(A), d. h. zu einer Verdoppelung, führen wird. Die prognostizierte Verkehrssteigerung liegt (nur) bei 70 %.
31Weshalb hier eine weitergehende Einzelfallbewertung der Lärmsituation des Grundstücks des Klägers veranlasst gewesen sein sollte, begründet der Zulassungsantrag nicht weiter. Die Forderung, es hätten insbesondere auch Messpunkte bei dem Kläger eingerichtet werden müssen, da hier ein- und ausfahrende LKW verkehrten, um die Anlieferungsbucht zu erreichen, ist ohne Erläuterung geblieben und vergleichbar der Forderung nach einer „Einzelbewertung“ der Lärmsituation im Eilbeschwerdeverfahren unverständlich (vgl. Bl. 11 des amtl. Umdrucks des Beschlusses vom 30. März 2015 - 2 B 32/15 -).
32d) Auch ist für die befürchtete lärmintensive Konfliktsituation zwischen dem Anlieferverkehr und dem Busverkehr nach wie vor nichts an Substanz vorgetragen, noch ist eine solche sonst bei Zugrundelegung eines realistischen Betriebsgeschehens im Sinne der Ausgestaltung der streitigen Baugenehmigung zu erwarten. Die Sicherung eines geordneten Anlieferverkehrs ist Gegenstand der Ergänzung zur Bau- und Betriebsbeschreibung, die Bestandteil der Baugenehmigung ist. Die Anforderung eines zweiten Einweisers ist ebenfalls durch eine Nebenbestimmung abgesichert. Auch im Übrigen schreibt die Baugenehmigung – wie schon gesagt - die maßgeblichen Emissions- und Immissionsparameter des Betriebs, die für die Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme zentral sind, fest. Außerdem macht sie die Immissionsprognose des Ingenieurbüros H. und Partner vom 29. Juli 2014 zu ihrem Bestandteil und damit die dort zugrundegelegten Betriebszustände und legt für die im Gutachten betrachteten Immissionspunkte die prognostizierte Gesamtbelastung fest, die zugleich eine Abschätzung der Lärmbelastung am Grundstück des Klägers erlauben.
33Davon ausgehend spricht auch nichts Greifbares dafür, dass das Grundstück des Klägers durch den genehmigten Betrieb in unzumutbarer Weise mit sonstigen Luftschadstoffen beaufschlagt wird oder sich die Erschließungssituation infolge unkontrollierter Verkehrsverhältnisse auf der T.--straße in einer dem Rücksichtnahmegebot zuwiderlaufenden Weise verschlechtern würde. Für eine strukturelle Gefährdung ist dem Zulassungsantrag nichts Tragfähiges zu entnehmen.
34Auch setzt sich der Zulassungsantrag mit dem in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgericht angeführten weiteren Argument nicht weiter auseinander, dass die Lage der Bushaltestellte im Bereich der Anlieferung nicht Teil der Baugenehmigung und damit auch nicht Gegenstand des Verfahrens sei; sollte es trotz der bei Anlieferungen geforderten Einweisung durch eine zweite Person zu dauerhaften Verkehrsbehinderungen durch wartende LKW oder Busse kommen, so sei zunächst die zuständige Behörde gehalten, den Standort der Bushaltestelle zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern.
35e) Bei der gegebenen Sach- und Beweislage war es zur Wahrung der Nachbarrechte des Klägers nicht erforderlich, zu seinen Gunsten weitergehende immissionsmindernde Regelungen zu treffen.
36Genehmigungsrechtlicher Immissionsschutz kann grundsätzlich auch durch die Festlegung von Immissionsrichtwerten als Zielwert gewährt werden. Erst wenn die bei der Nutzung der genehmigten Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu überschreiten drohen, genügt es zur Sicherung der Nachbarrechte nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Zielwert festzulegen und weitere Nebenbestimmungen vorzubehalten.
37Vgl. zur prinzipiellen Zulässigkeit von Zielwerten als Nebenbestimmung: BVerwG, Urteil vom 5. November 1968 - I C 29.67 -, BVerwGE 31, 15 = MDR 1969, 164 = juris Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 6. September 2011 - 2 A 2249/09 -, DVBl. 2012, 110 = juris Rn. 193 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 11. April 2012 - 14 CS 12.294 -, juris Rn. 18; zu den Anforderungen an die Effektivität eines Zielwerts als Nebenbestimmung: OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Februar 2013 - 2 B 1336/12 -, BauR 2013, 1078 = juris 17 ff., und vom 28. April 2004 - 21 B 573/03 -, juris Rn. 10 ff., Urteil vom 18. November 2002 - 7 A 2127/00 -, BRS 65 Nr. 182 = juris Rn. 75 f.; Bay. VGH, Beschlüsse vom 11. April 2012 - 14 CS 12.294 ‑, juris Rn. 18, und vom 18. Juli 2002 - 1 B 98.2945 - , BRS 65 Nr. 190 = juris Rn. 53 ff.
38Für eine solche Fallkonstellation ist hier nach den vorstehenden Ausführungen nichts ersichtlich. Insbesondere unterliegt es aus nachbarrechtlicher Sicht keinen Bedenken, dass die Beklagte neben den verfügten Nebenbestimmungen einschließlich der Zielwertfestlegung und der Anordnung von Kontrollmessungen nach Inbetriebnahme nicht schon in der Baugenehmigung weitere Regelungen für den Fall ins Auge gefasst hat, dass die genehmigungsrechtlich vorausgesetzten Betriebsabläufe nicht eingehalten werden oder der Nachweis der Einhaltung der vorgesehenen Zielwerte nicht gelingt. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Messungen nach Betriebsaufnahme zur effektiven Überprüfung nicht geeignet sein sollten und/oder die Durchsetzung der Einhaltung der für einzelne Immissionspunkte vorgesehenen Zielwerte nicht durch nachträgliche Maßnahmen in Form von weitergehenden betrieblichen Regelungen effektiv möglich wäre, fehlen. Bei Überschreitung der Werte ist ein Einschreiten auch zu erwarten und verdichtet sich ein mögliches Handlungsermessen der Beklagten zu einer Handlungspflicht, soweit danach entgegen der gutachterlich hinreichend abgesicherten Prognose materiell nachbarrechtswidrige Zustände konkret zu erwarten stehen sollten.
39Der vom Kläger angeführte Beschluss des 10. Senats des beschließenden Gerichts vom 10. August 2007 – 10 B 401/07 – führt auf keine andere Bewertung. Die Entscheidung stützt vielmehr den Ansatz des Verwaltungsgerichts und des beschließenden Senats. Individuelle immissionsrelevante Nebenbestimmungen führen danach (nur) „dann zu einer tatsächlichen bauplanungsrechtlichen Konfliktbewältigung, wenn sie auf effektive Umsetzung angelegt sind, so dass bei realistischer Betrachtungsweise mit ihrer Beachtung gerechnet werden kann.“ Davon ist hier nach Vorstehendem gerade auszugehen.
40e) Der unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB erhobene Einwand fehlender demokratischer Legitimierung der dem Vorhaben zugrundliegenden Vorstellungen über die Entwicklung des Einzelhandels im Bereich O. ist nicht gerechtfertigt. Ob ein Vorhaben unter dem Aspekt der Einzelhandelssteuerung bauplanungsrechtlich städtebaulich hinreichend legitimiert ist und die für das Vorhaben insoweit seitens der Gemeinde ins Feld geführten Gründe zutreffend gewichtet werden, berührt bereits keine subjektiven Nachbarrechte. Angesprochen sind damit allein städtebauliche Aspekte. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme lässt sich daraus nicht ableiten.Im Übrigen lässt der Einwand die Funktion der Regelung im Rahmen der bauleitplanerischen Steuerung des Einzelhandels außer Acht: Die Regelung des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB verdeutlicht, dass der Gesetzgeber informellen Planungsformen für die städtebauliche Praxis insgesamt eine hohe Bedeutung beimisst, auch wenn er ihre Anforderungen oder „Fehlerfolgen“ nicht regelt. Er geht davon aus, dass auch die Bauleitplanung in ein Geflecht informeller Planungen einbettet ist.
41Vgl. Battis, in: Battis/Mitschang/Reid, BauGB, 12. Auflage 2013, § 1 Rn. 79.
42Von daher wird ein förmlicher Ratsbeschluss über ein Einzelhandelskonzept hinreichende, aber nicht notwendige Bedingung dafür sein, dass die Gemeinde Einzelhandel durch eine verbindliche Bauleitplanung steuern kann. Ein (schlüssiges und widerspruchsfreies) Planungskonzept zur Einzelhandelssteuerung muss daher nicht zwingend auf einem gesondert beschlossenen umfassenden Entwicklungskonzept oder einer städtebaulichen Planung i. S. d. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB beruhen.
43Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. März 2013 ‑ 1 C 10544/12 -, BauR 2013, S. 1230 (1232).
44h) Auf die im persönlichen Schreiben des Klägers vom 1. November 2015 im Weiteren angesprochenen Aspekte, insbesondere zu den weiteren Umweltauswirkungen des Vorhabens ist nicht weiter einzugehen. Jenseits der Bedenken im Hinblick auf das Vertretungserfordernis haben sie jedenfalls in der gegebenen Klagekonstellation keine rechtliche Relevanz.
45i) Der Rüge, die Beklagte habe sich mit der Umweltverträglichkeit des Vorhabens nicht ausreichend auseinandergesetzt, ist – da wirksam erst mit Schriftsatz vom
4619. November 2015 angebracht - schon deshalb nicht weiter nachzugehen, weil sie erst nach Ablauf der Begründungsfrist erhoben worden ist. Im Übrigen fehlt es an der Darlegung der nachbarrechtlichen Relevanz.
472. Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen.
48Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe des Klägers gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern würden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Dass der Ausgang des Rechtsstreits in dem vorgenannten Sinn offen ist, lässt sich auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens aus den unter 1. genannten Gründen nicht feststellen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten wirft die Rechtssache auch ansonsten nicht auf. Die angesprochenen Grundprobleme des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts weisen in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad auf.
493. Die Berufung ist auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
50Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im betreffenden Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrunds die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
51Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
52a) Hinsichtlich der als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Frage,
53ob eine Baugenehmigung rechtmäßig sein kann, sofern hinsichtlich des Bebauungsplans ein Einzelhandelskonzept zur Begründung herangezogen wird, das demokratisch nicht legitimiert ist – weil nicht durch den Rat der Gemeinde beschlossen – und damit den Anforderungen des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB nicht gerecht wird,
54fehlt es ausgehend von vorstehenden Ausführungen bereits an der Relevanz der aufgeworfenen Frage. Insbesondere ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt hat – nicht entscheidend, ob die Baugenehmigung objektiv rechtmäßig ist, sondern allein, ob sie Nachbarrechte des Klägers verletzt. Die hinreichende Beachtung rein städtebaulicher Interessen ist in diesem Zusammenhang – wie gesagt – unerheblich.
55b) Die Sache ist auch nicht deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, „weil die Baugenehmigung diverse Nebenbestimmungen enthält, die dazu dienen sollen, den Kläger vor schädlichen Immissionen durch das genehmigte Vorhaben zu schützen“, und dabei versäumt worden wäre, Regelungen zu treffen, „wie die Einhaltung der Nebenbestimmungen erreicht werden“ soll und die „Bestimmtheit von Nebenbestimmungen“ in der Rechtsprechung nur zu einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis thematisiert worden wäre.
56Soweit damit überhaupt Fragen angesprochen sind, die über die Entscheidung des konkreten Einzelfalls hinausgehen, beantworten sie sich ohne weiteres im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu 1. aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Danach sind für die Frage der erforderlichen Regelungsdichte die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls entscheidend.
574. Es liegt kein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor, auf dem das angegriffene erstinstanzliche Urteil beruhen kann.
58a) Aus der Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags,
59zum Beweis der Tatsache, dass das Gutachten des Büros H. (Anm.: protokolliert fälschlich „L. “) und Partner vom 29. Juli 2014, welches Bestandteil der angefochtenen Baugenehmigung ist, nicht geeignet ist, den Nachweis zu erbringen, dass von dem genehmigten Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen auf die Kläger einwirken können, Sachverständigenbeweis zu erheben,
60ergibt sich keine Verletzung der Aufklärungspflichten aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 VwGO und kein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG.
61Wenn das Gericht einen beantragten Beweis nicht einholt, so liegt hierin grundsätzlich nur dann ein Verfahrensfehler, wenn die Ablehnung aus Gründen erfolgt, die im Prozessrecht keine Stütze finden, wenn also ein Beweisantrag aus den angegebenen Gründen schlechthin nicht abgelehnt werden darf.
62Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. April 2004 - 2 BvR 743/03 -, NJW-RR 2004, 1150 = juris Rn. 11.
63Eine tragfähige Stütze im Prozessrecht findet die Ablehnung eines Beweisantrags im Verwaltungsprozess regelmäßig dann, wenn der Beweisantrag entweder unzulässig ist oder die Gründe, auf die sich das Verwaltungsgericht im Beschluss nach § 86 Abs. 2 VwGO stützt, nach einfachem Verfahrensrecht die Zurückweisung des Beweisantrags rechtfertigen. Das ist hier der Fall.
64Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag durfte - wie sich aus den Ausführungen unter 1. ergibt - unter Hinweis auf die bereits vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen und wegen des Fehlens konkreter Tatsachen, die gegen die Verwertbarkeit der vorhandenen Stellungnahmen sprechen, abgelehnt werden. Die Stellungnahmen waren zur Beurteilung der anstehenden (rechtlichen) Bewertung, ob die mit dem Vorhaben verbundenen Lärmauswirkungen dem Kläger zumutbar sind und die Baugenehmigung insoweit das Rücksichtnahmegebot hinreichend beachtet, ausreichend. Wird die hinreichende Aussagekraft des zum Bestandteil der Genehmigung gewordenen Gutachtens des Büros H. und Partner vom 29. Juli 2014 ohne greifbare Stütze im Tatsächlichen in Frage gestellt, so zielte der Antrag zugleich auf eine unzulässige Beweisermittlung.
65Vgl. zum Beweisermittlungsantrag: BVerwG, Beschlüsse vom 25. März 2010 - 9 B 74/09 -, juris Rn. 32, und vom 30. Januar 2002 - 1 B 326/01, 1 PKH 41 PKH 43/01 -, juris Rn. 5.
66b) Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht ergibt sich auch nicht, soweit das Gericht den Beweisanregungen des Klägers in Bezug auf das Verkehrsgutachten nicht nachgegangen ist. Wie Vorstehend ausgeführt, musste sich dem Gericht eine weitergehende Beweiserhebung auch in Bezug auf die Feststellungen der der Genehmigung zugrundeliegende Verkehrsgutachten nicht aufdrängen.
67Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Sachantrag gestellt und sich dadurch einen eignen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
68Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
69Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
70Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Tenor
Die Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 6. März 2015 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen eine dem Beigeladenen von dem Beklagten erteilte Baugenehmigung.
- 2
Die Klägerin ist Inhaberin einer Eigentumswohnung im Erdgeschoss des aus acht Wohnungen bestehenden Anwesens B-Straße ..., Flurstück-Nr. … in K-Stadt. Im hinteren Grundstücksbereich befindet sich unmittelbar an der Grenze ein über 40 m langes Garagengebäude. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. In der befinden sich zu Wohn- und Gewerbezwecken genutzte Gebäude. Der aus ca. 210 Mitgliedern bestehende Beigeladene unterhält auf einem Teil des westlich angrenzenden und der Stadt K-Stadt gehörenden Nachbargrundstücks ein „Vereinsgelände“ für Angelsport. Auf dem im Landschaftsschutzgebiet „...“ gelegenen Grundstück, das der Beigeladene von der Stadt K-Stadt gepachtet hat, befindet sich auch ein Gewässer. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftbildaufnahme des betroffenen Bereichs dienen (gelb = Grundstück mit Wohnungseigentumsanlage der Klägerin, rot = „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“, blau = Gerätecontainer):
- 3
Im September 1997 hatte der Beigeladene nachträglich eine Baugenehmigung für die bereits zuvor erfolgte Aufstellung eines Seecontainers zur Unterbringung von Geräten, die zur Ausübung des Angelsports vor Ort gelagert werden müssen, erhalten. Der Container grenzte ausweislich der Baupläne im Norden unmittelbar an das Garagengebäude auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ... an. Der Abstand zum Gebäude, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, beträgt etwa 18 m.
- 4
Im August 2002 erteilte der Beklagte dem Kläger eine weitere Baugenehmigung für den Neubau von WC- und Gerätecontainern auf dem städtischen Grundstück. In den Bauplänen war der im September 1997 genehmigte Container sowie eine „Überdachung“ als Bestand eingezeichnet. Hinzu kamen drei weitere Gerätecontainer und eine WC-Anlage für Männer und Damen.
- 5
In der Folgezeit nutzte der Beigeladene die neuen baulichen Anlagen als Schankwirtschaft. Unter der Überdachung waren feste Sitzgarnituren installiert. Dem Antrag des Beigeladenen auf Erteilung einer Gaststättenerlaubnis vom 19. Dezember 2006 gab die Verbandsgemeinde K-Stadt am 11. Juli 2012 mit Wirkung vom 8. Januar 2007 statt. Ferner erhielt der Beigeladene eine Gewerbeerlaubnis zum Verkauf von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken.
- 6
Im November 2010 stellte der Beigeladene beim Beklagten einen neuen Bauantrag zwecks Nutzungsänderung der WC- und Gerätecontainer zu einem Clubheim mit einer Nutzfläche von 37,46 m² zuzüglich Abstellraum und WC mit einer Gesamtnutzfläche von 53,17 m². Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 bat der Beklagte den Beigeladenen im Hinblick auf die Lage des Grundstücks in einem Landschaftsschutzgebiet sowie auf Beschwerden von Anwohnern wegen des zeitweiligen gaststättenähnlichen Betriebs in der Vergangenheit um Vorlage einer gesamtkonzeptionellen Nutzungsdarstellung. Hierauf antwortete der Beigeladene, es habe sich die Notwendigkeit ergeben, einen vorhandenen Container so umzubauen, dass er von den Vereinsmitgliedern als Clubhaus genutzt werden könne. Das Vereinsleben könne sich nicht nur im Freien abspielen. Beschwerden aus der Nachbarschaft habe es hauptsächlich nur von einer Dame gegeben, die hyperempfindlich und nervös erscheine. Nach Durchführung eines Gesprächs zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen änderte dieser seinen Bauantrag in der Folgezeit auf eine Nutzungsänderung der WC- und Gerätecontainer zu einem Aufenthaltsraum für Clubmitglieder ab.
- 7
Am 21. März 2012 kam es wegen der Beschwerden der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen vor dem Schiedsamt des Bezirks K-Stadt zu einer Schlichtungsverhandlung. Die Klägerin monierte dabei insbesondere die regelmäßig mittwochs von 20.00 Uhr bis ca. 22.00 Uhr stattfindende Veranstaltung, bei der sich ca. 25 - 30 Personen träfen, um gemeinsam zu singen. Das Singen, durch Akkordeonspiel begleitet, finde in den Frühjahrs- und Sommermonaten nicht im geschlossenen Raum, sondern bei offenen Fenstern und Türen, oder aber auch unter dem auf dem Vereinsgelände errichteten überdachten Freisitz statt. Die geringe Entfernung zu ihrem Wohnanwesen bedinge eine aus ihrer Sicht nicht unerhebliche Ruhestörung, sodass ein Aufenthalt auf dem Balkon, oder in den nach Westen hin orientierten Wohnräumen bei offener Balkontür bzw. bei offenen Fenstern nicht möglich sei. Die Vertreter des Beigeladenen führten aus, jeweils sonntags von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr, sowie montags, mittwochs und freitags von 16.00 Uhr bis 22.00 Uhr finde in den Clubräumen ein Ausschank statt. Die von der Klägerin angesprochene „Mittwochs-Veranstaltung“ mit gemeinsamen Singen werde bestätigt. Der Beginn sei zwischenzeitlich auf 19.30 Uhr und das Ende auf 21.30 Uhr vorverlegt worden. Die Bedachung des Clubhauses sei im vergangenen Jahr auch unter dem Gesichtspunkt der Wärme- und Schallschutzes erneuert worden.
- 8
Das Schiedsamt schlug eine vergleichsweise gütliche Einigung dahingehend vor, dass der Beigeladene das „gemeinsame Singen“ jeweils mittwochs von 19.30 Uhr bis 21.30 Uhr künftig ausschließlich im geschlossenen Raum (Clubhaus) abhalten werde und dafür Sorge trage, dass während des Singens die Fenster und Türen des Clubhauses geschlossen bleiben. In den Sommermonaten Juli/August werde diese Veranstaltung ausgesetzt. Ansonsten werde der Ausschank, jeweils sonntags von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr, sowie montags, mittwochs und freitags von 16.00 Uhr bis 22.00 Uhr in dem jetzigen Umfang beibehalten, ebenso die bislang nur einmal im Jahr stattfindenden Veranstaltungen (Sommerfest/Preisangeln etc.). Die Klägerin werde hiergegen keine weitergehenden Beschwerden und Einwendungen geltend machen, soweit die vorbezeichneten Veranstaltungen in ihrem bisherigen Umfang verblieben, insbesondere die Öffnungszeiten nicht ausgeweitet würden und die Anzahl bzw. Häufigkeit der Veranstaltungen nicht intensiviert werde. Die Klägerin unterzeichnete die vom Schiedsamt vorgeschlagene Einigung in der Folgezeit nicht mit der Begründung, der Beigeladenen halte sich nicht an die Zusagen.
- 9
Stattdessen stellte sie im Mai 2012 bei dem Beklagten einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Beigeladenen wegen der Nutzung der Gerätecontainer als Gaststätte und die Nutzung des Geländes als Biergarten. Sie betone, dass die Belästigungen nicht von aktiven Angeln ausgingen sondern von Personen, die das Gelände des Beigeladenen ausschließlich aus geselligen Gründen aufsuchten. So sei der Biergartenbetrieb in der Nacht des 11. auf den 12. Mai 2012 bis nach Mitternacht aktiv gewesen, weswegen sie die Polizei verständigt habe. Es fänden mehrmals pro Woche zusätzliche Öffnungstage statt, Partys bis früh morgens, Biergartenbetrieb bis nach Mitternacht sowie Gesänge bei offenen Fenstern mit applaudierenden Gästen im Freien. Der Beigeladene sei nicht willens oder in der Lage, einen verminderten Betrieb sicherzustellen und Auflagen einzuhalten.
