Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 09. Mai 2016 - 4 K 1107/15.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2016:0509.4K1107.15.NW.0A
bei uns veröffentlicht am09.05.2016

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Tenor

Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2015 rechtswidrig war, soweit darin dem Beigeladenen die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung über 24 Uhr hinaus erlaubt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes sowie einer immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung.

2

Die Klägerin wohnt auf dem mit einem Wohngebäude bebauten Grundstück Flurstück-Nr. …, „A-Straße ...“ in Neustadt an der Weinstraße, Ortsteil Haardt. Der Beigeladene ist Eigentümer der beiden nördlich der A-Straße gelegenen Grundstücke Flurstück-Nrn. … und …, die im Westen an die B-Straße angrenzen. Das Grundstück Flurstück-Nr. … ist mit einem Wohnhaus bebaut, in dem der Beigeladene auch sein ... Geschäft betreibt. Das südlich sich anschließende Grundstück Flurstück-Nr. … besteht aus einer Grünfläche mit mehreren Bäumen und Rasen. Östlich der beiden Grundstücke des Beigeladenen steht die protestantische Kirche. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftaufnahme des betroffenen Straßenabschnitts dienen (rot = Grundstück der Klägerin, gelb = Grundstücke des Beigeladenen):

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Es folgt die Luftbildaufnahme

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Im Ortsteil Haardt findet jährlich Anfang Mai das „Haardter Weinfest auf der Straße“ mit dem „Schubkarrenrennen“ statt. Am ersten Septemberwochenende veranstaltet die Beklagte die Haardter „Woi- und Quetschekuche-Kerwe“, bei dem Stücke eines überdimensionierten Zwetschgenkuchens verkauft werden und das „Quetschekern-Zielspucken“ angeboten wird. Während der beiden Veranstaltungen werden auf der etwa 850 m langen Kerwemeile entlang des Mandelrings an verschiedenen Plätzen Musik und Pfälzische Spezialitäten angeboten.

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Der Beigeladene beteiligt sich an den beiden Festen mit einer Ausschankstelle auf seinen Grundstücken Flurstück-Nrn. … und …. Auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … stehen während des Festes mehrere Bierzeltgarnituren, vereinzelte Stehtische und die Ausschankstelle. Die zwei an der Hauswand des Gebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … angebrachten Lautsprecher sind vom Wohnhaus der Klägerin etwa knapp 35 m entfernt.

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Für das „Haardter Weinfest auf der Straße“ im Mai 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen neben der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes nach dem Gaststättengesetz am 8. Mai 2015 auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von CD-Musik sowie Live-Musik an insgesamt sechs Tagen im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 bis maximal 24 Uhr. Gestattet wurde die Benutzung von Lautsprechern, Tonwiedergabegeräten, Musikinstrumenten und ähnlichen Geräten. Die Genehmigung wurde mit mehreren Nebenbestimmungen versehen.

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Da sich die Klägerin in der Vergangenheit bei der Beklagten mehrfach über von der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehende starke Lärmbelästigungen beschwert hatte, vereinbarte die Beklagte mit ihr die Durchführung von Lärmmessungen. Diese ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A).

8

Mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe für den Zeitraum vom 4. September 2015 bis zum 8. September 2015 im Rahmen der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes die Erlaubnis, bis auf Widerruf alkoholische Getränke auf dem Platz vor der (protestantischen) Kirche zu verabreichen. Die Erlaubnis enthielt u.a. die folgende Auflage:

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Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“

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Die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilten Gestattung wurde mit Verfügung vom 31. August 2015 angeordnet.

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Mit weiterem Bescheid vom 20. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Benutzung von Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten zum Abspielen von Musik (CD) an seiner Ausschankstelle anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe. Das Abspielen von CD-Musik wurde unter I. des Bescheides für folgende Tage bis maximal 24 Uhr gestattet: Freitag, 4. September 2015, Samstag, 5. September 2015, Sonntag, 6. September und Montag, 7. September 2015. Die Genehmigung enthielt unter II. u.a. folgende Auflagen:

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1. Zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen sind die Geräuschemissionen der Verstärkeranlagen so zu begrenzen, dass der Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) nächstgelegener Wohngebäude bzw. in angrenzenden Wohngebieten folgende Werte nicht überschreitet: In den unter Ziffer I. dieser Verfügung genehmigten Zeiten 70 dB(A), Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags einhalten. Zum Immissionsort wurde folgendes geregelt: Maßgeblicher Immissionsort für die Einhaltung des Grenzwertes ist entsprechend der schutzwürdigen Nutzung in der Nachbarschaft vor dem Fenster des Anwesens 67433 Neustadt, A-Straße …, sofern sich die Anwohnerin mit einer Lärmmessung vor Ort einverstanden erklärt, ansonsten vor dem Anwesen 67433 Neustadt, A-Straße …

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2. Die Beschallungstechnik ist so auszurichten, dass das Anwesen Am Bürgergarten 2 so wenig wie möglich beschallt wird. Insbesondere ist auf eine Reduzierung der abgestrahlten tiefen Frequenzanteile hinzuwirken (z.B. durch Minimierung einzelner nicht relevanter Terzen).

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3. Vor Beginn der Veranstaltungen ist die Beschallungsanlage so einzupegeln, dass der o. g. Immissionsrichtwert (Ziffer II Nr. 1) eingehalten wird. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken. Die ermittelten Schalldruckpegel und Beurteilungspegel sind zu dokumentieren.

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4. Um sicherzustellen, dass der Immissionsrichtwert eingehalten wird, hat die für die Veranstaltung verantwortliche Person während den Veranstaltungen stündliche Messungen am Emissionsort vorzunehmen. Als Emissionsort wird der Standort in 1 Meter Abstand zur hauptangesteuerten Lautsprecherbox festgelegt. Welcher Grenzwert am Emissionsort einzuhalten ist, wird dem Veranstalter in Abstimmung mit der Einmessung durch den Kommunalen Vollzugsdienst vorgegeben. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken.“

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Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug sowie die Standortgebundenheit und zahlenmäßig eng begrenzte Durchführung solcher Ereignisse als seltene Veranstaltung privilegiert. Im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung sei für die Musikdarbietungen bis 23 Uhr bzw. 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) bezogen auf den Beurteilungszeitraum für den Tag zugelassen worden.

17

Am 27. August 2015 legte die Klägerin gegen die dem Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 4. und 20. August 2015 Widerspruch mit der Begründung ein, der Ausschank an dieser Örtlichkeit in unmittelbarer Nähe zum allgemeinen Wohngebiet führe mit und ohne Musik stets zu unangemessenen Lärmbelästigungen. Ihr Anwesen sei am stärksten von den Lärmbelästigungen betroffen. Der Beigeladene halte sich auch nicht an die vorgegebenen Zeiten. Auch beim Weinfest 2015 habe der Beigeladene die zugelassenen Zeiten überzogen. Der Ansicht der Beklagten, Weinfeste und Kerwen gehörten zu den sehr seltenen Festen, sei zu widersprechen. Laut Freizeitlärmrichtlinie seien Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Es gebe zahlreiche Ausschankstellen beim Haardter Weinfest und der Woi- und Quetschekuchekerwe. Eine Unvermeidbarkeit sei nicht gegeben. Da die Beklagte den Ausschank des Beigeladenen erneut genehmigt habe, möge sie begründen, warum hierauf im Bereich der Kirche nicht verzichtet werden könne.

18

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015, der Klägerin zugestellt am 7. November 2015, wies der Stadtrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin als offensichtlich unzulässig zurück, da die Verwaltungsakte sich erledigt hätten.

19

Die Klägerin hat am 7. Dezember 2015 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Ausnahmegenehmigung auch mit den Nebenbestimmungen zum Schutz der Nachbarschaft rechtswidrig sei. Es sei nicht dafür Sorge getragen worden, dass die Musikwiedergabe zu den angegebenen Zeiten tatsächlich enden würde.

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Zwar erkenne die Rechtsprechung in einzelnen Fällen bestimmter Ereignisse als „sehr seltene“ Ereignisse wegen Herkömmlichkeit, Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft und sozialer Adäquanz trotz der damit verbundenen Belästigungen für die Nachbarschaft als zumutbar an. Die Zahl dieser sehr seltenen Ereignisse dürfe aber fünf pro Jahr nicht übersteigen. Auch seien die maximal zugelassenen Ereignisse innerhalb eines Ortes aufzuteilen und auf die zehn seltenen Ereignisse pro Jahr seien diese fünf sehr seltenen Ereignisse anzurechnen. Durch das Weinfest vom 8. bis 14. Mai 2015 und durch die Quetschekuchekerwe vom 4. bis 7. September 2015 seien schon zehn Tage erreicht worden. Zu diesen zehn Tagen seien noch Tage für Aufbau und Abbau von jeweils einem Tag hinzuzurechnen, da auch diese Tage mit Musikdarbietungen untermauert worden seien. Ebenfalls hinzugerechnet werden müssten das Sommernachtsfest und andere Veranstaltungen. Alle diese Feste seien konzentriert auf den Bereich von Gemeindezentrum und protestantischer Kirche. Die maximal zulässigen zehn Ereignisse seien weit überschritten, was bei der Entscheidung im Hinblick auf die Ausnahmegenehmigung und die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nicht bedacht worden sei.

21

Entgegen dem Verlangen der Rechtsprechung sei auch keine Entscheidung darüber getroffen worden, ob möglicherweise Ausweichstandorte für die Veranstaltungen zur Verfügung stünden. Dass entsprechende Prüfungen stattgefunden haben, lasse sich dem Bescheid nicht entnehmen. Es müsse dargelegt werden, welche anderen Standorte man in die Prüfung einbezogen habe. Auch sei nicht in Betracht gezogen worden, dass es bei dem ausgewählten Standort zu erheblichen Reflektionen an der Schlossbergmauer und der Kirche kommen könne. Eine solche Reflektion führe zur Verstärkung der Richtwerte und mache die Veranstaltung unzulässig. Es sei davon auszugehen, dass die im Bescheid festgelegten 70 dB(A) nicht eingehalten werden könnten, weshalb die Ausnahmegenehmigung bereits nichtig, zumindest aber rechtswidrig sei.

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Die Klägerin beantragt,

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festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 rechtswidrig waren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verweist zur Begründung auf die ergangenen Ausgangsbescheide.

27

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

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Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig (1.), in der Sache aber nur teilweise begründet (2.).

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1. Die Klage ist zulässig.

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1.1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – statthaft. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 haben sich durch Zeitablauf vor Klageerhebung erledigt. Die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe 2015 fand bereits in der Zeit vom 4. bis 8. September 2015 statt. Nur hierauf bezogen sich die vorübergehende Gestattung und die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung.

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1.2. Die Klägerin ist auch im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt, da sie durch die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nach § 12 Abs. 1 Gaststättengesetz – GastG – und durch die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 5 Landesimmissionsschutzgesetz – LImSchG – zumindest möglicherweise in drittschützenden Rechten verletzt ist. Im Hinblick auf die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung folgt dies daraus, dass eine solche von Nachbarn erfolgreich angefochten werden kann, wenn die enthaltenen Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – ausgehen (vgl. VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 lässt Ausnahmen von dem Verbot im Hinblick auf den Schutz der Nachtruhe nach § 4 Abs. 1 LImSchG und der Regelung nach § 6 Abs. 1 LImSchG in Bezug auf die Verwendung von Tongeräten zu. Insoweit schützen die §§ 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 LImSchG nicht nur die Allgemeinheit, sondern dienen auch dem Nachbarschutz, auf den sich die Klägerin hier berufen kann (vgl. VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –).

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Auf die in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 aufgeworfene Frage, ob die Klägerin – wie ursprünglich angegeben – Miteigentümerin des Grundstücks Flurstück-Nr. … oder nur Besitzerin ist, kommt es hier nicht an, denn auch nur obligatorisch Berechtigte sind befugt, sich auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu berufen. Diese Vorschrift verweist auf den immissionsschutzrechtlichen Begriff der Nachbarschaft, der auch Anwohner umfasst, die keine Eigentümer der von ihnen bewohnten oder genutzten Grundstücke sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 – 7 C 50/78 –, GewArch 1983, 101; Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437).

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1.3. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse an der begehrten gerichtlichen Entscheidung unter dem Aspekt der konkreten Wiederholungsgefahr. Eine solche ist anzunehmen, wenn die berechtigte Erwartung besteht, dass gleichartige, die Klägerin im Wesentlichen in ähnlicher Weise belastende Verwaltungsakte unter weitgehend gleichen Umständen künftig wieder erlassen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 – 4 C 12/04 –, juris). Davon ist hier angesichts der Praxis der Vorjahre und weil der Beigeladene seine Ausschankstelle mit CD-Musik auf der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe auch künftig betreiben will, ohne Weiteres auszugehen.

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2. In der Sache hat die Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch nur teilweise Erfolg.

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Zunächst kann offen bleiben, ob die Beklagte vorliegend berechtigt war, für die Ausschankstelle des Beigeladenen und das Abspielen von CD-Musik sowohl eine vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung als auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen (2.1.). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 verletzt die Klägerin nicht in ihren materiellen Rechten (2.2.). Dagegen verstößt die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung vom 4. August 2015 zum Teil gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verankerte Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarlichen Ausprägung (2.3.).

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2.1. In der hier gegeben Situation der Drittanfechtung von den Beigeladenen begünstigenden Verwaltungsakten kommt es ausschließlich darauf an, ob die beiden Bescheide vom 4. und 20. August 2015 subjektiv-öffentliche Rechte der drittbetroffenen Klägerin verletzt haben (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, LKRZ 2013, 442). Infolgedessen geht die Kammer nicht näher darauf ein, ob die Beklagte formal überhaupt befugt war, neben der am 4. August 2015 erteilten vorübergehenden gaststättenrechtliche Gestattung eine eigenständige immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erlassen oder ob die Beklagte die Frage nach der Zulässigkeit des Abspielens von CD-Musik umfassend und abschließend in der gaststättenrechtliche Gestattung hätte regeln müssen, weil das Gaststättengesetz als Bundesgesetz für eine Ausgliederung der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen keinen Raum lässt (so VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Abgesehen davon, dass die Beklagte hier gemäß § 1 Satz 1 Gaststättenverordnung – GastVO – sowohl zuständige Behörde für die Erteilung der gaststättenrechtlichen Gestattung als auch gemäß § 15 Abs. 1 LImSchG zuständige Behörde für den Erlass der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung war, kommt es nach Auffassung der Kammer für den Erfolg der Klage der Klägerin allein darauf an, ob diese durch die in den beiden Bescheiden getroffenen Regelungen in ihrem Zusammenspiel materiell-rechtlich beschwert ist, also entweder durch den von der Musikanlage des Beigeladenen oder von den Gästen der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehenden Lärm unzumutbar beeinträchtigt wurde (vgl. auch zur Unbeachtlichkeit der fehlenden Zuständigkeit der Behörde bei Drittanfechtungen OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. August 2012 – 8 B 10627/12.OVG –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. April 2006 – 3 S 547/06 –, NVwZ-RR 2007, 82; VG Neustadt, Urteil vom 18. April 2016 – 3 K 818/14.NW –). Dies war nur teilweise der Fall.

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2.2. Die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 war rechtmäßig.

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2.2.1. Die von dem Beigeladenen anlässlich der Durchführung der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe betriebene Ausschankstelle inklusive Tongeräten ist eine Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die keiner Genehmigung bedarf und daher in den Anwendungsbereich der §§ 22, 23 BImSchG fällt. Nach § 22 Abs. 2 BImSchG bleiben weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zählen sowohl § 4 Abs. 1 LImSchG als auch § 6 Abs. 1 LImSchG. Nach § 4 Abs. 1 LImSchG sind von 22 Uhr bis 6 Uhr Betätigungen verboten, die zu einer Störung der Nachtruhe führen können. Nach § 6 Abs. 1 LImSchG dürfen Geräte, die der Erzeugung oder Wiedergabe von Schall oder Schallzeichen dienen (Tongeräte), insbesondere Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte, Musikinstrumente und ähnliche Geräte, nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden oder die natürliche Umwelt nicht beeinträchtigt werden kann.

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2.2.2. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 LImSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen von dem Verbot der Störung der Nachtruhe (§ 4 Abs. 1 LImSchG) bzw. von dem Verbot der erheblichen Belästigung Dritter durch Tonwiedergabegeräte (§ 6 Abs. 1 LImSchG) bei einem öffentlichen oder überwiegenden privaten Interesse zulassen. Die Ausnahme soll gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden. Ferner kann die zuständige Behörde nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 LImSchG für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde und bei Vorliegen eines öffentlichen oder eines berechtigten privaten Interesses um mehr als eine Stunde hinausschieben. Schließlich kann die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse u.a. für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach § 4 Abs. 1 LImSchG zulassen. Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung der Pflege des historischen oder kulturellen Brauchtums dient oder sonst von besonderer kommunaler Bedeutung ist und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Interesse der Nachbarschaft an ungestörter Nachtruhe überwiegt.

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2.2.3. Die Erteilung einer Ausnahme nach den genannten Vorschriften erfordert eine Güterabwägung auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist die Lärmsituation unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der angestrebten Betätigung und des Schutzbedürfnisses der von Störungen betroffenen Nachbarn eingehend und sorgfältig zu würdigen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 – 21 A 1136/87 –, NVwZ 1988, 178). Hierbei steht der Behörde ein Ermessensspielraum zu (VG Mainz, Urteil vom 24. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Diesen Anforderungen genügt die verfahrensgegenständliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015.

42

2.2.3.1. Zunächst ist ein besonderes Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe mit einer eigenen Ausschankstelle unter Nutzung von Tongeräten im Rahmen seiner vorübergehenden Betriebsführung anzuerkennen. Es steht außer Frage, dass die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe als „Weinkerwe“ ebenso wie das Haardter Weinfest auf der Straße ein traditionelles örtliches Fest mit Brauchtumscharakter ist (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris zur Jakobuskerwe in Neustadt-Hambach). Bei den in der Pfalz stattfindenden und sich regelmäßig großem Zuspruch des Publikums erfreuenden „Weinkerwen“ stehen die Ausschankstellen von Weingütern, Winzergenossenschaften, Vereinen und Privatleuten im Mittelpunkt. Ohne diese Ausschankstellen, die häufig auch Live- oder CD-Musik im Programm haben, wäre die Durchführung einer „Weinkerwe“ nicht denkbar. Insofern erfüllen diese eine „soziale Funktion“ (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zu Biergärten in Bayern).

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2.2.3.2. Trotz dieser sozialen Funktion ist der Betrieb einer Ausschankstelle auf einer Weinkerwe in der Pfalz nicht von der Rücksichtnahme auf die benachbarte Wohnbebauung freigestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –, NJW 1989, 1291 zur Problematik des Sportlärms und der sozialen Funktion des Sports; Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zur sozialen Funktion von Biergärten). Ob das besondere Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Weinkerwe das in die Abwägung einzustellende Interesse der Klägerin an einer ungestörten Nachtruhe und daran, durch Tongeräte auch während des Tages nicht erheblich belästigt zu werden, überwiegt, beurteilt sich daher maßgeblich danach, ob die Immissionen der Klägerin zumutbar sind.

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Die durch das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen entstehenden Lärmimmissionen sind für die Klägerin dann unzumutbar, wenn sie schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 LImSchG i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG verursachen. Für dieses Verständnis spricht der Zweck der im Landesimmissionsschutzgesetz getroffenen Regelung. Wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, d. h. als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), ist im Kontext der §§ 4 und 6 LImSchG ebenso wie im Rahmen des § 22 Abs. 1 BImSchG anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, NJW 2003, 3360). Die Zumutbarkeit bestimmt sich grundsätzlich nach der Lage des beeinträchtigten Objekts bzw. der dort ausgeübten Nutzung; die Art des Gebiets, in dem sich die Liegenschaft des Rechtsschutzsuchenden befindet bzw. eine grundstücksbezogene Nutzung ausgeübt wird, bestimmt maßgeblich den Grad der zuzubilligenden Schutzwürdigkeit (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 – , juris). Sowohl nach der verwaltungsgerichtlichen als auch nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung wird als erhebliche Belästigung alles angesehen, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher oder privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2009 – 8 B 13/09 –, juris und BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14 –, NJW 2015, 2023).

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Vorliegend bezieht sich die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auf die Benutzung von Tongeräten i. S. d. § 6 LImSchG (Lautsprecher und Tonwiedergabegeräte). In Übereinstimmung mit § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG erteilte die Beklagte die Ausnahmegenehmigung unter Auflagen und zwar mit dem Inhalt, dass das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen an vier Tagen (von Freitag, dem 4. September 2015 bis Montag, dem 7. September 2015) bis maximal 24 Uhr am maßgeblichen Immissionsort (Bürgergarten 2, Anwesen der Klägerin) ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) nicht überschritten werden darf. Ferner enthielt die Ausnahmegenehmigung weitere Auflagen zur Sicherstellung der Einhaltung der erlaubten Beurteilungspegel wie die Ausrichtung der Beschallungstechnik und die Einpegelung der Beschallungsanlage.

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2.2.3.3. Diese Auflagen waren geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.

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2.2.3.3.1. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen der Musikveranstaltungen im Rahmen des vorübergehenden Gaststättenbetriebs des Beigeladenen hat die Beklagte sich in nicht zu beanstandender Weise an der von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) herausgegebenen Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 (im Folgenden 3. Freizeitlärm-Richtlinie) orientiert, die nach dem Rundschreiben des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 22. Juli 2015 von den rheinland-pfälzischen Immissionsschutzbehörden bei der Ermittlung und Beurteilung von Freizeitlärm herangezogen werden soll. Die von Sachverständigen ausgearbeitete 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat zwar keinen Normcharakter, kann aber auch von Behörden und Gerichten als Entscheidungshilfe mit Indiz-Charakter zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 – 7 C 16/00 –, NVwZ 2001, 1167 und BGH, Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699). Die Regelungen der Freizeitlärm-Richtlinie bieten eine Orientierungshilfe insbesondere für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Live- oder CD-Musik, Platzkonzerte oder Volksfeste dargeboten werden. Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG kommt im Einzelfall der Dauer und der Häufigkeit solcher Immissionen besondere Bedeutung zu.

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2.2.3.3.2. Die Kammer hat sich mit den Bewertungsgrundsätzen der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, welche nach den früheren Fassungen von 1987 bzw. von 1997 (letztere im Folgenden 2. Freizeitlärm-Richtlinie) erneut in der Fassung vom 6. März 2015 überarbeitet worden sind, befasst und hält diese grundsätzlich für gut geeignet, über Konflikte zwischen einerseits dem Ruhebedürfnis der Wohnbevölkerung und den Bedürfnissen der Allgemeinheit an Freizeitveranstaltungen insbesondere im Freien während des Sommerhalbjahres zu entscheiden (so auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris zum Frankfurter Museumsuferfest und VG Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2016 – 4 K 1275/15.WI –, juris zum Kulturfestival „Folklore“ in Wiesbaden).

49

2.2.3.3.3. Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie sieht in Ziffer 4.1 für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden für allgemeine Wohngebiete – vom Vorliegen eines solchen Gebiets geht die Kammer zugunsten der Klägerin hier aus – einen Immissionsrichtwert tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit von 55 dB (A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB(A) sowie nachts von 40 dB(A) vor. Die Genehmigung vom 20. August 2015 geht über diese Richtwerte deutlich hinaus. Allerdings trifft die Nr. 4.4 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für seltene Veranstaltungen eine Sonderfallbeurteilung. Ausgehend von dem Umstand, dass bei Veranstaltungen im Freien und/oder in Zelten die unter Ziffer 4.1 bis 4.3 genannten Immissionsrichtwerte mitunter trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen nicht eingehalten werden können, können in Sonderfällen solche Veranstaltungen gleichwohl zulässig sein, wenn sie eine hohe Standortgebundenheit oder soziale Adäquanz und Akzeptanz aufweisen und zudem zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden (Ziffer 4.4.1). Eine hohe Standortgebundenheit ist bei besonderem örtlichem oder regionalem Bezug gegeben. Hierunter können auch Feste mit kommunaler Bedeutung wie die örtliche Kirmes fallen. Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. Gemäß Ziffer 4.4.2 soll in derartigen Sonderfällen die zuständige Behörde zunächst die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen prüfen. In Bezug auf die Zumutbarkeit gibt die 3. Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 folgende Hinweise:

50

„Voraussetzung ist die Zumutbarkeit der Immissionen unter Berücksichtigung von Schutzwürdigkeit und Sensibilität des Einwirkungsbereichs.

51

a) Sofern bei seltenen Veranstaltungen Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts zu erwarten sind, ist deren Zumutbarkeit explizit zu begründen.

52

b) Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden.

53

c) In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein.

54

d) Die Anzahl der Tage (24 Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten.

55

e) Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten.

56

Die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen ist schriftlich nachvollziehbar zu begründen. Da das Spektrum derjenigen Veranstaltungen, die die Immissionsrichtwerte der Ziffern 4.1 bis 4.3 nicht einhalten können, groß ist und vom Dorffest bis zu überregionalen Großereignissen reicht, gilt:

57

In je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen (24 Stunden-Zeitraum) seltene Veranstaltungen stattfinden sollen, desto intensiver hat die zuständige Behörde die in dieser Ziffer genannten Voraussetzungen zu prüfen, zu bewerten und zu begründen. Bei herausragenden Veranstaltungen sind in der Begründung gerade der sozialen Adäquanz und Akzeptanz besondere Bedeutung beizumessen.“

58

2.2.3.3.4. Die Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 unterscheidet sich von der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aus dem Jahre 1997 (s. NVwZ 1997, 469) in mehreren Punkten. Die 2. Freizeitlärm-Richtlinie sah in Ziffer 4.4. ebenfalls Besonderheiten bei seltenen Störereignissen vor. Unter Bezugnahme auf die Nr. 2.3.5 der Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschemmissionen wurden die seltenen Störereignisse auf zehn pro Jahr begrenzt (vgl. auch die Ziffern 6.3 und 7.2 der Technischen Anleitung Lärm 1998). Bei den seltenen Ereignissen sollten die Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) die nachfolgenden Werte nicht überschreiten: tags außerhalb der Ruhezeit 70 dB(A), tags innerhalb der Ruhezeit 65 dB(A) und nachts 55 dB(A). Geräuschspitzen sollten die vorgenannten Werte tagsüber um nicht mehr als 20 dB(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.

