Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - M 24 S 14.5473

bei uns veröffentlicht am26.02.2015

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500.- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der am … geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger.

Er reiste am … Mai 2011 mit einem bis 14. April 2012 gültigen italienischen Reiseausweis für Ausländer (Titolo di viaggio per stranieri, Bl. 8 d.A.) und einer am 7. Mai 2010 in Rom ausgestellten, bis 7. Mai 2020 gültigen Carta d'identita (Bl. 71 d.A.) in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 29. August 2011 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, die mit Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten B... vom 25. Oktober 2011 abgelehnt wurde. Zugleich wurde der Antragsteller unter Androhung der Abschiebung nach Nigeria zur Ausreise aufgefordert. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts B... am 9. Oktober 2012 zurückgenommen.

Zum 9. Mai 2014 meldete er sich im Einwohnermeldeamt der Gemeinde … an und gab bei seiner Vorsprache am … Juni 2014 an, sich von Mai 2011 bis ca.  Oktober 2011, von Juli 2013 bis Oktober 2013 und von März 2014 bis April 2014 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten zu haben (Bl. 92 d.A.). In den dazwischen liegenden Zeiten sei er nach Italien ausgereist. Am 7. Mai 2014 sei er erneut von Italien kommend nach b... eingereist. Hierzu legte er einen am 15. Oktober 2012 in Rom ausgestellten und bis 31. März 2015 gültigen Reiseausweis für Ausländer (Titolo di viaggio per stranieri, Bl. 88 d.A.) und eine am 22. Oktober 2013 ausgestellte und bis 31. März 2015 gültige Permesso di Soggiorno (Bl. 87 und Bl. 103 d.A.) vor.

Seinen Aufenthalt in … begründete er damit, dass er eine deutsche Staatsangehörige heiraten wolle, woraufhin er vom Landratsamt Freising auf die Erforderlichkeit des Visumsverfahrens hingewiesen wurde (Bl. 116 d.A.).

Am … Juli 2014 heiratete der Antragsteller in Dänemark eine deutsche Staatsangehörige. Am ... August 2014 beantragte er durch seine Bevollmächtigte unter Vorlage eines von der Republik Nigeria am 7. März 2012 ausgestellten und bis 6. März 2017 gültigen Passes (Bl. 125 d.A.), ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Folgende Anzeigen sind in der vorlegten Behördenakte enthalten:

- Strafanzeige des Polizeipräsidenten in b... vom ... Oktober 2012 (Tatzeit ... Oktober 2012) wegen dringendem Tatverdacht des unerlaubten Aufenthalts nach § 95 Abs. 1 Nr.1, 2 AufenthG (Bl. 66 d.A.) => Ausgang unbekannt

- Strafanzeige der VPI … vom … April 2014 (Tatzeit ... April 2014) wegen dringendem Tatverdacht der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet nach § 95 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AufenthG (Bl. 174 d.A.) => Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO wegen Geringfügigkeit (Bl. 196 d.A.)

- Ermittlung des Kriminalfachdezernats * m... vom … August 2014 (Tatzeit ... August 2014) wegen Verdacht eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (Bl. 142 d.A.) => Strafbefehl des Amtsgerichts M... vom … September 2014, abgeändert im Hinblick auf die Höhe der Tagessätze durch Beschluss des Amtsgerichts m... vom … November 2014, Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen zu 15,00 Euro wegen vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG (Bl. 275-279 d.A.)

- Ermittlung des Kriminalfachdezernats * m... vom … August 2014 (Tatzeit … August 2014) wegen dringendem Tatverdacht des illegalen Aufenthalts ohne Aufenthaltstitel nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (Bl. 141 d.A.) => Ausgang unbekannt

- Antrag der Staatsanwaltschaft l... vom … Oktober 2014 (Tatzeit ... August 2014) auf Erlass eines Strafbefehls beim Amtsgerichts f... wegen unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubten Aufenthalt (§ 95 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AufenthG) zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen ä 9,00 Euro (Bl. 221 d.A.) => Einstellung des Verfahrens mit Zustimmung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gemäß § 153 Abs. 2 StPO (Bl. 264 d.A.)

Mit streitgegenständlichen Bescheid vom 10. November 2014 lehnte das Landratsamt Freising den gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 1), stellte fest, dass der Antragsteller verpflichtet ist, die Bundesrepublik Deutschland 30 Tage nach Zustellung des Bescheides zu verlassen (Nr. 2) und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Nigeria oder in einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten Staat an (Nr. 3).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) abzulehnen war, da der Antragsteller ohne das nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche Visum in das Bundesgebiet eingereist sei. Eine Einreise in das Bundesgebiet unter Nutzung des Visumsprivilegs des Art. 21 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 (Schengener Übereinkommen - SDÜ) sei zwar grundsätzlich keine unerlaubte Einreise i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und ausreichend für einen kurzfristigen Aufenthalt. Wird jedoch, wie vorliegend, ein längerfristiger bzw. dauerhafter Aufenthalt angestrebt, sei nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ein nationales Visum erforderlich, das der Erteilung vor der Einreise und der vorherigen Zustimmung der Ausländerbehörde bedarf (§ 31 Satz 1 Nr. 1 AufenthV).

Auf die Ausnahmevorschrift des § 39 Abs. 3 AufenthV könne sich der Antragsteller nicht berufen, da die Ehe in Dänemark geschlossen wurde und ein ggf. vorliegender Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht nach, sondern vor der letzten Einreise in das Bundesgebiet entstanden sei. Des Weiteren liege durch die fortgesetzte Straffälligkeit des Antragstellers kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2, § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG).

Von der Erfüllung der Visumspflicht könne auch nicht abgesehen werden, weil weder die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 noch der Alternative 2 vorlägen. Der Antragsteller habe wegen seiner fortgesetzten Straffälligkeit keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2, § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Zudem sei der Antragsteller bei seiner Vorsprache am … Juli 2014 auf das verpflichtend vorgeschriebene Visumsverfahren hingewiesen worden, habe aber dennoch keinen Visumsantrag gestellt, sondern sei erneut (von Dänemark kommend) in Kenntnis der Visumspflicht in das Bundesgebiet eingereist, womit der Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt sei.

Selbst wenn ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehen sollte, werde das Ermessen dahingehend ausgeübt, dass den Einreisebestimmungen der Bundesrepublik Deutschland, auch aus generalpräventiven Aspekten, der Vorrang vor der nur kurzfristigen Rückkehr in das Herkunfts- bzw. Heimatland gegeben werde. Die familiären Bindungen im Bundesgebiet würden dabei berücksichtigt (Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG)). Die Trennung von der Ehefrau sei nicht dauernd, sondern nur vorübergehend zur Nachholung des Visumsverfahrens. Auch der Umstand, dass die Ehefrau psychisch erkrankt und Erwerbsunfähigkeitsrentnerin sei, ändere daran nichts, da seitens des zuständigen Amtsgerichts eine Betreuerin bestellt und damit sichergestellt sei, dass diese abhängig vom Grad der Behinderung entsprechende Unterstützung bei der Lebensführung erhalte.

Besondere Umstände des Einzelfalls, die eine Nachholung des Visumsverfahrens durch den Antragsteller unzumutbar machen würden, seien nicht ersichtlich. Der Antragsteller lebe erst seit August 2014 (erneut) in Deutschland, die Ehe sei erst von kurzer Dauer und der Antragsteller habe bewusst die Einreisevorschriften umgangen. Eine durch die Nachholung des Visumsverfahrens bedingte zeitweise Trennung von seiner Ehefrau sei zumutbar. Der Antragsteller befinde sich nicht in einer Sondersituation, die sich deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheide. Die Nachholung des Visumsverfahrens sei auch unter Berücksichtigung der privaten Belange der Ehefrau zumutbar.

Im Übrigen sei der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels auch deshalb abzulehnen, weil der Antragsteller sich nicht auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen könne (§ 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).

Gegen diesen der Bevollmächtigten des Antragstellers am 10. November 2014 per Telefax und am 12. November 2014 per Post zugestellten Bescheid erhob diese mit am 10. Dezember 2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom ... Dezember 2014 Klage und beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2015 zuletzt,

den Bescheid des Beklagten vom 10. November 2014 - in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten vorgenommenen Änderung -aufzuheben und den Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Zugleich wurde beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis und die Abschiebungsandrohung anzuordnen bzw. wiederherzustellen.

Der Antragsteller sei im Besitz eines gültigen italienischen Aufenthaltstitels sowie eines italienischen Fremdenpasses. Er sei nach seinen Angaben anerkannter Asylbewerber in Italien. Nach dem Vorbringen des Antragstellers sei die 3-Monatsfrist bezüglich der Antragsfrist gewahrt, da die Reise nach Dänemark mindestens 2 Tage in Anspruch genommen habe. Das übrige Vorbringen im Bescheid werde mit Nichtwissen bestritten. Der Antragsteller spreche kein Deutsch. Es sei davon auszugehen, dass die Gespräche mit seiner Ehefrau geführt wurden. Diese habe die geführten Gespräche anders als im Bescheid dargestellt verstanden. Dies könne nicht zu Lasten des Antragstellers gehen. Es sei auch nicht dargetan, inwieweit eine Abschiebung des Antragstellers die Gesundheit seiner Ehefrau weiter belasten würde. Es seien zumindest viele Fragen offen, die in einer Hauptverhandlung zu klären seien. Das dem Antragsgegner gesetzlich obliegende Ermessen sei nicht bzw. nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden.

Der Antragsgegner beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Die Klagebegründung enthalte kein Vorbringen, das nicht bereits im angefochtenen Bescheid behandelt sei. Hinsichtlich der Notwendigkeit des vorherigen Visumsverfahrens vor einer Einreise zum Daueraufenthalt werde auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Juli 2014 (Az.: 10 CS 14.1524, 10 C 14.1535) verwiesen.

Es habe nicht geklärt werden können, ob der Antragsteller in Italien die Rechtsstellung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GK) genieße (Bl. 111 d.A.). Festzustellen sei, dass der vorgelegte Titolo Di Viaggio Per Stranieri Nr. … (Bl. 152 d.A.) nicht dem Passmuster nach Art. 28 GK entspreche, so dass hierdurch nachgewiesen sei, dass der Antragsteller eben gerade nicht Flüchtling im Sinne des Abschnitt A der GK sei. Wäre von der Flüchtlingseigenschaft auszugehen, so sei diese durch die Annahme eines Nationalpasses (Bl. 151 d.A.) spätestens am 7. März 2012 erloschen (Art. 1 Abschnitt C Ziffer 1 GK). Auch sei § 18 AufenthV nicht einschlägig, da kein Kurzaufenthalt i.S.d. § 15 AufenthV, § 17 AufenthV, Art. 20 Abs. 1 SDÜ, Art. 5 Abs. 1 SGK beabsichtigt sei. Des Weiteren liege kein Reiseausweis für Flüchtlinge vor.

Der Antragsteller sei mehrfach über seine ausländerrechtliche Situation belehrt worden. Die Gespräche seien in englischer Sprache geführt worden. Auf Nachfrage habe der Antragsteller jeweils angegeben, den Sachverhalt verstanden zu haben. Er habe im Gespräch mehrfach nachgehakt bzw. sich über alternative Vorgehensweisen hinsichtlich einer Einreise in das Bundesgebiet informiert. Die Amtssprache sei deutsch (Art. 23 Abs. 1 BayVwVfG). Der Antragsteller hätte bei Verständigungsschwierigkeiten jederzeit einen Dolmetscher mitbringen können. Im Übrigen wäre der Antragsteller selbst verpflichtet gewesen, sich über die die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften zu informieren.

Mit Schriftsatz vom … Januar 2015 ergänzte die Bevollmächtigte des Antragstellers ihre Klage- und Antragsbegründung dahingehend, dass dem Anspruch des Antragstellers auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis nicht entgegenstehe, dass er ohne Visum eingereist sei (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG), da von der Durchführung des erforderlichen Visumsverfahrens im Ermessenswege nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzusehen sei. Dem Antragsteller sei die Nachholung des Visumsverfahrens unzumutbar. Zwar entspreche es ständiger Rechtsprechung des BayVGH, dass es einem Ausländer, der ohne das erforderliche Visum in die Bundesrepublik eingereist sei, grundsätzlich zumutbar sei, das Visumsverfahren nachzuholen, auch wenn er mit einer Deutschen verheiratet sei. Eine Trennung für die Dauer des Visums sei nur dann unzumutbar, wenn weitere besondere Umstände im Einzelfall vorlägen, etwa wenn einer der Ehegatten aufgrund individueller Besonderheit mehr als im Regelfall auf persönlichen Beistand angewiesen sei. Erfülle die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen sei, und könne dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar sei, so dränge die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück. Dies könne selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat. Irrelevant sei dabei, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe von anderen Personen erbracht werden könne (BVerfG, B.v. 17.05.2011 - 2 BvR 2625/10 - juris Rn. 15).