- 10
Daraufhin antwortete der Beklagte, er werde demnächst über den Nutzungsänderungsantrag des Beigeladenen entscheiden. Ferner übersandte der Beklagte dem Beigeladenen am 11. Juli 2012 ein Anhörungsschreiben zu einer bevorstehenden Nutzungsuntersagungsverfügung.
- 11
Der Beigeladene ergänzte in einem Schreiben an den Beklagten vom 17. August 2012, mit dem geänderten Bauantrag verbinde er die nachgenannten Absichten, die nach seinem Verständnis mit den Vorgaben zum Betrieb eines Clubheims absolut korrespondierten: Das Vereinsheim solle grundsätzlich montags, mittwochs und freitags in der Zeit zwischen 16.00 Uhr und 22.00 Uhr sowie sonntags in der Zeit zwischen 9.30 Uhr und 13.00 Uhr geöffnet sein. Bei den Besuchern handele es sich nahezu ausnahmslos um Vereinsmitglieder bzw. deren Angehörige oder Bekannte. Einige Sonderveranstaltungen im Jahresablauf (Fischessen an Karfreitag, Angelsportfest etc.) würden - wie auch in der Vergangenheit - rechtzeitig bei der Stadt K-Stadt angezeigt und vorgabegemäß durchgeführt. Die ihm erteilte Gaststättenerlaubnis schließe auch einen Biergartenbetrieb (Sitzgelegenheit im Außenbereich bei entsprechenden Temperaturen und Witterungslagen) ein. Auch diese Nutzung beziehe sich auf den oben genannten Personenkreis. Somit werde sich das zukünftige Betreiben des Vereinsheimes nahezu nicht von den Gepflogenheiten der Vergangenheit unterscheiden, da auch bisher diese zeitlichen Rahmendaten nahezu immer eingehalten worden seien. Die ordnungsrechtlichen Beschwerden der Klägerin könnten nicht nachvollzogen werden.
- 12
Mit Schreiben vom 29. Januar 2014 an den Beklagten schilderte der Architekt des Beigeladenen das Betriebskonzept. Danach werde es in dem dargestellten Aufenthaltsraum keine festgelegten Öffnungszeiten geben. Es sei nicht vorgesehen, eine Schank- und/oder Speisewirtschaft zu betreiben. Der Raum diene einzig dem Schutz und Aufenthalt von Vereinsmitgliedern. Des Weiteren würden Vereinsversammlungen darin stattfinden. Beim Angelsportfest, welches einmal im Jahr stattfinde, finde der Ausschank im Freien statt.
- 13
Im April 2013 bat der Beklagte die Verbandsgemeinde K-Stadt um Stellungnahme u.a. in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht. Die Verbandsgemeinde K-Stadt führte dazu am 2. August 2013 aus, die Zeiten für die Öffnung der Freifläche müssten eingehalten werden, d.h. bis 22:00 Uhr. Innerhalb des Gaststättenraumes sollte es zu keinerlei Lärmbelästigung kommen. In der Vergangenheit hätten sich nur Probleme beim Betrieb der Freifläche gezeigt. Sollte diese gegen 22:00 Uhr geschlossen werden, bestünden keine Bedenken gegen die Errichtung bzw. Nutzungsänderung des Gerätecontainers zu einem Clubheim.
- 14
Unter dem Datum des 4. Februar 2014 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen schließlich im vereinfachten Genehmigungsverfahren die beantragte Baugenehmigung zur „Nutzungsänderung des Gerätecontainers in einen „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“. Die Genehmigung enthält u.a. folgende Nebenbestimmungen:
- 15
„B111: Das Gebäude bzw. die Anlage darf nur zu den aus den Antragsunterlagen ersichtlichen Zwecken genutzt werden.
- 16
B200: Das Bauvorhaben im Außenbereich der Gemarkung K-Stadt liegt im Landschaftsschutzgebiet „...“ und stellt einen Eingriff in Natur und Landschaft gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG dar. […]
- 17
B201: Weitere bauliche Anlagen und Versiegelungen können derzeit nicht in Aussicht gestellt werden.
- 18
B202: Die Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen ist nicht Bestandteil der zulässigen geänderten Nutzung als Aufenthaltsraum.“
- 19
In den genehmigten Bauplänen wurde im Grundriss, in der Ansicht „West“ sowie in dem Lageplan die „Überdachung“ unmittelbar vor dem Eingang zu dem Aufenthaltsraum per Grüneintrag gestrichen.
- 20
Gegen die Baugenehmigung legte die Klägerin am 21. Februar 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, ihre Wohnung liege in einem faktischen reinen Wohngebiet. Das Vorhaben des Beigeladenen sei dort nicht zulässig. Darüber hinaus liege das streitige Bauvorhaben im Außenbereich und sei nicht privilegiert. Eine Genehmigungsfähigkeit sei weder nach § 35 Abs. 1 noch nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB gegeben.
- 21
Zudem sei die Baugenehmigung in Bezug auf die genehmigte Nutzung völlig unbestimmt. Es sei insbesondere nicht zu erkennen, welche Nutzungen durch die Nutzung „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ tatsächlich zulässig seien. Es sei nicht zu akzeptieren, dass der Beklagte in Kenntnis bestehender Nutzungskonflikte eine Nutzung zulasse, die weiteren Interpretationen Spielraum eröffne und die Problematik auf andere staatliche Stellen verschiebe. Der Beigeladene habe zusätzlich zu den streitigen Gerätecontainern, die nunmehr umgenutzt werden sollten, tatsächlich bereits seit Jahren ohne Genehmigung vier fest installierte Sitzgruppen für je acht bis zehn Personen im Freibereich vor den Containern und zudem ein über die Sitzgruppen und den Vorplatz zu den Containern überspannendes großflächiges Vordach errichtet. Es sei bis zum heutigen Zeitpunkt nicht zu erkennen, dass der Beklagte gegen diese ungenehmigten baurechtlichen Nutzungen mit Nachdruck glaubhaft und nachhaltig vorgegangen sei.
- 22
Eine weitere Bewohnerin der Wohnungseigentumsanlage B-Straße ... schilderte in einer E-Mail vom 25. Mai 2014, dass sich der Biergartenbetrieb des Beigeladenen 2014 im Vergleich zu den Vorjahren intensiviert habe. Die bisherigen Öffnungszeiten seien den Gästen bekannt und würden fortgeführt. Zusätzlich bildeten sich neue Treffpunkte, auch weit nach 22 Uhr. Vormittags säßen Schülergruppen in ihren Freistunden an den Sitzgruppen und unter dem Dach. Eine Gesangsgruppe mit ca. 30 Personen inclusive Akkordeonbegleitung treffe sich jeden Mittwoch von 19:30 bis 21:30 Uhr. Die vergangenen beiden Jahre habe das Singen des Chores im Innenraum stattgefunden. Seit diesem Jahr werde wieder im Freien gesungen. Die überdachte Terrasse von ca. 85 m² reiche nicht für alle Gäste der Singstunde. Der Begriff „Vereinsangehörige“ werde großzügig interpretiert. Am 1. Mai 2014 habe der Maiausflug des Gesangsvereins ... im Vereinsheim des Beigeladenen stattgefunden. Eine Sitzgruppe mit Tisch sei kürzlich neu gestaltet worden. Eigene Parkplätze habe der Beigeladene keine.
- 23
Am 13. Mai 2015 fand zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen ein Gespräch statt. Dabei äußerte der Beigeladene sich dahingehend, dass ab dem 1. Juni 2015 die Singstunden der Gesangsgruppe des Angelsportvereins an einer anderen Örtlichkeit stattfinden würden. Bis zum 31. Mai 2015 werde die streitgegenständliche Überdachung freiwillig entfernt. Auf diese Weise solle auch versucht werden, den Nutzungen, die sich außerhalb des Vereinslebens abspielten, möglichst entgegenzuwirken.
- 24
Den Widerspruch der Klägerin vom 21. Februar 2014 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2015, zugestellt am 9. April 2015, zurück. Zur Begründung führte der Kreisrechtsausschuss aus, die Klägerin könne sich nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen, da sich das angegriffene Vorhaben im Außenbereich befinde, während das Wohngebäude, in dem die Klägerin wohne, im faktischen allgemeinen Wohngebiet liege. Im Hinblick auf die von der Klägerin monierten durchgeführten Singstunden sei darauf hinzuweisen, dass das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bereits entschieden habe, dass ein Sängerheim im allgemeinen Wohngebiet zur gebietstypischen Regelbebauung gehöre und somit zulässig sei.
- 25
Das Gebot der Rücksichtnahme sei durch das Vorhaben des Beigeladenen in der Form, wie es mit der angefochtenen Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 genehmigt sei, nicht verletzt, da von ihm keine für die Klägerin unzumutbaren Belästigungen ausgingen. Gemäß der Bedingung B202 der Baugenehmigung seien öffentliche Veranstaltungen von ihr nicht umfasst. Nach der Nebenbestimmung B111 dürfe das Vorhaben nur zu den aus den Antragunterlagen ersichtlichen Zwecken genutzt werden. Zu den Antragsunterlagen gehöre jedoch auch das Betriebskonzept des Beigeladenen vom 29. Januar 2014. Danach sei nicht vorgesehen, eine Schank- und/oder Speisewirtschaft zu betreiben. Der Raum diene einzig dem Schutz und Aufenthalt von Vereinsmitgliedern und der Abhaltung von Vereinsversammlungen. Das von der Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung gerügte großflächige Vordach und die fest installierten Sitzgruppen seien gerade nicht Gegenstand der Baugenehmigung und durch diese legalisiert. Somit seien die von der Klägerin im Wesentlichen monierten Veranstaltungen wie zum Beispiel Biergartenbetrieb und Partys von der Baugenehmigung gerade nicht umfasst. Dies gelte somit auch für die Nutzung des Freibereichs durch Jugendliche, Wanderer und sonstige Personen, sogar von Vereinsmitgliedern. Soweit die Klägerin wöchentliche Singstunden moniere, so wären diese wie gesehen selbst im allgemeinen Wohngebiet zulässig. Da das Vorhaben nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Baugenehmigung nur als Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder diene, sei zudem deutlich gemacht, dass sich in dem Vorhaben nur Mitglieder des Beigeladenen als eingetragenem Verein aufhalten dürften. Letztlich sei nach den eingereichten Bauplänen die Kapazität des Aufenthaltsraums mit 37,46 m² sehr beschränkt. Von einem übermäßigen Besucherkreis sei somit nicht auszugehen. Die Baugenehmigung sei auch hinreichend bestimmt genug, um sicherzustellen, dass das genehmigte Vorhaben keine nachbarschützenden Regelungen verletze.
- 26
Hiergegen hat die Klägerin am 11. Mai 2015, einem Montag, Klage erhoben. Sie betont nochmals, die streitige Baugenehmigung sei nicht hinreichend bestimmt. Weder sei der Gegenstand der genehmigten Nutzung aus der Baugenehmigung beziehungsweise dem Widerspruchsbescheid heraus selbstständig bestimmbar, noch seien Nutzungs- und Betriebszeiten in der angefochtenen Baugenehmigung festgelegt worden. Weiterhin begründe sich die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Baugenehmigung dadurch, dass trotz des bekannten Nutzungs- und Nachbarschaftskonflikte keine Betriebszeiten für die Nutzung im Außenbereich festgelegt worden seien.
- 27
Auch sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Die von ihr, der Klägerin, ausgeübte Wohnnutzung auf ihrem Grundstück sei in hohem Umfang schutzwürdig Dies folge bereits aus dem Charakter des Gebietes, das entgegen der Ansicht des Beklagten ein reines Wohngebiet sei. Die Nutzung des in einem Landschaftsschutzgebiet gelegenen Aufenthaltsraumes des Beigeladenen ginge mit unzumutbarem An- und Abfahrtslärm einher. Hier würden bereits bei der Abfahrt von lediglich drei oder vier Fahrzeugen die für die lauteste Nachtstunde geltenden Lärmrichtwerte überschritten.
- 28
Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Aufenthaltsraum um einen einfachen umfunktionierten Container handele. Dieser verfüge über keine Lärmdämmung, wie sie beispielsweise bei einem aus Stein gebauten Anwesen festzustellen sei. Daher führe auch die Nutzung des Aufenthaltsraumes insbesondere in der Nachtzeit zur erheblichen Lärmbeeinträchtigungen, die unter Berücksichtigung des Rücksichtnahmegebots unzumutbar seien.
- 29
Die Klägerin beantragt,
- 30
die Baugenehmigung des Beklagten vom 4. Februar 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 20. März 2015 aufzuheben
- 31
und
- 32
die Hinzuziehung ihres Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
- 33
Der Beklagte beantragt,
- 34
die Klage abzuweisen.
- 35
Er trägt vor, die Genehmigung sei nicht zu unbestimmt. Die vorgetragene unendlich vielfältige Nutzungsmöglichkeit bestehe bereits aufgrund der geringen Fläche von 37,46 m² nicht. Darüber hinaus bestimme sich der Vereinszweck nach der Satzung des Beteiligten in der Fassung zum Zeitpunkt der Antragsstellung. Damit sei eine dynamische Nutzungserweiterung ausgeschlossen. Außerdem habe sich der Beteiligte „einzig“ zur Nutzung als Schutz- und Aufenthaltsraum verpflichtet, sodass eine anderweitige Nutzung nicht zu befürchten sei.
- 36
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
- 37
Er hält die ergangene Baugenehmigung für rechtmäßig.
- 38
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.).
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1. Die Klägerin ist im Sinne von § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – klagebefugt. Sie kann sich auf eine in Betracht kommende Verletzung von Rechten aus ihrem Sondereigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes – WEG – an der Wohnung im Erdgeschoss des Anwesens „B-Straße ...“ in K-Stadt berufen, die dem Gebäude des Beigeladenen auf dem westlich angrenzenden Grundstück gegenüber liegt. Das Wohnungseigentum, das nach § 1 Abs. 2 WEG aus Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum besteht, zu dem es gehört, vermittelt eine abwehrfähige öffentlich-rechtliche Rechtsposition (s. dazu ausführlich OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. November 2013 – 7 A 2341/11 –, BauR 2014, 252 m.w.N.).
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2. Die Klage muss auch in der Sache Erfolg haben. Die Baugenehmigung des Beklagten vom 4. Februar 2014 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 20. März 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung beurteilt sich vorliegend nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 4. Februar 2014. Zwar wären nachträgliche Rechtsänderungen, die sich insgesamt zu Gunsten des Vorhabens des Beigeladenen auswirken, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 B 40/98 –, NVwZ 1998, 1179 und Urteil vom 20. August 2008 – 4 C 11/07 –, NVwZ 2008, 1349). Rechtsänderungen, die nunmehr aufgrund der am 1. August 2015 in Kraft getretenen Fassung der Landesbauordnung vom 15. Juni 2015 (GVBl Seite 77), eingreifen könnten, sind vorliegend jedoch nicht relevant.
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Ein Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung steht einem Nachbarn nicht schon dann zu, wenn eine Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr müssen durch den Rechtsverstoß zugleich nachbarliche Rechte verletzt werden. Das ist dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, mithin drittschützende Wirkung hat. Eine Baugenehmigung ist demnach im Rahmen einer Anfechtungsklage des Nachbarn nur daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dienen (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1993 – 4 C 5/93 –, NVwZ 1994, 686; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 8 B 10011/12.OVG –).
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Hiernach verstößt die gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 4 Landesbauordnung – LBauO – erteilte Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 gegen von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind. Zwar liegt in bauplanungsrechtlicher Hinsicht kein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch vor (2.1.). Die Klägerin kann sich aber auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme berufen (2.2.).
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2.1. Der Klägerin steht ein Abwehranspruch im Sinne eines Gebietserhaltungsanspruchs gegenüber dem streitgegenständlichen Vorhaben unter dem von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkt der fehlenden Gebietstypik des Bauvorhabens von vornherein nicht zu. Das streitgegenständliche Gebäude auf dem Grundstück des Beigeladenen befindet sich im Außenbereich, während das Grundstück der Klägerin im angrenzenden unbeplanten Innenbereich liegt. Da der Außenbereich kein Baugebiet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1999 – 4 B 38/99 –, NVwZ 2000, 552; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Dezember 2008 – 1 B 10885/08.OVG –), scheidet zugunsten der Klägerin der „gebietsübergreifende Gebietserhaltungsanspruch“ zwingend aus. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet besteht im Übrigen unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen grundsätzlich nicht (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55/07 –, NVwZ 2008, 427; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Februar 2010 – 1 C 10852/09 –, juris). Allenfalls bei einem erkennbaren Willen des Satzungsgebers, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen, kann ein solcher gebietsübergreifender Erhaltungsanspruch eingreifen (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Januar 2000 – 1 A 11751/99 –, BauR 2000, 527). Eine solche Konstellation ist hier von vornherein nicht gegeben.
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2.2. Eine Rechtsverletzung der Klägerin folgt aber aus einem Verstoß gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verankerte Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarlichen Ausprägung. Denn die einen „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ des Beigeladenen betreffende Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 stellt nicht hinreichend sicher, dass das Bauvorhaben des Beigeladenen nicht gegen das drittschützende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
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2.2.1. Die unzweifelhaft im Außenbereich von K-Stadt stattfindende und dem Beigeladenen genehmigte Nutzung ist zunächst nicht nach § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch – BauGB – im Außenbereich privilegiert (vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. März 2003 – 8 A 11810/02.OVG – zur Zulassung von Baulichkeiten im Außenbereich, die lediglich die Betreuung von Bienen erleichtern sollen und BVerwG, Beschluss vom 20. September 1973 – IV B 35.73 –, BRS 27 Nr. 136 zu einer einem Angelsportverein dienenden baulichen Anlage). Als sonstiges Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB darf das Gebäude zur Nutzung als „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ nur zugelassen werden, wenn es öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB stellt eine besondere Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme in Bezug auf Immissionen dar. Das Gebot der Rücksichtnahme soll als Bestandteil des einfachen Rechts nachbarliche Nutzungskonflikte lösen helfen. Drittschützende Wirkung hat das Rücksichtnahmegebot nur, soweit in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines Personenkreises Rücksicht zu nehmen ist, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370; kritisch zu dieser Formel Rieger, UPR 2015, 241).
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Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Dabei kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits den Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6/98 –, NVwZ 2000, 1050; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Mai 2015 – 8 B 10423/15.OVG –). Die Bestimmung der Grenzen, jenseits derer die Belästigungen oder Störungen unzumutbar sind, unterliegt der uneingeschränkten richterlichen Beurteilung. Im Rahmen der (Zumutbarkeits-)Abwägung können die Interessen der Beteiligten ein unterschiedliches Gewicht haben, je nachdem, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig ist oder umgekehrt. Voraussetzung für eine solche Abwägung ist aber, dass derjenige, der ein Vorhaben abwehren will, eine abwägungserhebliche schutzwürdige Position gegenüber dem Vorhaben besitzt.
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Soweit es um Immissionen oder immissionsähnliche Einwirkungen geht, verändert das Gebot der Rücksichtnahme seinen wesentlichen Inhalt nicht danach, ob die jeweiligen Nutzungen beide im Außenbereich oder beide im Innenbereich oder an der Grenze von Außen- und Innenbereich liegen. Das Gebot der Rücksichtnahme gilt daher auch für das – hier vorliegende – grenzüberschreitende Verhältnis zwischen Bebauung im Innen- und im Außenbereich (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1982 – 4 C 28/81 –, NJW 1983, 2460).
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2.2.2. In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf eine Baugenehmigung gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Nebenbestimmungen im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG Genüge zu tun (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132; Jeromin, in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, 3. Auflage 2012, § 70 Rn. 39a). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der Baugenehmigung getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 3. März 2006 – 15 ZB 04.2453 –, juris und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris). Eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage muss aus dem Bauschein selbst – gegebenenfalls durch Auslegung – ersichtlich sein, wobei die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen (grüngestempelten) Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung herangezogen werden können (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132). Wenn der Bauschein und die genehmigten Bauvorlagen hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Baumaßnahmen so unbestimmt sind, dass bei der Ausführung des Bauvorhabens eine Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen ist, so ist eine Baugenehmigung als nachbarrechtswidrig aufzuheben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Mai 2013 – 1 A 11021/12.OVG –, NVwZ-RR 2013, 794 m.w.N.). Verbleiben Abgrenzungsunschärfen im Hinblick auf die Reichweite und die Art der zugelassenen Nutzung, ist im Zweifel ein nachbarlicher Abwehranspruch gegeben (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 28. Oktober 2015 – 9 CS 15.1633 –, juris).
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Dies gilt namentlich auch unter dem Blickwinkel des sog. Etikettenschwindels. Bei diesem ist das zur Genehmigung gestellte bzw. schon genehmigte Bauvorhaben nur vorgeschoben, um der eigentlich beabsichtigten – unzulässigen – Nutzung einen genehmigungsfähigen Anschein zu verleihen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 1 MB 11/08 –, juris). Zwar richtet sich die Frage der Nachbarrechtswidrigkeit eines genehmigten Bauvorhabens in aller Regel allein nach der Baugenehmigung und den zugehörigen Bauvorlagen. Eine Abweichung von der genehmigten Nutzung würde im Falle ihres Vorliegens die streitgegenständliche Baugenehmigung als solche grundsätzlich unberührt lassen und lediglich ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die dann ungenehmigte tatsächliche Nutzung rechtfertigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –; VG Neustadt, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 3 K 470/15.NW –, juris). Das gilt auch für den Fall, dass Umstände, die in den Genehmigungsvorgängen keinen Niederschlag gefunden haben, die Vermutung nahelegen, die betreffende bauliche Anlage solle tatsächlich anders als genehmigt genutzt werden. Anderes gilt jedoch, wenn bereits den Bauvorlagen zu entnehmen ist, dass die genehmigte Nutzung in Wahrheit gar nicht beabsichtigt ist, sondern lediglich deklariert wird, um das Vorhaben genehmigungsfähig erscheinen zu lassen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –, wonach Ausnahmen denkbar sind, in denen Fragen der tatsächlichen Nutzung auch auf die Ebene der Rechtmäßigkeit der Genehmigung durchschlagen können, beispielsweise in Fällen, in denen die genehmigte Baulichkeit für die zur Genehmigung gestellte Nutzung objektiv ungeeignet ist und mithin für diesen Zweck von vorneherein gar nicht genutzt werden könnte). Es sind auch die tatsächlichen Verhältnisse, die zur Stellung des Bauantrags geführt haben, sowie dessen Vorgeschichte zu berücksichtigen, um gegebenenfalls zu ermitteln, ob das wirklich Gewollte dem Beantragten auch entspricht. Weder eine Bauaufsichtsbehörde noch das Gericht müssen sich auf die „Papierform“ eines Bauantrags verweisen lassen, wenn das Verhalten des Bauantragstellers und konkret ermittelte Umstände, die für dessen wahren Bau- und Nutzungsabsichten aussagekräftig sind, – erkennbar – über den Inhalt des Antrags hinausweisen. In solch einem Fall ist ausnahmsweise ein „Durchgriff auf das wirklich Gewollte“ anerkannt, weil die Bauaufsichtsbehörde sich dann nicht zu Lasten betroffener Nachbarn auf den formalen Standpunkt stellen darf, sie habe lediglich eine nach dem Gesetz zulässige Nutzung antragsgemäß genehmigt (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 1 MB 11/08 –, juris und OVG Niedersachsen, Urteil vom 18. November 1993 – 1 L 355/91 –, UPR 1994, 345).