59

2.2.3.3.5. Nach der Rechtsprechung (s. insbesondere OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494 – und Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September – 20 V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) galt darüber hinaus Folgendes: Konnten bei einer Veranstaltung die für seltene Störereignisse in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie festgelegten Immissionsrichtwerte voraussichtlich nicht eingehalten werden, durfte sie immissionsschutz- und gaststättenrechtlich dennoch gestattet werden, wenn sie als „sehr seltenes Ereignis“ wegen ihrer Herkömmlichkeit, ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft oder ihrer sozialen Adäquanz trotz der mit ihr verbundenen Belästigungen den Nachbarn zumutbar war. Gelangte die zuständige Behörde aufgrund ihrer prognostischen Bewertung zu dem Ergebnis, dass es sich bei einer Feier um eine Brauchtumsveranstaltung oder eine solche von besonderer kommunaler Bedeutung handelt, hatte sie in eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten einzutreten. Das OVG Rheinland-Pfalz (s. Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494) hielt Musikdarbietungen in der Regel bis 24 Uhr für zulässig und zwar auch an Tagen, an denen der Folgetag nicht allgemein arbeitsfrei war. In Bezug auf die Anzahl der „sehr seltenen Ereignisse“ führte das OVG Rheinland-Pfalz wörtlich aus: „Ausgehend davon, dass als seltene Ereignisse solche definiert sind, die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen an nicht mehr als zwei aufeinander folgenden Wochenenden die niedrigeren Regelwerte überschreiten, kann nach Auffassung des Senats von sehr seltenen Ereignissen nur dann die Rede sein, wenn deren Anzahl deutlich niedriger als bei seltenen Ereignissen liegt. In aller Regel werden deshalb allenfalls fünf sehr seltene Ereignisse an einem Veranstaltungsort pro Jahr zugelassen werden dürfen. Des Weiteren hält der Senat mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) für solche sehr seltenen Ereignisse für erforderlich.“

60

2.2.3.3.6. Im Unterschied zur 2. Freizeitlärm-Richtlinie, die noch von zehn seltenen „Störereignissen“ pro Kalenderjahr ausging, hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie nunmehr bis zu 18 „seltene Veranstaltungen“ pro Kalenderjahr für zumutbar (vgl. auch § 5 Abs. 5 i.V.m. mit der Nr. 1.5 der Achtzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung) – 18. BImSchV –). Während die 2. Freizeitlärm-Richtlinie noch vorsah, dass bei seltenen Ereignissen der Beurteilungspegel vor den Fenstern tags außerhalb der Ruhezeit den Wert von 70 db(A) und innerhalb der Ruhezeit den Wert von 65 db(A) sowie nachts den Wert von 55 dB(A) nicht überschreiten sollte, ist nach der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, wie insbesondere das Zusammenspiel in Ziffer 4.4.2 a), b) und d) zeigt, die Einhaltung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr ohne nähere Begründung sowie eine Überschreitung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr und von 55 dB(A) jedenfalls in der Zeit von 22 bis 24 Uhr den Nachbarn zuzumuten, sofern die Zumutbarkeit explizit begründet wird. Daraus, dass es erst im Falle einer Überschreitung der in Ziffer 4.4.2 a) genannten Beurteilungspegel von 70 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts einer expliziten Begründung der Zumutbarkeit bedarf, ist zu folgern, dass diese Werte grundsätzlich als zumutbar zu erachten sind (s. auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris). Die angesprochene Begründungspflicht der Behörde hat umso intensiver auszufallen, in je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen seltene Veranstaltungen stattfinden sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die reine Zahl der Veranstaltungen bzw. Veranstaltungstage in der Gesamtbetrachtung nur einen Aspekt neben insbesondere der Intensität der Veranstaltungen und dem Schutzniveau des Gebiets abbildet (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris).

61

Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat damit zwar nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Begriff des „sehr seltenen Ereignisses“ eingeführt. Sie hat aber offensichtlich die in der Vergangenheit ergangene Rechtsprechung zur Zumutbarkeit von Immissionen bei Sonderfreizeitveranstaltungen gewürdigt und berücksichtigt, dass die in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten zumutbaren Immissionsrichtwerte in Bezug auf Sonderveranstaltungen im Freien mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz in der Lebenswirklichkeit nicht (immer) einzuhalten sind. Die zuvor in der Rechtsprechung erfolgte Unterscheidung zwischen „seltenen Ereignissen“ und „sehr seltenen Ereignissen“ hat damit nach Auffassung der Kammer an Bedeutung verloren. War nach der oben zitierten Rechtsprechung zu den „sehr seltenen Ereignissen“ an bis zu fünf Tagen pro Kalenderjahr über die Regelungen der 2. Freizeitlärm-Richtlinie hinaus eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) bis 24 Uhr zumutbar, so hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie diesen Beurteilungspegel sogar an 18 Tagen im Kalenderjahr bis 24 Uhr für grundsätzlich zumutbar. Im Falle einer expliziten und intensiven Begründung ist darüber hinaus sogar eine Immissionsrichtwertbegrenzung auf mehr als 70 dB(A) nicht ausgeschlossen. Angesichts der in Ziffer 4.4 getroffenen Hinweise in der 3. Freizeitlärm-Richtlinie bedarf es daher nach Ansicht der Kammer prinzipiell nicht mehr des Rückgriffs auf die Rechtsfigur des sog. „sehr seltenen Ereignisses“.

62

2.2.3.3.7. Hiernach waren die von der Beklagten dem Beigeladenen erteilten Auflagen geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.

63

Die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 erlaubte dem Beigeladenen von Freitag, dem 4. September 2015 bis zum Montag, dem 7. September 2015 an insgesamt vier Tagen CD-Musikdarbietungen unter Begrenzung der Schallpegel auf 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr. Die in Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie genannte Zumutbarkeitsgrenze für die Klägerin von 70 dB(A) wurde damit nicht überschritten. Addiert man hinzu, dass die Beklagte dem Beigeladenen auch für das Haardter Weinfest auf der Straße im Mai 2015 eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von Musik an seiner Ausschankstelle für insgesamt sechs Termine im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 mit einem einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 70 dB(A) gewährt hatte, ergeben sich insgesamt zehn immissionsrelevante „seltene Veranstaltungen pro Kalenderjahr“ im Sinne der 3. Freizeitlärm-Richtlinie.

64

Selbst wenn man das von der Klägerin genannte von der Liedertafel Neustadt veranstaltete Sommernachtsfest am 4. Juli 2015 im Haardter Schlosspark, der etwa 150 m Luftlinie vom Anwesen der Klägerin entfernt ist, als weiteres „seltenes Ereignis“ hinzuzählen würde, ergeben sich insgesamt elf einzelne Ereignisse, die nach Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie und unter Berücksichtigung der sozialen Funktion der Weinkerwen in der Pfalz in der genehmigten Intensität und Zahl über zwei Halbjahre verteilt einem Nachbarn und damit auch der Klägerin zumutbar sind. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung liegt die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle jedenfalls für Wohngebiete bei 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 – 7 A 28/12, 7 A 28/12 (7 A 22/12) –, NVwZ 2014, 730). Allerdings ist nichts dafür ersichtlich, dass die durch den angefochtenen Bescheid vom 20. August 2015 im Zusammenspiel mit der Ausnahmegenehmigung für das Haardter Weinfest im Mai 2015 zugelassenen Immissionen von 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr von solcher Intensität hätten sein können, dass mit Gesundheitsschäden (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –) bei den in der Nachbarschaft wohnenden Personen zu rechnen gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755). Derartiges hat die Klägerin auch nicht behauptet. Ihren Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 war vielmehr zu entnehmen, dass sie die Weinkerwe als solche ablehnt. Das Interesse der Allgemeinheit am geselligen Zusammensein an der von Musik begleiteten Ausschankstelle des Beigeladenen auf der Weinkerwe überwiegt daher insoweit das Schutzbedürfnis der Klägerin.

65

Die Beklagte hat die Zumutbarkeit in der Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auch explizit und ausreichend begründet. Zutreffend hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie darauf abgestellt, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug als seltene Veranstaltung privilegiert. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit des passiven Lärmschutzes und der technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärm in Form von Auflagen sei im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung für die Musikdarbietungen bis maximal 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) zulässig. Damit dieser Wert eingehalten wird, hat die Beklagte in Übereinstimmung mit den Ziffern 4.4.2 c) und 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie sowie mit § 4 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LImSchG mehrere Auflagen in die Genehmigung aufgenommen. So war die Beklagte befugt, nach Ziffer 4.4.2 c) und Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für die Veranstaltungen am Freitag, dem 4. September 2015 und am Samstag, dem 5. September 2015 die Nachtzeit von 22 Uhr auf 24 Uhr zu verschieben. Ebenso wenig ist die Verschiebung der Nachtzeit am Sonntag, dem 6. September und am Montag, dem 7. September 2015 um jeweils eine Stunde auf 23 Uhr rechtlich zu beanstanden. Während die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach Absatz 1 zulassen kann, bestimmt § 4 Abs. 4 Satz 1 LImSchG, dass die zuständige Behörde für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde hinausschieben kann.

66

Dem besonderen öffentlichen Interesse an der Musikveranstaltung des Beigeladenen ist die Beklagte in der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung mit Nebenbestimmungen zum Schutz auch der Klägerin vor unzumutbarem Lärm begegnet. So hat die Beklagte dem Beigeladenen Maßnahmen der Eigenüberwachung in Form von Einpegelungen, Ausrichtung der Beschallungstechnik und stündlichen Messungen mit Dokumentation aufgegeben (s. Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie). Darüber hinaus hat die Beklagte dem Beigeladenen die Benennung einer auf der Veranstaltung anwesenden verantwortlichen Person auferlegt, die in der Lage ist, die behördlichen Anordnungen gegenüber Mitwirkenden und Publikum durchzusetzen.

67

Anhaltspunkte dafür, dass die in der Ausnahmegenehmigung enthaltenen Regelungen und Nebenbestimmungen zur Einhaltung eines Beurteilungspegels von 70 dB(A) von vornherein ungeeignet sind, sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung moniert hat, der Beigeladene habe sich nicht an die vorgegebenen Zeiten gehalten und möglicherweise die genehmigten Immissionsrichtwerte nicht eingehalten, kann sie damit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Eventuelle Verstöße gegen die in einer Genehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen lassen regelmäßig die Rechtmäßigkeit der Genehmigung unberührt und betreffen zunächst allein die Frage der Vollzugskontrolle (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 1 ZB 09.247 –, juris; VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Allenfalls dann, wenn auch Kontrollen der zuständigen Überwachungsbehörden sich als ungeeignet zur Einhaltung des zulässigen Beurteilungspegels darstellten, könnte von einer zur Rechtwidrigkeit der Genehmigung führenden Ungeeignetheit führen. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Die Messungen der Beklagten anlässlich des Haardter Weinfestes ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A). Die weitere Messung der Beklagten während der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 ergab einen Wert von 67 dB(A), wurde aber nach dem Vermerk vom 7. September 2015 abgebrochen, weil die Klägerin die Messung gestört habe.

68

Die genannten Messungen, gegen die die Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben hat, erfassten nicht nur den von der Beschallungsanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärm, sondern auch den von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche sowie das dem Beigeladenen nicht zurechenbare sog. „Kerwegrundgeräusch“ (s. dazu VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris) und führten nicht zu einer Überschreitung des für die Musik genehmigten Beurteilungspegels von 70 dB(A).

69

Schließlich begegnet die streitgegenständliche Ausnahmegenehmigung auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil die Lautsprecher unmittelbar am Gebäude des Beigeladenen in der B-Straße … und damit in einem Abstand von weniger als 35 m zu dem Anwesen der Klägerin angebracht sind. Im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung hat die Beklagte zwar auch mögliche Alternativstandorte in den Blick zu nehmen; hierbei darf sie sich neben weiteren Gesichtspunkten auch vom Ziel der Veranstaltung und deren Adressatenkreis leiten lassen. Angesichts dieser Grundsätze ist die Zulassung der Tongeräte unmittelbar am Haus des Beigeladenen ohnehin die für die Klägerin schonendste Variante. Wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt hat, war die Beschallungsanlage bis vor einigen Jahren direkt an der Ausschankstelle und damit deutlich näher zum Anwesen der Klägerin montiert. Von der angewandten „architektonischen Selbsthilfe“ des Beigeladenen hat die Klägerin insoweit profitiert. Ein anderer lokal geeigneter Ausweichort für den Beigeladenen außerhalb seines eigenen Grundstücks scheidet von vornherein aus. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass der Beigeladene an seiner Ausschankstelle überhaupt auf Musik verzichtet.

70

2.3. Allerdings ist die dem Beigeladenen gemäß § 12 GastG erteilte vorübergehende gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 4. August 2015 zum Ausschank alkoholischer Getränke insoweit rechtlich zu beanstanden und nachbarrechtsverletzend, als dem Beigeladenen eine Betriebszeit bis 1 oder 2 Uhr gestattet wurde, ohne verbindlich festzuschreiben, dass der Beigeladene nach 24 Uhr die für die Klägerin zumutbaren Immissionsrichtwerte einzuhalten hat.

71

Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im Zusammenhang mit der Erteilung einer gaststättenrechtlichen Gestattung muss die zuständige Behörde die subjektiven Rechte der von dem vorübergehenden Gaststättenbetrieb betroffenen Nachbarn berücksichtigen und darf insbesondere nur zumutbare Lärmimmissionen erlauben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494).

72

Allerdings kann Nachbarn bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris m.w.N.). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit – d.h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz – zu berücksichtigen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 –, GewArch 2014, 485).

73

Da die Beklagte die Zumutbarkeit des von der Musikanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärms in der gesondert ergangenen immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 geregelt hat – und dies nach den Ausführungen in 2.2. rechtlich nicht zu beanstanden war –, war im Rahmen der vorübergehenden Gestattung des Gaststättenbetriebs noch über die Zumutbarkeit der von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche zu befinden. Hierzu findet sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 die folgende Regelung:

74

Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“

75

Die Beklagte entschied sich in Bezug auf die Festlegung der Betriebszeit somit nicht für eine zeitliche Einschränkung der vorübergehenden Gaststättenerlaubnis nach § 18 GastG i. V. m. § 18 Abs. 2, § 19 und 20 GastVO, wonach die Sperrzeit für Volksfeste, die um 22 Uhr beginnt und um 6 Uhr endet, bei einem öffentlichen Bedürfnis oder besonderen örtlichen Verhältnissen u.a. allgemein oder für einzelne Betriebe verkürzt werden kann, sondern für den Erlass einer Auflage nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG, wonach die Erlaubnis jederzeit mit Auflagen u. a. zum Schutz der Nachbarn versehen werden kann. Hierzu war die Beklagte berechtigt, denn die genannten Bestimmungen stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Vielmehr sind sie nebeneinander anwendbar, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, NVwZ 1995, 1021 zum Verhältnis von § 5 und § 18 GastG; VG Neustadt, Urteil vom 6. April 2006 – 4 K 1919/05.NW –; ebenso Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, 14. Auflage 2003, § 5 Rn. 4).

76

In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf nicht nur eine nach § 2 GastG erforderliche Gaststättenerlaubnis, sondern auch eine vorübergehende Gestattung nach § 12 GastG gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Auflagen (s. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG Genüge zu tun (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2016 – 2 A 2423/15 –, juris und VG Neustadt, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 K 396/15.NW -, juris jeweils zur Baugenehmigung). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der vorübergehenden Gestattung nach § 12 GastG getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Gastwirt die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris zur Baugenehmigung).

77

Dem gesetzlichen Regelungsauftrag wird die Gestattung vom 8. August 2015 im Zusammenspiel mit der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 nicht gerecht. Die nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG erlassene Auflage, die Betriebszeit auf 1 bzw. 2 Uhr zu beschränken und die Aufforderung an den Beigeladenen, jeweils ab 22 Uhr darauf zu achten, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist, soweit der Zeitraum von 24 Uhr bis 2 Uhr betroffen ist, rechtswidrig.

78

Was die Zeit bis 24 Uhr anbetrifft, fehlt es nach Auffassung der Kammer nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, da für die betroffenen Tage im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie die Auflage ergangen ist, bis 24 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) einzuhalten. Dies war der Klägerin, wie oben ausgeführt, zumutbar; auf diese Lautstärke musste sie sich einstellen. Zwar war Regelungsinhalt der genannten Ausnahmegenehmigung „nur“ der von der Musikanlage ausgehende Lärm. Es versteht sich aber von selbst, dass die von den Gästen zusätzlich zur Musik verursachten Geräusche vom einzuhaltenden Beurteilungspegel von 70 dB(A) umfasst ist (s. dazu auch die von der Beklagten vorgenommenen Messungen).

79

Da das unter Auflagen genehmigte Abspielen von Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen aber nur bis maximal 24 Uhr begrenzt war und die vorübergehende Gestattung darüber hinaus einen Gaststättenbetrieb bis längstens 2 Uhr erlaubte, musste die Beklagte indessen eine verbindlichen Regelung dazu treffen, welchen Kommunikationslärm sie in Bezug auf die Nachbarn und damit auf die Klägerin nach Beendigung der Musikdarbietungen um spätestens 24 Uhr über diesen Zeitpunkt hinaus für zulässig hält (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Ohne näher darauf einzugehen, ob die Betriebszeit von seltenen Veranstaltungen, die – wie hier – mehr als zehnmal pro Kalenderjahr stattfinden, überhaupt über 24 Uhr hinaus für die Nachbarn zumutbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 - 21 A 1136/87 -, NVwZ 1988, 178 zu einem auf drei Tage beschränkten Schützenfest, bei dem die Veranstaltungszeit über 24 Uhr hinaus festgesetzt wurde; vgl. auch VG Gera, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 K 1399/12 Ge –, juris, wonach eine Verschiebung der Nachtzeit auf 1 Uhr in sehr seltenen Fällen wie z.B. beim Maibaumsetzen in Betracht kommt), führt die Ziffer 4.4.2 b) der 3. Freizeitlärm-Richtlinie hierzu aus, Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden. Selbst wenn die Überschreitung eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr nach dieser Formulierung im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen sein soll, hätte die Beklagte einen genauen Beurteilungspegel, der nicht überschritten werden darf, in dem Bescheid vom 4. August festschreiben und nachvollziehbar begründen müssen, dass der genannte Wert für die Klägerin nach Mitternacht zumutbar ist. Dies galt umso mehr, als die Beklagte mit dem Haardter Weinfest im Mai 2015 und der Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 insgesamt zehn seltene Veranstaltungen im Kalenderjahr 2015 zugelassen hatte, die Prüfung der Zumutbarkeit von Immissionen nach 24 Uhr folglich besonders intensiv ausfallen musste. Derartige Erwägungen finden sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 jedoch nicht. Die in den der vorübergehenden gaststättenrechtlichen Gestattung beigefügten Auflagen aufgeführte Formulierung, ab 22 Uhr müsse darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist nicht geeignet, dem Schutzbedürfnis der Anwohner und damit auch der Klägerin nach 24 Uhr hinreichend Rechnung zu tragen. Die genannte Auflage genügt nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG in seiner nachbarlichen Ausgestaltung, um eine Begrenzung der Belastung der Klägerin nach 24 Uhr zu gewährleisten (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris; VG Münster, Beschluss vom 9. Februar 2009 – 10 L 39/09 –, juris). Durch die Nebenbestimmung wird in keiner Weise deutlich, welche maximale Lautstärke von dem Kommunikationslärm zwischen 24 Uhr und 2 Uhr ausgehen durfte. Die Klägerin konnte damit das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit nicht zweifelsfrei feststellen; sie war insoweit durch die Regelung schutzlos gestellt. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, auch nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird (s. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris).

80

Auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten nach 24 Uhr konnte hier auch nicht deshalb verzichtet werden, weil, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 angegeben hat, die Gäste nach 24 Uhr nahezu vollständig die Veranstaltung verlassen und die Ausschankstelle daher regelmäßig bereits um 24 Uhr geschlossen werde. Für die Frage, ob eine Veranstaltung den Nachbarn zugemutet werden darf, ist grundsätzlich von dem der Genehmigung zugrundeliegenden Nutzungsumfang auszugehen, nicht aber lediglich von einer möglicherweise hinter diesem Umfang zurückbleibenden tatsächlichen Nutzung (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 1992 – 3 S 829/92 –, UPR 1993, 308). Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund zuverlässig feststehender, gleichbleibender Umstände davon ausgegangen werden kann, dass die Anlage dauerhaft in einem geringeren Umfang als genehmigt genutzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1974 – IV C 77.73 –, GewArch 1975, 69). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es steht zum einen dem Beigeladenen frei, zukünftig eine kürzere Betriebszeit zu beantragen. Zum anderen wird die Beklagte, will sie auch zukünftig eine Bewirtung über 24 Uhr hinaus zulassen, für die Zeit nach 24 Uhr einen verbindlichen Immissionsrichtwert festschreiben müssen, dessen Einhaltung im Übrigen bei Bedarf auch überwacht werden muss.

81

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

82

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

83

Beschluss

84

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –).

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Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 37 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes; Rechtsbehelfsbelehrung


(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. (2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, w

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(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn 1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz betreffend die zukünftige Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebs.

Der Antragsteller wohnt auf dem Grundstück Fl.Nr. 381, Gemarkung ... Nördlich angrenzend an dieses Grundstück befindet sich ein Sportplatz, südöstlich grenzt das sogenannte „BRK Heim“ an, ein vom BRK genutztes Grundstück mit den Fl.Nrn. 378/4 und 378/5. Auf dem östlich gelegenen Grundstück Fl.Nr. 378/1 befindet sich ein Feuerwehrhaus.

Mit Bescheid vom ... Juni 2015 erteilte der Antragsgegner einer örtlichen Organisationseinheit des BRK eine Gestattung nach § 12 Gaststättengesetz - GastG - zur Veranstaltung einer „...-party“ im Innenhof des „BRK Heims“ am ... Juli 2015 ab 20:00 Uhr mit dem Ausschank u. a. alkoholischer Getränke. Als „Musik- und Ausschankende“ wurde 2:00 Uhr, als Veranstaltungsende 2:30 Uhr festgelegt. Einer Auflage Nr. 6 zum Immissionsschutz zufolge durfte ein „Beurteilungspegel der Lärmeinwirkung auf die Nachbarschaft“ einen Richtwert tags von 70 dB (A) und nachts - zwischen 22:00 Uhr und 7:00 Uhr - von 55 dB (A) nicht überschreiten. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen durften diese Werte am Tag um nicht mehr als 20 dB (A) und in der Nacht nicht mehr als 10 dB (A) überschreiten.

Am 9. Juli 2015 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, während Veranstaltungen auf dem benachbarten Grundstück des BRK sei er unzumutbaren Geruchs- und Lärmimmissionen ausgesetzt. Er schildert in diesem Zusammenhang mehrere Vorfälle, bei denen es wegen Ruhestörungen auch in der Nacht zu Polizeieinsätzen gekommen sei. Am 12. Juli 2014 habe auf dem Nachbargrundstück eine Party stattgefunden, während der sich der Antragsteller nicht zuhause aufgehalten habe. Veranstaltungsteilnehmer hätten Schäden verursacht. Das BRK lade nun wiederum zu einem Fest drei Meter neben seinem Wohncontainer ein. Der Antragsteller befürchte eine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung insbesondere durch Musikdarbietungen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

dem Antragsgegner zu untersagen, zukünftig Veranstaltungen zu genehmigen, die mit einer Überschreitung der amtlich festgesetzten Lärmgrenze starten, stattfinden oder enden würden, und für jeden Fall der Zuwiderhandlung einen Betrag von 500.000,- EUR und eine Ersatzhaft von sechs Monaten für den Sachbearbeiter des Antragsgegners anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde in der Antragserwiderung vom 6. November 2015 u. a. ausgeführt, die Gestattung eines vorläufigen Gaststättenbetriebs nach § 12 Abs. 1 GastG vom... Juni 2015 enthalte zahlreiche, u. a. immissionsschutzrechtliche Auflagen, welche gewährleisteten, dass die entsprechenden Gaststättenbetriebe ordnungsgemäß durchgeführt würden. Die Veranstaltung am ... Juli 2015 sei ordnungsgemäß abgehalten worden. Verstöße gegen den Bescheid vom ... Juni 2015 würden nicht vorliegen. Insbesondere habe es keine Lärmbeschwerden anderer Nachbarn gegeben. Der Antragsteller habe die seines Erachtens bestehenden Verpflichtungen des Antragsgegners bisher diesem gegenüber nicht geltend gemacht. Die Verantwortung für eine Einhaltung der Lärmgrenzwerte liege nicht beim Antragsgegner, der nicht selbst Veranstalter sei. Der Antragsgegner werde auch in Zukunft ausschließlich rechtmäßige Gestattungen nach § 12 Abs. 1 GastG erteilen.

Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen die künftige Gestattung von Veranstaltungen auf dem Nachbargrundstück des BRK nach § 12 GastG begehrt (§ 88 VwGO). Die von ihm angestrebte einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO soll zudem eine Strafandrohung in Bezug auf Ordnungsgeld und Ordnungshaft beinhalten (vgl. § 167 VwGO i. V. m. § 890 ZPO). Wie das Gericht dem Antragsteller mit Schreiben vom 15. Juli 2015 mitteilte wurde der Antrag so verstanden, dass er sich lediglich gegen den Antragsgegner richtet.

Es kann dahinstehen, ob das für die Zulässigkeit des Antrags erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist; dies ist nur ausnahmsweise zu bejahen, wenn vorbeugender Rechtsschutz vor Erlass eines Verwaltungsakts - hier vor künftigen Gestattungen nach § 12 GastG - begehrt wird. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft zu machen.

Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass eine künftige Gestattung nach § 12 GastG für Veranstaltungen auf dem BRK-Grundstück wegen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften, die dem Schutz der subjektiven Rechte des Antragstellers dienen, rechtswidrig wäre (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Ein Nachbar im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG kann sich darauf berufen, dass bei erlaubnisgemäßem Gaststättenbetrieb derartige Immissionen zu erwarten seien. Für das Vorliegen „erheblicher“ Nachteile bzw. Belästigungen kommt es entscheidend darauf an, ob die fraglichen Immissionen dem Betroffenen unter Würdigung aller Umstände zumutbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2014 - 22 CS 14.2013 - juris Rn. 5). Für die Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle ist nicht die individuelle Empfindlichkeit eines konkret schutzbedürftigen Nachbarn, sondern die durchschnittliche Empfindlichkeit gegenüber Lärmbeeinträchtigungen maßgeblich (vgl. BayVGH, U.v. 30.6.2015 - 22 B 14.564 - juris Rn. 20).

Bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG kann Nachbarn eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (vgl. BayVGH, B.v. 26.5.1988 - 22 CS 87.02172 - GewArch 1988, 275). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit - d. h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz - zu berücksichtigen ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2014 - 22 CS 14.2013 - juris Rn. 8). Die in verschiedenen Regelwerken entwickelten Grundsätze zur Behandlung sogenannter seltener Störereignisse können dabei Anhaltspunkte geben, dürfen aber nicht schematisch angewendet werden (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2015 - 22 CS 15.2058 - juris Rn. 4). Es besteht vielmehr Raum für die Berücksichtigung z. B. der besonderen Seltenheit einer Veranstaltung. Je kleiner die Zahl der Tage und Nächte mit Ruhestörungen ist, desto eher kann man diese der Nachbarschaft „aus besonderem Anlass“ zumuten (vgl. BayVGH, U.v. 22.10.1998 - 22 B 98.602 - juris Rn. 29).

Aufgrund der Äußerungen des Antragsgegners ist davon auszugehen, dass er künftig Gestattungen nach § 12 GastG für Veranstaltungen auf dem BRK-Grundstück mit den gleichen Auflagen erteilen würde, die im Bescheid vom... Juni 2015 enthalten waren. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner zum Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbaren Lärmimmissionen einzuhaltende Beurteilungspegel von tags 70 dB (A) und nachts 55 dB (A) festgesetzt hat. Maßgeblicher Immissionsort ist ersichtlich die nächstgelegene Wohnung des Antragstellers. Die festgelegten Immissionsrichtwerte entsprechen den Vorgaben für seltene Ereignisse nach Ziff. 6.3 TA Lärm bzw. § 5 Abs. 5 Sportanlagenlärmschutzverordnung - 18. BImSchV, an denen sich der Antragsgegner orientieren konnte. Die Lage unmittelbar angrenzend an das BRK-Grundstück prägt das vom Antragsteller bewohnte Grundstück mit; dieser muss die herkömmliche Nutzung des Nachbargrundstücks hinnehmen. Die Veranstaltung einzelner Feste im Jahr wie hier gehört zur üblichen Nutzung eines Vereinsgrundstücks. Solche Veranstaltungen dienen dem Zusammenhalt der Organisation und tragen zur Rekrutierung neuer Mitglieder bei. Im Hinblick darauf, dass das BRK im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben des Rettungsdienstes erfüllt, besteht eine hohe allgemeine Akzeptanz für derartige Veranstaltungen dieser Organisation. Zudem befinden sich mit dem Feuerwehrhaus und dem Sportplatz in unmittelbarer Nachbarschaft des Antragstellers weitere Anlagen, mit deren bestimmungsgemäßer Nutzung relativ hohe Lärmimmissionen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund muss der Antragsteller allgemein eine höhere Lärmbelastung hinnehmen, als dies z. B. in einem allgemeinen Wohngebiet der Fall wäre.

Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und entspricht der Hälfte des in einem etwaigen Klageverfahren anzusetzenden Streitwerts.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die vorläufigen Gestattungen der Beklagten nach § 12 des Gaststättengesetzes vom 5. September 2014 und 12. September 2014 in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 sowie die Genehmigungen der Beklagten vom 5. und 12. September 2014 nach dem Landesimmissionsschutzgesetz in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; die jeweiligen Kostenschuldnerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Kostengläubiger nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.


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(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die vorläufigen Gestattungen der Beklagten nach § 12 des Gaststättengesetzes vom 5. September 2014 und 12. September 2014 in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 sowie die Genehmigungen der Beklagten vom 5. und 12. September 2014 nach dem Landesimmissionsschutzgesetz in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; die jeweiligen Kostenschuldnerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Kostengläubiger nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.


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Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2006 - 2 K 622/06 - geändert. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die statthafte und den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechend begründete Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung zu beschränken hat (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), spricht derzeit Überwiegendes dafür, dass die der Beigeladenen erteilte Änderungsbaugenehmigung nicht gegen Vorschriften verstößt, die auch dem Schutz der Antragstellerin zu dienen bestimmt sind. Der Widerspruch der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilte Änderungsbaugenehmigung vom 23. Dezember 2005 wird daher voraussichtlich erfolglos bleiben, auch wenn manches dafür sprechen mag, dass die Baugenehmigung unter Verstoß gegen § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO erteilt wurde.
1. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO ist anstelle einer Gemeinde als Baurechtsbehörde die nächsthöhere Baurechtsbehörde zuständig, wenn es sich um ein Vorhaben der Gemeinde selbst handelt, gegen das Einwendungen erhoben werden. Um ein „Vorhaben der Gemeinde“ im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats aber nur dann, wenn die Gemeinde selbst als Bauherr auftritt, und nicht schon, wenn sie z.B. aus städtebaulichen Gründen ein Interesse an der Verwirklichung bestimmter Vorhaben hat (Urteil vom 03.12.1999 - 3 S 790/99 -). Dies hat der Senat selbst für einen Fall angenommen, bei dem eine Gemeinde Eigentümerin des Baugrundstücks war und sich an den Baukosten beteiligt hat (vgl. Beschluss vom 05.07.1999 - 3 S 1029/99 -). Offen gelassen hat der beschließende Senat bislang die Frage, ob ein „Vorhaben der Gemeinde“ im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO in Rede steht, wenn das Bauvorhaben von einer juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts errichtet wird und die Gemeinde auf die Willensentschließung dieses Unternehmens einen entscheidenden Einfluss auszuüben befugt ist, so dass das Vorhaben de facto als ein Vorhaben der Gemeinde selbst anzusehen ist (so Sauter, LBO, Loseblattslg. Stand Mai 2005, Band 1, § 48 RdNr. 19). Hierfür spricht immerhin in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die beigeladene Bauherrin eine vollständig im Besitz der Antragsgegnerin stehende Wohnungsbaugesellschaft ist, dass ungeachtet der rechtlichen Verschiedenheit von Antragsgegnerin und Beigeladener Interessenkollisionen in gleicher Weise auftreten können wie bei einer Identität von Genehmigungsbehörde und Bauherr. Nach Sinn und Zweck des § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO könnte dieser Umstand eine erweiternde Auslegung der Vorschrift für Fälle der vorliegenden Art gebieten.
Aus Anlass des vorliegenden Verfahrens bedarf diese Frage aber letztlich nicht der Entscheidung. Denn selbst wenn die Antragsgegnerin als sachlich unzuständige Behörde gehandelt hätte, würde dies voraussichtlich weder die Nichtigkeit der Änderungsbaugenehmigung zur Folge haben (dazu sogleich a.) noch könnte der Widerspruch allein wegen einer Verletzung der Zuständigkeitsvorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO Erfolg haben (b.).
a) Die mit dem Widerspruch angefochtene Änderungsbaugenehmigung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gemäß § 44 LVwVfG nichtig. Zwar ist gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG ein Verwaltungsakt nichtig, den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein. Die in Bezug genommene Norm des § 3 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG erfasst jedoch allein den Fall der örtlichen Unzuständigkeit bei besonderer Ortsgebundenheit von Verwaltungsakten und ist auf eine Verletzung von Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit - wie hier - nicht anwendbar (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, § 44 RdNr. 38). Die Änderungsbaugenehmigung dürfte auch nicht nach § 44 Abs. 1 LVwVfG nichtig sein. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Zuständigkeitsfehler fallen hierunter bei Handeln absolut unzuständiger Behörden, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt für den Erlass des Verwaltungsakts zuständig sind. Eine evidente Verletzung der sachlichen Zuständigkeit in diesem Sinne wird etwa angenommen, wenn die mit dem Verwaltungsakt geregelte Angelegenheit unter keinem sachlichen Gesichtspunkt einen Bezug zum Aufgabenbereich der handelnden Behörde hat und dies auch offenkundig ist (Kopp/Ramsauer, aaO, RdNr. 15 m.w.N.). Hiervon kann im vorliegenden Fall wohl keine Rede sein. Selbst wenn man - was in der Rechtsprechung des beschließenden Verwaltungsgerichtshofs bislang noch nicht entschieden ist - annehmen wollte, dass die Antragsgegnerin § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO dahingehend hätte auslegen müssen, dass die der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft erteilte Änderungsbaugenehmigung ein „Vorhaben der Gemeinde“ betrifft mit der Folge, dass nach den eingegangenen Einwendungen der Antragstellerin die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums begründet wäre, dürfte jedenfalls eine evidente Verletzung der sachlichen Zuständigkeit in dem oben genannten Sinne nicht vorliegen. Insofern lässt sich der Fall auch nicht mit jenen vergleichen, in denen eine Gemeinde sich gleichsam selbst eine Baugenehmigung erteilt (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.04.1982 - 3 S 108/82 -, VBlBW 1983, 25). Im Übrigen dürfte aus § 44 Abs. 3 Nr. 2 LVwVfG mindestens der Rechtsgedanke ableitbar sein, dass das bloße Tätigwerden trotz normativer Ausschließung aufgrund eines Interessenkonflikts die Nichtigkeit des Verwaltungsakts regelmäßig nicht zur Folge haben soll.
b) Erweist sich der Verwaltungsakt nach dem Vorstehenden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als nichtig, schließt sich die Frage an, ob die Antragstellerin die Aufhebung der Änderungsbaugenehmigung allein deshalb verlangen kann, weil sie - möglicherweise - von einer sachlich unzuständigen Behörde erteilt worden ist. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage bejaht (vgl. in diesem Sinne auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.08.1996 - 20 CS 96.2369 -, BayVBl. 1997, 51; Sauter, aaO, § 48 RdNr. 5). Nach der gefestigten Rechtsprechung des beschließenden Senats dienen die einschlägigen Zuständigkeitsvorschriften hingegen nicht dem Schutz des Nachbarn, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Verwaltungsverfahren (so schon VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.1979 - III 3858/78 -; aus neuerer Zeit: Beschluss vom 05.07.1999 - 3 S 1029/99 -; ebenso der 5. Senat des VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.12.1998 - 5 S 1548/98 -, BRS 60 Nr. 146). Der Senat hält an dieser Rechtsauffassung auch nach erneuter Überprüfung jedenfalls für die Fälle fest, in denen dem Bauherrn - wie vorliegend - ein (gebundener) Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung zusteht und Ermessenserwägungen nicht anzustellen sind.
Zwar trifft zu - worauf der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entscheidend abhebt -, dass der Aufhebungsanspruch des Einzelnen nicht schon an § 46 LVwVfG scheitert. Diese Vorschrift schließt die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts unter anderem für solche Verwaltungsakte aus, die unter Verletzung von Vorschriften über die hier nicht in Rede stehende örtliche Zuständigkeit zustande gekommen sind. Verstöße gegen die sachliche Zuständigkeit werden hiervon nicht umfasst (vgl. statt Vieler: Kopp/Ramsauer, aaO, § 46 RdNr. 23). Allerdings besagt § 46 LVwVfG nichts über den Schutznormcharakter von Zuständigkeitsvorschriften und trifft insbesondere keine Aussage darüber, ob in mehrpoligen Rechtsverhältnissen - wie im Baunachbarrecht - die Aufhebung einer Baugenehmigung allein wegen eines Verstoßes gegen eine Zuständigkeitsvorschrift begehrt werden kann (vgl. ausführlich Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, 2006, S. 309). Richtig verstanden ist in § 46 LVwVfG eine Begrenzung der subjektiven Rechtsmacht, Fehler des Verwaltungsverfahrens mit kassatorischer Wirkung geltend zu machen, zu sehen (Schenke, DÖV 1986, 305<307 ff.>; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblattslg. Stand Oktober 2005, Band 2, § 113 RdNr. 27). Mit anderen Worten setzt § 46 LVwVfG eine Verletzung in eigenen Rechten voraus, begründet sie aber nicht. Ob eine Verfahrensregel überhaupt den Interessen des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, ist eine Vorfrage, zu der sich § 46 LVwVfG nicht verhält (vgl. auch Meyer, in: Knack, VwVfG, 8. Auflage 2004, § 46 RdNr. 37 m.w.N.).
Lassen sich somit aus § 46 LVwVfG keine Schlüsse in Bezug auf den drittschützenden Charakter des § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO ziehen, ist die Frage nach den allgemeinen Grundsätzen der Schutznormtheorie zu beantworten. Verfahrensvorschriften sind danach - mit Ausnahme der hier nicht in Rede stehenden so genannten absoluten Verfahrensrechte (vgl. dazu Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblattslg. Stand Oktober 2005, Band 1, § 42 Abs. 2 RdNr. 73) - den Interessen des Drittbetroffenen nur dann zu dienen bestimmt, wenn sie eine nach materiellem Recht geschützte Rechtsstellung des Nachbarn berühren (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 42 RdNr. 95). Der Drittbetroffene hat damit grundsätzlich nur einen Anspruch auf Schutz seiner materiell-rechtlichen Rechtsposition (so für einen vergleichbaren Fall wohl auch BVerwG, Beschluss vom 17.03.1998 - 4 B 25.98 -, NVwZ 1998, 737; vgl. auch allgemein bei gänzlichem Unterbleiben des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens: Kopp/Schenke, aaO). Auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Zuständigkeitsnorm des § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO vermag der beschließende Senat nicht festzustellen, dass die genannte Vorschrift allgemein oder zumindest in Bezug auf den Nachbarn, der Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben hat, drittschützenden Charakter hat. Ob etwas anderes in solchen Fällen zu gelten hat, in denen die sachlich zuständige Behörde Ermessenserwägungen anzustellen hat, mag im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen.
Einer Entscheidung der Frage, ob die Antragstellerin mit der Einwendung der sachlichen Unzuständigkeit gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO ausgeschlossen ist, wie die Antragsgegnerin meint, bedarf es folglich mangels Entscheidungserheblichkeit nicht. Insoweit sei aber bemerkt, dass der Zuständigkeitswechsel nach § 48 Abs. 2 Satz 1 LBO durch die Einwendung des Angrenzers erst herbeigeführt wird. Im Übrigen wird der betroffene Nachbar den ihm zugänglichen Bauvorlagen regelmäßig nicht entnehmen können, welche Behörde die Kompetenz zur Erteilung der Baugenehmigung für sich in Anspruch nimmt.
2. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht vermag der beschließende Senat nicht festzustellen, dass das Vorhaben der Beigeladenen gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz der Antragstellerin zu dienen bestimmt sind. Der nachbarschützende Teil der Abstandsflächen gemäß § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO dürfte durch die im 2. Obergeschoss um 56 cm zurückgesetzte Außenwand eingehalten sein. Der Senat vermag die vom Verwaltungsgericht geäußerten Zweifel an der Klarheit der Bauvorlagen nicht zu teilen. Jedenfalls bei der gebotenen Gesamtschau der eingereichten Pläne und Ansichten ist klar erkennbar und nachvollziehbar, wie das 2. Obergeschoss nunmehr ausgeführt werden soll und welchen Einfluss dies auf die einzuhaltenden Abstandsflächen hat. Anders als noch bei der ursprünglichen Baugenehmigung liegt der Abstandsflächenberechnung nunmehr die Wandhöhe gemessen von der (gemittelten) Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut zugrunde (§ 5 Abs. 4 Sätze 2 und 3 LBO). Die entsprechende Berechnung in dem Änderungsbaugesuch ist nachvollziehbar und wird auch von der Antragstellerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Wegen der zurücktretenden Außenwand im 2. Obergeschoss ist die Tiefe der Abstandsfläche für den jeweiligen Wandabschnitt zu ermitteln (§ 5 Abs. 4 Satz 4 2. Halbsatz LBO). Sie beträgt für die bis zur Unterkante des 2. Obergeschosses reichende Außenwand 2,77 m (0,4 x 6,92 m) und erreicht die Grundstücksgrenze zur Antragstellerin bei weitem nicht. Die Tiefe der Abstandsfläche für die um 56 cm zurückgesetzte Außenwand im 2. Obergeschoss beträgt 3,81 m (0,4 x 9,54 m). Anders als die Antragstellerin offenbar meint, ist sie nur von der zurückgesetzten Wand im 2. Obergeschoss, und nicht von der - bezogen auf diese Wand - hervortretenden Wand im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss einzuhalten (vgl. zu den Einzelheiten der Berechnung in Fällen dieser Art Sauter, aaO, § 5 Rdnr. 65 und Abbildung 8 zu § 5). Nach den geänderten Ansichten wird mit der Außenwand im 2. Obergeschoss auch der Dachvorsprung dergestalt zurückgesetzt, dass er bei der Bemessung der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 6 Nr. 1 LBO außer Betracht bleiben kann. Jedenfalls für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist daher von der voraussichtlichen Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächen auszugehen.
10 
Was endlich die Beseitigung des Niederschlagwassers auf dem Grundstück der Beigeladenen angeht, ist eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage auch unter Berücksichtigung der Anböschung zum Grundstück der Antragstellerin nicht zu besorgen.
11 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, der Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten ungeachtet dessen zu erstatten, dass sie einen Antrag nicht gestellt hat und damit ein Kostenrisiko nicht eingegangen ist. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
12 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass

1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller oder einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Nummer 3 entsprechend gelten. Für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gilt die Verpflichtung des Satzes 1 nur, soweit sie auf die Verhinderung oder Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder von Funkanlagen ausgehende nichtionisierende Strahlen gerichtet ist.

(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorzuschreiben, dass die Errichtung, die Beschaffenheit und der Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen bestimmten Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und, soweit diese Anlagen gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden und Betriebsbereiche oder Bestandteile von Betriebsbereichen sind, vor sonstigen Gefahren zur Verhütung schwerer Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU und zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle für Mensch und Umwelt sowie zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen genügen müssen, insbesondere dass

1.
die Anlagen bestimmten technischen Anforderungen entsprechen müssen,
2.
die von Anlagen ausgehenden Emissionen bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfen,
3.
die Betreiber von Anlagen Messungen von Emissionen und Immissionen nach in der Rechtsverordnung näher zu bestimmenden Verfahren vorzunehmen haben oder von einer in der Rechtsverordnung zu bestimmenden Stelle vornehmen lassen müssen,
4.
die Betreiber bestimmter Anlagen der zuständigen Behörde unverzüglich die Inbetriebnahme oder eine Änderung einer Anlage, die für die Erfüllung von in der Rechtsverordnung vorgeschriebenen Pflichten von Bedeutung sein kann, anzuzeigen haben,
4a.
die Betreiber von Anlagen, die Betriebsbereiche oder Bestandteile von Betriebsbereichen sind, innerhalb einer angemessenen Frist vor Errichtung, vor Inbetriebnahme oder vor einer Änderung dieser Anlagen, die für die Erfüllung von in der Rechtsverordnung vorgeschriebenen Pflichten von Bedeutung sein kann, dies der zuständigen Behörde anzuzeigen haben und
5.
bestimmte Anlagen nur betrieben werden dürfen, nachdem die Bescheinigung eines von der nach Landesrecht zuständigen Behörde bekannt gegebenen Sachverständigen vorgelegt worden ist, dass die Anlage den Anforderungen der Rechtsverordnung oder einer Bauartzulassung nach § 33 entspricht.
In der Rechtsverordnung nach Satz 1 können auch die Anforderungen bestimmt werden, denen Sachverständige hinsichtlich ihrer Fachkunde, Zuverlässigkeit und gerätetechnischen Ausstattung genügen müssen. Wegen der Anforderungen nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 gilt § 7 Absatz 5 entsprechend.

(1a) Für bestimmte nicht genehmigungsbedürftige Anlagen kann durch Rechtsverordnung nach Absatz 1 vorgeschrieben werden, dass auf Antrag des Trägers des Vorhabens ein Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung nach § 4 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 6 durchzuführen ist. Im Falle eines Antrags nach Satz 1 sind für die betroffene Anlage an Stelle der für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen geltenden Vorschriften die Vorschriften über genehmigungsbedürftige Anlagen anzuwenden. Für das Verfahren gilt § 19 Absatz 2 und 3 entsprechend.

(2) Soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht, sind die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften im Sinne des Absatzes 1 zu erlassen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf eine oder mehrere oberste Landesbehörden übertragen.

(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass

1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller oder einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Nummer 3 entsprechend gelten. Für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gilt die Verpflichtung des Satzes 1 nur, soweit sie auf die Verhinderung oder Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder von Funkanlagen ausgehende nichtionisierende Strahlen gerichtet ist.

(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass

1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller oder einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Nummer 3 entsprechend gelten. Für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gilt die Verpflichtung des Satzes 1 nur, soweit sie auf die Verhinderung oder Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder von Funkanlagen ausgehende nichtionisierende Strahlen gerichtet ist.

(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, in deren Rahmen der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die Prüfung der in der Begründung dieses Rechtsmittels vorgebrachten Gesichtspunkte beschränkt ist, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht entsprochen.

Zutreffend weist die Beschwerdebegründung allerdings darauf hin, dass eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage des Antragstellers nicht damit begründet werden kann, er werde durch die Auswirkungen der verfahrensgegenständlichen Gestattung in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beeinträchtigt. Denn da der Antragsteller nicht mehr in der G.-straße wohnt, scheidet bereits die Möglichkeit einer geräuschbedingten Beeinträchtigung seiner Gesundheit als Folge der durch diesen Verwaltungsakt zugelassenen Handlungen aus.

Dessen ungeachtet besitzt der Antragsteller die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis. Auf der Grundlage der in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig nur möglichen, aber auch ausreichenden überschlägigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist darüber hinaus davon auszugehen, dass er durch die Gestattung vom 1. September 2014 in einem subjektiven Recht verletzt wird, wie das nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO Voraussetzung für den Erfolg einer diesen Verwaltungsakt betreffenden Anfechtungsklage ist. Denn der Antragsteller ist (Mit-)Eigentümer der Anwesen G.-straße 42 und 44. Allen derzeit erkennbaren Umständen nach wird sein Grundrecht auf Eigentum durch die Geräuschbelastung, die als Folge des verfahrensgegenständlichen Bescheids zu erwarten steht, entgegen Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht lediglich nach Maßgabe der Gesetze eingeschränkt.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen - hierzu gehören sowohl Gaststätten einschließlich ihrer Freischankflächen als auch sonstige Flächen, auf denen durch eine Gestattung im Sinn von § 12 GastG eine von § 1 GastG erfasste Betätigung zugelassen wird - so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, verhindert werden. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG und § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG wiederholen und bekräftigen dieses Gebot. Wie sich u. a. aus der Erwähnung der „Nachbarschaft“ in § 3 Abs. 1 BImSchG ergibt, besteht das Erfordernis, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden, nicht nur im Interesse des Gemeinwohls, sondern auch betroffener Einzelpersonen. Die vorstehend aufgeführten Normen besitzen deshalb drittschützenden Charakter.

Unter welchen Voraussetzungen Umwelteinwirkungen die in § 3 Abs. 1 BImSchG vorausgesetzte Schwelle der „erheblichen“ Nachteile bzw. der „erheblichen“ Belästigungen erreichen, lässt sich - soweit andere Rechtsgüter als die menschliche Gesundheit in Frage stehen - nicht anhand eines generell-abstrakten Maßstabs beurteilen. Ausschlaggebend kommt es vielmehr darauf an, ob die fraglichen Immissionen dem Betroffenen unter Würdigung aller Umstände zumutbar sind (vgl. z. B. Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 3 Rn. 47 m. w. N.). Namentlich in den Fällen, in denen die Rechtsverletzung des Betroffenen nur aus dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) hergeleitet werden kann, bestimmt sich die Zumutbarkeit in wesentlicher Hinsicht nach der Lage des beeinträchtigten Objekts bzw. der dort ausgeübten Nutzung; die Art des Gebiets, in dem sich die Liegenschaft des Rechtsschutzsuchenden befindet bzw. eine grundstücksbezogene Nutzung ausgeübt wird, bestimmt maßgeblich den Grad der zuzubilligenden Schutzwürdigkeit (vgl. z. B. Jarass, a. a. O. Rn. 55 ff. m. w. N.).

Erhebliche Bedeutung kommt vor diesem Hintergrund der Tatsache zu, dass die Anwesen des Antragstellers im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen, der sich ausdrücklich den Schutz der dort ausgeübten Wohnnutzung zum Ziel setzt. Es handelt sich gerade nicht um ein Kerngebiet im Sinn von § 7 BauNVO. Der nach Lage der Akten seit dem 19. Februar 1988 rechtskräftige, mit Wirkung ab dem 8. Februar 1997 geänderte Bebauungsplan 001 der Antragsgegnerin setzt für das fragliche Gebiet grundsätzlich ein Mischgebiet fest. Solche Gebiete dienen nach § 6 Abs. 1 BauNVO dem Wohnen und der Unterbringung solcher Gewerbebetriebe, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Einen über dieses Maß signifikant hinausgehenden Schutz erfahren Wohnnutzungen durch den Bebauungsplan 001 dadurch, dass er - abweichend von § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO - Vergnügungsstätten generell für unzulässig erklärt und entgegen § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO auch erlaubnispflichtige Schank- und Speisewirtschaften (eingeschränkt nur durch eine Bestandsschutzklausel zugunsten vorhandener Betriebe) nicht zulässt. Erweiterungen bestandsgeschützter Gaststätten sind nach den textlichen Festsetzungen dieses Bebauungsplans nur ausnahmsweise und u. a. nur dann zulässig, wenn „die Wohnnutzung … in der Nachbarschaft nicht gestört wird“.

Dass die geräuschbezogenen Auswirkungen der verfahrensgegenständlichen Gestattung eine solche Störung darstellen, die zudem erheblich im Sinn von § 3 Abs. 1 BImSchG und unzumutbar im Sinn der vorstehend dargestellten Kriterien ist, kann - auch im Licht des Beschwerdevorbringens - nicht ernsthaft bezweifelt werden.

Allerdings wendet sich die Antragsgegnerin zu Recht gegen eine „schematische“ Anwendung der TA Lärm. Eine unmodifizierte Anwendung der TA Lärm verbietet sich im vorliegenden Fall bereits deshalb, weil § 12 Abs. 1 GastG den Betrieb erlaubnisbedürftiger Gaststätten „unter erleichterten Voraussetzungen“ zulässt. Ob die hier von der Antragsgegnerin erteilte Gestattung nach § 12 GastG auch einer Person erteilt werden kann, die Inhaberin einer Erlaubnis nach § 2 GastG ist, kann hier offenbleiben. Jedenfalls haben die dann zu beachtenden „erleichterten Voraussetzungen“ zur Folge, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit, d. h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz zu berücksichtigen sind (BayVGH, U. v. 22.10.1998 - 22 B 98.602 - juris, BGH, U. v. 26.9.2003 - V ZR 41/03 - UPR 2004, 31/32). Hinzukommt, dass die Nummer 1 Satz 2 Buchst. b der TA Lärm Freiluftgaststätten ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich dieses Regelwerks ausnimmt (so auch BVerwG, B. v. 3.8.2010 - 4 B 9.10 - BRS 76 [2010] Nr. 188). Diese Bestimmung zielt gerade darauf ab, die Zumutbarkeitsschwelle unter dem Gesichtspunkt der sozialen Bedeutung von Freiluftgaststätten und der örtlichen bzw. regionalen Herkömmlichkeit solcher Anlagen ggf. anheben zu können (vgl. BR-Drucks. 254/98, S. 47). Aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2010 (a. a. O. Rn. 4) spricht viel dafür, dass der Nummer 1 Satz 2 Buchst. b der TA Lärm nicht nur „reine“ Freiluftgaststätten (d. h. solche gastronomische Betätigungen, die ohne Anbindung an eine in geschlossenen Räumen betriebene Gaststätte stattfinden), sondern auch Freischankflächen unterfallen, die einen Annex zu einem in einem Gebäude liegenden Lokal bilden.

Auch andere Regelwerke stehen zur Beurteilung der Geräusche, denen sich die Anwesen des Antragstellers als Folge der verfahrensgegenständlichen Gestattung ausgesetzt sehen werden, nicht zur Verfügung. Nicht einschlägig ist insbesondere die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV), da die Tatbestandsmerkmale des § 1 dieser Verordnung, aus denen sich ihr Anwendungsbereich ergibt, offensichtlich nicht erfüllt sind. Die Antragsgegnerin hat in der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt, dass vorliegend eine analoge Anwendung der Sportanlagenlärmschutzverordnung in Betracht kommt; nicht dargelegt wurde namentlich das Bestehen einer (absichtlichen oder planwidrigen) Regelungslücke. Da der Verordnungsgeber den Lärm, der von sonstigen Freizeitbetätigungen ausgeht, nicht ebenso privilegiert hat, wie das hinsichtlich des Sports geschehen ist, ist für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Sportanlagenlärmschutzverordnung kein Raum (ähnlich Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Stand Dezember 2006, § 1 18. BImSchV Rn. 29).

Ebenfalls nicht einschlägig ist die vom Länderausschuss für Immissionsschutz im Mai 1995 als Muster-Verwaltungsvorschrift verabschiedete sog. „Freizeitlärm-Richtlinie“, da sie sich ausweislich ihres Abschnitts 1 für Gaststätten ausdrücklich keine Geltung beimisst.

Im Rahmen der nach alledem gebotenen einzelfallbezogenen Betrachtungsweise fällt ausschlaggebend ins Gewicht, dass die Lärmbelastung, die aus der verfahrensgegenständlichen Gestattung resultieren wird, angesichts eines von der Antragsgegnerin selbst prognostizierten Beurteilungspegels während der Nachtzeit von bis zu 74 dB(A) derart hoch ist, dass sie das Maß dessen, was Betroffenen in dem konkreten Gebiet zugemutet werden darf, auch bei Gestattungen aus besonderem Anlass überschreitet. Hierbei kann nicht außer Betracht bleiben, dass alle vorgenannten Regelwerke davon ausgehen, selbst innerhalb von Mischgebieten, in denen die Wohnnutzung nicht in jener besonderen Weise als schutzbedürftig ausgestaltet wurde, wie das durch den Bebauungsplan 001 geschehen ist, werde das Maß der während der Nachtzeit hinzunehmenden Lärmfracht auf einen Beurteilungspegel von 45 dB(A) beschränkt, bei seltenen Ereignissen auf 55 dB(A). In einem Mischgebiet, in dem gaststättenrechtliche Nutzungen grundsätzlich nur noch in dem beim Inkrafttreten des einschlägigen Bebauungsplans bestehenden Umfang zulässig sind, und in dem Erweiterungen dieser Nutzungen von der Voraussetzung der unterbleibenden Störung der Wohnnutzung abhängig gemacht werden, sind nächtliche Beurteilungspegel von der Art, wie sie für den 19. September 2014 ab 22.00 Uhr prognostiziert wurden, auch bei besonderen Anlässen nicht mehr von der Duldungspflicht der Nachbarschaft umfasst. Angesichts der Geräuschbelastung, der sich die Anlieger der G.-straße aufgrund der dort vorhandenen Gaststätten einschließlich ihrer Freischankflächen fortwährend ausgesetzt sehen, vermag hieran auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Gestattung vom 1. September 2014 lärmträchtige Betätigungen nur während einer einzigen Nacht zulässt.