Das sei vorliegend der Fall: Der Gesundheitszustand der Ehefrau habe sich massiv verschlechtert, sie sei auf die Lebenshilfe ihres Ehemannes angewiesen. Sie sei aufgrund ihres Leidens unter gesetzlicher Betreuung und auf Sozialleistungen angewiesen, da sie wegen Krankheit dauernd erwerbsgehindert sei. Er werde beantragt, den behandelnden Arzt sowie die geistliche (gemeint wohl gesetzliche) Betreuerin der Ehefrau des Antragstellers zum Beweisthema: „Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Ehefrau bei Rückschiebung des Klägers“ zu vernehmen. Die Ehefrau des Antragstellers sei derzeit in einem Psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

Zudem wurde Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Unterzeichnenden beantragt. Nach Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch den Antragsteller am 16. Februar 2015 wurde diesem mit Beschluss vom selben Tag (M 24 K 14.5471 und M 24 S 14.5473) für das Klage- und für das Antragsverfahren ab dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife (16. Februar 2015) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten bewilligt.

In der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2015 änderte der Antragsgegner die in Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheides vom 10. November 2014 angedrohte Abschiebung dahingehend ab, dass der angedrohte Zielstaat „Nigeria“ durch den Zielstaat „Italien“ ersetzt wurde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten M 24 K 14.5471 und M 24 S 14.5473 und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte (Bl. 1-259) verwiesen.

1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist zulässig, da die erhobene Klage gegen die Ablehnung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis und gegen die Ausreisaufforderung und Abschiebungsandrohung keine aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz - VwZVG).

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im Bescheid des Antragsgegners vom 10. November 2014 - in Gestalt der durch den Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2015 vorgenommenen Änderung - rechtmäßig ist und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Aus diesem Grund hat das Gericht mit Urteil vom 26. Februar 2015 (M 24 K 14.5471) die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. November 2014 abgewiesen.

3. Der Antragsteller hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, der mit dem Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag identisch ist, keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug als Ehegatte einer Deutschen nach §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

3.1. Einem solchen Anspruch steht § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG entgegen, wonach auch für den Ehegattennachzug zu einem Deutschen Voraussetzung ist, dass sich der Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Dabei setzt die von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geforderte Fähigkeit voraus, dass der Ehegatte über mündliche und schriftliche Grundkenntnisse der deutschen Sprache auf der Stufe A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens des Europarats für Sprachen verfügt (BVerwG, U.v. 30.03.2010 - 1 C 8/09 - juris 3. Leitsatz).

3.1.1. Dass der Antragsteller über derartige Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt, hat er selbst nicht vorgetragen. Seine Bevollmächtigte hat vielmehr in der Klage- und Antragsschrift vom ... Dezember 2014 ausdrücklich ausgeführt, dass der Antragsteller kein Deutsch spricht und davon auszugehen sei, dass die Gespräche des Antragstellers mit dessen Ehefrau geführt worden sind, da diese deutsch spricht. Der Antragsteller hat auch nicht die Gelegenheit genutzt, dem Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2015 eventuell vorhandene einfache Grundkenntnisse der deutschen Sprache darzulegen, da er zum Verhandlungstermin nicht erschienen ist.

3.1.2. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG getroffene Regelung zum Spracherfordernis beim Ehegattennachzug zu Ausländern auf den Ehegattennachzug zu Deutschen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG nur entsprechend anzuwenden ist, und nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die verfassungskonforme Auslegung von § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG gebietet, von diesem Erfordernis vor der Einreise abzusehen, wenn Bemühungen um den Spracherwerb im Einzelfall nicht möglich, nicht zumutbar oder innerhalb eines Jahres nicht erfolgreich sind (BVerwG, U.v. 04.09.2012 - 10 C 12/12 - juris 1. Leitsatz). Ungeachtet der Frage, ob ein Absehen von diesem Erfordernis auf Fallkonstellationen wie die vorliegende, in der sich der Betreffende bereits im Bundesgebiet befindet, überhaupt Anwendung findet, hat der Antragsteller nicht dargetan, dass und eventuell weshalb der Erwerb einfacher Grundkenntnisse der deutschen Sprache für ihn nicht möglich oder nicht zumutbar oder innerhalb eines Jahres - trotz entsprechender Bemühungen - nicht erfolgreich gewesen ist. Soweit durch die Bevollmächtigte des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung angeklungen ist, dass der Antragsteller kein Geld für Sprachkurse hat, ist dem entgegenzuhalten, dass sich der Antragsteller bereits von Mai 2011 an immer wieder im Bundesgebiet aufgehalten hat und seit … Juli 2014 mit einer Deutschen verheiratet ist, die dem Vorbringen seiner Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2015 zufolge sogar selbst Deutschkurse anbietet, so dass der Erwerb einfacher deutscher Sprachkenntnisse bzw. ein Bemühen darum auch insoweit hätte möglich sein können. Im Übrigen hat auch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 4. September 2012 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Absehen vom Nachweis des Spracherfordernisses nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor der Einreise den ausländischen Ehepartner nicht von den Bemühungen enthebt, die gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse nach der Einreise zu erwerben, um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erhalten (BVerwG, U.v.04.09.2012 - 10 C 12/12 - juris Rn 29).

3.1.3. Das Spracherfordernis nach § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist vorliegend auch nicht nach § 30 Abs. 1 Satz 3 AufenthG für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, weil die Voraussetzungen der genannten Vorschrift nicht vorliegen.

3.2. Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG steht des Weiteren entgegen, dass der Antragsteller ohne das erforderliche Visum ins Bundesgebiet eingereist ist.

3.2.1. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumsantrag gemacht hat. Für den von ihm angestrebten Daueraufenthalt im Bundesgebiet wäre, wie vom Antragsgegner im Bescheid vom 10. November 2014 zutreffend ausgeführt wurde, ein vor der Einreise erteiltes Visum erforderlich gewesen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).

3.2.2. Ein Absehen vom Visumsverfahren nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG kommt vorliegend nicht in Betracht, weil der Antragsteller, wie oben bereits dargelegt, keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat, da er das Spracherfordernis nach § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt.

3.2.3. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG kann vom erforderlichen Visumsverfahren abgesehen werden, wenn es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumsverfahren nachzuholen. Dass im vorliegenden Fall solche besonderen Umstände vorliegen, die eine Ermessensentscheidung der Behörde eröffnen könnten, hat der Antragsteller jedoch nicht dargelegt. Der Beklagte ist in seinem Bescheid vom 10. November 2014 zu Recht davon ausgegangen, dass solche Umstände nicht vorliegen.

Auch im Hinblick auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkung einer ehelichen Beistandsgemeinschaft ergibt sich nichts anderes. Zwar verpflichtet Art. 6 Abs. 1 i.V.m Abs. 2 Grundgesetz (GG) die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und angemessen zur Geltung zu bringen. Ist ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück. Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor der Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat. Irrelevant ist dabei, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe von anderen Personen erbracht werden kann (BVerfG, B.v. 17.05.2011 - 2 BvR 1367/10 und 2 BvR2625/10 - juris). Allerdings ist es auch in diesen Fallkonstellationen erforderlich, dass der Antragsteller zumindest erklärt, wie das eheliche Zusammenleben auch durch eine vorübergehende Trennung unzumutbar gestört werden würde, wofür auch der Umfang etwaiger Betreuungsleistungen einen Anhaltspunkt bietet. Hierfür besteht einmal mehr Anlass, wenn der im Inland lebende Ehegatte schon seit längerem an den Folgen einer Krankheit leidet und bislang ohne die eheliche Lebensgemeinschaft sein Schicksal bewältigen konnte (BVerfG, B.v 17.05.2011 - 2 BvR 2625/10 - juris Rn.7).

Derartiges hat der Antragsteller jedoch nicht dargetan. Ausweislich der vorgelegten Behördenakten stand die Ehefrau des Antragstellers schon zum Zeitpunkt der Heirat mit dem Antragsteller unter Betreuung und war - zumindest zeitweise - in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Von seiner Bevollmächtigten wurde hierzu im Schreiben vom … Januar 2015 zwar ausgeführt, dass sich der Gesundheitszustand der Ehefrau massiv verschlechtert habe und sie auf die Lebenshilfe ihres Ehemannes, des Antragstellers, angewiesen sei. Zum Beweis dafür, dass sich der Gesundheitszustand der Ehefrau bei Rückschiebung des Antragstellers verschlechtern würde, wurde die Einvernahme des behandelnden Arztes sowie der geistlichen (gesetzlichen) Betreuerin der Ehefrau beantragt. Welche konkreten Unterstützungsleistungen der Antragsteller für seine Ehefrau erbringt und inwiefern durch das kurzzeitige Wegfallen dieser Unterstützungsleistungen das eheliche Zusammenleben unzumutbar gestört würde, hat der Antragsteller hingegen nicht vorgetragen. Die Gelegenheit, dies dem Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2015 darzulegen, hat der Antragsteller nicht genutzt, da er zum Verhandlungstermin nicht erschienen ist. Eine Einvernahme des behandelnden Arztes oder der geistlichen (gesetzlichen) Betreuerin der Ehefrau des Antragstellers zur Frage der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes bei Rückschiebung des Antragstellers hätte diesen fehlenden Sachvortrag auch nicht ersetzen können. Dem Antragsteller bleibt es im Übrigen unbenommen, eine Abschiebung durch eine vorübergehende freiwillige Ausreise zu vermeiden.

3.2.4. Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel (ohne vorherige Ausreise) im Bundesgebiet eingeholt oder verlängert werden (Abschnitt 4 der Aufenthaltsverordnung -AufenthV). Da die Voraussetzungen der dort angeführten Vorschriften vorliegend jedoch nicht erfüllt sind, kommt ein Absehen vom Visumsverfahren auch insoweit nicht in Betracht. So kann sich der Antragsteller als nigerianischer Staatsangehöriger - ungeachtet der weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift - nicht auf § 39 Nr. 3 AufenthV berufen, da Nigeria nicht im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 (EG-VisaVO) aufgeführt ist. Mangels Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kommt eine Einholung des Aufenthaltstitels im Bundesgebiet auch nicht über § 39 Nr. 6 AufenthV in Betracht.

3.3. Da der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG sowohl die fehlenden Sprachkenntnisse (siehe oben 3.1.) als auch das erforderliche Visumsverfahren (siehe oben 3.2.) entgegensteht, kommt es darauf, ob der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zudem das Vorliegen von Ausweisungsgründen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 und § 54 Nr. 3 AufenthG entgegensteht und ob der Lebensunterhalt des Antragstellers gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), nicht entscheidungserheblich an. Ob vorliegend eine Ausnahme vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG oder des § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gegeben ist, braucht ebenso wenig erörtert zu werden wie die Frage, ob der Beklagten sein Ermessen im Hinblick auf § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in rechtmäßiger Weise ausgeübt hat (§ 114 VwGO).