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2.2.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nach Auffassung der Kammer in der angefochtenen Baugenehmigung nicht ausreichend festgelegt, dass das zur Genehmigung gestellte ausdrücklich als „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ bezeichnete Bauvorhaben nachbarrechtskonform betrieben werden kann.
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2.2.2.1. Das Grundstück der Klägerin grenzt unmittelbar an das Außenbereichsgrundstück an, auf dem dem Beigeladenen im Anschluss an einen sog. Gerätecontainer der „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ genehmigt worden ist. Da der Abstand zwischen dem Gelände, auf dem sich der „Aufenthaltsraum“ des Beigeladenen und die Terrasse davor befinden, und der Wohnung der Klägerin weniger als 25 m beträgt, gehört die Klägerin unzweifelhaft zum Kreis der Nachbarn, auf die Rücksicht zu nehmen ist. Nachbarn, die in einer Randlage zum Außenbereich wohnen, können grundsätzlich zwar nicht damit rechnen, dass in ihrer Nachbarschaft keine emittierenden Nutzungen entstehen. Sie dürfen aber darauf vertrauen, dass durch ein (hinzutretendes) Außenbereichsvorhaben keine mit der Wohnnutzung unverträgliche Nutzung entsteht. Das ist jedenfalls nicht der Fall, wenn die Lärmbelastung nicht über das in einem Misch- oder Dorfgebiet zulässige Maß hinausgeht, denn auch diese Gebiete dienen dem Wohnen (§ 6 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 BauNVO; vgl. z.B. BVerwG vom 18. Dezember 1990 – 4 N 6/88 –, NVwZ 1991, 881; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 35 Rn. 187; vgl. auch und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –, wonach ein Vorhaben, das im Außenbereich an der Grenze zu einem Innenbereichsgrundstück errichtet werden soll, nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt, wenn es im Falle der Einbeziehung des Baugrundstückes in den Innenbereich genehmigungsfähig wäre, ohne dass sich ein Nachbar gegen die Zulassung erfolgreich zur Wehr setzen könnte).
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2.2.2.2. Ohne näher darauf einzugehen, nach welchen Vorschriften hier eine eventuelle Unzumutbarkeit des Bauvorhabens des Beigeladenen zu bestimmen ist, hat der Beklagte in Kenntnis der seit Jahren bestehenden Konflikte zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen in der Baugenehmigung keine hinreichenden Vorkehrungen dafür getroffen, dass von dem genehmigten „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ des Beigeladenen keine unzumutbaren Belästigungen für das Anwesen der Klägerin ausgehen. Die vom Beklagten in der Baugenehmigung vorgenommenen Grüneintragungen sind ebenso unzureichend wie die aufgenommenen Nebenbestimmungen B201 und B202. Zwar sind Nebenbestimmungen im Grundsatz geeignet, die Nachbarrechte zu sichern, wenn die Anlage bei regelmäßigem Betrieb so genutzt werden kann, dass die entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten (Bay. VGH, Beschluss vom 3. März 2006 – 15 ZB 04.2453 –, juris; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris, das darauf abstellt, ob die Einhaltung der Nebenbestimmungen von vornherein unrealistisch und nicht überwachbar sind). Bei der Abfassung von Nebenbestimmungen ist auch zu berücksichtigen, dass die Nutzung eines Vorhabens schwerer zu überwachen ist als die bauliche Ausgestaltung (VG Hannover, Beschluss vom 22. Juli 2004 – 12 B 2051/04 –, juris).
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Dies stellt die Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 jedoch nicht hinreichend sicher. Die Nebenbestimmung B201 hat bereits keine verbindliche Aussage, denn sie stellt dem Beigeladenen lediglich weitere bauliche Anlagen und Versiegelungen „derzeit“ nicht in Aussicht. Dabei wird aber völlig ausgeklammert, dass die Fläche unter der Überdachung schon in der Vergangenheit mit Knochensteinen versiegelt und mit festen Sitzgarnituren – beides stellen bauliche Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 LBauO dar – ausgestattet (s. etwa die Lichtbilder auf ...) war und bei lebensnaher Betrachtungsweise in Zukunft auch ohne die per Grüneintrag in den Bauunterlagen gestrichene Überdachung von den Vereinsmitgliedern weitergenutzt werden wird. Aus der Nebenbestimmung B202 ergibt sich nur, dass die Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen nicht Bestandteil der Baugenehmigung ist. Die Nebenbestimmung B111 knüpft mit ihrer Forderung, das Gebäude bzw. die Anlage nur zu den aus den Antragsunterlagen ersichtlichen Zwecken zu nutzen, an das Betriebskonzept des Beigeladenen vom 29. Januar 2014 an, in dem angegeben wurde, es werde in dem dargestellten Aufenthaltsraum keine festgelegten Öffnungszeiten geben und der Raum diene einzig dem Schutz und Aufenthalt von Vereinsmitgliedern sowie der Durchführung von Vereinsversammlungen.
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Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort, die zur Stellung des Bauantrags des Beigeladenen und dessen Änderung im Laufe des Baugenehmigungsverfahrens von „Clubheim“ in „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ geführt haben, sowie der Vorgeschichte des jahrelangen Konflikts zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen, insbesondere dem gescheiterten Schlichtungsversuch des Schiedsamts K-Stadt sowie den Beschwerden einer weiteren Bewohnerin des Anwesens B-Straße 4 in K-Stadt und den vielfachen Anzeigen bei der Polizei, wäre es Aufgabe des Beklagten gewesen, in der – ohnehin objektiv rechtswidrigen – Baugenehmigung dezidierte Vorgaben für die Nutzung des Gebäudes und der Fläche vor dem Gebäude, die weiterhin über fest installierte Sitzgarnituren verfügt, zu machen, damit ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ausgeschlossen werden kann.
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Die genehmigte Nutzung als „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ lässt für den Beigeladenen eine Vielzahl von immissionsträchtigen Nutzungsmöglichkeiten offen. Der Begriff des Aufenthaltsraums wird in § 2 Abs. 5 LBauO legal definiert. Danach sind Aufenthaltsräume Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind. Durch die Beschränkung auf Vereinsmitglieder wird lediglich ausgeschlossen, dass in dem Gebäude und davor – wie in der Vergangenheit – eine öffentlich zugängliche Gaststätte betrieben wird. In dem Betriebskonzept des Beigeladenen vom 29. Januar 2014 heißt es ausdrücklich, es werde in dem Aufenthaltsraum keine festgelegten Öffnungszeiten geben. Dies bedeutet, dass sich Vereinsmitglieder sieben Tage die Woche zeitlich ohne Einschränkung in dem Gebäude und zwar auch zum potenziell immissionsträchtigen geselligen Beisammensein aufhalten dürfen. Das Singen, das in der Vergangenheit häufig Anlass für die Nachbarbeschwerden war, ist nach wie vor zulässig. Der Beigeladene kann jederzeit auch nicht öffentliche Versammlungen, Skatabende, Geburtstagsfeiern von Vereinsmitgliedern etc. abhalten. Dies steht auch nicht im Widerspruch zum Vereinszweck. Gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung des Angelsportvereins K-Stadt und Umgebung e.V. vom 22. Februar 2014 (s. ...) ist Zweck und Aufgabe des Vereins u.a. die Zusammenführung Gleichgesinnter im Sinne einer naturverbundenen und waidgerechten Ausübung der Angelfischerei. Das schließt das gesellige Zusammensein in einem Vereinsheim nicht aus. Den genehmigten Bauplänen – darin ist eine Theke sowie eine Küchenzeile eingezeichnet – kann auch zweifelsfrei entnommen werden, dass es in dem „Aufenthaltsraum“ primär um die Bewirtung der Vereinsmitglieder geht.
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Es finden sich in der Baugenehmigung aber weder Nutzungszeitenbeschränkungen noch hinreichende Vorkehrungen dafür, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte auch tatsächlich zum Schutz der Nachbarschaft eingehalten werden. Die Baugenehmigung „krankt“ auch daran, dass sie keine kontrollierbare Verpflichtung enthält, die Türen und Fenster des Aufenthaltraums ab 22:00 Uhr geschlossen zu halten. Da die Baugenehmigung ferner keine Vorkehrungen gegen ein jederzeit mögliches Öffnen der Türen und Fenster enthält und auch sonst keine effektiven Kontrollmechanismen vorsieht, wird die Überwachung letztlich den betroffenen Nachbarn überantwortet, womit ständige Nachbarschaftskonflikte vorprogrammiert sind (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 22. Juli 2004 – 12 B 2051/04 –, juris).
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Schließlich trifft die Baugenehmigung keinerlei Aussage über die hier im Mittelpunkt stehende Frage nach der Nutzbarkeit der Terrasse vor dem Gebäude. Vor dem Hintergrund des nachbarlichen Konflikts zwischen Klägerin und Beigeladenem teilt die Kammer in diesem Zusammenhang nicht die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung, dies habe er in der Baugenehmigung nicht regeln müssen und sei deshalb auch nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Grundlage des vorliegenden Verfahrens ist die genehmigte Planung und das mitgenehmigte Betriebskonzept (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 2. März 2015 – 9 ZB 12.1377 – juris). Nach dem Bauantrag, den genehmigten Plänen und der Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 umfasst die genehmigte bauliche Anlage ausdrücklich den „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“. Die – mit Knochensteinen befestigte und mit Tischen und Bänken versehene – Freifläche vor dem Gebäude ist von der Baugenehmigung nur insoweit erfasst, als der Beklagte die Überdachung der Terrasse per Grüneintrag gestrichen hat. Angesichts dessen und im Hinblick darauf, dass die Angaben zum Bauvorhaben mit der objektiv möglichen Nutzung vereinbar sein müssen (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 29 Rn. 21), kann aber kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Freifläche vor dem Gebäude von ihrer Funktion und Zweckbestimmung her wesentlicher Teil der Freizeitanlage des Beigeladenen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 28. Oktober 2015 – 9 CS 15.1633 –, juris m.w.N.) und der Beklagte dies im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens daher nicht ausblenden konnte. Der Nutzungsumfang des von dem Beigeladenen gepachteten Geländes ist im Hinblick auf die Zahl der 210 Vereinsmitglieder, die die Freizeitanlage aufsuchen können, jedoch weder aus dem Bauantrag noch aus der Betriebsbeschreibung ersichtlich. Die Freifläche vor dem Gebäude ist auch kein abtrennbarer, selbständiger Teil der Freizeitanlage. Aufgrund der baulichen Konzeption erscheint eine Teilung der Anlage – in einen reinen Aufenthaltsraum mit einer Gesamtnutzfläche von 53,17 m² und in einen Teil Terrasse vor dem Gebäude mit einer Nutzfläche von über 85 m² – nicht möglich. Die Freifläche steht in einem baulich untrennbaren Zusammenhang mit dem Aufenthaltsraum und kann daher nicht isoliert von der Freizeitanlage des Beigeladenen gesehen werden. Da die Baugenehmigung auch bezüglich der Terrasse vor dem Gebäude mit Ausnahme dessen, dass die Überdachung per Grüneintrag gestrichen und damit nicht genehmigt worden ist, keine Vorkehrungen gegen eine (übermäßige) Nutzung trifft, kann die Verletzung des Rücksichtnahmegebots der Klägerin gegenüber nicht ausgeschlossen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3 VwGO.
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Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten ist anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei für erforderlich gehalten werden durfte, also nicht willkürlich und überflüssig, sondern zweckdienlich erscheint (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2014 – 6 B 21/14 –, juris). Eine solche Notwendigkeit bestand hier angesichts der Schwierigkeit des Falles.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
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Beschluss
(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze
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der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit, - 2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder - 3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die vorläufigen Gestattungen der Beklagten nach § 12 des Gaststättengesetzes vom 5. September 2014 und 12. September 2014 in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 sowie die Genehmigungen der Beklagten vom 5. und 12. September 2014 nach dem Landesimmissionsschutzgesetz in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; die jeweiligen Kostenschuldnerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Kostengläubiger nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
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Tatbestand:
2In der Zeit vom 2. Oktober 2013 bis zum 13. Oktober 2013 fand in Essen-Rüttenscheid auf dem Messeparkplatz 2 erstmals ein „ bayerisches Oktoberfest“ in einem Festzelt statt. Nach dessen Ankündigung in der Presse wandte sich der Kläger zu 2. unter dem 29. Juli 2013 an die Beklagte und bat um Informationen zur baurechtlichen Zulässigkeit und den vorgesehenen Lärmschutzauflagen. Das Schreiben wurde nicht beantwortet. Die Beklagte holte Stellungnahmen ihres Bauordnungs- und des Bauplanungsamtes ein. Für das Bauordnungsamt teilte das Rechtsamt mit, für den Messeparkplatz bestehe ein planungsrechtlicher Vorbescheid, eine Baugenehmigung stehe noch aus. Eine Nutzung der Fläche als temporärer Festplatz sei grundsätzlich genehmigungsfähig, allerdings könne die Einhaltung der Lärmwerte problematisch sein. Da diesem Aspekt aber im Rahmen der zu erteilenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Rechnung getragen werde, gebe es baurechtlich keinen zwingenden Handlungsbedarf. Die formelle Baugenehmigung sei für die Nutzung als Festplatz völlig irrelevant, „Fluchtwege usw.“ seien rundherum großzügig vorhanden. Es beständen keine Bedenken, auf das Erfordernis einer baurechtlichen Genehmigung zu verzichten. Das Bauplanungsamt teilte mit, die Parkplatzfläche sei keinem der Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung zuzuordnen. Das gelte auch für die Wohngrundstücke an der X.--------straße . Es seien die Schutzziele eines Mischgebiets einzuhalten.
3Unter dem 1.Oktober 2013 erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9 und 10 des Landesimmissionsschutzgesetzes – LImSchG –, mit denen der Beigeladenen störende Betätigungen während der Nachtruhe und die Benutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, erlaubt wurden. Die zulässigen Immissionsgrenzwerte wurde teils tageweise, teils nach Tagesabschnitten gestaffelt, auf 65 – 75 dB (A) festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Genehmigung (Beiakte Heft 1 Bl. 28-34) verwiesen.
4Mit weiterer Verfügung vom 1. Oktober 2013 wurde der Beigeladenen eine vorübergehende Gestattung nach § 12 des Gaststättengesetzes – GastG – für den Ausschank alkoholischer Getränke in der Zeit des Oktoberfestes auf dem Messeparkplatz erteilt, der Zeitrahmen wurde auf Zeiten zwischen 11.00 und 24.00 Uhr festgesetzt. An allen Veranstaltungstagen war als Betriebsende 23.00 oder 24.00 Uhr angegeben, der Gestattung war die Auflage beigefügt, der Betrieb sei so zu führen, dass weder die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke noch die Allgemeinheit erhebliche Gefahren oder Belästigungen, z. B. Geräusch- oder Geruchsemissionen, erleiden. Im Übrigen wird auf die Gestattung (Beiakte Heft1 Bl. 35-36) verwiesen.
5Nach Durchführung des Festes beurteilten die Beklagte und die Beigeladene dieses positiv. Die Veranstaltung habe 25.000 Besucher aus dem Ruhrgebiet angezogen. Es wurde erwartet, bei einer Wiederholung der Veranstaltung im Jahr 2014, bei der ein Zelt gleicher Größe geplant sei, mit etwa 35.000 Besuchern rechnen zu können.
6Den Klägern zu 1. und 2., die sich auch während des Oktoberfestes wiederholt über Lärmbelästigungen beschwerten, teilte die Beklagte unter dem 10. Dezember 2013 mit, die festgesetzten Immissionswerte seien während des Festes im Wesentlichen eingehalten worden. Es sei verständlich, dass das Fest bei den Anwohnern nicht unbedingt Verständnis finde. Es habe jedoch ein öffentliches Interesse an der Durchführung der Veranstaltung gegeben: Zwar handele es sich beim Rüttenscheider Oktoberfest nicht um eine Traditionsveranstaltung, Nachahmungen des Münchener Oktoberfests fänden aber im gesamten Bundesgebiet statt. Die Abendveranstaltungen seien insbesondere am Wochenende schnell ausgebucht gewesen, das belege das große Besucherinteresse. Die Veranstaltung bedeute einen Imagegewinn für Rüttenscheid, zumal die Besucher nach Betriebsbeendigung noch die örtliche Gastronomie aufgesucht hätten und allgemein zu Folgebesuchen des Stadtteils angeregt werden sollten. Die für die Nachtzeit bewilligten Immissionswerte seien zumutbar gewesen. Bei im Oktober zumutbarem Schließen der Fenster werde die Lärmbelastung erfahrungsgemäß zwischen 30 und 40 dB(A) reduziert.
7Nach Vorgesprächen beantragte die Beigeladene am 19. Mai 2014 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Oktoberfest 2014. Wegen des Standorts des Zeltes wird auf Bl.1, 8 – 10 der Beiakte Heft 1, wegen dessen äußerer Gestaltung auf Bl. 985-987 der Beiakte Heft 2 verwiesen. Es sei beabsichtigt, das Zelt in der Zeit vom 25. September 2014, 8.00 Uhr bis zum 29. September 2014 um 18.00 Uhr aufzubauen. Der Abbau solle vom 12. Oktober 2014, 8.00 Uhr bis zum 14. Oktober 2014, 18.00 Uhr dauern.
8Folgende Veranstaltungen seien vorgesehen: Am Dienstag, dem 30. September 2014 von 18.00 Uhr bis 24.00 Uhr ein Treffen von RWE-Führungskräften mit ca. 1.000 Personen.
9Von Donnerstag, dem 2. Oktober 2014, bis zum Samstag, dem 11. Oktober 2014, solle das Rüttenscheider Oktoberfest stattfinden. Das Live-Musikprogramm solle an den Werktagen bis 22.00 Uhr dauern, am Freitag, Samstag und am Eröffnungstag bis 23.00 Uhr. Nach der Live-Musik solle jeweils noch eine weitere Stunde ruhigere Musik von CDs gespielt werden.
10Zudem beantragte die Beigeladene die für die Durchführung der Veranstaltung erforderliche gaststättenrechtliche Erlaubnis.
11Unter dem 26. Mai 2014 wandten sich die Kläger, die Eigentümer und Bewohner von Wohnungen im Haus X.--------straße 11 sind, an die Beklagte. Unter Hinweis auf die Erfahrungen mit dem Oktoberfest 2013 verlangten sie, die Durchführung der Veranstaltung zu untersagen. Jedenfalls seien Schutzauflagen bei Durchführung der Veranstaltung notwendig. Die maßgeblichen Immissionsrichtwerte seien tagsüber an
12Werktagen auf 55 dB (A), tags an Werktagen während der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen auf 50 dB (A) und nachts auf 40 dB (A) festzusetzen. Live- Musikdarbietungen müssten um 22.00 Uhr enden. Der Auf- und Abbau der Anlagen dürfe werktags nur außerhalb der Ruhezeiten und nicht an Sonn- und Feiertagen stattfinden.
13Unter dem 11. Juli 2014 lehnte die Beklagte die Untersagung der Veranstaltung ab. Der Freizeitlärmerlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2009- Freizeitlärmerlass - regele die Zulässigkeit der maßgeblichen Immissionsrichtwerte bei komplexen Veranstaltungen nicht abschließend. Es liege auf der Hand, dass bei großen Veranstaltungen schon durch die Anwesenheit des Publikums höhere Werte erzielt würden. Insbesondere werde die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach dem Landesimmissionsschutzgesetz dort nicht abschließend geregelt. Zu Einzelheiten der beabsichtigten Genehmigungen könne derzeit noch keine Auskunft gegeben werden.
14Ungeachtet eines Antrags der Kläger an das erkennende Gericht, die Veranstaltung im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, erteilte die Beklagte der Beigeladenen am 5.September 2014 eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9 und 10 LImSchG. Es wurden für die folgenden Veranstaltungstage Ausnahmen vom Verbot von Betätigungen, die die Nachtruhe zu stören geeignet sind, und vom Verbot der Nutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, mit folgenden Immissionsgrenzwerten zugelassen.
15Donnerstag, den 2.10.2014 16.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
1622.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
17Freitag, den 3.10.2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
1813.00 – 17.00 Uhr 65 dB (A)
1917.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
2022.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
21Samstag, den 4.10. 2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
2213.00 – 17.00 Uhr 65 dB (A)
2317.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
2422.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
25Sonntag, den 5.10. 2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
2613.00 - 17.00 Uhr 65 dB (A)
2717.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
28Montag, den 6.10. 2014 17.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
29Dienstag, den 7.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
30Mittwoch, den 8.10. 2014 17.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
31Donnerstag, den 9.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
32Freitag, den 10.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
3322.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
34Samstag, den 11.10.2014 11.00 - 13.00 Uhr 70 dB (A)
3513.00 - 17.00 Uhr 65 dB (A)
3617.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
3722.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
38Wegen der weiteren Auflagen wird auf die Genehmigung (Beiakte Heft 2 Bl. 405 -413) verwiesen.
39Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Veranstaltung, die in Anlehnung an andere ähnliche Großveranstaltungen in München, Stuttgart und Münster als Außenveranstaltung konzipiert worden sei, stehe die Zeltatmosphäre im Vordergrund, deren gemütlicher Charakter sei in Veranstaltungs- und Messehallen nicht erreichbar. Das Zelt biete etwa 3.000 Besuchern Platz, der allgemeine Schallpegel innerhalb größerer Menschenansammlungen liege erfahrungsgemäß zwischen 65 und 70 dB (A). Damit Musik noch wahrgenommen werden könne, sei es notwendig, die Beschallung mindestens 5 dB(A) höher anzusetzen.
40Die zumutbaren technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Verminderung des mit der Veranstaltung verbundenen Lärms seien auf dieser Grundlage getroffen worden.