Die von der Antragsgegnerin in Bezug genommene Rechtsfigur der „sehr seltenen Ereignisse“ vermag die damit einhergehende Beeinträchtigung der Nachbarschaft ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Soweit sich die Antragsgegnerin auf die Vorschrift des § 6 der 18. BImSchV bezieht, ist diese Norm ebenso wenig unmittelbar oder entsprechend anwendbar, wie das aus den dargestellten Gründen für die Sportanlagenlärmschutzverordnung in ihrer Gesamtheit gilt. Allerdings hat die Rechtsprechung - auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z. B. BayVGH, U. v. 13.5.1997 - 22 B 96.3327 - BayVBl 1997, 594) - anerkannt, dass es Veranstaltungen geben kann, denen für die örtliche Gemeinschaft eine derart herausragende Bedeutung zukommt, dass selbst die Einhaltung der für „seltene Ereignisse“ geltenden Lärmgrenz- oder -richtwerte nicht verlangt werden kann (ähnlich z. B. OVG RhPf, U. v. 14.9.2004 - 6 A 10949/04 - juris). Vorliegend ist jedoch bereits die Voraussetzung nicht erfüllt, dass es sich bei der erweiterten und verlängerten Bewirtungsmöglichkeit, die die Antragsgegnerin aus Anlass des am 19. September 2014 beginnenden „Grafflmarktes“ eingeräumt hat, um ein „sehr seltenes“ Ereignis handelt. Nach der Aufstellung, die der Antragsteller der Beschwerdeerwiderung vom 16. September 2014 beigefügt hat und der die Antragsgegnerin in ihrer Replik vom 17. September 2014 nicht entgegengetreten ist, finden in der G.-straße (bzw. in ihrem näheren Umfeld) Veranstaltungen, die mit einer ähnlich hohen Lärmbelastung der Anwohner einhergehen, vielmehr in großer Zahl und in engen zeitlichen Abständen statt (vgl. zu dem Erfordernis, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit besonders geräuschintensiver Veranstaltungen auch die Gesamtbelastung, die sich für ein Grundstück durch andere Störereignisse ergibt, sowie die zwischen ihnen liegenden Abstände zu berücksichtigen, BGH, U. v. 26.9.2003 - V ZR 41/03 - UPR 2004, 31/32).

Einer Abänderung bedarf der angefochtene Beschluss entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht unter dem Blickwinkel der erforderlichen Bestimmtheit. Die vom Verwaltungsgericht wiederhergestellte aufschiebende Wirkung hat eindeutig zur Folge, dass die Beigeladenen aus der verfahrensgegenständlichen Gestattung keine Befugnisse herleiten können. Die Rechtslage stellt sich vielmehr so dar, wie sie bestünde, wäre dieser Verwaltungsakt nicht erlassen worden. Der Umfang der gaststättenrechtlichen Befugnisse der Beigeladenen bestimmt sich deshalb nach Maßgabe der ihnen erteilten Erlaubnisse einschließlich der hierfür geltenden Nebenbestimmungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, da sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt haben und sie von ihrer Interessenlage zudem als im Lager der unterlegenen Antragsgegnerin stehend anzusehen sind.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 110/14 Verkündet am:
16. Januar 2015
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Störung eines Mieters in seinem Besitz durch den Tabakrauch eines anderen
Mieters, der auf dem Balkon seiner Wohnung raucht, ist auch dann eine verbotene
Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB, wenn dem anderen Mieter im Verhältnis
zu seinem Vermieter das Rauchen gestattet ist.
Nach dem auf den Besitzschutzanspruch (§ 862 Abs. 1 BGB) entsprechend anzuwendenden
Maßstab des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter Einwirkungen
durch das Rauchen eines anderen Mieters nicht verbieten, wenn sie einen verständigen
Nutzer in dem Gebrauch der Mietsache nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen.

a) Der Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht auch gegenüber
wesentlichen Beeinträchtigungen nicht uneingeschränkt, weil der durch den
Rauch gestörte Mieter auf das Recht des anderen Mieters Rücksicht nehmen
muss, seine Wohnung vertragsgemäß zu nutzen, wozu grundsätzlich auch das
Rauchen in der eigenen Wohnung gehört.

b) Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme führt im Allgemeinen zu einer Gebrauchsregelung.
Für die Zeiten, in denen beide Mieter an einer Nutzung ihrer
Balkone interessiert sind, sind dem einen Mieter Zeiträume freizuhalten, in denen
er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während
dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen
darf.

a) Gesundheitsschädliche Immissionen durch Tabakrauch sind wesentliche Beeinträchtigungen
, die nicht geduldet werden müssen. Das gilt auch im Verhältnis von
Mietern untereinander.

b) Der Mieter, der unter Berufung auf die Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens
von einem anderen Mieter verlangt, das Rauchen auf dem Balkon zu unterlassen
, muss das sich aus den Nichtraucherschutzgesetzen ergebende Indiz erschüttern
, dass mit dem Rauchen im Freien keine solchen Gefahren einhergehen.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 - V ZR 110/14 - LG Potsdam
AG Rathenow
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Czub, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 14. März 2014 insoweit aufgehoben, als ihre Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Rathenow vom 6. September 2013 auch im Hinblick auf den Klageantrag zu 1 zurückgewiesen worden ist. In Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind Mieter in einem Mehrfamilienhaus in Brandenburg. Die Kläger wohnen im ersten Stock, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone der Wohnungen liegen übereinander. Die Beklagten sind Raucher und nutzen ihren Balkon mehrmals am Tag zum Rauchen, wobei der Umfang des täglichen Zigarettenkonsums streitig ist. Die Kläger fühlen sich als Nichtraucher durch den aufsteigenden Tabakrauch im Gebrauch ihrer Wohnung gestört. Sie haben - soweit hier von Interesse - beantragt, die Beklagten zu verurteilen, das Rau- chen auf dem Balkon während bestimmter Stunden zu unterlassen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit der die Kläger den Unterlassungsantrag weiter verfolgen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

2
Das Berufungsgericht (dessen Entscheidung u.a. in WuM 2014, 414 ff. veröffentlicht ist) meint, dass den Klägern kein Unterlassungsanspruch wegen einer Besitzstörung (§ 862 Abs. 1 Satz 2, § 858 Abs. 1 BGB) zustehe, weil das Rauchen zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung gehöre. Selbst wenn die Kläger durch das Rauchen der Beklagten in dem Gebrauch ihrer Wohnung beeinträchtigt sein sollten, stünde ihnen lediglich ein vertraglicher Anspruch gegen den Vermieter wegen eines Mangels der Mietsache zu. Die Kläger hätten auch keinen Abwehranspruch wegen einer drohenden Gesundheitsverletzung (§ 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB), weil das Rauchen im Freien keine dem Rauchen in Innenräumen vergleichbaren gesundheitlichen Risiken durch Passivrauchen mit sich bringe. Schließlich ergebe sich auch kein Abwehranspruch aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Es könne dahinstehen, ob diese Regeln im Verhältnis zwischen Mietern untereinander anwendbar seien, da es an zwingenden Gründen fehle, aus denen es geboten sei, den Beklagten zeitabschnittsweise das Rauchen auf dem Balkon zu untersagen. Ein solches Verbot wäre mit Art. 2 Abs. 1 GG unvereinbar; die grundrechtlich geschützte Freiheit der Lebensführung schließe das Recht ein, in der eigenen Wohnung unabhängig von zeitlichen und mengenmä- ßigen Vorgaben zu rauchen. Da es sich bei den Beklagten nicht um exzessive Raucher (Kettenraucher) handele, sei es den Klägern auch unter Berücksichtigung ihres Interesses, nicht durch Tabakrauch belästigt zu werden, zuzumuten, für die verhältnismäßig kurzen Zeiträume, in denen die Beklagten rauchten, die Fenster zu schließen und einen Aufenthalt auf dem Balkon zurückzustellen.

II.

3
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
1. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht einen Abwehranspruch der Kläger wegen einer Störung ihres Besitzes nach § 862 Abs. 1, § 858 Abs. 1 BGB.
5
a) Eine Besitzstörung kann darin begründet sein, dass der Besitzer bei dem Gebrauch der Sache durch Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB beeinträchtigt wird (vgl. Bamberger/Roth/Fritsche, BGB, 3. Aufl., § 858 Rn. 10; Erman/Lorenz, BGB, 14. Aufl., § 858 Rn. 3a; Jauernig/Berger, BGB, 15. Aufl., § 858 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Joost, BGB, 6. Aufl., § 858 Rn. 5; Paschke, NZM 2000, 595, 596; PWW/Prütting, BGB, 9. Aufl., § 858 Rn. 4). Dass einem Mieter ein Abwehranspruch nach § 862 Abs. 1 BGB gegen Besitzstörungen durch den von einem anderen Mieter verursachten Lärm zustehen kann, ist in der Rechtsprechung (BayObLGZ 1987, 36, 40; KG, KGR 2004, 75, 76; OLG Düsseldorf, WuM 1997, 221; OLG München, NJW-RR 1992, 1097) und im Schrifttum (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap III Rn. 2581; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 535 Rn. 28; MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 535 Rn. 171; PWW/Elzer, BGB, 9. Aufl., § 535 Rn. 50) anerkannt und ist auch in der von dem Berufungsgericht zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs zur sog. Versorgungssperre (Urteil vom 6. Mai 2009 - VIII ZR 137/07, BGHZ 180, 300 Rn. 28) nicht anders gesehen worden. Dem Besitzer wird - obwohl ihm an der Sache kein dingliches Recht zusteht - durch den Abwehranspruch ein dem § 1004 BGB entsprechender Schutz gegen von außen kommende Störungen seiner Sachherrschaft gewährt. Er wird insoweit behandelt, als wäre er Eigentümer der Sache (Westermann/Gursky, Sachenrecht , 8. Aufl., § 23 Rn. 13). Für Besitzstörungen durch Rauch und Ruß kann grundsätzlich nichts anderes gelten.
6
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob den Beklagten das Rauchen im Verhältnis zu ihrem Vermieter gestattet ist.
7
aa) Verbotene Eigenmacht ist nicht deswegen zu verneinen, weil das Rauchen im Verhältnis zwischen Mietvertragsparteien im Allgemeinen zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2006 - VIII ZR 124/05, NJW 2006, 2915 Rn. 23; Urteil vom 5. März 2008 - VIII ZR 37/07, NJW 2008, 1439 Rn. 22). Nach § 858 Abs. 1 BGB ist allein maßgeblich, dass die Entziehung oder Störung des Besitzes ohne den Willen des Besitzers erfolgt und nicht durch das Gesetz gestattet ist. Vertragliche Vereinbarungen des Störers mit Dritten vermögen eine Besitzstörung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen.
8
Das gilt auch für die hier zu beurteilenden Besitzstörungen durch andere Mieter. Allerdings kann sich für den gestörten Mieter aus seinem Mietvertrag und einer darin in Bezug genommenen Hausordnung ergeben, dass er Störungen durch Mitmieter in einem bestimmten Umfang (etwa durch das Musizieren oder durch die Haustierhaltung in einer anderen Wohnung) dulden muss und daher nicht nach § 862 Abs. 1 BGB abwehren kann (vgl. OLG München, NJW- RR 1992, 1099). Fehlt es jedoch - wie hier - an einer vertraglich begründeten Duldungspflicht, steht dem Mieter der Anspruch nach § 862 Abs. 1 BGB unabhängig davon zu, ob dem Mitmieter der die Beeinträchtigungen verursachende Gebrauch nach seinem Mietvertrag erlaubt ist oder nicht.
9
bb) Einen gegenteiligen Rechtssatz hat der Senat in der von dem Berufungsgericht zitierten Entscheidung vom 12. Dezember 2003 (V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 194) nicht aufgestellt. Er hat lediglich einen - hier nicht streitgegenständlichen - verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei Immissionen verneint, die von dem Nutzungsbereich eines Mieters auf den eines anderen einwirken. Dass zwischen den Mietern auf besitzschutz- und deliktsrechtlichen Normen beruhende Abwehransprüche bestehen können, ist nicht in Abrede gestellt worden (aaO S. 194 f.).
10
c) Zur Bestimmung der Grenzen dessen, was der Mieter an Immissionen (hier durch Tabakrauch) hinzunehmen hat, die von dem Gebrauch der anderen Wohnung ausgehen, ist der in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB bezeichnete Maßstab entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 1954 - VI ZR 35/53, JZ 1954, 613, 614; RG, HRR 1931 Nr. 1219; MünchKomm-BGB/Säcker, 6. Aufl., § 906 Rn. 165 Fn. 362; Roth, JZ 2004, 918, 919, ders. in Staudinger/ Roth, BGB [2009], § 906 Rn. 107; Siems, JuS 2005, 884, 885). Demnach kann der Mieter Einwirkungen durch das Rauchen eines anderen Mieters nicht verbieten , wenn sie ihn in dem Gebrauch der Mietsache nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Wann eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (Senat, Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06, BGHZ 175, 254 Rn. 24 mwN).
11
Ob die Kläger nach diesem Maßstab durch den aufsteigenden Tabakrauch in dem Gebrauch ihrer Wohnung wesentlich beeinträchtigt sind, ist zunächst eine Tatfrage. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat, Urteil vom 5. Februar 1993 - V ZR 61/91, BGHZ 121, 248, 252; Urteil vom 30. Oktober 1998 - V ZR 64/98, BGHZ 140, 1, 7). Das Berufungsgericht hat die zur Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung erforderlichen Feststellungen, ob und wie intensiv und damit störend der Tabakrauch auf dem Balkon der Kläger wahrgenommen wird (vgl. OLG Düsseldorf, WuM 2003, 515, 516), bislang nicht getroffen. Sie sind - entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragenen Ansicht der Beklagten - nicht deshalb entbehrlich, weil revisionsrechtlich von einem durch Aufzeichnungen der Kläger dokumentierten und von den Beklagten zugestandenen durchschnittlichen Konsum von zwölf Zigaretten täglich ausgegangen werden müsste. Es kann dahinstehen, ob die Beklagten durchschnittlich zwölf oder zwanzig Zigaretten an einem Tag auf dem Balkon rauchen. Intensiv wahrgenommene und deshalb als störend empfundene Raucheinwirkungen in den für die Balkonnutzung bevorzugten Zeiten wären auch dann nicht als eine nur unwesentliche Beeinträchtigung anzusehen, wenn der durchschnittliche Zigarettenkonsum der Beklagten sich auf die von ihnen zugestandene Menge beschränkte.
12
d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheidet die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung der Kläger nicht deshalb von vornherein aus, weil das Rauchen auf dem Balkon in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG fällt.
13
aa) Vor dem Inkrafttreten der Nichtraucherschutzgesetze ist ein Abwehranspruch des Mieters gegen Beeinträchtigungen durch das Rauchen eines Mitmieters im Freien allerdings mit der Begründung verneint worden, dass das Rauchen sozialadäquat und in der Gesellschaft akzeptiert sei. Da Rauchen durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sei, müsse das Interesse des nichtrauchenden Mieters an einer von Tabakrauch nicht gestörten Nutzung seiner Wohnung zurücktreten (AG Bonn, NZM 2000, 33; AG Wennigsen, WuM 2001, 487). Für das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter vertritt das Landgericht Berlin (63. Zivilkammer) die Auffassung, dass der Vermieter einem Mieter das Rauchen auf dem Balkon auch im Hinblick auf das Interesse eines anderen Mieters an einer von Tabakrauch ungestörten Nutzung seiner Wohnung nicht untersagen könne, weil das Rauchen grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehöre (LG Berlin, Grundeigentum 2009, 781).
14
bb) Das Schrifttum ist demgegenüber der Ansicht, dass auch das Recht des nicht rauchenden Mieters auf ungestörten Gebrauch seiner Mietsache zu beachten und der rauchende Mieter daher verpflichtet sei, sich auf maßvolles Rauchen zu beschränken (Börstinghaus/Pielsticker, WuM 2012, 480, 481 f.; Derleder, NJW 2007, 812, 814; Paschke, NZM 2008, 265, 267; Stapel, NZM 2000, 595, 597). Im Verhältnis zum Vermieter wird vom Landgericht Hamburg (NJW-RR 2012, 1362) und vom Landgericht Berlin, 67. Zivilkammer, (NJW-RR 2013, 1284) ein Mangel der Mietsache (§ 536 Abs. 1 Satz 2 BGB) durch die von dem Rauchen auf dem Balkon einer anderen Wohnung ausgehenden Einwirkungen bejaht, weil der in die Wohnung eines Nichtrauchers eindringende Tabakrauch deren Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mindere.
15
cc) Der Senat teilt den im Schrifttum vertretenen Ansatz. Angesichts der Nichtrauchergesetze von Bund und Ländern kommt die Annahme, durch Rauchen erzeugte Immissionen seien als sozialadäquat einzustufen und damit von stets unwesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB, heute nicht mehr in Be- tracht. Deutlich (intensiv) wahrnehmbarer Rauch ist vielmehr grundsätzlich als eine wesentliche Beeinträchtigung anzusehen; das gilt auch dann, wenn sie nur eine Zigarettenlänge andauert.
16
Allerdings besteht der Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenüber als wesentlich anzusehenden Beeinträchtigungen durch Tabakrauch nicht uneingeschränkt, weil der gestörte Mieter auf das Recht des anderen Mieters Rücksicht nehmen muss, seine Wohnung vertragsgemäß zu nutzen, wozu grundsätzlich auch das Rauchen in der Wohnung und auf dem Balkon gehört (siehe oben 1. b) aa). Bei Störungen durch solche Immissionen kollidieren die durch die Mietverträge begründeten Besitzrechte. Diese Rechtspositionen sind grundrechtlich geschützte Eigentumsrechte im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, da jede Partei auf den Gebrauch der Wohnung zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse wie zur Freiheitssicherung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit angewiesen ist (BVerfGE 89, 1, 6). Sie müssen daher - unter Einbeziehung des ebenfalls betroffenen Grundrechts des Rauchers aus Art. 2 Abs. 1 GG - in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden.
17
(1) Fehlt es an für beide Teile verbindlichen vertraglichen Regelungen in einer Hausordnung, bestimmen sich die Grenzen des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (vgl. KG, ZMR 2004, 261, 262; AG Bonn, NJW-RR 1989, 10; MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 569 Rn. 17; vgl. auch Börstinghaus /Pielsticker, WuM 2012, 480, 482). Aus der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich für jeden Hausbewohner die Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Interesse des anderen, die von ihm genutzte Wohnung für seine Lebensbedürfnisse und zur Entfaltung seiner Persönlichkeit zu gebrauchen. In Anbetracht dieser Verpflichtung kann die Ausübung auch eines an sich bestehenden Unterlassungsanspruchs des Mieters nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB unzulässig sein (vgl. AG Bonn, aaO - Rauch von einem Grill; Paschke, NZM 2008, 265, 267; Stapel, NZM 2000, 595, 597 - Tabakrauch ; zum Gebot der Rücksichtnahme zwischen Grundstücksnachbarn: Senat, Urteil vom 9. Juli 1958 - V ZR 202/57, BGHZ 28, 110, 114).
18
(2) Bei Beeinträchtigungen durch Tabakrauch führt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme - wenn eine Verständigung der Parteien untereinander nicht möglich ist - im Allgemeinen zu einer Gebrauchsregelung für die Zeiten, in denen beide Mieter an einer Nutzung ihrer Balkone interessiert sind. Dem Mieter sind Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts darf der nichtrauchende Mieter nicht darauf verwiesen werden, seinen Aufenthalt auf dem Balkon zurückzustellen, sobald sich der andere Mieter entschließt zu rauchen. Es muss ihm vielmehr möglich sein, seinen Balkon mindestens stundenweise zu nutzen, ohne jederzeit eine Unterbrechung des Aufenthalts gewärtigen zu müssen.
19
2. Ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht einen Abwehranspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB wegen der Gefahr einer Verletzung der Gesundheit der Kläger durch den vom Balkon der Beklagten aufsteigenden Tabakrauch. Ein solcher Anspruch käme in Betracht , wenn das Rauchen der Beklagten zwar zu keiner oder nur zu einer unwesentlichen Beeinträchtigung durch Qualm oder Geruch führte, aber die konkrete Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung bei dem Gebrauch des Balkons der Kläger mit sich brächte.
20
a) Im Ausgangspunkt nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass den Klägern unter dieser Voraussetzung gegen die Beklagten ein Unterlas- sungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zustünde. Die Vorschrift ist nicht auf Beeinträchtigungen des Eigentums beschränkt. Der negatorische Schutz wird vielmehr sämtlichen absoluten Rechten zuerkannt und auf alle deliktsrechtlich unmittelbar nach § 823 Abs. 1 BGB oder durch Gesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB geschützten Rechtsgüter ausgedehnt (Senat, Urteil vom 13. März 1998 - V ZR 190/97, NJW 1998, 2058, 2059; BGH, Urteil vom 18. Januar 1952 - I ZR 87/51, NJW 1952, 417; Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 219/05, NJW 2008, 3565 Rn. 12).
21
b) Gesundheitsschädliche Immissionen durch Tabakrauch sind wesentliche Beeinträchtigungen, die nicht geduldet werden müssen. Das gilt auch im Verhältnis von Mietern untereinander (vgl. zu Lärm BGH, Urteil vom 14. April 1954 - VI ZR 35/53, JZ 1954, 613, 614). Sie überschreiten stets die Grenze dessen, was der beeinträchtigte Mieter hinzunehmen hat (vgl. SchmidtFutterer /Eisenschmid, Mietrecht, § 535 Rn. 515; Staudinger/Roth, BGB [2009], § 906 Rn. 110).
22
c) Rechtsfehlerhaft sind aber die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Feststellbarkeit einer solchen Gefahr verneint.
23
aa) Richtig ist allerdings die Erwägung, dass die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden durch das Einatmen der im Tabakrauch enthaltenen krebserzeugenden Substanzen aus der Raumluft (Passivrauchen) grundsätzlich geringer einzuschätzen ist, wenn nicht in geschlossenen Räumen, sondern - wie hier - im Freien geraucht wird. Nicht zu beanstanden ist auch, dass sich die Gefahr gesundheitlicher Schäden bei einer größeren Distanz zwischen der Stelle, an der geraucht, und derjenigen, an der die mit dem Rauch belastete Luft eingeatmet wird (hier ein Höhenunterschied von ca. drei Metern) und bei einem dazwischen liegenden Hindernis (Balkondach) eher als gering einzuschätzen ist.
24
bb) Nicht zulässig ist es jedoch, die Gefahr gesundheitlicher Schäden auch unter Berücksichtigung des auf eine Feinstaubmessung gestützten und unter Beweis gestellten Vortrags der Kläger zu verneinen, dass während des Rauchens der Beklagten erhöhte Belastungen der Luft durch die im Tabakrauch enthaltenen Feinstaubpartikel festgestellt worden seien, die eine Gefahr für die Gesundheit bei einem Aufenthalt auf dem Balkon bedeuteten.
25
(1) Wird im Freien geraucht, ist allerdings grundsätzlich davon auszugehen , dass damit keine Gefahr für die Gesundheit anderer verbunden ist. Insoweit kommt den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder, die im Grundsatz das Rauchen nur in Gebäuden und in vollständig umschlossenen Räumen verbieten (§ 1 Abs. 2 BNichtrSchG; Art. 3 Abs. 1 BayGSG, § 2 Abs. 2 NRSG Bln, § 2 Abs. 2 Satz 1 BbgNiRSchG, § 1 Abs. 1 BremNiSchG, § 2 Abs. 2 Satz 1 HbgPSchG, § 1 Abs. 1 HessNRG, § 1 Abs. 1 NichtRauchSchG M-V, § 1 Abs. 1 NNiRSchG, § 1 Abs. 1 Satz 1 NiRSchG NRW, § 1 Abs. 2 NRauSchG SL, § 1 Abs. 3 SächsNSG, § 3 Abs. 1 NRauchSchG LSA, § 2 Abs. 1 NRauSchG Schl.-H., § 3 Abs. 3 Satz 1 ThürNRSchutzG), eine indizielle Bedeutung bei der Einschätzung der Gefahren durch Passivrauchen zu. Der Anwendungsbereich dieser Gesetze ist zwar auf öffentliche Einrichtungen und öffentlich zugängliche Bereiche privater Grundstücke beschränkt; mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke, zu denen nur Eigentümer, Mieter und Besucher Zutritt haben, fallen nicht darunter. Die diesen Gesetzen zugrunde liegende Einschätzung ist jedoch im Hinblick auf das Rauchen im Freien bei der Beurteilung der Gefahr von Gesundheitsschäden heranzuziehen, die von dem Rauchen in nicht öffentlich zugänglichen Bereichen ausgehen. Das rechtfertigt sich aus dem Zweck der genannten Gesetze, Nichtraucher vor den im Tabakrauch enthaltenen gesundheitsgefährdenden Giftstoffen zu schützen (Begründung zum Bundesnichtraucherschutzgesetz: BT-Drucks. 16/5049, S. 7; in vielen Landesgesetzen wird dieser Schutzzweck im Gesetzestext selbst genannt: § 1 Abs. 1 Satz 2 LNRSchG BW, Art. 1 BayGSG, § 1 NRSG Bln, § 1 BbgNiRSchG, § 1 Abs. 1 BremNiSchG, § 1 Abs. 1 HbgPSchG, § 1 NiSchG NRW, § 1 Abs. 1 NRauSchG RP, § 1 NRauSchG SL, § 1 SächsNSG, § 1 NRauchSchG LSA, § 1 Abs. 1 NRauSchG Schl.-H., § 1 Abs. 1 ThürNRSchutzG). Die Gefahr gesundheitlicher Schäden ist grundsätzlich nicht anders zu beurteilen, wenn nicht im öffentlichen Raum, sondern auf einem privaten, nicht frei zugänglichen Grundstück geraucht wird.
26
(2) Den Verboten in den Nichtraucherschutzgesetzen kommt jedoch lediglich eine Indizwirkung dafür zu, dass mit dem Rauchen im Freien keine gesundheitlichen Gefahren für Dritte durch das Passivrauchen einhergehen. Diese kann im Einzelfall erschüttert sein. Auch wenn in Gesetzen, Verordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften für bestimmte Immissionen Grenz- oder Richtwerte festgelegt sind, bei deren Einhaltung nach § 906 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB in der Regel von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen ist, kommt eine davon abweichende Beurteilung bei einer besonderen Gefahrenlage im Einzelfall stets in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juli 2001 - V ZR 246/00, BGHZ 148, 261, 264; Urteil vom 13. Februar 2004 - V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318). Das gilt erst recht, wenn sich das für die Ungefährlichkeit des Rauchens im Freien sprechende Indiz - wie hier - allein aus den auf das Rauchen in geschlossenen Räumen beschränkten und nur für öffentlich zugängliche Grundstücke geltenden Verbotsgesetzen entnehmen lässt.
27
Dem nicht rauchenden Mieter kann deshalb gegenüber dem rauchenden Mieter ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen der Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens auch dann zustehen, wenn im Freien geraucht wird. Er muss dazu allerdings das sich aus den Nichtraucherschutzgesetzen ergebende gegenteilige Indiz erschüttern. Das setzt voraus, dass sich auf Grund der besonderen Verhältnisse vor Ort im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch Feinstaubpartikel ergibt, die auf den Balkon oder in die Wohnung des nicht rauchenden Mieters gelangen. Verhält es sich so, kommen die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs - und Beweislast zur Anwendung; es muss dann der rauchende Mieter beweisen, dass die von seiner Wohnung ausgehenden Immissionen nur eine unwesentliche Beeinträchtigung bedeuten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2004 - V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318 f.).
28
Die Kläger haben Umstände dargelegt und unter Beweis gestellt, die geeignet sind, die Annahme, Passivrauchen im Freien sei ungefährlich, für den konkreten Fall zu erschüttern. Sie haben unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Feinstaubmessungen vorgetragen, dass immer dann, wenn die Beklagten rauchen, in einem für die Gesundheit gefährlichen Umfang toxische Feinstaubpartikel auf ihren Balkon und in ihre Wohnung gelangen. Diesem Vortrag wird das Berufungsgericht nachgehen müssen, wenn der Unterlassungsanspruch nicht schon wegen der Geruchsbelästigung begründet ist.
29
cc) Sollte sich dieses Vorbringen als richtig erweisen, erfordert das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme wiederum eine Gebrauchsregelung nach Zeitabschnitten (siehe oben 1.d) cc) (2)).