4. Da der Antragsteller kein Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik Deutschland besitzt, ist er vollziehbar ausreisepflichtig (§§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2, 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Die Abschiebungsandrohung in Gestalt der durch den Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2015 vorgenommenen Änderung, durch die der Zielstaat „Nigeria“ durch den Zielstaat „Italien“ ersetzt wurde, entspricht den gesetzlichen Bestimmungen (§ 59 AufenthG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der unterliegende Teil hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 28 Familiennachzug zu Deutschen


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen 1. Ehegatten eines Deutschen,2. minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,3. Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorgezu erteilen, wenn der Deutsche seinen ge

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 50 Ausreisepflicht


(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. (2) Der Ausländer hat da

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 84 Wirkungen von Widerspruch und Klage


(1) Widerspruch und Klage gegen 1. die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,1a. Maßnahmen nach § 49,2. die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,2a. Auflagen zur Sicherun

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 27 Grundsatz des Familiennachzugs


(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verläng

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 95 Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,2. ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet a

Strafprozeßordnung - StPO | § 153 Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit


(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 30 Ehegattennachzug


(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn1.beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,2.der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und3.der Ausländera)eine Nied

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 6 Visum


(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden: 1. ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 1 Betäubungsmittel


(1) Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen. (2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrat

Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 39 Verlängerung eines Aufenthalts im Bundesgebiet für längerfristige Zwecke


Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn1.er ein nationales Visum (§ 6 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes) oder eine Aufenthaltserlaubnis besit

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 14 Unerlaubte Einreise; Ausnahme-Visum


(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er 1. einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,2. den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,2a. zwar ein nach § 4 erforderliche

Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 31 Zustimmung der Ausländerbehörde zur Visumerteilung


(1) Ein Visum bedarf der vorherigen Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde, wenn1.der Ausländer sich zu anderen Zwecken als zur Erwerbstätigkeit oder zur Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche länger als 90 Tage

Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 15 Gemeinschaftsrechtliche Regelung der Kurzaufenthalte


Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern für Kurzaufenthalte richtet sich nach dem Recht der Europäischen Union, insbesondere dem Schengener Durchführungsübereinkommen und der Verordnung

Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 17 Nichtbestehen der Befreiung bei Erwerbstätigkeit während eines Kurzaufenthalts


(1) Für die Einreise und den Kurzaufenthalt sind die Personen nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1806 in der jeweils geltenden Fassung und die Inhaber eines von einem Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitels oder nationalen Visums

Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 18 Befreiung für Inhaber von Reiseausweisen für Flüchtlinge und Staatenlose


Inhaber von Reiseausweisen für Flüchtlinge oder für Staatenlose sind für die Einreise und den Kurzaufenthalt vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit, sofern 1. der Reiseausweis von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Ver

Referenzen - Urteile

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - M 24 S 14.5473 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - M 24 S 14.5473 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - M 24 S 14.5473

bei uns veröffentlicht am 26.02.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 2.500.- EUR festgesetzt. Gründe I. Der am … geborene Antrags

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 04. Sept. 2012 - 10 C 12/12

bei uns veröffentlicht am 04.09.2012

Tatbestand 1 Die Klägerin, eine 1983 geborene afghanische Staatsangehörige, begehrt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 17. Mai 2011 - 2 BvR 1367/10

bei uns veröffentlicht am 17.05.2011

Tenor Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Mai 2010 - 6 B 870/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes. Er wird

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 30. März 2010 - 1 C 8/09

bei uns veröffentlicht am 30.03.2010

Tatbestand 1 Die Kläger, eine türkische Staatsangehörige und ihre fünf - zwischen 1994 und 2006 geborenen - Kinder, begehren die Erteilung von Visa zum Zwecke des Famili
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - M 24 S 14.5473.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - M 24 S 14.5473

bei uns veröffentlicht am 26.02.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 2.500.- EUR festgesetzt. Gründe I. Der am … geborene Antrags

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Aug. 2015 - 10 ZB 15.903

bei uns veröffentlicht am 12.08.2015

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. IV.

Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies

1.
nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen der Wirkungsweise eines Stoffes, vor allem im Hinblick auf das Hervorrufen einer Abhängigkeit,
2.
wegen der Möglichkeit, aus einem Stoff oder unter Verwendung eines Stoffes Betäubungsmittel herstellen zu können, oder
3.
zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Verkehrs mit Betäubungsmitteln oder anderen Stoffen oder Zubereitungen wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit
erforderlich ist. In der Rechtsverordnung nach Satz 1 können einzelne Stoffe oder Zubereitungen ganz oder teilweise von der Anwendung dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung ausgenommen werden, soweit die Sicherheit und die Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs gewährleistet bleiben.

(3) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt in dringenden Fällen zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Stoffe und Zubereitungen, die nicht Arzneimittel oder Tierarzneimittel sind, in die Anlagen I bis III aufzunehmen, wenn dies wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit erforderlich ist. Eine auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassene Verordnung tritt nach Ablauf eines Jahres außer Kraft.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesministerium) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III oder die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu ändern, soweit das auf Grund von Änderungen der Anhänge zu dem Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Februar 1977 (BGBl. II S. 111) und dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe (BGBl. 1976 II S. 1477) (Internationale Suchtstoffübereinkommen) oder auf Grund von Änderungen des Anhangs des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der durch die Richtlinie (EU) 2017/2103 (ABl. L 305 vom 21.11.2017, S. 12) geändert worden ist, erforderlich ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,
2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,
2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder
3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.

(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.

(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden:

1.
ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum),
2.
ein Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen.

(2) Schengen-Visa können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen verlängert werden. Für weitere 90 Tage innerhalb des betreffenden Zeitraums von 180 Tagen kann ein Schengen-Visum aus den in Artikel 33 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG genannten Gründen, zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen als nationales Visum verlängert werden.

(2a) Schengen-Visa berechtigen nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, es sei denn, sie wurden zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt.

(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die ICT-Karte, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU geltenden Vorschriften. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Blauen Karte EU, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU angerechnet.

(4) Ein Ausnahme-Visum im Sinne des § 14 Absatz 2 wird als Visum im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 erteilt.

(1) Ein Visum bedarf der vorherigen Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde, wenn

1.
der Ausländer sich zu anderen Zwecken als zur Erwerbstätigkeit oder zur Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche länger als 90 Tage im Bundesgebiet aufhalten will,
2.
der Ausländer im Bundesgebiet
a)
eine selbständige Tätigkeit ausüben will,
b)
eine Beschäftigung nach § 19c Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes ausüben will oder
c)
eine sonstige Beschäftigung ausüben will und wenn er sich entweder bereits zuvor auf der Grundlage einer Aufenthaltserlaubnis, die nicht der Saisonbeschäftigung diente, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Mobiler-ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis, einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG, einer Duldung oder einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufgehalten hat oder wenn gegen ihn aufenthaltsbeendende Maßnahmen erfolgt sind oder
d)
eine Beschäftigung gemäß § 14 Absatz 1a der Beschäftigungsverordnung ausüben will und dabei einen Fall des § 14 Absatz 1a Satz 2 der Beschäftigungsverordnung geltend macht, oder
3.
die Daten des Ausländers nach § 73 Absatz 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes an die Sicherheitsbehörden übermittelt werden, soweit das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat die Zustimmungsbedürftigkeit unter Berücksichtigung der aktuellen Sicherheitslage angeordnet hat.
Das Visum des Ehegatten oder Lebenspartners und der minderjährigen Kinder eines Ausländers, der eine sonstige Beschäftigung ausüben will, bedarf in der Regel nicht der Zustimmung der Ausländerbehörde, wenn
1.
das Visum des Ausländers nicht der Zustimmungspflicht der Ausländerbehörde nach Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c unterliegt,
2.
das Visum des Ehegatten oder Lebenspartners nicht selbst der Zustimmungspflicht der Ausländerbehörde nach Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a bis c unterliegt,
3.
die Visumanträge in zeitlichem Zusammenhang gestellt werden und
4.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft bereits bei der Visumbeantragung des Ausländers besteht.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 3 gilt die Zustimmung als erteilt, wenn nicht die Ausländerbehörde der Erteilung des Visums binnen zehn Tagen nach Übermittlung der Daten des Visumantrages an sie widerspricht oder die Ausländerbehörde im Einzelfall innerhalb dieses Zeitraums der Auslandsvertretung mitgeteilt hat, dass die Prüfung nicht innerhalb dieser Frist abgeschlossen wird. Dasselbe gilt im Fall eines Ausländers, der eine sonstige Beschäftigung ausüben will, und seiner Familienangehörigen nach Satz 2, wenn das Visum nur auf Grund eines Voraufenthalts im Sinne von Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c der Zustimmung der Ausländerbehörde bedarf. Dasselbe gilt bei Anträgen auf Erteilung eines Visums zu einem Aufenthalt nach § 16b Absatz 1 oder Absatz 5, § 17 Absatz 2 oder § 18d des Aufenthaltsgesetzes, soweit das Visum nicht nach § 34 Nummer 3 bis 5 zustimmungsfrei ist, mit der Maßgabe, dass die Frist drei Wochen und zwei Werktage beträgt.

(2) Wird der Aufenthalt des Ausländers von einer öffentlichen Stelle mit Sitz im Bundesgebiet vermittelt, kann die Zustimmung zur Visumerteilung auch von der Ausländerbehörde erteilt werden, die für den Sitz der vermittelnden Stelle zuständig ist. Im Visum ist ein Hinweis auf diese Vorschrift aufzunehmen und die Ausländerbehörde zu bezeichnen.

(3) Die Ausländerbehörde kann insbesondere im Fall eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, eines öffentlichen Interesses, in den Fällen der §§ 18a, 18b, 18c Absatz 3, §§ 19, 19b, 19c oder 21 des Aufenthaltsgesetzes, in denen auf Grund von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 eine Zustimmung der Ausländerbehörde vorgesehen ist, oder in dringenden Fällen der Visumerteilung vor der Beantragung des Visums bei der Auslandsvertretung zustimmen (Vorabzustimmung).

(4) In den Fällen des § 81a des Aufenthaltsgesetzes ist für die Erteilung der nach § 81a Absatz 3 Satz 1 Nummer 6 des Aufenthaltsgesetzes erforderlichen Vorabzustimmung die Ausländerbehörde zuständig, die für den Ort der Betriebsstätte zuständig ist, an der der Ausländer beschäftigt werden soll.

Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn

1.
er ein nationales Visum (§ 6 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes) oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
er vom Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit ist und die Befreiung nicht auf einen Teil des Bundesgebiets oder auf einen Aufenthalt bis zu längstens sechs Monaten beschränkt ist,
3.
er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Absatz 1 Nummer 1 des Aufenthaltsgesetzes) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind, es sei denn, es handelt sich um einen Anspruch nach den §§ 16b, 16e oder 19e des Aufenthaltsgesetzes,
4.
er eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzt und die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 oder 2 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen,
5.
seine Abschiebung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat,
6.
er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind; § 41 Abs. 3 findet Anwendung,
7.
er seit mindestens 18 Monaten eine Blaue Karte EU besitzt, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellt wurde, und er für die Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung eine Blaue Karte EU beantragt. Gleiches gilt für seine Familienangehörigen, die im Besitz eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug sind, der von demselben Staat ausgestellt wurde wie die Blaue Karte EU des Ausländers. Die Anträge auf die Blaue Karte EU sowie auf die Aufenthaltserlaubnisse zum Familiennachzug sind innerhalb eines Monats nach Einreise in das Bundesgebiet zu stellen,
8.
er die Verlängerung einer ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
9.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie 2014/66/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers (ABl. L 157 vom 27.5.2014, S. 1), und
b)
eine Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
10.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 21), und
b)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder
11.
er vor Ablauf der Arbeitserlaubnis oder der Arbeitserlaubnisse zum Zweck der Saisonbeschäftigung, die ihm nach § 15a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Beschäftigungsverordnung erteilt wurde oder wurden, einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Saisonbeschäftigung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber beantragt; dieser Aufenthaltstitel gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erteilt.
Satz 1 gilt nicht, wenn eine ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt wird.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

Inhaber von Reiseausweisen für Flüchtlinge oder für Staatenlose sind für die Einreise und den Kurzaufenthalt vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit, sofern

1.
der Reiseausweis von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, der Schweiz oder von einem in Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 aufgeführten Staat ausgestellt wurde,
2.
der Reiseausweis eine Rückkehrberechtigung enthält, die bei der Einreise noch mindestens vier Monate gültig ist und
3.
sie keine Erwerbstätigkeit mit Ausnahme der in § 17 Abs. 2 bezeichneten ausüben.
Satz 1 Nr. 2 gilt nicht für Inhaber von Reiseausweisen für Flüchtlinge, die von einem der in Anlage A Nr. 3 genannten Staaten ausgestellt wurden.

Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern für Kurzaufenthalte richtet sich nach dem Recht der Europäischen Union, insbesondere dem Schengener Durchführungsübereinkommen und der Verordnung (EU) 2018/1806 in Verbindung mit den nachfolgenden Bestimmungen.

(1) Für die Einreise und den Kurzaufenthalt sind die Personen nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1806 in der jeweils geltenden Fassung und die Inhaber eines von einem Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitels oder nationalen Visums für den längerfristigen Aufenthalt vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels nicht befreit, sofern sie im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausüben.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, soweit der Ausländer im Bundesgebiet bis zu 90 Tage innerhalb von zwölf Monaten lediglich Tätigkeiten ausübt, die nach § 30 Nummer 2 und 3 der Beschäftigungsverordnung nicht als Beschäftigung gelten, oder diesen entsprechende selbständige Tätigkeiten ausübt. Die zeitliche Beschränkung des Satzes 1 gilt nicht für Kraftfahrer im grenzüberschreitenden Straßenverkehr, die lediglich Güter oder Personen durch das Bundesgebiet hindurchbefördern, ohne dass die Güter oder Personen das Transportfahrzeug wechseln. Die Frist nach Satz 1 beträgt für Tätigkeiten nach § 15a und § 30 Nummer 1 der Beschäftigungsverordnung 90 Tage innerhalb von 180 Tagen. Selbständige Tätigkeiten nach § 30 Nummer 1 der Beschäftigungsverordnung und nach den Sätzen 1 und 2 dürfen unter den dort genannten Voraussetzungen ohne den nach § 4a Absatz 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes erforderlichen Aufenthaltstitel ausgeübt werden.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

1. Die 34jährige Beschwerdeführerin ist bosnische Staatsangehörige. Seit Mai 2010 ist sie mit dem in Deutschland lebenden bosnischen Staatsangehörigen S. verheiratet. Ihr Ehemann verfügt über eine Daueraufenthaltserlaubnis-EG; er ist wegen verschiedener körperlicher und psychischer Erkrankungen betreuungsbedürftig und als schwerbehindert anerkannt. Nachdem die Beschwerdeführerin im Mai 2010 mit einem Schengen-Visum in das Bundesgebiet eingereist war, beantragte sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

3

2. Die Ausländerbehörde lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25. August 2010 ab, wobei sie ausführte, dass die Beschwerdeführerin bei der Einreise nicht im Besitz des notwendigen Visums für den von Anfang an beabsichtigten Daueraufenthalt gewesen sei und von der Einhaltung des Visumerfordernisses nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden könne.