41Die Veranstaltung liege im öffentlichen Interesse. Gerade an Wochenenden zeige das Freizeitverhalten ein Bedürfnis nach großen Abendveranstaltungen. Aufgrund der Erfahrungen aus dem Vorjahr sei davon auszugehen, dass gerade die Abendveranstaltungen ausverkauft sein würden und zum Fest mindestens 25.000 Besucher zu erwarten seien. Das damit verbundene Interesse sei höher zu bewerten als das der Anlieger an der Beachtung der im Freizeitlärmerlass aufgeführten Immissionsrichtwerte.
42Die zweifelsohne zu erwartende Störung der Anwohner werde durch die zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der Genehmigung so weit wie möglich begrenzt und sei daher zumutbar. Die erlaubte Verkürzung der Nachtruhe an einigen Stunden für einige Tage werde sich für den größten Teil der Anwohner nicht auswirken, da der folgende Tag in der Regel arbeitsfrei sei und somit zum Ausschlafen genutzt werden könne. Da die Veranstaltung während der Herbstferien stattfinde, würden Schüler nicht besonders beeinträchtigt.
43Die Immissionsrichtwerte und –zeiten seien zudem so gewählt, dass es den Anwohnern zuzumuten sei, die Fenster für einen überschaubaren Zeitraum zu schließen und so passiven Lärmschutz von etwa 30 dB (A) zu erhalten.
44Die mit einer Zwangsgeldandrohung verbundene Genehmigung, deren sofortige Vollziehung angeordnet wurde, wurde der Beigeladenen am 8. September 2014 übersandt. Gleichzeitig wurde der Beigeladenen eine vorübergehende Gestattung vom 5. September 2014 für die oben aufgeführten Betriebszeiten in der Zeit vom2. Oktober 2014 bis zum 11. Oktober 2014 zum Ausschank alkoholischer Getränke erteilt. In ihr ist neben einer Lärmschutzbestimmung für die Nutzung von Kühlcontainern, Kühlaggregaten und Lüftungsanlagen unter anderem folgende Auflage enthalten:„Der gestattete Betrieb ist stets so zu führen, dass weder die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder die Nachbargrundstücke noch die Allgemeinheit erhebliche Gefahren oder Belästigungen, z.B. durch Geräusch- oder Geruchsemissionen, erleiden.“
45Auch bezüglich der vorübergehenden Gestattung wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
46Mit Schreiben vom 12. September 2014 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, sie habe am 12. September 2014 eine gaststättenrechtliche Erlaubnis für eine Abendveranstaltung für RWE-Führungskräfte am 30. September 2014 im Oktoberfestzelt erteilt ( Beiakte Heft 2 Bl. 452). Diese Genehmigung betreffe aber allein den gastronomischen Teil der Veranstaltung (Speisen- und Getränkeabgabe), nicht etwa eine über den erlaubten Rahmen hinausgehende Lautstärke von Musikdarbietungen oder eine Einschränkung der Nachtruhe. Es handele sich um eine Firmenveranstaltung, ein besonderes öffentliches Interesse an der Veranstaltung sei nicht erkennbar. Bei deren Durchführung dürften die zulässigen Immissionsrichtwerte nicht überschritten werden, in Anbetracht der planungsrechtlichen Einstufung der der Veranstaltungsfläche nächstgelegenen Wohnbebauung seien an der Außenseite der Bebauung folgende Werte zulässig:
47Bis 20.00 Uhr 60 dB(A)
4820.00 – 22.00 Uhr 55 dB (A)
49Nachts, also ab 22.00 Uhr 45 dB(A).
50Mit weiterer Ausnahmegenehmigung gemäß § 10 Abs. 4 LImSchG vom 12. September 2014 erlaubte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung am 10. Oktober 2014 in der Zeit von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr die Nutzung von Geräten zur Schallerzeugung und Schallwiedergabe zur Durchführung eines Seniorennachmittags und setzte den erlaubten Immissionsrichtwert auf 70 dB (A) fest. Gleichzeitig erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine vorläufige Gestattung zum Ausschank alkoholischer Getränke für diese Zeit, deren Nebenbestimmungen der vorübergehenden Gestattung vom 8. September 2014 entsprachen.
51Am 24. September 2014 schlossen die Beteiligten vor dem erkennenden Gericht einen Vergleich im Rahmen des auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens, der der Beigeladenen die Durchführung der Veranstaltung ermöglichte. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins im Verfahren 19 L 1153/14 (Beiakte Heft 2 Bl 500- 506) verwiesen.
52Mit Verfügung vom 2. Oktober 2014 änderte die Beklagte die Zwangsgeldandrohungen in den Ausnahmegenehmigungen vom 5. und 12. September 2014. Mit weiterem Bescheid vom 2. Oktober 2014 ergänzte die Beklagte die vorübergehende Gestattung vom 5. September 2014 um eine Zwangsgeldandrohung. Die Änderungsbescheide wurden der Beigeladenen am 2. Oktober 2014 zugestellt.
53Die Kläger haben unter Rücknahme des am 16. September 2014 gegen die Ausnahmegenehmigung vom 5. September 2014 erhobenen Widerspruchs entsprechend dem am 24. September 2014 geschlossenen Vergleich am 2. Oktober 2014 Anfechtungsklage gegen die von der Beklagten erteilten vorläufigen Gestattungen und Ausnahmegenehmigungen mit dem angekündigten Ziel erhoben, die Rechtswidrigkeit der Entscheidungen nach Durchführung des Festes feststellen zu lassen. Sie führen aus, die erteilten Genehmigungen und Gestattungen seien rechtswidrig. Ihre Wohnungen lägen in einem allgemeinen Wohngebiet, hiernach richte sich der ihnen zukommende Schutz. Bei der Durchführung des Oktoberfestes 2014 sei es wie im Vorjahr zu erheblichen Lärmbelästigungen gekommen, die festgesetzten Immissionsrichtwerte seien unzulässig überhöht. Die erteilten Erlaubnisse seien schon deshalb rechtswidrig, weil lediglich die Lärmemissionen durch die Musikveranstaltungen und die Störung der Nachtruhe erfasst worden seien, die Kommunikationsgeräusche durch den Betrieb und die Besucher und den An-und Abfahrtsverkehr habe die Beklagte überhaupt nicht bewältigt. Entsprechend sei bei der Festsetzung der Immissionsrichtwerte nicht beachtet worden, dass auch deshalb Zuschläge wegen der Ton-, Informations- und Impulshaltigkeit des Lärms zu berücksichtigen gewesen seien. Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen des Freizeitlärmerlasses bei der Festlegung der Immissionsrichtwerte nicht beachtet worden. Das wiege besonders schwer, weil die dort genannten Voraussetzungen für eine Privilegierung der Veranstaltung der Beigeladenen offenbar nicht gegeben seien. Es handele sich nicht um eine traditionelle ortsgebundene Veranstaltung und auch nicht um ein seltenes Ereignis im Sinn der Freizeitlärmrichtlinie. Das scheitere schon daran, dass der Messeparkplatz weit mehr als 10 Tage im Jahr für außergewöhnliche lärmträchtige Veranstaltungen genutzt werde. So habe in der Zeit vom 30. Juli 2014 bis zum 3. August 2014 die Veranstaltung „Rü…Genuss pur 2014“ stattgefunden, in diesem Rahmen seien die Kläger nachts Immissionen mit Beurteilungspegeln von bis zu 64 dB (A) ausgesetzt worden. Darüber hinaus werde der Platz zur Veranstaltung von Flohmärkten genutzt, zudem komme es bei Großveranstaltungen in der Grugahalle nachts zu erheblichem Abreiseverkehr. Auf dem benachbarten Fußballplatz komme es darüber hinaus vielfach bei Vereinsfesten zu erheblichen Lärmbelästigungen. Selbst wenn man ein seltenes Ereignis annehmen wolle, sei der eingeräumte Zeitraum, an dem das Oktoberfest stattfinde, eindeutig zu lang. Abgesehen davon, dass auch die Beklagte im Erörterungstermin vom 24. September 2014 zugestanden habe, dass die Voraussetzungen eines seltenen Ereignisses nach dem Freizeitlärmerlass und der TA Lärm nicht vorlägen, seien die Immissionswerte für seltene Ereignisse zudem noch überschritten worden. Hierfür fehle jede Rechtfertigung, zumal Alternativstandorte für das Fest überhaupt nicht geprüft worden seien. Es sei nicht einzusehen, warum die Veranstaltung, für die ein Ortsbezug ohnehin fehle, nicht in der nahegelegenen Grugahalle durchgeführt werden könne.
54Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der Parkplatz nicht als Festplatz genehmigt sei. Das habe zur Folge, dass die Veranstaltung auch mangels Baugenehmigung rechtswidrig sei.
55Es sei zudem zu bemängeln, dass der Aufbau und Abbau des Festzeltes unter Verstoß gegen das Feiertagsgesetz und die Bestimmungen zum Schutz der Nachtruhe stattgefunden habe.
56Die Kläger beantragen,
57festzustellen, dass die Ausnahmegenehmigungen der Beklagten nach dem Landesimmissionsschutzgesetz für das „Rüttenscheider Oktoberfest“ vom 5. September 2014 mit Ergänzung vom 12. September 2014 und in der Fassung der Ergänzung vom 2. Oktober 2014 sowie die gaststättenrechtlichen Gestattungen der Beklagten vom 5. und zweimal 12. September 2014 in der Fassung der Ergänzung vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren,
58hilfsweise,
59- 60
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, durch Auflagen oder Anordnungen zu den genannten Genehmigungen und Gestattungen sicherzustellen, dass bei der Durchführung des „Oktoberfestes Rüttenscheid“ 2014 an den Immissionsorten 0,5 m vor dem geöffneten Fenster der Wohnküche im EG rechts, 2. OG rechts und im 1. OG links tags bzw. des Schlafzimmers im EG rechts, im 2. OG rechts und im 1. OG links nachts im Gebäude X.--------straße 11 in Essen Beurteilungspegel von
- tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten von 55 dB (A)
62- tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB (A) und
63- nachts von 40 dB (A)
64eingehalten werden und dies durch Lärmmessungen einer anerkannten Messstelle oder eines Fachgutachters an den besagten Immissionsorten sichergestellt und bei Überschreitungen die Veranstaltung sofort abgebrochen wird,
65- 66
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, durch Auflagen oder Anordnungen gegen die Beigeladene sicherzustellen, dass der Aufbau und Abbau des Festzeltes sowie sonstiger zu der Veranstaltung gehörender Anlagen und Einrichtungen und der Sound-Check für das „Oktoberfest Rüttenscheid“ 2014 nur tagsüber außerhalb der Ruhezeiten und nicht an Sonn- und Feiertagen stattfinden und das Festzelt nur tags und außerhalb der Ruhezeiten aufgeräumt werden durfte.
Die Beklagte beantragt,
68die Klage abzuweisen.
69Sie führt aus, die Einwirkungsorte lägen in einem Mischgebiet, hiernach richte sich der Schutzbedarf der Wohnnutzung der Kläger. Das Oktoberfest sei entsprechend den Vorgaben der angefochtenen Genehmigungen durchgeführt worden. Unter Berücksichtigung der von den Besuchern ausgehenden Grundgeräusche sei hinsichtlich der Beschallung bei den Immissionsrichtwerten kein Zuschlag erforderlich gewesen. Die nach Veranstaltungsende auftretenden Kommunikations- und Verkehrsgeräusche könne der Veranstalter nicht verhindern, auch ohne diesbezügliche Auflagen wären die Ordner der Beigeladenen gegen lautes Geschrei oder andere Beeinträchtigungen eingeschritten. Die Zahl der Beschwerden sei gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, die Polizei habe keine negativen Erkenntnisse.
70Es werde nicht bestritten, dass es sich nicht um eine Traditionsveranstaltung handele. Unter Berücksichtigung des Freizeitverhaltens der Bevölkerung sei es allerdings lebensfremd, ein früheres Veranstaltungsende oder gemäßigtere Immissionsrichtwerde vorzugeben. Dann wäre die Veranstaltung von vornherein zum Scheitern verurteilt.
71Der Freizeitlärmerlass stehe der Veranstaltung nicht entgegen, dessen Regelungen seien mehrdeutig. Über die dort geregelten Sachverhalte hinaus seien Ausnahmegenehmigungen zulässig, in diesem Rahmen seien die angefochtenen Entscheidungen getroffen worden. Zuvor sei nach Alternativstandorten gesucht worden. Gegen eine Verlagerung in eine Halle spreche jedoch der angestrebte Zeltcharakter der Veranstaltung, zudem sei die Durchführung des Festes in einer Halle weder finanzierbar noch zeitlich durchführbar. Das Zelt habe auf einem unbefestigten Boden errichtet werden müssen, hierfür sei nur der Parkplatz in Rüttenscheid geeignet. Die Verbindung zu diesem Stadtteil sei notwendig, um Gästen des Festes nach Veranstaltungsende die Möglichkeit zu geben, die umliegenden Gastronomiebetriebe insbesondere an der Rüttenscheider Straße aufzusuchen.
72Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
73die Klage abzuweisen.
74Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Akte des Verfahrens19 L 1153/14 verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
75E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
76Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – bzw. in analoger Anwendung dieser Bestimmung zulässig. Die angefochtenen Entscheidungen sind insbesondere nicht vor ihrer Erledigung mit Ablauf ihrer zeitlichen Geltung bestandskräftig geworden.
77Gegen die vorläufigen Gestattungen vom 5. und 12.September 2014 haben die Kläger am 2. Oktober 2014 und damit vor Ablauf eines Monats nach Ergehen der Entscheidungen Klage erhoben, damit ungeachtet der Frage, ob und wann diese den Klägern bekanntgegeben wurden, die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO jedenfalls gewahrt. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war insoweit nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 110 Abs. 1 und 3 Sätze 1 und 2 Nr. 8 des Justizgesetzes nicht statthaft.
78Solange sich die Ausnahmegenehmigungen nicht durch Zeitablauf erledigt hatten, mussten diese dagegen mit dem Widerspruch angefochten werden (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 110 Abs. 3 Satz 1 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen, § 69 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die am 2. Oktober 2014 erhobene Anfechtungsklage war insoweit bei Klageerhebung deshalb unzulässig; da der Widerspruch vom 16. September 2014 gegen die Ausnahmegenehmigung vom 5. September 2014 am 2. Oktober 2014 zurückgenommen wurde, konnte auch dieser den Eintritt der Bestandkraft nicht hindern. Den Klägern sind die angefochtenen Ausnahmegenehmigungen allerdings durch die Beklagte zu keiner Zeit bekanntgegeben worden, zudem ist die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung für die Kläger als am Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Dritte unrichtig, da lediglich auf die Klage hingewiesen wird. Infolgedessen konnten die Ausnahmegenehmigungen bis zu ihrer Erledigung durch Zeitablauf gegenüber den Klägern mangels Laufs und Ablaufs der Widerspruchsfrist nicht bestandskräftig werden. Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens wurde mit Erledigung der Ausnahmegenehmigungen unzulässig, die von den Klägern begehrte Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit war danach nur noch im gerichtlichen Verfahren in analoger Anwendung § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO möglich. Einen hierauf gerichteten Klageantrag haben die Kläger bereits in der Klageschrift angekündigt und spätestens mit Schriftsatz vom 9.Januar 2015 bei Gericht anhängig gemacht. Dieses Begehren ist nicht fristgebunden gerichtlich geltend zu machen.
79Die Kläger sind auch klagebefugt. Sie können sich bezüglich aller angefochtenen Entscheidungen darauf berufen, dass eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte möglich erscheint.
80Soweit sich die Kläger gegen gaststättenrechtliche vorübergehende Gestattungen wenden, folgt das daraus, dass diese von Nachbarn erfolgreich angefochten werden können, wenn deren Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes ausgehen. Die Erteilung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis ist nämlich nach § 4 Abs. 1 Satz 3 GastG zu versagen, wenn solche schädlichen Umwelteinwirkungen zu befürchten sind, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG bestätigt diese Zielsetzung des Gesetzes damit, das auch nachträglich zu jeder Zeit diesem Schutzzweck dienende Auflagen bei bestehenden Betrieben erteilt werden können. Zwar enthält § 12 GastG für vorübergehende Auflagen zu schädlichen Umwelteinwirkungen keine ausdrücklichen Regelungen, ihre Erteilung ist auch unter erleichterten Voraussetzungen – was auch Erleichterungen im Bereich der Umwelteinwirkungen einschließen kann – möglich. Das stellt allerdings vorübergehende Gestattungen nicht von den Pflichten des Immissionsschutzrechts frei. Die gesetzlichen Regelungen haben auch bei vorübergehenden Gestattungen zum Ziel, die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen. Die Nachbarn können die sachgerechte Beachtung der immissionsrechtlichen Vorschriften im Rahmen des gerichtlichen Nachbarschutzes auch bei Entscheidungen nach § 12 GastG geltend machen.
81Die Kläger sind als Eigentümer der von den Lärmimmissionen betroffenen Wohnungen auch befugt, gegen nach ihrer Auffassung unzumutbare Belastungen durch die Veranstaltung vorzugehen, da sie damit verbundene Einschränkungen ihres Eigentums nur nach Maßgabe der Gesetze hinnehmen müssen. Zudem gehören die Kläger als Anwohner des Veranstaltungsorts auch wegen ihrer persönlichen Betroffenheit zur Nachbarschaft im Sinne des Gesetzes. Auf die in den Verwaltungsvorgängen diskutierte Frage, ob sich die Klägerin zu 1) dauerhaft im Einwirkungsbereich der Veranstaltung aufhalte, kommt es schon wegen ihres Eigentums nicht an.
82Nichts anderes gilt, soweit sich die Kläger gegen die Ausnahmegenehmigungen nach dem Landesimmissionsschutzgesetz wenden. Die Verbote der Störung der Nachtruhe und die Einschränkung der Nutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, sind nicht nur im öffentlichen Interesse erlassen worden. Sie sollen auch die von solchen Einwirkungen Betroffenen schützen und können deshalb auch gegenüber den zuständigen Behörden gerichtlich durchgesetzt werden.
83Der Klagebefugnis kann die Beklagte auch nicht, wie dies der Sache nach durch ihren Vertreter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist, entgegenhalten, bei seltenen Ereignissen oder Ausnahmen im Rahmen der Anwendung des Freizeitlärmerlasses sei eine Verletzung von Rechten der Nachbarn ausgeschlossen, weil wegen der zeitlichen Begrenzung der Immissionen auf wenige Tage eine Gesundheitsgefahr ausgeschlossen sei. Dieser Auffassung ist offenbar nicht zu folgen:
84Ihr steht zunächst schon entgegen, dass es bei dem hier angesprochenen Rechtsschutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen nach der gesetzlichen Definition in § 3 Abs. 1 BImSchG nicht nur um Immissionen geht, die Gefahren hervorrufen können, sondern auch solche Einwirkungen relevant sind, die erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft zur Folge haben können. Es tritt hinzu, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass seltene Ereignisse mit derart schwerwiegenden Beeinträchtigungen etwa durch Lärm verbunden sind, dass die Gefahrenschwelle in Rede steht. Im Übrigen ist die Funktion des Begriffs des seltenen Ereignisses in Nummer 7.2 TA Lärm bzw. Nr. 3.2 des Freizeitlärmerlasses nicht die eines Irrelevanzkriteriums, was zur Folge hätte, dass die damit einhergehenden Immissionen als von vornherein unschädlich zu bewerten wären. Das Vorkommen seltener Ereignisse rechtfertigt allenfalls, die damit verbundenen Immissionen bei der Bestimmung der von einem Dauerbetrieb ausgehenden Belastungen außer Acht zu lassen, sowohl Nr. 7.2 TA Lärm als auch Nr. 3.2 der Freizeitlärmrichtlinie lassen aber keinen Zweifel daran, dass seltene Ereignisse nach Maßgabe der jeweils getroffenen Regelungen im Einzelfall zu bewerten sind und ihre Regelung dem Ziel der Vermeidung schädlicher Umweltbeeinträchtigungen verpflichtet bleibt. Die Beachtung dieses Ziels ist auch im Rahmen des Nachbarschutzes durchsetzbar. Jede andere Handhabung würde verkennen, dass Nachbarschutz dauerhaft gewollt ist und gerade im Fall seltener Ereignisse oder bei der Anwendung von Ausnahmebestimmungen, die ein Abweichen von Schutzstandards im Einzelfall ermöglichen, garantiert sein muss, dass im Rahmen solcher Sonderfälle das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmen und ihre Begrenzung effektiv kontrolliert werden kann. Das kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, dass auch in Nummer 3.2. des Freizeiterlasses Immissionsrichtwerte als Höchstwerte aufgeführt sind und in Nummer 7.2 TA Lärm für seltene Fälle eine eingehende Einzelfallprüfung vorgeschrieben ist. Nichts anderes gilt erst recht, wenn über diese Begrenzungen hinaus im Wege der Ausnahme nach Nummer 3.4 der Freizeitlärmrichtlinie noch die Eingrenzungen seltener Fälle überschnitten werden. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretene entgegenstehende Auffassung führt in letzter Konsequenz zu dem untragbaren Ergebnis, dass Nachbarschutz gerade dann nicht geltend gemacht werden könnte, wenn die mit den Immissionen verbundenen Beeinträchtigungen offenbar höher sind als bei der Regelnutzung einer Anlage.
85Die Kläger haben auch ein Feststellungsinteresse. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass sie auch in Zukunft in vergleichbarem Umfang Oktoberfeste einmal jährlich nach den Maßstäben, die für dessen Zulassung im Jahr 2014 angewendet wurden, auf der Grundlage des Gaststättenrechts und des Landesimmissionsschutzgesetzes ermöglichen will. Die Beigeladene hat die Durchführung vergleichbarer Veranstaltungen in Zukunft nicht ausgeschlossen. Es ist deshalb unverkennbar, dass die Kläger auch zukünftig mit der Durchführung von Oktoberfesten am bisherigen Standort rechnen müssen. Sie haben daher ein berechtigtes Interesse an einer Klärung der Zulässigkeit solcher Veranstaltungen anhand der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der für das letzte Jahr von der Beklagten getroffenen Entscheidungen, um gegebenenfalls anhand verbindlicher Maßstäbe entscheiden zu können, ob sie deren Wiederholung hinnehmen müssen. Zur Klärung dieser Fragen durch ein gerichtliches Hauptsacheverfahren haben sich die Beteiligten zudem im Vergleich vom 24. September 2014 ungeachtet der dort in Aussicht genommenen Entschädigungen verpflichtet.
86Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Die dort aufgeführten von der Beklagten erteilten vorübergehenden Gestattungen und Genehmigungen waren rechtswidrig:
87Dabei ist vorab klarzustellen, dass vorliegend keinerlei Veranlassung bestand, Regelungen im Rahmen der Ausnahmebestimmungen nach den §§ 9,10 LImSchG zu treffen. Ungeachtet des Umstandes, dass diese Bestimmungen prinzipiell nur von Personen ausgehende und diesen zuzurechnende Verhaltensweisen betreffen, die zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen können, war der Anwendungsbereich des Landesimmissionsschutzgesetzes schon deshalb nicht eröffnet, weil die Bewältigung der mit der Veranstaltung Oktoberfest 2014 verbundenen Immissionen abschließend im Rahmen der gaststättenrechtlichen Vorschriften vorzunehmen war. Die hier anwendbare Bestimmung des § 12 GastG gibt der Beklagten auf, die Vereinbarkeit des danach zugelassenen Betriebs angesichts fehlender verbindlicher Bestimmungen aufgrund baurechtlicher Genehmigungen umfassend und damit auch einschließlich der zu erwartenden Einwirkungen auf die Umwelt abschließend und effektiv zu regeln. Für eine Ausgliederung der Betriebsdauer und der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen lässt das Gaststättengesetz als Bundesgesetz keinen Raum. Die von der Beklagten auf der Grundlage der §§ 9,10 LImSchG erteilten Ausnahmegenehmigungen sind daher schon deshalb rechtswidrig, weil diese Bestimmungen nicht angewendet werden durften und eine gesetzmäßige Einschränkung der Rechte der Kläger auf dieser Grundlage ausscheidet.
88Die von der Beklagten ausgesprochenen vorübergehenden Gestattungen nach § 12 GastG sind ebenfalls rechtswidrig. Sie lassen in unzulässiger Weise schädliche Umwelteinwirkungen auf die Kläger und deren Eigentum zu und verfehlen deshalb den gesetzlichen Regelungsauftrag.
89Dazu ist zunächst allgemein festzuhalten, dass vorläufige Gestattungen den mit einem solchen Gaststättenbetrieb verbundenen Lärm nach Maßgabe der Eigenart der gestatteten Betriebsweise umfassend und vollständig zu regeln haben. Dazu gehört nicht nur die Frage der Betriebszeit und der Musikdarbietungen, sondern auch ganz essentiell die Bewältigung der Konflikte, die erkennbar durch das Publikum und den der Veranstaltung zurechenbaren Straßen- und Zugangsverkehr hervorgerufen werden. Dass solche Konflikte in erheblichem Umfang zu erwarten waren, war angesichts der großen Zahl der Besucher der Veranstaltungen und der Lage der Betriebsstätte außerhalb öffentlicher Verkehrswege offenkundig. Es ist nicht ansatzweise zu erkennen, was die Auffassung der Beklagten rechtfertigen soll, Umstände dieser Art seien der Beigeladenen nicht zuzurechnen und bedürften deshalb keiner Beachtung im Rahmen der Zulassung des Betriebs.
90Dem gesetzlichen Regelungsauftrag werden die vorläufigen Gestattungen nicht gerecht. Sie sind sämtlich unbestimmt, da in ihnen verbindliche Bestimmungen dazu fehlen, welche Werte die Beigeladene nicht überschreiten darf. Die in ihnen enthaltenen Auflagen verweisen, von lediglich Randbereiche betreffenden Aussagen zum Betrieb technischer Einrichtungen abgesehen, ohne nähere einzelfallbezogene Angaben auf die gesetzlichen Verpflichtungen zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen. Angesichts der offenkundig zu erwartenden erheblichen Lärmbeeinträchtigungen der Anwohner genügt dies nicht der Pflicht, durch die konkrete Festsetzung von Immissionsrichtwerten den Nachbarschutz effektiv und überprüfbar zu regeln. Die Beklagte handelt daher schon durch die Erteilung vorläufiger Gestattungen nach § 12 GastG, die - wie vorliegend – dieser Steuerungspflicht zu Lasten der Anwohner nicht genügen, rechtswidrig. Sie verletzt damit zugleich die Rechte der Anwohner, die aufgrund der aufgezeigten Nachbarrechte Anspruch darauf haben, dass zu ihrem Schutz effektiv schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden.
91Das gilt umso mehr, als die Entscheidungen erkennbar nicht auf Verwirklichung angelegt sind. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird.
92Unabhängig davon gilt: Selbst wenn man entgegen dem vorstehenden Ansatz zu Gunsten der Beklagten die Regelungen in den Ausnahmegenehmigungen sowie die Zwangsmittelandrohungen vom 2. Oktober 2014 in eine Gesamtbetrachtung, ob unter Beachtung aller Regelungen verlässlich tatsächlich schädliche Umwelteinwirkungen zu Lasten der Kläger verhindert wurden, einbeziehen wollte, bleiben die vorläufigen Gestattungen rechtswidrig Das in der Gesamtheit der Regelungen verwirklichte Konzept zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen bleibt in entscheidender Weise hinter den gesetzlichen Anforderungen zurück. Es kann daher offen bleiben, ob und wie diese Regelungen einem Anspruch der Kläger, die Rechtswidrigkeit der Gestattungen und Genehmigungen festzustellen, entgegengehalten werden könnten.
93Für die Veranstaltung mit RWE-Mitarbeitern am 30.September 2014 gilt das schon deshalb, weil es hierfür keine wirksame Begrenzung der Immissionen in der Gestattung vom 12. September 2014 zu Gunsten der Nachbarschaft gab. Das beruht, wie sich aus dem Schreiben der Beklagten an die Beigeladene vom gleichen Tag ergibt, auf der Annahme, es gebe ohnehin keinen Anlass für eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9,10 LImSchG und es sei Aufgabe der Beigeladenen, für die Beachtung der Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet zu Gunsten der Anwohner an der X.--------straße zu sorgen.An dieser Einschätzung ist allein die Bestimmung des zu Gunsten der Kläger einzuhaltenden Schutzniveaus zutreffend. Die Umgebung der Wohnhäuser ist zutreffend als diffus bzw. keinem Baugebiet der Baunutzungsverordnung zuzuordnen bewertet worden. Angesichts der großen Parkplatzflächen und des Kraftwerks in der Umgebung der Wohnhäuser handelt es sich um eine Innenbereichsbebauung, die lediglich auch dem Wohnen dient. Die daran anknüpfende Festlegung auf den Schutzstandard eines Mischgebiets wird von der Kammer geteilt.
94Für einen Verzicht auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten für diese Veranstaltung gibt es dagegen keinerlei Rechtfertigung. Es ist unverkennbar, das eine bis Mitternacht dauernde Veranstaltung der Außengastronomie, die hier angesichts der Durchführung in einem Zelt ohne besondere Schallschutzeinrichtungen ohne Zweifel anzunehmen ist, bei zu einer erwartenden Gästezahl von etwa 1.000 Besuchern und einem gleichzeitigen Musikprogramm einer effektiven Gestaltung des Lärms im Rahmen einer Gestattung bedarf. Dass dies nicht geschehen ist, beruht erkennbar nicht allein auf der fehlerhaften Annahme, der von den Besuchern verursachte Kommunikations- und Verkehrslärm sei unbeachtlich. Es wird auch deutlich, dass die Beklagte zu keiner Zeit ihrer Pflicht nachgekommen ist, die zu erwartenden Immissionen ordnungsgemäß zu erfassen und auf dieser Basis eine sachverständige Lärmprognose zu erstellen. Dazu war die Beklagte gerade zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen aber verpflichtet. Dem kann nicht entgegengehalten werden, entsprechende Daten hätten nicht vorgelegen. Wenn die Beklagte nicht aufgrund eigener Sachkunde eine tragfähige Bewertung vornehmen kann, hat sie entweder dem Veranstalter aufzugeben, hierzu tragfähige Unterlagen beizubringen, oder aber selbst Sachverständige einzuschalten. Dem kann sich die Beklagte nicht dadurch entziehen, dass sie ohne vollziehbare Regelungen dem Veranstalter lediglich die allgemein für die Anwohnergrundstücke geltenden Immissionsrichtwerte mitteilt und hinnimmt, dass deren Beachtung – wie vorliegend – angesichts des Charakters der gestatteten Veranstaltung offenbar nicht möglich ist. Die Kenntnis der Beklagten von diesen Umständen ist für die Kammer offenkundig, sie ergibt sich zwanglos aus der Begründung der Ausnahmegenehmigung vom 5.September 2014. Dort heißt es, der Mittelungspegel innerhalb größerer Menschenansammlungen liege erfahrungsgemäß zwischen 65 und 70 dB (A) und es sei, um die Wahrnehmung von Musik in diesen Fällen sicherzustellen, notwendig, die Beschallung um mindestens5 dB (A) höher anzusetzen. Wie es angesichts solcher Vorkenntnisse der Beigeladenen möglich sein sollte, ab 20.00 Uhr einen Immissionsrichtwert von 55 dB (A) und ab 22.00 Uhr einen Immissionsrichtwert von 45 dB (A) zugunsten der Kläger einzuhalten, entbehrt jeder Erklärung.
95Auch soweit für die sonstigen Veranstaltungen des Oktoberfestes Immissionsrichtwerte in den Ausnahmegenehmigungen festgesetzt worden sind, genügen diese nicht den rechtlichen Anforderungen, sie bleiben teilweise unbestimmt, sind nicht ordnungsgemäß ermittelt worden und zudem überhöht.
96Dabei ist vorab festzuhalten, dass es keine verbindlichen Regelungen für die Veranstaltungen auf der Grundlage der TA Lärm gibt, diese ist vorliegend nicht anwendbar. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dem Gaststättenbetrieb in einem Festzelt um eine nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlage, die nach Überzeugung der Kammer in gleicher Weise wie Freiluftgaststätten dem Anwendungsbereich der TA Lärm nach deren Nr. 1 Satz 2 Buchstabe b entzogen sind.
97Maßgeblich für die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen vorliegen, ist vielmehr eine wertende Beurteilung des Einzelfalls, die sich an den Regelungen des Freizeitlärmerlasses orientiert. Dieser Erlass beruht auf der Freizeitlärmrichtlinie des Länderausschusses der für Immissionsschutzfragen zuständigen obersten Landesbehörden und setzt diese in Nordrhein-Westfalen in sachverständiger Weise um. Der Erlass bezieht nach seiner Nr. 1 im vierten Absatz über die Musikdarbietungen in Zelten hinaus Anlagen der Außengastronomie ausdrücklich in seinen Anwendungsbereich ein. Die Kammer sieht keine Veranlassung, diese auf sachverständigen Erkenntnissen beruhenden Maßstäbe im Rahmen der von ihr zu treffenden konkreten Abwägungsentscheidung nicht anzuwenden. Die dort niedergelegten Grundsätze sind für die Kammer zwar nicht verbindlich, sie haben aber die Bedeutung einer Orientierungshilfe, der sich die Kammer bei der konkreten Beurteilung des Oktoberfestes bedient. Das entspricht erkennbar auch der Praxis der Beklagten, die sich gerade auf die Ausnahmebestimmungen des Freizeitlärmerlasses beruft.
98In diesem kommt zunächst zum Ausdruck, dass Anlagen der Außengastronomie im Grundsatz gegenüber anderen gewerblichen Betätigungen nur geringfügig privilegiert sind. Sie werden in Nr. 3. 1 und Nr. 4 des Erlasses im Grundsatz wie sonstige Anlagen im Sinne des § 3 Abs.5 Nr. 1 BImschG Immissionsrichtwerten unterworfen, die sich an Nr. 6.1 TA Lärm für gewerbliche Betätigungen orientieren. Diese Werte sind auch Grundlage für die Beurteilung, ob bei vorübergehenden Gestattungen nach § 12 GastG Erleichterungen zugestanden werden können. Hier könnte zwar der Umstand, dass es sich nicht um dauerhafte Belastungen handelt, im Einzelfall geringfügige Überschreitungen rechtfertigen. Das bedeutet allerdings entgegen der von der Beklagten in ihren Entscheidungen zugrunde gelegten und in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bekräftigten Auffassung nicht, dass die Schutzgüter der §§ 4 Abs.1 Nr. 3, 5 Abs.1 Nr. 3 GastG außer Betracht bleiben könnten oder ihnen geringeres Gewicht zugemessen werden darf. Die Erleichterungen können sich beispielsweise darauf beziehen, dass in Ausnahmefällen, in denen die Beachtung der Immissionsrichtwerte nicht nachgewiesen ist zur Vermeidung unverhältnismäßigen Aufwandes darauf verzichtet werden kann, vom Veranstalter den Nachweis zu verlangen, dass er mit seiner Immissionsprognose auf der „sicheren Seite“ liegt. Für eine spürbare Überschreitung von Immissionsrichtwerten gibt die Möglichkeit erleichterter Zulassung aber keine Rechtfertigung. Da die Beklagte rechtswidrig davon abgesehen hat, die mit der Außengastronomie verbundenen Immissionen überhaupt zu regeln, bedarf das keiner Vertiefung. Es bedarf deshalb auch keines Eingehens auf die Frage, ob die in § 9 LImSchG angelegte Privilegierung der Außengastronomie, die in Nr. 4 des Freizeitlärmerlasses aufgenommen wird, hingenommen werden kann, wonach von solchen Betrieben ausgehender Lärm bis 24.00 Uhr nicht vollständig den Bestimmungen über die Nachtruhe unterliegt. Mit dem bundesrechtlich in Nr. 6.3 der TA Lärm zum Ausdruck kommenden, für das Gaststättenrecht verbindlichen Verständnis der Nachtzeit könnte dies unvereinbar sein, eine hieran orientierte Praxis deshalb gegen Art. 31 GG verstoßen.
99Für die Musikdarbietungen und die damit verbundenen Lärmeinwirkungen gelten diese Privilegierungen ohnehin nicht. Die Ausnahmebestimmungen der Nr. 4 des Freizeitlärmerlasses erfassen allein den Betriebslärm, der üblicherweise von Außengaststätten ausgeht. Die für diese vorgesehenen Begünstigungen auf Musikveranstaltungen auszudehnen, gibt es keine Veranlassung. Musikveranstaltungen sind – unabhängig davon, ob sie mit einen Gaststättenbetrieb verbunden sind oder nicht – allein an den Regelungen der Nr. 3 der Freizeitlärmrichtlinie zu messen. Für sie gilt, dass ihnen, wie Nr. 3.1 des Erlasses belegt, prinzipiell keine Erleichterung gegenüber anderen gewerblichen Nutzungen zu Gute kommt. Dabei ist klarzustellen, dass es für die Bewertung des Lärms vorliegend nicht genügt, allein auf den von Lautsprechern bzw. den Musikinstrumenten verursachten Lärm abzustellen. Bei den maßgeblichen Emissionen ist vielmehr zu beachten, dass das Fest gerade darauf angelegt ist, die Besucher zum Mitsingen zu bewegen. Der hierdurch verursachte möglicherweise zusätzliche Veranstaltungslärm ist bei der Lärmprognose zu beachten.
100Die von der Beklagten bezüglich der Musikveranstaltungen festgelegten Immissionsrichtwerte übersteigen massiv die Begrenzungen, die für Mischgebiete zu beachten sind. Damit steht fest, dass die von der Beklagten in den Ausnahmegenehmigungen festgelegten Immissionsrichtwerte nur dann gerechtfertigt wären, wenn sie den besonderen Anforderungen der Nr. 3.2 bzw. 3 .4 des Freizeitlärmerlasses entsprechen würden. Das ist nicht der Fall.
101Dabei genügt es bei Veranstaltungen der vorliegenden Art schon im Ausgangspunkt nicht, lediglich Immissionsrichtwerte festzusetzen. Ungeachtet des durch die Besucher erzeugten Lärms ist – insbesondere vor dem Hintergrund, dass es bereits im Vorjahr erhebliche Beschwerden über die Auswirkungen der Lautsprecheranlagen gegeben hatte – in aller Regel wie auch vorliegend erforderlich, Regelungen an den Emissionsquellen zu treffen und bereits technisch durch Sicherungen an den Anlagen zur Schallerzeugung und zur Schallwiedergabe auszuschließen, dass deren Auswirkungen zu Überschreitung den von Grenzwerten führen (s. dazu auch Nr. 5 des Freizeitlärmerlasses).
102Der für solche Maßnahmen notwendige Beschallungsplan war unabdingbar, um im Zusammenhang mit der anzustellenden Lärmprognose überhaupt nachvollziehbar zu begründen, dass die vorgesehen Immissionsrichtwerte den notwendigen Schutz der Nachbarschaft tatsächlich gewährleisten. Die für die Berechnung des maßgeblichen
103Beurteilungspegels erforderlichen Grundlagen waren zudem auch deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte in unzulässiger Weise den Kommunikations- und Verkehrslärm bei der Festlegung der Auflagen zur Ausnahmegenehmigung außer Betracht gelassen hat. Erst recht fehlt eine Bewertung des Lärms, die die Informations- und Impulshaltigkeit der Lärmquellen bei der Berechnung des festgelegten Beurteilungspegels angemessenen berücksichtigt. Dass hier Zuschläge wegen der Informationshaltigkeit notwendig waren, ergibt sich schon aus dem hohen Wiedererkennungswert des durch bekannte Musiktitel geprägten Programms und die anschaulich durch Nachbarbeschwerden geschilderte besondere Belastung daraus, dass stündlich mehrfach ein Tusch auf das „Prosit der Gemütlichkeit“ gespielt wurde. Dass daneben noch die Belastung durch die Impulshaltigkeit der Musikdarbietungen bei der Festlegung des Beurteilungspegels einzubeziehen war, hat die Beklagte ebenfalls nicht beachtet.
104Ungeachtet dessen sind die festgesetzten Immissionsrichtwerte unabhängig von den aufgezeigten Fehlern auch als solche nicht nach Ziffer 3.2. des Freizeitlärmerlasses zu rechtfertigen. Die Beklagte hat schon im Erörterungstermin am 24. September 2014 zugestanden, dass das Oktoberfest nicht als seltenes Ereignis nach dieser Bestimmung angesehen werden kann. Das ergibt sich schon zweifelfrei daraus, dass die Immissionsrichtwerte deren Höchstwerte an allen Tagen in den Ruhezeiten und am 2.,3.,4.,10. und 11. Oktober 2014 zum Teil erheblich überschreiten. Es ist zudem durch nichts gerechtfertigt, dass ohne Begründung auf eine Begrenzung durch Richtwerte für Geräuschspitzen verzichtet worden ist. Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, dass die Vorbelastung zumindest durch die Veranstaltung von „Rü…Genuss pur 2014“ in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist. Ausweislich der Genehmigung für diese fünftägige Veranstaltung vom 2. Juli 2014 wurden auch hierfür Immissionsrichtwerte zu Lasten der Kläger zugelassen, die bei einem seltenen Ereignis bewilligt werden können. Die Kammer hält es für gerechtfertigt, auch für Einzelveranstaltungen die Einschätzung als seltenes Ereignis zuzulassen und deren immissionsrechtliche Zulässigkeit an den hierfür geltenden Grenzen zu messen. Der Freizeitlärmerlass lässt solche Überschreitungen im Rahmen einer Dauergenehmigung für eine Anlage aber nur an 10 Tagen im Jahr zu. Es spricht nichts dagegen, auch bei mehreren Einzelveranstaltungen an einem Ort diese Höchstbegrenzung für seltene Ereignisse für verbindlich zu halten und daraus abzuleiten, dass jedenfalls auf dem Messeparkplatz nur noch an weiteren fünf Tagen ein seltenes Ereignis im Sinne des Freizeitlärmerlasses stattfinden durfte. Dafür streitet das Ziel, Nachbarn von Vergnügungsstätten nur in einen begrenzten Zeitraum im Jahr solche erheblichen Beeinträchtigungen zuzumuten. Dem steht auch
105nicht die Sonderregelung in Nr. 3.2 c des Freizeitlärmerlasses entgegen, wonach unzumutbare Geräuschbelästigungen jedenfalls bei Überschreitung der Werte nach Nr. 3.1 des Freizeitlärmerlasses anzunehmen sind, wenn diese am selben Einwirkungsort an insgesamt mehr als 14 Kalendertagen eines Jahres auftreten. Diese Bestimmung erweitert nicht die Zahl der Tage, an denen an einem bestimmten Ort seltene Ereignisse stattfinden dürfen, sondern verpflichtet die Behörde, nötigenfalls zur Vermeidung einer Gesamtbelastung der Nachbarn von mehr als 14 Kalendertagen im Jahr, die Zahl der seltenen Ereignisse an einem Ort unter 10 Tage zu begrenzen.
106Die von der Beklagten festgelegten Immissionsrichtwerte können auch nicht durch die Überlegung gerechtfertigt werden, beim Rüttenscheider Oktoberfest seien die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Nr. 3.4. des Freizeitlärmerlasses anzunehmen. Danach kann von den Begrenzungen der Nr. 3.1 und 3.2. des Erlasses abgewichen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Durchführung der Veranstaltung angenommen wird und dieses rechtfertigt, die Belange der Anwohner zurückzustellen. Die Ausnahme kann nur bejaht werden, wenn eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass das Schutzbedürfnis der Wohnnutzung zurücktreten muss.
107Die Kammer betont dabei, dass das die Ausnahme ermöglichende und rechtfertigende öffentliche Interesse nicht einer ungesteuerten Vielfalt von öffentlichen Belangen eröffnet ist. Allgemeine Belange etwa der Wirtschafts- und Tourismusförderung oder fiskalische Interessen haben in diesem Zusammenhang keine erhebliche Bedeutung. In den immissionsrechtlichen Grundsätzen der Nr. 2 des Freizeitlärmerlasses wird zu Recht darauf abgestellt, dass dessen Regelungen auf den Grad der mit der Veranstaltung verbundenen Belästigung abstellen und die Wertungen hierzu aufnimmt, die der Einstellung eines verständigen, durchschnittlich empfindlichen Mitbürgers entsprechen. Darin kommt zum Ausdruck, dass gerade die Bewertung von Freizeitveranstaltungen je nach ihrem Anlass von Anwohnern unterschiedlich wahrgenommen wird und die Toleranz gegenüber Lärmeinwirkungen selbstverständlich auch davon abhängt, ob diese durch besondere Ereignisse veranlasst sind. Es ist unverkennbar, dass Immissionen trotz eines höheren Lärmaufkommens als sozialadäquat und damit im Sinne des Umweltrechts unschädlich akzeptiert werden, wenn ihr Anlass in der örtlichen Gemeinschaft der Umgebung einen hohen und allgemein anerkannten Stellenwert besitzt.
