Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Sept. 2017 - M 7 S 17.30997, M 7 K 17.30995

bei uns veröffentlicht am18.09.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Anträge auf Prozesskostenhilfe für die Verfahren M 7 S 17.30997 und M 7 K 17.30995 werden abgelehnt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, nigerianische Staatsangehörige, begehrt im vorliegenden Verfahren vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihren Asylantrag ablehnende Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie Prozesskostenhilfe im Klage- und Eilverfahren.

Auf eine Asylantragstellung in Italien im März 2011 hin wurde der Antragstellerin von Italien als Mitgliedsstaat der Europäischen Union internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt. Den eigenen Angaben der Antragstellerin nach hielt sie sich sodann zwei Jahre in Italien auf und nach einem dreimonatigen Aufenthalt in Frankreich nochmals zwei Jahre in Italien. Es habe aber keine Arbeit gegeben und sei schwer, mit Kindern in Italien zu leben. Die Familie sei in dieser Zeit gezwungen gewesen, auf der Straße zu betteln. Die Behandlung einer Erkrankung des älteren Kindes sei aufgrund der schlechten Gesundheitsversorgung nicht gewährleistet gewesen. Zwar habe Zugang zur ärztlichen Behandlung bestanden, sämtliche Medikation hätte jedoch selbst finanziert werden müssen. Durch Organisationen wie die Caritas sei der Familie einmal die Woche Essen ausgegeben worden, das aber lediglich einen Tag ausgereicht habe, um die Familie zu ernähren.

Eigenen Angaben zufolge reiste die Antragstellerin am 10. August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 24. Juni 2016 einen Asylantrag.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2016, Gz. …, lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig ab (Nr.1) und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (Nr. 2). Der Antragstellerin wurde die Abschiebung nach Italien angedroht, falls sie nicht innerhalb einer Woche die Bundesrepublik Deutschland verlasse (Nr. 3). Eine Abschiebung nach Nigeria dürfe nicht erfolgen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, dass der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig sei, da der Antragstellerin in Italien entsprechend der vorgelegten Aufenthaltserlaubnis subsidiärer Schutz und damit internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bereits gewährt sei. Art. 3 EMRK stehe der angedrohten Abschiebung nach Italien nicht entgegen. Insbesondere habe die Antragstellerin nicht glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, dass ihr in Italien eine durch einen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch die derzeitigen humanitären Bedingungen in Italien führten nicht zu der Annahme, dass bei der Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Das von Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Wahrung des Familienlebens sei bei beabsichtigter Abschiebung (nur) eines Teils der Familienmitglieder allerdings als mögliches inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis von der für den Vollzug der Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde zu berücksichtigen, wobei Art. 8 EMRK bezüglich Ehegatte oder Eltern – Kind – Verhältnis nicht über den ohnehin zu beachtenden Schutz von Art. 6 Abs. 1, 2 GG hinausgehe. Der Antragstellerin drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib und Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Hierzu sei kein entsprechender Sachverhalt, der über Gefahren hinausgehe, denen die Bevölkerung allgemein ausgesetzt sei, dargelegt. Zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hinsichtlich Nigeria werde keine Feststellung getroffen. Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz in Bezug auf das Herkunftsland, wenn ein anderer EU-Mitgliedsstaat bereits die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt habe. Die Abschiebungsandrohung ergebe sich aus den §§ 35, 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheidsbegründung Bezug genommen.

Gegen den ausweislich per Postzustellungsurkunde am 22. Oktober 2016 zugestellten Bescheid erhob die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten am 29. Oktober 2016 Klage (M 7 K 17.30995).

Zudem wurde beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 18. Oktober 2016 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass völlig unberücksichtigt geblieben sei, dass die Antragstellerin Mutter zweier Kinder sei. Das jüngere Kind mit Namen … sei erst am … … 2015 geboren. Im Hinblick auf die familiäre Situation werde auf die „Italien Rechtsprechung“ verwiesen.

Weiterhin wurde sowohl für das Klageverfahren als auch das Verfahren im vorläufigen Rechtschutz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten beantragt. Die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen wurde angekündigt, erfolgte jedoch bis dato nicht.

Auf Nachfrage des Gerichts teilte der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit, dass das Asylverfahren von … nach Auskunft der Antragstellerin noch nicht abgeschlossen sei. Die Antragsgegnerin reagierte auf die entsprechende Anfrage des Gerichts bislang nicht.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf die in elektronischer Form beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage gegen die kraft Gesetzes (§ 75 i.V.m. §§ 35, 36 AsylG) sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des ablehnenden Asylbescheids der Antragsgegnerin anzuordnen, ist zulässig, jedoch unbegründet.

Gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffen Verwaltungsaktes bestehen.

Die Ablehnung des Asylantrags der Antragstellerin in Deutschland ist, nachdem ihr bereits in Italien subsidiärer Schutz gewährt wurde und sie dort vier Jahre gelebt hat, gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht ernstlich zweifelhaft. Die entsprechende Schutzgewährung durch den EU-Mitgliedsstaat Italien ist bereits dem vorgelegten italienischen Dokument zu entnehmen („Prot. Sussidiaria“, s. Bl. 127 der Behördenakte) und entspricht den eigenen Angaben der Antragstellerin. In gesetzlicher Folge ergibt sich die Abschiebungsandrohung nach Italien mit einer einwöchigen Ausreisefrist aus §§ 35, 36 Abs. 1 AsylG.

Auch die Ablehnung von Abschiebungsverboten im Bescheid der Antragsgegnerin ist nicht ernstlich zweifelhaft im Sinne des Prüfungsmaßstabs nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG.

1. Dafür, dass sich die Lebensverhältnisse für die Antragstellerin im Fall ihrer Abschiebung nach Italien als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK erweisen würden bzw. die Antragstellerin einer Gefahrenlage i.S.v. § 60 Abs. 7 AufenthG ausgesetzt würde, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit schlüssiger Begründung Stellung bezogen (OVG NRW, U.v. 24.8.2016 – 13a 63/16. A – juris). Danach stellten sich die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge in Italien nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK dar. Vielmehr sei davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in Italien grundsätzlich italienischen Staatsbürgern gleichgestellt sind und erforderlichenfalls staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, könnten sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten. Nach den vorliegenden Erkenntnissen seien in Italien Ausländer, die dort als Flüchtlinge anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt, d. h., es werde grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Dies sei nicht menschenrechtswidrig. Die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, reiche ebenfalls nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (OVG NRW, a.a.O. Rn 51 ff.). Italien habe vielmehr die Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt. In Folge stellt das OVG NRW die Erkenntnisse zur Lage in Italien dar (OVG NRW, a.a.O. Rn 62 ff.), worauf Bezug genommen wird.

Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat für das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich Italiens keine Anhaltspunkte gesehen (BayVGH, U.v. 13.12.2016 – 20 B 15.30049 – juris Rn. 41; so auch VG München, B.v. 7.4.2017 – M 11 S. 17.33837 –; a.A. VG Berlin B.v. 2.6.2017 – 33l 365.17a – juris; VG Hannover, B.v. 8.3.2017 – 3b 1492/17 – juris).

Aus dem individuellen Vortrag der Antragstellerin ergibt sich ebenfalls kein Abschiebungshindernis i.S.v. § 60 Abs. 7 AufenthG. Die Antragstellerin hat selber angegeben, Zugang zur ärztlichen Versorgung gehabt zu haben (siehe hierzu auch OVG NRW, a.a.O. Rn 90 f.). Sie habe aber kein Geld für die erforderliche Medikation gehabt. Das OVG NRW führt diesbezüglich aus:

„In Italien ist anerkannten Flüchtlingen der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem eröffnet. Insbesondere sind eine kostenfreie Notversorgung sowie die Versorgung sonstiger ernsthafter, auch chronischer Erkrankungen mit den erforderlichen Medikamenten und der notwendigen ärztlichen Behandlung gesichert. Dem steht der geforderte Selbstbehalt (sog. „Ticket“) nicht entgegen. Um eine Befreiung zu erhalten, muss sich der Flüchtling lediglich offiziell arbeitslos melden. Abgesehen davon besteht über eine sog. STP-Karte, die bei einer öffentlichen lokalen Gesundheitsorganisation oder in einem großen Krankenhaus zu beantragen ist, ein Zugang zur kostenlosen medizinischen Behandlung, wenn diese wegen schwerer Erkrankungen dringend erforderlich ist. (Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Juli 2016 – Az.: 13 A 2132/15.A –; zur Erkenntnislage siehe SFH, Auskünfte an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 8 f., und vom 18. Mai 2015, S. 4; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 3.1, an das VG Schwerin vom 25. März 2015, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 5. und 6.; CIR, aida: County Report: Italy, Dezember 2015, S. 64, 82 f.; EASO, Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 5“ (OVG NRW, a.a.O. Rn. 92).)

Soweit die Antragstellerin in ihrer Anhörung am 1. Juli 2016 angab, dass ihr Mann in Italien bedroht werde, ergibt sich daraus kein Abschiebungsverbot für die Antragstellerin.

2. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 – BVerwG 1 C 26.16 – rechtfertigt nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Rahmen zweier Vorabentscheidungsersuchen dem Europäischen Gerichtshof Fragen zum hiesigen asylrechtlichen bzw. unionsrechtlichen Prüfungsumfang vorgelegt. Dabei geht es um mit Art. 3 EMRK kollidierende Lebensbedingungen in dem Staat, der einem Schutzsuchenden bereits internationalen Schutz gewährt hat bzw. Schutzberechtigten zwar unterhalb der Schwelle eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK, aber den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügende existenzsichernde Leistungen gewährt, den Antragsteller aber nicht anders behandelt als die Staatsangehörigen des Mitgliedsstaats (BVerwG, Vorlage v. 23.3.2017 – 1 C 17/16 – juris u. B.v. 27.6.2017 – 1 C 26/16 – juris; vgl. auch VGH Baden Württemberg, B.v. 15.3.2017 – A 11 S 2151/16 – juris). Das Bundesverwaltungsgericht führt in den Gründen aus, dass es unionsrechtlich allenfalls dann geboten sein könne, einen Folgeantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegen der im nationalen Recht angeordneten Unzulässigkeit derartiger Anträge zu prüfen, wenn die Lebensbedingungen in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller subsidiären Schutz gewährt hat, Art. 4 Grundrechte-Charta bzw. Art. 3 EMRK verletzen (BVerwG, Vorlagev. 23.3.2017 – 1 C 17/16 – juris Rn 35). Die Regelungen der Anerkennungsrichtlinie über die Ausgestaltung des internationalen Schutzes gewährleisteten subsidiär Schutzberechtigten existenzsichernde Leistungen allenfalls in demselben Umfang, wie sie eigene Staatsangehörige erhielten. In Folge dessen hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vorlage vom 27. Juni 2017 dargestellt, dass es dazu neige, einen Anspruch eines anerkannten Flüchtlings auf ein weiteres Anerkennungsverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu verneinen, wenn die Lebensbedingungen dort nicht gegen Art. 4 Grundrechte-Charta und Art. 3 EMRK verstießen, es jedoch unterhalb dieser Schwelle tatsächliche Probleme beim Zugang zu den Leistungen gebe, die Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU vermitteln (BVerwG, Vorlage vom 27.6.2017, 1 C 26.16 – juris Rn 32 ff.).

Den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts folgend bestehen für das Gericht vorliegend somit keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Antragsgegnerin die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens angesichts der Schutzgewährung in Italien ablehnen durfte.

3. Soweit der Bevollmächtigte die Antragsbegründung auf das jüngere Kind der Antragstellerin und die „Italien Rechtsprechung“ stützt, kann die Antragstellerin selber hieraus kein Abschiebungsverbot ableiten.

Zwar mag sich der Sohn der Antragstellerin als Kleinkind darauf berufen können, dass seine Abschiebung vor dem Hintergrund eines wirksamen Schutz seines Kindeswohls erst in Betracht kommt, wenn das BAMF in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zuvor in Abstimmung mit den italienischen Behörden sicherstellt, dass er mit seiner Familie bei der Übergabe eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren für ihn als Kleinkind auszuschließen (vgl. BVerfG, B.v. 17.09.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn 16). Die zum Dublin-Verfahren ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor dem Hintergrund von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz könnte entsprechend auf die vorliegende Konstellation übertragbar sein, dass die Abschiebung von … nur erfolgen darf, wenn er bei der Ankunft in Italien in einer Einrichtung und unter Bedingungen aufgenommen werden wird, die seinem Alter als Kleinkind angemessen sind und dass er mit seiner Familie zusammen bleiben kann (vgl. VG Magdeburg, B.v. 21.3.2017 – 8b 139/17 – juris Rn. 4 mit Verweis auf EGMR, U.v. 4.11.2014 – 29217/12 Tarakhel ./. Switzerland Rn. 122.).

Die Antragstellerin selber kann sich hierauf jedoch für das Vorliegen eines (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverbots nicht berufen. Im Asylverfahren ist nicht gegenständlich und nicht zu klären, ob eine Abschiebung daher tatsächlich überhaupt in Betracht käme bzw. ein Abschiebungshindernis vorliegen würde. Insoweit wird auch auf die Ausführungen im Bescheid des BAMF hingewiesen.

Der Bescheid der Antragsgegnerin ist damit nicht ernstlich zweifelhaft und der Antrag auf vorläufigen Rechtschutz mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten kommt gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 117 Abs. 2 ZPO bereits mangels Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in Betracht.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 36 Verfahren bei Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und bei offensichtlicher Unbegründetheit


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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 117 Antrag


(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag au

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 1 Geltungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen: 1. Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder2. internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vo

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 35 Abschiebungsandrohung bei Unzulässigkeit des Asylantrags


In den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:

1.
Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder
2.
internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 243-1, veröffentlichten bereinigten Fassung in der jeweils geltenden Fassung.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:

1.
Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder
2.
internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 243-1, veröffentlichten bereinigten Fassung in der jeweils geltenden Fassung.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

In den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

In den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.

(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.

(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

In den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.

(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.

(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 31. März 2014 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist nach eigenen Angaben somalischer Staatsangehöriger und meldete sich am 2. Juni 2010 in München als Asylsuchender, am 6. Juli 2010 stellte er bei der Außenstelle Zirndorf des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Am 3. September 2010 wurde er in München von der Polizei aufgegriffen. Dabei wurden bei ihm ein italienischer Reiseausweis und ein italienischer Aufenthaltstitel gefunden, die auf den gleichen Vornamen, aber mit anderem Familiennamen und anderem Geburtsdatum als in Deutschland angegeben, ausgestellt waren. Im Polizeibericht ist festgehalten, dass die Fingerkuppen des Klägers beschädigt/manipuliert waren. In der Folgezeit versuchte das Bundesamt, Italien zu einer Übernahme des Klägers zu veranlassen unter Übersendung von Kopien der sichergestellten Dokumente. Die italienischen Behörden verweigerten dies aber unter Berufung auf die nicht lesbaren Fingerabdrücke des Klägers.

In einem vom 15. September 2011 datierenden Aktenvermerk des Bundesamts wurde festgehalten, dass Deutschland für die Entscheidung über den Asylantrag zuständig bleibe.

Mit Schreiben vom 4. November 2011 teilte das italienische Innenministerium mit, dass es mit der Überstellung des Klägers nach Italien gemäß Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO einverstanden sei. Daraufhin nahm der Bevollmächtigte des Klägers mit Telefax vom 2. Februar 2012 den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Gewährung von Flüchtlingsschutz zurück und beschränkte das Schutzgesuch auf die Gewährung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG.

In einem Aktenvermerk vom 13. März 2012 des Bundesamts ist festgehalten, dass dieses davon ausgehe, dass wegen einer Nichtbeantwortung eines Übernahmeersuchens vom 22. April 2011 von einer fiktiven Zustimmung Italiens zur Übernahme des Klägers ausgegangenen werde und die Überstellungsfrist nach Art. 20 Dublin-II-VO am 22. Oktober 2011 abgelaufen sei. Das Bundesamt wirkte daraufhin bei der zuständigen Ausländerbehörde auf eine Überstellung des Klägers nach Italien aufgrund grenzpolizeilicher Vereinbarungen hin. Dieses Ersuchen wurde vom italienischen Innenministerium mit Schreiben vom 28. Mai 2012 wegen Ablaufs der Aufenthaltserlaubnis am 16. Oktober 2011 abgelehnt.

Mit Bescheid vom 23. Juli 2012 wurde das Asylverfahren des Klägers aufgrund der Rücknahme eingestellt. In den Gründen des Bescheides wurde ausgeführt, dass wegen des in Italien hinsichtlich der Flüchtlingsanerkennung erfolglos gebliebenen Asylverfahrens ein Zweitantrag nach § 71a AsylVfG vorliege, auf den § 32 AsylVfG entsprechend anwendbar sei. Eine Prüfung europarechtlicher Abschiebungsverbote erfolge nicht, da der Kläger bereits über einen europarechtlichen subsidiären Schutz verfüge. Auf die hiergegen erhobene Klage des Klägers verpflichtete das Verwaltungsgericht Regensburg die Beklagte mit Urteil vom 14. Februar 2013 (Az. RO 7 K 12.30272), festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a. F.) hinsichtlich Somalias vorliegt. Das Urteil ist nach Ablehnung des Antrags der Beklagten auf Zulassung der Berufung durch den Senat mit Beschluss vom 16. Januar 2014 (Az. 20 ZB 13.30090) rechtskräftig geworden.

Noch während des laufenden Zulassungsverfahrens hat die Beklagte am 15. April 2013 einen Ergänzungsbescheid zum Bescheid vom 23. Juli 2012 erlassen, laut dem der Kläger aufgefordert wurde, die Bundesrepublik Deutschland binnen einer Woche nach Bekanntgabe zu verlassen, andernfalls wurde ihm die Abschiebung nach Italien oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Nach Somalia dürfe er nicht abgeschoben werden. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Abschiebungsandrohung auf § 71 a Abs. 4 i. V. m. §§ 34 und 36 AsylVfG beruhe. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 59 Abs. 2 AufenthG könne die Abschiebung nicht nur in das Herkunftsland, sondern auch in einen anderen Staat, in dem der Antragsteller einreisen dürfe, angedroht werden. Da der Kläger in Italien subsidiären europarechtlichen Schutzstatus erhalten habe, folge aus Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie ein Anspruch, sich dort rechtmäßig aufzuhalten. Der Erlass der Abschiebungsandrohung sei nach Art. 6 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie geboten. Abschiebungsverbote, die der Abschiebungsandrohung nach Italien entgegenstehen könnten, lägen nicht vor. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat könnten nur in begründeten Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK begründen. Individuelle Anhaltspunkte hierfür seien nicht ersichtlich. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer allgemeinen Extremgefahr, die zu einer Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG führen könnten, lägen nicht vor. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 7 K 13.30155).

Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs im Berufungszulassungsverfahren hat die Beklagte am 5. Februar 2014 einen Bescheid mit folgendem Inhalt erlassen:

„1. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (i.d. bis

30.11.2013 geltenden Fassung) liegt hinsichtlich Somalias vor.

2. Der subsidiäre Schutzstatus wird nicht zuerkannt.

3. Der (ergänzende) Bescheid vom 15.4.2013 bleibt unberührt.“

In den Gründen wird ausgeführt, dass die Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen sei, weil der Kläger unstreitig den subsidiären Schutzstatus bereits in Italien erhalten habe. Die im Bescheid vom 15. April 2013 ausgesprochene Ausreiseaufforderung bleibe unberührt. Die Übergangsregelung des § 104 Abs. 9 AufenthG sei auf den Kläger nicht anwendbar, weil er am 1. Dezember 2013 nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG gewesen sei. Auch hiergegen hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 7 K 14.30208) erhoben.

In der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2014 hat das Verwaltungsgericht die beiden Verfahren RO 7 K 13.30155 und RO 7 K 14.30208 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung (unter dem Az. RO 7 K 14.30208) verbunden. Der Kläger hat in den verbundenen Verfahren beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15. April 2013 in Satz 1 bis 3 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 2014 in Ziffern 2 und 3 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

hilfsweise festzustellen,

dass bei ihm Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Das Verwaltungsgericht Regensburg hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. In der Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Verpflichtungsklage auf Gewährung des Schutzstatus nach § 4 AsylVfG statthaft und nicht nachrangig gegenüber der Vollstreckung aus dem Urteil vom 14. Februar 2013 sei. Denn eine vollständige Identität zwischen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F. und § 4 AsylVfG bestehe nicht. Die Klage sei auch begründet. Der Kläger habe einen Anspruch auf Feststellung der subsidiären Schutzberechtigung nach § 4 AsylVfG. Die Statusfeststellung sei nicht aufgrund der Rücknahme des Asylantrags und der Einstellung des Asylverfahrens ausgeschlossen. Zudem sei das Schutzbegehren auf das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F. beschränkt worden. Es stehe auch nicht entgegen, dass für den Kläger in Italien bereits subsidiärer Schutz festgestellt worden sei. Auch die Abschiebungsandrohung in Satz 2 des Bescheides vom 15. April 2013 sei rechtswidrig. Deswegen könnten auch die Ausreiseaufforderung und der Hinweis auf eine mögliche Abschiebung in andere Staaten keinen Bestand haben.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung begehrt die Beklagte die Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und die Abweisung der Klage. Es sei zwischenzeitlich höchstrichterlich mit Urteil vom 17. Juni 2014 (BVerwG, Az. 10 C 7.13) geklärt, dass kein Anspruch auf Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus bestehe, wenn er bereits durch einen anderen Mitgliedstaat zuerkannt worden sei. Dann sei die Beklagte aufgrund § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zur Durchführung eines Verfahrens nicht verpflichtet und dazu auch gar nicht berechtigt. Es bestehe auch kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots. Dieses sei einerseits nachrangig zu der bereits in Umsetzung der rechtskräftig gewordenen Verpflichtung erfolgten Feststellung. Daneben sei im Bescheid vom 15. April 2013 Somalia als Zielstaat einer Abschiebung ausdrücklich ausgenommen worden. Für Italien seien Abschiebungsschutzgründe nicht erkennbar.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 sei durch dessen Beschluss vom 23. Oktober 2015 (Az. 1 B 41/15) modifiziert worden.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Bundesamtsakten, die beigezogenen Ausländerakten, die Akten des Verwaltungsgerichts Regensburg, die gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2016 Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Das Begehren des Klägers ist entsprechend der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg gestellten Klageanträge dahingehend auszulegen, dass der Kläger einerseits die Verpflichtung der Beklagten zur (ergänzenden) Feststellung des subsidiären Schutzstatus (hilfsweise eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG) und die deklaratorische Aufhebung der dem entgegenstehenden Ziffer 2 des Bescheids vom 5. Februar 2014, andererseits die Aufhebung der Sätze 1 - 3 des Bescheids vom 15. April 2013 begehrt.