III.

30
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nach den bisherigen Feststellungen nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
31
1. Das Berufungsgericht wird zunächst festzustellen haben, ob der von dem Balkon der Beklagten aufsteigende Rauch nach dem Empfinden eines durchschnittlichen, verständigen Nutzers auf dem Balkon der Kläger oder - sofern er bei offenem Fenster bzw. offener Balkontür in die Wohnung zieht - in deren Wohnung als störend wahrzunehmen ist. Das macht es - wie bei der Beurteilung der von Lärmbelästigungen ausgehenden Störungen - in der Regel erforderlich, dass der Tatrichter sich selbst in einem Ortstermin einen persönlichen Eindruck von dem Maß der Beeinträchtigung verschafft (vgl. Senat, Urteil vom 8. Mai 1992 - V ZR 89/91, NJW 1992, 2019; Urteil vom 5. Februar1993 - V ZR 62/91, BGHZ 121, 248, 255).
32
2. Sollte eine wesentliche Beeinträchtigung zu verneinen sein, weil der Rauch nicht oder kaum wahrnehmbar ist, wäre der unter Beweis gestellten Behauptung der Kläger nachzugehen, dass mit dem Tabakrauch Feinstaubpartikel auf ihren Balkon bzw. in ihre Wohnung gelangen, hinsichtlich derer der fundierte Verdacht besteht, dass sie geeignet sind, die Gesundheit zu schädigen; Maßstab ist auch insoweit der durchschnittliche Nutzer. Stresemann Czub Brückner Weinland Kazele
Vorinstanzen:
AG Rathenow, Entscheidung vom 06.09.2013 - 4 C 300/13 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 14.03.2014 - 1 S 31/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 41/03 Verkündet am:
26. September 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Von einem Rockkonzert ausgehende Lärmimmissionen, die die Richtwerte der sog.
LAI-Hinweise überschreiten, können unwesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1
BGB sein, wenn es sich um eine Veranstaltung von kommunaler Bedeutung handelt,
die an nur einem Tag des Jahres stattfindet und weitgehend die einzige in der Umgebung
bleibt. Dies gilt in aller Regel aber nur bis Mitternacht.
BGH, Urt. v. 26. September 2003 - V ZR 41/03 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. September 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2003 im Kostenpunkt und im Umfang des nachfolgenden Ausspruchs aufgehoben und das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 22. April 2002 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihren Grundstücken, Gemarkung G. -F. , Parzellen-Nr. 2713 und 2739 bei dem Rockkonzert anläßlich des jährlich stattfindenden Sommerfestes des Sportvereins F. Geräusche auf das Grundstück der Kläger R. straße 27, G. -F. , Flurstück 2477, einwirken, die – gemessen 0,5 m vor den Fenstern des klägerischen Wohnhauses - zwischen 20.00 Uhr und 24.00 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) und eine Geräuschspitze von 90 dB(A), sowie zwischen 24.00 Uhr und 08.00 Uhr einen Beurtei- lungspegel von 55 dB(A) und eine Geräuschspitze von 65 dB(A) überschreiten.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander aufgehoben. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 60 % und die Beklagte 40 %.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger wenden sich gegen Lärmbelästigungen, die von einem alljährlich stattfindenden Sommerfest eines Sportvereins und dabei insbesondere von einem Rockkonzert ausgehen.
Die Kläger sind Eigentümer eines in einem allgemeinen Wohngebiet gelegenen Grundstücks. Auf dem Nachbargrundstück, das der beklagten Stadt gehört, befinden sich ein Bolzplatz, eine Sporthalle und ein Fußballfeld. Die Beklagte hat das Gelände einem Sportverein für Vereinsaktivitäten überlassen. Einmal im Jahr veranstaltet der Sportverein ein Sommerfest. Dabei finden in
einem Festzelt Musikveranstaltungen statt, darunter ein Rockkonzert. Für das bis weit nach Mitternacht dauernde Rockkonzert wurden für das Grundstück der Kläger in den Jahren 2001 und 2002 Mittelungspegel von 55,9 bis 70,5 dB(A) und 53,3 bis 66 dB(A) gemessen.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung eines weitergehenden Antrags verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihrem Grundstück Geräusche auf das Grundstück der Kläger einwirken, die zwischen 8 Uhr und 20 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A), in der Zeit von 6 Uhr bis 8 Uhr sowie von 20 Uhr bis 22 Uhr einen Beurteilungspegel von 65 dB(A) sowie zwischen 22 Uhr und 6 Uhr einen Beurteilungspegel von 55 dB(A) überschreiten. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beeinträchtigung der Kläger durch den von dem Sommerfest und hier insbesondere von dem Rockkonzert ausgehenden Lärm sei wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies folge aus der vor allem zur Nachtzeit ab 22 Uhr gravierenden Überschreitung der in der LAI-Freizeitlärmrichtlinie festgesetzten Lärmgrenzwerte; die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung werde dadurch indiziert. Diese Werte seien zwar nicht schematisch anzuwenden und erlaubten bei einem einmaligen
Ereignis eine großzügigere Handhabung. Ein einmaliges Ereignis liege aber nicht vor, weil das Fest an drei Tagen stattfinde und auch die weiteren Veranstaltungen Lärm verursachten. Zudem seien die festgestellten Überschreitungen von 22 Uhr bis weit nach Mitternacht so gravierend, daß sie nicht hingenommen werden müßten.

II.


Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Auf der Grundlage seiner Feststellungen bejaht das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Unterlassungsanspruch der Kläger (§§ 1004, 906 BGB).
1. Nach § 906 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks von einem anderen Grundstück ausgehende Immissionen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt. Ob Geräuschimmissionen wesentlich sind oder nicht, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (Senat BGHZ 148, 261, 264 - Hammerschmiede; Senatsurt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029, 1030). Die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Lärmbelästigung kann nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgesetzt werden (Senat BGHZ 148, 261, 264). Dabei sind wesentliche Immissionen identisch mit erheblichen Belästigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG (BGHZ 122, 76, 78).
Wann Lärmimmissionen im Einzelfall die Schwelle zur Wesentlichkeit überschreiten, unterliegt weitgehend tatrichterlicher Wertung. Revisionsrecht-
lich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat BGHZ 121, 248, 252 - Jugendzeltplatz). Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil nicht in jeder Hinsicht stand.
2. a) Das Berufungsgericht orientiert sich an den Hinweisen des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche (sog. LAI-Hinweise oder Freizeitlärm-Richtlinie, abgedruckt in NVwZ 1997, 469). Das ist nicht zu beanstanden. Die LAI-Hinweise gelten für Freizeitanlagen, und zwar insbesondere für Grundstücke, auf denen Volksfeste, Platzkonzerte, Lifemusik-Darbietungen und ähnliche Veranstaltungen im Freien stattfinden. Sie sind ungeachtet der generellen Nutzung des Grundstücks der Beklagten als Sportplatz einschlägig, denn die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) regelt nur Immissionen, die von einer Sportanlage bei ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung, der Sportausübung, ausgehen (§ 1 Abs. 1 der 18. BImSchV).
Die von Sachverständigen ausgearbeiteten und von allen Ländern mitgetragenen LAI-Hinweise unterfallen zwar nicht § 906 Abs. 1 Satz 2 u. 3 BGB (Staudinger/Roth, BGB [2002], § 906 Rdn. 193), können den Gerichten aber gleichwohl als Entscheidungshilfe dienen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 67 - Volksfestlärm; 120, 239, 256 f. – Froschlärm; 121, 248, 253 - Jugendzeltplatz; BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453). Sie ersetzen nicht die Prüfung und Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, geben dieser Würdigung aber eine Orientierung. Werden die Richtwerte überschritten, so indiziert dies eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB (vgl. Senat
BGHZ 111, 63, 67; 121, 248, 251). Der Tatrichter muß allerdings auch in diesem Fall berücksichtigen, daß es sich bei den technischen Regelwerken nur um Richtlinien handelt, die nicht schematisch angewendet werden dürfen.
b) Für die Frage der Wesentlichkeit von Lärmimmissionen sind Dauer und Häufigkeit der Einwirkung von erheblicher Bedeutung. Das Berufungsgericht vertritt daher zu Recht die Ansicht, daß bei einem einmaligen Ereignis eine großzügigere Handhabung der Richtwerte geboten, eine Überschreitung im Einzelfall also hinzunehmen sein kann. Rechtsfehlerhaft geht es jedoch davon aus, daß hier ein einmaliges Störereignis deswegen nicht vorliege, weil das Sommerfest an drei aufeinanderfolgenden Wochenendtagen stattfindet. Denn daß von den übrigen Veranstaltungen eine wesentliche Einwirkung auf das Grundstück der Kläger ausginge, hat es nicht festgestellt. Mithin ist revisionsrechtlich nur das Rockkonzert von Bedeutung und die weitergehende Klage schon nicht schlüssig.
Richtig ist allerdings, daß die LAI-Hinweise der Seltenheit eines Ereignisses durch eine Sonderregelung in Ziff. 4.4. Rechnung tragen, in der für Veranstaltungen , die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten im Kalenderjahr stattfinden (sog. seltene Störereignisse), höhere Richtwerte vorgegeben werden. Auch insoweit gibt die Richtlinie jedoch nur eine Orientierung und läßt Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453 "Entscheidungshilfe mit Indizcharakter"). Hierzu gehört auch die Zahl der Störereignisse. Denn die Sonderregelung in Ziff. 4.4. der LAI-Hinweise erfaßt Ereignisse, die bis zu zehn Tagen oder Nächten eines Jahres auftreten und einen relevanten Beitrag zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte verursachen.
In dem der Entscheidung des Senats vom 23. März 1990 (Senat BGHZ 111, 63 - Volksfestlärm) zugrunde liegenden Fall wurde ein an das Grundstück des Klägers angrenzendes Gelände mehrmals im Jahr als Kirmes- und Festplatz genutzt. Für das Jahr 1987 waren beispielsweise für die Monate Juni, Juli und August vier jeweils über das ganze Wochenende, einmal sogar drei Tage dauernde Veranstaltungen angekündigt. Vorliegend ist dagegen mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision davon auszugehen, daß das an nur einem Abend des Sommerfestes stattfindende Rockkonzert, gegen dessen Immissionen sich die Kläger in erster Linie wenden, weitgehend das einzige Ereignis ist, welches unter deutlicher Überschreitung der in den LAI-Hinweisen in Ziffer 4.4. für die Nachtzeit aufgestellten Richtwerte auf das Grundstück der Kläger einwirkt.

c) Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung ferner nicht bedacht, daß bei seltenen Störereignissen auch die Bedeutung der Veranstaltung nicht unberücksichtigt bleiben kann. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats richtet sich die Beurteilung, ob eine Immission wesentlich im Sinne des § 906 BGB ist, nicht nur nach dem Maß der objektiven Beeinträchtigung. Im Interesse der Harmonisierung zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher Beurteilungsmaßstäbe hat der Senat eine Angleichung an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung vollzogen, die als erhebliche Belästigung alles ansieht, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. Senat BGHZ 120, 239, 255 - Froschlärm; 148, 261, 264 – Hammerschmiede). Demgemäß können bei der Prüfung der Erheblichkeit oder Wesentlichkeit von Lärm auch schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit und gesetzliche Wertungen
eine Rolle spielen (vgl. Senat BGHZ 121, 248, 255 - Jugendzeltplatz; 111, 63, 68 – Volksfestlärm).
aa) Volks- und Gemeindefeste, Feiern örtlicher Vereine, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen gehören zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß sie oftmals in der Nähe zur Wohnbebauung durchgeführt werden müssen und zwangsläufig zu Beeinträchtigungen der Nachbarschaft führen. Da solche Veranstaltungen für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft von großer Bedeutung sein können, dabei auch die Identität dieser Gemeinschaft stärken und für viele Bewohner einen hohen Stellenwert besitzen, werden die mit ihnen verbundenen Geräuschentwicklungen von einem verständigen Durchschnittsmenschen bei Würdigung auch anderer Belange in der Regel in höherem Maß akzeptiert werden als sonstige Immissionen. Das kann bei der Beurteilung, ob eine Lärmeinwirkung als wesentlich anzusehen ist, vor allem dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn es sich um ein sehr seltenes Ereignis handelt, das weitgehend das einzige in der Umgebung bleibt. In einem solchen Fall können auch Lärmimmissionen, die die Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten, ausnahmsweise noch unwesentlich sein (so auch VGH Kassel GewArch 1997, 162).
Die kommunale Bedeutung kann einem Ereignis nicht deshalb abgesprochen werden, weil Veranstalter nicht die Gemeinde, sondern ein privater Verein ist. Maßgeblich ist, daß das Ereignis von einem Großteil der Ortsbevölkerung getragen und akzeptiert wird. Unerheblich für die Frage der Wesentlichkeit der Immissionen ist ferner, ob der Nutzung eines Grundstücks als Festplatz eine langjährige Übung zugrunde liegt. Bei der vom Tatrichter vorzuneh-
menden Würdigung, ob Geräuschimmissionen wesentlich sind, kann zwar dem Traditionscharakter einer Veranstaltung besonderes Gewicht zukommen. Umgekehrt steht der Annahme einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung aber nicht entgegen, daß eine Veranstaltung erst seit kurzer Zeit stattfindet. Andernfalls würden Gemeinden gehindert, eine kommunale Festivität zu begründen , wo Traditionsveranstaltungen fehlen, oder die Abläufe bei Festen zu ändern , die auf eine langjährige Übung zurückgehen. Demgemäß können auch die mit Gemeinde- und Vereinsfesten untrennbar verbundenen Musik- und Tanzveranstaltungen Änderungen in Art und Ausrichtung erfahren. Erlangen sie im Einzelfall überregionale Bedeutung, nimmt ihnen das die kommunale Bedeutung nicht, solange die jeweilige Veranstaltung weiterhin auch für die örtliche Bevölkerung bestimmt ist und von ihr angenommen wird.
bb) Bei nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltungen von kommunaler Bedeutung können selbst Lärmeinwirkungen unwesentlich sein, welche die für die Abend- und Nachtzeit aufgestellten Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten. Zwar gebührt nach 22 Uhr dem Schutz der ungestörten Nachtruhe grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse der Bevölkerung, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen zu besuchen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 70 - Volksfestlärm). Insbesondere in Krankenhäusern oder sonstigen Kliniken , aber auch dort, wo die Bewohner der Umgebung bereits tagsüber einem höheren Lärmpegel als üblich ausgesetzt sind, ist eine Störung der Nachtruhe meist eine erhebliche Einwirkung auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden und damit eine wesentliche Immission. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß die Nachtruhe nicht generell geschützt wird. Dort, wo ruhestörende Tätigkeiten zur Nachtzeit durch landesrechtliche Normen ausdrücklich verboten sind, hat der Gesetzgeber zugleich Ausnahmen für den Fall vorgesehen, daß ein Vor-
haben im Einzelfall Vorrang vor den schutzwürdigen Belangen Dritter hat (z.B. § 5 der LärmVO Hamburg, § 8 der LärmVO Berlin). Vorrang kann insbesondere Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen zukommen, wenn sie auf historischen oder kulturellen Umständen beruhen oder sonst von kommunaler Bedeutung sind, und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt (vgl. § 9 Abs. 3 LImSchG Nordrhein-Westfalen, § 4 Abs. 4 LImSchG Rheinland-Pfalz, § 10 Abs. 4 LImSchG Brandenburg). Eine solche Abwägung der widerstreitenden Interessen sieht auch das Gaststättengesetz vor. Nach § 12 Abs. 1 GaststG kann aus besonderem Anlaß der Betrieb eines Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend gestattet werden. Die "erleichterten Voraussetzungen" beziehen sich auch auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG4 Abs. 1 Nr. 3 GaststG), und gelten damit beispielsweise für die Lärmimmissionen, die von einer aus Anlaß eines Volksfests betriebenen Außengastronomie ausgehen (vgl. VGH München NVwZ 1999, 555). Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, daß bei besonderem Anlaß und nur vorübergehendem Betrieb die bei der Erteilung der Erlaubnis zu beachtenden Vorschriften weniger streng zu handhaben sind als bei einem Dauerbetrieb. Immissionsschutzrechtliche Gesichtspunkte dürfen zwar nicht vernachlässigt werden, sie sind jedoch zu Art und Dauer des Betriebs in Beziehung zu setzen (vgl. Michel/Kienzle/Pauly, Das Gaststättengesetz, 14. Aufl. 2003, § 12 Rdn. 5). Dies führt im Fall von Lärmbeeinträchtigungen dazu, daß bei der Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle nach § 3 BImSchG die Seltenheit des Anlasses und seine Bedeutung in die Würdigung einzubeziehen sind (VGH München a.a.O., S. 556). Die Berücksichtigung dieser Kriterien ist nicht auf die gastronomischen Betriebe beschränkt, sondern gilt für den verständi-
gen Durchschnittsmenschen gleichermaßen in Bezug auf das besondere Ereignis , an das sie anknüpfen. Insoweit hängt die Beurteilung der Beeinträchtigung als wesentlich auch von einer Interessenabwägung ab (Senat BGHZ 111, 63, 68 – Volksfestlärm; a.A. Roth in Anm. JR 1991, 149).
cc) In welchem Umfang Lärmbeeinträchtigungen von Veranstaltungen mit besonderer historischer, kultureller oder kommunaler Bedeutung noch als unwesentlich angesehen werden können, ist weitgehend eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere Bedeutung und Charakter der Veranstaltung, ihr Ablauf, Dauer und Häufigkeit, die Nutzungsart und Zweckbestimmung sowie die Gesamtbelastung des beeinträchtigten Grundstücks während der Veranstaltung und durch andere seltene Störereignisse, ferner die zeitlichen Abstände dieser Ereignisse. Je gewichtiger der Anlaß für die Gemeinde oder Stadt ist, desto eher ist der Nachbarschaft zuzumuten, an wenigen Tagen im Jahr Ruhestörungen hinzunehmen. Bei Festveranstaltungen von kommunaler Bedeutung, die nur einmal im Jahr für wenige Tage stattfinden, ist dabei auch eine deutliche Überschreitung der in den LAI-Hinweisen für seltene Störereignisse festgelegten Richtwerte denkbar. Hiervon ist selbst die Nachtzeit nicht generell ausgenommen, zumal es im Sommer noch bis gegen 22 Uhr hell bleibt und es dem Charakter bzw. der Tradition vieler Veranstaltungen entspricht , daß sie bis in die Nachtstunden andauern (so auch VGH Mannheim NVwZ-RR 1994, 633, 635). Im Einzelfall kann von den Anliegern jedenfalls an einem Tag bis Mitternacht ein deutlich höherer Beurteilungspegel hinzunehmen sein. Eine über Mitternacht hinausgehende erhebliche Überschreitung der Richtwerte wird demgegenüber in aller Regel nicht mehr als unwesentlich zu qualifizieren sein.
Ob etwas anderes gilt, wenn für die betreffende Veranstaltung eine weitergehende Ausnahmegenehmigung nach öffentlichem Recht erteilt wurde, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte hat zwar der Durchführung der Sportfeste in ihrer Eigenschaft als Ortspolizeibehörde zugestimmt. Auf die zivilrechtliche Beurteilung hat die Genehmigung aber schon deswegen keinen Einfluß, weil eine umfassende Prüfung immissionsschutzrechtlicher Belange im Rahmen eines gesetzlich vorgegebenen Verfahrens mit ihr ersichtlich nicht verbunden war.
Für die Beuteilung durch einen verständigen Durchschnittsmenschen von Bedeutung kann schließlich sein, ob sich die Veranstaltung an einen ebenso geeigneten, Anwohner insgesamt aber deutlich weniger beeinträchtigenden Standort innerhalb der Gemeinde bzw. des Ortsteils verlegen läßt. Können unter Wahrung des Charakters der Veranstaltung die Lärmimmissionen für Anwohner deutlich reduziert werden, unterbleibt aber ein Standortwechsel , so verringert sich das Maß dessen, was einem Anwohner an Geräuscheinwirkungen zuzumuten ist; in der Regel werden dann die Richtwerte der LAI-Hinweise maßgebend sein.

III.


Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst entschieden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Angesichts der Unterstützung, die das Sommerfest und das Rockkonzert seitens der Gemeinde erfahren, kann der Veranstaltung die kommunale Bedeutung nicht abgesprochen werden. Gleichwertige
alternative Standorte für das Festzelt sind nicht ersichtlich. Durch die von den Klägern vorgeschlagene Verlegung des Rockkonzerts in die benachbarte Sporthalle bliebe der Charakter der Veranstaltung nicht gewahrt. Er ist davon geprägt, daß das Konzert als Teil eines Sommerfestes weitgehend im Freien stattfindet.
Die Kläger müssen am Abend des Rockkonzerts allerdings nicht jegliche Lärmeinwirkung hinnehmen, sondern nur das nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen zumutbare Maß. Die Zumutbarkeit ist durch eine Begrenzung der Immissionen zu wahren. Hierfür geben die Richtwerte, die die LAI-Hinweise bei seltenen Störereignissen tagsüber außerhalb der Ruhezeiten vorsehen, eine Orientierung. Im vorliegenden Fall bietet es sich an, die Tageszeit im Sinne der LAI-Hinweise bis 24 Uhr auszudehnen. Damit ist für das Rockkonzert ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) mit einer Geräuschspitze von 90 dB(A) maßgeblich. Eine Verlängerung über 24 Uhr hinaus kommt dagegen mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der Kläger nicht in Betracht. Um ihnen eine ausreichende Nachtruhe zu ermöglichen, ist vielmehr von Mitternacht bis 8 Uhr des auf das Rockkonzert folgenden Tages der für die Nachtzeit vorgegebene Beurteilungspegel von 55 dB(A) einzuhalten.

IV.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 41/03 Verkündet am:
26. September 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Von einem Rockkonzert ausgehende Lärmimmissionen, die die Richtwerte der sog.
LAI-Hinweise überschreiten, können unwesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1
BGB sein, wenn es sich um eine Veranstaltung von kommunaler Bedeutung handelt,
die an nur einem Tag des Jahres stattfindet und weitgehend die einzige in der Umgebung
bleibt. Dies gilt in aller Regel aber nur bis Mitternacht.
BGH, Urt. v. 26. September 2003 - V ZR 41/03 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. September 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2003 im Kostenpunkt und im Umfang des nachfolgenden Ausspruchs aufgehoben und das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 22. April 2002 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihren Grundstücken, Gemarkung G. -F. , Parzellen-Nr. 2713 und 2739 bei dem Rockkonzert anläßlich des jährlich stattfindenden Sommerfestes des Sportvereins F. Geräusche auf das Grundstück der Kläger R. straße 27, G. -F. , Flurstück 2477, einwirken, die – gemessen 0,5 m vor den Fenstern des klägerischen Wohnhauses - zwischen 20.00 Uhr und 24.00 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) und eine Geräuschspitze von 90 dB(A), sowie zwischen 24.00 Uhr und 08.00 Uhr einen Beurtei- lungspegel von 55 dB(A) und eine Geräuschspitze von 65 dB(A) überschreiten.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander aufgehoben. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 60 % und die Beklagte 40 %.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger wenden sich gegen Lärmbelästigungen, die von einem alljährlich stattfindenden Sommerfest eines Sportvereins und dabei insbesondere von einem Rockkonzert ausgehen.
Die Kläger sind Eigentümer eines in einem allgemeinen Wohngebiet gelegenen Grundstücks. Auf dem Nachbargrundstück, das der beklagten Stadt gehört, befinden sich ein Bolzplatz, eine Sporthalle und ein Fußballfeld. Die Beklagte hat das Gelände einem Sportverein für Vereinsaktivitäten überlassen. Einmal im Jahr veranstaltet der Sportverein ein Sommerfest. Dabei finden in
einem Festzelt Musikveranstaltungen statt, darunter ein Rockkonzert. Für das bis weit nach Mitternacht dauernde Rockkonzert wurden für das Grundstück der Kläger in den Jahren 2001 und 2002 Mittelungspegel von 55,9 bis 70,5 dB(A) und 53,3 bis 66 dB(A) gemessen.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung eines weitergehenden Antrags verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihrem Grundstück Geräusche auf das Grundstück der Kläger einwirken, die zwischen 8 Uhr und 20 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A), in der Zeit von 6 Uhr bis 8 Uhr sowie von 20 Uhr bis 22 Uhr einen Beurteilungspegel von 65 dB(A) sowie zwischen 22 Uhr und 6 Uhr einen Beurteilungspegel von 55 dB(A) überschreiten. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beeinträchtigung der Kläger durch den von dem Sommerfest und hier insbesondere von dem Rockkonzert ausgehenden Lärm sei wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies folge aus der vor allem zur Nachtzeit ab 22 Uhr gravierenden Überschreitung der in der LAI-Freizeitlärmrichtlinie festgesetzten Lärmgrenzwerte; die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung werde dadurch indiziert. Diese Werte seien zwar nicht schematisch anzuwenden und erlaubten bei einem einmaligen
Ereignis eine großzügigere Handhabung. Ein einmaliges Ereignis liege aber nicht vor, weil das Fest an drei Tagen stattfinde und auch die weiteren Veranstaltungen Lärm verursachten. Zudem seien die festgestellten Überschreitungen von 22 Uhr bis weit nach Mitternacht so gravierend, daß sie nicht hingenommen werden müßten.

II.


Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Auf der Grundlage seiner Feststellungen bejaht das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Unterlassungsanspruch der Kläger (§§ 1004, 906 BGB).
1. Nach § 906 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks von einem anderen Grundstück ausgehende Immissionen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt. Ob Geräuschimmissionen wesentlich sind oder nicht, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (Senat BGHZ 148, 261, 264 - Hammerschmiede; Senatsurt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029, 1030). Die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Lärmbelästigung kann nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgesetzt werden (Senat BGHZ 148, 261, 264). Dabei sind wesentliche Immissionen identisch mit erheblichen Belästigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG (BGHZ 122, 76, 78).
Wann Lärmimmissionen im Einzelfall die Schwelle zur Wesentlichkeit überschreiten, unterliegt weitgehend tatrichterlicher Wertung. Revisionsrecht-
lich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat BGHZ 121, 248, 252 - Jugendzeltplatz). Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil nicht in jeder Hinsicht stand.
2. a) Das Berufungsgericht orientiert sich an den Hinweisen des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche (sog. LAI-Hinweise oder Freizeitlärm-Richtlinie, abgedruckt in NVwZ 1997, 469). Das ist nicht zu beanstanden. Die LAI-Hinweise gelten für Freizeitanlagen, und zwar insbesondere für Grundstücke, auf denen Volksfeste, Platzkonzerte, Lifemusik-Darbietungen und ähnliche Veranstaltungen im Freien stattfinden. Sie sind ungeachtet der generellen Nutzung des Grundstücks der Beklagten als Sportplatz einschlägig, denn die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) regelt nur Immissionen, die von einer Sportanlage bei ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung, der Sportausübung, ausgehen (§ 1 Abs. 1 der 18. BImSchV).
Die von Sachverständigen ausgearbeiteten und von allen Ländern mitgetragenen LAI-Hinweise unterfallen zwar nicht § 906 Abs. 1 Satz 2 u. 3 BGB (Staudinger/Roth, BGB [2002], § 906 Rdn. 193), können den Gerichten aber gleichwohl als Entscheidungshilfe dienen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 67 - Volksfestlärm; 120, 239, 256 f. – Froschlärm; 121, 248, 253 - Jugendzeltplatz; BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453). Sie ersetzen nicht die Prüfung und Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, geben dieser Würdigung aber eine Orientierung. Werden die Richtwerte überschritten, so indiziert dies eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB (vgl. Senat
BGHZ 111, 63, 67; 121, 248, 251). Der Tatrichter muß allerdings auch in diesem Fall berücksichtigen, daß es sich bei den technischen Regelwerken nur um Richtlinien handelt, die nicht schematisch angewendet werden dürfen.
b) Für die Frage der Wesentlichkeit von Lärmimmissionen sind Dauer und Häufigkeit der Einwirkung von erheblicher Bedeutung. Das Berufungsgericht vertritt daher zu Recht die Ansicht, daß bei einem einmaligen Ereignis eine großzügigere Handhabung der Richtwerte geboten, eine Überschreitung im Einzelfall also hinzunehmen sein kann. Rechtsfehlerhaft geht es jedoch davon aus, daß hier ein einmaliges Störereignis deswegen nicht vorliege, weil das Sommerfest an drei aufeinanderfolgenden Wochenendtagen stattfindet. Denn daß von den übrigen Veranstaltungen eine wesentliche Einwirkung auf das Grundstück der Kläger ausginge, hat es nicht festgestellt. Mithin ist revisionsrechtlich nur das Rockkonzert von Bedeutung und die weitergehende Klage schon nicht schlüssig.
Richtig ist allerdings, daß die LAI-Hinweise der Seltenheit eines Ereignisses durch eine Sonderregelung in Ziff. 4.4. Rechnung tragen, in der für Veranstaltungen , die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten im Kalenderjahr stattfinden (sog. seltene Störereignisse), höhere Richtwerte vorgegeben werden. Auch insoweit gibt die Richtlinie jedoch nur eine Orientierung und läßt Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453 "Entscheidungshilfe mit Indizcharakter"). Hierzu gehört auch die Zahl der Störereignisse. Denn die Sonderregelung in Ziff. 4.4. der LAI-Hinweise erfaßt Ereignisse, die bis zu zehn Tagen oder Nächten eines Jahres auftreten und einen relevanten Beitrag zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte verursachen.
In dem der Entscheidung des Senats vom 23. März 1990 (Senat BGHZ 111, 63 - Volksfestlärm) zugrunde liegenden Fall wurde ein an das Grundstück des Klägers angrenzendes Gelände mehrmals im Jahr als Kirmes- und Festplatz genutzt. Für das Jahr 1987 waren beispielsweise für die Monate Juni, Juli und August vier jeweils über das ganze Wochenende, einmal sogar drei Tage dauernde Veranstaltungen angekündigt. Vorliegend ist dagegen mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision davon auszugehen, daß das an nur einem Abend des Sommerfestes stattfindende Rockkonzert, gegen dessen Immissionen sich die Kläger in erster Linie wenden, weitgehend das einzige Ereignis ist, welches unter deutlicher Überschreitung der in den LAI-Hinweisen in Ziffer 4.4. für die Nachtzeit aufgestellten Richtwerte auf das Grundstück der Kläger einwirkt.

c) Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung ferner nicht bedacht, daß bei seltenen Störereignissen auch die Bedeutung der Veranstaltung nicht unberücksichtigt bleiben kann. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats richtet sich die Beurteilung, ob eine Immission wesentlich im Sinne des § 906 BGB ist, nicht nur nach dem Maß der objektiven Beeinträchtigung. Im Interesse der Harmonisierung zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher Beurteilungsmaßstäbe hat der Senat eine Angleichung an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung vollzogen, die als erhebliche Belästigung alles ansieht, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. Senat BGHZ 120, 239, 255 - Froschlärm; 148, 261, 264 – Hammerschmiede). Demgemäß können bei der Prüfung der Erheblichkeit oder Wesentlichkeit von Lärm auch schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit und gesetzliche Wertungen
eine Rolle spielen (vgl. Senat BGHZ 121, 248, 255 - Jugendzeltplatz; 111, 63, 68 – Volksfestlärm).
aa) Volks- und Gemeindefeste, Feiern örtlicher Vereine, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen gehören zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß sie oftmals in der Nähe zur Wohnbebauung durchgeführt werden müssen und zwangsläufig zu Beeinträchtigungen der Nachbarschaft führen. Da solche Veranstaltungen für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft von großer Bedeutung sein können, dabei auch die Identität dieser Gemeinschaft stärken und für viele Bewohner einen hohen Stellenwert besitzen, werden die mit ihnen verbundenen Geräuschentwicklungen von einem verständigen Durchschnittsmenschen bei Würdigung auch anderer Belange in der Regel in höherem Maß akzeptiert werden als sonstige Immissionen. Das kann bei der Beurteilung, ob eine Lärmeinwirkung als wesentlich anzusehen ist, vor allem dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn es sich um ein sehr seltenes Ereignis handelt, das weitgehend das einzige in der Umgebung bleibt. In einem solchen Fall können auch Lärmimmissionen, die die Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten, ausnahmsweise noch unwesentlich sein (so auch VGH Kassel GewArch 1997, 162).
Die kommunale Bedeutung kann einem Ereignis nicht deshalb abgesprochen werden, weil Veranstalter nicht die Gemeinde, sondern ein privater Verein ist. Maßgeblich ist, daß das Ereignis von einem Großteil der Ortsbevölkerung getragen und akzeptiert wird. Unerheblich für die Frage der Wesentlichkeit der Immissionen ist ferner, ob der Nutzung eines Grundstücks als Festplatz eine langjährige Übung zugrunde liegt. Bei der vom Tatrichter vorzuneh-
menden Würdigung, ob Geräuschimmissionen wesentlich sind, kann zwar dem Traditionscharakter einer Veranstaltung besonderes Gewicht zukommen. Umgekehrt steht der Annahme einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung aber nicht entgegen, daß eine Veranstaltung erst seit kurzer Zeit stattfindet. Andernfalls würden Gemeinden gehindert, eine kommunale Festivität zu begründen , wo Traditionsveranstaltungen fehlen, oder die Abläufe bei Festen zu ändern , die auf eine langjährige Übung zurückgehen. Demgemäß können auch die mit Gemeinde- und Vereinsfesten untrennbar verbundenen Musik- und Tanzveranstaltungen Änderungen in Art und Ausrichtung erfahren. Erlangen sie im Einzelfall überregionale Bedeutung, nimmt ihnen das die kommunale Bedeutung nicht, solange die jeweilige Veranstaltung weiterhin auch für die örtliche Bevölkerung bestimmt ist und von ihr angenommen wird.
bb) Bei nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltungen von kommunaler Bedeutung können selbst Lärmeinwirkungen unwesentlich sein, welche die für die Abend- und Nachtzeit aufgestellten Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten. Zwar gebührt nach 22 Uhr dem Schutz der ungestörten Nachtruhe grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse der Bevölkerung, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen zu besuchen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 70 - Volksfestlärm). Insbesondere in Krankenhäusern oder sonstigen Kliniken , aber auch dort, wo die Bewohner der Umgebung bereits tagsüber einem höheren Lärmpegel als üblich ausgesetzt sind, ist eine Störung der Nachtruhe meist eine erhebliche Einwirkung auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden und damit eine wesentliche Immission. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß die Nachtruhe nicht generell geschützt wird. Dort, wo ruhestörende Tätigkeiten zur Nachtzeit durch landesrechtliche Normen ausdrücklich verboten sind, hat der Gesetzgeber zugleich Ausnahmen für den Fall vorgesehen, daß ein Vor-
haben im Einzelfall Vorrang vor den schutzwürdigen Belangen Dritter hat (z.B. § 5 der LärmVO Hamburg, § 8 der LärmVO Berlin). Vorrang kann insbesondere Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen zukommen, wenn sie auf historischen oder kulturellen Umständen beruhen oder sonst von kommunaler Bedeutung sind, und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt (vgl. § 9 Abs. 3 LImSchG Nordrhein-Westfalen, § 4 Abs. 4 LImSchG Rheinland-Pfalz, § 10 Abs. 4 LImSchG Brandenburg). Eine solche Abwägung der widerstreitenden Interessen sieht auch das Gaststättengesetz vor. Nach § 12 Abs. 1 GaststG kann aus besonderem Anlaß der Betrieb eines Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend gestattet werden. Die "erleichterten Voraussetzungen" beziehen sich auch auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG4 Abs. 1 Nr. 3 GaststG), und gelten damit beispielsweise für die Lärmimmissionen, die von einer aus Anlaß eines Volksfests betriebenen Außengastronomie ausgehen (vgl. VGH München NVwZ 1999, 555). Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, daß bei besonderem Anlaß und nur vorübergehendem Betrieb die bei der Erteilung der Erlaubnis zu beachtenden Vorschriften weniger streng zu handhaben sind als bei einem Dauerbetrieb. Immissionsschutzrechtliche Gesichtspunkte dürfen zwar nicht vernachlässigt werden, sie sind jedoch zu Art und Dauer des Betriebs in Beziehung zu setzen (vgl. Michel/Kienzle/Pauly, Das Gaststättengesetz, 14. Aufl. 2003, § 12 Rdn. 5). Dies führt im Fall von Lärmbeeinträchtigungen dazu, daß bei der Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle nach § 3 BImSchG die Seltenheit des Anlasses und seine Bedeutung in die Würdigung einzubeziehen sind (VGH München a.a.O., S. 556). Die Berücksichtigung dieser Kriterien ist nicht auf die gastronomischen Betriebe beschränkt, sondern gilt für den verständi-
gen Durchschnittsmenschen gleichermaßen in Bezug auf das besondere Ereignis , an das sie anknüpfen. Insoweit hängt die Beurteilung der Beeinträchtigung als wesentlich auch von einer Interessenabwägung ab (Senat BGHZ 111, 63, 68 – Volksfestlärm; a.A. Roth in Anm. JR 1991, 149).
cc) In welchem Umfang Lärmbeeinträchtigungen von Veranstaltungen mit besonderer historischer, kultureller oder kommunaler Bedeutung noch als unwesentlich angesehen werden können, ist weitgehend eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere Bedeutung und Charakter der Veranstaltung, ihr Ablauf, Dauer und Häufigkeit, die Nutzungsart und Zweckbestimmung sowie die Gesamtbelastung des beeinträchtigten Grundstücks während der Veranstaltung und durch andere seltene Störereignisse, ferner die zeitlichen Abstände dieser Ereignisse. Je gewichtiger der Anlaß für die Gemeinde oder Stadt ist, desto eher ist der Nachbarschaft zuzumuten, an wenigen Tagen im Jahr Ruhestörungen hinzunehmen. Bei Festveranstaltungen von kommunaler Bedeutung, die nur einmal im Jahr für wenige Tage stattfinden, ist dabei auch eine deutliche Überschreitung der in den LAI-Hinweisen für seltene Störereignisse festgelegten Richtwerte denkbar. Hiervon ist selbst die Nachtzeit nicht generell ausgenommen, zumal es im Sommer noch bis gegen 22 Uhr hell bleibt und es dem Charakter bzw. der Tradition vieler Veranstaltungen entspricht , daß sie bis in die Nachtstunden andauern (so auch VGH Mannheim NVwZ-RR 1994, 633, 635). Im Einzelfall kann von den Anliegern jedenfalls an einem Tag bis Mitternacht ein deutlich höherer Beurteilungspegel hinzunehmen sein. Eine über Mitternacht hinausgehende erhebliche Überschreitung der Richtwerte wird demgegenüber in aller Regel nicht mehr als unwesentlich zu qualifizieren sein.
Ob etwas anderes gilt, wenn für die betreffende Veranstaltung eine weitergehende Ausnahmegenehmigung nach öffentlichem Recht erteilt wurde, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte hat zwar der Durchführung der Sportfeste in ihrer Eigenschaft als Ortspolizeibehörde zugestimmt. Auf die zivilrechtliche Beurteilung hat die Genehmigung aber schon deswegen keinen Einfluß, weil eine umfassende Prüfung immissionsschutzrechtlicher Belange im Rahmen eines gesetzlich vorgegebenen Verfahrens mit ihr ersichtlich nicht verbunden war.
Für die Beuteilung durch einen verständigen Durchschnittsmenschen von Bedeutung kann schließlich sein, ob sich die Veranstaltung an einen ebenso geeigneten, Anwohner insgesamt aber deutlich weniger beeinträchtigenden Standort innerhalb der Gemeinde bzw. des Ortsteils verlegen läßt. Können unter Wahrung des Charakters der Veranstaltung die Lärmimmissionen für Anwohner deutlich reduziert werden, unterbleibt aber ein Standortwechsel , so verringert sich das Maß dessen, was einem Anwohner an Geräuscheinwirkungen zuzumuten ist; in der Regel werden dann die Richtwerte der LAI-Hinweise maßgebend sein.

III.


Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst entschieden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Angesichts der Unterstützung, die das Sommerfest und das Rockkonzert seitens der Gemeinde erfahren, kann der Veranstaltung die kommunale Bedeutung nicht abgesprochen werden. Gleichwertige
alternative Standorte für das Festzelt sind nicht ersichtlich. Durch die von den Klägern vorgeschlagene Verlegung des Rockkonzerts in die benachbarte Sporthalle bliebe der Charakter der Veranstaltung nicht gewahrt. Er ist davon geprägt, daß das Konzert als Teil eines Sommerfestes weitgehend im Freien stattfindet.
Die Kläger müssen am Abend des Rockkonzerts allerdings nicht jegliche Lärmeinwirkung hinnehmen, sondern nur das nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen zumutbare Maß. Die Zumutbarkeit ist durch eine Begrenzung der Immissionen zu wahren. Hierfür geben die Richtwerte, die die LAI-Hinweise bei seltenen Störereignissen tagsüber außerhalb der Ruhezeiten vorsehen, eine Orientierung. Im vorliegenden Fall bietet es sich an, die Tageszeit im Sinne der LAI-Hinweise bis 24 Uhr auszudehnen. Damit ist für das Rockkonzert ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) mit einer Geräuschspitze von 90 dB(A) maßgeblich. Eine Verlängerung über 24 Uhr hinaus kommt dagegen mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der Kläger nicht in Betracht. Um ihnen eine ausreichende Nachtruhe zu ermöglichen, ist vielmehr von Mitternacht bis 8 Uhr des auf das Rockkonzert folgenden Tages der für die Nachtzeit vorgegebene Beurteilungspegel von 55 dB(A) einzuhalten.

IV.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

(1) Aus besonderem Anlaß kann der Betrieb eines erlaubnisbedürftigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden.

(2) (weggefallen)

(3) Dem Gewerbetreibenden können jederzeit Auflagen erteilt werden.

(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes oder zum Aufenthalt der Beschäftigten bestimmten Räume wegen ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung oder Einteilung für den Betrieb nicht geeignet sind, insbesondere den notwendigen Anforderungen zum Schutze der Gäste und der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder den sonst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung notwendigen Anforderungen nicht genügen oder
2a.
die zum Betrieb des Gewerbes für Gäste bestimmten Räume von behinderten Menschen nicht barrierefrei genutzt werden können, soweit diese Räume in einem Gebäude liegen, für das nach dem 1. November 2002 eine Baugenehmigung für die erstmalige Errichtung, für einen wesentlichen Umbau oder eine wesentliche Erweiterung erteilt wurde oder das, für den Fall, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, nach dem 1. Mai 2002 fertig gestellt oder wesentlich umgebaut oder erweitert wurde,
3.
der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten läßt,
4.
der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, daß er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann.
Die Erlaubnis kann entgegen Satz 1 Nr. 2a erteilt werden, wenn eine barrierefreie Gestaltung der Räume nicht möglich ist oder nur mit unzumutbaren Aufwendungen erreicht werden kann.

(2) Wird bei juristischen Personen oder nichtrechtsfähigen Vereinen nach Erteilung der Erlaubnis eine andere Person zur Vertretung nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag berufen, so ist dies unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen.

(3) Die Landesregierungen können zur Durchführung des Absatzes 1 Nr. 2 durch Rechtsverordnung die Mindestanforderungen bestimmen, die an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume im Hinblick auf die jeweilige Betriebsart und Art der zugelassenen Getränke oder Speisen zu stellen sind. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung

a)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2a Mindestanforderungen bestimmen, die mit dem Ziel der Herstellung von Barrierefreiheit an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume zu stellen sind, und
b)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 2 die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Falles der Unzumutbarkeit festlegen.
Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden übertragen.

(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze

1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,
2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder
3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
erteilt werden.

(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Aus besonderem Anlaß kann der Betrieb eines erlaubnisbedürftigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden.

(2) (weggefallen)

(3) Dem Gewerbetreibenden können jederzeit Auflagen erteilt werden.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz betreffend die zukünftige Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebs.

Der Antragsteller wohnt auf dem Grundstück Fl.Nr. 381, Gemarkung ... Nördlich angrenzend an dieses Grundstück befindet sich ein Sportplatz, südöstlich grenzt das sogenannte „BRK Heim“ an, ein vom BRK genutztes Grundstück mit den Fl.Nrn. 378/4 und 378/5. Auf dem östlich gelegenen Grundstück Fl.Nr. 378/1 befindet sich ein Feuerwehrhaus.

Mit Bescheid vom ... Juni 2015 erteilte der Antragsgegner einer örtlichen Organisationseinheit des BRK eine Gestattung nach § 12 Gaststättengesetz - GastG - zur Veranstaltung einer „...-party“ im Innenhof des „BRK Heims“ am ... Juli 2015 ab 20:00 Uhr mit dem Ausschank u. a. alkoholischer Getränke. Als „Musik- und Ausschankende“ wurde 2:00 Uhr, als Veranstaltungsende 2:30 Uhr festgelegt. Einer Auflage Nr. 6 zum Immissionsschutz zufolge durfte ein „Beurteilungspegel der Lärmeinwirkung auf die Nachbarschaft“ einen Richtwert tags von 70 dB (A) und nachts - zwischen 22:00 Uhr und 7:00 Uhr - von 55 dB (A) nicht überschreiten. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen durften diese Werte am Tag um nicht mehr als 20 dB (A) und in der Nacht nicht mehr als 10 dB (A) überschreiten.

Am 9. Juli 2015 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, während Veranstaltungen auf dem benachbarten Grundstück des BRK sei er unzumutbaren Geruchs- und Lärmimmissionen ausgesetzt. Er schildert in diesem Zusammenhang mehrere Vorfälle, bei denen es wegen Ruhestörungen auch in der Nacht zu Polizeieinsätzen gekommen sei. Am 12. Juli 2014 habe auf dem Nachbargrundstück eine Party stattgefunden, während der sich der Antragsteller nicht zuhause aufgehalten habe. Veranstaltungsteilnehmer hätten Schäden verursacht. Das BRK lade nun wiederum zu einem Fest drei Meter neben seinem Wohncontainer ein. Der Antragsteller befürchte eine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung insbesondere durch Musikdarbietungen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

dem Antragsgegner zu untersagen, zukünftig Veranstaltungen zu genehmigen, die mit einer Überschreitung der amtlich festgesetzten Lärmgrenze starten, stattfinden oder enden würden, und für jeden Fall der Zuwiderhandlung einen Betrag von 500.000,- EUR und eine Ersatzhaft von sechs Monaten für den Sachbearbeiter des Antragsgegners anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde in der Antragserwiderung vom 6. November 2015 u. a. ausgeführt, die Gestattung eines vorläufigen Gaststättenbetriebs nach § 12 Abs. 1 GastG vom... Juni 2015 enthalte zahlreiche, u. a. immissionsschutzrechtliche Auflagen, welche gewährleisteten, dass die entsprechenden Gaststättenbetriebe ordnungsgemäß durchgeführt würden. Die Veranstaltung am ... Juli 2015 sei ordnungsgemäß abgehalten worden. Verstöße gegen den Bescheid vom ... Juni 2015 würden nicht vorliegen. Insbesondere habe es keine Lärmbeschwerden anderer Nachbarn gegeben. Der Antragsteller habe die seines Erachtens bestehenden Verpflichtungen des Antragsgegners bisher diesem gegenüber nicht geltend gemacht. Die Verantwortung für eine Einhaltung der Lärmgrenzwerte liege nicht beim Antragsgegner, der nicht selbst Veranstalter sei. Der Antragsgegner werde auch in Zukunft ausschließlich rechtmäßige Gestattungen nach § 12 Abs. 1 GastG erteilen.

Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen die künftige Gestattung von Veranstaltungen auf dem Nachbargrundstück des BRK nach § 12 GastG begehrt (§ 88 VwGO). Die von ihm angestrebte einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO soll zudem eine Strafandrohung in Bezug auf Ordnungsgeld und Ordnungshaft beinhalten (vgl. § 167 VwGO i. V. m. § 890 ZPO). Wie das Gericht dem Antragsteller mit Schreiben vom 15. Juli 2015 mitteilte wurde der Antrag so verstanden, dass er sich lediglich gegen den Antragsgegner richtet.

Es kann dahinstehen, ob das für die Zulässigkeit des Antrags erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist; dies ist nur ausnahmsweise zu bejahen, wenn vorbeugender Rechtsschutz vor Erlass eines Verwaltungsakts - hier vor künftigen Gestattungen nach § 12 GastG - begehrt wird. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft zu machen.

Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass eine künftige Gestattung nach § 12 GastG für Veranstaltungen auf dem BRK-Grundstück wegen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften, die dem Schutz der subjektiven Rechte des Antragstellers dienen, rechtswidrig wäre (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Ein Nachbar im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG kann sich darauf berufen, dass bei erlaubnisgemäßem Gaststättenbetrieb derartige Immissionen zu erwarten seien. Für das Vorliegen „erheblicher“ Nachteile bzw. Belästigungen kommt es entscheidend darauf an, ob die fraglichen Immissionen dem Betroffenen unter Würdigung aller Umstände zumutbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2014 - 22 CS 14.2013 - juris Rn. 5). Für die Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle ist nicht die individuelle Empfindlichkeit eines konkret schutzbedürftigen Nachbarn, sondern die durchschnittliche Empfindlichkeit gegenüber Lärmbeeinträchtigungen maßgeblich (vgl. BayVGH, U.v. 30.6.2015 - 22 B 14.564 - juris Rn. 20).

Bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG kann Nachbarn eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (vgl. BayVGH, B.v. 26.5.1988 - 22 CS 87.02172 - GewArch 1988, 275). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit - d. h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz - zu berücksichtigen ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2014 - 22 CS 14.2013 - juris Rn. 8). Die in verschiedenen Regelwerken entwickelten Grundsätze zur Behandlung sogenannter seltener Störereignisse können dabei Anhaltspunkte geben, dürfen aber nicht schematisch angewendet werden (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2015 - 22 CS 15.2058 - juris Rn. 4). Es besteht vielmehr Raum für die Berücksichtigung z. B. der besonderen Seltenheit einer Veranstaltung. Je kleiner die Zahl der Tage und Nächte mit Ruhestörungen ist, desto eher kann man diese der Nachbarschaft „aus besonderem Anlass“ zumuten (vgl. BayVGH, U.v. 22.10.1998 - 22 B 98.602 - juris Rn. 29).

Aufgrund der Äußerungen des Antragsgegners ist davon auszugehen, dass er künftig Gestattungen nach § 12 GastG für Veranstaltungen auf dem BRK-Grundstück mit den gleichen Auflagen erteilen würde, die im Bescheid vom... Juni 2015 enthalten waren. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner zum Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbaren Lärmimmissionen einzuhaltende Beurteilungspegel von tags 70 dB (A) und nachts 55 dB (A) festgesetzt hat. Maßgeblicher Immissionsort ist ersichtlich die nächstgelegene Wohnung des Antragstellers. Die festgelegten Immissionsrichtwerte entsprechen den Vorgaben für seltene Ereignisse nach Ziff. 6.3 TA Lärm bzw. § 5 Abs. 5 Sportanlagenlärmschutzverordnung - 18. BImSchV, an denen sich der Antragsgegner orientieren konnte. Die Lage unmittelbar angrenzend an das BRK-Grundstück prägt das vom Antragsteller bewohnte Grundstück mit; dieser muss die herkömmliche Nutzung des Nachbargrundstücks hinnehmen. Die Veranstaltung einzelner Feste im Jahr wie hier gehört zur üblichen Nutzung eines Vereinsgrundstücks. Solche Veranstaltungen dienen dem Zusammenhalt der Organisation und tragen zur Rekrutierung neuer Mitglieder bei. Im Hinblick darauf, dass das BRK im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben des Rettungsdienstes erfüllt, besteht eine hohe allgemeine Akzeptanz für derartige Veranstaltungen dieser Organisation. Zudem befinden sich mit dem Feuerwehrhaus und dem Sportplatz in unmittelbarer Nachbarschaft des Antragstellers weitere Anlagen, mit deren bestimmungsgemäßer Nutzung relativ hohe Lärmimmissionen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund muss der Antragsteller allgemein eine höhere Lärmbelastung hinnehmen, als dies z. B. in einem allgemeinen Wohngebiet der Fall wäre.

Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und entspricht der Hälfte des in einem etwaigen Klageverfahren anzusetzenden Streitwerts.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, in deren Rahmen der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die Prüfung der in der Begründung dieses Rechtsmittels vorgebrachten Gesichtspunkte beschränkt ist, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht entsprochen.

Zutreffend weist die Beschwerdebegründung allerdings darauf hin, dass eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage des Antragstellers nicht damit begründet werden kann, er werde durch die Auswirkungen der verfahrensgegenständlichen Gestattung in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beeinträchtigt. Denn da der Antragsteller nicht mehr in der G.-straße wohnt, scheidet bereits die Möglichkeit einer geräuschbedingten Beeinträchtigung seiner Gesundheit als Folge der durch diesen Verwaltungsakt zugelassenen Handlungen aus.

Dessen ungeachtet besitzt der Antragsteller die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis. Auf der Grundlage der in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig nur möglichen, aber auch ausreichenden überschlägigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist darüber hinaus davon auszugehen, dass er durch die Gestattung vom 1. September 2014 in einem subjektiven Recht verletzt wird, wie das nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO Voraussetzung für den Erfolg einer diesen Verwaltungsakt betreffenden Anfechtungsklage ist. Denn der Antragsteller ist (Mit-)Eigentümer der Anwesen G.-straße 42 und 44. Allen derzeit erkennbaren Umständen nach wird sein Grundrecht auf Eigentum durch die Geräuschbelastung, die als Folge des verfahrensgegenständlichen Bescheids zu erwarten steht, entgegen Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht lediglich nach Maßgabe der Gesetze eingeschränkt.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen - hierzu gehören sowohl Gaststätten einschließlich ihrer Freischankflächen als auch sonstige Flächen, auf denen durch eine Gestattung im Sinn von § 12 GastG eine von § 1 GastG erfasste Betätigung zugelassen wird - so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, verhindert werden. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG und § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG wiederholen und bekräftigen dieses Gebot. Wie sich u. a. aus der Erwähnung der „Nachbarschaft“ in § 3 Abs. 1 BImSchG ergibt, besteht das Erfordernis, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden, nicht nur im Interesse des Gemeinwohls, sondern auch betroffener Einzelpersonen. Die vorstehend aufgeführten Normen besitzen deshalb drittschützenden Charakter.

Unter welchen Voraussetzungen Umwelteinwirkungen die in § 3 Abs. 1 BImSchG vorausgesetzte Schwelle der „erheblichen“ Nachteile bzw. der „erheblichen“ Belästigungen erreichen, lässt sich - soweit andere Rechtsgüter als die menschliche Gesundheit in Frage stehen - nicht anhand eines generell-abstrakten Maßstabs beurteilen. Ausschlaggebend kommt es vielmehr darauf an, ob die fraglichen Immissionen dem Betroffenen unter Würdigung aller Umstände zumutbar sind (vgl. z. B. Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 3 Rn. 47 m. w. N.). Namentlich in den Fällen, in denen die Rechtsverletzung des Betroffenen nur aus dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) hergeleitet werden kann, bestimmt sich die Zumutbarkeit in wesentlicher Hinsicht nach der Lage des beeinträchtigten Objekts bzw. der dort ausgeübten Nutzung; die Art des Gebiets, in dem sich die Liegenschaft des Rechtsschutzsuchenden befindet bzw. eine grundstücksbezogene Nutzung ausgeübt wird, bestimmt maßgeblich den Grad der zuzubilligenden Schutzwürdigkeit (vgl. z. B. Jarass, a. a. O. Rn. 55 ff. m. w. N.).