4

3. Die Beschwerdeführerin erhob Klage und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die Nachholung des Visumverfahrens sei ihr wegen der schweren Behinderung ihres Ehemannes unzumutbar. Vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung sei wegen einer atypischen Fallkonstellation abzusehen; der Ehemann sei aufgrund der Behinderung gesundheitlich nicht in der Lage, den Lebensunterhalt zu sichern. Die Beschwerdeführerin könne auch nicht darauf verwiesen werden, die eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen, da ihrem Ehemann ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar sei.

5

4. Mit Beschluss vom 28. September 2010 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab, da die Ausländerbehörde die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in nicht zu beanstandender Weise verneint habe. Die Erkrankungen des Ehemannes hätten bereits vor der Eheschließung bestanden; es sei nicht dargelegt und ersichtlich, weshalb eine Betreuung nunmehr ausschließlich durch die Beschwerdeführerin erfolgen müsse.

6

5. Mit ihrer Beschwerde gegen diese Entscheidung machte die Beschwerde-führerin geltend, dass es nicht darauf ankomme, ob Betreuungsleistungen ausschließlich durch den Ehepartner erbracht würden oder diesbezüglich Alternativen bestünden. Bestehende Erkrankungen des Ehepartners seien von den Behörden und Gerichten nach Art. 6 GG zu berücksichtigen. Aus den vorgelegten Attesten ergebe sich, dass die Nachholung des Visumverfahrens, auch im Hinblick auf die zu erwartende Dauer eines solchen Verfahrens, die Grenze der Zumutbarkeit offensichtlich übersteige. Das Verwaltungsgericht habe sich mit dieser Sach- und Rechtslage schon nicht auseinandergesetzt. Zudem habe es keinerlei Ausführungen dazu gemacht, mit welcher Verfahrensdauer es konkret rechne.

7

6. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Beschluss vom 18. November 2010 zurück: Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG entgegen, dass die Beschwerdeführerin ohne das nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Visum eingereist sei. Es sei nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Ermessenswege von der Einhaltung der Visumpflicht abzusehen, da keine besonderen Umstände vorlägen, die die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar machten. Die Beschwerdeführerin habe nicht dargelegt, in welcher Weise genau eine vorübergehende Abwesenheit ihren Ehemann oder die eheliche Lebensgemeinschaft in der behaupteten gravierenden Weise beeinträchtigen würde, obwohl sie habe erkennen können, dass in diesem Punkt die Notwendigkeit weiteren Vortrags bestanden habe. Dies bedeute nicht, dass sich nur eine Ehefrau, die die Funktionen einer Pflegekraft einnehme, auf die Unzumutbarkeit einer vorübergehenden Trennung berufen könne. Entscheidend sei, ob eine auch nur vorübergehende Trennung im Hinblick auf die konkrete eheliche Verbundenheit für den die Aufenthaltserlaubnis begehrenden Ausländer eine unzumutbare Belastung darstelle. Ein Ausländer in der Situation der Beschwerdeführerin könne grundsätzlich in seinen Rechten aus Art. 6 Abs. 1 GG betroffen sein, ohne dass es letztlich darauf ankomme, ob etwaige Pflegeleistungen nicht auch durch Dritte ersetzt werden könnten. Berufe er sich jedoch auf die krankheitsbedingte Unzumutbarkeit einer Trennung oder die Notwendigkeit einer Betreuung des schon im Inland lebenden Ehegatten, müsse er zumindest erklären, wie das eheliche Zusammenleben auch durch eine nur vorübergehende Trennung unzumutbar gestört werden würde, wofür auch der Umfang etwaiger Betreuungsleistungen einen Anhaltspunkt biete. Hierfür bestehe einmal mehr Anlass, wenn der im Inland lebende Ehegatte schon seit längerem an den Folgen einer Krankheit leide und bislang ohne die eheliche Lebensgemeinschaft sein Schicksal habe bewältigen können. Soweit die Beschwerdeführerin schließlich eine voraussichtliche Dauer des Visumverfahrens von 15 Monaten vortrage, handele es sich um eine unbelegte Behauptung.

8

7. Die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin, mit der sie weitere ärztliche Stellungnahmen sowie eine eidesstattliche Versicherung des Ehepaares zu konkreten Beistandsleistungen vorlegte, wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. November 2010 zurück.

9

8. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen eine Verletzung in Art. 6 Abs. 1 GG. Hieraus folge, dass das Ermessen der Ausländerbehörde nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf Null reduziert sei. Die schwere Erkrankung des Ehemannes der Beschwerdeführerin und die voraussichtlich unabsehbar lange Dauer des Visumverfahrens ließen keine andere Beurteilung zu. Der Verwaltungsgerichtshof entwerte die Ehe und die eheliche Lebensgemeinschaft, indem er diese auf eine Stufe mit Betreuungs- und Beistandsleistungen beliebiger sonstiger Verwandter stelle und den Ehepartner zum beliebig austauschbaren Gesellschafter degradiere. Auch verkenne er die Notwendigkeit festzustellen, welcher Trennungszeitraum den Eheleuten unter den gegebenen Umständen überhaupt zuzumuten sei.

10

9. Das Bundesverfassungsgericht untersagte im Wege der einstweiligen Anordnung der Ausländerbehörde, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde die angedrohte Abschiebung zu vollziehen (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2010 - 2 BvR 2625/10 -).

II.

11

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

12

Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die Versagung von verwaltungsgerichtlichem Eilrechtsschutz ist mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG vereinbar.

13

1. Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>; BVerfGK 2, 190 <193 f.>). Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (vgl. BVerfGK 13, 26 <27> m.w.N.).

14

Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (vgl. BVerfGK 13, 26 <27 f.>). Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (vgl. BVerfGK 13, 562 <567>).

15

Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (vgl. BVerfGE 80, 81 <95> zur Erwachsenenadoption). Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (vgl. BVerfGK 13, 562 <567> m.w.N.). Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Beistandsgemeinschaft als Hausgemeinschaft gelebt wird oder ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe von anderen Personen erbracht werden kann (vgl. BVerfGK 7, 49 <56> m.w.N.).

16

2. Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Versagung von Eilrechtsschutz der verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Jedenfalls der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs trägt den aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen einer ehelichen Beistandsgemeinschaft hinreichend Rechnung.

17

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Ablehnung von Eilrechtsschutz darauf gestützt, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Einreise der Beschwerdeführerin ohne das nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für Daueraufenthalte erforderliche nationale Visum entgegenstehe und die Entscheidung der Ausländerbehörde, von diesem Erfordernis nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht abzusehen, nicht zu beanstanden sei. Der herangezogene Maßstab, eine Trennung wegen Erkrankung oder Betreuungsbedürftigkeit des Ehegatten, zu dem der Ausländer nachziehen wolle, könne den Ausländer grundsätzlich in seinen Rechten aus Art. 6 Abs. 1 GG betreffen, ohne dass es darauf ankomme, ob etwaige Pflegeleistungen nicht auch durch Dritte erbracht werden könnten, steht mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang. Die entscheidungstragende Feststellung, es sei nicht erkennbar, wie das eheliche Zusammenleben auch durch eine nur vorübergehende Trennung unzumutbar gestört werden würde, lässt einen verfassungsrechtlich erheblichen Fehler (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>) bei der Anwendung dieses Maßstabs, insbesondere bei der Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts, nicht erkennen.

18

Ausschlaggebend für den Verwaltungsgerichtshof war, dass er im Zeitpunkt seiner Entscheidung aufgrund der Darlegungen der Beschwerdeführerin ein im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigendes Angewiesensein ihres Ehemannes auf ihre Lebenshilfe nicht erkennen konnte. Die hierfür gegebene Begründung, es fehle an Sachvortrag zu Art und Umfang der Betreuungsbedürftigkeit des Ehemanns sowie dazu, wie sich dessen körperliche Erkrankungen auf die Lebensführung der Eheleute konkret auswirkten, lässt sich anhand der im fachgerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen nachvollziehen. Die Beschwerdeführerin hatte gegenüber der Ausländerbehörde zwar unter Vorlage von Belegen angegeben, ihr Ehemann sei schwerbehindert, schwer psychisch erkrankt und pflegebedürftig; zudem hatte sie im gerichtlichen Eilverfahren ein ärztliches Attest vorgelegt, das die Aussage enthält, ihr Ehemann sei in hohem Maße betreuungsbedürftig. Indes fehlte es an Vorbringen dazu, worin genau diese Betreuungsbedürftigkeit bestehe, und dass die Beschwerdeführerin überhaupt Unterstützungsleistungen zugunsten ihres Ehemannes erbringe. Aussagen hierzu finden sich erstmals in der nach Ergehen des angegriffenen Beschlusses beim Verwaltungsgerichtshof eingereichten eidesstattlichen Versicherung der Eheleute.

19

Die im Entscheidungszeitpunkt vorgenommene Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, mangels hinreichender Darlegung sei nicht feststellbar, dass krankheitsbedingt eine auch nur vorübergehende Trennung der Eheleute unzumutbar sei, ist danach nicht zu beanstanden. Da es auch an hinreichenden Anhaltspunkten für eine unverhältnismäßig lange, die übliche Dauer eines Visumverfahrens übersteigende Trennung der Eheleute fehlte, konnte die Beschwerdeführerin ohne Verfassungsverstoß auf die Nachholung des Visumverfahrens verwiesen werden.

20

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

21

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

Tatbestand

1

Die Kläger, eine türkische Staatsangehörige und ihre fünf - zwischen 1994 und 2006 geborenen - Kinder, begehren die Erteilung von Visa zum Zwecke des Familiennachzugs.

2

Der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 bis 6 ist ebenfalls türkischer Staatsangehöriger. Er kam 1998 nach Deutschland. Nach einem erfolglosen Asylverfahren heiratete er im März 2001 eine deutsche Staatsangehörige und ist inzwischen im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nach Scheidung von seiner deutschen Ehefrau heiratete er im Dezember 2006 die Klägerin zu 1. Zuvor besuchte er - auch während seiner Ehe mit der Deutschen - die Kläger jährlich für einen Monat.

3

Im Juli 2007 beantragten die Kläger die Erteilung von Visa zur Familienzusammenführung. Die Deutsche Botschaft in Ankara lehnte die Anträge im April 2008 ab. Zur Begründung wurde u.a. darauf hingewiesen, dass die Klägerin zu 1 nicht nachgewiesen habe, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können.

4

Im Klageverfahren machten die Kläger geltend, das Erfordernis einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache sei verfassungswidrig, zumindest liege ein besonderer Härtefall vor. Die Klägerin zu 1 könne diese Anforderung nicht erfüllen. Sie sei Analphabetin, lebe im Osten der Türkei in einem Dorf und sei mit der Betreuung ihrer Kinder ausgelastet. In Wohnortnähe sei eine Alphabetisierung nicht möglich, auch würden dort keine Sprachkurse angeboten. Ihrem Ehemann sei eine Rückkehr nicht zuzumuten. Er habe sich in Deutschland eine Existenz und soziale Kontakte aufgebaut. Die Türkei habe er verlassen, weil er sich wegen seines politischen Engagements bedroht gefühlt habe.