Diese Klage ist - mit Ausnahme des Hilfsantrags, s.u. - als Verpflichtungs- bzw. Anfechtungsklage zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben. Für die Verpflichtungsklage auf Feststellung der subsidiären Schutzberechtigung fehlt es auch nicht am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Im vorliegenden Fall ist für den Kläger hinsichtlich Somalias zwar aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts vom 14. Februar 2013 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung aufgrund von Ziffer 1 des insoweit bestandskräftigen Bescheids vom 5. Februar 2014 festgestellt. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F. entspricht jedoch nicht der subsidiären Schutzberechtigung nach § 4 AsylG und ist ihr auch nicht gleichzusetzen (BVerwG, U. v. 25.3.2015 - 1 C 16.14 - NVwZ-RR 2015, 634). In Fallkonstellationen wie der vorliegenden ist nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beim Bundesamt ein Antrag auf nachholende Feststellung des subsidiären Schutzstatus zu stellen (BVerwG, a. a. O. Rn. 23; ebenso Fricke in jurisPR BVerwG 13/2015, Anmerkung 2). Einen derartigen Antrag hat der Kläger beim Bundesamt zwar nicht gestellt. Sein ursprünglicher Asylantrag, der mit Schriftsatz vom 2. Februar 2012 auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots reduziert worden war, ist durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Februar 2013 und die dieses umsetzende Ziffer 1 des Bescheids vom 5. Februar 2014 vollständig abgearbeitet. Im vorliegenden Fall fehlt aus diesem Grunde aber nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis unter dem Gesichtspunkt, dass regelmäßig vor Erhebung der Verpflichtungsklage bei der zuständigen Behörde ein entsprechender Antrag gestellt werden muss (vgl. hierzu Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. Ergänzungslieferung Juni 2016, § 42 Abs. 1 Rn. 96). Denn der Kläger hat im vorliegenden Fall durch die Erhebung der Verpflichtungsklage auf Feststellung des subsidiären Schutzstatus, nachdem das Bundesamt von sich aus diesen verneint hatte, zu erkennen gegeben, dass er die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus über das ihm zugesprochene Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F. hinaus begehrt. Diesem Begehren hat sich die Beklagte im gerichtlichen Verfahren auch widersetzt und nicht den Einwand erhoben, dass es hier an einem entsprechenden Antrag gefehlt habe. Schließlich spricht für das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses auch, dass nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ein zunächst wegen Fehlens des entsprechenden Antrags formell rechtswidriger Verwaltungsakt durch dessen Nachholung geheilt wird.

Der Hilfsantrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist unzulässig. Mangels anderweitiger Konkretisierung durch den Bevollmächtigten des Klägers bezieht er sich auf das Herkunftsland, hier also auf Somalia. Dafür steht dem Kläger aber bereits aufgrund der Ziffer 1 des Bescheids vom 5. Februar 2014 bzw. nach § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wegen der Gewährung subsidiären Schutzes in Italien Abschiebungsschutz zu. Für eine Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich Somalias fehlt ihm daher das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerwG, U. v. 17.6.2014 - 10 C 7/13, juris Rn. 32; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur B. v. 18. Juni 2015, 20 B 15.30017, juris). Insoweit ist die Klage daher unzulässig.

Die Klage ist unbegründet. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei nach § 77 Abs. 1 AsylG der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats.

1. Die Verpflichtungsklage auf (ergänzende) Feststellung des subsidiären Schutzstatus und Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheids vom 5. Februar 2014 ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der subsidiären Schutzberechtigung nach § 4 AsylG.

Der Kläger wurde unstreitig in Italien als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt. Dies ist belegt insbesondere durch die bei seinem Aufgriff in München am 3. September 2010 bei ihm gefundenen Dokumente, namentlich einen italienischen Reiseausweis und einen italienischen Aufenthaltstitel für subsidiär Schutzberechtigte (Blatt 184 bis 189 der Bundesamtsakte).

Nach § 60 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und 2 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EG vom 28.8.2013 (BGBl. I S. 3474) besteht in den Fällen, in denen einem Ausländer in einem anderen Staat bereits der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Anspruch auf die neuerliche Zuerkennung dieses Status. Das Bundesamt ist zur Feststellung der in Deutschland erneut begehrten subsidiären Schutzberechtigung weder verpflichtet noch berechtigt, ein entsprechender Antrag ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 17.6.2014 - 10 C 7/13 - juris, Rn. 29) unzulässig. Dieses Ergebnis folgt ebenso aus dem neugefassten § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), der aufgrund des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach § 77 Abs. 1 AsylG hier auch anzuwenden ist.

Kein anderes Ergebnis ergibt sich aus der vom Bevollmächtigten des Klägers im Berufungsverfahren angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015 (Az. 1 B 41/15). Denn dieser Beschluss betrifft allein die Fallgestaltung, dass einem Ausländer in einem anderen Staat subsidiärer Schutz gewährt wurde und aufgrund dessen vom Bundesamt sein Asylantrag, der neben dem subsidiären Schutzstatus auch das Begehren auf die Zuerkennung von Asyl- und Flüchtlingsschutz nach §§ 3 ff. AsylG umfasst, abgelehnt werden sollte (vgl. BVerwG, B. v. 23.10.2015 - 1 B 41/15, juris, Rn. 6, letzter Satz). Die Entscheidung ist daher für die vorliegende Fallgestaltung, in der die Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsschutz nicht im Streit steht, irrelevant.

Das Gleiche gilt dafür, dass die Beklagte durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. Februar 2013 zu der Feststellung des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F. verpflichtet wurde. Denn die Rechtskraftwirkung des Urteils vom 14. Februar 2013 erfasst naturgemäß nicht die mit Wirkung vom 1. Dezember 2013 eingeführte neue Bestimmung des § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, mit dem die Norm des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 auch auf die Frage der subsidiären Schutzberechtigung erstreckt wurde.

2. Auch soweit die Klage sich gegen die Sätze 1 bis 3 des Bescheids vom 15. April 2013 richtet, ist sie unbegründet. Denn diese Regelungen sind rechtmäßig.

Das Bundesamt war im vorliegenden Fall für den nachträglichen Erlass der Abschiebungsandrohung zuständig. Dies folgt aus § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG, wonach die Abschiebungsandrohung zwar mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden soll, dies aber nicht zwingend ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 13.9.2007 - 11 S 1684/07 - juris Rn. 10; Bergmann in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 24 AsylG, Rn. 13).

Die Abschiebungsandrohung ist daneben auch materiell rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage im nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt in § 71a Abs. 4, 34, 35 und 36 Abs. 1 AsylG, da sich die im Bescheid vom 5. Februar 2014 ausgesprochene Versagung des subsidiären Schutzes nach der im Entscheidungszeitpunkt des Senats maßgeblichen Rechtslage als Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG darstellt.

§ 35 AsylG sieht (als Ausnahme vom Grundsatz des § 34 AsylG für die Fälle eines unzulässigen Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG) ausdrücklich eine Abschiebungsandrohung in den Staat, in dem der Ausländer vor Verfolgung sicher war, vor und geht also auch dann von dem Erlass einer Abschiebungsandrohung aus, wenn wie im vorliegenden Fall bezüglich des Herkunftsstaates des Ausländers ein Abschiebungsverbot vorliegt. Eine Abschiebungsandrohung muss also auch dann ergehen, wenn aufgrund von § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG die von einem anderen Mitgliedstaat ausgesprochene Schutzgewährung in Deutschland, was das Abschiebungsverbot hinsichtlich des Herkunftsstaates angeht, Geltung beansprucht.

Nach § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist in der Abschiebungsandrohung der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf, hier also Italien. Nachdem auch die Ausreisefrist zutreffend mit einer Woche festgesetzt wurde (§ 36 Abs. 1 AsylG) entsprechen die Sätze 1 bis 3 des Bescheids vom 15. April 2013 den gesetzlichen Vorgaben.

Ob der Kläger tatsächlich, wie vom Bevollmächtigten des Klägers gegenüber dem Verwaltungsgericht bezweifelt, nach Italien einreisen kann oder ob dies wegen des Ablaufs der Geltungsdauer der aufgrund der subsidiären Schutzgewährung ausgestellten Aufenthaltserlaubnis (Permesso di soggiorno) eben nicht der Fall ist, ist für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung unerheblich: Denn das Bundesamt darf auch einen Zielstaat für die Abschiebungsandrohung benennen, für den aus tatsächlichen Gründen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer auf absehbare Zeit abzuschieben (Masuch/Gordzielik in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Auflage 2016, § 59 Rn. 13 unter Verweis auf BVerwG, B. v. 10.10.2012 - 10 B 39/12 - InfAuslR 2013, 42 und U. v. 10.7.2013 - 1 C 21/02 - BVerwGE 118, 308, Rn. 12).

Nach dem neugefassten § 31 Abs. 3 AsylG hat das Bundesamt in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge nach § 29 AsylG festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Diese Entscheidung über Abschiebungsverbote kann sich nach Sinn und Zweck der Regelung nur auf den Staat, in dem Schutz gewährt wurde, beziehen (ebenso Bethge/Hocks, Asylmagazin 2016, 336, 340; Pietzsch in Beck-OK Ausländerrecht, § 35 AsylG, Rn. 9). Eine derartige Prüfung hat das Bundesamt in Bescheid vom 15. April 2013 vorgenommen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass entsprechende Abschiebungsverbote hinsichtlich Italiens nicht vorliegen. Dagegen wurden im Rahmen des Berufungsverfahrens keine substantiierten Einwände erhoben. Anhaltspunkte für derartige Abschiebungsverbote sind auch nicht ersichtlich.

Nach alledem ist die Berufung begründet und die Klage abzuweisen, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der ersucht wird, die Rechtssache gemäß Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs dem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, zu folgenden Fragen eingeholt:

1. Steht die Übergangsbestimmung in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, wonach in Umsetzung der gegenüber der Vorgängerregelung erweiterten Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU ein Antrag auf internationalen Schutz unzulässig ist, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, soweit die nationale Regelung mangels nationaler Übergangsregelung auch auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge anzuwenden ist?

Erlaubt die Übergangsbestimmung in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU den Mitgliedstaaten insbesondere eine rückwirkende Umsetzung der erweiterten Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU mit der Folge, dass auch vor der nationalen Umsetzung dieser erweiterten Ermächtigung gestellte, zum Zeitpunkt der Umsetzung aber noch nicht bestandskräftig beschiedene Asylanträge unzulässig sind?

2. Räumt Art. 33 Richtlinie 2013/32/EU den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht ein, ob sie einen Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit (Dublin-VO) oder nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU als unzulässig ablehnen?

3. Falls Frage 2 bejaht wird: Ist ein Mitgliedstaat unionsrechtlich gehindert, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen der Gewährung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat in Umsetzung der Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU als unzulässig abzulehnen, wenn

a) der Antragsteller eine Aufstockung des ihm in einem anderen Mitgliedstaat gewährten subsidiären Schutzes begehrt (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) und das Asylverfahren in dem anderen Mitgliedstaat mit systemischen Mängeln behaftet war und weiterhin ist oder

b) die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für subsidiär Schutzberechtigte, in dem anderen Mitgliedstaat, der dem Antragsteller bereits subsidiären Schutz gewährt hat,

- gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verstößt oder

- den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügt, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen?

4. Falls Frage 3b) zu bejahen ist: Gilt dies auch dann, wenn subsidiär Schutzberechtigten keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen gewährt werden, sie insoweit aber nicht anders behandelt werden als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates?

5. Falls Frage 2 zu verneinen ist:

a) Findet die Dublin III-VO in einem Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes Anwendung, wenn der Asylantrag vor dem 1. Januar 2014, das Wiederaufnahmegesuch aber erst nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist und der Antragsteller zuvor (im Februar 2013) bereits in dem ersuchten Mitgliedstaat subsidiären Schutz erhalten hat?

b) Ist den Dublin-Regelungen ein - ungeschriebener - Zuständigkeitsübergang auf den um Wiederaufnahme eines Antragstellers ersuchenden Mitgliedstaat zu entnehmen, wenn der ersuchte zuständige Mitgliedstaat die fristgerecht beantragte Wiederaufnahme nach den Dublin-Bestimmungen abgelehnt und stattdessen auf ein zwischenstaatliches Rückübernahmeabkommen verwiesen hat?

Gründe

I

1

Der Kläger, ein staatenloser Palästinenser aus Syrien, wendet sich gegen die Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), dass ihm aufgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht.

2

Er verließ Syrien zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern (Kläger im Verfahren 1 C 18.16) im Jahr 2012 und reiste nach Bulgarien ein, wo der Familie mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiärer Schutz gewährt wurde. Im November 2013 reiste der Kläger mit seiner Familie über Rumänien, Ungarn und Österreich weiter in die Bundesrepublik Deutschland und stellte hier am 29. November 2013 erneut einen Asylantrag.

3

Am 22. Januar 2014 richtete das Bundesamt an die bulgarische staatliche Flüchtlingsverwaltung ein Wiederaufnahmegesuch, das diese mit Schreiben vom 10. Februar 2014 ablehnte. Aufgrund des dem Kläger in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutzes seien die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar. Zuständige bulgarische Behörde sei die dortige Grenzpolizei.

4

Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 stellte das Bundesamt ohne inhaltliche Prüfung des Asylantrags fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus Bulgarien als einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht (Ziffer 1), und ordnete dessen Abschiebung nach Bulgarien an (Ziffer 2).

5

Die gegen den Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 20. Mai 2014 ab. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. Februar 2016 die Abschiebungsanordnung nach Bulgarien aufgehoben, die Berufung im Übrigen aber zurückgewiesen. Die Feststellung, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, sei rechtmäßig, weil der Kläger aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nach Deutschland eingereist sei (§ 26a Abs. 1 Satz 1 und 2, § 31 Abs. 4 AsylG). Jedenfalls Österreich sei ein sicherer Drittstaat. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien sei jedoch rechtswidrig, weil nicht feststehe, ob die Übernahmebereitschaft Bulgariens fortbestehe.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er macht unter anderem geltend, das Dublin-Regime sei auch nach Gewährung subsidiären Schutzes weiterhin anwendbar, weil nach der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO vorliegend noch auf die Dublin II-VO abzustellen sei. Die ursprünglich begründete Zuständigkeit Bulgariens sei im Verlauf des Verfahrens nach der Dublin II-VO auf Deutschland übergegangen.

7

Die Beklagte meint, der Asylantrag sei nunmehr jedenfalls nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig.

II

8

Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen, die der Senat dem Gerichtshof mit Beschlüssen vom heutigen Tag noch in zwei weiteren Verfahren (1 C 18.16 und 1 C 20.16) unterbreitet hat, betreffen die Auslegung der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung, ABl. L 180 S. 60 - Richtlinie 2013/32/EU), der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31 - Dublin III-VO) sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.

9

1. Die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Februar 2014 gerichteten Anfechtungsklage richtet sich im nationalen Recht nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 10. November 2016 in Kraft getretene Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (StrÄndG 50) vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte. Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen. Dazu gehört auch die durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) mit Wirkung vom 6. August 2016 geschaffene Neufassung des § 29 AsylG, soweit der Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht die Übergangsvorschrift in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU entgegensteht (dazu Vorlagefrage 1.).

10

Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:

Art. 16a GG

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. (...)

(...)

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muss, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

§ 1 AsylG

(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:

1. Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder

2. internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; (...).

§ 4 AsylG

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1. Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,

2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder

3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

§ 13 AsylG

(1) (...)

(2) Mit jedem Asylantrag wird die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 beantragt. (...)

§ 26a AsylG

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1. (...)

2. die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder

3. (...)

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

§ 29 AsylG

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1. ein anderer Staat

a) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) oder

b) auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages

für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,

2. ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,

3. ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,

(...)

§ 34a AsylG

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. (...). Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) (...)

§ 35 AsylG

In den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

§ 77 AsylG

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. (...)

§ 25 AufenthG

(...)

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. (...)

(...)

§ 60 AufenthG

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(...)

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

11

2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.

12

a) Das Bundesamt durfte die Prüfung des Asylantrags nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Kläger aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist. Diese auf § 26a AsylG gestützte Entscheidung ist an der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) zu messen. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor, weil sicherer Drittstaat in diesem Sinne bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nur ein Staat sein kann, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist. Dies hält der Senat für einen "acte clair".

13

Zwar ist die Drittstaatenregelung des § 26a AsylG, an die § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG anknüpft, weiter gefasst. Sichere Drittstaaten sind gemäß § 26a Abs. 2 AsylG, der Art. 16a Abs. 2 GG entspricht, nämlich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die in Anlage I zum Asylgesetz bezeichneten Staaten, zu denen derzeit nur Norwegen und die Schweiz zählen. Dieser weite Anwendungsbereich der deutschen Drittstaatenregelung steht jedoch nicht im Einklang mit der Richtlinie 2013/32/EU. Er ist wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts dahin einzuschränken, dass der Verweis auf einen sicheren Drittstaat jedenfalls bei der Versagung internationalen Schutzes nur hinsichtlich der Staaten der Anlage I möglich ist. In Bezug auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union darf hingegen von dem im nationalen Recht geregelten Konzept sicherer Drittstaaten kein Gebrauch gemacht werden. Diese Vorgabe des Unionsrechts ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU, der die Gründe, aus denen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten dürfen, abschließend aufzählt. Danach kommen als unionsrechtliche Grundlage für eine nationale Drittstaatenregelung Art. 33 Abs. 2 Buchst. b und c Richtlinie 2013/32/EU in Betracht. Diese Vorschriften verweisen auf die in Art. 35 und 38 der Richtlinie geregelten Konzepte des ersten Asylstaats bzw. des sicheren Drittstaats, erklären diese jedoch jeweils nur in Bezug auf Staaten für anwendbar, die keine Mitgliedstaaten sind. Ob das Konzept des europäischen sicheren Drittstaats nach Art. 39 der Richtlinie ebenfalls zu einer Unzulässigkeitsentscheidung berechtigt, obwohl es in Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie nicht genannt ist, kann der Senat offenlassen. Denn auch dieses Konzept zielt nicht auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern auf europäische Staaten, die (noch) nicht deren Mitglied sind (vgl. Vedsted-Hansen, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D IV Art. 39 Rn. 3). Kein anderes Ergebnis ergäbe sich, wenn im vorliegenden Fall noch auf die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft abzustellen sein sollte. Die Anwendung der dort vorgesehenen Konzepte des sicheren Drittstaats und des ersten Asylstaats war ebenfalls auf Staaten beschränkt, die keine Mitgliedstaaten sind (vgl. Art. 25 Abs. 2 Buchst. b und c Richtlinie 2005/85/EG).

14

Von dieser Begrenzung auf Drittstaaten im Sinne des Unionsrechts ist wohl auch der deutsche Gesetzgeber bei Erlass des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ausgegangen, wenngleich er dies nicht durch eine Änderung von § 26a Abs. 2 AsylG zum Ausdruck gebracht hat. Denn aus den Materialien zu § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG geht hervor, dass mit Drittstaaten im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG nur solche Staaten gemeint sind, die durch Aufnahme in Anlage I des Asylgesetzes als sicherer Drittstaat eingestuft worden sind (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 18/8883 S. 7). Dies schließt die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus, da diese keiner Eintragung bedürfen.

15

b) Die Vorlagefragen stellen sich im Rahmen der vom Senat zu prüfenden Frage, ob die vom Bundesamt getroffene Drittstaatenentscheidung in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden kann. In Betracht kommt eine Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 AsylG gewährt hat. Mit dieser mit Wirkung vom 6. August 2016 eingefügten Vorschrift hat der nationale Gesetzgeber von der erweiterten Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU Gebrauch gemacht. Denn der Unionsgesetzgeber hat in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU die zuvor bereits in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG geregelte Möglichkeit, einen Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, dahin erweitert, dass die Mitgliedstaaten einen Asylantrag nunmehr auch bei Gewährung subsidiären Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat als unzulässig behandeln dürfen.

16

aa) Die Möglichkeit, einen Asylantrag wegen Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat abzulehnen, ist hinsichtlich des hier in Rede stehenden "Aufstockungsbegehrens" (d.h. des Folgeantrags eines in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten subsidiär Schutzberechtigten auf Zuerkennung der in den Rechtsfolgen günstigeren Flüchtlingseigenschaft) in Deutschland erstmals durch § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG umgesetzt worden. Der Senat folgt nicht der teilweise vertretenen Auffassung, wonach sich schon zuvor aus der durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) neu in das Aufenthaltsgesetz eingefügten, am 1. Dezember 2013 in Kraft getretenen Regelung des § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ergeben habe, dass ein derartiges Aufstockungsbegehren unzulässig ist (so VG Minden, Urteil vom 10. Mai 2016 - 10 K 2248/14.A - juris Rn. 198 ff.; a.A. VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 57/15 - InfAuslR 2015, 310 = juris Rn. 53 ff.). Zwar hat der Gesetzgeber damit die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG erstreckt. Dies hat zur Folge, dass seitdem auch ein Begehren auf subsidiären Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer in einem anderen Mitgliedstaat die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 30; Beschluss vom 30. September 2015 - 1 B 51.15 - juris). Hingegen lässt sich der in § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG angeordneten "entsprechenden Anwendung" des § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen, dass nach Gewährung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zulässigerweise begehrt werden kann.

17

Erst recht liegt in der nationalen Drittstaatenregelung, wie sie vor Inkrafttreten des § 29 AsylG n.F. bereits in § 26a AsylG i.V.m. Art. 16a Abs. 2 GG enthalten war, keine Umsetzung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU. Ein Umsetzungswille muss im nationalen Recht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen, zumal die Mitgliedstaaten von der Ermächtigung, die in Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU aufgeführten Unzulässigkeitsgründe in ihrem nationalen Recht vorzusehen, nicht zwingend Gebrauch machen müssen. Das ist hier nicht der Fall. Eine hinreichend klare Entscheidung des Gesetzgebers, Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie umzusetzen, kann in § 26a AsylG nicht gesehen werden. Die Drittstaatenregelung datiert aus einer Zeit weit vor Erlass der Verfahrensrichtlinien. Sie ist schon dem Wortlaut nach dem sachlichen Anwendungsbereich von Art. 33 Abs. 2 Buchst. c, sowie allenfalls noch Buchst. b der Richtlinie 2013/32/EU zuzuordnen. Es findet sich auch sonst kein positiver Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber ihr nach Inkrafttreten der jeweiligen Richtlinie auch die Funktion zugedacht hat, Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG und sodann Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umzusetzen.

18

bb) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen vor. Bulgarien ist ein Mitgliedstaat der EU. Dem Kläger wurde dort nach den Feststellungen des Berufungsgerichts subsidiärer Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU und damit internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt.

19

cc) Dem vorlegenden Gericht stellt sich jedoch die Frage, ob die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf den vorliegenden Fall mit Unionsrecht zu vereinbaren ist.

20

(1) Es bedarf zunächst der Klärung durch den Gerichtshof, ob der genannte Unzulässigkeitstatbestand auf den hier im November 2013 gestellten Asylantrag in zeitlicher Hinsicht bereits Anwendung finden kann. Nach nationalem Recht (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist es an sich geboten, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auch auf vor seinem Inkrafttreten gestellte Anträge anzuwenden, soweit über diese noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Der darin liegenden "unechten Rückwirkung" steht nationales Verfassungsrecht im konkreten Fall nicht entgegen (so der Sache nach bereits BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 28 ff.). Das Vertrauen der Betroffenen in den Fortbestand der alten Rechtslage wiegt nach Auffassung des Senats weniger schwer als das mit der Neuregelung verfolgte Ziel, Sekundärmigration nach erfolgter Schutzgewährung in Übereinstimmung mit Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU zu vermeiden. Das gilt jedenfalls in Fällen, in denen die neue Richtlinie - wie hier - bereits in Kraft war, als der Schutzsuchende seinen Asylantrag in Deutschland gestellt hat. In einem solchen Fall musste er mit einer möglichen Umsetzung des neuen Unzulässigkeitsgrundes jedenfalls rechnen.

21

Ohne eine Übergangsbestimmung wäre auch unionsrechtlich Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. das diese Regelung umsetzende nationale Recht auf Altanträge anwendbar. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Richtlinie unmittelbar auch auf die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts anzuwenden, der unter der Geltung der alten Rechtslage entstanden ist (EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - C-297/12 [ECLI:EU:C:2013:569], Filev u.a. - Rn. 40), hier also auf alle Anträge, die noch nicht bestandskräftig beschieden sind.

22

Die Richtlinie 2013/32/EU enthält aber in Art. 52 Abs. 1 eine Übergangsbestimmung, deren Auslegung für den vorliegenden Fall klärungsbedürftig ist. Danach wenden die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Artikel 51 Absatz 1 auf förmlich gestellte Anträge auf internationalen Schutz nach dem 20. Juli 2015 oder früher an (Satz 1). Für vor diesem Datum gestellte Anträge gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG. Der Antrag auf internationalen Schutz ist hier vor dem 20. Juli 2015 und zugleich auch vor Umsetzung der erweiterten Ablehnungsmöglichkeit des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU in das nationale Recht gestellt worden. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entspricht in Fällen, in denen dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat nur subsidiärer Schutz gewährt worden ist, zwar den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU, nicht jedoch den Anforderungen des Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG; er ist deshalb insoweit mit der Richtlinie 2005/85/EG unvereinbar.