108Diesen Ansatz übernimmt Nr. 3.4 des Freizeitlärmerlasses, wenn dort ausgeführt wird, bei Veranstaltungen könnten für die Annahme von Ausnahmen deren historische, kulturelle oder sonst sozialgewichtige Grundlagen berücksichtigt werden. Eine vergleichbare Wertung findet sich auch in § 9 Abs. 3 LImSchG für ortsrechtliche Bestimmungen zur Einschränkung der Nachtruhe. Diese Regelungen beruhen auf der Erkenntnis, dass Volks- und Gemeindefeiern, Feiern örtlicher Vereine, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens gehören. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese oftmals in der Nähe zur Wohnbebauung durchgeführt werden müssen und zwangsläufig mit Beeinträchtigungen der Nachbarschaft verbunden sind. Verständige Nachbarn werden die damit verbundenen Geräuschentwicklungen deshalb in aller Regel in höherem Maß akzeptieren als die der sonstigen, nicht durch konkrete örtliche Bezüge ausgelöste Freizeitbetätigungen. Das gilt insbesondere, wenn es sich um ein außergewöhnliches und weitgehend einmaliges Ereignis handelt oder aber eine langjährige, mit dem Veranstaltungsort verbundene Traditionsveranstaltung (etwa Cranger Kirmes, Karnevalsveranstaltungen) betrifft, auf deren regelmäßige Wiederkehr sich die Umgebung eingerichtet hat und der sie notfalls dadurch ausweicht, das die Wohnnutzung in der Umgebung kurzfristig aufgegeben wird. Soweit keine solche Tradition besteht, kann eine vergleichbare Toleranz allerdings nur erwartet werden, wenn die mit der Veranstaltung verbundenen Ziele ein vergleichbares Gewicht für die örtliche Gemeinschaft am Veranstaltungsort aufweisen, die redlicherweise erwarten lassen, dass die verständigen Anwohner die berechtigten Belange der Wohnbedürfnisse zurückstellen. Nur wenn diese Voraussetzungen im Rahmen einer konkreten ergebnisoffenen Abwägung, in die auch die Schutzbedürfnisse der Anwohner eingestellt werden, erfüllt sind, kann die Überschreitung der Werte nach Nr. 3.2 und 3.2 des Freizeitlärmerlasses im Einzelfall hingenommen werden.
109Diesen Anforderungen genügen die Erwägungen der Beklagten offenbar nicht. Schon der Ausgangspunkt, es gebe ein verändertes Freizeitverhalten und ein daran anknüpfendes Bedürfnis nach Ausweitung eines abendlichen Freizeitangebots in Großveranstaltungen, lässt eine Grundlage für eine daran anknüpfende Beschränkung des Schutzes der Wohnbevölkerung nicht erkennen. Der Sache nach ist das lediglich die Umschreibung eines weiteren Freizeitangebots aus schlicht kommerziellen Interessen, für das wie für jegliche andere gewerbliche Tätigkeit verlangt werden kann, dass die bestehenden rechtlichen Grenzen solcher Betätigungen beachtet werden müssen und das nur verwirklicht werden kann, wenn dies am vorgesehenen Standort ohne Nutzungskonflikte möglich ist. Das hat selbstverständlich zur Folge, dass bestimmte Veranstaltungen schon auf dieser Ebene am vorgesehenen Ort nicht zulässig sind. Dementsprechend formuliert Nr. 2 des Freizeitlärmerlasses am Ende, dass es möglich ist, dass die Genehmigungsfähigkeit einer Veranstaltung bauplanungsrechtlich nicht herbeigeführt werden kann.
110Dem kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, es gebe eine besondere Nähe der Veranstaltung zu Rüttenscheid und für diesen Stadtteil habe die Veranstaltung besondere Bedeutung. Schon eine besondere Nähebeziehung zum Stadtteil vermag die Kammer nicht zu erkennen. Deren inhaltliche Gestaltung ist von örtlichen Bezügen völlig unabhängig, sie weist insoweit keinerlei Besonderheiten gegenüber anderen inzwischen dutzendfach allein in Nordrhein-Westfalen zeitnah oder gleichzeitig durchgeführten Oktoberfesten auf. Die Nähe zur Rüttenscheider Straße und dem dort vorhandenen Gastronomieangebot, das von den Gästen im Anschluss an die Veranstaltung wahrgenommen werden könne, erhöht lediglich die Attraktivität des kommerziell begründeten Festes für Besucher, denen der schlichte Besuch des Festes nicht genügt. Es handelt sich dabei allerdings nur um einen Standortvorteil für die Veranstalter, keineswegs um ein in der örtlichen Gemeinschaft wurzelndes, über Gewinninteressen hinausgehendes Bedürfnis. Dass ein anderer Platz für ein Festzelt in Rüttenscheid nicht vorhanden und die Veranstaltung in der Halle auch zu teuer sein soll, ist unerheblich. Die Konsequenz daraus ist allein, dass das Fest dann in Rüttenscheid nicht stattfinden kann, nicht aber, dass Nachbarinteressen unberücksichtigt bleiben müssen, um dem Veranstalter des Fests zum geschäftlichen Erfolg zu verhelfen.
111Die Entscheidung der Beklagten ist daher schon mangels eines hinreichenden, in den Besonderheiten der örtlichen Gemeinschaft wurzelnden Anlasses historischer, kultureller oder sozialgewichtiger Art nicht tragfähig. Sie ist auch im Übrigen durch fehlende Rücksicht auf die berechtigten Belange der Anwohner gekennzeichnet. Den Verwaltungsvorgängen ist eindeutig zu entnehmen, dass zu keiner Zeit auch nur erwogen wurde, das Fest könne wegen der von ihm ausgehenden massiven Belästigungen nicht zuzulassen sein. Alle Entscheidungen, die von der Beklagten getroffen wurden, waren allein durch das Ziel bestimmt, den wirtschaftlichen Erfolg und damit die Durchführung der Veranstaltung zu ermöglichen. Das wird nicht zuletzt dadurch erkennbar, dass die Beklagte zu keiner Zeit in Erwägung gezogen hat, das schon die bloße Dauer der Veranstaltung und die damit verbundene massive Beeinträchtigung der betroffenen Wohnbevölkerung ungewöhnlich schwerwiegend sind und schon dies ein überragendes örtliches Interesse an der Realisierung des Oktoberfestes verlangte.
112Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.
(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.
(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die vorläufigen Gestattungen der Beklagten nach § 12 des Gaststättengesetzes vom 5. September 2014 und 12. September 2014 in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 sowie die Genehmigungen der Beklagten vom 5. und 12. September 2014 nach dem Landesimmissionsschutzgesetz in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; die jeweiligen Kostenschuldnerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Kostengläubiger nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
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Tatbestand:
2In der Zeit vom 2. Oktober 2013 bis zum 13. Oktober 2013 fand in Essen-Rüttenscheid auf dem Messeparkplatz 2 erstmals ein „ bayerisches Oktoberfest“ in einem Festzelt statt. Nach dessen Ankündigung in der Presse wandte sich der Kläger zu 2. unter dem 29. Juli 2013 an die Beklagte und bat um Informationen zur baurechtlichen Zulässigkeit und den vorgesehenen Lärmschutzauflagen. Das Schreiben wurde nicht beantwortet. Die Beklagte holte Stellungnahmen ihres Bauordnungs- und des Bauplanungsamtes ein. Für das Bauordnungsamt teilte das Rechtsamt mit, für den Messeparkplatz bestehe ein planungsrechtlicher Vorbescheid, eine Baugenehmigung stehe noch aus. Eine Nutzung der Fläche als temporärer Festplatz sei grundsätzlich genehmigungsfähig, allerdings könne die Einhaltung der Lärmwerte problematisch sein. Da diesem Aspekt aber im Rahmen der zu erteilenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Rechnung getragen werde, gebe es baurechtlich keinen zwingenden Handlungsbedarf. Die formelle Baugenehmigung sei für die Nutzung als Festplatz völlig irrelevant, „Fluchtwege usw.“ seien rundherum großzügig vorhanden. Es beständen keine Bedenken, auf das Erfordernis einer baurechtlichen Genehmigung zu verzichten. Das Bauplanungsamt teilte mit, die Parkplatzfläche sei keinem der Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung zuzuordnen. Das gelte auch für die Wohngrundstücke an der X.--------straße . Es seien die Schutzziele eines Mischgebiets einzuhalten.
3Unter dem 1.Oktober 2013 erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9 und 10 des Landesimmissionsschutzgesetzes – LImSchG –, mit denen der Beigeladenen störende Betätigungen während der Nachtruhe und die Benutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, erlaubt wurden. Die zulässigen Immissionsgrenzwerte wurde teils tageweise, teils nach Tagesabschnitten gestaffelt, auf 65 – 75 dB (A) festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Genehmigung (Beiakte Heft 1 Bl. 28-34) verwiesen.
4Mit weiterer Verfügung vom 1. Oktober 2013 wurde der Beigeladenen eine vorübergehende Gestattung nach § 12 des Gaststättengesetzes – GastG – für den Ausschank alkoholischer Getränke in der Zeit des Oktoberfestes auf dem Messeparkplatz erteilt, der Zeitrahmen wurde auf Zeiten zwischen 11.00 und 24.00 Uhr festgesetzt. An allen Veranstaltungstagen war als Betriebsende 23.00 oder 24.00 Uhr angegeben, der Gestattung war die Auflage beigefügt, der Betrieb sei so zu führen, dass weder die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke noch die Allgemeinheit erhebliche Gefahren oder Belästigungen, z. B. Geräusch- oder Geruchsemissionen, erleiden. Im Übrigen wird auf die Gestattung (Beiakte Heft1 Bl. 35-36) verwiesen.
5Nach Durchführung des Festes beurteilten die Beklagte und die Beigeladene dieses positiv. Die Veranstaltung habe 25.000 Besucher aus dem Ruhrgebiet angezogen. Es wurde erwartet, bei einer Wiederholung der Veranstaltung im Jahr 2014, bei der ein Zelt gleicher Größe geplant sei, mit etwa 35.000 Besuchern rechnen zu können.
6Den Klägern zu 1. und 2., die sich auch während des Oktoberfestes wiederholt über Lärmbelästigungen beschwerten, teilte die Beklagte unter dem 10. Dezember 2013 mit, die festgesetzten Immissionswerte seien während des Festes im Wesentlichen eingehalten worden. Es sei verständlich, dass das Fest bei den Anwohnern nicht unbedingt Verständnis finde. Es habe jedoch ein öffentliches Interesse an der Durchführung der Veranstaltung gegeben: Zwar handele es sich beim Rüttenscheider Oktoberfest nicht um eine Traditionsveranstaltung, Nachahmungen des Münchener Oktoberfests fänden aber im gesamten Bundesgebiet statt. Die Abendveranstaltungen seien insbesondere am Wochenende schnell ausgebucht gewesen, das belege das große Besucherinteresse. Die Veranstaltung bedeute einen Imagegewinn für Rüttenscheid, zumal die Besucher nach Betriebsbeendigung noch die örtliche Gastronomie aufgesucht hätten und allgemein zu Folgebesuchen des Stadtteils angeregt werden sollten. Die für die Nachtzeit bewilligten Immissionswerte seien zumutbar gewesen. Bei im Oktober zumutbarem Schließen der Fenster werde die Lärmbelastung erfahrungsgemäß zwischen 30 und 40 dB(A) reduziert.
7Nach Vorgesprächen beantragte die Beigeladene am 19. Mai 2014 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Oktoberfest 2014. Wegen des Standorts des Zeltes wird auf Bl.1, 8 – 10 der Beiakte Heft 1, wegen dessen äußerer Gestaltung auf Bl. 985-987 der Beiakte Heft 2 verwiesen. Es sei beabsichtigt, das Zelt in der Zeit vom 25. September 2014, 8.00 Uhr bis zum 29. September 2014 um 18.00 Uhr aufzubauen. Der Abbau solle vom 12. Oktober 2014, 8.00 Uhr bis zum 14. Oktober 2014, 18.00 Uhr dauern.
8Folgende Veranstaltungen seien vorgesehen: Am Dienstag, dem 30. September 2014 von 18.00 Uhr bis 24.00 Uhr ein Treffen von RWE-Führungskräften mit ca. 1.000 Personen.
9Von Donnerstag, dem 2. Oktober 2014, bis zum Samstag, dem 11. Oktober 2014, solle das Rüttenscheider Oktoberfest stattfinden. Das Live-Musikprogramm solle an den Werktagen bis 22.00 Uhr dauern, am Freitag, Samstag und am Eröffnungstag bis 23.00 Uhr. Nach der Live-Musik solle jeweils noch eine weitere Stunde ruhigere Musik von CDs gespielt werden.
10Zudem beantragte die Beigeladene die für die Durchführung der Veranstaltung erforderliche gaststättenrechtliche Erlaubnis.
11Unter dem 26. Mai 2014 wandten sich die Kläger, die Eigentümer und Bewohner von Wohnungen im Haus X.--------straße 11 sind, an die Beklagte. Unter Hinweis auf die Erfahrungen mit dem Oktoberfest 2013 verlangten sie, die Durchführung der Veranstaltung zu untersagen. Jedenfalls seien Schutzauflagen bei Durchführung der Veranstaltung notwendig. Die maßgeblichen Immissionsrichtwerte seien tagsüber an
12Werktagen auf 55 dB (A), tags an Werktagen während der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen auf 50 dB (A) und nachts auf 40 dB (A) festzusetzen. Live- Musikdarbietungen müssten um 22.00 Uhr enden. Der Auf- und Abbau der Anlagen dürfe werktags nur außerhalb der Ruhezeiten und nicht an Sonn- und Feiertagen stattfinden.
13Unter dem 11. Juli 2014 lehnte die Beklagte die Untersagung der Veranstaltung ab. Der Freizeitlärmerlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2009- Freizeitlärmerlass - regele die Zulässigkeit der maßgeblichen Immissionsrichtwerte bei komplexen Veranstaltungen nicht abschließend. Es liege auf der Hand, dass bei großen Veranstaltungen schon durch die Anwesenheit des Publikums höhere Werte erzielt würden. Insbesondere werde die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach dem Landesimmissionsschutzgesetz dort nicht abschließend geregelt. Zu Einzelheiten der beabsichtigten Genehmigungen könne derzeit noch keine Auskunft gegeben werden.
14Ungeachtet eines Antrags der Kläger an das erkennende Gericht, die Veranstaltung im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, erteilte die Beklagte der Beigeladenen am 5.September 2014 eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9 und 10 LImSchG. Es wurden für die folgenden Veranstaltungstage Ausnahmen vom Verbot von Betätigungen, die die Nachtruhe zu stören geeignet sind, und vom Verbot der Nutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, mit folgenden Immissionsgrenzwerten zugelassen.
15Donnerstag, den 2.10.2014 16.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
1622.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
17Freitag, den 3.10.2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
1813.00 – 17.00 Uhr 65 dB (A)
1917.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
2022.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
21Samstag, den 4.10. 2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
2213.00 – 17.00 Uhr 65 dB (A)
2317.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
2422.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
25Sonntag, den 5.10. 2014 11.00 – 13.00 Uhr 70 dB (A)
2613.00 - 17.00 Uhr 65 dB (A)
2717.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
28Montag, den 6.10. 2014 17.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
29Dienstag, den 7.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
30Mittwoch, den 8.10. 2014 17.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
31Donnerstag, den 9.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
32Freitag, den 10.10. 2014 17.00 - 22.00 Uhr 70 dB (A)
3322.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
34Samstag, den 11.10.2014 11.00 - 13.00 Uhr 70 dB (A)
3513.00 - 17.00 Uhr 65 dB (A)
3617.00 – 22.00 Uhr 70 dB (A)
3722.00 – 23.00 Uhr 65 dB (A)
38Wegen der weiteren Auflagen wird auf die Genehmigung (Beiakte Heft 2 Bl. 405 -413) verwiesen.
39Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Veranstaltung, die in Anlehnung an andere ähnliche Großveranstaltungen in München, Stuttgart und Münster als Außenveranstaltung konzipiert worden sei, stehe die Zeltatmosphäre im Vordergrund, deren gemütlicher Charakter sei in Veranstaltungs- und Messehallen nicht erreichbar. Das Zelt biete etwa 3.000 Besuchern Platz, der allgemeine Schallpegel innerhalb größerer Menschenansammlungen liege erfahrungsgemäß zwischen 65 und 70 dB (A). Damit Musik noch wahrgenommen werden könne, sei es notwendig, die Beschallung mindestens 5 dB(A) höher anzusetzen.
40Die zumutbaren technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Verminderung des mit der Veranstaltung verbundenen Lärms seien auf dieser Grundlage getroffen worden.
41Die Veranstaltung liege im öffentlichen Interesse. Gerade an Wochenenden zeige das Freizeitverhalten ein Bedürfnis nach großen Abendveranstaltungen. Aufgrund der Erfahrungen aus dem Vorjahr sei davon auszugehen, dass gerade die Abendveranstaltungen ausverkauft sein würden und zum Fest mindestens 25.000 Besucher zu erwarten seien. Das damit verbundene Interesse sei höher zu bewerten als das der Anlieger an der Beachtung der im Freizeitlärmerlass aufgeführten Immissionsrichtwerte.
42Die zweifelsohne zu erwartende Störung der Anwohner werde durch die zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der Genehmigung so weit wie möglich begrenzt und sei daher zumutbar. Die erlaubte Verkürzung der Nachtruhe an einigen Stunden für einige Tage werde sich für den größten Teil der Anwohner nicht auswirken, da der folgende Tag in der Regel arbeitsfrei sei und somit zum Ausschlafen genutzt werden könne. Da die Veranstaltung während der Herbstferien stattfinde, würden Schüler nicht besonders beeinträchtigt.
43Die Immissionsrichtwerte und –zeiten seien zudem so gewählt, dass es den Anwohnern zuzumuten sei, die Fenster für einen überschaubaren Zeitraum zu schließen und so passiven Lärmschutz von etwa 30 dB (A) zu erhalten.
44Die mit einer Zwangsgeldandrohung verbundene Genehmigung, deren sofortige Vollziehung angeordnet wurde, wurde der Beigeladenen am 8. September 2014 übersandt. Gleichzeitig wurde der Beigeladenen eine vorübergehende Gestattung vom 5. September 2014 für die oben aufgeführten Betriebszeiten in der Zeit vom2. Oktober 2014 bis zum 11. Oktober 2014 zum Ausschank alkoholischer Getränke erteilt. In ihr ist neben einer Lärmschutzbestimmung für die Nutzung von Kühlcontainern, Kühlaggregaten und Lüftungsanlagen unter anderem folgende Auflage enthalten:„Der gestattete Betrieb ist stets so zu führen, dass weder die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder die Nachbargrundstücke noch die Allgemeinheit erhebliche Gefahren oder Belästigungen, z.B. durch Geräusch- oder Geruchsemissionen, erleiden.“
45Auch bezüglich der vorübergehenden Gestattung wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
46Mit Schreiben vom 12. September 2014 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, sie habe am 12. September 2014 eine gaststättenrechtliche Erlaubnis für eine Abendveranstaltung für RWE-Führungskräfte am 30. September 2014 im Oktoberfestzelt erteilt ( Beiakte Heft 2 Bl. 452). Diese Genehmigung betreffe aber allein den gastronomischen Teil der Veranstaltung (Speisen- und Getränkeabgabe), nicht etwa eine über den erlaubten Rahmen hinausgehende Lautstärke von Musikdarbietungen oder eine Einschränkung der Nachtruhe. Es handele sich um eine Firmenveranstaltung, ein besonderes öffentliches Interesse an der Veranstaltung sei nicht erkennbar. Bei deren Durchführung dürften die zulässigen Immissionsrichtwerte nicht überschritten werden, in Anbetracht der planungsrechtlichen Einstufung der der Veranstaltungsfläche nächstgelegenen Wohnbebauung seien an der Außenseite der Bebauung folgende Werte zulässig:
47Bis 20.00 Uhr 60 dB(A)
4820.00 – 22.00 Uhr 55 dB (A)
49Nachts, also ab 22.00 Uhr 45 dB(A).
50Mit weiterer Ausnahmegenehmigung gemäß § 10 Abs. 4 LImSchG vom 12. September 2014 erlaubte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung am 10. Oktober 2014 in der Zeit von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr die Nutzung von Geräten zur Schallerzeugung und Schallwiedergabe zur Durchführung eines Seniorennachmittags und setzte den erlaubten Immissionsrichtwert auf 70 dB (A) fest. Gleichzeitig erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine vorläufige Gestattung zum Ausschank alkoholischer Getränke für diese Zeit, deren Nebenbestimmungen der vorübergehenden Gestattung vom 8. September 2014 entsprachen.
51Am 24. September 2014 schlossen die Beteiligten vor dem erkennenden Gericht einen Vergleich im Rahmen des auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens, der der Beigeladenen die Durchführung der Veranstaltung ermöglichte. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins im Verfahren 19 L 1153/14 (Beiakte Heft 2 Bl 500- 506) verwiesen.
52Mit Verfügung vom 2. Oktober 2014 änderte die Beklagte die Zwangsgeldandrohungen in den Ausnahmegenehmigungen vom 5. und 12. September 2014. Mit weiterem Bescheid vom 2. Oktober 2014 ergänzte die Beklagte die vorübergehende Gestattung vom 5. September 2014 um eine Zwangsgeldandrohung. Die Änderungsbescheide wurden der Beigeladenen am 2. Oktober 2014 zugestellt.