5

Mit Urteil vom 17. Februar 2009 hat das Verwaltungsgericht Berlin die Klagen abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Klägerin zu 1 erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug, da sie nicht in der Lage sei, den nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG erforderlichen Nachweis zu erbringen, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können. Dabei könne offen bleiben, welche Kenntnisse im Einzelnen von ihr zu verlangen seien, da sie über keinerlei Deutschkenntnisse verfüge. Ein Ausnahmetatbestand liege nicht vor, insbesondere sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ihr Analphabetismus seine Ursache in einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung habe. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Art. 6 GG gewähre keinen Anspruch auf Aufenthalt. Es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse an einer beschleunigten, übergangslosen Integration des nachziehenden Ehegatten in die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und an der aufenthaltsrechtlichen Verhinderung von Zwangsehen. Die den Ausländer treffenden Belastungen stünden hierzu in einem vernünftigen Verhältnis. Es bestehe kein Anlass für die Befürchtung, der Erwerb von Grundkenntnissen der deutschen Sprache könne einem Ausländer gänzlich unmöglich sein oder so lange dauern, dass dies im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Rang von Ehe und Familie nicht mehr hinnehmbar wäre. Ein Zeitraum von etwa einem Jahr sei mindestens zumutbar. Bei der gebotenen generalisierenden und pauschalierenden Betrachtung bestünden keine Anhaltspunkte, dass es zu einer deutlich längeren Verzögerung des Nachzugs kommen könnte. Die in den Goethe-Instituten angebotenen Kurse dauerten deutlich unter einem Jahr. Grundkenntnisse einer fremden Sprache ließen sich auch mit Hilfe von Audio- und Videosprachkursen erwerben und vertiefen. Zudem könne sich der Ausländer in der Regel der Hilfe seines hier lebenden Ehegatten bedienen. Auch die Teilnahme an Sprachkursen in vom Wohnort weiter entfernten Regionen des Heimatlandes und eine Alphabetisierung seien zumutbar. Es bestehe kein Anlass für die Annahme, dass der Spracherwerb einschließlich einer Alphabetisierung hier einen deutlich längeren als den genannten Zeitraum beanspruche. Es sei davon auszugehen, dass in der Türkei Möglichkeiten der Alphabetisierung bestünden und angeboten würden. Das Spracherfordernis verletze auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Soweit § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG Ehegatten bestimmter Staatsangehöriger den Nachzug ohne Nachweis von Sprachkenntnissen gestatte, diene dies der Erfüllung zwischenstaatlicher Vereinbarungen bzw. der Wahrung öffentlicher Interessen. Außenpolitische Rücksichtnahmen seien geeignet, eine Bevorzugung von Ausländern aus einzelnen Ländern zu rechtfertigen. Die weiteren Ausnahmeregelungen beruhten auf einem entsprechenden öffentlichen Interesse, gewichtigen humanitären Gründen bzw. europarechtlichen Vorgaben. Es seien auch keine Anhaltspunkte für eine besondere Härte erkennbar, die im Hinblick auf Art. 6 GG eine verfassungskonforme Auslegung oder analoge Anwendung der gesetzlichen Ausnahmeregelungen erfordere. Soweit der Spracherwerb aufgrund der persönlichen Umstände eine erhebliche eheliche Belastung mit sich bringe, liege dies im alleinigen Verantwortungsbereich der Klägerin zu 1 und ihres Ehemanns. Diesem könne zugemutet werden, zur Vermeidung dieser Belastung zu seiner Familie zurückzukehren. Er habe 32 Jahre in der Türkei verbracht und sei mit der dortigen Kultur und Lebensweise vertraut. Seine Bindungen zur Türkei und zu seiner dortigen Familie habe er nie aufgegeben. Trotz seines Asylantrages habe er auch keine Bedenken oder Probleme gehabt, regelmäßig in die Türkei zurückzukehren; er habe diese stets unbehelligt wieder verlassen können. Zwar sei er in Deutschland gut integriert und müsste eine sichere Arbeitsstelle und ein geregeltes Einkommen aufgeben. Vor den mit einer Rückkehr verbundenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten biete aber auch Art. 6 GG keinen Schutz. Habe die Klägerin zu 1 keinen Nachzugsanspruch, scheide auch eine Visumerteilung zu Gunsten der Kläger zu 2 bis 6 aus, da ihr Vater nicht allein personensorgeberechtigt sei. Ein Härtefall nach § 32 Abs. 4 AufenthG sei nicht ersichtlich.

6

Mit den vom Verwaltungsgericht zugelassenen (Sprung-)Revisionen machen die Kläger insbesondere geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht Art und Umfang der zu erwerbenden Sprachkenntnisse ausgeblendet. Dies wirke sich auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelung aus. Es seien nur mündliche Kenntnisse auf der untersten Leistungsstufe ("Deutsch A 1") nachzuweisen. Auch dies sei der Klägerin zu 1 nicht möglich. Der vom Verwaltungsgericht angenommene Zeitraum für das Erlernen der deutschen Sprache einschließlich einer Alphabetisierung sei zu kurz, hierfür seien mindestens drei Jahre zu veranschlagen. Das Erfordernis, bereits im Visumverfahren einfache Sprachkenntnisse nachzuweisen, verstoße gegen Art. 6 GG. Dabei sei unerheblich, ob der Ehemann in die Türkei zurückkehren könne. Der Nachweis verhindere keine Zwangsehen und spiele allenfalls eine geringe Rolle bei der Integration. Außerdem stellten Integrationskurse nach der Einreise ein milderes Mittel dar. Fraglich sei auch die Vereinbarkeit mit Art. 3 GG hinsichtlich der Privilegierung von EU-Ausländern gegenüber deutschen Staatsangehörigen und hinsichtlich der Privilegierung bestimmter Staaten, deren Angehörige ohne Visum einreisen dürften, sowie die Vereinbarkeit mit der Familienzusammenführungsrichtlinie, die zwischen "Integrationsmaßnahmen" und "Integrationsbedingungen" differenziere. Auch Art. 8 EMRK verbiete eine Trennung, die die 2-Jahres-Frist deutlich überschreite.

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Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die (Sprung-)Revisionen der Kläger haben keinen Erfolg. Gegenstand des Verfahrens sind ihre Begehren auf Erteilung nationaler Visa zum Familiennachzug. Das Verwaltungsgericht hat im Einklang mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) dahin erkannt, dass die Klägerin zu 1 nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ehegattennachzug erfüllt (1.). Damit entfällt auch ein Nachzugsanspruch der Kläger zu 2 bis 6 (2.).

9

1. Nach § 6 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG setzt ein Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zu einem Ausländer (u.a.) voraus, dass der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann.

10

1.1 Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass diese mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - Richtlinienumsetzungsgesetz - (BGBl I S. 1970) zum 28. August 2007 ohne Übergangsregelung in das Aufenthaltsgesetz eingefügte Nachzugsvoraussetzung auch für Altfälle gilt, in denen der Antrag - wie hier - vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung gestellt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz abzustellen (vgl. Urteile vom 16. Juni 2004 - BVerwG 1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86 <88> m.w.N.; vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329, Leitsatz 3 u. Rn. 37 ff. und vom 1. Dezember 2009 - BVerwG 1 C 32.08 - juris Rn. 12).

11

1.2 Die Klägerin zu 1 verfügt unstreitig über keinerlei Deutschkenntnisse und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.

12

1.2.1 Das Erfordernis, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, umschreibt das für einen Nachzugsanspruch erforderliche Sprachniveau. Der Ehegatte muss in der Lage sein, sich auf "zumindest rudimentäre Weise" in Deutsch zu verständigen (BTDrucks 16/5065 S. 174). Nach Nr. 30.1.2.1. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl S. 878) - VV AufenthG - entspricht diese Anforderung der Definition des Sprachniveaus der Stufe A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens des Europarats für Sprachen (GER). Hiervon gehen auch die Beteiligten aus. Diese beinhaltet als unterstes Sprachniveau folgende sprachliche Fähigkeiten:

"Kann vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze verstehen und verwenden, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse zielen. Kann sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen - z.B. wo sie wohnen, was für Leute sie kennen oder was für Dinge sie haben - und kann auf Fragen dieser Art Antwort geben. Kann sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartnerinnen oder Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen."

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Diese Umschreibung ist geeignet, die in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geforderte Fähigkeit der Verständigung in deutscher Sprache auf einfache Art näher zu bestimmen. Sie macht insbesondere deutlich, dass an die sprachlichen Fähigkeiten keine überhöhten Forderungen gestellt werden dürfen.

14

1.2.2 Die Fähigkeit, sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, umfasst auch Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache. Der Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist insoweit zwar nicht eindeutig. Denn "Sprache" kann sich als Mittel der Kommunikation auch lediglich auf die gesprochene und gehörte Sprache beziehen (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 5 C 17.05 - Buchholz 130 § 11 StAG Nr. 2). Gleiches gilt für den Begriff "Verständigung". Dass beim Ehegattennachzug auch Grundkenntnisse der Schriftsprache gefordert werden, ergibt sich jedoch aus einem Vergleich der Regelung mit anderen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes, die bestimmte Kenntnisse der deutschen Sprache verlangen. Dem ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber es klar zum Ausdruck bringt, wenn (ausnahmsweise) mündliche Kenntnisse genügen. So ist etwa für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG erforderlich, dass der Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (übergangsweise nach § 104 Abs. 2 AufenthG oder dauerhaft nach § 9 Abs. 2 Satz 5 AufenthG) reicht es aus, wenn er sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann. Auch bei der Altfallregelung in § 104a AufenthG ist ausdrücklich klargestellt, dass der Ausländer nur über mündliche Kenntnisse verfügen muss. Dass § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nach dem Willen des Gesetzgebers auch Grundkenntnisse der Schriftsprache voraussetzt, ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass er mit Einfügung dieser Vorschrift zugleich die bisherige Beschränkung auf mündliche Sprachkenntnisse bei § 28 Abs. 2 AufenthG aufgegeben und dies mit einer Angleichung an die Voraussetzungen des Erfordernisses einfacher Deutschkenntnisse beim Ehegattennachzug begründet hat (BTDrucks 16/5065 S. 171 f.). Die Erstreckung des Spracherfordernisses auf Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache entspricht auch Sinn und Zweck des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Mit der Anforderung, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, sollen die Betroffenen dazu angeregt werden, sich bereits vor ihrer Einreise einfache Deutschkenntnisse anzueignen, um dadurch ihre Integration im Bundesgebiet zu erleichtern. Daneben dient die Vorschrift ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Bekämpfung von Zwangsverheiratungen. Diese sollen - präventiv - zumindest erschwert werden. Außerdem soll der Spracherwerb - im Nachhinein - den Opfern ein eigenständiges Sozialleben in Deutschland ermöglichen (BTDrucks 16/5065 S. 173 f.). Eine zügige Integration in die hiesigen Verhältnisse setzt jedoch voraus, dass der Ausländer jedenfalls einfache Sätze in deutscher Sprache lesen und schreiben kann, da dieser Form der Kommunikation in vielen Bereichen eine große Bedeutung zukommt. Grundkenntnisse der Schriftsprache erleichtern Opfern von Zwangsverheiratungen zudem die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten und eigenständige soziale Entfaltungsmöglichkeiten.

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1.3 Die Klägerin zu 1 erfüllt nicht die Voraussetzungen, unter denen - nach § 30 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG - ausnahmsweise von dem Spracherfordernis abgesehen werden kann.

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1.3.1 Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 1 sich insbesondere nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG berufen kann. Danach ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG unbeachtlich, wenn der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass auch kranken und behinderten Ausländern ein Ehegattennachzug möglich sein muss (BTDrucks 16/5065 S. 175). Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit im Revisionsverfahren bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Klägerin zu 1 der Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht möglich ist. Auch ihr Analphabetismus hat seine Ursache danach nicht in einer Krankheit oder Behinderung. Die mit einer Erstalphabetisierung im Erwachsenenalter allgemein verbundenen Schwierigkeiten reichen für eine Ausnahme nach dieser Vorschrift nicht aus.

17

1.3.2 Die Klägerin zu 1 erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG. Danach gilt das Spracherfordernis nicht, wenn der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Wortlaut und Systematik des § 30 AufenthG ist zu entnehmen, dass die visumrechtliche Privilegierung nicht beim nachziehenden, sondern bei dem bereits in Deutschland lebenden, stammberechtigten Ehegatten vorliegen muss. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da der Ehemann der Klägerin zu 1 als türkischer Staatsangehöriger visumrechtlich nicht privilegiert ist. Türkische Staatsangehörige bedürfen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, vom 15. März 2001 (ABl EG Nr. L 81 S. 1), und deren Anhang I für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet grundsätzlich eines Visums.

18

1.4 Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln für türkische Staatsangehörige. Das Spracherfordernis verstößt weder gegen Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP - noch gegen Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ANBA 1981 S. 4) - ARB 1/80 -. Ebenso wenig kann die Klägerin zu 1 unter Berufung auf diese Vorschriften und die türkische Staatsangehörigkeit ihres Ehemanns die Ausnahmeregelung in § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG für sich in Anspruch nehmen.