23

Mit Vorlagefrage 1 soll daher geklärt werden, wie die zitierte Übergangsregelung der Richtlinie bezogen auf eine solche Fallgestaltung auszulegen ist. Der Senat hat in einem früheren Verfahren entschieden, dass Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge auf Flüchtlingsschutz unzulässig sind, wenn dem Antragsteller zuvor bereits subsidiärer Schutz in einem anderen Mitgliedstaat gewährt worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 1 B 41.15 - NVwZ 2015, 1779 Rn. 11 f.). Nach dieser Auslegung gelten die in Umsetzung der Richtlinie 2013/32/EU ergangenen nationalen Rechtsvorschriften für vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge nur, soweit sie mit der Richtlinie 2005/85/EG in Übereinstimmung stehen. Dies beruht auf der Annahme, dass die in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/32/EU eröffnete Möglichkeit, die in Umsetzung der neuen Richtlinie ergangenen nationalen Rechtsvorschriften auch schon auf vor diesem Datum gestellte Anträge anzuwenden ("oder früher"), nur Bedeutung hat, soweit es um günstigere Bestimmungen im Sinne von Art. 5 Richtlinie 2005/85/EG geht. Nationale Vorschriften zur Umsetzung der Neufassung der Richtlinie, die von den Bestimmungen der Richtlinie 2005/85/EG zum Nachteil des Antragstellers abweichen, dürfen hingegen nach dieser Auslegung aufgrund der Bestimmung in Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge nicht angewendet werden. Die Übergangsregelung schützt nach diesem Verständnis das Vertrauen der Antragsteller, die ihren Antrag vor Ablauf der am 20. Juli 2015 verstrichenen Umsetzungsfrist (vgl. Art. 51 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU) gestellt haben, darauf, von Rechtsnachteilen durch die Umsetzung der neuen Richtlinie verschont zu bleiben.

24

Diese Auslegung der Übergangsvorschrift durch den Senat ist in der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte teilweise auf Widerspruch gestoßen (vgl. VG Aachen, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 8 K 2119/14.A - juris Rn. 70; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. Februar 2016 - 2a K 2466/15.A - InfAuslR 2016, 209 = juris Rn. 26 ff.; VG Minden, Urteil vom 10. Mai 2016 - 10 K 2248/14.A - juris Rn. 214 ff., VG Darmstadt, Beschluss vom 6. März 2017 - 3 L 1068/17 DA.A - juris Rn. 6). Die abweichende Auffassung geht davon aus, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, Rechtsvorschriften, die die neue Richtlinie umsetzen, auch schon auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge für anwendbar zu erklären. Dies folge aus dem Zusatz "oder früher" in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/32/EU. Zwar bestimme Satz 2 der Regelung für vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge die Anwendbarkeit des in Umsetzung der Richtlinie 2005/85/EG ergangenen Rechts und stehe damit in einem gewissen Widerspruch zu Satz 1. Dieser Widerspruch sei aber dadurch zu erklären, dass der Zusatz "oder früher" in Satz 1 der Vorschrift erst am Ende des Rechtssetzungsverfahrens in die Regelung aufgenommen wurde. Nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission vom 22. Oktober 2009 habe die Übergangsvorschrift eine feste Stichtagsregelung enthalten sollen. Erst durch den Standpunkt (EU) Nr. 7/2013 des Rates in erster Lesung vom 6. Juni 2013 (ABl. C 179 E S. 27) seien in Satz 1 die Wörter "oder früher" eingefügt worden. Dabei sei versäumt worden, die Regelung in Satz 2 entsprechend anzupassen. Satz 2 ist nach dieser Auslegung nur eine Auffangregelung für den Fall, dass die Mitgliedstaaten die neue Richtlinie nicht vor dem 20. Juli 2015 umgesetzt bzw. das neue Recht nicht auf vor diesem Zeitpunkt gestellte Anträge für anwendbar erklärt haben. Bei vor dem 20. Juli 2015 gestellten Anträgen ist eine nationale Regelung danach unionsrechtskonform, wenn sie entweder den Vorgaben der neuen oder den Vorgaben der alten Richtlinie entspricht.

25

Der Senat kann ohne die Klärung der Auslegung der Übergangsbestimmung, um die er den Gerichtshof mit Teilfrage 1 der Vorlagefrage 1 ersucht, nicht an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten. Für den Fall, dass sich die zuletzt dargestellte Auffassung als grundsätzlich zutreffend erweisen sollte, stellt sich die weitere Frage, ob die nationalen Vorschriften, die die Richtlinie 2013/32/EU umsetzen, auf alle vor dem 20. Juli 2015 gestellten Anträge angewendet werden können oder nur auf solche, die nach Inkrafttreten der nationalen Rechtsvorschrift, die die neue Richtlinie umsetzt, gestellt worden sind (Teilfrage 2 der Vorlagefrage 1). Wenn die in Umsetzung der Richtlinie 2013/32/EU ergangene Rechtsvorschrift im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz schon in Kraft gewesen sein muss, um auf den Antrag Anwendung finden zu können, wäre der Asylantrag des Klägers nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig. Denn der Antrag ist im November 2013 gestellt worden, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aber erst im August 2016 in Kraft getreten. Kommt es auf den Zeitpunkt der Umsetzung im nationalen Recht nicht an, ist der Antrag des Klägers hingegen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig (soweit sich nicht aus der Beantwortung der Vorlagefragen 2 oder 3 etwas anderes ergibt).

26

(2) Wenn Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht entgegensteht, bedarf weiter der Klärung, ob die Mitgliedstaaten von einer Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzenden Regelung Gebrauch machen dürfen, ohne vorrangig zu klären, ob die Prüfung des Antrags wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit nach Maßgabe der Dublin-Bestimmungen abzulehnen ist. Darauf zielt die Vorlagefrage 2. Sie stellt sich nur, wenn die Dublin-Regelungen nach Gewährung internationalen Schutzes in Form von subsidiärem Schutz überhaupt noch Anwendung finden, was zweifelhaft sein könnte, wenn dafür im vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht bereits auf die Dublin III-VO abzustellen ist (dazu s.u. Vorlagefrage 5.).

27

Art. 33 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU bestimmt, dass die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ein Antrag nicht geprüft wird, nicht prüfen müssen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage des vorliegenden Artikels als unzulässig betrachtet wird. Das spricht dafür, dass die Mitgliedstaaten ein Wahlrecht haben, ob sie einen Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit oder nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU als unzulässig ablehnen, oder dass ohnehin keine Konkurrenz zwischen diesen beiden Entscheidungsvarianten besteht, weil die Dublin III-VO nach der Gewährung internationalen Schutzes keine Anwendung mehr findet.

28

(3) Wenn der Antrag nach dem Ergebnis der Vorlagefragen 1 und 2 gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, der Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzt, wegen der Gewährung subsidiären Schutzes in Bulgarien als unzulässig abgelehnt werden kann, stellt sich die weitere Frage, ob diese Möglichkeit durch andere unionsrechtliche Regelungen (Art. 4 und 18 GRC, Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU) eingeschränkt wird (Vorlagefragen 3 und 4).

29

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten. Ausgehend davon hat der Gerichtshof zu Überstellungen nach der Dublin II-VO entschieden, dass nicht schon jeder Verstoß gegen einzelne asylrechtliche Normen ausreichen kann, um eine Überstellung an den zuständigen Staat zu hindern. Andernfalls würden die Verpflichtungen der Staaten im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem ausgehöhlt. Allerdings steht das Unionsrecht einer unwiderlegbaren Vermutung entgegen, wonach der Zielstaat der Überstellung die Unionsgrundrechte beachtet. Es obliegt den Mitgliedstaaten, von einer Überstellung bei erheblichen Defiziten abzusehen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn dem Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, nicht verborgen geblieben sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Zielstaat ernstlich und erwiesenermaßen für eine tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC sprechen (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10, C-493/10 [ECLI:EU:C:2011:865], N.S. - Rn. 78 - 94). Diese Rechtsprechung hat bei der Neufassung der Dublin-Regeln durch die Dublin III-VO in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO Eingang gefunden.

30

Es bedarf der Klärung durch den Gerichtshof, ob und gegebenenfalls in welcher Weise diese Rechtsprechung auf solche Fälle von Sekundärmigration zu übertragen ist, in denen die Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits einen Schutzstatus erhalten haben und nun einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellen. Konkret ist hier der Fall betroffen, dass der Antragsteller nach Gewährung subsidiären Schutzes die Aufstockung seines Schutzes durch Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat begehrt.

31

Dabei stellt sich zum einen die Frage, ob es der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig entgegensteht, wenn das Asylverfahren in dem Mitgliedstaat, in dem der subsidiäre Schutz gewährt worden ist, an systemischen Mängeln leidet (Vorlagefrage 3a). Die Situation, in der sich der Antragsteller befindet, ist hier allerdings eine etwas andere als in den oben genannten Dublin-Fällen: Die Aufnahmebedingungen können an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben, weil der Antragsteller bereits subsidiären Schutz erhalten hat. Offenbleiben kann auch, ob ein in dieser Situation gestellter Folgeantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bewirken würde, dass er insoweit - wieder - "Antragsteller" im Sinne von Art. 2 Buchst. b Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung, ABl. L 180 S. 96 - Aufnahmerichtlinie) ist und diese Richtlinie somit Anwendung findet. Denn jedenfalls kann er sich in dem Mitgliedstaat, der ihm subsidiären Schutz gewährt hat, - gegebenenfalls zusätzlich - bereits auf seinen Status als subsidiär Schutzberechtigter und die daraus gemäß Kapitel VII i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU folgende Rechtsstellung berufen, die über die während des Verfahrens gewährte Rechtsstellung nach der Aufnahmerichtlinie hinausgeht.

32

Folglich sind hier nur Mängel im Asylverfahren als solches in den Blick zu nehmen. Diese können darin bestehen, dass der Staat, der die subsidiäre Schutzberechtigung gewährt hat, die - höherwertige - Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einer als systemischen Mangel zu begreifenden Weise (vorhersehbar) verweigert oder dass er Folgeanträge trotz Vorliegens neuer Elemente oder Erkenntnisse, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller als Flüchtling anzuerkennen ist (vgl. Art. 40 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU), nicht weiter prüft. Von einem Folgeantrag ist dabei auch in einem Fall wie dem vorliegenden auszugehen, in dem dem Antragsteller auf seinen vorangegangenen Antrag - nur - subsidiärer Schutz gewährt worden ist, was impliziert, dass sein weitergehendes Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt worden ist. Denn auch in diesem Fall liegt eine "bestandskräftige Entscheidung über einen früheren Antrag" im Sinne von Art. 2 Buchst. q Richtlinie 2013/32/EU vor (vgl. auch Art. 46 Abs. 1 Buchst. a i), Abs. 2 Unterabs. 1 Richtlinie 2013/32/EU). Dass der subsidiäre Schutzstatus einem international Schutzberechtigten in Bulgarien die gleichen Rechte und Vorteile einräumen würde wie der Flüchtlingsstatus (vgl. Art. 46 Abs. 2 Unterabs. 2 Richtlinie 2013/32/EU), steht jedenfalls nicht positiv fest. Vor diesem Hintergrund fragt sich der Senat, ob und unter welchen Voraussetzungen Art. 18 GRC i.V.m. Art. 78 AEUV es gebieten könnten, dass ein Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz entgegen einer Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzenden nationalen Rechtsvorschrift prüft, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits der subsidiäre Schutzstatus, nicht aber die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde.

33

Mit Vorlagefrage 3b) soll geklärt werden, ob Unionsrecht verlangt, den Folgeantrag einer in einem anderen Mitgliedstaat als subsidiär schutzberechtigt anerkannten Person entgegen einer nationalen Rechtsvorschrift, die Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzt, zu prüfen, wenn die Lebensbedingungen für subsidiär Schutzberechtigte dort gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verstoßen oder den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU unterhalb dieser Schwelle nicht genügen. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass eine Abschiebung in einen Staat, in dem die Lebensbedingungen für subsidiär Schutzberechtigte einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK gleichkommen, nicht in Betracht kommt (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 [ECLI:EU:C:2017:127], Rn. 59 ff.). Damit ist aber noch nicht gesagt, dass der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, unter diesen Voraussetzungen auch einen Folgeantrag in der Sache prüfen muss.

34

In einer solchen Situation kann ein Antragsteller, der neue Elemente oder Erkenntnisse im Sinne von Art. 40 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU geltend macht, unter Umständen langfristig keine Prüfung der Frage erhalten, ob er die Voraussetzungen der - in den Rechtsfolgen günstigeren - Flüchtlingseigenschaft nunmehr erfüllt. Eine (freiwillige) Rückkehr in den Mitgliedstaat, der ihm subsidiären Schutz gewährt hat und in dem er einen Folgeantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stellen könnte, wäre ihm nicht zuzumuten. Er befände sich damit hinsichtlich der begehrten Höherstufung in der Situation eines "refugee in orbit". Zwar könnte er in Deutschland einen rechtmäßigen Aufenthalt erlangen, weil im Zielstaat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt (vgl. auch § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG, wonach auch in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen ist, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen). Denn nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG "soll" einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Diese Regelung könnte erforderlichenfalls unionsrechtskonform dahin ausgelegt werden, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden muss. Anerkannten Flüchtlingen wird in Deutschland aber eine bessere Rechtsstellung eingeräumt als sie durch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vermittelt wird. Der Inhaber einer solchen Aufenthaltserlaubnis hat nicht zu allen in Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährleisteten Rechten Zugang. Der Senat hält es deshalb für zweifelhaft und klärungsbedürftig, ob Art. 18 GRC i.V.m. Art. 78 AEUV es in einer derartigen Situation gebieten, einen Folgeantrag auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz zu prüfen, soweit der Antragsteller neue Elemente oder Erkenntnisse im Sinne von Art. 40 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU vorbringt. Auch wenn er keine nachträgliche Veränderung der Sachlage geltend macht, stellt sich die Frage, ob eine nochmalige Zuerkennung subsidiären Schutzes in Deutschland unionsrechtlich geboten ist. Selbst wenn man von der unionsrechtlichen Vorgabe ausgeht, dass dem in einem Mitgliedstaat anerkannten subsidiär Schutzberechtigten die mit diesem Status verbundenen Rechte und Vorteile praktisch nicht vorenthalten werden dürfen, erfordert dies bei nicht zumutbarer Rückkehr in diesen Mitgliedstaat nicht zwingend die nochmalige Durchführung eines Asylverfahrens mit dem Ziel der - erneuten - Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat und der daran anknüpfenden Einstandspflicht für die mit einem Schutzstatus verbundenen Rechte und Vorteile. Vielmehr könnte in diesen Fällen der praktischen Wirksamkeit der Schutzgewährung auch dadurch Rechnung getragen werden, dass der Betroffene, solange ihm eine Rückkehr in den Mitgliedstaat, der ihn als subsidiär Schutzberechtigten anerkannt hat, nicht zumutbar ist, im Aufenthaltsmitgliedstaat in dem bei unionskonformer Auslegung der nationalen aufenthalts- und sozialrechtlichen Rechtsvorschriften gebotenen Umfang wie ein subsidiär Schutzberechtigter zu behandeln ist. Dies hätte den Vorzug, dass der Betroffene nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt würde, als er stünde, wenn der Mitgliedstaat, der ihm internationalen Schutz gewährt hat, den damit verbundenen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachkäme. Außerdem würden hierdurch nicht nur Mehrfachanerkennungen, sondern auch divergierende Entscheidungen innerhalb der Union mit allen ihren unionsrechtlich unerwünschten Folgeerscheinungen vermieden.

35

Etwas anderes dürfte allerdings gelten, wenn die Lebensbedingungen im Mitgliedstaat, der subsidiären Schutz gewährt hat, lediglich in einzelnen Punkten den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügen, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen (Vorlagefrage 3b) zweiter Spiegelstrich). Denn auch im Dublin-Verfahren sind nach der - in der Dublin III-VO kodifizierten - Rechtsprechung des Gerichtshofs nur systemische Schwachstellen relevant, "die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen" (vgl. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO). Eine weitere Absenkung dieser Schwelle würde das Gemeinsame Europäische Asylsystem und das ihm zugrunde liegende gegenseitige Vertrauen unterlaufen. Aus diesem Grund hat der Senat auch Bedenken gegen eine (uneingeschränkte) Bejahung der Vorlagefrage 4: Die Regelungen der Anerkennungsrichtlinie über die Ausgestaltung des internationalen Schutzes gewährleisten subsidiär Schutzberechtigten existenzsichernde Leistungen allenfalls in demselben Umfang, wie sie eigene Staatsangehörige erhalten (vgl. Art. 27, 29 Abs. 1 und 2, Art. 30 und 32 Richtlinie 2011/95/EU). Daraus folgt, dass es unionsrechtlich allenfalls dann geboten sein kann, einen Folgeantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegen der im nationalen Recht angeordneten Unzulässigkeit derartiger Anträge zu prüfen, wenn die Lebensbedingungen in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller subsidiären Schutz gewährt hat, Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verletzen (zu den vorstehend bezeichneten Problemen s.a. VGH Mannheim, Beschluss vom 15. März 2017 - A 11 S 2151/16 - Frage 4).

36

bb) Falls Frage 2 zu verneinen ist und die Übergangsregelung in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht entgegensteht, hat der Senat weiter zu prüfen, ob der Vorrang des Dublin-Verfahrens (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) der Ablehnung des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG entgegensteht.

37

(1) Dies setzt zunächst voraus, dass die Dublin-Regelungen Anwendung finden, wenn einem Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt worden ist und er nunmehr einen Folgeantrag mit dem Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stellt. Dabei bedarf vorrangig der Klärung, ob bei der Beantwortung dieser Frage in Fällen wie dem vorliegenden in intertemporaler Hinsicht auf die Dublin III-VO oder noch auf die Dublin II-VO abzustellen ist. Auf die Klärung dieser Fragen zielt die Vorlagefrage 5a).

38

Nach der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO ist die Dublin III-VO auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Darüber hinaus gilt sie ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor dem 1. Januar 2014 eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO. Hier wurde der Asylantrag im November 2013 - also vor dem Stichtag 1. Januar 2014 - eingereicht. Das an Bulgarien gerichtete Wiederaufnahmeersuchen wurde hingegen erst am 22. Januar 2014 gestellt. In diesem Übergangsfall stellt sich die Frage, inwieweit bei der Zuständigkeitsbestimmung noch die Dublin II-VO oder schon die Dublin III-VO Anwendung findet. Nach Auffassung des Senats richtet sich jedenfalls die Beurteilung des Wiederaufnahmegesuchs nach den Regelungen der Dublin III-VO (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 27). Der Senat neigt zu der Annahme, dass dies auch einen daran anknüpfenden Zuständigkeitsübergang - zum Beispiel durch Ablauf der Antrags- oder Überstellungsfrist - einschließt. Lediglich die Bestimmung des originär zuständigen Mitgliedstaats erfolgt weiterhin nach den Bestimmungen der Dublin II-VO (vgl. etwa VG Aachen, Beschluss vom 21. März 2014 - 4 L 53/14.A - juris Rn. 17; a.A. Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AsylG § 34a Rn. 8; VG Stuttgart, Urteil vom 28. Februar 2014 - A 12 K 383/14 - juris Rn. 13).

39

Dies zugrundegelegt könnte für die Frage, ob die Dublin-Regelungen in sachlicher Hinsicht noch Anwendung finden, wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat subsidiären Schutz erhalten hat, hier bereits auf die Dublin III-VO abzustellen sein, weil es um die Möglichkeit einer Überstellung geht, die im Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmeverfahren steht.

40

Sollte die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats allein anhand der Dublin II-VO zu beantworten sein, bestünde kein Zweifel, dass eine Dublin-Überstellung nach Zuerkennung subsidiären Schutzes weiterhin in Betracht kommt (vgl. Hruschka/Maiani, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D VI Art. 3 Rn. 3). Denn der Antrag auf internationalen Schutz nach dieser Verordnung bezog sich nach ihrem Art. 2 Buchst. c nur auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ohne den subsidiären Schutz einzubeziehen. Nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO ist der zuständige Mitgliedstaat gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen. Ein solcher Fall der Antragsablehnung liegt vor, wenn der Antragsteller im zuständigen Mitgliedstaat nur subsidiären Schutz bekommen hat.

41

Ist dagegen die Dublin III-VO insoweit maßgeblich, hat der Senat Zweifel, ob eine Dublin-Überstellung nach Gewährung internationalen Schutzes, der nunmehr auch den subsidiären Schutz umfasst (vgl. Art. 2 Buchst. b und f Dublin III-VO i.V.m. Art. 2 Buchst. b und h Richtlinie 2011/95/EU), noch in Betracht kommt. Diese Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach einer Auffassung ist auf einen Folgeantrag, mit dem ein subsidiär Schutzberechtigter die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, weiterhin die Dublin III-VO anwendbar. Der Antrag auf internationalen Schutz umfasse nicht nur den subsidiären Schutz, sondern darüber hinaus auch die mit weiteren Rechten verbundene Anerkennung als Flüchtling. Die Verpflichtung aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO, einen Antragsteller, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen, erfasse auch diese Personengruppe. Denn mit der Zuerkennung (nur) des subsidiären Schutzes sei gleichzeitig eine Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung verbunden (OVG Münster, Urteil vom 22. September 2016 - 13 A 2448/15.A - juris Rn. 51 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. November 2016 - OVG 3 B 2.16 - juris Rn. 21 ff.; Bergmann, ZAR 2015, 81 <83>).

42

Die Gegenauffassung (Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Februar 2017, § 27a Rn. 34; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2016, § 29 AsylG Rn. 132 f.; Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Artikel 2 K22; Hruschka/Maiani, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D VI Art. 3 Rn. 3) verweist auf die Legaldefinitionen in Art. 2 Buchst. c und f Dublin III-VO, die zwischen dem "Antragsteller" und dem "Begünstigten internationalen Schutzes" unterscheiden. Für den Fall eines positiven Abschlusses des Asylverfahrens sei in der Dublin III-VO keine dem Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO entsprechende Wiederaufnahmeverpflichtung normiert. Für die Auffassung, dass die Anwendbarkeit der Dublin III-VO mit der Gewährung jeglicher Form von internationalem Schutz endet, dürfte aber vor allem sprechen, dass nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU nunmehr "zusätzlich zu den Fällen, in denen ein Antrag nicht geprüft wird", Anträge auf internationalen Schutz - auch - dann als unzulässig betrachtet werden dürfen, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat - nur - subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist. Der hiermit bezweckte Vereinfachungseffekt würde kaum erzielt, wenn das Gebrauchmachen von dieser Option eine zuvor zu bestimmende Zuständigkeit nach der Dublin III-VO voraussetzen würde (siehe dazu auch Vorlagefrage 2).

43

(2) Für den Fall, dass die Dublin-Regelungen weiterhin Anwendung finden, stellt sich die weitere Frage, ob die Zuständigkeit Bulgariens für die Prüfung des Antrags noch fortbesteht oder ob die Zuständigkeit auf Deutschland übergegangen ist, nachdem Bulgarien die fristgerecht beantragte Wiederaufnahme des Klägers nach den Dublin-Bestimmungen abgelehnt und Deutschland dies akzeptiert hat (Vorlagefrage 5b).