53Die Kläger haben unter Rücknahme des am 16. September 2014 gegen die Ausnahmegenehmigung vom 5. September 2014 erhobenen Widerspruchs entsprechend dem am 24. September 2014 geschlossenen Vergleich am 2. Oktober 2014 Anfechtungsklage gegen die von der Beklagten erteilten vorläufigen Gestattungen und Ausnahmegenehmigungen mit dem angekündigten Ziel erhoben, die Rechtswidrigkeit der Entscheidungen nach Durchführung des Festes feststellen zu lassen. Sie führen aus, die erteilten Genehmigungen und Gestattungen seien rechtswidrig. Ihre Wohnungen lägen in einem allgemeinen Wohngebiet, hiernach richte sich der ihnen zukommende Schutz. Bei der Durchführung des Oktoberfestes 2014 sei es wie im Vorjahr zu erheblichen Lärmbelästigungen gekommen, die festgesetzten Immissionsrichtwerte seien unzulässig überhöht. Die erteilten Erlaubnisse seien schon deshalb rechtswidrig, weil lediglich die Lärmemissionen durch die Musikveranstaltungen und die Störung der Nachtruhe erfasst worden seien, die Kommunikationsgeräusche durch den Betrieb und die Besucher und den An-und Abfahrtsverkehr habe die Beklagte überhaupt nicht bewältigt. Entsprechend sei bei der Festsetzung der Immissionsrichtwerte nicht beachtet worden, dass auch deshalb Zuschläge wegen der Ton-, Informations- und Impulshaltigkeit des Lärms zu berücksichtigen gewesen seien. Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen des Freizeitlärmerlasses bei der Festlegung der Immissionsrichtwerte nicht beachtet worden. Das wiege besonders schwer, weil die dort genannten Voraussetzungen für eine Privilegierung der Veranstaltung der Beigeladenen offenbar nicht gegeben seien. Es handele sich nicht um eine traditionelle ortsgebundene Veranstaltung und auch nicht um ein seltenes Ereignis im Sinn der Freizeitlärmrichtlinie. Das scheitere schon daran, dass der Messeparkplatz weit mehr als 10 Tage im Jahr für außergewöhnliche lärmträchtige Veranstaltungen genutzt werde. So habe in der Zeit vom 30. Juli 2014 bis zum 3. August 2014 die Veranstaltung „Rü…Genuss pur 2014“ stattgefunden, in diesem Rahmen seien die Kläger nachts Immissionen mit Beurteilungspegeln von bis zu 64 dB (A) ausgesetzt worden. Darüber hinaus werde der Platz zur Veranstaltung von Flohmärkten genutzt, zudem komme es bei Großveranstaltungen in der Grugahalle nachts zu erheblichem Abreiseverkehr. Auf dem benachbarten Fußballplatz komme es darüber hinaus vielfach bei Vereinsfesten zu erheblichen Lärmbelästigungen. Selbst wenn man ein seltenes Ereignis annehmen wolle, sei der eingeräumte Zeitraum, an dem das Oktoberfest stattfinde, eindeutig zu lang. Abgesehen davon, dass auch die Beklagte im Erörterungstermin vom 24. September 2014 zugestanden habe, dass die Voraussetzungen eines seltenen Ereignisses nach dem Freizeitlärmerlass und der TA Lärm nicht vorlägen, seien die Immissionswerte für seltene Ereignisse zudem noch überschritten worden. Hierfür fehle jede Rechtfertigung, zumal Alternativstandorte für das Fest überhaupt nicht geprüft worden seien. Es sei nicht einzusehen, warum die Veranstaltung, für die ein Ortsbezug ohnehin fehle, nicht in der nahegelegenen Grugahalle durchgeführt werden könne.
54Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der Parkplatz nicht als Festplatz genehmigt sei. Das habe zur Folge, dass die Veranstaltung auch mangels Baugenehmigung rechtswidrig sei.
55Es sei zudem zu bemängeln, dass der Aufbau und Abbau des Festzeltes unter Verstoß gegen das Feiertagsgesetz und die Bestimmungen zum Schutz der Nachtruhe stattgefunden habe.
56Die Kläger beantragen,
57festzustellen, dass die Ausnahmegenehmigungen der Beklagten nach dem Landesimmissionsschutzgesetz für das „Rüttenscheider Oktoberfest“ vom 5. September 2014 mit Ergänzung vom 12. September 2014 und in der Fassung der Ergänzung vom 2. Oktober 2014 sowie die gaststättenrechtlichen Gestattungen der Beklagten vom 5. und zweimal 12. September 2014 in der Fassung der Ergänzung vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren,
58hilfsweise,
59- 60
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, durch Auflagen oder Anordnungen zu den genannten Genehmigungen und Gestattungen sicherzustellen, dass bei der Durchführung des „Oktoberfestes Rüttenscheid“ 2014 an den Immissionsorten 0,5 m vor dem geöffneten Fenster der Wohnküche im EG rechts, 2. OG rechts und im 1. OG links tags bzw. des Schlafzimmers im EG rechts, im 2. OG rechts und im 1. OG links nachts im Gebäude X.--------straße 11 in Essen Beurteilungspegel von
- tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten von 55 dB (A)
62- tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB (A) und
63- nachts von 40 dB (A)
64eingehalten werden und dies durch Lärmmessungen einer anerkannten Messstelle oder eines Fachgutachters an den besagten Immissionsorten sichergestellt und bei Überschreitungen die Veranstaltung sofort abgebrochen wird,
65- 66
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, durch Auflagen oder Anordnungen gegen die Beigeladene sicherzustellen, dass der Aufbau und Abbau des Festzeltes sowie sonstiger zu der Veranstaltung gehörender Anlagen und Einrichtungen und der Sound-Check für das „Oktoberfest Rüttenscheid“ 2014 nur tagsüber außerhalb der Ruhezeiten und nicht an Sonn- und Feiertagen stattfinden und das Festzelt nur tags und außerhalb der Ruhezeiten aufgeräumt werden durfte.
Die Beklagte beantragt,
68die Klage abzuweisen.
69Sie führt aus, die Einwirkungsorte lägen in einem Mischgebiet, hiernach richte sich der Schutzbedarf der Wohnnutzung der Kläger. Das Oktoberfest sei entsprechend den Vorgaben der angefochtenen Genehmigungen durchgeführt worden. Unter Berücksichtigung der von den Besuchern ausgehenden Grundgeräusche sei hinsichtlich der Beschallung bei den Immissionsrichtwerten kein Zuschlag erforderlich gewesen. Die nach Veranstaltungsende auftretenden Kommunikations- und Verkehrsgeräusche könne der Veranstalter nicht verhindern, auch ohne diesbezügliche Auflagen wären die Ordner der Beigeladenen gegen lautes Geschrei oder andere Beeinträchtigungen eingeschritten. Die Zahl der Beschwerden sei gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, die Polizei habe keine negativen Erkenntnisse.
70Es werde nicht bestritten, dass es sich nicht um eine Traditionsveranstaltung handele. Unter Berücksichtigung des Freizeitverhaltens der Bevölkerung sei es allerdings lebensfremd, ein früheres Veranstaltungsende oder gemäßigtere Immissionsrichtwerde vorzugeben. Dann wäre die Veranstaltung von vornherein zum Scheitern verurteilt.
71Der Freizeitlärmerlass stehe der Veranstaltung nicht entgegen, dessen Regelungen seien mehrdeutig. Über die dort geregelten Sachverhalte hinaus seien Ausnahmegenehmigungen zulässig, in diesem Rahmen seien die angefochtenen Entscheidungen getroffen worden. Zuvor sei nach Alternativstandorten gesucht worden. Gegen eine Verlagerung in eine Halle spreche jedoch der angestrebte Zeltcharakter der Veranstaltung, zudem sei die Durchführung des Festes in einer Halle weder finanzierbar noch zeitlich durchführbar. Das Zelt habe auf einem unbefestigten Boden errichtet werden müssen, hierfür sei nur der Parkplatz in Rüttenscheid geeignet. Die Verbindung zu diesem Stadtteil sei notwendig, um Gästen des Festes nach Veranstaltungsende die Möglichkeit zu geben, die umliegenden Gastronomiebetriebe insbesondere an der Rüttenscheider Straße aufzusuchen.
72Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
73die Klage abzuweisen.
74Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Akte des Verfahrens19 L 1153/14 verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
75E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
76Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – bzw. in analoger Anwendung dieser Bestimmung zulässig. Die angefochtenen Entscheidungen sind insbesondere nicht vor ihrer Erledigung mit Ablauf ihrer zeitlichen Geltung bestandskräftig geworden.
77Gegen die vorläufigen Gestattungen vom 5. und 12.September 2014 haben die Kläger am 2. Oktober 2014 und damit vor Ablauf eines Monats nach Ergehen der Entscheidungen Klage erhoben, damit ungeachtet der Frage, ob und wann diese den Klägern bekanntgegeben wurden, die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO jedenfalls gewahrt. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war insoweit nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 110 Abs. 1 und 3 Sätze 1 und 2 Nr. 8 des Justizgesetzes nicht statthaft.
78Solange sich die Ausnahmegenehmigungen nicht durch Zeitablauf erledigt hatten, mussten diese dagegen mit dem Widerspruch angefochten werden (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 110 Abs. 3 Satz 1 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen, § 69 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die am 2. Oktober 2014 erhobene Anfechtungsklage war insoweit bei Klageerhebung deshalb unzulässig; da der Widerspruch vom 16. September 2014 gegen die Ausnahmegenehmigung vom 5. September 2014 am 2. Oktober 2014 zurückgenommen wurde, konnte auch dieser den Eintritt der Bestandkraft nicht hindern. Den Klägern sind die angefochtenen Ausnahmegenehmigungen allerdings durch die Beklagte zu keiner Zeit bekanntgegeben worden, zudem ist die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung für die Kläger als am Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Dritte unrichtig, da lediglich auf die Klage hingewiesen wird. Infolgedessen konnten die Ausnahmegenehmigungen bis zu ihrer Erledigung durch Zeitablauf gegenüber den Klägern mangels Laufs und Ablaufs der Widerspruchsfrist nicht bestandskräftig werden. Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens wurde mit Erledigung der Ausnahmegenehmigungen unzulässig, die von den Klägern begehrte Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit war danach nur noch im gerichtlichen Verfahren in analoger Anwendung § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO möglich. Einen hierauf gerichteten Klageantrag haben die Kläger bereits in der Klageschrift angekündigt und spätestens mit Schriftsatz vom 9.Januar 2015 bei Gericht anhängig gemacht. Dieses Begehren ist nicht fristgebunden gerichtlich geltend zu machen.
79Die Kläger sind auch klagebefugt. Sie können sich bezüglich aller angefochtenen Entscheidungen darauf berufen, dass eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte möglich erscheint.
80Soweit sich die Kläger gegen gaststättenrechtliche vorübergehende Gestattungen wenden, folgt das daraus, dass diese von Nachbarn erfolgreich angefochten werden können, wenn deren Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes ausgehen. Die Erteilung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis ist nämlich nach § 4 Abs. 1 Satz 3 GastG zu versagen, wenn solche schädlichen Umwelteinwirkungen zu befürchten sind, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG bestätigt diese Zielsetzung des Gesetzes damit, das auch nachträglich zu jeder Zeit diesem Schutzzweck dienende Auflagen bei bestehenden Betrieben erteilt werden können. Zwar enthält § 12 GastG für vorübergehende Auflagen zu schädlichen Umwelteinwirkungen keine ausdrücklichen Regelungen, ihre Erteilung ist auch unter erleichterten Voraussetzungen – was auch Erleichterungen im Bereich der Umwelteinwirkungen einschließen kann – möglich. Das stellt allerdings vorübergehende Gestattungen nicht von den Pflichten des Immissionsschutzrechts frei. Die gesetzlichen Regelungen haben auch bei vorübergehenden Gestattungen zum Ziel, die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen. Die Nachbarn können die sachgerechte Beachtung der immissionsrechtlichen Vorschriften im Rahmen des gerichtlichen Nachbarschutzes auch bei Entscheidungen nach § 12 GastG geltend machen.
81Die Kläger sind als Eigentümer der von den Lärmimmissionen betroffenen Wohnungen auch befugt, gegen nach ihrer Auffassung unzumutbare Belastungen durch die Veranstaltung vorzugehen, da sie damit verbundene Einschränkungen ihres Eigentums nur nach Maßgabe der Gesetze hinnehmen müssen. Zudem gehören die Kläger als Anwohner des Veranstaltungsorts auch wegen ihrer persönlichen Betroffenheit zur Nachbarschaft im Sinne des Gesetzes. Auf die in den Verwaltungsvorgängen diskutierte Frage, ob sich die Klägerin zu 1) dauerhaft im Einwirkungsbereich der Veranstaltung aufhalte, kommt es schon wegen ihres Eigentums nicht an.
82Nichts anderes gilt, soweit sich die Kläger gegen die Ausnahmegenehmigungen nach dem Landesimmissionsschutzgesetz wenden. Die Verbote der Störung der Nachtruhe und die Einschränkung der Nutzung von Geräten, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen, sind nicht nur im öffentlichen Interesse erlassen worden. Sie sollen auch die von solchen Einwirkungen Betroffenen schützen und können deshalb auch gegenüber den zuständigen Behörden gerichtlich durchgesetzt werden.
83Der Klagebefugnis kann die Beklagte auch nicht, wie dies der Sache nach durch ihren Vertreter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist, entgegenhalten, bei seltenen Ereignissen oder Ausnahmen im Rahmen der Anwendung des Freizeitlärmerlasses sei eine Verletzung von Rechten der Nachbarn ausgeschlossen, weil wegen der zeitlichen Begrenzung der Immissionen auf wenige Tage eine Gesundheitsgefahr ausgeschlossen sei. Dieser Auffassung ist offenbar nicht zu folgen:
84Ihr steht zunächst schon entgegen, dass es bei dem hier angesprochenen Rechtsschutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen nach der gesetzlichen Definition in § 3 Abs. 1 BImSchG nicht nur um Immissionen geht, die Gefahren hervorrufen können, sondern auch solche Einwirkungen relevant sind, die erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft zur Folge haben können. Es tritt hinzu, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass seltene Ereignisse mit derart schwerwiegenden Beeinträchtigungen etwa durch Lärm verbunden sind, dass die Gefahrenschwelle in Rede steht. Im Übrigen ist die Funktion des Begriffs des seltenen Ereignisses in Nummer 7.2 TA Lärm bzw. Nr. 3.2 des Freizeitlärmerlasses nicht die eines Irrelevanzkriteriums, was zur Folge hätte, dass die damit einhergehenden Immissionen als von vornherein unschädlich zu bewerten wären. Das Vorkommen seltener Ereignisse rechtfertigt allenfalls, die damit verbundenen Immissionen bei der Bestimmung der von einem Dauerbetrieb ausgehenden Belastungen außer Acht zu lassen, sowohl Nr. 7.2 TA Lärm als auch Nr. 3.2 der Freizeitlärmrichtlinie lassen aber keinen Zweifel daran, dass seltene Ereignisse nach Maßgabe der jeweils getroffenen Regelungen im Einzelfall zu bewerten sind und ihre Regelung dem Ziel der Vermeidung schädlicher Umweltbeeinträchtigungen verpflichtet bleibt. Die Beachtung dieses Ziels ist auch im Rahmen des Nachbarschutzes durchsetzbar. Jede andere Handhabung würde verkennen, dass Nachbarschutz dauerhaft gewollt ist und gerade im Fall seltener Ereignisse oder bei der Anwendung von Ausnahmebestimmungen, die ein Abweichen von Schutzstandards im Einzelfall ermöglichen, garantiert sein muss, dass im Rahmen solcher Sonderfälle das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmen und ihre Begrenzung effektiv kontrolliert werden kann. Das kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, dass auch in Nummer 3.2. des Freizeiterlasses Immissionsrichtwerte als Höchstwerte aufgeführt sind und in Nummer 7.2 TA Lärm für seltene Fälle eine eingehende Einzelfallprüfung vorgeschrieben ist. Nichts anderes gilt erst recht, wenn über diese Begrenzungen hinaus im Wege der Ausnahme nach Nummer 3.4 der Freizeitlärmrichtlinie noch die Eingrenzungen seltener Fälle überschnitten werden. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretene entgegenstehende Auffassung führt in letzter Konsequenz zu dem untragbaren Ergebnis, dass Nachbarschutz gerade dann nicht geltend gemacht werden könnte, wenn die mit den Immissionen verbundenen Beeinträchtigungen offenbar höher sind als bei der Regelnutzung einer Anlage.
85Die Kläger haben auch ein Feststellungsinteresse. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass sie auch in Zukunft in vergleichbarem Umfang Oktoberfeste einmal jährlich nach den Maßstäben, die für dessen Zulassung im Jahr 2014 angewendet wurden, auf der Grundlage des Gaststättenrechts und des Landesimmissionsschutzgesetzes ermöglichen will. Die Beigeladene hat die Durchführung vergleichbarer Veranstaltungen in Zukunft nicht ausgeschlossen. Es ist deshalb unverkennbar, dass die Kläger auch zukünftig mit der Durchführung von Oktoberfesten am bisherigen Standort rechnen müssen. Sie haben daher ein berechtigtes Interesse an einer Klärung der Zulässigkeit solcher Veranstaltungen anhand der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der für das letzte Jahr von der Beklagten getroffenen Entscheidungen, um gegebenenfalls anhand verbindlicher Maßstäbe entscheiden zu können, ob sie deren Wiederholung hinnehmen müssen. Zur Klärung dieser Fragen durch ein gerichtliches Hauptsacheverfahren haben sich die Beteiligten zudem im Vergleich vom 24. September 2014 ungeachtet der dort in Aussicht genommenen Entschädigungen verpflichtet.
86Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Die dort aufgeführten von der Beklagten erteilten vorübergehenden Gestattungen und Genehmigungen waren rechtswidrig:
87Dabei ist vorab klarzustellen, dass vorliegend keinerlei Veranlassung bestand, Regelungen im Rahmen der Ausnahmebestimmungen nach den §§ 9,10 LImSchG zu treffen. Ungeachtet des Umstandes, dass diese Bestimmungen prinzipiell nur von Personen ausgehende und diesen zuzurechnende Verhaltensweisen betreffen, die zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen können, war der Anwendungsbereich des Landesimmissionsschutzgesetzes schon deshalb nicht eröffnet, weil die Bewältigung der mit der Veranstaltung Oktoberfest 2014 verbundenen Immissionen abschließend im Rahmen der gaststättenrechtlichen Vorschriften vorzunehmen war. Die hier anwendbare Bestimmung des § 12 GastG gibt der Beklagten auf, die Vereinbarkeit des danach zugelassenen Betriebs angesichts fehlender verbindlicher Bestimmungen aufgrund baurechtlicher Genehmigungen umfassend und damit auch einschließlich der zu erwartenden Einwirkungen auf die Umwelt abschließend und effektiv zu regeln. Für eine Ausgliederung der Betriebsdauer und der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen lässt das Gaststättengesetz als Bundesgesetz keinen Raum. Die von der Beklagten auf der Grundlage der §§ 9,10 LImSchG erteilten Ausnahmegenehmigungen sind daher schon deshalb rechtswidrig, weil diese Bestimmungen nicht angewendet werden durften und eine gesetzmäßige Einschränkung der Rechte der Kläger auf dieser Grundlage ausscheidet.
88Die von der Beklagten ausgesprochenen vorübergehenden Gestattungen nach § 12 GastG sind ebenfalls rechtswidrig. Sie lassen in unzulässiger Weise schädliche Umwelteinwirkungen auf die Kläger und deren Eigentum zu und verfehlen deshalb den gesetzlichen Regelungsauftrag.
89Dazu ist zunächst allgemein festzuhalten, dass vorläufige Gestattungen den mit einem solchen Gaststättenbetrieb verbundenen Lärm nach Maßgabe der Eigenart der gestatteten Betriebsweise umfassend und vollständig zu regeln haben. Dazu gehört nicht nur die Frage der Betriebszeit und der Musikdarbietungen, sondern auch ganz essentiell die Bewältigung der Konflikte, die erkennbar durch das Publikum und den der Veranstaltung zurechenbaren Straßen- und Zugangsverkehr hervorgerufen werden. Dass solche Konflikte in erheblichem Umfang zu erwarten waren, war angesichts der großen Zahl der Besucher der Veranstaltungen und der Lage der Betriebsstätte außerhalb öffentlicher Verkehrswege offenkundig. Es ist nicht ansatzweise zu erkennen, was die Auffassung der Beklagten rechtfertigen soll, Umstände dieser Art seien der Beigeladenen nicht zuzurechnen und bedürften deshalb keiner Beachtung im Rahmen der Zulassung des Betriebs.
90Dem gesetzlichen Regelungsauftrag werden die vorläufigen Gestattungen nicht gerecht. Sie sind sämtlich unbestimmt, da in ihnen verbindliche Bestimmungen dazu fehlen, welche Werte die Beigeladene nicht überschreiten darf. Die in ihnen enthaltenen Auflagen verweisen, von lediglich Randbereiche betreffenden Aussagen zum Betrieb technischer Einrichtungen abgesehen, ohne nähere einzelfallbezogene Angaben auf die gesetzlichen Verpflichtungen zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen. Angesichts der offenkundig zu erwartenden erheblichen Lärmbeeinträchtigungen der Anwohner genügt dies nicht der Pflicht, durch die konkrete Festsetzung von Immissionsrichtwerten den Nachbarschutz effektiv und überprüfbar zu regeln. Die Beklagte handelt daher schon durch die Erteilung vorläufiger Gestattungen nach § 12 GastG, die - wie vorliegend – dieser Steuerungspflicht zu Lasten der Anwohner nicht genügen, rechtswidrig. Sie verletzt damit zugleich die Rechte der Anwohner, die aufgrund der aufgezeigten Nachbarrechte Anspruch darauf haben, dass zu ihrem Schutz effektiv schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden.
91Das gilt umso mehr, als die Entscheidungen erkennbar nicht auf Verwirklichung angelegt sind. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird.
92Unabhängig davon gilt: Selbst wenn man entgegen dem vorstehenden Ansatz zu Gunsten der Beklagten die Regelungen in den Ausnahmegenehmigungen sowie die Zwangsmittelandrohungen vom 2. Oktober 2014 in eine Gesamtbetrachtung, ob unter Beachtung aller Regelungen verlässlich tatsächlich schädliche Umwelteinwirkungen zu Lasten der Kläger verhindert wurden, einbeziehen wollte, bleiben die vorläufigen Gestattungen rechtswidrig Das in der Gesamtheit der Regelungen verwirklichte Konzept zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen bleibt in entscheidender Weise hinter den gesetzlichen Anforderungen zurück. Es kann daher offen bleiben, ob und wie diese Regelungen einem Anspruch der Kläger, die Rechtswidrigkeit der Gestattungen und Genehmigungen festzustellen, entgegengehalten werden könnten.
93Für die Veranstaltung mit RWE-Mitarbeitern am 30.September 2014 gilt das schon deshalb, weil es hierfür keine wirksame Begrenzung der Immissionen in der Gestattung vom 12. September 2014 zu Gunsten der Nachbarschaft gab. Das beruht, wie sich aus dem Schreiben der Beklagten an die Beigeladene vom gleichen Tag ergibt, auf der Annahme, es gebe ohnehin keinen Anlass für eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 9,10 LImSchG und es sei Aufgabe der Beigeladenen, für die Beachtung der Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet zu Gunsten der Anwohner an der X.--------straße zu sorgen.An dieser Einschätzung ist allein die Bestimmung des zu Gunsten der Kläger einzuhaltenden Schutzniveaus zutreffend. Die Umgebung der Wohnhäuser ist zutreffend als diffus bzw. keinem Baugebiet der Baunutzungsverordnung zuzuordnen bewertet worden. Angesichts der großen Parkplatzflächen und des Kraftwerks in der Umgebung der Wohnhäuser handelt es sich um eine Innenbereichsbebauung, die lediglich auch dem Wohnen dient. Die daran anknüpfende Festlegung auf den Schutzstandard eines Mischgebiets wird von der Kammer geteilt.