Erhebliche Bedeutung kommt vor diesem Hintergrund der Tatsache zu, dass die Anwesen des Antragstellers im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen, der sich ausdrücklich den Schutz der dort ausgeübten Wohnnutzung zum Ziel setzt. Es handelt sich gerade nicht um ein Kerngebiet im Sinn von § 7 BauNVO. Der nach Lage der Akten seit dem 19. Februar 1988 rechtskräftige, mit Wirkung ab dem 8. Februar 1997 geänderte Bebauungsplan 001 der Antragsgegnerin setzt für das fragliche Gebiet grundsätzlich ein Mischgebiet fest. Solche Gebiete dienen nach § 6 Abs. 1 BauNVO dem Wohnen und der Unterbringung solcher Gewerbebetriebe, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Einen über dieses Maß signifikant hinausgehenden Schutz erfahren Wohnnutzungen durch den Bebauungsplan 001 dadurch, dass er - abweichend von § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO - Vergnügungsstätten generell für unzulässig erklärt und entgegen § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO auch erlaubnispflichtige Schank- und Speisewirtschaften (eingeschränkt nur durch eine Bestandsschutzklausel zugunsten vorhandener Betriebe) nicht zulässt. Erweiterungen bestandsgeschützter Gaststätten sind nach den textlichen Festsetzungen dieses Bebauungsplans nur ausnahmsweise und u. a. nur dann zulässig, wenn „die Wohnnutzung … in der Nachbarschaft nicht gestört wird“.

Dass die geräuschbezogenen Auswirkungen der verfahrensgegenständlichen Gestattung eine solche Störung darstellen, die zudem erheblich im Sinn von § 3 Abs. 1 BImSchG und unzumutbar im Sinn der vorstehend dargestellten Kriterien ist, kann - auch im Licht des Beschwerdevorbringens - nicht ernsthaft bezweifelt werden.

Allerdings wendet sich die Antragsgegnerin zu Recht gegen eine „schematische“ Anwendung der TA Lärm. Eine unmodifizierte Anwendung der TA Lärm verbietet sich im vorliegenden Fall bereits deshalb, weil § 12 Abs. 1 GastG den Betrieb erlaubnisbedürftiger Gaststätten „unter erleichterten Voraussetzungen“ zulässt. Ob die hier von der Antragsgegnerin erteilte Gestattung nach § 12 GastG auch einer Person erteilt werden kann, die Inhaberin einer Erlaubnis nach § 2 GastG ist, kann hier offenbleiben. Jedenfalls haben die dann zu beachtenden „erleichterten Voraussetzungen“ zur Folge, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit, d. h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz zu berücksichtigen sind (BayVGH, U. v. 22.10.1998 - 22 B 98.602 - juris, BGH, U. v. 26.9.2003 - V ZR 41/03 - UPR 2004, 31/32). Hinzukommt, dass die Nummer 1 Satz 2 Buchst. b der TA Lärm Freiluftgaststätten ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich dieses Regelwerks ausnimmt (so auch BVerwG, B. v. 3.8.2010 - 4 B 9.10 - BRS 76 [2010] Nr. 188). Diese Bestimmung zielt gerade darauf ab, die Zumutbarkeitsschwelle unter dem Gesichtspunkt der sozialen Bedeutung von Freiluftgaststätten und der örtlichen bzw. regionalen Herkömmlichkeit solcher Anlagen ggf. anheben zu können (vgl. BR-Drucks. 254/98, S. 47). Aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2010 (a. a. O. Rn. 4) spricht viel dafür, dass der Nummer 1 Satz 2 Buchst. b der TA Lärm nicht nur „reine“ Freiluftgaststätten (d. h. solche gastronomische Betätigungen, die ohne Anbindung an eine in geschlossenen Räumen betriebene Gaststätte stattfinden), sondern auch Freischankflächen unterfallen, die einen Annex zu einem in einem Gebäude liegenden Lokal bilden.

Auch andere Regelwerke stehen zur Beurteilung der Geräusche, denen sich die Anwesen des Antragstellers als Folge der verfahrensgegenständlichen Gestattung ausgesetzt sehen werden, nicht zur Verfügung. Nicht einschlägig ist insbesondere die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV), da die Tatbestandsmerkmale des § 1 dieser Verordnung, aus denen sich ihr Anwendungsbereich ergibt, offensichtlich nicht erfüllt sind. Die Antragsgegnerin hat in der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt, dass vorliegend eine analoge Anwendung der Sportanlagenlärmschutzverordnung in Betracht kommt; nicht dargelegt wurde namentlich das Bestehen einer (absichtlichen oder planwidrigen) Regelungslücke. Da der Verordnungsgeber den Lärm, der von sonstigen Freizeitbetätigungen ausgeht, nicht ebenso privilegiert hat, wie das hinsichtlich des Sports geschehen ist, ist für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Sportanlagenlärmschutzverordnung kein Raum (ähnlich Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Stand Dezember 2006, § 1 18. BImSchV Rn. 29).

Ebenfalls nicht einschlägig ist die vom Länderausschuss für Immissionsschutz im Mai 1995 als Muster-Verwaltungsvorschrift verabschiedete sog. „Freizeitlärm-Richtlinie“, da sie sich ausweislich ihres Abschnitts 1 für Gaststätten ausdrücklich keine Geltung beimisst.

Im Rahmen der nach alledem gebotenen einzelfallbezogenen Betrachtungsweise fällt ausschlaggebend ins Gewicht, dass die Lärmbelastung, die aus der verfahrensgegenständlichen Gestattung resultieren wird, angesichts eines von der Antragsgegnerin selbst prognostizierten Beurteilungspegels während der Nachtzeit von bis zu 74 dB(A) derart hoch ist, dass sie das Maß dessen, was Betroffenen in dem konkreten Gebiet zugemutet werden darf, auch bei Gestattungen aus besonderem Anlass überschreitet. Hierbei kann nicht außer Betracht bleiben, dass alle vorgenannten Regelwerke davon ausgehen, selbst innerhalb von Mischgebieten, in denen die Wohnnutzung nicht in jener besonderen Weise als schutzbedürftig ausgestaltet wurde, wie das durch den Bebauungsplan 001 geschehen ist, werde das Maß der während der Nachtzeit hinzunehmenden Lärmfracht auf einen Beurteilungspegel von 45 dB(A) beschränkt, bei seltenen Ereignissen auf 55 dB(A). In einem Mischgebiet, in dem gaststättenrechtliche Nutzungen grundsätzlich nur noch in dem beim Inkrafttreten des einschlägigen Bebauungsplans bestehenden Umfang zulässig sind, und in dem Erweiterungen dieser Nutzungen von der Voraussetzung der unterbleibenden Störung der Wohnnutzung abhängig gemacht werden, sind nächtliche Beurteilungspegel von der Art, wie sie für den 19. September 2014 ab 22.00 Uhr prognostiziert wurden, auch bei besonderen Anlässen nicht mehr von der Duldungspflicht der Nachbarschaft umfasst. Angesichts der Geräuschbelastung, der sich die Anlieger der G.-straße aufgrund der dort vorhandenen Gaststätten einschließlich ihrer Freischankflächen fortwährend ausgesetzt sehen, vermag hieran auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Gestattung vom 1. September 2014 lärmträchtige Betätigungen nur während einer einzigen Nacht zulässt.

Die von der Antragsgegnerin in Bezug genommene Rechtsfigur der „sehr seltenen Ereignisse“ vermag die damit einhergehende Beeinträchtigung der Nachbarschaft ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Soweit sich die Antragsgegnerin auf die Vorschrift des § 6 der 18. BImSchV bezieht, ist diese Norm ebenso wenig unmittelbar oder entsprechend anwendbar, wie das aus den dargestellten Gründen für die Sportanlagenlärmschutzverordnung in ihrer Gesamtheit gilt. Allerdings hat die Rechtsprechung - auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z. B. BayVGH, U. v. 13.5.1997 - 22 B 96.3327 - BayVBl 1997, 594) - anerkannt, dass es Veranstaltungen geben kann, denen für die örtliche Gemeinschaft eine derart herausragende Bedeutung zukommt, dass selbst die Einhaltung der für „seltene Ereignisse“ geltenden Lärmgrenz- oder -richtwerte nicht verlangt werden kann (ähnlich z. B. OVG RhPf, U. v. 14.9.2004 - 6 A 10949/04 - juris). Vorliegend ist jedoch bereits die Voraussetzung nicht erfüllt, dass es sich bei der erweiterten und verlängerten Bewirtungsmöglichkeit, die die Antragsgegnerin aus Anlass des am 19. September 2014 beginnenden „Grafflmarktes“ eingeräumt hat, um ein „sehr seltenes“ Ereignis handelt. Nach der Aufstellung, die der Antragsteller der Beschwerdeerwiderung vom 16. September 2014 beigefügt hat und der die Antragsgegnerin in ihrer Replik vom 17. September 2014 nicht entgegengetreten ist, finden in der G.-straße (bzw. in ihrem näheren Umfeld) Veranstaltungen, die mit einer ähnlich hohen Lärmbelastung der Anwohner einhergehen, vielmehr in großer Zahl und in engen zeitlichen Abständen statt (vgl. zu dem Erfordernis, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit besonders geräuschintensiver Veranstaltungen auch die Gesamtbelastung, die sich für ein Grundstück durch andere Störereignisse ergibt, sowie die zwischen ihnen liegenden Abstände zu berücksichtigen, BGH, U. v. 26.9.2003 - V ZR 41/03 - UPR 2004, 31/32).

Einer Abänderung bedarf der angefochtene Beschluss entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht unter dem Blickwinkel der erforderlichen Bestimmtheit. Die vom Verwaltungsgericht wiederhergestellte aufschiebende Wirkung hat eindeutig zur Folge, dass die Beigeladenen aus der verfahrensgegenständlichen Gestattung keine Befugnisse herleiten können. Die Rechtslage stellt sich vielmehr so dar, wie sie bestünde, wäre dieser Verwaltungsakt nicht erlassen worden. Der Umfang der gaststättenrechtlichen Befugnisse der Beigeladenen bestimmt sich deshalb nach Maßgabe der ihnen erteilten Erlaubnisse einschließlich der hierfür geltenden Nebenbestimmungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, da sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt haben und sie von ihrer Interessenlage zudem als im Lager der unterlegenen Antragsgegnerin stehend anzusehen sind.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

(1) Für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten kann durch Rechtsverordnung der Landesregierungen eine Sperrzeit allgemein festgesetzt werden. In der Rechtsverordnung ist zu bestimmen, daß die Sperrzeit bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse allgemein oder für einzelne Betriebe verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden kann. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden oder andere Behörden übertragen.

(2) (weggefallen)

(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze

1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,
2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder
3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
erteilt werden.

(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

(1) Für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten kann durch Rechtsverordnung der Landesregierungen eine Sperrzeit allgemein festgesetzt werden. In der Rechtsverordnung ist zu bestimmen, daß die Sperrzeit bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse allgemein oder für einzelne Betriebe verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden kann. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden oder andere Behörden übertragen.

(2) (weggefallen)

(1) Wer ein Gaststättengewerbe betreiben will, bedarf der Erlaubnis. Die Erlaubnis kann auch nichtrechtsfähigen Vereinen erteilt werden.

(2) Der Erlaubnis bedarf nicht, wer

1.
alkoholfreie Getränke,
2.
unentgeltliche Kostproben,
3.
zubereitete Speisen oder
4.
in Verbindung mit einem Beherbergungsbetrieb Getränke und zubereitete Speisen an Hausgäste
verabreicht.

(3) (weggefallen)

(4) (weggefallen)

(1) Aus besonderem Anlaß kann der Betrieb eines erlaubnisbedürftigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden.

(2) (weggefallen)

(3) Dem Gewerbetreibenden können jederzeit Auflagen erteilt werden.

(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze

1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,
2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder
3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
erteilt werden.

(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.


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Tenor

Die Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 6. März 2015 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine dem Beigeladenen von dem Beklagten erteilte Baugenehmigung.

2

Die Klägerin ist Inhaberin einer Eigentumswohnung im Erdgeschoss des aus acht Wohnungen bestehenden Anwesens B-Straße ..., Flurstück-Nr. … in K-Stadt. Im hinteren Grundstücksbereich befindet sich unmittelbar an der Grenze ein über 40 m langes Garagengebäude. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. In der befinden sich zu Wohn- und Gewerbezwecken genutzte Gebäude. Der aus ca. 210 Mitgliedern bestehende Beigeladene unterhält auf einem Teil des westlich angrenzenden und der Stadt K-Stadt gehörenden Nachbargrundstücks ein „Vereinsgelände“ für Angelsport. Auf dem im Landschaftsschutzgebiet „...“ gelegenen Grundstück, das der Beigeladene von der Stadt K-Stadt gepachtet hat, befindet sich auch ein Gewässer. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftbildaufnahme des betroffenen Bereichs dienen (gelb = Grundstück mit Wohnungseigentumsanlage der Klägerin, rot = „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“, blau = Gerätecontainer):

Abbildung
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3

Im September 1997 hatte der Beigeladene nachträglich eine Baugenehmigung für die bereits zuvor erfolgte Aufstellung eines Seecontainers zur Unterbringung von Geräten, die zur Ausübung des Angelsports vor Ort gelagert werden müssen, erhalten. Der Container grenzte ausweislich der Baupläne im Norden unmittelbar an das Garagengebäude auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ... an. Der Abstand zum Gebäude, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, beträgt etwa 18 m.

4

Im August 2002 erteilte der Beklagte dem Kläger eine weitere Baugenehmigung für den Neubau von WC- und Gerätecontainern auf dem städtischen Grundstück. In den Bauplänen war der im September 1997 genehmigte Container sowie eine „Überdachung“ als Bestand eingezeichnet. Hinzu kamen drei weitere Gerätecontainer und eine WC-Anlage für Männer und Damen.

5

In der Folgezeit nutzte der Beigeladene die neuen baulichen Anlagen als Schankwirtschaft. Unter der Überdachung waren feste Sitzgarnituren installiert. Dem Antrag des Beigeladenen auf Erteilung einer Gaststättenerlaubnis vom 19. Dezember 2006 gab die Verbandsgemeinde K-Stadt am 11. Juli 2012 mit Wirkung vom 8. Januar 2007 statt. Ferner erhielt der Beigeladene eine Gewerbeerlaubnis zum Verkauf von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken.

6

Im November 2010 stellte der Beigeladene beim Beklagten einen neuen Bauantrag zwecks Nutzungsänderung der WC- und Gerätecontainer zu einem Clubheim mit einer Nutzfläche von 37,46 m² zuzüglich Abstellraum und WC mit einer Gesamtnutzfläche von 53,17 m². Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 bat der Beklagte den Beigeladenen im Hinblick auf die Lage des Grundstücks in einem Landschaftsschutzgebiet sowie auf Beschwerden von Anwohnern wegen des zeitweiligen gaststättenähnlichen Betriebs in der Vergangenheit um Vorlage einer gesamtkonzeptionellen Nutzungsdarstellung. Hierauf antwortete der Beigeladene, es habe sich die Notwendigkeit ergeben, einen vorhandenen Container so umzubauen, dass er von den Vereinsmitgliedern als Clubhaus genutzt werden könne. Das Vereinsleben könne sich nicht nur im Freien abspielen. Beschwerden aus der Nachbarschaft habe es hauptsächlich nur von einer Dame gegeben, die hyperempfindlich und nervös erscheine. Nach Durchführung eines Gesprächs zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen änderte dieser seinen Bauantrag in der Folgezeit auf eine Nutzungsänderung der WC- und Gerätecontainer zu einem Aufenthaltsraum für Clubmitglieder ab.

7

Am 21. März 2012 kam es wegen der Beschwerden der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen vor dem Schiedsamt des Bezirks K-Stadt zu einer Schlichtungsverhandlung. Die Klägerin monierte dabei insbesondere die regelmäßig mittwochs von 20.00 Uhr bis ca. 22.00 Uhr stattfindende Veranstaltung, bei der sich ca. 25 - 30 Personen träfen, um gemeinsam zu singen. Das Singen, durch Akkordeonspiel begleitet, finde in den Frühjahrs- und Sommermonaten nicht im geschlossenen Raum, sondern bei offenen Fenstern und Türen, oder aber auch unter dem auf dem Vereinsgelände errichteten überdachten Freisitz statt. Die geringe Entfernung zu ihrem Wohnanwesen bedinge eine aus ihrer Sicht nicht unerhebliche Ruhestörung, sodass ein Aufenthalt auf dem Balkon, oder in den nach Westen hin orientierten Wohnräumen bei offener Balkontür bzw. bei offenen Fenstern nicht möglich sei. Die Vertreter des Beigeladenen führten aus, jeweils sonntags von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr, sowie montags, mittwochs und freitags von 16.00 Uhr bis 22.00 Uhr finde in den Clubräumen ein Ausschank statt. Die von der Klägerin angesprochene „Mittwochs-Veranstaltung“ mit gemeinsamen Singen werde bestätigt. Der Beginn sei zwischenzeitlich auf 19.30 Uhr und das Ende auf 21.30 Uhr vorverlegt worden. Die Bedachung des Clubhauses sei im vergangenen Jahr auch unter dem Gesichtspunkt der Wärme- und Schallschutzes erneuert worden.

8

Das Schiedsamt schlug eine vergleichsweise gütliche Einigung dahingehend vor, dass der Beigeladene das „gemeinsame Singen“ jeweils mittwochs von 19.30 Uhr bis 21.30 Uhr künftig ausschließlich im geschlossenen Raum (Clubhaus) abhalten werde und dafür Sorge trage, dass während des Singens die Fenster und Türen des Clubhauses geschlossen bleiben. In den Sommermonaten Juli/August werde diese Veranstaltung ausgesetzt. Ansonsten werde der Ausschank, jeweils sonntags von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr, sowie montags, mittwochs und freitags von 16.00 Uhr bis 22.00 Uhr in dem jetzigen Umfang beibehalten, ebenso die bislang nur einmal im Jahr stattfindenden Veranstaltungen (Sommerfest/Preisangeln etc.). Die Klägerin werde hiergegen keine weitergehenden Beschwerden und Einwendungen geltend machen, soweit die vorbezeichneten Veranstaltungen in ihrem bisherigen Umfang verblieben, insbesondere die Öffnungszeiten nicht ausgeweitet würden und die Anzahl bzw. Häufigkeit der Veranstaltungen nicht intensiviert werde. Die Klägerin unterzeichnete die vom Schiedsamt vorgeschlagene Einigung in der Folgezeit nicht mit der Begründung, der Beigeladenen halte sich nicht an die Zusagen.

9

Stattdessen stellte sie im Mai 2012 bei dem Beklagten einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Beigeladenen wegen der Nutzung der Gerätecontainer als Gaststätte und die Nutzung des Geländes als Biergarten. Sie betone, dass die Belästigungen nicht von aktiven Angeln ausgingen sondern von Personen, die das Gelände des Beigeladenen ausschließlich aus geselligen Gründen aufsuchten. So sei der Biergartenbetrieb in der Nacht des 11. auf den 12. Mai 2012 bis nach Mitternacht aktiv gewesen, weswegen sie die Polizei verständigt habe. Es fänden mehrmals pro Woche zusätzliche Öffnungstage statt, Partys bis früh morgens, Biergartenbetrieb bis nach Mitternacht sowie Gesänge bei offenen Fenstern mit applaudierenden Gästen im Freien. Der Beigeladene sei nicht willens oder in der Lage, einen verminderten Betrieb sicherzustellen und Auflagen einzuhalten.

10

Daraufhin antwortete der Beklagte, er werde demnächst über den Nutzungsänderungsantrag des Beigeladenen entscheiden. Ferner übersandte der Beklagte dem Beigeladenen am 11. Juli 2012 ein Anhörungsschreiben zu einer bevorstehenden Nutzungsuntersagungsverfügung.

11

Der Beigeladene ergänzte in einem Schreiben an den Beklagten vom 17. August 2012, mit dem geänderten Bauantrag verbinde er die nachgenannten Absichten, die nach seinem Verständnis mit den Vorgaben zum Betrieb eines Clubheims absolut korrespondierten: Das Vereinsheim solle grundsätzlich montags, mittwochs und freitags in der Zeit zwischen 16.00 Uhr und 22.00 Uhr sowie sonntags in der Zeit zwischen 9.30 Uhr und 13.00 Uhr geöffnet sein. Bei den Besuchern handele es sich nahezu ausnahmslos um Vereinsmitglieder bzw. deren Angehörige oder Bekannte. Einige Sonderveranstaltungen im Jahresablauf (Fischessen an Karfreitag, Angelsportfest etc.) würden - wie auch in der Vergangenheit - rechtzeitig bei der Stadt K-Stadt angezeigt und vorgabegemäß durchgeführt. Die ihm erteilte Gaststättenerlaubnis schließe auch einen Biergartenbetrieb (Sitzgelegenheit im Außenbereich bei entsprechenden Temperaturen und Witterungslagen) ein. Auch diese Nutzung beziehe sich auf den oben genannten Personenkreis. Somit werde sich das zukünftige Betreiben des Vereinsheimes nahezu nicht von den Gepflogenheiten der Vergangenheit unterscheiden, da auch bisher diese zeitlichen Rahmendaten nahezu immer eingehalten worden seien. Die ordnungsrechtlichen Beschwerden der Klägerin könnten nicht nachvollzogen werden.

12

Mit Schreiben vom 29. Januar 2014 an den Beklagten schilderte der Architekt des Beigeladenen das Betriebskonzept. Danach werde es in dem dargestellten Aufenthaltsraum keine festgelegten Öffnungszeiten geben. Es sei nicht vorgesehen, eine Schank- und/oder Speisewirtschaft zu betreiben. Der Raum diene einzig dem Schutz und Aufenthalt von Vereinsmitgliedern. Des Weiteren würden Vereinsversammlungen darin stattfinden. Beim Angelsportfest, welches einmal im Jahr stattfinde, finde der Ausschank im Freien statt.

13

Im April 2013 bat der Beklagte die Verbandsgemeinde K-Stadt um Stellungnahme u.a. in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht. Die Verbandsgemeinde K-Stadt führte dazu am 2. August 2013 aus, die Zeiten für die Öffnung der Freifläche müssten eingehalten werden, d.h. bis 22:00 Uhr. Innerhalb des Gaststättenraumes sollte es zu keinerlei Lärmbelästigung kommen. In der Vergangenheit hätten sich nur Probleme beim Betrieb der Freifläche gezeigt. Sollte diese gegen 22:00 Uhr geschlossen werden, bestünden keine Bedenken gegen die Errichtung bzw. Nutzungsänderung des Gerätecontainers zu einem Clubheim.

14

Unter dem Datum des 4. Februar 2014 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen schließlich im vereinfachten Genehmigungsverfahren die beantragte Baugenehmigung zur „Nutzungsänderung des Gerätecontainers in einen „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“. Die Genehmigung enthält u.a. folgende Nebenbestimmungen:

15

„B111: Das Gebäude bzw. die Anlage darf nur zu den aus den Antragsunterlagen ersichtlichen Zwecken genutzt werden.

16

B200: Das Bauvorhaben im Außenbereich der Gemarkung K-Stadt liegt im Landschaftsschutzgebiet „...“ und stellt einen Eingriff in Natur und Landschaft gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG dar. […]

17

B201: Weitere bauliche Anlagen und Versiegelungen können derzeit nicht in Aussicht gestellt werden.

18

B202: Die Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen ist nicht Bestandteil der zulässigen geänderten Nutzung als Aufenthaltsraum.“

19

In den genehmigten Bauplänen wurde im Grundriss, in der Ansicht „West“ sowie in dem Lageplan die „Überdachung“ unmittelbar vor dem Eingang zu dem Aufenthaltsraum per Grüneintrag gestrichen.

20

Gegen die Baugenehmigung legte die Klägerin am 21. Februar 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, ihre Wohnung liege in einem faktischen reinen Wohngebiet. Das Vorhaben des Beigeladenen sei dort nicht zulässig. Darüber hinaus liege das streitige Bauvorhaben im Außenbereich und sei nicht privilegiert. Eine Genehmigungsfähigkeit sei weder nach § 35 Abs. 1 noch nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB gegeben.

21

Zudem sei die Baugenehmigung in Bezug auf die genehmigte Nutzung völlig unbestimmt. Es sei insbesondere nicht zu erkennen, welche Nutzungen durch die Nutzung „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ tatsächlich zulässig seien. Es sei nicht zu akzeptieren, dass der Beklagte in Kenntnis bestehender Nutzungskonflikte eine Nutzung zulasse, die weiteren Interpretationen Spielraum eröffne und die Problematik auf andere staatliche Stellen verschiebe. Der Beigeladene habe zusätzlich zu den streitigen Gerätecontainern, die nunmehr umgenutzt werden sollten, tatsächlich bereits seit Jahren ohne Genehmigung vier fest installierte Sitzgruppen für je acht bis zehn Personen im Freibereich vor den Containern und zudem ein über die Sitzgruppen und den Vorplatz zu den Containern überspannendes großflächiges Vordach errichtet. Es sei bis zum heutigen Zeitpunkt nicht zu erkennen, dass der Beklagte gegen diese ungenehmigten baurechtlichen Nutzungen mit Nachdruck glaubhaft und nachhaltig vorgegangen sei.

22

Eine weitere Bewohnerin der Wohnungseigentumsanlage B-Straße ... schilderte in einer E-Mail vom 25. Mai 2014, dass sich der Biergartenbetrieb des Beigeladenen 2014 im Vergleich zu den Vorjahren intensiviert habe. Die bisherigen Öffnungszeiten seien den Gästen bekannt und würden fortgeführt. Zusätzlich bildeten sich neue Treffpunkte, auch weit nach 22 Uhr. Vormittags säßen Schülergruppen in ihren Freistunden an den Sitzgruppen und unter dem Dach. Eine Gesangsgruppe mit ca. 30 Personen inclusive Akkordeonbegleitung treffe sich jeden Mittwoch von 19:30 bis 21:30 Uhr. Die vergangenen beiden Jahre habe das Singen des Chores im Innenraum stattgefunden. Seit diesem Jahr werde wieder im Freien gesungen. Die überdachte Terrasse von ca. 85 m² reiche nicht für alle Gäste der Singstunde. Der Begriff „Vereinsangehörige“ werde großzügig interpretiert. Am 1. Mai 2014 habe der Maiausflug des Gesangsvereins ... im Vereinsheim des Beigeladenen stattgefunden. Eine Sitzgruppe mit Tisch sei kürzlich neu gestaltet worden. Eigene Parkplätze habe der Beigeladene keine.

23

Am 13. Mai 2015 fand zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen ein Gespräch statt. Dabei äußerte der Beigeladene sich dahingehend, dass ab dem 1. Juni 2015 die Singstunden der Gesangsgruppe des Angelsportvereins an einer anderen Örtlichkeit stattfinden würden. Bis zum 31. Mai 2015 werde die streitgegenständliche Überdachung freiwillig entfernt. Auf diese Weise solle auch versucht werden, den Nutzungen, die sich außerhalb des Vereinslebens abspielten, möglichst entgegenzuwirken.

24

Den Widerspruch der Klägerin vom 21. Februar 2014 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2015, zugestellt am 9. April 2015, zurück. Zur Begründung führte der Kreisrechtsausschuss aus, die Klägerin könne sich nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen, da sich das angegriffene Vorhaben im Außenbereich befinde, während das Wohngebäude, in dem die Klägerin wohne, im faktischen allgemeinen Wohngebiet liege. Im Hinblick auf die von der Klägerin monierten durchgeführten Singstunden sei darauf hinzuweisen, dass das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bereits entschieden habe, dass ein Sängerheim im allgemeinen Wohngebiet zur gebietstypischen Regelbebauung gehöre und somit zulässig sei.