44

Originär zuständig für die Prüfung des Schutzantrags ist Bulgarien, weil der Kläger über diesen Mitgliedstaat zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach April 2012 illegal in die EU eingereist ist (Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO). Die Zuständigkeit Bulgariens ist nicht gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts wieder entfallen, weil der Kläger innerhalb dieser Frist in Bulgarien seinen ersten Asylantrag gestellt hat (siehe Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO). Auf die vom Oberverwaltungsgericht offengelassene Frage, ob einer Zuständigkeit Bulgariens systemische Mängel des dortigen Asylverfahrens entgegenstehen, käme es nicht an, wenn eine Zuständigkeit Bulgariens jedenfalls im weiteren Verlauf auf Deutschland übergegangen wäre. Der Senat neigt dazu, dies zu bejahen.

45

Ein Zuständigkeitsübergang ergibt sich hier allerdings weder aus einer verspäteten Stellung des Wiederaufnahmegesuchs noch aus einem Ablauf der Überstellungsfrist. Dies richtet sich im vorliegenden Verfahren gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO bereits nach der Dublin III-VO. Deutschland hat rechtzeitig innerhalb der Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO ein Wiederaufnahmeersuchen an die bulgarischen Behörden gerichtet. Da Bulgarien eine Dublin-Überstellung abgelehnt und stattdessen auf ein zwischenstaatliches Rückübernahmeabkommen verwiesen hat, konnte eine Überstellungsfrist nicht an- und damit auch nicht ablaufen. Denn die Überstellungsfrist knüpft sowohl nach der Dublin III-VO als auch nach der Dublin II-VO an die Annahme eines (Wieder-)Aufnahmeersuchens durch den ersuchten Mitgliedstaat an.

46

Jedoch hat das Bundesamt die ablehnende Entscheidung Bulgariens akzeptiert. Es hat weder von dem in Art. 37 Dublin III-VO fakultativ vorgesehenen Schlichtungsverfahren noch von der in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist - EG-AsylZust-DVO - (ABl. L 222 S. 3) eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vom ersuchten Mitgliedstaat eine neuerliche Prüfung des Gesuchs zu verlangen. In der Literatur wird angenommen, dass die endgültige Ablehnung eines Wiederaufnahmeersuchens durch den ersuchten Mitgliedstaat zu einer Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaats führt (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Artikel 25 K1 i.V.m. Artikel 22 K6; Hruschka/Maiani, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D VI, Art. 22 Rn. 2 zu Art. 5 EG-AsylZust-DVO; a.A. OVG Münster, Urteil vom 22. September 2016 - 13 A 2448/15.A - juris Rn. 59 ff.). Dies leuchtet in Fällen, in denen keine Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines weiteren Mitgliedstaats bestehen, schon aus praktischen Gründen ein, weil eine Dublin-Überstellung in einem solchen Fall auf absehbare Zeit unmöglich ist und der Antragsteller nur in dem ersuchenden Mitgliedstaat eine schnelle Entscheidung über seinen Antrag erreichen kann. Es wäre zudem schwer verständlich, dass Art. 5 EG-AsylZust-DVO die Möglichkeit der Remonstration an eine Frist knüpft, wenn mit deren Ablauf nicht von der Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaats auszugehen wäre. Da ein derartiger Zuständigkeitsübergang jedoch in der Dublin III-VO (und auch bereits in der Dublin II-VO) nicht ausdrücklich geregelt ist, hält der Senat dies für eine unionsrechtliche Zweifelsfrage, die abschließend vom Gerichtshof zu klären ist.

47

3. Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof, über die Vorlagefragen im beschleunigten Verfahren gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu entscheiden, weil die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert. Die vorgelegten Fragen stehen im Zusammenhang mit der - unionsrechtlich unerwünschten - Sekundärmigration von Asylsuchenden, zu deren bevorzugten Zielen Deutschland seit geraumer Zeit gehört. Es ist davon auszugehen, dass beim Bundesamt und den Verwaltungsgerichten derzeit mehrere tausend Verfahren zu bearbeiten sind, in denen sich die aufgeworfenen Fragen (zumindest teilweise) stellen, und die aufgrund des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens nicht abschließend entschieden werden können. Die Übergangsproblematik, die hier im Vordergrund steht, ist weiterhin in einer Vielzahl von noch nicht abgeschlossenen Fällen von Bedeutung. In zunehmender Zahl erreichen Fälle die Gerichte, in denen Antragsteller bereits Begünstigte internationalen Schutzes in einem EU-Mitgliedstaat sind und nun in Deutschland einen erneuten Antrag stellen. Es bedarf der raschen Klärung, ob diese auch dann in Anwendung einer Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzenden nationalen Rechtsvorschrift abgelehnt werden können, wenn in dem Mitgliedstaat, der Schutz gewährt hat, systemische Mängel im Asylverfahren oder unzumutbare Lebensbedingungen für Schutzberechtigte bestehen. Sollte diese Klärung in dem vorliegenden Verfahren und den beiden weiteren vom Senat vorgelegten Verfahren nicht erfolgen können, ist mit weiteren Vorlagen an den Gerichtshof zu rechnen.

48

Für die hier vorgelegte besondere Fallgruppe der Folgeanträge mit dem Ziel der "Aufstockung" des gewährten subsidiären Schutzes besteht darüber hinaus auch bezogen auf den einzelnen Fall ein vergleichbares Beschleunigungsinteresse wie in Dublin-Verfahren (vgl. EuGH, Beschluss vom 15. Februar 2017 - C 670/16 [ECLI:EU:C:2017:120], Mengesteab). Das Dublin-System zielt darauf, eine schnelle Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu ermöglichen, um einen effektiven Zugang zu den Verfahren auf Zuerkennung eines internationalen Schutzes zu garantieren und das Ziel der Beschleunigung bei der Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz nicht zu unterlaufen (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 - Rn. 57). Selbst wenn in Situationen wie der vorliegenden die Dublin-Zuständigkeitsregeln nicht mehr anwendbar sein sollten, hat der Kläger ein vergleichbares Interesse daran, rasch zu erfahren, ob er bei nachträglichen Änderungen der Sachlage eine Prüfung seines Folgeantrags in Deutschland oder nur in Bulgarien erreichen kann. Hierauf wartet er nunmehr bereits seit mehr als drei Jahren.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der ersucht wird, die Rechtssache gemäß Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs dem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, zu folgenden Fragen eingeholt:

1. Ist ein Mitgliedstaat (hier: Deutschland) unionsrechtlich gehindert, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Italien) in Umsetzung der Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. der Vorgängerregelung in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG als unzulässig abzulehnen, wenn die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge, in dem anderen Mitgliedstaat, der dem Antragsteller bereits internationalen Schutz gewährt hat (hier. Italien), den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügt, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen?

2. Falls Frage 1 zu bejahen ist: Gilt dies auch dann, wenn anerkannten Flüchtlingen im Mitgliedstaat der Flüchtlingsanerkennung (hier: Italien)

a) keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen gewährt werden, sie insoweit aber nicht anders behandelt werden als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates?

b) zwar die Rechte nach Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährt werden, sie aber faktisch erschwerten Zugang zu den damit verbundenen Leistungen haben oder solchen Leistungen familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke haben, die staatliche Leistungen ersetzen oder ergänzen?

3. Steht Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2013/32/EU bzw. die Vorgängerregelung in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/85/EG der Anwendung einer nationalen Bestimmung entgegen, wonach eine unterbliebene persönliche Anhörung des Antragstellers bei einer von der Asylbehörde in Umsetzung der Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. der Vorgängerregelung in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG ergangenen Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nicht zur Aufhebung dieser Entscheidung wegen fehlender Anhörung führt, wenn der Antragsteller im Rechtsbehelfsverfahren Gelegenheit hat, alle gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung sprechenden Umstände vorzubringen und auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens in der Sache keine andere Entscheidung ergehen kann?

Gründe

I

1

Der Kläger, nach eigenen Angaben Staatsangehöriger Eritreas, wendet sich gegen die Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), dass ihm aufgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht.

2

Der Kläger hielt sich bis September 2011 in Italien auf, wo er einen anderen Namen und ein anderes Geburtsdatum angegeben hatte und als äthiopischer Staatsangehöriger geführt wurde. Dort wurde er als Flüchtling anerkannt und erhielt eine bis zum 5. Februar 2015 gültige Aufenthaltserlaubnis sowie einen ebenfalls bis zum 5. Februar 2015 gültigen Reiseausweis.

3

Im September 2011 reiste er nach Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Da seine Fingerkuppen Veränderungen aufwiesen, konnte eine erkennungsdienstliche Behandlung nicht sogleich vorgenommen werden. Dazu angehört, gab er am 1. Dezember 2011 unter anderem an, noch nicht in einem anderen europäischen Land gewesen zu sein. Aufgrund von Fingerabdrücken, die ihm im Juni 2012 abgenommen wurden, stellte sich heraus, dass er schon in Italien um Schutzgewährung nachgesucht hatte. Auf die Bitte, das Asylverfahren zu übernehmen, teilte das italienische Innenministerium unter dem 8. Januar 2013 mit, der Kläger habe in Italien den Flüchtlingsstatus erhalten. Weil sein Asylverfahren damit abgeschlossen sei, komme eine Rückübernahme nach Dublin-Regeln nicht in Betracht; möglich sei sie aber nach dem Rückübernahmeabkommen. Unter dem 26. Februar 2013 teilte das italienische Innenministerium dem Bundespolizeipräsidium mit, dass dem Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers entsprochen wurde, da er als Flüchtling anerkannt worden sei und daher seine Rückkehr nach Italien genehmigt werde.

4

Mit Bescheid vom 18. Februar 2013 stellte das Bundesamt fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht (Ziffer 1), und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2).

5

Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. April 2013 ab. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. Mai 2016 die Abschiebungsanordnung nach Italien aufgehoben, die Berufung im Übrigen aber zurückgewiesen. Die Feststellung, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, sei rechtmäßig, weil der Kläger aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nach Deutschland eingereist sei (§ 26a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG). Italien sei ein sicherer Drittstaat. Dort drohe dem Kläger keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK. In Italien seien Ausländer, die dort als Flüchtlinge anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt, d.h. es werde grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Dies sei nicht menschenrechtswidrig. Italien habe die EU-Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt. Es sei deshalb davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in Italien in den Genuss der in den Art. 20 bis 35 dieser Richtlinie genannten Rechte kommen. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien sei jedoch rechtswidrig, weil nicht feststehe, ob die Übernahmebereitschaft Italiens fortbestehe, nachdem mittlerweile die Gültigkeit des dem Kläger ausgestellten Reiseausweises (5. Februar 2015) abgelaufen sei.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt zunächst, das Bundesamt habe nicht von einer persönlichen Anhörung des Klägers absehen dürfen. Im Übrigen könne sich das Bundesamt nicht auf die Drittstaatenregelung stützen, wenn der Kläger in einem anderen Mitgliedstaat der EU als Flüchtling anerkannt worden sei. Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 25 Abs. 2a der Richtlinie 2005/85/EG sei nicht getroffen worden.

7

Die Beklagte meint, der Asylantrag sei nunmehr jedenfalls nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig. Die Pflicht zur Anhörung des Klägers sei nicht verletzt. Nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2005/85/EG hindere das Fehlen einer Anhörung die Asylbehörde nicht daran, über den Asylantrag zu entscheiden.

II

8

Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326 S. 13 - Richtlinie 2005/85/EG), die in der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung, ABl. L 180 S. 60 - Richtlinie 2013/32/EU) ihren Anschluss gefunden hat, sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.

9

1. Die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides vom 18. Februar 2013 gerichteten Anfechtungsklage richtet sich im nationalen Recht nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 10. November 2016 in Kraft getretene Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (StrÄndG 50) vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte. Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen. Dazu gehört auch die durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) mit Wirkung vom 6. August 2016 geschaffene Neufassung des § 29 AsylG.

10

Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:

11

Art. 16a GG

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. (...)

(...)

12

§ 24 AsylG

(1) Das Bundesamt klärt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Nach der Asylantragstellung unterrichtet das Bundesamt den Ausländer in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens und über seine Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere auch über Fristen und die Folgen einer Fristversäumung. Es hat den Ausländer persönlich anzuhören. Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn das Bundesamt den Ausländer als asylberechtigt anerkennen will oder wenn der Ausländer nach seinen Angaben aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) eingereist ist. (...)

(...)

13

§ 26a AsylG

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1. (...)

2. die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder

3. (...)

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

14

§ 29 AsylG

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1. ein anderer Staat

a) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) oder

b) auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages

für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,

2. ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,

3. ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,

(...)

15

§ 34a AsylG

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. (...) Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) (...)

16

§ 35 AsylG

In den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

17

§ 37 AsylG

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 des Antrags und die Abschiebungsandrohung werden unwirksam, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung entspricht. Das Bundesamt hat das Asylverfahren fortzuführen.

(...)

18

§ 77 AsylG

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. (...)

19

§ 25 AufenthG

(...)

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. (...)

(...)

20

§ 60 AufenthG

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(...)

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

21

§ 86 VwGO

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(...)

22

§ 46 VwVfG

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

23

Art. 2 des Europäischen Übereinkommens über den Umgang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980 (BGBl. 1994 II S. 2646)

(1) Die Verantwortung gilt nach Ablauf von zwei Jahren des tatsächlichen und dauernden Aufenthalts im Zweitstaat mit Zustimmung von dessen Behörden oder zu einem früheren Zeitpunkt als übergangen, wenn der Zweitstaat dem Flüchtling gestattet hat, entweder dauernd oder länger als für die Gültigkeitsdauer des Reiseausweises in seinem Hoheitsgebiet zu bleiben.

24

Diese Zweijahresfrist beginnt mit der Aufnahme des Flüchtlings im Hoheitsgebiet des Zweitstaats oder, lässt ich dieser Zeitpunkt nicht feststellen, mit dem Tag, an dem er sich bei den Behörden des Zweitstaats meldet.

25

2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.

26

a) Das Bundesamt durfte die Prüfung des Asylantrags nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Kläger aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist. Diese auf § 26a AsylG gestützte Entscheidung ist an der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) zu messen. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor, weil sicherer Drittstaat in diesem Sinne bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nur ein Staat sein kann, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist. Dies hält der Senat für einen "acte clair", wie er näher in seinen Vorlagebeschlüssen vom 23. März 2017 (u.a. BVerwG 1 C 17.16 - juris Rn. 12 ff.) ausgeführt hat.

27

b) Die Vorlagefragen stellen sich im Rahmen der vom Senat zu prüfenden Frage, ob die vom Bundesamt getroffene Drittstaatenentscheidung in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden kann. In Betracht kommt eine Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 AsylG gewährt hat. Für Asylanträge von Ausländern, denen in einem anderen Mitgliedstaat - wie hier - die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, ergab sich deren Unzulässigkeit bis zum Inkrafttreten des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im August 2016 aus § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 29). Eine Ermächtigung zum Erlass einer solchen nationalen Vorschrift enthielt bereits Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85/EG. Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU hat diese Möglichkeit inzwischen auf jede Form der Gewährung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat erweitert. Damit kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen, welche Fassung der Asylverfahrensrichtlinie hier maßgeblich ist (vgl. hierzu Vorlagebeschlüsse des vorlegenden Gerichts vom 23. März 2017 - BVerwG 1 C 17.16 u.a.).

28

aa) Die Prüfung der Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat sich hier nicht dadurch erledigt, dass die Entscheidung des Bundesamts infolge der Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz durch das Verwaltungsgericht nach § 37 Abs. 1 AsylG unwirksam geworden ist. Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hier gegen einen auf die Drittstaatenregelung des § 26a AsylG gestützten Bescheid und die darin ergangene Abschiebungsanordnung ergangen ist, während sich die Unwirksamkeitsregelung des § 37 Abs. 1 AsylG nur auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG bezieht, aber nicht auf Drittstaatenbescheide nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG. Daher brauchte nicht entschieden zu werden, ob es sich bei der Verweisung des § 37 Abs. 1 AsylG auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG um ein Redaktionsversehen handelt.

29

bb) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen vor. Italien ist ein Mitgliedstaat der EU. Dem Kläger wurde dort nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zuerkannt und damit internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt.

30

cc) Im vorliegenden Fall bedarf es keiner Klärung durch den Gerichtshof, wie zu verfahren ist, wenn die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge in dem Mitgliedstaat, der dem Drittstaatsangehörigen Flüchtlingsschutz gewährt hat, gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verstößt (vgl. hierzu Vorlagefrage 3b) Alt. 1 des Vorlagebeschlusses vom 23. März 2017 - BVerwG 1 C 17.16 - juris). Denn das Berufungsgericht ist aufgrund seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung, die für das Revisionsgericht bindend ist, zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Bedingungen in Italien nicht gegen Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK verstoßen. Der Kläger hat diese Feststellungen mit der Revision auch nicht angegriffen.

31

dd) Klärungsbedürftig ist jedoch, ob es der Ablehnung des Asylantrags eines bereits als Flüchtling anerkannten Ausländers als unzulässig entgegensteht, wenn die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge, in dem Mitgliedstaat der Flüchtlingsanerkennung (hier: Italien) den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügt, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen. Diese Frage hat das Berufungsgericht zwar insofern verneint, als es die rechtswirksame Umsetzung der Regelungen der Art. 20 bis 35 Richtlinie 2011/95/EU festgestellt hat. Es hat aber keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, inwieweit anerkannte Flüchtlinge faktisch erschwerten Zugang zu den durch die Rechte nach Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU vermittelten Leistungen haben und ob sie Zugang zu den Leistungen familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke haben, die staatliche Leistungen ersetzen oder ergänzen. Diese Frage ist entscheidungserheblich, denn im Fall der Bejahung eines rechtlichen Hindernisses für eine Unzulässigkeitsentscheidung in diesem Fall wäre das Verfahren an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung hierzu zurückzuverweisen, im Fall der Verneinung wäre die Revision des Klägers hingegen zurückzuweisen. Die Frage ist klärungsbedürftig, weil in der nationalen Rechtsprechung divergierende Ansichten vertreten werden und der Gerichtshof sie noch nicht entschieden hat.

32

Vorlagefrage 1

Mit der Frage 1 möchte das vorlegende Gericht eine Klärung herbeiführen, ob ein anerkannter Flüchtling Anspruch auf ein weiteres Anerkennungsverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat, wenn die Lebensbedingungen für Flüchtlinge dort zwar nicht gegen Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK verstoßen, es jedoch unterhalb dieser Schwelle tatsächliche Probleme beim Zugang zu den Leistungen gibt, die Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU vermitteln. Das vorlegende Gericht neigt aus zwei Gründen dazu, einen solchen Anspruch zu verneinen.

33

Zum einen würde eine Absenkung der durch Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK gezogenen Schwelle das Gemeinsame Europäische Asylsystem und das ihm zugrunde liegende gegenseitige Vertrauen unterlaufen. Es würde die schon in erheblichem Umfang stattfindende Sekundärmigration von Schutzberechtigten und das sogenannte "asylum shopping" fördern, deren Verhinderung eines der Ziele des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist. Die Regelungen der Anerkennungsrichtlinie über die Ausgestaltung des internationalen Schutzes gewährleisten Flüchtlingen existenzsichernde Leistungen allenfalls in demselben Umfang, wie sie eigene Staatsangehörige erhalten (vgl. Art. 27, 29 Abs. 1 und Art. 30 Richtlinie 2011/95/EU). Daher erhalten Flüchtlinge in Italien - anders als in Deutschland - keine staatliche Sozialhilfe, weil der italienische Staat entsprechende Leistungen auch seinen eigenen Staatsbürgern nicht gewährt. Auch ist das Niveau staatlicher Leistungen sowie das Angebot an Integrationsmaßnahmen (Art. 34 Richtlinie 2011/95/EU) in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Der Unionsgesetzgeber hat insoweit auf eine Vereinheitlichung - auch für anerkannte Flüchtlinge - verzichtet. Daraus folgt, dass es unionsrechtlich allenfalls dann geboten sein kann, einen Antrag auf nochmalige Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat entgegen der dort im nationalen Recht angeordneten Unzulässigkeit derartiger Anträge zu prüfen, wenn die Lebensbedingungen in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verletzen (zu den vorstehend bezeichneten Problemen s.a. VGH Mannheim, Beschluss vom 15. März 2017 - A 11 S 2151/16 - Asylmagazin 2017, 23b Frage 3).

34

Zum anderen ergibt sich selbst im Fall der Bejahung eines über Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK hinausgehenden Schutzbedarfs nicht die Notwendigkeit eines weiteren Asylverfahrens. Eine Alternative hierzu bietet eine aufenthaltsrechtliche Lösung, die den in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten Flüchtlingen die Rechte nach Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU in Deutschland oder jedenfalls eine gesicherte Rechtsstellung ohne Durchführung eines erneuten Anerkennungsverfahrens einräumt, solange ihm ein Aufenthalt in diesem anderen Mitgliedstaat nicht zumutbar ist. In § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG hat der deutsche Gesetzgeber von der nach Völker- und Unionsrecht möglichen, wenn auch nicht gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen. Danach gilt das gesetzliche Abschiebungsverbot in den Verfolgerstaat nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch für ausländische Flüchtlingsanerkennungen (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 29). Besteht für den Ausländer im Staat seiner Flüchtlingsanerkennung (ausnahmsweise) die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK, darf er auch in diesen Staat nicht abgeschoben werden (§ 60 Abs. 5 AufenthG). Besteht ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG, "soll" dem Ausländer nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG von der Ausländerbehörde eine (humanitäre) Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ihm auch die Ausreise in einen anderen Staat nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Auf diese Weise kann ein Betroffener auch ohne ein weiteres Asylverfahren einen legalen Aufenthalt in Deutschland erlangen und in den Genuss der damit verbundenen Integrationsrechte kommen. Der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hat zwar nicht automatisch zu allen einem anerkannten Flüchtling in Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährten Rechten Zugang. Auf einen in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten Flüchtling findet aber Art. 2 des - von Deutschland ratifizierten - Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980 Anwendung. Danach geht die Verantwortung für einen Flüchtling spätestens nach Ablauf von zwei Jahren des "tatsächlichen und dauernden Aufenthalts" im Bundesgebiet auf Deutschland über. Damit kann ein in einem anderen Mitgliedstaat anerkannter Flüchtling auch ohne Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in Deutschland in den vollen Genuss der mit der Flüchtlingsanerkennung verbundenen Rechte kommen.

35

Selbst wenn man von der unionsrechtlichen Vorgabe ausgeht, dass dem in einem Mitgliedstaat anerkannten Flüchtling die mit diesem Status verbundenen Rechte und Vorteile auch nicht vorübergehend vorenthalten werden dürfen, bedarf es bei nicht zumutbarer Rückkehr in den anderen Mitgliedstaat nicht zwingend der Durchführung eines erneuten Asylverfahrens, sondern könnte dieser Vorgabe wirksam auch dadurch Rechnung getragen werden, dass der Betroffene, solange ihm eine Rückkehr in den Mitgliedstaat, der ihn als Flüchtling anerkannt hat, nicht zumutbar ist, im Aufenthaltsmitgliedstaat in unionskonformer Auslegung der nationalen aufenthalts- und sozialrechtlichen Rechtsvorschriften wie ein dort anerkannter Flüchtling zu behandeln ist. Dies hätte gegenüber der Durchführung eines erneuten Anerkennungsverfahrens den Vorzug, dass der Betroffene im Ergebnis nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt würde, als er stünde, wenn der Mitgliedstaat, der ihm internationalen Schutz gewährt hat, den damit verbundenen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachkäme. Außerdem würde berücksichtigt, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem auf dem Grundsatz beruht, dass die Prüfung eines Asylantrags nur durch einen einzigen Mitgliedstaat erfolgt (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO). Dies soll nicht nur Mehrfachanerkennungen, sondern auch - bei nochmaliger Durchführung eines Asylverfahrens nicht auszuschließende - divergierende Entscheidungen innerhalb der Union mit allen ihren unionsrechtlich unerwünschten Folgeerscheinungen vermeiden.