19

1.4.1 Art. 41 Abs. 1 ZP bestimmt, dass die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen werden. Diese Stillhalteklausel entfaltet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung, so dass sich türkische Staatsangehörige vor den nationalen Gerichten auf die Rechte, die diese Bestimmung ihnen verleiht, berufen können, um die Anwendung entgegenstehender Vorschriften des innerstaatlichen Rechts auszuschließen (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 2007 - Rs. C-16/05, Tum und Dari - Slg. 2007, I-07415 Rn. 46 m.w.N.). Art. 41 Abs. 1 ZP verbietet aber nur neue Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs. Die Stillhalteklausel verleiht einem türkischen Staatsangehörigen dagegen kein eigenständiges Aufenthaltsrecht und berührt nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, Vorschriften über die Einreise türkischer Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet zu erlassen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Mai 2000 - Rs. C-37/98, Savas - Slg. 2000, I-02927 Rn. 58). Damit steht Art. 41 Abs. 1 ZP der Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG auf türkische Staatsangehörige nicht entgegen, da beim Familiennachzug ein dauerhafter Aufenthalt im Bundesgebiet angestrebt wird, der weder von der Niederlassungs- noch von der Dienstleistungsfreiheit erfasst wird.

20

1.4.2 Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Auch diese Stillhalteklausel entfaltet unmittelbare Wirkung (vgl. EuGH, Urteile vom 17. September 2009 - Rs. C-242/06, Sahin - NVwZ 2009, 1551, Rn. 62 und vom 21. Oktober 2003 - Rs. C-317/01 u.a., Abatay u.a. - Slg. 2003, I-12301 Rn. 58 f.). Sie verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem betreffenden Mitgliedstaat galten (vgl. EuGH, Urteil vom 17. September 2009 a.a.O. Rn. 63). Der Beschluss Nr. 1/80 berührt allerdings grundsätzlich nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, Vorschriften über die Einreise türkischer Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet und über die Voraussetzungen für deren erste Beschäftigung zu erlassen (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1992 - Rs. C-237/91, Kus - Slg. 1992, I-06781, Rn. 25). Selbst wenn Art. 13 ARB 1/80 auch in Bezug auf die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaats der Einführung neuer Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit entgegenstehen sollte, kann sich dies nur auf solche Personen beziehen, die von dieser Freizügigkeit Gebrauch machen wollen. Da die Klägerin zu 1 mit dem begehrten Visum nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern den Familiennachzug erstrebt, kann sie sich auf die Stillhalteklausel nicht berufen. In der Person ihres Ehemanns liegen zwar die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Stillhalteklausel vor, die Versagung des Familiennachzugs führt für ihn aber nicht zu einer neuen Beschränkung der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt oder seines damit verbundenen Aufenthalts. Für den - hier betroffenen - Bereich der Familienzusammenführung fehlt es an einem vergleichbaren Verschlechterungsverbot (vgl. EuGH, Urteil vom 30. September 1987 - Rs. 12/86, Demirel - Slg. 1987, I-03719).

21

1.4.3 Die Klägerin zu 1 kann sich über die Stillhalteklauseln für türkische Staatsangehörige auch nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG berufen. Diese Ausnahmeregelung bezieht sich nach Wortlaut und Zweck nur auf Stammberechtigte, die nach § 41 AufenthV visumrechtlich begünstigt sind. Türkische Staatsangehörige werden - wie dargelegt (vgl. 1.3.2) - von dieser Regelung nicht erfasst. Im Übrigen wurde für sie zwar erst durch die am 5. Oktober 1980 in Kraft getretene Elfte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 1. Juli 1980 (BGBl I S. 782) eine allgemeine Visumpflicht eingeführt. Bei Inkrafttreten des Zusatzprotokolls am 1. Januar 1973 benötigten sie auf der Grundlage des § 5 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes (DV AuslG) vom 10. September 1965 (BGBl I S. 1341) in der Fassung vom 13. September 1972 (BGBl I S. 1743) - DV AuslG 1965 - nur dann eines vor der Einreise einzuholenden Sichtvermerks, wenn sie im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausüben wollten. Dies genügt für eine Ausnahme nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG auch deshalb nicht, weil Art. 41 Abs. 1 ZP nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union keine materiellrechtliche, sondern nur eine verfahrensrechtliche Wirkung zukommt, die in zeitlicher Hinsicht festlegt, welche Bestimmungen zur Anwendung kommen, wenn ein türkischer Staatsangehöriger in einem Mitgliedstaat von der Niederlassungsfreiheit oder dem freien Dienstleistungsverkehr Gebrauch machen will (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 2007 a.a.O. Rn. 52 ff.). Sonstige Verschärfungen der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen schließt die Norm nicht aus. Art. 13 ARB 1/80 steht der Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG im Übrigen schon deshalb nicht entgegen, da diese Stillhalteklausel erst ab dem 1. Dezember 1980 anzuwenden ist (Art. 16 Abs. 1 ARB 1/80). Zu diesem Zeitpunkt unterlagen türkische Staatsangehörige aber - wie dargelegt - bereits der allgemeinen Visumpflicht.

22

1.5 Die nach § 6 Abs. 4 Satz 2 AufenthG schon vor der Einreise zu erfüllende Nachzugsvoraussetzung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist gemeinschaftsrechtlich mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl EU Nr. L 251 S. 12) - sog. Familienzusammenführungsrichtlinie - zu vereinbaren. Diese Richtlinie regelt die Voraussetzungen für eine Familienzusammenführung zu einem Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Gebiet eines Mitgliedstaats aufhält (Art. 1 der Richtlinie). Sie findet vorliegend Anwendung, da der Ehemann der Klägerin zu 1 Drittstaatsangehöriger ist (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie) und als Zusammenführender (Art. 2 Buchst. c der Richtlinie) in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht die Voraussetzungen des Art. 3 der Richtlinie erfüllt. Nach Art. 4 der Richtlinie gestatten die Mitgliedstaaten den dort genannten Familienangehörigen des Zusammenführenden vorbehaltlich der in Kapitel IV sowie in Art. 16 der Richtlinie genannten Bedingungen die Einreise und den Aufenthalt. Damit korrespondiert ein subjektives Recht auf Familienzusammenführung. Zum Kreis der begünstigten Familienangehörigen gehört auch der Ehegatte des Zusammenführenden (Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie). Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie eröffnet den Mitgliedstaaten allerdings - abweichend von den ansonsten verbindlichen Vorgaben der Richtlinie - die Möglichkeit, von Drittstaatsangehörigen zu verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen. Wenn der nationale Gesetzgeber - wie hier - beim Ehegattennachzug den Erwerb einfacher Deutschkenntnisse vor der Einreise verlangt, stellt dies eine zulässige Integrationsmaßnahme im Sinne dieser Vorschrift dar.

23

Soweit nach Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie bei Flüchtlingen und ihren Familienangehörigen Integrationsmaßnahmen erst Anwendung finden, wenn ihnen eine Familienzusammenführung gewährt wurde, ist dem im Umkehrschluss zu entnehmen, dass in anderen Nachzugsfällen Integrationsmaßnahmen auch schon vor der Einreise verlangt werden können. Kommt der Nachzugswillige derartigen nationalen Forderungen nicht nach, kann ihm der Mitgliedstaat die Einreise verweigern. Dies ergibt sich aus der Stellung der Vorschrift im Kapitel IV, das die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung regelt. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie gestattet den Mitgliedstaaten auch, die Einreise vom Vorhandensein einfacher Sprachkenntnisse abhängig zu machen.

24

Dem Wortlaut der Vorschrift, wonach von Drittstaatsangehörigen verlangt werden kann, dass sie "Integrationsmaßnahmen" (engl.: integration measures; franz.: mesures d'intégration) nachkommen müssen, kann nicht entnommen werden, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegensteht, die den Ehegattennachzug zu einem Drittstaatsangehörigen davon abhängig macht, dass der nachziehende Ehegatte bereits vor der Einreise einfache Kenntnisse der in dem Mitgliedstaat gesprochenen Sprache nachweist. Die Formulierung deutet lediglich darauf hin, dass es sich bei den Integrationsmaßnahmen, denen "nachzukommen" verlangt werden kann, um subjektive Nachzugsvoraussetzungen handeln muss, deren Erfüllung im Einflussbereich des Betroffenen liegt.

25

Dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie die Mitgliedstaaten ermächtigt, den Nachzug von einem Spracherfordernis abhängig zu machen, ergibt sich vor allem aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die Öffnungsklausel war weder im ursprünglichen Richtlinienvorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom Dezember 1999 (KOM <1999> 638 endg.) noch in ihrem Änderungsvorschlag vom Mai 2002 (KOM <2002> 225 endg.) enthalten. Sie wurde während der Beratungen auf Drängen der Niederlande, Deutschlands und Österreichs aufgenommen (vgl. Ratsdokument Nr. 14272/02 vom 26. November 2002 S. 13 Fn. 2). Dabei gingen die Verhandlungspartner ersichtlich davon aus, dass die Klausel das Verlangen nach angemessenen Sprachkenntnissen abdeckt (vgl. Ratsdokument Nr. 14272/02 S. 12 Fn. 1). Auch die Sonderregelung beim Nachzug von Familienangehörigen anerkannter Flüchtlinge in Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass die Niederlande zum Zeitpunkt der Verhandlungen die Einführung von Sprachtests vor der Einreise bereits konkret plante (vgl. Hauschild, ZAR 2003, 266 <271>; Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner, ZAR 2007, 381 <382>). Zudem verlangen in Ausübung der Ermächtigung neben Deutschland auch die Niederlande und Frankreich vor der Einreise den Nachweis von Sprachkenntnissen. Bei diesen nationalen Regelungen handelt es sich nach Auffassung der Kommission in ihrem Bericht vom 8. Oktober 2008 an das Europäische Parlament und an den Rat über die Anwendung der Richtlinie 2003/86/EG des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung um nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie grundsätzlich zulässige Integrationsmaßnahmen (KOM<2008> 610 S. 8 f.).

26

Soweit in der Literatur teilweise vertreten wird, der Begriff "Integrationsmaßnahmen" beruhe auf einem Kompromiss und erlaube - anders als der Begriff "Integrationsanforderungen" - nur, bestimmte Anstrengungen, wie etwa die Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen, zu verlangen, nicht aber ein bestimmtes Ergebnis (vgl. Groenendijk, ZAR 2006, 191 <195>), hat dies in den Verhandlungsprotokollen zur Familienzusammenführungsrichtlinie keinen Niederschlag gefunden. Das in diesem Zusammenhang als Beleg herangezogene Ratsdokument Nr. 7393/1/03 vom 14. März 2003 betrifft die Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl EU Nr. L 16 S. 44) - Daueraufenthaltsrichtlinie -. Dort findet sich in Art. 5 Abs. 5 und Art. 15 Abs. 3 der endgültigen Fassung zwar die Unterscheidung zwischen Integrationsanforderungen und Integrationsmaßnahmen. Der genaue Unterschied zwischen beiden Begriffen ist aber auch den Materialien zur Daueraufenthaltsrichtlinie nicht zu entnehmen. Im Übrigen liefen die Beratungen zur Daueraufenthalts- und zur Familienzusammenführungsrichtlinie zwar weitgehend parallel. Dies lässt aber nur bedingt Rückschlüsse auf die Auslegung der verwendeten Begriffe zu, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass den verschiedenen Richtlinien zur Zuwanderung ein übergreifendes, trennscharfes Begriffssystem zugrunde liegt. So findet sich beispielsweise der Begriff "Integrationsmaßnahmen" auch in Art. 33 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie -. Dass der Begriff dort anders zu verstehen ist als in Art. 7 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie ergibt sich allerdings schon daraus, dass sowohl in der englischen als auch in der französischen Fassung andere Begriffe verwendet werden (access to integration facilities bzw. accès aux dispositifs d'intégration).

27

Ermächtigt Art. 7 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie die Mitgliedstaaten, von nachzugswilligen Familienangehörigen schon vor der Einreise die Erbringung von Integrationsleistungen zu verlangen, dürfen an diese allerdings keine unangemessen hohen Anforderungen gestellt werden. Das ergibt sich im Hinblick auf das allgemeine Ziel der Richtlinie, die Integration von Drittstaatsangehörigen in den Mitgliedstaaten zu erleichtern, indem ihnen mit der Familienzusammenführung ein Familienleben ermöglicht wird (vgl. 4. Erwägungsgrund), und die Wahl einer eher weichen Formulierung (Integrationsmaßnahmen statt Integrationsanforderungen). Dies ist indes eine Frage der Verhältnismäßigkeit der konkret geforderten Integrationsleistung und nicht ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit nach Art. 7 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie (so auch die Kommission in ihrem Bericht vom 8. Oktober 2008 a.a.O. S. 9).