94Für einen Verzicht auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten für diese Veranstaltung gibt es dagegen keinerlei Rechtfertigung. Es ist unverkennbar, das eine bis Mitternacht dauernde Veranstaltung der Außengastronomie, die hier angesichts der Durchführung in einem Zelt ohne besondere Schallschutzeinrichtungen ohne Zweifel anzunehmen ist, bei zu einer erwartenden Gästezahl von etwa 1.000 Besuchern und einem gleichzeitigen Musikprogramm einer effektiven Gestaltung des Lärms im Rahmen einer Gestattung bedarf. Dass dies nicht geschehen ist, beruht erkennbar nicht allein auf der fehlerhaften Annahme, der von den Besuchern verursachte Kommunikations- und Verkehrslärm sei unbeachtlich. Es wird auch deutlich, dass die Beklagte zu keiner Zeit ihrer Pflicht nachgekommen ist, die zu erwartenden Immissionen ordnungsgemäß zu erfassen und auf dieser Basis eine sachverständige Lärmprognose zu erstellen. Dazu war die Beklagte gerade zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen aber verpflichtet. Dem kann nicht entgegengehalten werden, entsprechende Daten hätten nicht vorgelegen. Wenn die Beklagte nicht aufgrund eigener Sachkunde eine tragfähige Bewertung vornehmen kann, hat sie entweder dem Veranstalter aufzugeben, hierzu tragfähige Unterlagen beizubringen, oder aber selbst Sachverständige einzuschalten. Dem kann sich die Beklagte nicht dadurch entziehen, dass sie ohne vollziehbare Regelungen dem Veranstalter lediglich die allgemein für die Anwohnergrundstücke geltenden Immissionsrichtwerte mitteilt und hinnimmt, dass deren Beachtung – wie vorliegend – angesichts des Charakters der gestatteten Veranstaltung offenbar nicht möglich ist. Die Kenntnis der Beklagten von diesen Umständen ist für die Kammer offenkundig, sie ergibt sich zwanglos aus der Begründung der Ausnahmegenehmigung vom 5.September 2014. Dort heißt es, der Mittelungspegel innerhalb größerer Menschenansammlungen liege erfahrungsgemäß zwischen 65 und 70 dB (A) und es sei, um die Wahrnehmung von Musik in diesen Fällen sicherzustellen, notwendig, die Beschallung um mindestens5 dB (A) höher anzusetzen. Wie es angesichts solcher Vorkenntnisse der Beigeladenen möglich sein sollte, ab 20.00 Uhr einen Immissionsrichtwert von 55 dB (A) und ab 22.00 Uhr einen Immissionsrichtwert von 45 dB (A) zugunsten der Kläger einzuhalten, entbehrt jeder Erklärung.
95Auch soweit für die sonstigen Veranstaltungen des Oktoberfestes Immissionsrichtwerte in den Ausnahmegenehmigungen festgesetzt worden sind, genügen diese nicht den rechtlichen Anforderungen, sie bleiben teilweise unbestimmt, sind nicht ordnungsgemäß ermittelt worden und zudem überhöht.
96Dabei ist vorab festzuhalten, dass es keine verbindlichen Regelungen für die Veranstaltungen auf der Grundlage der TA Lärm gibt, diese ist vorliegend nicht anwendbar. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dem Gaststättenbetrieb in einem Festzelt um eine nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlage, die nach Überzeugung der Kammer in gleicher Weise wie Freiluftgaststätten dem Anwendungsbereich der TA Lärm nach deren Nr. 1 Satz 2 Buchstabe b entzogen sind.
97Maßgeblich für die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen vorliegen, ist vielmehr eine wertende Beurteilung des Einzelfalls, die sich an den Regelungen des Freizeitlärmerlasses orientiert. Dieser Erlass beruht auf der Freizeitlärmrichtlinie des Länderausschusses der für Immissionsschutzfragen zuständigen obersten Landesbehörden und setzt diese in Nordrhein-Westfalen in sachverständiger Weise um. Der Erlass bezieht nach seiner Nr. 1 im vierten Absatz über die Musikdarbietungen in Zelten hinaus Anlagen der Außengastronomie ausdrücklich in seinen Anwendungsbereich ein. Die Kammer sieht keine Veranlassung, diese auf sachverständigen Erkenntnissen beruhenden Maßstäbe im Rahmen der von ihr zu treffenden konkreten Abwägungsentscheidung nicht anzuwenden. Die dort niedergelegten Grundsätze sind für die Kammer zwar nicht verbindlich, sie haben aber die Bedeutung einer Orientierungshilfe, der sich die Kammer bei der konkreten Beurteilung des Oktoberfestes bedient. Das entspricht erkennbar auch der Praxis der Beklagten, die sich gerade auf die Ausnahmebestimmungen des Freizeitlärmerlasses beruft.
98In diesem kommt zunächst zum Ausdruck, dass Anlagen der Außengastronomie im Grundsatz gegenüber anderen gewerblichen Betätigungen nur geringfügig privilegiert sind. Sie werden in Nr. 3. 1 und Nr. 4 des Erlasses im Grundsatz wie sonstige Anlagen im Sinne des § 3 Abs.5 Nr. 1 BImschG Immissionsrichtwerten unterworfen, die sich an Nr. 6.1 TA Lärm für gewerbliche Betätigungen orientieren. Diese Werte sind auch Grundlage für die Beurteilung, ob bei vorübergehenden Gestattungen nach § 12 GastG Erleichterungen zugestanden werden können. Hier könnte zwar der Umstand, dass es sich nicht um dauerhafte Belastungen handelt, im Einzelfall geringfügige Überschreitungen rechtfertigen. Das bedeutet allerdings entgegen der von der Beklagten in ihren Entscheidungen zugrunde gelegten und in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bekräftigten Auffassung nicht, dass die Schutzgüter der §§ 4 Abs.1 Nr. 3, 5 Abs.1 Nr. 3 GastG außer Betracht bleiben könnten oder ihnen geringeres Gewicht zugemessen werden darf. Die Erleichterungen können sich beispielsweise darauf beziehen, dass in Ausnahmefällen, in denen die Beachtung der Immissionsrichtwerte nicht nachgewiesen ist zur Vermeidung unverhältnismäßigen Aufwandes darauf verzichtet werden kann, vom Veranstalter den Nachweis zu verlangen, dass er mit seiner Immissionsprognose auf der „sicheren Seite“ liegt. Für eine spürbare Überschreitung von Immissionsrichtwerten gibt die Möglichkeit erleichterter Zulassung aber keine Rechtfertigung. Da die Beklagte rechtswidrig davon abgesehen hat, die mit der Außengastronomie verbundenen Immissionen überhaupt zu regeln, bedarf das keiner Vertiefung. Es bedarf deshalb auch keines Eingehens auf die Frage, ob die in § 9 LImSchG angelegte Privilegierung der Außengastronomie, die in Nr. 4 des Freizeitlärmerlasses aufgenommen wird, hingenommen werden kann, wonach von solchen Betrieben ausgehender Lärm bis 24.00 Uhr nicht vollständig den Bestimmungen über die Nachtruhe unterliegt. Mit dem bundesrechtlich in Nr. 6.3 der TA Lärm zum Ausdruck kommenden, für das Gaststättenrecht verbindlichen Verständnis der Nachtzeit könnte dies unvereinbar sein, eine hieran orientierte Praxis deshalb gegen Art. 31 GG verstoßen.
99Für die Musikdarbietungen und die damit verbundenen Lärmeinwirkungen gelten diese Privilegierungen ohnehin nicht. Die Ausnahmebestimmungen der Nr. 4 des Freizeitlärmerlasses erfassen allein den Betriebslärm, der üblicherweise von Außengaststätten ausgeht. Die für diese vorgesehenen Begünstigungen auf Musikveranstaltungen auszudehnen, gibt es keine Veranlassung. Musikveranstaltungen sind – unabhängig davon, ob sie mit einen Gaststättenbetrieb verbunden sind oder nicht – allein an den Regelungen der Nr. 3 der Freizeitlärmrichtlinie zu messen. Für sie gilt, dass ihnen, wie Nr. 3.1 des Erlasses belegt, prinzipiell keine Erleichterung gegenüber anderen gewerblichen Nutzungen zu Gute kommt. Dabei ist klarzustellen, dass es für die Bewertung des Lärms vorliegend nicht genügt, allein auf den von Lautsprechern bzw. den Musikinstrumenten verursachten Lärm abzustellen. Bei den maßgeblichen Emissionen ist vielmehr zu beachten, dass das Fest gerade darauf angelegt ist, die Besucher zum Mitsingen zu bewegen. Der hierdurch verursachte möglicherweise zusätzliche Veranstaltungslärm ist bei der Lärmprognose zu beachten.
100Die von der Beklagten bezüglich der Musikveranstaltungen festgelegten Immissionsrichtwerte übersteigen massiv die Begrenzungen, die für Mischgebiete zu beachten sind. Damit steht fest, dass die von der Beklagten in den Ausnahmegenehmigungen festgelegten Immissionsrichtwerte nur dann gerechtfertigt wären, wenn sie den besonderen Anforderungen der Nr. 3.2 bzw. 3 .4 des Freizeitlärmerlasses entsprechen würden. Das ist nicht der Fall.
101Dabei genügt es bei Veranstaltungen der vorliegenden Art schon im Ausgangspunkt nicht, lediglich Immissionsrichtwerte festzusetzen. Ungeachtet des durch die Besucher erzeugten Lärms ist – insbesondere vor dem Hintergrund, dass es bereits im Vorjahr erhebliche Beschwerden über die Auswirkungen der Lautsprecheranlagen gegeben hatte – in aller Regel wie auch vorliegend erforderlich, Regelungen an den Emissionsquellen zu treffen und bereits technisch durch Sicherungen an den Anlagen zur Schallerzeugung und zur Schallwiedergabe auszuschließen, dass deren Auswirkungen zu Überschreitung den von Grenzwerten führen (s. dazu auch Nr. 5 des Freizeitlärmerlasses).
102Der für solche Maßnahmen notwendige Beschallungsplan war unabdingbar, um im Zusammenhang mit der anzustellenden Lärmprognose überhaupt nachvollziehbar zu begründen, dass die vorgesehen Immissionsrichtwerte den notwendigen Schutz der Nachbarschaft tatsächlich gewährleisten. Die für die Berechnung des maßgeblichen
103Beurteilungspegels erforderlichen Grundlagen waren zudem auch deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte in unzulässiger Weise den Kommunikations- und Verkehrslärm bei der Festlegung der Auflagen zur Ausnahmegenehmigung außer Betracht gelassen hat. Erst recht fehlt eine Bewertung des Lärms, die die Informations- und Impulshaltigkeit der Lärmquellen bei der Berechnung des festgelegten Beurteilungspegels angemessenen berücksichtigt. Dass hier Zuschläge wegen der Informationshaltigkeit notwendig waren, ergibt sich schon aus dem hohen Wiedererkennungswert des durch bekannte Musiktitel geprägten Programms und die anschaulich durch Nachbarbeschwerden geschilderte besondere Belastung daraus, dass stündlich mehrfach ein Tusch auf das „Prosit der Gemütlichkeit“ gespielt wurde. Dass daneben noch die Belastung durch die Impulshaltigkeit der Musikdarbietungen bei der Festlegung des Beurteilungspegels einzubeziehen war, hat die Beklagte ebenfalls nicht beachtet.
104Ungeachtet dessen sind die festgesetzten Immissionsrichtwerte unabhängig von den aufgezeigten Fehlern auch als solche nicht nach Ziffer 3.2. des Freizeitlärmerlasses zu rechtfertigen. Die Beklagte hat schon im Erörterungstermin am 24. September 2014 zugestanden, dass das Oktoberfest nicht als seltenes Ereignis nach dieser Bestimmung angesehen werden kann. Das ergibt sich schon zweifelfrei daraus, dass die Immissionsrichtwerte deren Höchstwerte an allen Tagen in den Ruhezeiten und am 2.,3.,4.,10. und 11. Oktober 2014 zum Teil erheblich überschreiten. Es ist zudem durch nichts gerechtfertigt, dass ohne Begründung auf eine Begrenzung durch Richtwerte für Geräuschspitzen verzichtet worden ist. Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, dass die Vorbelastung zumindest durch die Veranstaltung von „Rü…Genuss pur 2014“ in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist. Ausweislich der Genehmigung für diese fünftägige Veranstaltung vom 2. Juli 2014 wurden auch hierfür Immissionsrichtwerte zu Lasten der Kläger zugelassen, die bei einem seltenen Ereignis bewilligt werden können. Die Kammer hält es für gerechtfertigt, auch für Einzelveranstaltungen die Einschätzung als seltenes Ereignis zuzulassen und deren immissionsrechtliche Zulässigkeit an den hierfür geltenden Grenzen zu messen. Der Freizeitlärmerlass lässt solche Überschreitungen im Rahmen einer Dauergenehmigung für eine Anlage aber nur an 10 Tagen im Jahr zu. Es spricht nichts dagegen, auch bei mehreren Einzelveranstaltungen an einem Ort diese Höchstbegrenzung für seltene Ereignisse für verbindlich zu halten und daraus abzuleiten, dass jedenfalls auf dem Messeparkplatz nur noch an weiteren fünf Tagen ein seltenes Ereignis im Sinne des Freizeitlärmerlasses stattfinden durfte. Dafür streitet das Ziel, Nachbarn von Vergnügungsstätten nur in einen begrenzten Zeitraum im Jahr solche erheblichen Beeinträchtigungen zuzumuten. Dem steht auch
105nicht die Sonderregelung in Nr. 3.2 c des Freizeitlärmerlasses entgegen, wonach unzumutbare Geräuschbelästigungen jedenfalls bei Überschreitung der Werte nach Nr. 3.1 des Freizeitlärmerlasses anzunehmen sind, wenn diese am selben Einwirkungsort an insgesamt mehr als 14 Kalendertagen eines Jahres auftreten. Diese Bestimmung erweitert nicht die Zahl der Tage, an denen an einem bestimmten Ort seltene Ereignisse stattfinden dürfen, sondern verpflichtet die Behörde, nötigenfalls zur Vermeidung einer Gesamtbelastung der Nachbarn von mehr als 14 Kalendertagen im Jahr, die Zahl der seltenen Ereignisse an einem Ort unter 10 Tage zu begrenzen.
106Die von der Beklagten festgelegten Immissionsrichtwerte können auch nicht durch die Überlegung gerechtfertigt werden, beim Rüttenscheider Oktoberfest seien die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Nr. 3.4. des Freizeitlärmerlasses anzunehmen. Danach kann von den Begrenzungen der Nr. 3.1 und 3.2. des Erlasses abgewichen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Durchführung der Veranstaltung angenommen wird und dieses rechtfertigt, die Belange der Anwohner zurückzustellen. Die Ausnahme kann nur bejaht werden, wenn eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass das Schutzbedürfnis der Wohnnutzung zurücktreten muss.
107Die Kammer betont dabei, dass das die Ausnahme ermöglichende und rechtfertigende öffentliche Interesse nicht einer ungesteuerten Vielfalt von öffentlichen Belangen eröffnet ist. Allgemeine Belange etwa der Wirtschafts- und Tourismusförderung oder fiskalische Interessen haben in diesem Zusammenhang keine erhebliche Bedeutung. In den immissionsrechtlichen Grundsätzen der Nr. 2 des Freizeitlärmerlasses wird zu Recht darauf abgestellt, dass dessen Regelungen auf den Grad der mit der Veranstaltung verbundenen Belästigung abstellen und die Wertungen hierzu aufnimmt, die der Einstellung eines verständigen, durchschnittlich empfindlichen Mitbürgers entsprechen. Darin kommt zum Ausdruck, dass gerade die Bewertung von Freizeitveranstaltungen je nach ihrem Anlass von Anwohnern unterschiedlich wahrgenommen wird und die Toleranz gegenüber Lärmeinwirkungen selbstverständlich auch davon abhängt, ob diese durch besondere Ereignisse veranlasst sind. Es ist unverkennbar, dass Immissionen trotz eines höheren Lärmaufkommens als sozialadäquat und damit im Sinne des Umweltrechts unschädlich akzeptiert werden, wenn ihr Anlass in der örtlichen Gemeinschaft der Umgebung einen hohen und allgemein anerkannten Stellenwert besitzt.
108Diesen Ansatz übernimmt Nr. 3.4 des Freizeitlärmerlasses, wenn dort ausgeführt wird, bei Veranstaltungen könnten für die Annahme von Ausnahmen deren historische, kulturelle oder sonst sozialgewichtige Grundlagen berücksichtigt werden. Eine vergleichbare Wertung findet sich auch in § 9 Abs. 3 LImSchG für ortsrechtliche Bestimmungen zur Einschränkung der Nachtruhe. Diese Regelungen beruhen auf der Erkenntnis, dass Volks- und Gemeindefeiern, Feiern örtlicher Vereine, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens gehören. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese oftmals in der Nähe zur Wohnbebauung durchgeführt werden müssen und zwangsläufig mit Beeinträchtigungen der Nachbarschaft verbunden sind. Verständige Nachbarn werden die damit verbundenen Geräuschentwicklungen deshalb in aller Regel in höherem Maß akzeptieren als die der sonstigen, nicht durch konkrete örtliche Bezüge ausgelöste Freizeitbetätigungen. Das gilt insbesondere, wenn es sich um ein außergewöhnliches und weitgehend einmaliges Ereignis handelt oder aber eine langjährige, mit dem Veranstaltungsort verbundene Traditionsveranstaltung (etwa Cranger Kirmes, Karnevalsveranstaltungen) betrifft, auf deren regelmäßige Wiederkehr sich die Umgebung eingerichtet hat und der sie notfalls dadurch ausweicht, das die Wohnnutzung in der Umgebung kurzfristig aufgegeben wird. Soweit keine solche Tradition besteht, kann eine vergleichbare Toleranz allerdings nur erwartet werden, wenn die mit der Veranstaltung verbundenen Ziele ein vergleichbares Gewicht für die örtliche Gemeinschaft am Veranstaltungsort aufweisen, die redlicherweise erwarten lassen, dass die verständigen Anwohner die berechtigten Belange der Wohnbedürfnisse zurückstellen. Nur wenn diese Voraussetzungen im Rahmen einer konkreten ergebnisoffenen Abwägung, in die auch die Schutzbedürfnisse der Anwohner eingestellt werden, erfüllt sind, kann die Überschreitung der Werte nach Nr. 3.2 und 3.2 des Freizeitlärmerlasses im Einzelfall hingenommen werden.
109Diesen Anforderungen genügen die Erwägungen der Beklagten offenbar nicht. Schon der Ausgangspunkt, es gebe ein verändertes Freizeitverhalten und ein daran anknüpfendes Bedürfnis nach Ausweitung eines abendlichen Freizeitangebots in Großveranstaltungen, lässt eine Grundlage für eine daran anknüpfende Beschränkung des Schutzes der Wohnbevölkerung nicht erkennen. Der Sache nach ist das lediglich die Umschreibung eines weiteren Freizeitangebots aus schlicht kommerziellen Interessen, für das wie für jegliche andere gewerbliche Tätigkeit verlangt werden kann, dass die bestehenden rechtlichen Grenzen solcher Betätigungen beachtet werden müssen und das nur verwirklicht werden kann, wenn dies am vorgesehenen Standort ohne Nutzungskonflikte möglich ist. Das hat selbstverständlich zur Folge, dass bestimmte Veranstaltungen schon auf dieser Ebene am vorgesehenen Ort nicht zulässig sind. Dementsprechend formuliert Nr. 2 des Freizeitlärmerlasses am Ende, dass es möglich ist, dass die Genehmigungsfähigkeit einer Veranstaltung bauplanungsrechtlich nicht herbeigeführt werden kann.
110Dem kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, es gebe eine besondere Nähe der Veranstaltung zu Rüttenscheid und für diesen Stadtteil habe die Veranstaltung besondere Bedeutung. Schon eine besondere Nähebeziehung zum Stadtteil vermag die Kammer nicht zu erkennen. Deren inhaltliche Gestaltung ist von örtlichen Bezügen völlig unabhängig, sie weist insoweit keinerlei Besonderheiten gegenüber anderen inzwischen dutzendfach allein in Nordrhein-Westfalen zeitnah oder gleichzeitig durchgeführten Oktoberfesten auf. Die Nähe zur Rüttenscheider Straße und dem dort vorhandenen Gastronomieangebot, das von den Gästen im Anschluss an die Veranstaltung wahrgenommen werden könne, erhöht lediglich die Attraktivität des kommerziell begründeten Festes für Besucher, denen der schlichte Besuch des Festes nicht genügt. Es handelt sich dabei allerdings nur um einen Standortvorteil für die Veranstalter, keineswegs um ein in der örtlichen Gemeinschaft wurzelndes, über Gewinninteressen hinausgehendes Bedürfnis. Dass ein anderer Platz für ein Festzelt in Rüttenscheid nicht vorhanden und die Veranstaltung in der Halle auch zu teuer sein soll, ist unerheblich. Die Konsequenz daraus ist allein, dass das Fest dann in Rüttenscheid nicht stattfinden kann, nicht aber, dass Nachbarinteressen unberücksichtigt bleiben müssen, um dem Veranstalter des Fests zum geschäftlichen Erfolg zu verhelfen.
111Die Entscheidung der Beklagten ist daher schon mangels eines hinreichenden, in den Besonderheiten der örtlichen Gemeinschaft wurzelnden Anlasses historischer, kultureller oder sozialgewichtiger Art nicht tragfähig. Sie ist auch im Übrigen durch fehlende Rücksicht auf die berechtigten Belange der Anwohner gekennzeichnet. Den Verwaltungsvorgängen ist eindeutig zu entnehmen, dass zu keiner Zeit auch nur erwogen wurde, das Fest könne wegen der von ihm ausgehenden massiven Belästigungen nicht zuzulassen sein. Alle Entscheidungen, die von der Beklagten getroffen wurden, waren allein durch das Ziel bestimmt, den wirtschaftlichen Erfolg und damit die Durchführung der Veranstaltung zu ermöglichen. Das wird nicht zuletzt dadurch erkennbar, dass die Beklagte zu keiner Zeit in Erwägung gezogen hat, das schon die bloße Dauer der Veranstaltung und die damit verbundene massive Beeinträchtigung der betroffenen Wohnbevölkerung ungewöhnlich schwerwiegend sind und schon dies ein überragendes örtliches Interesse an der Realisierung des Oktoberfestes verlangte.
112Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.