36

Vorlagefrage 2

Mit der in zwei Varianten aufgegliederten Frage 2 möchte das vorlegende Gericht weitere Klärung für den Fall der Bejahung von Frage 1 herbeiführen. Dabei dient die Unterfrage a der Klärung, ob der Unzulässigkeit eines erneuten Asylverfahrens auch der Umstand entgegengehalten werden kann, dass anerkannten Flüchtlingen im Mitgliedstaat der Flüchtlingsanerkennung (hier: Italien) keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen gewährt werden, sie insoweit aber nicht anders behandelt werden als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Hierdurch soll geklärt werden, ob anerkannte Flüchtlinge einen Anspruch auf einen über eine formalrechtliche Gleichbehandlung mit den eigenen Staatsangehörigen hinausgehenden Mindeststandard haben.

37

Mit der Unterfrage b soll geklärt werden, ob der Unzulässigkeit eines erneuten Asylverfahrens auch der Umstand entgegengehalten werden kann, dass anerkannten Flüchtlingen im Mitgliedstaat der Flüchtlingsanerkennung (hier: Italien) zwar die Rechte nach Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährt werden, sie aber faktisch erschwerten Zugang zu den damit verbundenen Leistungen haben oder zu solchen Leistungen familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke, die staatliche Leistungen ersetzen oder ergänzen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass aufgrund der Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU in Italien grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass anerkannte Flüchtlinge dort in den Genuss der in den Art. 20 bis 35 dieser Richtlinie genannten Rechte kommen. Es hat diese auf die Rechtslage abstellende Bewertung durch Tatsachenerkenntnisse des Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und weiterer Nichtregierungsorganisationen untermauert. Auf dieser Grundlage gelangt es zu dem Ergebnis, dass Flüchtlinge in gleichem Umfang einen begrenzten, aber Art. 3 EMRK nicht verletzenden Zugang zu öffentlichen Fürsorgeleistungen und privaten Unterstützungsleistungen haben wie Italiener. Die gleiche Feststellung trifft das Berufungsgericht für den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Was die Versorgung anerkannter Flüchtlinge mit Wohnraum anbelangt, stehen nach den Erkenntnissen des Berufungsgerichts in Italien landesweit ausreichend öffentliche oder caritative Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung (bei teilweiser lokaler Überbelegung). Zugleich räumt es ein, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt schwierig sei. Viele Flüchtlinge, insbesondere junge Männer, die mit gleichaltrigen italienischen Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt konkurrierten, fänden häufig nur als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft eine Beschäftigung. In seiner Gesamtwürdigung kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass anerkannte Flüchtlinge in Italien jedenfalls ihre Grundbedürfnisse decken können. Gelinge dies nicht sogleich oder vollständig, könnten sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten. Aus den Feststellungen des Gerichts ergeben sich allerdings auch Hinweise auf tatsächliche Probleme bei der Wahrnehmung der durch Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährten Rechte, etwa beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Zum anderen wurde - vom Rechtsstandpunkt des Gerichts konsequent - nicht näher untersucht, in welchem Umfang Flüchtlinge erschwerten Zugang zu Leistungen familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke haben, die staatliche Leistungen ersetzen oder ergänzen. Entsprechendes gilt für die Frage des Angebots von Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Richtlinie 2011/95/EU. Es bedarf daher der Klärung durch den Gerichtshof, ob es hierauf für die Frage der Eröffnung eines erneuten Asylverfahrens ankommt.

38

ee) Klärungsbedürftig ist weiter, welche Folgen die fehlende Anhörung des Ausländers zur beabsichtigten Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts hat, die Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/85/EG vorschreibt, wenn er im Rechtsbehelfsverfahren Gelegenheit hat, alle gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung sprechenden Umstände vorzubringen und auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens aus Rechtsgründen keine andere Entscheidung in der Sache ergehen kann. Dieser Klärung dient die dem Gerichtshof unterbreitete Vorlagefrage 3.

39

Im vorliegenden Verfahren stellte der Kläger im September 2011 in Deutschland einen Asylantrag. In der von ihm unterschriebenen Niederschrift zum Asylantrag machte er Angaben zu seinen Personalien und bezeichnete den Antrag als Asylerstantrag. Aufgrund von Veränderungen seiner Fingerkuppen erbrachten Eurodac-Anfragen zunächst keine Treffermeldung. Allerdings verneinte der Kläger bei einer Vorsprache beim Bundesamt am 1. Dezember 2011 ausdrücklich die Frage, schon einmal in einem anderen europäischen Land gewesen zu sein. Er gab an, in Eritrea als Soldat gearbeitet zu haben. Aufgrund von Fingerabdrücken, die ihm im Juni 2012 abgenommen wurden, ergab sich, dass er im Jahr 2009 bereits in Italien Asyl beantragt hatte. Aus Mitteilungen des italienischen Innenministeriums vom Januar 2013 und Februar 2013 ergab sich weiter, dass dem Kläger in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war, wenn auch unter einem anderen Namen und Geburtsdatum, und ihm eine Aufenthaltserlaubnis mit Gültigkeit bis zum 5. Februar 2015 ausgestellt worden war. Das Bundesamt erließ am 18. Februar 2013 die hier angefochtene Verfügung, ohne den Kläger zuvor zu den vom italienischen Innenministerium mitgeteilten Tatsachen und der beabsichtigten Ablehnung seines Asylantrags anzuhören.

40

Das vom Bundesamt gewählte Verfahren verstieß gegen das bereits damals geltende deutsche Asylverfahrensrecht. Nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG ist das Bundesamt zu einer Anhörung des Ausländers gemäß § 25 AsylG verpflichtet (vgl. heute ergänzend § 29 Abs. 2 AsylG). Eine solche ist nicht erfolgt, der Kläger ist weder zu seinen Verfolgungsgründen noch zu seinem Aufenthalt in Italien und der dort erfolgten Flüchtlingsanerkennung angehört worden. Zwar kann nach § 24 Abs. 1 Satz 4 AsylG von einer Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer "nach seinen Angaben aus einem sicheren Drittstaat (§ 26 a) eingereist ist". Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes sind jedoch nicht erfüllt, denn der Kläger hat derartige Angaben nicht gemacht, das Bundesamt hat seine entsprechenden Erkenntnisse vielmehr über einen Eurodac-Treffer und dem folgende Informationen der italienischen Behörden erlangt.

41

Das vom Bundesamt gewählte Verfahren verstieß auch gegen Unionsrecht, denn Art. 12 Richtlinie 2005/85/EG schreibt eine Anhörung des Asylantragstellers vor. Einer der Ausnahmetatbestände des Art. 12 Abs. 2 Richtlinie 2005/85/EG lag nicht vor. Zwar hat bereits am 22. September 2011 ein Treffen mit dem Kläger stattgefunden, in dem er bei der Ausfüllung des Antrags im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Buchst. b Richtlinie 2005/85/EG unterstützt wurde. Das ausgefüllte Formular nahm auch alle Angaben auf, die in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG aufgeführt werden, allerdings mit Ausnahme der Gründe für seinen Asylantrag. Da Angaben hierzu fehlen, durfte nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b Richtlinie 2005/85/EG nicht von der Anhörung abgesehen werden. Von der Verpflichtung zur Anhörung war das Bundesamt auch nicht aufgrund der Regelung des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2005/85/EG befreit. Nach dieser Vorschrift hindert die Tatsache, dass keine persönliche Anhörung gemäß Art. 12 Richtlinie 2005/85/EG stattgefunden hat, die Asylbehörde nicht daran, über den Asylantrag zu entscheiden. Das vorlegende Gericht versteht die Regelung dahin, dass sie sich nur auf die Fallgestaltungen bezieht, in denen eine Anhörung nach den Bestimmungen der Richtlinie 2005/85/EG unterbleiben durfte (z.B. nach Art. 12 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2005/85/EG). Auch in der Kommentarliteratur wird die Vorschrift so ausgelegt (vgl. Vedsted-Hansen, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Asylum Procedures Directive 2013/32/EU Art. 14 Rn. 8). Derartige Ausnahmen von der Anhörungspflicht liegen hier nicht vor. Nichts anderes gilt bei Anwendung des Art. 14 und des Art. 34 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU.

42

Zu klären ist, ob die Ausnahmeregelungen des Art. 12 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2005/85/EG bzw. des Art. 14 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU abschließend sind oder das Unionsrecht aufgrund der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten weitere im nationalen Recht ausdrücklich geregelte Ausnahmen und Heilungsmöglichkeiten zulässt. Das nationale Recht stuft einen Anhörungsmangel nach § 46 VwVfG als unerheblich ein, wenn offensichtlich ist, dass er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Das ist hier zu bejahen, weil die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG eine gebundene Entscheidung darstellt. In derartigen Fällen kann sich ein Anhörungsmangel im Ergebnis nicht auswirken, weil das Bundesamt und nachfolgend die Verwaltungsgerichte aufgrund der ihnen jeweils obliegenden Amtsermittlungspflicht verpflichtet sind, alle Tatbestandsvoraussetzungen der Norm von Amts wegen aufzuklären. Das gilt auch für eventuelle ungeschriebene Voraussetzungen, wie sie sich u.a. aus der Beantwortung der Vorlagefragen 1 und 2 aus unionsrechtlichen Gründen ergeben könnten (vgl. VG Hamburg, Urteil vom 22. November 2016 - 16 A 5054/14 - juris Rn. 16, VG Lüneburg, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 8 A 170/16 - juris Rn. 23). Allerdings hat es eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts für den Anwendungsbereich der hier nicht maßgeblichen Dublin III-Verordnung als klärungsbedürftige Frage angesehen, ob die Anwendung von § 46 VwVfG dadurch beschränkt wird, dass Art. 5 Abs. 2 Dublin III-Verordnung - ähnlich wie hier Art. 12 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2005/85/EG und Art. 14 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU - Fallgruppen normiert, in denen von einem persönlichen Gespräch (Anhörung) abgesehen werden darf, sofern dies eine spezielle und insoweit abschließende Regelung des Verfahrens darstellt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 - juris Rn. 20).

43

Der Gerichtshof hat sich zwar schon mit Heilungsmöglichkeiten bei Anhörungsmängeln befasst, nicht aber in Bezug auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG oder Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU. So hat er bei einer fehlerhaften Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung einen Verstoß gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU dann bejaht, wenn - gestützt auf § 46 VwVfG - einem Kläger als Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit die Beweislast für das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler und dem Ergebnis der Verwaltungsentscheidung aufgebürdet wird (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683], Europäische Kommission/Bundesrepublik Deutschland - Rn. 62). Eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann verneint werden, wenn das Gericht oder die Stelle im Sinne dieses Artikels - ohne dem Rechtsbehelfsführer in irgendeiner Form die Beweislast für den Kausalzusammenhang aufzubürden - gegebenenfalls anhand der vom Bauherrn oder von den zuständigen Behörden vorgelegten Beweise und, allgemeiner, der gesamten dem Gericht oder der Stelle vorliegenden Akte zu der Feststellung in der Lage ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den vom Rechtsbehelfsführer geltend gemachten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 - Rn. 60).

44

Ausgehend von der vorstehend dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs lässt sich zu dem Anhörungsmangel nach Art. 12 Richtlinie 2005/85/EG/Art. 14 i.V.m. Art. 34 Richtlinie 2013/32/EU ausführen, dass dieser nach nationalem Recht im gerichtlichen Verfahren in vollem Umfang kompensiert wird. Der Kläger hat in seiner Klageschrift umfangreich dargelegt, mit welchen Problemen er in Italien bei der Suche nach einer Wohnung konfrontiert war, für deren Anmietung ihm die finanziellen Mittel gefehlt hätten. Er hat ferner eingehend dargelegt, welche Schwierigkeiten er bei der Arbeitssuche gehabt habe, weshalb er habe betteln oder Essen bei der Caritas holen müssen. Wegen der Perspektivlosigkeit seiner Situation habe er sich entschlossen, nach Deutschland weiterzureisen. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin beschlossen, dass die angeordnete Abschiebung nicht vollzogen werden darf und von Amts wegen Auskünfte des Auswärtigen Amtes und der "Associazione per gli Studi Giuridici sull'Immigrazione" (ASGI) über die Rechte eines anerkannten Flüchtlings in Italien im Hinblick auf Aufenthalt, Freizügigkeit, Zugang zur Arbeit und medizinischer Versorgung ausgewertet. Das erfolgte unter Beachtung von § 86 Abs. 1 VwGO, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen, das Gericht ist jedoch - anders als in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten - an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage aufgrund seiner eigenverantwortlichen Tatsachen- und Beweiswürdigung dann im Ergebnis abgewiesen, weil es auch unter Würdigung des Vorbringens und der individuellen Umstände des Klägers zu dem Ergebnis gelangt ist, dass er als alleinstehender junger Mann nach und nach in Italien werde Fuß fassen können und es ihm auch möglich sei, jedenfalls zu Beginn auf die Hilfe karitativer Einrichtungen zurückzugreifen. Auch das Berufungsgericht hat von Amts wegen unter Auswertung unterschiedlicher Erkenntnisquellen untersucht, ob der Kläger im Fall seiner Abschiebung nach Italien Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Es hat auf den Seiten 20 bis 26 seines Urteils im Einzelnen dargelegt, warum dies aufgrund seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung nicht der Fall ist und sich dabei auf Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und weiterer Nichtregierungsorganisationen gestützt. Auch die individuelle Lage des Klägers, wie sie sich aus den festgestellten Tatsachen und seinem Vorbringen ergibt, wurde dabei gewürdigt. Dem Kläger wurde nicht die Beweislast für das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem von ihm geltend gemachten Anhörungsmangel und dem Ergebnis der Verwaltungsentscheidung aufgebürdet. Vielmehr hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das oben zitierte Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 die Beweislast hierfür der Behörde auferlegt (UA S. 11). Es hat den Kausalzusammenhang bejaht, weil sich dies aus Rechtsgründen ergebe. Zwar ist vorliegend noch nicht abschließend geklärt, ob eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG über die ausländische Flüchtlingsanerkennung hinaus aus unionsrechtlichen Gründen weitere ungeschriebene Voraussetzungen hat und welche dies gegebenenfalls sind (vgl. dazu etwa Vorlagefragen 1 und 2). Soweit dies der Fall sein sollte und das Vorliegen dieser Voraussetzungen vom Senat anhand der vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen - in denen auch das Vorbringen des Klägers im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt ist - nicht feststellbar sein sollte, könnte die Entscheidung des Bundesamts, wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylverfahren durchzuführen, nicht in eine Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG umgedeutet werden. Sie wäre dann wegen materieller Rechtswidrigkeit aufzuheben.

45

Auch im Normalfall, in dem es nicht um eine Umdeutung geht, hat ein Anhörungsmangel im deutschen Verwaltungsprozessrecht bei gebundenen Entscheidungen keine selbstständige Bedeutung. Die Amtsermittlungspflicht der Behörde und die umfassende gerichtliche Überprüfung durch die ebenfalls zur Amtsermittlung verpflichteten Verwaltungsgerichte, die überdies dem Kläger selbst rechtliches Gehör gewähren, führt dazu, dass sich eine derartige Verwaltungsentscheidung am Ende entweder als rechtmäßig oder aber als materiell rechtswidrig erweist, ohne dass dem Verfahrensfehler eigenständige Bedeutung zukommt. Der Gerichtshof wird zu würdigen haben, ob diese umfassende gerichtliche Überprüfung es rechtfertigt, einen Anhörungsmangel nach nationalem Recht für unbeachtlich zu erklären, soweit der Behörde bei ihrer Entscheidung - wie hier - kein Ermessen eröffnet ist.

46

Bei seiner Bewertung der Rechtslage könnte auch eine Rolle spielen, welchen unionsrechtlichen Einschränkungen Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. die Vorgängerregelung in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG unterliegt und wie der Gerichtshof die Vorlagefragen 1 und 2 beantwortet. Denn wenn die Zurückführung eines anerkannten Flüchtlings in den EU-Mitgliedstaat, der ihn anerkannt hat, voraussetzt, dass über das Fehlen von Gründen nach Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK hinaus kein faktisch erschwerter Zugang zu den Rechten nach Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU bestehen darf wie auch zu den damit verbundenen Leistungen einschließlich solcher familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke, erweitert sich der Prüfungsumfang für Behörden und Gerichte. Aus einem derartig erweiterten Prüfungsumfang könnte der Gerichtshof eine erhöhte Bedeutung einer unterlassenen Anhörung ableiten.

47

Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof, bei Beantwortung der Vorlagefrage 3 auch seine Rechtsprechung zu präzisieren, wie er sie in seinem Urteil vom 10. September 2013 zur Auslegung der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG formuliert hat (- C-383/13 PPU [ECLI:EU:C:2013:533] -). In dem entschiedenen Fall ging es um die Verlängerung der Abschiebungshaft eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen, die ohne vorherige Anhörung des Betroffenen erfolgt war. Der Gerichtshof führt dazu aus, dass nach dem Unionsrecht eine Verletzung der Verteidigungsrechte, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nur dann zur Nichtigerklärung der Verwaltungsentscheidung führt, wenn das Verfahren ohne diese Regelwidrigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (Rn. 38). Er betont, dass nicht jeder Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör systematisch zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung im Sinne von Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG führt (Rn. 39). Das präzisiert er dann dahin, dass dem nationalen Gericht zur Feststellung einer solchen Rechtswidrigkeit die Prüfungspflicht obliegt, ob das fragliche Verwaltungsverfahren unter den speziellen tatsächlichen und rechtlichen Umständen des konkreten Falles zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, weil die betroffenen Drittstaatsangehörigen Gesichtspunkte hätten geltend machen können, die geeignet gewesen wären, die Beendigung ihrer Haft zu rechtfertigen (Rn. 40). Übertragen auf den vorliegenden Fall würde dies eine Pflicht der nationalen Gerichte bedeuten zu prüfen, ob das Verwaltungsverfahren aufgrund des Vorbringens des Flüchtlings zu den Lebensbedingungen in Italien zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Das wird man für die allgemeinen Lebensbedingungen verneinen können, weil diese von Amts wegen zu prüfen sind, nicht indes für individuelle Umstände - etwa eine Krankheit des Flüchtlings - die dem Bundesamt ohne Mitteilung durch den Flüchtling in der Regel nicht bekannt sind. Aber auch hier wird der Gerichtshof um Beantwortung der Frage gebeten, ob ein Mangel des behördlichen Anhörungsverfahrens im anschließenden gerichtlichen Verfahren geheilt werden kann, wenn von Amts wegen alle vom Kläger vorgetragenen sowie weitere entscheidungserhebliche Tatsachen aufgeklärt und gewürdigt werden und zu keinem anderen Ergebnis führen.

48

3. Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof, über die Vorlagefragen im beschleunigten Verfahren gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu entscheiden, weil die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert. Die vorgelegten Fragen stehen im Zusammenhang mit der - unionsrechtlich unerwünschten - Sekundärmigration von Asylsuchenden, zu deren bevorzugten Zielen Deutschland seit geraumer Zeit gehört. Es ist davon auszugehen, dass beim Bundesamt und den Verwaltungsgerichten derzeit mehrere tausend Verfahren zu bearbeiten sind, in denen sich die aufgeworfenen Fragen (zumindest teilweise) stellen, und die aufgrund des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens nicht abschließend entschieden werden können.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt, um nach Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichthofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen einzuholen:

1. Ist ein Asylbewerber nur dann flüchtig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) 604/2013, wenn er sich gezielt und bewusst dem Zugriff der für die Durchführung der Überstellung zuständigen nationalen Behörden entzieht, um die Überstellung zu vereiteln bzw. zu erschweren, oder genügt es, wenn er sich über einen längeren Zeitraum nicht mehr in der ihm zugewiesenen Wohnung aufhält und die Behörde nicht über seinen Verbleib informiert ist und deshalb eine geplante Überstellung nicht durchgeführt werden kann?

Kann sich der Betroffene auf die richtige Anwendung der Vorschrift berufen und in einem Verfahren gegen die Überstellungsentscheidung einwenden, die Überstellungsfrist von sechs Monaten sei abgelaufen, weil er nicht flüchtig gewesen sei?

2. Kommt eine Verlängerung der Frist nach Art. 29 Abs. 1 UA 1 VO (EU) 604/2013 allein dadurch zustande, dass der überstellende Mitgliedstaat noch vor Ablauf der Frist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass der Betreffende flüchtig ist, und zugleich eine konkrete Frist benennt, die 18 Monate nicht übersteigen darf, bis zu der die Überstellung durchgeführt werden wird, oder ist eine Verlängerung nur in der Weise möglich, dass die beteiligten Mitgliedstaaten einvernehmlich eine verlängerte Frist festlegen?

3. Ist eine Überstellung des Asylbewerbers in den zuständigen Mitgliedstaat unzulässig, wenn er für den Fall einer Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus dort im Hinblick auf die dann zu erwartenden Lebensumstände einem ernsthaften Risikos ausgesetzt wäre, eine Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren?

Fällt diese Fragestellung noch in den Anwendungsbereich des Unionsrechts?

Nach welchen unionsrechtlichen Maßstäben sind die Lebensverhältnisse des anerkannten international Schutzberechtigten zu beurteilen?

Der Senat beantragt die Anordnung eines Eilvorabentscheidungsverfahrens.