28

Nachdem inzwischen weitere Mitgliedstaaten von der Ermächtigung des Art. 7 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie dergestalt Gebrauch gemacht haben, dass sie beim Familiennachzug ergebnisorientiert das Vorhandensein bestimmter Sprachkenntnisse und nicht lediglich die Teilnahme an einem Sprachkurs verlangen, und dies auch nach Auffassung der Kommission keinen grundsätzlichen Bedenken begegnet, ist hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit von Sprachnachweisen vor der Einreise nach Art. 7 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie von einem "acte claire" auszugehen, so dass es insoweit keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf.

29

1.6 Das Erfordernis einfacher Sprachkenntnisse schon vor der Einreise ist mit dem besonderen Schutz, den Ehe und Familie nach Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 7 GR-Charta genießen, grundsätzlich zu vereinbaren und entspricht damit regelmäßig auch den weiteren Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie.

30

1.6.1 Ehe und Familie werden von Art. 6 GG unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt. Die Verknüpfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug zu einem Ausländer mit dem Vorhandensein einfacher Sprachkenntnisse berührt sowohl den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG als auch den des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Vorschriften enthalten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neben dem Grundrecht als Abwehrrecht im klassischen Sinne eine Institutsgarantie sowie eine wertentscheidende Grundsatznorm für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts.

31

Das Erfordernis einfacher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug zu einem in Deutschland lebenden Ausländer stellt allerdings keinen Eingriff in die Freiheitsrechte des Art. 6 GG dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vermitteln weder Art. 6 Abs. 1 GG noch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Dies gilt auch für den Nachzug eines ausländischen Ehegatten zu seinem berechtigterweise in Deutschland lebenden ausländischen Ehegatten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <47 f.>). Die Regelung ist als solche auch nicht geeignet, Ehe und Familie als verfassungsrechtlich anerkannte Institute zu beeinträchtigen. Zwar ist die Institutsgarantie des Art. 6 GG nicht nur betroffen, wenn die den Kern des Ehe- und Familienrechts bildenden Vorschriften namentlich des bürgerlichen Rechts wesentlich umgestaltet oder aufgehoben werden. Sie kann auch dann verletzt sein, wenn bestimmende Merkmale des Bildes von Ehe und Familie, das der Verfassung zugrunde liegt, mittelbar beeinträchtigt werden. Allerdings stellt eine Regelung die prägenden Elemente des Art. 6 GG zugrunde liegenden Bildes von Ehe und Familie nicht in Frage, wenn sie - wie hier - einem begrenzten Kreis von Personen für eine grundsätzlich überschaubare Zeit die Verwirklichung des Wunsches verwehrt, in räumlich ganz bestimmter Hinsicht als Ehegatten oder Familie zusammenzuleben, ohne ein solches Zusammenleben schlechthin zu hindern oder den Betroffenen eine schlechterdings unzumutbare Herstellung der Einheit von Ehe und Familie anzusinnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 a.a.O. <49>).

32

Das Spracherfordernis beim Ehegattennachzug ist jedoch an der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm zu messen. Danach wirken der zur Berücksichtigung ehelicher und familiärer Bindungen verpflichtende Schutzauftrag und das Förderungsgebot des Art. 6 GG auf die gesamte die Ehe und Familie betreffende Rechtsordnung ein und setzen auch dem Gesetzgeber Grenzen. Dieser hat beim Erlass allgemeiner Regeln über die Erteilung von Aufenthaltstiteln die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise zu berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz dem Schutz von Ehe und Familie beimisst. Damit korrespondiert ein grundrechtlicher Anspruch auf angemessene Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Interessen an einem Zusammenleben im Bundesgebiet. Stehen dem Begehren eines Ausländers auf Familiennachzug öffentliche Belange entgegen, sind seine ehelichen und familiären Belange und gegenläufige öffentliche Interessen mit dem Ziel eines schonenden Ausgleichs gegeneinander abzuwägen. Dabei müssen Grundlage und Abwägungsergebnis der gesetzlichen Regelung dem sich aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden Gebot gerecht werden, die ehelichen und familiären Bindungen der einen Aufenthaltstitel begehrenden Ausländer an ihre im Bundesgebiet lebenden Angehörigen in angemessener Weise zu berücksichtigen. Die zu treffenden Regelungen müssen insbesondere den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots entsprechen. Dabei steht dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Ausländerrechts allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu; auch hinsichtlich künftiger Verhältnisse und Entwicklungen ist der Einschätzungsvorrang der Rechtssetzungsorgane zu beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 a.a.O. <49 ff.>).

33

1.6.2 Ehe und Familie unterfallen zudem dem Schutz des Art. 8 EMRK. Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten steht auf nationaler Ebene durch Transformation in das deutsche Recht im Range eines Bundesgesetzes. Der Konventionstext und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - dienen auf der Ebene des Verfassungsrechts aber auch als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - 1 BvR 2604/06 - NJW 2009, 1133 m.w.N.). Auf Gemeinschaftsebene sind die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts geworden. Dies bestimmt der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Reformvertrag von Lissabon (Art. 6 Abs. 3 der konsolidierten Fassung des Vertrags der Europäischen Union - EUV - ABl EU 2010 Nr. C 83 S. 1). Die während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderung ist hier zu berücksichtigen, da das Verwaltungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>).

34

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte garantiert aber auch die Konvention kein Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Maßnahmen im Bereich der Einwanderung können jedoch das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK berühren. Danach hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens; ein Eingriff ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft. Die Vorschrift bezweckt vor allem den Schutz des Einzelnen vor willkürlichen Maßnahmen der nationalen Behörden. Aus der effektiven Achtung des Familienlebens können sich aber auch positive Verpflichtungen ergeben. In beiden Fällen ist ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herzustellen; hierbei genießt der Staat einen gewissen Beurteilungsspielraum. Das Ausmaß der staatlichen Verpflichtung zur Aufnahme von Verwandten niedergelassener Einwanderer richtet sich nach den besonderen Umständen der beteiligten Personen und dem allgemeinen Interesse. Art. 8 EMRK verpflichtet die Vertragsstaaten nicht generell, die Wahl des ehelichen Wohnsitzes eines Ehepaares im Inland zu respektieren und eine Familienzusammenführung in seinem Staatsgebiet zu bewilligen. Auch sichert er nicht das Recht zu, den Ort zu wählen, der am besten geeignet ist, um ein Familienleben aufzubauen (vgl. EGMR, Entscheidung vom 7. Oktober 2004 - Nr. 33743/03, Dragan u.a. - NVwZ 2005, 1043 und Urteile vom 21. Dezember 2001 - Nr. 31465/96, Sen - InfAuslR 2002, 334, vom 28. November 1996 - Nr. 73/1995/579/665, Ahmut - InfAuslR 1997, 141, vom 19. Februar 1996 - Nr. 53/1995/559/645, Gül - InfAuslR 1996, 245 und vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u.a. - InfAuslR 1985, 298). Im Ergebnis verpflichtet damit auch Art. 8 EMRK zu einer Abwägungslösung nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen. Dabei sind - einzelfallbezogen - die besonderen Umstände der Beteiligten zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang misst der Gerichtshof allerdings bei der Frage, ob der Nachzug des Familienangehörigen das adäquate Mittel zur Etablierung eines gemeinsamen Familienlebens wäre, regelmäßig dem Umstand Bedeutung bei, ob er die einzige Möglichkeit darstellt, ein Familienleben zu entwickeln, etwa weil Hindernisse für eine Wohnsitzbegründung im Ausland bestehen oder besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer eine solche Wohnsitzbegründung nicht erwartet werden kann (vgl. EGMR, Urteile vom 1. Dezember 2005 - Nr. 60665/00, Tuquabo-Tekle - InfAuslR 2006, 105, vom 21. Dezember 2001 a.a.O. Rn. 40, vom 28. November 1996 a.a.O. Rn. 70, vom 19. Februar 1996 a.a.O. Rn. 39 und vom 28. Mai 1985 a.a.O. Rn. 60).

35

1.6.3 Auf Gemeinschaftsebene ist neben Art. 8 EMRK auch Art. 7 GR-Charta zu beachten. Die Grundrechte-Charta (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 1) ist mit dem Vertrag von Lissabon verbindlicher Teil des Primärrechts geworden (Art. 6 Abs. 1 EUV). Sie gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach Art. 52 Abs. 3 GR-Charta entspricht das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 7 GR-Charta hinsichtlich seiner Bedeutung und Tragweite allerdings Art. 8 EMRK.

36

1.6.4 Schließlich ist auf Gemeinschaftsebene die Familienzusammenführungsrichtlinie zu berücksichtigen. Diese vermittelt insofern eine bessere Rechtsposition, als sie ein eigenständiges Recht auf Familienzusammenführung gewährt, soweit die in der Richtlinie genannten Bedingungen erfüllt sind. Materiell ist die Familienzusammenführungsrichtlinie in Übereinstimmung mit Art. 8 EMRK und Art. 7 GR-Charta auszulegen und von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Damit haben die Mitgliedstaaten (auch) gemeinschaftsrechtlich die ihnen in der Richtlinie überlassenen Spielräume an den Kriterien auszurichten, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelt hat (EuGH, Urteil vom 27. Juni 2006 - Rs. C-540/03 - Europäisches Parlament ./. Rat der Europäischen Union, NVwZ 2006, 1033 Rn. 62). Außerdem haben sie die in Art. 5 Abs. 5 und Art. 17 der Richtlinie niedergelegten Grundsätze zu beachten (EuGH, Urteil vom 27. Juni 2006 a.a.O. Rn. 63 f.). Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass das Wohl minderjähriger Kinder gebührend berücksichtigt wird. Nach Art. 17 der Richtlinie haben sie im Fall der Ablehnung eines Antrags in gebührender Weise die Art und Stärke der familiären Bindungen der betreffenden Person und die Dauer ihres Aufenthalts in dem Mitgliedstaat sowie das Vorliegen familiärer, kultureller oder sozialer Bindungen zu ihrem Herkunftsland zu berücksichtigen. Diese Kriterien entsprechen denjenigen, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für die Überprüfung heranzieht, ob ein Staat bei der Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung die betroffenen Interessen ordnungsgemäß gegeneinander abgewogen hat (EuGH, Urteil vom 27. Juni 2006 a.a.O. Rn. 64).

37

1.6.5 Gewähren weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK und Art. 7 GR-Charta einen Anspruch auf Ehegattennachzug und belässt auch die Familienzusammenführungsrichtlinie den Mitgliedstaaten hinsichtlich des Verlangens von Sprachkenntnissen einen - letztlich an Art. 8 EMRK zu messenden - Gestaltungsspielraum, hängt die Vereinbarkeit der über § 6 Abs. 4 Satz 2 AufenthG schon vor der Einreise zu erfüllenden Nachzugsvoraussetzung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG mit dem Schutz von Ehe und Familie davon ab, ob sie den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit genügt. Der nationale Gesetzgeber muss mit seiner Forderung, dass der Ehegatte eines Ausländers sich schon vor der Einreise zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann, die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen an berechtigterweise im Bundesgebiet lebende Ausländer hinreichend berücksichtigen und einen angemessenen Ausgleich zwischen den privaten Interessen der Betroffenen an einem Zusammenleben im Bundesgebiet und den mit der Regelung verfolgten gegenläufigen öffentlichen Interessen finden. Dies ist grundsätzlich der Fall.

38

Das Spracherfordernis dient der Förderung der Integration und der Verhinderung von Zwangsverheiratungen (BTDrucks 16/5065 S. 173 f.). Hierbei handelt es sich um legitime gesetzgeberische Ziele. Ob das zur Erreichung dieser Ziele gewählte Instrumentarium hinreichend erfolgversprechend ist, liegt grundsätzlich im weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers. Dass das Erfordernis einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache vor der Einreise evident ungeeignet wäre, ist nicht ersichtlich. Der Regelung liegt die Annahme zugrunde, dass sich ein Ehegatte, der sich bereits vor der Einreise zumindest auf einfache Art in Alltagssituationen in deutscher Sprache verständigen kann, schneller in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert. Hierbei handelt es sich um eine vertretbare Einschätzung künftigen Geschehens. Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache tragen in erheblichem Maße zu einer gelungenen Integration bei. Verfügt der Ehegatte schon vor der Einreise über Grundkenntnisse, kann er von Anfang an besser am sozialen Leben teilhaben. Nicht zu beanstanden ist auch die Einschätzung des Gesetzgebers, dass dem Spracherfordernis bei der Bekämpfung von Zwangsverheiratungen jedenfalls mittelbar Wirkung zukommt, weil Sprachkenntnisse die Ausnutzung einer Nötigungslage in Deutschland erschweren.