25

Das Gebot der Rücksichtnahme sei durch das Vorhaben des Beigeladenen in der Form, wie es mit der angefochtenen Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 genehmigt sei, nicht verletzt, da von ihm keine für die Klägerin unzumutbaren Belästigungen ausgingen. Gemäß der Bedingung B202 der Baugenehmigung seien öffentliche Veranstaltungen von ihr nicht umfasst. Nach der Nebenbestimmung B111 dürfe das Vorhaben nur zu den aus den Antragunterlagen ersichtlichen Zwecken genutzt werden. Zu den Antragsunterlagen gehöre jedoch auch das Betriebskonzept des Beigeladenen vom 29. Januar 2014. Danach sei nicht vorgesehen, eine Schank- und/oder Speisewirtschaft zu betreiben. Der Raum diene einzig dem Schutz und Aufenthalt von Vereinsmitgliedern und der Abhaltung von Vereinsversammlungen. Das von der Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung gerügte großflächige Vordach und die fest installierten Sitzgruppen seien gerade nicht Gegenstand der Baugenehmigung und durch diese legalisiert. Somit seien die von der Klägerin im Wesentlichen monierten Veranstaltungen wie zum Beispiel Biergartenbetrieb und Partys von der Baugenehmigung gerade nicht umfasst. Dies gelte somit auch für die Nutzung des Freibereichs durch Jugendliche, Wanderer und sonstige Personen, sogar von Vereinsmitgliedern. Soweit die Klägerin wöchentliche Singstunden moniere, so wären diese wie gesehen selbst im allgemeinen Wohngebiet zulässig. Da das Vorhaben nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Baugenehmigung nur als Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder diene, sei zudem deutlich gemacht, dass sich in dem Vorhaben nur Mitglieder des Beigeladenen als eingetragenem Verein aufhalten dürften. Letztlich sei nach den eingereichten Bauplänen die Kapazität des Aufenthaltsraums mit 37,46 m² sehr beschränkt. Von einem übermäßigen Besucherkreis sei somit nicht auszugehen. Die Baugenehmigung sei auch hinreichend bestimmt genug, um sicherzustellen, dass das genehmigte Vorhaben keine nachbarschützenden Regelungen verletze.

26

Hiergegen hat die Klägerin am 11. Mai 2015, einem Montag, Klage erhoben. Sie betont nochmals, die streitige Baugenehmigung sei nicht hinreichend bestimmt. Weder sei der Gegenstand der genehmigten Nutzung aus der Baugenehmigung beziehungsweise dem Widerspruchsbescheid heraus selbstständig bestimmbar, noch seien Nutzungs- und Betriebszeiten in der angefochtenen Baugenehmigung festgelegt worden. Weiterhin begründe sich die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Baugenehmigung dadurch, dass trotz des bekannten Nutzungs- und Nachbarschaftskonflikte keine Betriebszeiten für die Nutzung im Außenbereich festgelegt worden seien.

27

Auch sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Die von ihr, der Klägerin, ausgeübte Wohnnutzung auf ihrem Grundstück sei in hohem Umfang schutzwürdig Dies folge bereits aus dem Charakter des Gebietes, das entgegen der Ansicht des Beklagten ein reines Wohngebiet sei. Die Nutzung des in einem Landschaftsschutzgebiet gelegenen Aufenthaltsraumes des Beigeladenen ginge mit unzumutbarem An- und Abfahrtslärm einher. Hier würden bereits bei der Abfahrt von lediglich drei oder vier Fahrzeugen die für die lauteste Nachtstunde geltenden Lärmrichtwerte überschritten.

28

Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Aufenthaltsraum um einen einfachen umfunktionierten Container handele. Dieser verfüge über keine Lärmdämmung, wie sie beispielsweise bei einem aus Stein gebauten Anwesen festzustellen sei. Daher führe auch die Nutzung des Aufenthaltsraumes insbesondere in der Nachtzeit zur erheblichen Lärmbeeinträchtigungen, die unter Berücksichtigung des Rücksichtnahmegebots unzumutbar seien.

29

Die Klägerin beantragt,

30

die Baugenehmigung des Beklagten vom 4. Februar 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 20. März 2015 aufzuheben

31

und

32

die Hinzuziehung ihres Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

33

Der Beklagte beantragt,

34

die Klage abzuweisen.

35

Er trägt vor, die Genehmigung sei nicht zu unbestimmt. Die vorgetragene unendlich vielfältige Nutzungsmöglichkeit bestehe bereits aufgrund der geringen Fläche von 37,46 m² nicht. Darüber hinaus bestimme sich der Vereinszweck nach der Satzung des Beteiligten in der Fassung zum Zeitpunkt der Antragsstellung. Damit sei eine dynamische Nutzungserweiterung ausgeschlossen. Außerdem habe sich der Beteiligte „einzig“ zur Nutzung als Schutz- und Aufenthaltsraum verpflichtet, sodass eine anderweitige Nutzung nicht zu befürchten sei.

36

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

37

Er hält die ergangene Baugenehmigung für rechtmäßig.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016.

Entscheidungsgründe

39

Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.).

40

1. Die Klägerin ist im Sinne von § 42 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – klagebefugt. Sie kann sich auf eine in Betracht kommende Verletzung von Rechten aus ihrem Sondereigentum im Sinne des WohnungseigentumsgesetzesWEG – an der Wohnung im Erdgeschoss des Anwesens „B-Straße ...“ in K-Stadt berufen, die dem Gebäude des Beigeladenen auf dem westlich angrenzenden Grundstück gegenüber liegt. Das Wohnungseigentum, das nach § 1 Abs. 2 WEG aus Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum besteht, zu dem es gehört, vermittelt eine abwehrfähige öffentlich-rechtliche Rechtsposition (s. dazu ausführlich OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. November 2013 – 7 A 2341/11 –, BauR 2014, 252 m.w.N.).

41

2. Die Klage muss auch in der Sache Erfolg haben. Die Baugenehmigung des Beklagten vom 4. Februar 2014 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 20. März 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

42

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung beurteilt sich vorliegend nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 4. Februar 2014. Zwar wären nachträgliche Rechtsänderungen, die sich insgesamt zu Gunsten des Vorhabens des Beigeladenen auswirken, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 B 40/98 –, NVwZ 1998, 1179 und Urteil vom 20. August 2008 – 4 C 11/07 –, NVwZ 2008, 1349). Rechtsänderungen, die nunmehr aufgrund der am 1. August 2015 in Kraft getretenen Fassung der Landesbauordnung vom 15. Juni 2015 (GVBl Seite 77), eingreifen könnten, sind vorliegend jedoch nicht relevant.

43

Ein Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung steht einem Nachbarn nicht schon dann zu, wenn eine Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr müssen durch den Rechtsverstoß zugleich nachbarliche Rechte verletzt werden. Das ist dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, mithin drittschützende Wirkung hat. Eine Baugenehmigung ist demnach im Rahmen einer Anfechtungsklage des Nachbarn nur daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dienen (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1993 – 4 C 5/93 –, NVwZ 1994, 686; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 8 B 10011/12.OVG –).

44

Hiernach verstößt die gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 4 Landesbauordnung – LBauO – erteilte Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 gegen von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind. Zwar liegt in bauplanungsrechtlicher Hinsicht kein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch vor (2.1.). Die Klägerin kann sich aber auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme berufen (2.2.).

45

2.1. Der Klägerin steht ein Abwehranspruch im Sinne eines Gebietserhaltungsanspruchs gegenüber dem streitgegenständlichen Vorhaben unter dem von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkt der fehlenden Gebietstypik des Bauvorhabens von vornherein nicht zu. Das streitgegenständliche Gebäude auf dem Grundstück des Beigeladenen befindet sich im Außenbereich, während das Grundstück der Klägerin im angrenzenden unbeplanten Innenbereich liegt. Da der Außenbereich kein Baugebiet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1999 – 4 B 38/99 –, NVwZ 2000, 552; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Dezember 2008 – 1 B 10885/08.OVG –), scheidet zugunsten der Klägerin der „gebietsübergreifende Gebietserhaltungsanspruch“ zwingend aus. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet besteht im Übrigen unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen grundsätzlich nicht (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55/07 –, NVwZ 2008, 427; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Februar 2010 – 1 C 10852/09 –, juris). Allenfalls bei einem erkennbaren Willen des Satzungsgebers, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen, kann ein solcher gebietsübergreifender Erhaltungsanspruch eingreifen (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Januar 2000 – 1 A 11751/99 –, BauR 2000, 527). Eine solche Konstellation ist hier von vornherein nicht gegeben.

46

2.2. Eine Rechtsverletzung der Klägerin folgt aber aus einem Verstoß gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verankerte Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarlichen Ausprägung. Denn die einen „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ des Beigeladenen betreffende Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 stellt nicht hinreichend sicher, dass das Bauvorhaben des Beigeladenen nicht gegen das drittschützende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt.

47

2.2.1. Die unzweifelhaft im Außenbereich von K-Stadt stattfindende und dem Beigeladenen genehmigte Nutzung ist zunächst nicht nach § 35 Abs. 1 BaugesetzbuchBauGB – im Außenbereich privilegiert (vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. März 2003 – 8 A 11810/02.OVG – zur Zulassung von Baulichkeiten im Außenbereich, die lediglich die Betreuung von Bienen erleichtern sollen und BVerwG, Beschluss vom 20. September 1973 – IV B 35.73 –, BRS 27 Nr. 136 zu einer einem Angelsportverein dienenden baulichen Anlage). Als sonstiges Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB darf das Gebäude zur Nutzung als „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ nur zugelassen werden, wenn es öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB stellt eine besondere Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme in Bezug auf Immissionen dar. Das Gebot der Rücksichtnahme soll als Bestandteil des einfachen Rechts nachbarliche Nutzungskonflikte lösen helfen. Drittschützende Wirkung hat das Rücksichtnahmegebot nur, soweit in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines Personenkreises Rücksicht zu nehmen ist, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370; kritisch zu dieser Formel Rieger, UPR 2015, 241).

48

Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Dabei kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits den Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6/98 –, NVwZ 2000, 1050; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Mai 2015 – 8 B 10423/15.OVG –). Die Bestimmung der Grenzen, jenseits derer die Belästigungen oder Störungen unzumutbar sind, unterliegt der uneingeschränkten richterlichen Beurteilung. Im Rahmen der (Zumutbarkeits-)Abwägung können die Interessen der Beteiligten ein unterschiedliches Gewicht haben, je nachdem, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig ist oder umgekehrt. Voraussetzung für eine solche Abwägung ist aber, dass derjenige, der ein Vorhaben abwehren will, eine abwägungserhebliche schutzwürdige Position gegenüber dem Vorhaben besitzt.

49

Soweit es um Immissionen oder immissionsähnliche Einwirkungen geht, verändert das Gebot der Rücksichtnahme seinen wesentlichen Inhalt nicht danach, ob die jeweiligen Nutzungen beide im Außenbereich oder beide im Innenbereich oder an der Grenze von Außen- und Innenbereich liegen. Das Gebot der Rücksichtnahme gilt daher auch für das – hier vorliegende – grenzüberschreitende Verhältnis zwischen Bebauung im Innen- und im Außenbereich (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1982 – 4 C 28/81 –, NJW 1983, 2460).

50

2.2.2. In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf eine Baugenehmigung gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Nebenbestimmungen im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG Genüge zu tun (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132; Jeromin, in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, 3. Auflage 2012, § 70 Rn. 39a). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der Baugenehmigung getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 3. März 2006 – 15 ZB 04.2453 –, juris und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris). Eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage muss aus dem Bauschein selbst – gegebenenfalls durch Auslegung – ersichtlich sein, wobei die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen (grüngestempelten) Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung herangezogen werden können (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132). Wenn der Bauschein und die genehmigten Bauvorlagen hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Baumaßnahmen so unbestimmt sind, dass bei der Ausführung des Bauvorhabens eine Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen ist, so ist eine Baugenehmigung als nachbarrechtswidrig aufzuheben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Mai 2013 – 1 A 11021/12.OVG –, NVwZ-RR 2013, 794 m.w.N.). Verbleiben Abgrenzungsunschärfen im Hinblick auf die Reichweite und die Art der zugelassenen Nutzung, ist im Zweifel ein nachbarlicher Abwehranspruch gegeben (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 28. Oktober 2015 – 9 CS 15.1633 –, juris).

51

Dies gilt namentlich auch unter dem Blickwinkel des sog. Etikettenschwindels. Bei diesem ist das zur Genehmigung gestellte bzw. schon genehmigte Bauvorhaben nur vorgeschoben, um der eigentlich beabsichtigten – unzulässigen – Nutzung einen genehmigungsfähigen Anschein zu verleihen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 1 MB 11/08 –, juris). Zwar richtet sich die Frage der Nachbarrechtswidrigkeit eines genehmigten Bauvorhabens in aller Regel allein nach der Baugenehmigung und den zugehörigen Bauvorlagen. Eine Abweichung von der genehmigten Nutzung würde im Falle ihres Vorliegens die streitgegenständliche Baugenehmigung als solche grundsätzlich unberührt lassen und lediglich ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die dann ungenehmigte tatsächliche Nutzung rechtfertigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –; VG Neustadt, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 3 K 470/15.NW –, juris). Das gilt auch für den Fall, dass Umstände, die in den Genehmigungsvorgängen keinen Niederschlag gefunden haben, die Vermutung nahelegen, die betreffende bauliche Anlage solle tatsächlich anders als genehmigt genutzt werden. Anderes gilt jedoch, wenn bereits den Bauvorlagen zu entnehmen ist, dass die genehmigte Nutzung in Wahrheit gar nicht beabsichtigt ist, sondern lediglich deklariert wird, um das Vorhaben genehmigungsfähig erscheinen zu lassen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –, wonach Ausnahmen denkbar sind, in denen Fragen der tatsächlichen Nutzung auch auf die Ebene der Rechtmäßigkeit der Genehmigung durchschlagen können, beispielsweise in Fällen, in denen die genehmigte Baulichkeit für die zur Genehmigung gestellte Nutzung objektiv ungeeignet ist und mithin für diesen Zweck von vorneherein gar nicht genutzt werden könnte). Es sind auch die tatsächlichen Verhältnisse, die zur Stellung des Bauantrags geführt haben, sowie dessen Vorgeschichte zu berücksichtigen, um gegebenenfalls zu ermitteln, ob das wirklich Gewollte dem Beantragten auch entspricht. Weder eine Bauaufsichtsbehörde noch das Gericht müssen sich auf die „Papierform“ eines Bauantrags verweisen lassen, wenn das Verhalten des Bauantragstellers und konkret ermittelte Umstände, die für dessen wahren Bau- und Nutzungsabsichten aussagekräftig sind, – erkennbar – über den Inhalt des Antrags hinausweisen. In solch einem Fall ist ausnahmsweise ein „Durchgriff auf das wirklich Gewollte“ anerkannt, weil die Bauaufsichtsbehörde sich dann nicht zu Lasten betroffener Nachbarn auf den formalen Standpunkt stellen darf, sie habe lediglich eine nach dem Gesetz zulässige Nutzung antragsgemäß genehmigt (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 1 MB 11/08 –, juris und OVG Niedersachsen, Urteil vom 18. November 1993 – 1 L 355/91 –, UPR 1994, 345).

52

2.2.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nach Auffassung der Kammer in der angefochtenen Baugenehmigung nicht ausreichend festgelegt, dass das zur Genehmigung gestellte ausdrücklich als „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ bezeichnete Bauvorhaben nachbarrechtskonform betrieben werden kann.

53

2.2.2.1. Das Grundstück der Klägerin grenzt unmittelbar an das Außenbereichsgrundstück an, auf dem dem Beigeladenen im Anschluss an einen sog. Gerätecontainer der „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ genehmigt worden ist. Da der Abstand zwischen dem Gelände, auf dem sich der „Aufenthaltsraum“ des Beigeladenen und die Terrasse davor befinden, und der Wohnung der Klägerin weniger als 25 m beträgt, gehört die Klägerin unzweifelhaft zum Kreis der Nachbarn, auf die Rücksicht zu nehmen ist. Nachbarn, die in einer Randlage zum Außenbereich wohnen, können grundsätzlich zwar nicht damit rechnen, dass in ihrer Nachbarschaft keine emittierenden Nutzungen entstehen. Sie dürfen aber darauf vertrauen, dass durch ein (hinzutretendes) Außenbereichsvorhaben keine mit der Wohnnutzung unverträgliche Nutzung entsteht. Das ist jedenfalls nicht der Fall, wenn die Lärmbelastung nicht über das in einem Misch- oder Dorfgebiet zulässige Maß hinausgeht, denn auch diese Gebiete dienen dem Wohnen (§ 6 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 BauNVO; vgl. z.B. BVerwG vom 18. Dezember 1990 – 4 N 6/88 –, NVwZ 1991, 881; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 35 Rn. 187; vgl. auch und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –, wonach ein Vorhaben, das im Außenbereich an der Grenze zu einem Innenbereichsgrundstück errichtet werden soll, nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt, wenn es im Falle der Einbeziehung des Baugrundstückes in den Innenbereich genehmigungsfähig wäre, ohne dass sich ein Nachbar gegen die Zulassung erfolgreich zur Wehr setzen könnte).

54

2.2.2.2. Ohne näher darauf einzugehen, nach welchen Vorschriften hier eine eventuelle Unzumutbarkeit des Bauvorhabens des Beigeladenen zu bestimmen ist, hat der Beklagte in Kenntnis der seit Jahren bestehenden Konflikte zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen in der Baugenehmigung keine hinreichenden Vorkehrungen dafür getroffen, dass von dem genehmigten „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ des Beigeladenen keine unzumutbaren Belästigungen für das Anwesen der Klägerin ausgehen. Die vom Beklagten in der Baugenehmigung vorgenommenen Grüneintragungen sind ebenso unzureichend wie die aufgenommenen Nebenbestimmungen B201 und B202. Zwar sind Nebenbestimmungen im Grundsatz geeignet, die Nachbarrechte zu sichern, wenn die Anlage bei regelmäßigem Betrieb so genutzt werden kann, dass die entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten (Bay. VGH, Beschluss vom 3. März 2006 – 15 ZB 04.2453 –, juris; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris, das darauf abstellt, ob die Einhaltung der Nebenbestimmungen von vornherein unrealistisch und nicht überwachbar sind). Bei der Abfassung von Nebenbestimmungen ist auch zu berücksichtigen, dass die Nutzung eines Vorhabens schwerer zu überwachen ist als die bauliche Ausgestaltung (VG Hannover, Beschluss vom 22. Juli 2004 – 12 B 2051/04 –, juris).

55

Dies stellt die Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 jedoch nicht hinreichend sicher. Die Nebenbestimmung B201 hat bereits keine verbindliche Aussage, denn sie stellt dem Beigeladenen lediglich weitere bauliche Anlagen und Versiegelungen „derzeit“ nicht in Aussicht. Dabei wird aber völlig ausgeklammert, dass die Fläche unter der Überdachung schon in der Vergangenheit mit Knochensteinen versiegelt und mit festen Sitzgarnituren – beides stellen bauliche Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 LBauO dar – ausgestattet (s. etwa die Lichtbilder auf ...) war und bei lebensnaher Betrachtungsweise in Zukunft auch ohne die per Grüneintrag in den Bauunterlagen gestrichene Überdachung von den Vereinsmitgliedern weitergenutzt werden wird. Aus der Nebenbestimmung B202 ergibt sich nur, dass die Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen nicht Bestandteil der Baugenehmigung ist. Die Nebenbestimmung B111 knüpft mit ihrer Forderung, das Gebäude bzw. die Anlage nur zu den aus den Antragsunterlagen ersichtlichen Zwecken zu nutzen, an das Betriebskonzept des Beigeladenen vom 29. Januar 2014 an, in dem angegeben wurde, es werde in dem dargestellten Aufenthaltsraum keine festgelegten Öffnungszeiten geben und der Raum diene einzig dem Schutz und Aufenthalt von Vereinsmitgliedern sowie der Durchführung von Vereinsversammlungen.

56

Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort, die zur Stellung des Bauantrags des Beigeladenen und dessen Änderung im Laufe des Baugenehmigungsverfahrens von „Clubheim“ in „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ geführt haben, sowie der Vorgeschichte des jahrelangen Konflikts zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen, insbesondere dem gescheiterten Schlichtungsversuch des Schiedsamts K-Stadt sowie den Beschwerden einer weiteren Bewohnerin des Anwesens B-Straße 4 in K-Stadt und den vielfachen Anzeigen bei der Polizei, wäre es Aufgabe des Beklagten gewesen, in der – ohnehin objektiv rechtswidrigen – Baugenehmigung dezidierte Vorgaben für die Nutzung des Gebäudes und der Fläche vor dem Gebäude, die weiterhin über fest installierte Sitzgarnituren verfügt, zu machen, damit ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ausgeschlossen werden kann.

57

Die genehmigte Nutzung als „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ lässt für den Beigeladenen eine Vielzahl von immissionsträchtigen Nutzungsmöglichkeiten offen. Der Begriff des Aufenthaltsraums wird in § 2 Abs. 5 LBauO legal definiert. Danach sind Aufenthaltsräume Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind. Durch die Beschränkung auf Vereinsmitglieder wird lediglich ausgeschlossen, dass in dem Gebäude und davor – wie in der Vergangenheit – eine öffentlich zugängliche Gaststätte betrieben wird. In dem Betriebskonzept des Beigeladenen vom 29. Januar 2014 heißt es ausdrücklich, es werde in dem Aufenthaltsraum keine festgelegten Öffnungszeiten geben. Dies bedeutet, dass sich Vereinsmitglieder sieben Tage die Woche zeitlich ohne Einschränkung in dem Gebäude und zwar auch zum potenziell immissionsträchtigen geselligen Beisammensein aufhalten dürfen. Das Singen, das in der Vergangenheit häufig Anlass für die Nachbarbeschwerden war, ist nach wie vor zulässig. Der Beigeladene kann jederzeit auch nicht öffentliche Versammlungen, Skatabende, Geburtstagsfeiern von Vereinsmitgliedern etc. abhalten. Dies steht auch nicht im Widerspruch zum Vereinszweck. Gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung des Angelsportvereins K-Stadt und Umgebung e.V. vom 22. Februar 2014 (s. ...) ist Zweck und Aufgabe des Vereins u.a. die Zusammenführung Gleichgesinnter im Sinne einer naturverbundenen und waidgerechten Ausübung der Angelfischerei. Das schließt das gesellige Zusammensein in einem Vereinsheim nicht aus. Den genehmigten Bauplänen – darin ist eine Theke sowie eine Küchenzeile eingezeichnet – kann auch zweifelsfrei entnommen werden, dass es in dem „Aufenthaltsraum“ primär um die Bewirtung der Vereinsmitglieder geht.

58

Es finden sich in der Baugenehmigung aber weder Nutzungszeitenbeschränkungen noch hinreichende Vorkehrungen dafür, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte auch tatsächlich zum Schutz der Nachbarschaft eingehalten werden. Die Baugenehmigung „krankt“ auch daran, dass sie keine kontrollierbare Verpflichtung enthält, die Türen und Fenster des Aufenthaltraums ab 22:00 Uhr geschlossen zu halten. Da die Baugenehmigung ferner keine Vorkehrungen gegen ein jederzeit mögliches Öffnen der Türen und Fenster enthält und auch sonst keine effektiven Kontrollmechanismen vorsieht, wird die Überwachung letztlich den betroffenen Nachbarn überantwortet, womit ständige Nachbarschaftskonflikte vorprogrammiert sind (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 22. Juli 2004 – 12 B 2051/04 –, juris).

59

Schließlich trifft die Baugenehmigung keinerlei Aussage über die hier im Mittelpunkt stehende Frage nach der Nutzbarkeit der Terrasse vor dem Gebäude. Vor dem Hintergrund des nachbarlichen Konflikts zwischen Klägerin und Beigeladenem teilt die Kammer in diesem Zusammenhang nicht die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung, dies habe er in der Baugenehmigung nicht regeln müssen und sei deshalb auch nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Grundlage des vorliegenden Verfahrens ist die genehmigte Planung und das mitgenehmigte Betriebskonzept (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 2. März 2015 – 9 ZB 12.1377 – juris). Nach dem Bauantrag, den genehmigten Plänen und der Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 umfasst die genehmigte bauliche Anlage ausdrücklich den „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“. Die – mit Knochensteinen befestigte und mit Tischen und Bänken versehene – Freifläche vor dem Gebäude ist von der Baugenehmigung nur insoweit erfasst, als der Beklagte die Überdachung der Terrasse per Grüneintrag gestrichen hat. Angesichts dessen und im Hinblick darauf, dass die Angaben zum Bauvorhaben mit der objektiv möglichen Nutzung vereinbar sein müssen (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 29 Rn. 21), kann aber kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Freifläche vor dem Gebäude von ihrer Funktion und Zweckbestimmung her wesentlicher Teil der Freizeitanlage des Beigeladenen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 28. Oktober 2015 – 9 CS 15.1633 –, juris m.w.N.) und der Beklagte dies im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens daher nicht ausblenden konnte. Der Nutzungsumfang des von dem Beigeladenen gepachteten Geländes ist im Hinblick auf die Zahl der 210 Vereinsmitglieder, die die Freizeitanlage aufsuchen können, jedoch weder aus dem Bauantrag noch aus der Betriebsbeschreibung ersichtlich. Die Freifläche vor dem Gebäude ist auch kein abtrennbarer, selbständiger Teil der Freizeitanlage. Aufgrund der baulichen Konzeption erscheint eine Teilung der Anlage – in einen reinen Aufenthaltsraum mit einer Gesamtnutzfläche von 53,17 m² und in einen Teil Terrasse vor dem Gebäude mit einer Nutzfläche von über 85 m² – nicht möglich. Die Freifläche steht in einem baulich untrennbaren Zusammenhang mit dem Aufenthaltsraum und kann daher nicht isoliert von der Freizeitanlage des Beigeladenen gesehen werden. Da die Baugenehmigung auch bezüglich der Terrasse vor dem Gebäude mit Ausnahme dessen, dass die Überdachung per Grüneintrag gestrichen und damit nicht genehmigt worden ist, keine Vorkehrungen gegen eine (übermäßige) Nutzung trifft, kann die Verletzung des Rücksichtnahmegebots der Klägerin gegenüber nicht ausgeschlossen werden.

60

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3 VwGO.

61

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten ist anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei für erforderlich gehalten werden durfte, also nicht willkürlich und überflüssig, sondern zweckdienlich erscheint (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2014 – 6 B 21/14 –, juris). Eine solche Notwendigkeit bestand hier angesichts der Schwierigkeit des Falles.

62

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

63

Beschluss

64

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –).

(1) Aus besonderem Anlaß kann der Betrieb eines erlaubnisbedürftigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden.

(2) (weggefallen)

(3) Dem Gewerbetreibenden können jederzeit Auflagen erteilt werden.

(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze

1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,
2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder
3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
erteilt werden.

(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die vorläufigen Gestattungen der Beklagten nach § 12 des Gaststättengesetzes vom 5. September 2014 und 12. September 2014 in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 sowie die Genehmigungen der Beklagten vom 5. und 12. September 2014 nach dem Landesimmissionsschutzgesetz in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; die jeweiligen Kostenschuldnerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Kostengläubiger nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.


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(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die vorläufigen Gestattungen der Beklagten nach § 12 des Gaststättengesetzes vom 5. September 2014 und 12. September 2014 in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 sowie die Genehmigungen der Beklagten vom 5. und 12. September 2014 nach dem Landesimmissionsschutzgesetz in der Fassung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 rechtswidrig waren.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; die jeweiligen Kostenschuldnerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Kostengläubiger nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.


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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.