Gründe

 
I.
Der Kläger ist nach seinen Angaben ein am 23. Oktober 1992 geborener Staatsangehöriger Gambias. Er wendet sich gegen seine Überstellung nach Italien zur Durchführung eines Asylverfahrens.
Er stellte am 23. Dezember 2014 einen Asylantrag, nachdem er Gambia am 5. Oktober 2012 verlassen und Italien über den Seeweg erreichte hatte. Von Italien aus reiste er nach Deutschland weiter. Auf Grundlage eines Eurodac-Treffers, wonach er in Italien einen Asylantrag gestellt habe (vgl. Art. 18 Abs. 1 lit. b) VO (EU) 604/2013), ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Italien am 26. Januar 2015 um die Wiederaufnahme des Klägers. Eine Reaktion Italiens auf dieses Ersuchen blieb in der Folgezeit aus.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Nr. 2).
Der Kläger erhob am 4. März 2015 Klage und stellte am 12. März 2015 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, den das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 30. April 2015 als unzulässig ablehnte, weil verspätet gestellt. Auf einen weiteren Eilantrag hin ordnete später das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage mit Beschluss vom 18. Februar 2016 an.
Am 8. Juni 2015 sollte der Kläger nach Italien überstellt werden, was jedoch misslang, da er in seinem Wohnbereich in der Gemeinschaftsunterkunft in Heidelberg nicht angetroffen werden konnte. Nach entsprechenden Nachfragen des Regierungspräsidiums Karlsruhe teilte die "Fachstelle für Wohnungsnotfälle" der Stadt Heidelberg unter dem 16. Juni 2015 dem Regierungspräsidium Karlsruhe mit, der Kläger sei seit längerem nicht in der Gemeinschaftsunterkunft anzutreffen, dieses habe der zuständige Hausmeister bestätigt. In der mündlichen Verhandlung des Senates erklärte der Kläger - erstmals im gesamten gerichtlichen Verfahren - hierzu, dass er Anfang Juni zu einem in Freiberg/Neckar lebenden Freund gereist sei, um ihn zu besuchen. Nach etwa ein bis zwei Wochen habe er einen Anruf von seinem Zimmergenossen aus Heidelberg erhalte, dass die Polizei ihn suche. Er habe sich entschieden, nach Heidelberg zurückzugehen, habe aber kein Geld gehabt, um die Rückfahrt zu bezahlen; er habe sich dieses erst leihen müssen: Etwa nach zwei Wochen sei er wieder in Heidelberg gewesen und sei dort zum Sozialamt der Stadt Heidelberg gegangen und habe gefragt, ob er noch sein Zimmer habe, was bejaht worden sei. Darüber, dass er seine längere Abwesenheit melden müsse, habe ihn niemand belehrt.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterrichtete das italienische Innenministerium mit einem Formblatt am 16. Juni 2015, dass eine Überstellung derzeit nicht möglich sei, weil der Kläger flüchtig sei. Dies sei ihm seit dem 16. Juni 2016 bekannt. Weiter heißt es in dem Formular, dass eine Überstellung bis spätestens zum 10. August 2016 "gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin-VO" erfolgen werde.
Am 3. Februar 2016 sollte der Kläger erneut überstellt werden; die Überstellung scheiterte erneut, weil der Kläger sich weigerte, das Flugzeug zu besteigen.
Durch Urteil vom 6. Juni 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
Auf den Antrag des Klägers ließ der Senat die Berufung zu. Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger nach wie vor die Auffassung, er sei im Juni 2015 nicht flüchtig gewesen, auch habe das Bundesamt die Fristverlängerung nicht, wie geschehen, bewirken können. Die Verfügung sein auch deshalb aufzuheben, weil bislang keine seit 6. August 2016 erforderliche Entscheidung zum Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots erfolgt sei. Eine Überstellung nach Italien sei auch deshalb unzulässig, weil das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen dort systemischen Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO (EU) Nr. 604/2013 aufweise. Schließlich sei die Abschiebungsanordnung im Hinblick auf seine mit Erlaubnis der Ausländerbehörde aufgenommene Ausbildung aufzuheben.
10 
Während des Berufungsverfahrens konnte das Bundesamt in Erfahrung bringen, dass dem Kläger in Italien ein nationaler Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen erteilt worden war, der ein Jahr gültig und am 9. Mai 2015 abgelaufen war.
II.
11 
Der Senat setzt den Rechtsstreit aus, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zu den im Tenor formulierten Fragen einzuholen. Die Fragen betreffen die Auslegung von Unionsrecht, insbesondere Art. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und Art. 29 Abs. 2 VO (EU) 604/2013.
12 
1.Folgende nationale Vorschriften bilden rechtlichen Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits:
13 
§ 60a Aufenthaltsgesetz i.d.F.v. 31.07.2016 (BGBl. I, S. 1939)
Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von Satz 3 ist zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. In den Fällen nach Satz 4 wird die Duldung für die im Ausbildungsvertrag bestimmte Dauer der Berufsausbildung erteilt…
14 
§ 29 Asylgesetz i.d.F.v. 31.07.2016 (BGBl. I, S. 1939)
Unzulässige Anträge
Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
ein anderer Staat
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr.604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) oder
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist…
15 
§ 31 Asylgesetz
Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge
(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird.
16 
§ 34a Asylgesetz
Abschiebungsanordnung
Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig...
17 
Auf die Auslegung der unionsrechtlichen Vorschriften kommt es nach Auffassung des Senats entscheidungserheblich an. Denn zum einen steht die vom Kläger aufgenommene Ausbildung einer Überstellung nicht entgegen, insbesondere konnte der Kläger kein schützenwertes Vertrauen entwickeln, auch in der Zukunft nach einem negativen Ausgang dieses Rechtsstreits weiter in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben zu können. Dem Kläger wird keine Duldung nach § 60 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu erteilen sein, denn mit Erlass der Abschiebungsanordnung waren aufenthaltsbeendende Maßnahmen bereits eingeleitet. Auch die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG scheidet aus, insbesondere kommt mit Rücksicht auf das nicht schutzwürdige Vertrauen in eine Fortsetzung der Ausbildung keine Ermessensreduzierung in Betracht, wie der Kläger meint. Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel, insbesondere dem Bericht von aida "Country Report: Italy" (February 2017) leiden das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen trotz diverser erheblicher Mängel an keinen systemischen Schwachstellen, die gerade den allein stehenden Kläger, der keine gesundheitlichen Einschränkungen hat, dem beachtlichen Risiko einer Schlechtbehandlung im Sinne Art. 4 GRCh aussetzen würde, wenn er zur Durchführung eines (wohl weiteren) Asylverfahrens nach Italien überstellt werden würde. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die angegriffenen Bescheide auch nicht aufzuheben, auch wenn das Bundesamt noch nicht über das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten entschieden hat. Dies beruht darauf, dass § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG in der hier maßgeblichen Fassung, zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht gegolten hatte, sondern erst am 6. August 2016 in Kraft getreten ist. Im Anschluss an vergleichbare in der Vergangenheit aufgetretene Fallkonstellationen geht der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass dieser Streitgegenstand im Berufungsverfahren angewachsen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1992 – 9 C 59.91 – NVwZ 1992, 892 zu § 51 Abs. 1 AuslG, vom 08.09.2011 – 10 C 14.10 und 10 C 15.10 – jew. juris zu § 60 Abs. 2, 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.).
18 
Nach Auffassung des Senats führt auch die in Italien erfolgte Erteilung eines ein Jahr gültigen Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen nicht zur Unanwendbarkeit der Verordnung (EU) Nr. 604/2013. Mit der Erteilung dieses Titels ist dem Kläger kein internationaler Schutz im Sinne der RL 2011/95/EU gewährt worden.
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Zur ersten Vorlagefrage:
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Eine erste zentrale Weichenstellung nimmt der vorliegende Fall mit der Beantwortung der Frage, ob der Kläger 16. Juni 2015, d.h. am Tag der Meldung des Bundesamts an das italienische Innenministerium, "flüchtig" im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr.604/2013 war. Denn durch die spätere Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 18. Februar 2016, der erst nach Ablauf der 6-Montsfrist ergangen war, hätte die abgelaufene Frist nicht mehr verlängert oder unterbrochen werden können. Die Fragestellung erfährt im vorliegenden Fall insofern eine ungewöhnliche Zuspitzung als nach dem unstreitigen Sachverhalt der Kläger sich genau an dem Tag, an dem die Mitteilung an die italienischen Behörden erfolgt war, wieder bei der Stadt Heidelberg gemeldet hat, eine entsprechende Information aber nicht mehr an das Bundesamt gelangt war. Es ist nicht feststellbar, ob zum genauen Zeitpunkt der Meldung bei der Stadt Heidelberg die Information des italienischen Innenministeriums durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits erfolgt war oder nicht. Geht man von der Legaldefinition der Fluchtgefahr in Art. 2 lit. n) Verordnung (EU) Nr.604/2013 aus, wonach ein "Entziehen" durch Flucht festgestellt werden muss, so liegt auch nach dem allgemeinen Wortsinn nahe, im Begriff des "Entziehens" ein Element des Planvollen und Vorsätzlichen bzw. Bewussten zu sehen, mit anderen Worten ein Verhalten, das bewusst in Bezug auf die erwartete Überstellung erfolgt ist. Ein Flüchtigsein wäre nicht schon dann anzunehmen, wenn der oder die Betreffende nicht angetroffen wird und bei dieser Gelegenheit der aktuelle Aufenthaltsort nicht ermittelt werden kann. Die englische Fassung spricht in Art. 2 lit. n) bzw. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr.604/2013 allerdings (nur) von "risk of absconding" bzw. von "if the person concerned absconds"; im Französischen ist demgegenüber wiederum Rede von "risque de fuite" und "si la personne concernée prend la fuite". Jedenfalls die deutsche wie auch die französische Fassungen legen ein weites Verständnis nicht nahe. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass sich aus den öffentlich zugänglichen Materialien des Normsetzungsverfahrens nichts Erhellendes ablesen lässt. Die Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr.604/2013 entspricht wörtlich der des Art. 20 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003. Im Kommissionsentwurf (KOM/2001/0447endg – ABl. C 2001, 304 E, 192) war der hier interessierende Satz 2 noch gar nicht enthalten. Er wurde, soweit ersichtlich, erst im Kontext der abschließenden Beratungen des Rates eingefügt. Andererseits sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ein missbilligtes Verhalten des Ausländers sanktioniert werden soll. Der Senat versteht Sinn und Zweck der Vorschrift dahin gehend, dass das effektive Funktionieren des Dublin-Systems gesichert werden soll. Dieses Funktionieren kann erheblich beeinträchtigt werden, wenn die Überstellungen nicht zeitnah erfolgen können, weil dem Gründe entgegen stehen, die nicht in die Verantwortungssphäre des überstellenden Mitgliedstaat fallen. Im Übrigen würden praktisch gesehen oftmals erhebliche Ermittlungs- bzw. Beweisschwierigkeiten bestehen, wenn den Betroffenen nachgewiesen werden müsste, dass sie sich gerade, um eine Überstellung unmöglich zu machen oder zu erschweren, von ihrer Wohnung entfernt bzw. sich verborgen hatten. Hiervon ausgehend sprechen gute Gründe dafür, es ausreichen zu lassen, dass der zuständigen Behörde der Aufenthalt zum Zeitpunkt des Überstellungsversuchs und auch noch zum Zeitpunkt der Information der zuständige Behörde des zuständigen Mitgliedstaat nicht bekannt war und es auch keine verlässlichen Anhaltspunkte für diese gab, wie der aktuelle Aufenthalt in zumutbarer Weise zu ermitteln sein könnte. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass zuständige Behörden hier im konkreten Fall das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - für das Asylverfahren - sowie das Regierungspräsidium Karlsruhe - für die Durchführung der Überstellung - waren. Legt man diese weitere Verständnis der Norm zugrunde, so wäre der Kläger, insbesondere nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung auch noch am 16. Juni 2015 flüchtig gewesen, zumal sich aus diesen noch nicht einmal entnehmen lässt, ob überhaupt oder ggf. wann er wieder nach Heidelberg zurückkehren wollte.
21 
Im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Urteil vom 07. Juni 2016 (C-63/15) geht der Senat davon aus, dass durch die Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 auch unmittelbar Rechte des Ausländers berührt werden.
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Zur zweiten Vorlagefrage:
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Was die Frage betrifft, auf welche Weise die Fristverlängerung im Falle der Flucht (oder Krankheit) bewirkt wird, legt der Wortlaut des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 auf den ersten Blick die Herstellung eines Einvernehmens zwischen den Mitgliedstaaten nahe. Denn es heißt dort gerade nicht, dass "sich die Frist verlängert". Andererseits deckt der Wortlaut – auf den zweiten Blick – auch ein Verständnis dahin gehend, dass der überstellende Mitgliedstaat die Fristverlängerung einseitig herbeiführen kann, indem er den aufnehmenden Mitgliedstaat vor Ablauf der regulären Frist informiert und eine konkrete Frist benennt, bis zu der die Überstellung durchgeführt werden wird; die Frist darf dann auch durchaus, wie hier geschehen den Spielraum von 18 Monaten nicht ausschöpfen. Der rechtliche Ansatz einer einvernehmlichen Verlängerung wäre nach Auffassung des Senats unpraktikabel und hätte vorhersehbar zur Folge, dass die Norm in vielen Fällen leer liefe. Von diesem Verständnis lässt sich offensichtlich auch der weiterhin gültige Art. 9 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 leiten, der das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hier praktizierte Verfahren festlegt. Der Senat ist sich der Tatsache bewusst, dass diese Verordnung selbstverständlich nicht geeignet ist, das Verordnungsrecht des Rates materiell zu ändern. Da aber der Wortlaut der hier auszulegenden Bestimmung eine Auslegung in diesem Sinn nicht gänzlich ausschließt, legt nicht zuletzt der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts ein entsprechendes Normverständnis nahe.
24 
Zur dritten Vorlagefrage:
25 
Die Frage ist nach Auffassung des Senats nicht schon deshalb irrelevant, weil der Kläger unstreitig in Italien (noch) nicht als international Schutzberechtigter anerkannt worden ist. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem beschränkt sich nämlich nach Auffassung des Senats nicht nur darauf, die Phase der Aufnahme der Flüchtlinge und des Verfahrens auf Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus zweckentsprechend in einer Art und Weise zu regeln, die geeignet ist, einen effektiven und menschenwürdegemäßen Flüchtlingsschutz zu gewährleisten (vgl. etwa den 2., 8., 9., 10. und 11. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/33/EU vom 26.06.2013 bzw. den 2., 11., 15. und 25. Erwägungsrund der Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013). Vielmehr hat es auch diejenigen Personen in den Blick zu nehmen, die nach Durchlaufen des Verfahrens von dem zuständigen Mitgliedstaat einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben (vgl. Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011). Ein effektives und menschenwürdiges Gemeinsames Europäisches Asylsystem steht und fällt auch mit den verheißenen und sodann realisierten Schutzstandards für die anerkannten Menschen. Aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 u.a.; vom 14.11.2013 – C-14/11; vom 10.12.2013 – C-394/12) ergeben sich keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass insoweit keine umfassende Bewertung gerade auch unionsrechtlich geboten sein könnte, mit anderen Worten, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem die Augen davor verschließen dürfte, in welcher Situation sich im Anschluss an die Aufnahme zum Zwecke der Verfahrensdurchführung die Schutzberechtigten befinden werden, wenn man den Schutzsuchenden nach dem Mechanismus des Dublin-Systems eine freie Wahl des Zufluchtlandes verwehrt und ihnen grundsätzlich nur einen Verfahrensweg in dem zuständigen Mitgliedstaat eröffnet. Denn notwendige und zwingende Kehrseite dieses Mechanismus muss sein, dass dann auch diese Betroffenen ein menschenwürdiges Leben in dem zuerkennenden Mitgliedstaat führen können. Dieser erweiterte Blickwinkel ist der systemimmanenten Logik dieses Mechanismus geschuldet. Daraus folgt dann auch, dass die Prüfung, ob in einem Mitgliedstaat sog. systemische Schwachstellen (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013) bestehen, sich nicht auf die Beantwortung der Frage beschränken darf, ob die Aufnahmebedingungen während des Verfahren und das Verfahren selbst frei von solchen Mängel sind, sondern auch die Lage danach einbeziehen muss. Dieses hat dann aber notwendigerweise zur Konsequenz, dass systemische, nicht menschenwürdegemäße Mängel auch nur in einer Phase insgesamt dazu führen, dass die Betroffenen nicht auf das Verfahren in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat verwiesen werden können, wenn die Betroffenen andernfalls das reale Risiko eingingen, eine Schlechtbehandlung im Sinne des Art.4 GRCh zu erfahren. Mit anderen Worten: Die besten Aufnahmebedingungen während des Anerkennungsverfahrens wären unzureichend, wenn den Betroffenen anschließend nach einer Anerkennung Verelendung droht, und umgekehrt. Ungeachtet dessen gebietet es ohnehin jedenfalls Art. 3 EMRK, vor einer Überstellung außerhalb des Dublinmechanismus (auf welcher Rechtsgrundlage auch immer), aus gegebenem Anlass eine Prüfung vorzunehmen. Allerdings ist dem Senat bewusst, dass die Qualifikationsrichtlinie, was die Existenzbedingungen der Schutzberechtigten betrifft, in der Regel nur Inländerbehandlung verspricht (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 –, InfAuslR 2015, 77) und unionsrechtlich nach dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem keine bestimmten (Mindest-)Standards vorgegeben werden (vgl. allerdings auch Art. 32 QRL, der nur Gleichbehandlung mit anderen Drittstaatszugehörigen verlangt). Inländerbehandlung kann allerdings unzureichend sein, selbst wenn die Standards für die Inländer noch menschenwürdegemäß sein sollten. Denn die Union muss bei alledem in den Blick nehmen, dass es sich hier typischerweise um verletzliche und entwurzelte Menschen, jedenfalls um Menschen mit vielerlei Handicaps handelt, die nicht ohne weiteres oder auch gar nicht in der Lage sein werden, allein gestellt die Rechtspositionen, die die Rechtsordnung des Aufnahmestaats an sich formal gewährleistet auch effektiv geltend zu machen. Sie müssen daher erst in die gleiche oder eine vergleichbare faktische Position einrücken, aus der heraus die einheimische Bevölkerung ihre Rechte in Anspruch nimmt und nehmen kann. Erst mit diesem realen sozialen Hintergrund erfährt Inländerbehandlung ihre innere Rechtfertigung und Tragfähigkeit. Deshalb fordert Art. 34 QRL aus gutem Grund von den Mitgliedstaaten, den effektiven Zugang zu Integrationsprogrammen zu gewährleisten, denen eine spezifisch kompensatorische Funktion zukommt, und dieses bedingungs- und einschränkungslos. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte berücksichtigte in seiner Rechtsprechung (Entscheidung vom 21.01.2011 – Nr. 30696/09 ) im Kontext des Art. 3 EMRK ausdrücklich den Umstand, dass der hier zu betrachtende und zu würdigende Personenkreis in besonderem Maße verletzlich und/oder hilfsbedürftig ist und entwickelt die mit Blick auf Art. 3 EMRK einzuhaltenden (höheren) Standards – in Abweichung von der für die Beurteilung der in Abschiebezielstaaten allgemein herrschenden humanitären Zuständen herausgebildeten eigenen Spruchpraxis (vgl. nunmehr aber auch EGMR, Urteil vom 13.12.2016 – 41738/16 ) spezifisch auch unter diesem Gesichtspunkt sowie den Verheißungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Konkret bedeutet dies dann auch, dass dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem zumindest ein entsprechend dimensioniertes und den Defiziten des hier zu betrachtenden Personenkreises gerecht werdendes Integrationsprogramm gewährleisten muss, soweit dieses erforderlich ist, um jedenfalls die Inländerbehandlung faktisch und nicht nur formal rechtlich zu gewährleisten und sicherzustellen, was dann von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anforderungen bedingen kann. Dieser Standard stellt im Kontext des Unionsrechts ein flüchtlings- und menschenrechtliches Minimum dar. Er ist letztlich die Rechtfertigung und der Geltungsgrund des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, namentlich des dieses entscheidend prägenden Dublinsystems, der es den Flüchtlingen grundsätzlich verwehrt, einen effektiven Flüchtlingsschutz auch in einem anderen Mitgliedstaat zu suchen und zu finden. Dieses flüchtlings- und menschenrechtliche Minimum ist gewissermaßen die Kehrseite des Dublinsystems.
26 
Auf die vom Senat aufgeworfene Problematik kommt es im vorliegenden Verfahren auch an. Denn dem Senat liegt u.a. der ausführliche Recherchebericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe "Aufnahmebedingungen in Italien" vom August 2016 (vgl. dort S. 33 ff.) vor, aus dem sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass international Schutzberechtigte einem konkreten Risiko ausgesetzt sein könnten, bei einem Leben völlig am Rande der Gesellschaft obdachlos zu werden und zu verelenden. Dieser Bericht gibt, sofern die hier aufgeworfene Frage zu bejahen ist, Anlass diesen Anhaltspunkten weiter nachzugehen und eine abschließende Klärung herbeizuführen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe betont mehrfach, dass das völlig unzureichend entwickelte Sozialsystem in weiten Teilen durch den Rückhalt in familiären Strukturen zu erklären ist, bzw. anders gewendet nur wegen dieses Rückhalt unter der italienischen Bevölkerung Not nicht ein generelles Phänomen darstellt. Diese Strukturen fehlen aber bei den Schutzberechtigten völlig. Dass hier die kompensatorisch greifenden Integrationsprogramme in Italien gegenwärtig weitgehend fehlen und namentlich der Zugang zu den unerlässlichen Sprachkursen mehr oder weniger dem Zufall überlassen ist, beschreibt die Schweizerische Flüchtlingshilfe (S. 53 f.) eindrücklich. Zwar soll ein Integrationsplan verabschiedet werden, er existiert allerdings noch nicht, geschweige denn, dass er umgesetzt würde; aktuell wird weiter hiervon geredet, mehr aber nicht (vgl. etwa Tagesspiegel v. 01.01.2017). Wenn überhaupt, werden einige wenige Projekte nur von Nichtregierungsorganisationen organisiert. Bei dieser Ausgangslage wäre es in Ermangelung eines ausgebauten vielfältigen sozialen Sicherungssystems unrealistisch, die Schutzberechtigten auf einen Rechtsweg zu verweisen, weil schon wegen teilweiser fehlender Ansprüche der Aspekt der Inländerbehandlung ins Abseits führen muss. Abgesehen davon dürfte die Effektivität ernsthaft infrage stehen. Dass die großen strukturellen Defizite des staatlichen Sozialsystems im weitesten Sinne angesichts der in den vergangenen Jahren stark angestiegenen Flüchtlingszahlen in Italien effektiv durch Nichtregierungsorganisationen und Kirchen ausgeglichen werden können, lässt der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht erkennen; wäre dieses der Fall, könnten die von ihr beschriebenen Verhältnisse so nicht eingetreten sein. Jedenfalls wäre dieser Frage gegebenenfalls noch weiter nachzugehen (vgl. zur Funktion und Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen und Kirchen in Italien vor Jahren bei wesentlich geringeren Flüchtlingszahlen VGH Bad-Württ., Urteil vom 16.04.2014 – A 11 S 1721/13).
27 
Namentlich für diese ggf. noch anzustellenden Ermittlungen ist es im Übrigen für den Senat von erheblicher Bedeutung, dass geklärt wird, welche unionsrechtlichen und menschenrechtlichen Standards für die Beurteilung der Verhältnisse in dem jeweiligen Mitgliedstaat gelten und anzuwenden sind.
28 
Der Senat erachtet es für geboten, über das Ersuchen im Eilvorabentscheidungsverfahren zu entscheiden (Art. 107 VerfO i.V.m. Art. 23a der Satzung des Gerichthofs), da die dritte Vorlagefrage von weitreichender Bedeutung ist. Sie hat Relevanz für alle Italien betreffenden Überstellungsverfahren im gesamten Dublinsystem; sie ist daher vorgreiflich in einer unübersehbaren Zahl von Verfahren. Die Ungewissheit über ihren Ausgang birgt die Gefahr, das Funktionieren des durch die Verordnung 604/2013 eingeführten Systems zu beeinträchtigen und das Gemeinsame Europäischen Asylsystem zu schwächen (vgl. EuGH, Beschluss vom 15.02.2017 - C-670/16 -, ECLI:EU:C:2017:120).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der ersucht wird, die Rechtssache gemäß Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs dem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, zu folgenden Fragen eingeholt:

1. Steht die Übergangsbestimmung in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, wonach in Umsetzung der gegenüber der Vorgängerregelung erweiterten Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU ein Antrag auf internationalen Schutz unzulässig ist, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, soweit die nationale Regelung mangels nationaler Übergangsregelung auch auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge anzuwenden ist?

Erlaubt die Übergangsbestimmung in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU den Mitgliedstaaten insbesondere eine rückwirkende Umsetzung der erweiterten Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU mit der Folge, dass auch vor der nationalen Umsetzung dieser erweiterten Ermächtigung gestellte, zum Zeitpunkt der Umsetzung aber noch nicht bestandskräftig beschiedene Asylanträge unzulässig sind?

2. Räumt Art. 33 Richtlinie 2013/32/EU den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht ein, ob sie einen Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit (Dublin-VO) oder nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU als unzulässig ablehnen?

3. Falls Frage 2 bejaht wird: Ist ein Mitgliedstaat unionsrechtlich gehindert, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen der Gewährung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat in Umsetzung der Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU als unzulässig abzulehnen, wenn

a) der Antragsteller eine Aufstockung des ihm in einem anderen Mitgliedstaat gewährten subsidiären Schutzes begehrt (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) und das Asylverfahren in dem anderen Mitgliedstaat mit systemischen Mängeln behaftet war und weiterhin ist oder

b) die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für subsidiär Schutzberechtigte, in dem anderen Mitgliedstaat, der dem Antragsteller bereits subsidiären Schutz gewährt hat,

- gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verstößt oder

- den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügt, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen?

4. Falls Frage 3b) zu bejahen ist: Gilt dies auch dann, wenn subsidiär Schutzberechtigten keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen gewährt werden, sie insoweit aber nicht anders behandelt werden als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates?

5. Falls Frage 2 zu verneinen ist:

a) Findet die Dublin III-VO in einem Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes Anwendung, wenn der Asylantrag vor dem 1. Januar 2014, das Wiederaufnahmegesuch aber erst nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist und der Antragsteller zuvor (im Februar 2013) bereits in dem ersuchten Mitgliedstaat subsidiären Schutz erhalten hat?

b) Ist den Dublin-Regelungen ein - ungeschriebener - Zuständigkeitsübergang auf den um Wiederaufnahme eines Antragstellers ersuchenden Mitgliedstaat zu entnehmen, wenn der ersuchte zuständige Mitgliedstaat die fristgerecht beantragte Wiederaufnahme nach den Dublin-Bestimmungen abgelehnt und stattdessen auf ein zwischenstaatliches Rückübernahmeabkommen verwiesen hat?

Gründe

I

1

Der Kläger, ein staatenloser Palästinenser aus Syrien, wendet sich gegen die Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), dass ihm aufgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht.

2

Er verließ Syrien zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern (Kläger im Verfahren 1 C 18.16) im Jahr 2012 und reiste nach Bulgarien ein, wo der Familie mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiärer Schutz gewährt wurde. Im November 2013 reiste der Kläger mit seiner Familie über Rumänien, Ungarn und Österreich weiter in die Bundesrepublik Deutschland und stellte hier am 29. November 2013 erneut einen Asylantrag.

3

Am 22. Januar 2014 richtete das Bundesamt an die bulgarische staatliche Flüchtlingsverwaltung ein Wiederaufnahmegesuch, das diese mit Schreiben vom 10. Februar 2014 ablehnte. Aufgrund des dem Kläger in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutzes seien die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar. Zuständige bulgarische Behörde sei die dortige Grenzpolizei.

4

Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 stellte das Bundesamt ohne inhaltliche Prüfung des Asylantrags fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus Bulgarien als einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht (Ziffer 1), und ordnete dessen Abschiebung nach Bulgarien an (Ziffer 2).

5

Die gegen den Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 20. Mai 2014 ab. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. Februar 2016 die Abschiebungsanordnung nach Bulgarien aufgehoben, die Berufung im Übrigen aber zurückgewiesen. Die Feststellung, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, sei rechtmäßig, weil der Kläger aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nach Deutschland eingereist sei (§ 26a Abs. 1 Satz 1 und 2, § 31 Abs. 4 AsylG). Jedenfalls Österreich sei ein sicherer Drittstaat. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien sei jedoch rechtswidrig, weil nicht feststehe, ob die Übernahmebereitschaft Bulgariens fortbestehe.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er macht unter anderem geltend, das Dublin-Regime sei auch nach Gewährung subsidiären Schutzes weiterhin anwendbar, weil nach der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO vorliegend noch auf die Dublin II-VO abzustellen sei. Die ursprünglich begründete Zuständigkeit Bulgariens sei im Verlauf des Verfahrens nach der Dublin II-VO auf Deutschland übergegangen.

7

Die Beklagte meint, der Asylantrag sei nunmehr jedenfalls nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig.

II

8

Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen, die der Senat dem Gerichtshof mit Beschlüssen vom heutigen Tag noch in zwei weiteren Verfahren (1 C 18.16 und 1 C 20.16) unterbreitet hat, betreffen die Auslegung der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung, ABl. L 180 S. 60 - Richtlinie 2013/32/EU), der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31 - Dublin III-VO) sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.

9

1. Die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Februar 2014 gerichteten Anfechtungsklage richtet sich im nationalen Recht nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 10. November 2016 in Kraft getretene Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (StrÄndG 50) vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte. Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen. Dazu gehört auch die durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) mit Wirkung vom 6. August 2016 geschaffene Neufassung des § 29 AsylG, soweit der Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht die Übergangsvorschrift in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU entgegensteht (dazu Vorlagefrage 1.).

10

Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:

Art. 16a GG

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. (...)

(...)

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muss, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

§ 1 AsylG

(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:

1. Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder

2. internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; (...).

§ 4 AsylG

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1. Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,

2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder

3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

§ 13 AsylG

(1) (...)

(2) Mit jedem Asylantrag wird die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 beantragt. (...)

§ 26a AsylG

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1. (...)

2. die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder

3. (...)

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

§ 29 AsylG

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1. ein anderer Staat

a) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) oder

b) auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages

für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,

2. ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,

3. ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,

(...)

§ 34a AsylG

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. (...). Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) (...)

§ 35 AsylG

In den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

§ 77 AsylG

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. (...)

§ 25 AufenthG

(...)

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. (...)

(...)

§ 60 AufenthG

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(...)

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

11

2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.

12

a) Das Bundesamt durfte die Prüfung des Asylantrags nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Kläger aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist. Diese auf § 26a AsylG gestützte Entscheidung ist an der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) zu messen. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor, weil sicherer Drittstaat in diesem Sinne bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nur ein Staat sein kann, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist. Dies hält der Senat für einen "acte clair".

13

Zwar ist die Drittstaatenregelung des § 26a AsylG, an die § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG anknüpft, weiter gefasst. Sichere Drittstaaten sind gemäß § 26a Abs. 2 AsylG, der Art. 16a Abs. 2 GG entspricht, nämlich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die in Anlage I zum Asylgesetz bezeichneten Staaten, zu denen derzeit nur Norwegen und die Schweiz zählen. Dieser weite Anwendungsbereich der deutschen Drittstaatenregelung steht jedoch nicht im Einklang mit der Richtlinie 2013/32/EU. Er ist wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts dahin einzuschränken, dass der Verweis auf einen sicheren Drittstaat jedenfalls bei der Versagung internationalen Schutzes nur hinsichtlich der Staaten der Anlage I möglich ist. In Bezug auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union darf hingegen von dem im nationalen Recht geregelten Konzept sicherer Drittstaaten kein Gebrauch gemacht werden. Diese Vorgabe des Unionsrechts ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU, der die Gründe, aus denen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten dürfen, abschließend aufzählt. Danach kommen als unionsrechtliche Grundlage für eine nationale Drittstaatenregelung Art. 33 Abs. 2 Buchst. b und c Richtlinie 2013/32/EU in Betracht. Diese Vorschriften verweisen auf die in Art. 35 und 38 der Richtlinie geregelten Konzepte des ersten Asylstaats bzw. des sicheren Drittstaats, erklären diese jedoch jeweils nur in Bezug auf Staaten für anwendbar, die keine Mitgliedstaaten sind. Ob das Konzept des europäischen sicheren Drittstaats nach Art. 39 der Richtlinie ebenfalls zu einer Unzulässigkeitsentscheidung berechtigt, obwohl es in Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie nicht genannt ist, kann der Senat offenlassen. Denn auch dieses Konzept zielt nicht auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern auf europäische Staaten, die (noch) nicht deren Mitglied sind (vgl. Vedsted-Hansen, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D IV Art. 39 Rn. 3). Kein anderes Ergebnis ergäbe sich, wenn im vorliegenden Fall noch auf die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft abzustellen sein sollte. Die Anwendung der dort vorgesehenen Konzepte des sicheren Drittstaats und des ersten Asylstaats war ebenfalls auf Staaten beschränkt, die keine Mitgliedstaaten sind (vgl. Art. 25 Abs. 2 Buchst. b und c Richtlinie 2005/85/EG).

14

Von dieser Begrenzung auf Drittstaaten im Sinne des Unionsrechts ist wohl auch der deutsche Gesetzgeber bei Erlass des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ausgegangen, wenngleich er dies nicht durch eine Änderung von § 26a Abs. 2 AsylG zum Ausdruck gebracht hat. Denn aus den Materialien zu § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG geht hervor, dass mit Drittstaaten im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG nur solche Staaten gemeint sind, die durch Aufnahme in Anlage I des Asylgesetzes als sicherer Drittstaat eingestuft worden sind (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 18/8883 S. 7). Dies schließt die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus, da diese keiner Eintragung bedürfen.

15

b) Die Vorlagefragen stellen sich im Rahmen der vom Senat zu prüfenden Frage, ob die vom Bundesamt getroffene Drittstaatenentscheidung in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden kann. In Betracht kommt eine Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 AsylG gewährt hat. Mit dieser mit Wirkung vom 6. August 2016 eingefügten Vorschrift hat der nationale Gesetzgeber von der erweiterten Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU Gebrauch gemacht. Denn der Unionsgesetzgeber hat in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU die zuvor bereits in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG geregelte Möglichkeit, einen Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, dahin erweitert, dass die Mitgliedstaaten einen Asylantrag nunmehr auch bei Gewährung subsidiären Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat als unzulässig behandeln dürfen.

16

aa) Die Möglichkeit, einen Asylantrag wegen Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat abzulehnen, ist hinsichtlich des hier in Rede stehenden "Aufstockungsbegehrens" (d.h. des Folgeantrags eines in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten subsidiär Schutzberechtigten auf Zuerkennung der in den Rechtsfolgen günstigeren Flüchtlingseigenschaft) in Deutschland erstmals durch § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG umgesetzt worden. Der Senat folgt nicht der teilweise vertretenen Auffassung, wonach sich schon zuvor aus der durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) neu in das Aufenthaltsgesetz eingefügten, am 1. Dezember 2013 in Kraft getretenen Regelung des § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ergeben habe, dass ein derartiges Aufstockungsbegehren unzulässig ist (so VG Minden, Urteil vom 10. Mai 2016 - 10 K 2248/14.A - juris Rn. 198 ff.; a.A. VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 57/15 - InfAuslR 2015, 310 = juris Rn. 53 ff.). Zwar hat der Gesetzgeber damit die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG erstreckt. Dies hat zur Folge, dass seitdem auch ein Begehren auf subsidiären Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer in einem anderen Mitgliedstaat die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 30; Beschluss vom 30. September 2015 - 1 B 51.15 - juris). Hingegen lässt sich der in § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG angeordneten "entsprechenden Anwendung" des § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen, dass nach Gewährung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zulässigerweise begehrt werden kann.

17

Erst recht liegt in der nationalen Drittstaatenregelung, wie sie vor Inkrafttreten des § 29 AsylG n.F. bereits in § 26a AsylG i.V.m. Art. 16a Abs. 2 GG enthalten war, keine Umsetzung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU. Ein Umsetzungswille muss im nationalen Recht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen, zumal die Mitgliedstaaten von der Ermächtigung, die in Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU aufgeführten Unzulässigkeitsgründe in ihrem nationalen Recht vorzusehen, nicht zwingend Gebrauch machen müssen. Das ist hier nicht der Fall. Eine hinreichend klare Entscheidung des Gesetzgebers, Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie umzusetzen, kann in § 26a AsylG nicht gesehen werden. Die Drittstaatenregelung datiert aus einer Zeit weit vor Erlass der Verfahrensrichtlinien. Sie ist schon dem Wortlaut nach dem sachlichen Anwendungsbereich von Art. 33 Abs. 2 Buchst. c, sowie allenfalls noch Buchst. b der Richtlinie 2013/32/EU zuzuordnen. Es findet sich auch sonst kein positiver Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber ihr nach Inkrafttreten der jeweiligen Richtlinie auch die Funktion zugedacht hat, Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG und sodann Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umzusetzen.

18

bb) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen vor. Bulgarien ist ein Mitgliedstaat der EU. Dem Kläger wurde dort nach den Feststellungen des Berufungsgerichts subsidiärer Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU und damit internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt.

19

cc) Dem vorlegenden Gericht stellt sich jedoch die Frage, ob die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf den vorliegenden Fall mit Unionsrecht zu vereinbaren ist.

20

(1) Es bedarf zunächst der Klärung durch den Gerichtshof, ob der genannte Unzulässigkeitstatbestand auf den hier im November 2013 gestellten Asylantrag in zeitlicher Hinsicht bereits Anwendung finden kann. Nach nationalem Recht (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist es an sich geboten, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auch auf vor seinem Inkrafttreten gestellte Anträge anzuwenden, soweit über diese noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Der darin liegenden "unechten Rückwirkung" steht nationales Verfassungsrecht im konkreten Fall nicht entgegen (so der Sache nach bereits BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 28 ff.). Das Vertrauen der Betroffenen in den Fortbestand der alten Rechtslage wiegt nach Auffassung des Senats weniger schwer als das mit der Neuregelung verfolgte Ziel, Sekundärmigration nach erfolgter Schutzgewährung in Übereinstimmung mit Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU zu vermeiden. Das gilt jedenfalls in Fällen, in denen die neue Richtlinie - wie hier - bereits in Kraft war, als der Schutzsuchende seinen Asylantrag in Deutschland gestellt hat. In einem solchen Fall musste er mit einer möglichen Umsetzung des neuen Unzulässigkeitsgrundes jedenfalls rechnen.

21

Ohne eine Übergangsbestimmung wäre auch unionsrechtlich Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. das diese Regelung umsetzende nationale Recht auf Altanträge anwendbar. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Richtlinie unmittelbar auch auf die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts anzuwenden, der unter der Geltung der alten Rechtslage entstanden ist (EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - C-297/12 [ECLI:EU:C:2013:569], Filev u.a. - Rn. 40), hier also auf alle Anträge, die noch nicht bestandskräftig beschieden sind.

22

Die Richtlinie 2013/32/EU enthält aber in Art. 52 Abs. 1 eine Übergangsbestimmung, deren Auslegung für den vorliegenden Fall klärungsbedürftig ist. Danach wenden die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Artikel 51 Absatz 1 auf förmlich gestellte Anträge auf internationalen Schutz nach dem 20. Juli 2015 oder früher an (Satz 1). Für vor diesem Datum gestellte Anträge gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG. Der Antrag auf internationalen Schutz ist hier vor dem 20. Juli 2015 und zugleich auch vor Umsetzung der erweiterten Ablehnungsmöglichkeit des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU in das nationale Recht gestellt worden. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entspricht in Fällen, in denen dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat nur subsidiärer Schutz gewährt worden ist, zwar den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU, nicht jedoch den Anforderungen des Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG; er ist deshalb insoweit mit der Richtlinie 2005/85/EG unvereinbar.

23

Mit Vorlagefrage 1 soll daher geklärt werden, wie die zitierte Übergangsregelung der Richtlinie bezogen auf eine solche Fallgestaltung auszulegen ist. Der Senat hat in einem früheren Verfahren entschieden, dass Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge auf Flüchtlingsschutz unzulässig sind, wenn dem Antragsteller zuvor bereits subsidiärer Schutz in einem anderen Mitgliedstaat gewährt worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 1 B 41.15 - NVwZ 2015, 1779 Rn. 11 f.). Nach dieser Auslegung gelten die in Umsetzung der Richtlinie 2013/32/EU ergangenen nationalen Rechtsvorschriften für vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge nur, soweit sie mit der Richtlinie 2005/85/EG in Übereinstimmung stehen. Dies beruht auf der Annahme, dass die in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/32/EU eröffnete Möglichkeit, die in Umsetzung der neuen Richtlinie ergangenen nationalen Rechtsvorschriften auch schon auf vor diesem Datum gestellte Anträge anzuwenden ("oder früher"), nur Bedeutung hat, soweit es um günstigere Bestimmungen im Sinne von Art. 5 Richtlinie 2005/85/EG geht. Nationale Vorschriften zur Umsetzung der Neufassung der Richtlinie, die von den Bestimmungen der Richtlinie 2005/85/EG zum Nachteil des Antragstellers abweichen, dürfen hingegen nach dieser Auslegung aufgrund der Bestimmung in Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge nicht angewendet werden. Die Übergangsregelung schützt nach diesem Verständnis das Vertrauen der Antragsteller, die ihren Antrag vor Ablauf der am 20. Juli 2015 verstrichenen Umsetzungsfrist (vgl. Art. 51 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU) gestellt haben, darauf, von Rechtsnachteilen durch die Umsetzung der neuen Richtlinie verschont zu bleiben.

24

Diese Auslegung der Übergangsvorschrift durch den Senat ist in der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte teilweise auf Widerspruch gestoßen (vgl. VG Aachen, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 8 K 2119/14.A - juris Rn. 70; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. Februar 2016 - 2a K 2466/15.A - InfAuslR 2016, 209 = juris Rn. 26 ff.; VG Minden, Urteil vom 10. Mai 2016 - 10 K 2248/14.A - juris Rn. 214 ff., VG Darmstadt, Beschluss vom 6. März 2017 - 3 L 1068/17 DA.A - juris Rn. 6). Die abweichende Auffassung geht davon aus, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, Rechtsvorschriften, die die neue Richtlinie umsetzen, auch schon auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge für anwendbar zu erklären. Dies folge aus dem Zusatz "oder früher" in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/32/EU. Zwar bestimme Satz 2 der Regelung für vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge die Anwendbarkeit des in Umsetzung der Richtlinie 2005/85/EG ergangenen Rechts und stehe damit in einem gewissen Widerspruch zu Satz 1. Dieser Widerspruch sei aber dadurch zu erklären, dass der Zusatz "oder früher" in Satz 1 der Vorschrift erst am Ende des Rechtssetzungsverfahrens in die Regelung aufgenommen wurde. Nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission vom 22. Oktober 2009 habe die Übergangsvorschrift eine feste Stichtagsregelung enthalten sollen. Erst durch den Standpunkt (EU) Nr. 7/2013 des Rates in erster Lesung vom 6. Juni 2013 (ABl. C 179 E S. 27) seien in Satz 1 die Wörter "oder früher" eingefügt worden. Dabei sei versäumt worden, die Regelung in Satz 2 entsprechend anzupassen. Satz 2 ist nach dieser Auslegung nur eine Auffangregelung für den Fall, dass die Mitgliedstaaten die neue Richtlinie nicht vor dem 20. Juli 2015 umgesetzt bzw. das neue Recht nicht auf vor diesem Zeitpunkt gestellte Anträge für anwendbar erklärt haben. Bei vor dem 20. Juli 2015 gestellten Anträgen ist eine nationale Regelung danach unionsrechtskonform, wenn sie entweder den Vorgaben der neuen oder den Vorgaben der alten Richtlinie entspricht.

25

Der Senat kann ohne die Klärung der Auslegung der Übergangsbestimmung, um die er den Gerichtshof mit Teilfrage 1 der Vorlagefrage 1 ersucht, nicht an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten. Für den Fall, dass sich die zuletzt dargestellte Auffassung als grundsätzlich zutreffend erweisen sollte, stellt sich die weitere Frage, ob die nationalen Vorschriften, die die Richtlinie 2013/32/EU umsetzen, auf alle vor dem 20. Juli 2015 gestellten Anträge angewendet werden können oder nur auf solche, die nach Inkrafttreten der nationalen Rechtsvorschrift, die die neue Richtlinie umsetzt, gestellt worden sind (Teilfrage 2 der Vorlagefrage 1). Wenn die in Umsetzung der Richtlinie 2013/32/EU ergangene Rechtsvorschrift im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz schon in Kraft gewesen sein muss, um auf den Antrag Anwendung finden zu können, wäre der Asylantrag des Klägers nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig. Denn der Antrag ist im November 2013 gestellt worden, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aber erst im August 2016 in Kraft getreten. Kommt es auf den Zeitpunkt der Umsetzung im nationalen Recht nicht an, ist der Antrag des Klägers hingegen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig (soweit sich nicht aus der Beantwortung der Vorlagefragen 2 oder 3 etwas anderes ergibt).

26

(2) Wenn Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht entgegensteht, bedarf weiter der Klärung, ob die Mitgliedstaaten von einer Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzenden Regelung Gebrauch machen dürfen, ohne vorrangig zu klären, ob die Prüfung des Antrags wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit nach Maßgabe der Dublin-Bestimmungen abzulehnen ist. Darauf zielt die Vorlagefrage 2. Sie stellt sich nur, wenn die Dublin-Regelungen nach Gewährung internationalen Schutzes in Form von subsidiärem Schutz überhaupt noch Anwendung finden, was zweifelhaft sein könnte, wenn dafür im vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht bereits auf die Dublin III-VO abzustellen ist (dazu s.u. Vorlagefrage 5.).

27

Art. 33 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU bestimmt, dass die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ein Antrag nicht geprüft wird, nicht prüfen müssen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage des vorliegenden Artikels als unzulässig betrachtet wird. Das spricht dafür, dass die Mitgliedstaaten ein Wahlrecht haben, ob sie einen Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit oder nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU als unzulässig ablehnen, oder dass ohnehin keine Konkurrenz zwischen diesen beiden Entscheidungsvarianten besteht, weil die Dublin III-VO nach der Gewährung internationalen Schutzes keine Anwendung mehr findet.

28

(3) Wenn der Antrag nach dem Ergebnis der Vorlagefragen 1 und 2 gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, der Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzt, wegen der Gewährung subsidiären Schutzes in Bulgarien als unzulässig abgelehnt werden kann, stellt sich die weitere Frage, ob diese Möglichkeit durch andere unionsrechtliche Regelungen (Art. 4 und 18 GRC, Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU) eingeschränkt wird (Vorlagefragen 3 und 4).

29

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten. Ausgehend davon hat der Gerichtshof zu Überstellungen nach der Dublin II-VO entschieden, dass nicht schon jeder Verstoß gegen einzelne asylrechtliche Normen ausreichen kann, um eine Überstellung an den zuständigen Staat zu hindern. Andernfalls würden die Verpflichtungen der Staaten im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem ausgehöhlt. Allerdings steht das Unionsrecht einer unwiderlegbaren Vermutung entgegen, wonach der Zielstaat der Überstellung die Unionsgrundrechte beachtet. Es obliegt den Mitgliedstaaten, von einer Überstellung bei erheblichen Defiziten abzusehen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn dem Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, nicht verborgen geblieben sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Zielstaat ernstlich und erwiesenermaßen für eine tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC sprechen (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10, C-493/10 [ECLI:EU:C:2011:865], N.S. - Rn. 78 - 94). Diese Rechtsprechung hat bei der Neufassung der Dublin-Regeln durch die Dublin III-VO in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO Eingang gefunden.

30

Es bedarf der Klärung durch den Gerichtshof, ob und gegebenenfalls in welcher Weise diese Rechtsprechung auf solche Fälle von Sekundärmigration zu übertragen ist, in denen die Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits einen Schutzstatus erhalten haben und nun einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellen. Konkret ist hier der Fall betroffen, dass der Antragsteller nach Gewährung subsidiären Schutzes die Aufstockung seines Schutzes durch Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat begehrt.

31

Dabei stellt sich zum einen die Frage, ob es der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig entgegensteht, wenn das Asylverfahren in dem Mitgliedstaat, in dem der subsidiäre Schutz gewährt worden ist, an systemischen Mängeln leidet (Vorlagefrage 3a). Die Situation, in der sich der Antragsteller befindet, ist hier allerdings eine etwas andere als in den oben genannten Dublin-Fällen: Die Aufnahmebedingungen können an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben, weil der Antragsteller bereits subsidiären Schutz erhalten hat. Offenbleiben kann auch, ob ein in dieser Situation gestellter Folgeantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bewirken würde, dass er insoweit - wieder - "Antragsteller" im Sinne von Art. 2 Buchst. b Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung, ABl. L 180 S. 96 - Aufnahmerichtlinie) ist und diese Richtlinie somit Anwendung findet. Denn jedenfalls kann er sich in dem Mitgliedstaat, der ihm subsidiären Schutz gewährt hat, - gegebenenfalls zusätzlich - bereits auf seinen Status als subsidiär Schutzberechtigter und die daraus gemäß Kapitel VII i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU folgende Rechtsstellung berufen, die über die während des Verfahrens gewährte Rechtsstellung nach der Aufnahmerichtlinie hinausgeht.

32

Folglich sind hier nur Mängel im Asylverfahren als solches in den Blick zu nehmen. Diese können darin bestehen, dass der Staat, der die subsidiäre Schutzberechtigung gewährt hat, die - höherwertige - Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einer als systemischen Mangel zu begreifenden Weise (vorhersehbar) verweigert oder dass er Folgeanträge trotz Vorliegens neuer Elemente oder Erkenntnisse, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller als Flüchtling anzuerkennen ist (vgl. Art. 40 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU), nicht weiter prüft. Von einem Folgeantrag ist dabei auch in einem Fall wie dem vorliegenden auszugehen, in dem dem Antragsteller auf seinen vorangegangenen Antrag - nur - subsidiärer Schutz gewährt worden ist, was impliziert, dass sein weitergehendes Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt worden ist. Denn auch in diesem Fall liegt eine "bestandskräftige Entscheidung über einen früheren Antrag" im Sinne von Art. 2 Buchst. q Richtlinie 2013/32/EU vor (vgl. auch Art. 46 Abs. 1 Buchst. a i), Abs. 2 Unterabs. 1 Richtlinie 2013/32/EU). Dass der subsidiäre Schutzstatus einem international Schutzberechtigten in Bulgarien die gleichen Rechte und Vorteile einräumen würde wie der Flüchtlingsstatus (vgl. Art. 46 Abs. 2 Unterabs. 2 Richtlinie 2013/32/EU), steht jedenfalls nicht positiv fest. Vor diesem Hintergrund fragt sich der Senat, ob und unter welchen Voraussetzungen Art. 18 GRC i.V.m. Art. 78 AEUV es gebieten könnten, dass ein Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz entgegen einer Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzenden nationalen Rechtsvorschrift prüft, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits der subsidiäre Schutzstatus, nicht aber die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde.

33

Mit Vorlagefrage 3b) soll geklärt werden, ob Unionsrecht verlangt, den Folgeantrag einer in einem anderen Mitgliedstaat als subsidiär schutzberechtigt anerkannten Person entgegen einer nationalen Rechtsvorschrift, die Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzt, zu prüfen, wenn die Lebensbedingungen für subsidiär Schutzberechtigte dort gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verstoßen oder den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU unterhalb dieser Schwelle nicht genügen. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass eine Abschiebung in einen Staat, in dem die Lebensbedingungen für subsidiär Schutzberechtigte einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK gleichkommen, nicht in Betracht kommt (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 [ECLI:EU:C:2017:127], Rn. 59 ff.). Damit ist aber noch nicht gesagt, dass der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, unter diesen Voraussetzungen auch einen Folgeantrag in der Sache prüfen muss.

34

In einer solchen Situation kann ein Antragsteller, der neue Elemente oder Erkenntnisse im Sinne von Art. 40 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU geltend macht, unter Umständen langfristig keine Prüfung der Frage erhalten, ob er die Voraussetzungen der - in den Rechtsfolgen günstigeren - Flüchtlingseigenschaft nunmehr erfüllt. Eine (freiwillige) Rückkehr in den Mitgliedstaat, der ihm subsidiären Schutz gewährt hat und in dem er einen Folgeantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stellen könnte, wäre ihm nicht zuzumuten. Er befände sich damit hinsichtlich der begehrten Höherstufung in der Situation eines "refugee in orbit". Zwar könnte er in Deutschland einen rechtmäßigen Aufenthalt erlangen, weil im Zielstaat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt (vgl. auch § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG, wonach auch in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen ist, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen). Denn nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG "soll" einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Diese Regelung könnte erforderlichenfalls unionsrechtskonform dahin ausgelegt werden, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden muss. Anerkannten Flüchtlingen wird in Deutschland aber eine bessere Rechtsstellung eingeräumt als sie durch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vermittelt wird. Der Inhaber einer solchen Aufenthaltserlaubnis hat nicht zu allen in Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährleisteten Rechten Zugang. Der Senat hält es deshalb für zweifelhaft und klärungsbedürftig, ob Art. 18 GRC i.V.m. Art. 78 AEUV es in einer derartigen Situation gebieten, einen Folgeantrag auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz zu prüfen, soweit der Antragsteller neue Elemente oder Erkenntnisse im Sinne von Art. 40 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU vorbringt. Auch wenn er keine nachträgliche Veränderung der Sachlage geltend macht, stellt sich die Frage, ob eine nochmalige Zuerkennung subsidiären Schutzes in Deutschland unionsrechtlich geboten ist. Selbst wenn man von der unionsrechtlichen Vorgabe ausgeht, dass dem in einem Mitgliedstaat anerkannten subsidiär Schutzberechtigten die mit diesem Status verbundenen Rechte und Vorteile praktisch nicht vorenthalten werden dürfen, erfordert dies bei nicht zumutbarer Rückkehr in diesen Mitgliedstaat nicht zwingend die nochmalige Durchführung eines Asylverfahrens mit dem Ziel der - erneuten - Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat und der daran anknüpfenden Einstandspflicht für die mit einem Schutzstatus verbundenen Rechte und Vorteile. Vielmehr könnte in diesen Fällen der praktischen Wirksamkeit der Schutzgewährung auch dadurch Rechnung getragen werden, dass der Betroffene, solange ihm eine Rückkehr in den Mitgliedstaat, der ihn als subsidiär Schutzberechtigten anerkannt hat, nicht zumutbar ist, im Aufenthaltsmitgliedstaat in dem bei unionskonformer Auslegung der nationalen aufenthalts- und sozialrechtlichen Rechtsvorschriften gebotenen Umfang wie ein subsidiär Schutzberechtigter zu behandeln ist. Dies hätte den Vorzug, dass der Betroffene nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt würde, als er stünde, wenn der Mitgliedstaat, der ihm internationalen Schutz gewährt hat, den damit verbundenen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachkäme. Außerdem würden hierdurch nicht nur Mehrfachanerkennungen, sondern auch divergierende Entscheidungen innerhalb der Union mit allen ihren unionsrechtlich unerwünschten Folgeerscheinungen vermieden.

35

Etwas anderes dürfte allerdings gelten, wenn die Lebensbedingungen im Mitgliedstaat, der subsidiären Schutz gewährt hat, lediglich in einzelnen Punkten den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügen, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen (Vorlagefrage 3b) zweiter Spiegelstrich). Denn auch im Dublin-Verfahren sind nach der - in der Dublin III-VO kodifizierten - Rechtsprechung des Gerichtshofs nur systemische Schwachstellen relevant, "die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen" (vgl. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO). Eine weitere Absenkung dieser Schwelle würde das Gemeinsame Europäische Asylsystem und das ihm zugrunde liegende gegenseitige Vertrauen unterlaufen. Aus diesem Grund hat der Senat auch Bedenken gegen eine (uneingeschränkte) Bejahung der Vorlagefrage 4: Die Regelungen der Anerkennungsrichtlinie über die Ausgestaltung des internationalen Schutzes gewährleisten subsidiär Schutzberechtigten existenzsichernde Leistungen allenfalls in demselben Umfang, wie sie eigene Staatsangehörige erhalten (vgl. Art. 27, 29 Abs. 1 und 2, Art. 30 und 32 Richtlinie 2011/95/EU). Daraus folgt, dass es unionsrechtlich allenfalls dann geboten sein kann, einen Folgeantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegen der im nationalen Recht angeordneten Unzulässigkeit derartiger Anträge zu prüfen, wenn die Lebensbedingungen in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller subsidiären Schutz gewährt hat, Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verletzen (zu den vorstehend bezeichneten Problemen s.a. VGH Mannheim, Beschluss vom 15. März 2017 - A 11 S 2151/16 - Frage 4).

36

bb) Falls Frage 2 zu verneinen ist und die Übergangsregelung in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht entgegensteht, hat der Senat weiter zu prüfen, ob der Vorrang des Dublin-Verfahrens (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) der Ablehnung des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG entgegensteht.

37

(1) Dies setzt zunächst voraus, dass die Dublin-Regelungen Anwendung finden, wenn einem Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt worden ist und er nunmehr einen Folgeantrag mit dem Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stellt. Dabei bedarf vorrangig der Klärung, ob bei der Beantwortung dieser Frage in Fällen wie dem vorliegenden in intertemporaler Hinsicht auf die Dublin III-VO oder noch auf die Dublin II-VO abzustellen ist. Auf die Klärung dieser Fragen zielt die Vorlagefrage 5a).

38

Nach der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO ist die Dublin III-VO auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Darüber hinaus gilt sie ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor dem 1. Januar 2014 eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO. Hier wurde der Asylantrag im November 2013 - also vor dem Stichtag 1. Januar 2014 - eingereicht. Das an Bulgarien gerichtete Wiederaufnahmeersuchen wurde hingegen erst am 22. Januar 2014 gestellt. In diesem Übergangsfall stellt sich die Frage, inwieweit bei der Zuständigkeitsbestimmung noch die Dublin II-VO oder schon die Dublin III-VO Anwendung findet. Nach Auffassung des Senats richtet sich jedenfalls die Beurteilung des Wiederaufnahmegesuchs nach den Regelungen der Dublin III-VO (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 27). Der Senat neigt zu der Annahme, dass dies auch einen daran anknüpfenden Zuständigkeitsübergang - zum Beispiel durch Ablauf der Antrags- oder Überstellungsfrist - einschließt. Lediglich die Bestimmung des originär zuständigen Mitgliedstaats erfolgt weiterhin nach den Bestimmungen der Dublin II-VO (vgl. etwa VG Aachen, Beschluss vom 21. März 2014 - 4 L 53/14.A - juris Rn. 17; a.A. Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AsylG § 34a Rn. 8; VG Stuttgart, Urteil vom 28. Februar 2014 - A 12 K 383/14 - juris Rn. 13).

39

Dies zugrundegelegt könnte für die Frage, ob die Dublin-Regelungen in sachlicher Hinsicht noch Anwendung finden, wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat subsidiären Schutz erhalten hat, hier bereits auf die Dublin III-VO abzustellen sein, weil es um die Möglichkeit einer Überstellung geht, die im Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmeverfahren steht.

40

Sollte die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats allein anhand der Dublin II-VO zu beantworten sein, bestünde kein Zweifel, dass eine Dublin-Überstellung nach Zuerkennung subsidiären Schutzes weiterhin in Betracht kommt (vgl. Hruschka/Maiani, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D VI Art. 3 Rn. 3). Denn der Antrag auf internationalen Schutz nach dieser Verordnung bezog sich nach ihrem Art. 2 Buchst. c nur auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ohne den subsidiären Schutz einzubeziehen. Nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO ist der zuständige Mitgliedstaat gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen. Ein solcher Fall der Antragsablehnung liegt vor, wenn der Antragsteller im zuständigen Mitgliedstaat nur subsidiären Schutz bekommen hat.

41

Ist dagegen die Dublin III-VO insoweit maßgeblich, hat der Senat Zweifel, ob eine Dublin-Überstellung nach Gewährung internationalen Schutzes, der nunmehr auch den subsidiären Schutz umfasst (vgl. Art. 2 Buchst. b und f Dublin III-VO i.V.m. Art. 2 Buchst. b und h Richtlinie 2011/95/EU), noch in Betracht kommt. Diese Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach einer Auffassung ist auf einen Folgeantrag, mit dem ein subsidiär Schutzberechtigter die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, weiterhin die Dublin III-VO anwendbar. Der Antrag auf internationalen Schutz umfasse nicht nur den subsidiären Schutz, sondern darüber hinaus auch die mit weiteren Rechten verbundene Anerkennung als Flüchtling. Die Verpflichtung aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO, einen Antragsteller, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen, erfasse auch diese Personengruppe. Denn mit der Zuerkennung (nur) des subsidiären Schutzes sei gleichzeitig eine Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung verbunden (OVG Münster, Urteil vom 22. September 2016 - 13 A 2448/15.A - juris Rn. 51 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. November 2016 - OVG 3 B 2.16 - juris Rn. 21 ff.; Bergmann, ZAR 2015, 81 <83>).

42

Die Gegenauffassung (Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Februar 2017, § 27a Rn. 34; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2016, § 29 AsylG Rn. 132 f.; Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Artikel 2 K22; Hruschka/Maiani, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D VI Art. 3 Rn. 3) verweist auf die Legaldefinitionen in Art. 2 Buchst. c und f Dublin III-VO, die zwischen dem "Antragsteller" und dem "Begünstigten internationalen Schutzes" unterscheiden. Für den Fall eines positiven Abschlusses des Asylverfahrens sei in der Dublin III-VO keine dem Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO entsprechende Wiederaufnahmeverpflichtung normiert. Für die Auffassung, dass die Anwendbarkeit der Dublin III-VO mit der Gewährung jeglicher Form von internationalem Schutz endet, dürfte aber vor allem sprechen, dass nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU nunmehr "zusätzlich zu den Fällen, in denen ein Antrag nicht geprüft wird", Anträge auf internationalen Schutz - auch - dann als unzulässig betrachtet werden dürfen, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat - nur - subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist. Der hiermit bezweckte Vereinfachungseffekt würde kaum erzielt, wenn das Gebrauchmachen von dieser Option eine zuvor zu bestimmende Zuständigkeit nach der Dublin III-VO voraussetzen würde (siehe dazu auch Vorlagefrage 2).

43

(2) Für den Fall, dass die Dublin-Regelungen weiterhin Anwendung finden, stellt sich die weitere Frage, ob die Zuständigkeit Bulgariens für die Prüfung des Antrags noch fortbesteht oder ob die Zuständigkeit auf Deutschland übergegangen ist, nachdem Bulgarien die fristgerecht beantragte Wiederaufnahme des Klägers nach den Dublin-Bestimmungen abgelehnt und Deutschland dies akzeptiert hat (Vorlagefrage 5b).

44

Originär zuständig für die Prüfung des Schutzantrags ist Bulgarien, weil der Kläger über diesen Mitgliedstaat zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach April 2012 illegal in die EU eingereist ist (Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO). Die Zuständigkeit Bulgariens ist nicht gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts wieder entfallen, weil der Kläger innerhalb dieser Frist in Bulgarien seinen ersten Asylantrag gestellt hat (siehe Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO). Auf die vom Oberverwaltungsgericht offengelassene Frage, ob einer Zuständigkeit Bulgariens systemische Mängel des dortigen Asylverfahrens entgegenstehen, käme es nicht an, wenn eine Zuständigkeit Bulgariens jedenfalls im weiteren Verlauf auf Deutschland übergegangen wäre. Der Senat neigt dazu, dies zu bejahen.

45

Ein Zuständigkeitsübergang ergibt sich hier allerdings weder aus einer verspäteten Stellung des Wiederaufnahmegesuchs noch aus einem Ablauf der Überstellungsfrist. Dies richtet sich im vorliegenden Verfahren gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO bereits nach der Dublin III-VO. Deutschland hat rechtzeitig innerhalb der Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO ein Wiederaufnahmeersuchen an die bulgarischen Behörden gerichtet. Da Bulgarien eine Dublin-Überstellung abgelehnt und stattdessen auf ein zwischenstaatliches Rückübernahmeabkommen verwiesen hat, konnte eine Überstellungsfrist nicht an- und damit auch nicht ablaufen. Denn die Überstellungsfrist knüpft sowohl nach der Dublin III-VO als auch nach der Dublin II-VO an die Annahme eines (Wieder-)Aufnahmeersuchens durch den ersuchten Mitgliedstaat an.

46

Jedoch hat das Bundesamt die ablehnende Entscheidung Bulgariens akzeptiert. Es hat weder von dem in Art. 37 Dublin III-VO fakultativ vorgesehenen Schlichtungsverfahren noch von der in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist - EG-AsylZust-DVO - (ABl. L 222 S. 3) eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vom ersuchten Mitgliedstaat eine neuerliche Prüfung des Gesuchs zu verlangen. In der Literatur wird angenommen, dass die endgültige Ablehnung eines Wiederaufnahmeersuchens durch den ersuchten Mitgliedstaat zu einer Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaats führt (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Artikel 25 K1 i.V.m. Artikel 22 K6; Hruschka/Maiani, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D VI, Art. 22 Rn. 2 zu Art. 5 EG-AsylZust-DVO; a.A. OVG Münster, Urteil vom 22. September 2016 - 13 A 2448/15.A - juris Rn. 59 ff.). Dies leuchtet in Fällen, in denen keine Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines weiteren Mitgliedstaats bestehen, schon aus praktischen Gründen ein, weil eine Dublin-Überstellung in einem solchen Fall auf absehbare Zeit unmöglich ist und der Antragsteller nur in dem ersuchenden Mitgliedstaat eine schnelle Entscheidung über seinen Antrag erreichen kann. Es wäre zudem schwer verständlich, dass Art. 5 EG-AsylZust-DVO die Möglichkeit der Remonstration an eine Frist knüpft, wenn mit deren Ablauf nicht von der Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaats auszugehen wäre. Da ein derartiger Zuständigkeitsübergang jedoch in der Dublin III-VO (und auch bereits in der Dublin II-VO) nicht ausdrücklich geregelt ist, hält der Senat dies für eine unionsrechtliche Zweifelsfrage, die abschließend vom Gerichtshof zu klären ist.

47

3. Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof, über die Vorlagefragen im beschleunigten Verfahren gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu entscheiden, weil die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert. Die vorgelegten Fragen stehen im Zusammenhang mit der - unionsrechtlich unerwünschten - Sekundärmigration von Asylsuchenden, zu deren bevorzugten Zielen Deutschland seit geraumer Zeit gehört. Es ist davon auszugehen, dass beim Bundesamt und den Verwaltungsgerichten derzeit mehrere tausend Verfahren zu bearbeiten sind, in denen sich die aufgeworfenen Fragen (zumindest teilweise) stellen, und die aufgrund des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens nicht abschließend entschieden werden können. Die Übergangsproblematik, die hier im Vordergrund steht, ist weiterhin in einer Vielzahl von noch nicht abgeschlossenen Fällen von Bedeutung. In zunehmender Zahl erreichen Fälle die Gerichte, in denen Antragsteller bereits Begünstigte internationalen Schutzes in einem EU-Mitgliedstaat sind und nun in Deutschland einen erneuten Antrag stellen. Es bedarf der raschen Klärung, ob diese auch dann in Anwendung einer Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzenden nationalen Rechtsvorschrift abgelehnt werden können, wenn in dem Mitgliedstaat, der Schutz gewährt hat, systemische Mängel im Asylverfahren oder unzumutbare Lebensbedingungen für Schutzberechtigte bestehen. Sollte diese Klärung in dem vorliegenden Verfahren und den beiden weiteren vom Senat vorgelegten Verfahren nicht erfolgen können, ist mit weiteren Vorlagen an den Gerichtshof zu rechnen.

48

Für die hier vorgelegte besondere Fallgruppe der Folgeanträge mit dem Ziel der "Aufstockung" des gewährten subsidiären Schutzes besteht darüber hinaus auch bezogen auf den einzelnen Fall ein vergleichbares Beschleunigungsinteresse wie in Dublin-Verfahren (vgl. EuGH, Beschluss vom 15. Februar 2017 - C 670/16 [ECLI:EU:C:2017:120], Mengesteab). Das Dublin-System zielt darauf, eine schnelle Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu ermöglichen, um einen effektiven Zugang zu den Verfahren auf Zuerkennung eines internationalen Schutzes zu garantieren und das Ziel der Beschleunigung bei der Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz nicht zu unterlaufen (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 - Rn. 57). Selbst wenn in Situationen wie der vorliegenden die Dublin-Zuständigkeitsregeln nicht mehr anwendbar sein sollten, hat der Kläger ein vergleichbares Interesse daran, rasch zu erfahren, ob er bei nachträglichen Änderungen der Sachlage eine Prüfung seines Folgeantrags in Deutschland oder nur in Bulgarien erreichen kann. Hierauf wartet er nunmehr bereits seit mehr als drei Jahren.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige und Eltern eines am 12. Februar 2014 geborenen Sohnes. Sie reisten im März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatten sie bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wenden sich gegen einen am 3. März 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 27a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 3. Februar 2014 versagt wurde, sie auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II) nach Italien abzuschieben.

2

1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Maßgabe ab, dass die angeordnete Abschiebung unter Berücksichtigung einer zweimonatigen "Mutterschutzfrist" (in Anlehnung an § 6 MuSchG) nicht vor dem 1. Mai 2014 vollzogen werden dürfe. Eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung bestehe nicht. Weder sei ein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben, noch lägen systemische Mängel des italienischen Asyl- und Aufnahmesystems im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) vor, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber oder Flüchtling tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Systemische Mängel, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gebieten könnten, seien auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle von Italien aufgrund der Auskunftslage derzeit nicht erkennbar (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336).

3

2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 3. April 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG.

4

a) Die Beschwerdeführer befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzbedürftige Dublin-Rückkehrer seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Etwas anderes gelte allenfalls für besonders schutzbedürftige Personen. Allerdings gälten Familien mit beiden Elternteilen in Italien nicht als verletzlich. Auch wenn es zu einer staatlichen Unterbringung kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass sie nicht als Familie untergebracht würden, sondern dass es zu einer Unterbringung von Mutter und Kind in der einen, des Vaters aber in einer anderen Einrichtung komme. Eine Trennung der Familie, um die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung zu erhöhen, könne ihnen jedoch nach Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden. Gerade im Hinblick auf ihr neugeborenes Kind erscheine die Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung und Nahrung dramatisch.

5

b) Das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgehe, die Berufung auf das Asyl-Grundrecht werde in Dublin-Fällen durch Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen. Die Dublin-Fälle richteten sich vielmehr allein nach der - spezielleren - Vorschrift des Art. 16a Abs. 5 GG und den Vorgaben des - zwischenzeitlich vergemeinschafteten - europäischen Asylsystems. Während Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den materiell-rechtlichen Gewährleistungsinhalt des Grundrechts auf Asyl grundsätzlich einschränke und den Prüfungsmaßstab nach dem Konzept der normativen Vergewisserung festlege, liege der Kompetenzübertragung nach Art. 16a Abs. 5 in Verbindung mit Art. 23 GG die Idee zugrunde, dass die Bundesrepublik den Gewährleistungsinhalt von Art. 16a Abs. 1 GG einer europäischen Zuständigkeitsregelung unterwerfe und zugleich an ihr normsetzend mitwirke. Die Pflichten, die die Bundesrepublik sich mit Art. 16a Abs. 1 GG auferlegt habe, könne sie danach nur soweit delegieren, wie die Verheißung eines im Gebiet der Dublin-Verordnung geltenden Flüchtlingsschutzes im anderen Mitgliedstaat auch wirklich eingelöst werde. Sei dies nicht der Fall, treffe die Bundesrepublik kraft des wechselseitigen und auf Solidarität sowie Mindeststandards beruhenden Lastenausgleichssystems die Rolle eines "Ausfallbürgen". Europäische Asylstandards würden in Italien jedoch nicht gewahrt; nach allem, was über die dortige Situation von Asylbewerbern bekannt sei, würden dort entscheidende Bestimmungen aus der Verfahrens-, Aufnahme- und Qualifikationsrichtlinie ebenso verletzt wie Gewährleistungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK.

6

Aus der Pflicht der Bundesrepublik zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführer bei Überstellung an einen Dublin-Zielstaat keine Rechtsverletzungen an anderen Rechtsgütern erlitten, folge, dass die Bundesrepublik sich derartige Rechtsverletzungen zurechnen lassen müsse. Ihnen drohe in Italien Obdachlosigkeit und eine defiziente Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, die in die reale Gefahr der Verelendung führe; hierin liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es die einfachgesetzlich geltenden Normen der EMRK verfehlt interpretiert habe. In ihrem Falle sei Art. 3 EMRK zu berücksichtigen gewesen, der mit dem Verbot "unmenschlicher" oder "erniedrigender" Behandlung nach allgemeiner Auffassung gerade die Situation der Verelendung umschreibe, die durch den Zielstaat der Überstellung zu unterbleiben habe. Die drohende Trennung der Familie verletze Art. 6 GG.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1. und 2.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des von der Rückführung betroffenen Kleinkindes der Beschwerdeführer zu treffen haben (dazu 3.).

8

1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK rügen, zeigen sie schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Die Beschwerdeführer setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>), des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.

9

2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit und einer Trennung der Eltern von ihrem neugeborenen Kind bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit und Trennung der Familie zu rechnen haben und ihrem Sohn als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).

10

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).

11

a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).

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Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).

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b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).

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Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).

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c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.

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Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten Verordnung Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 der Dublin II-Verordnung und Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.

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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.

(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.

(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.