39

Die Verpflichtung, sich bereits vor der Einreise einfache Sprachkenntnisse zu verschaffen, ist zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele auch erforderlich. Eine Verpflichtung zum Erwerb von Deutschkenntnissen erst nach der Einreise würde für die Betroffenen zwar ein milderes Mittel darstellen, da der Zuzug nicht verzögert würde und der nachziehende Ehegatte in Deutschland auf ein umfangreicheres Angebot von Sprachkursen zurückgreifen könnte. Ein erst nach der Einreise zu erbringender Sprachnachweis wäre zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele aber deutlich weniger effektiv. Denn bis zur Vermittlung einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache würde zwangsläufig ein mehr oder weniger langer Zeitraum vergehen. Dadurch würde der Integrationserfolg hinausgezögert. Dies gilt auch für die von den Revisionsführern angesprochene Möglichkeit, erst die Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise vom Vorhandensein einfacher Sprachkenntnisse abhängig zu machen und den Ehegatten bis dahin zu dulden. Zudem wäre der Erfolgseintritt mit Ungewissheiten verbunden. Die vom Gesetzgeber gewählte Regelung gewährleistet dagegen ergebnisorientiert, dass der Ehegatte von Anfang an - mündlich und schriftlich - über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt, auf denen seine weitere Integration aufbauen kann. Auch erscheint plausibel, dass das Vorhandensein einfacher Sprachkenntnisse eher gewährleistet, dass sich der Ehegatte im Falle einer Zwangslage an die zuständigen Behörden wenden und der Abhängigkeit von der "Schwiegerfamilie" leichter entgehen kann.

40

Das Spracherfordernis beim Ehegattennachzug zu einem Ausländer führt in seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung in der Regel zu einem angemessenen Interessenausgleich.

41

Den mit dem Spracherfordernis verfolgten öffentlichen Belangen kommt ein besonderes Gewicht zu. Dem gesetzgeberischen Ziel der Förderung der Integration kommt große Bedeutung zu. Ein rasches Einfügen des nachziehenden Ehegatten in die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland ist nicht nur Voraussetzung für seine persönliche Fortentwicklung, sondern zugleich von hohem Interesse für die Allgemeinheit. Die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele sind zudem verfassungsrechtlich fundiert: Eine rasche Integration ist nicht nur aus sozialstaatlichen Gründen (Art. 20 Abs. 1 GG) anzustreben. Sie erleichtert auch die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG). Die vom Gesetzgeber verfolgte Verhinderung von Zwangsverheiratungen dient ebenfalls dem Schutz gewichtiger Rechtsgüter. Zwangsverheiratungen stellen eine Form der häuslichen und meist auch sexualisierten Gewalt dar und verletzen auf fundamentale Weise elementare Menschenrechte der Betroffenen, vor allem die Eheschließungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG) und mittelbar die sexuelle Selbstbestimmung, persönliche Freiheit und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 1 und 2 GG). Nach der Werteordnung des Grundgesetzes ist der Staat zum Schutz dieser Rechtsgüter verpflichtet.

42

Dem stehen die belastenden Wirkungen der Regelung gegenüber, die auch alle freiwillig verheirateten Ehepaare treffen. Das Spracherfordernis stellt allerdings kein absolutes, sondern ein grundsätzlich überwindbares Nachzugshindernis dar. Es bringt für die betroffenen Ehen und Familien aber insoweit eine Belastung mit sich, als sich hierdurch die Herstellung des häuslichen Zusammenlebens im Bundesgebiet regelmäßig verzögert. Nicht ausgeschlossen ist, dass es im Einzelfall auch zu einer dauerhaften Verhinderung des Nachzugs in die Bundesrepublik Deutschland kommt. Wird die Lebensgemeinschaft im Ausland hergestellt, läuft der im Bundesgebiet lebende ausländische Ehepartner Gefahr, sein Aufenthaltsrecht zu verlieren (§ 51 AufenthG). Die Betroffenen haben damit häufig nur die Möglichkeit, entweder für einen mehr oder weniger langen Zeitraum eine Trennung hinzunehmen oder ein bestehendes Aufenthaltsrecht aufzugeben.

43

Dennoch ist die gesetzliche Regelung bei Ausländerehen grundsätzlich angemessen, denn sie verhindert ein Zusammenleben im Bundesgebiet regelmäßig nur für einen überschaubaren Zeitraum. Zur Vermeidung unverhältnismäßiger Belastungen findet das Spracherfordernis nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG keine Anwendung, wenn der nachzugswillige Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, den Sprachnachweis zu erbringen. Im Übrigen werden an die nachzuweisenden Kenntnisse nur geringe Anforderungen gestellt. Es genügt, dass der Ehegatte sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Dies stellt - ungeachtet der bildungsmäßigen, kulturellen und muttersprachlichen Voraussetzungen des nachziehenden Ehepartners - regelmäßig eine verhältnismäßig niedrige Hürde dar, die in ihren Anforderungen kaum weiter herabgesetzt werden kann. Zudem ist es dem Ehegatten freigestellt, auf welche Art und Weise er sich die Sprachkenntnisse verschafft. Dabei kann er regelmäßig auf die unterschiedlichsten Lernangebote zurückgreifen. In zahlreichen Staaten bieten das Goethe-Institut und andere Sprachschulen Deutschkurse an. Die vom Goethe-Institut angebotenen Kurse dauern nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts deutlich unter einem Jahr. Diese Einschätzung steht im Einklang mit den vom Senat in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörterten Erkenntnissen. Danach ist für das Erreichen des Niveaus A 1 GER von einem Richtwert von 100 bis 300 Unterrichtsstunden von 45 Minuten auszugehen. Entsprechende Sprachkurse werden vom Goethe-Institut in der Türkei an den Standorten Ankara, Istanbul und Izmir seit September 2007 angeboten. Ein regulärer, zum Sprachniveau A 1 GER führender Deutschkurs für Anfänger ohne Vorkenntnisse umfasst beispielsweise am Goethe-Institut Ankara 180 Unterrichtsstunden von jeweils 45 Minuten - verteilt auf drei Monate - und kostet ca. 700 € (BTDrucks 16/7288 S. 5, 7 und 9). Zudem gibt es gerade in der Türkei ein breites Netz an örtlichen Sprachkursanbietern (BTDrucks 16/7288 S. 8). 2009 lag die Bestehensquote bei den Sprachprüfungen in der Türkei bei 68 % (BTDrucks 17/1112 S. 10).

44

Auch soweit es an seinem Wohnort keine Sprachschulen gibt, ist es dem nachzugswilligen Ehegatten grundsätzlich zumutbar, sich zur Absolvierung eines Sprachkurses an einen anderen Ort im Herkunftsland zu begeben. Im Übrigen besteht die Möglichkeit, sich Grundkenntnisse der deutschen Sprache mit Hilfe von Audio- und Videosprachkursen oder anderen Medien (etwa über die Deutsche Welle oder das Internet) anzueignen und zu vertiefen. Die mit dem Erwerb einfacher Deutschkenntnisse verbundenen finanziellen Aufwendungen und sonstigen Belastungen sind den Betroffenen ebenfalls regelmäßig zumutbar, wenn es um eine so grundlegende Lebensentscheidung wie die Übersiedlung zum Ehegatten in ein anderes Land geht. Zudem können sie in aller Regel auf die finanzielle Unterstützung ihres in Deutschland lebenden Ehepartners zurückgreifen.

45

Die gesetzliche Regelung ist grundsätzlich auch angemessen, soweit sie bei Ausländerehen auf nachzugswillige Ehegatten Anwendung findet, denen nicht krankheits- oder behinderungsbedingt, sondern aus sonstigen persönlichen, von ihnen nicht zu vertretenden Gründen der Spracherwerb nur schwer oder gar nicht möglich ist. In diesen Fällen hat § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zwar zur Folge, dass ein familiäres Zusammenleben im Bundesgebiet für längere Zeit und möglicherweise sogar auf Dauer an fehlenden Deutschkenntnissen scheitert. Dabei ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit aber zu berücksichtigen, dass es dem im Bundesgebiet lebenden ausländischen Ehepartner grundsätzlich zumutbar ist, die familiäre Einheit im Ausland herzustellen. Allein der Umstand, dass er von der ihm eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich hier eine wirtschaftliche und soziale Existenz aufzubauen, und mit zunehmender Aufenthaltsdauer und wachsender Einbindung in die hiesigen Lebensverhältnisse regelmäßig einer entsprechenden Entfremdung von den Lebensverhältnissen seines Heimatlandes ausgesetzt ist, führt nicht dazu, dass ihm ein Verlassen des Bundesgebiets generell nicht zuzumuten ist. Damit überwiegen bei ausländischen Ehen die vom Gesetzgeber mit dem Spracherfordernis verfolgten gewichtigen öffentlichen Zwecke regelmäßig die privaten Interessen der Ehegatten an der Herstellung einer Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet.

46

1.6.6 Die gesetzliche Regelung ist auch nicht deshalb wegen Verstoßes gegen Art. 6 GG verfassungswidrig, weil sie keine allgemeine Ausnahmeregelung zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen Belastung enthält. Soweit dem nachzugswilligen Ehegatten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen in angemessener Zeit der Erwerb einfacher Sprachkenntnisse nicht möglich und zugleich dem in Deutschland lebenden Ehepartner die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft außerhalb des Bundesgebiets aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen objektiv nicht möglich oder aufgrund besonderer Umstände nicht zuzumuten ist, bedarf es nach nationalem Verfassungsrecht nicht zwingend der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus familiären Gründen, sondern kann der verfassungsrechtlich gebotene Interessenausgleich einfachgesetzlich auch auf andere Weise, etwa durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen vorübergehenden Aufenthalt zum Zwecke des Spracherwerbs (§ 16 Abs. 5 AufenthG) herbeigeführt werden. Damit wird die Regelung in Bezug auf den besonderen Schutz von Ehe und Familie dem objektiven Gewicht des Schutz- und Förderungsgebots des Art. 6 GG in seiner Ausprägung als wertentscheidende Grundsatznorm gerecht.

47

1.6.7 Auch wenn die gesetzliche Regelung auf nationaler Ebene mit Art. 6 GG zu vereinbaren ist und grundsätzlich den sich aus der Familienzusammenführungsrichtlinie und dem Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK und Art. 7 GR-Charta ergebenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entspricht, muss die Ablehnung eines Visums auch im konkreten Einzelfall den genannten Maßstäben genügen und insbesondere auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK im Einklang stehen. Auch in diesem Zusammenhang stellt sich dem Senat hier keine dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegende Zweifelsfrage.

48

Die Ablehnung der Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug ist vorliegend in Ansehung der dargelegten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht unverhältnismäßig. Es ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin zu 1 der Erwerb der geforderten einfachen Sprachkenntnisse aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen in angemessener Zeit nicht möglich ist. Außerdem stehen der Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft außerhalb Deutschlands keine objektiven Hindernisse entgegen und ist dem Ehemann der Klägerin unter den hier gegebenen Umständen eine Rückkehr in die Türkei zumutbar.

49

Welcher zeitliche Rahmen für den Spracherwerb beim Ehegattennachzug zumutbar ist, hängt nicht nur von den mit der Nachzugsvoraussetzung verfolgten Zielen, sondern auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Spracherwerb um eine Integrationsleistung handelt, die nicht nur im öffentlichen Interesse liegt, sondern dem Nachzugswilligen und seiner Familie nach der Einreise auch persönlich zugute kommt. Von daher liegt - auch mit Blick auf die nach Art. 8 der Familienzusammenführungsrichtlinie zulässigen Wartefristen - ein Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren in aller Regel, sofern nicht besonders schutzwürdige Umstände vorliegen, im Rahmen des Zumutbaren. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend von einem kürzeren Zeitraum ausgegangen werden müsste, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann kennen sich bereits seit vielen Jahren und haben trotz der vorehelich geborenen Kinder - ihr erstes Kind wurde 1994 geboren - und der Aufrechterhaltung der familiären Bindungen nach der Übersiedlung des Ehemanns nach Deutschland über Jahre hinweg aus eigenem Entschluss auf die Herstellung bzw. Fortführung einer familiären Lebensgemeinschaft verzichtet.

50

Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts könnte die Klägerin zu 1 die geforderten Sprachkenntnisse in der Türkei einschließlich einer vorausgehenden Alphabetisierung in gut einem Jahr und damit in angemessener Zeit erwerben. An diese tatrichterliche Feststellung, die von den Klägern ebenfalls nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wurde, ist das Revisionsgericht gebunden. Dessen ungeachtet steht die Einschätzung des Verwaltungsgerichts auch insoweit im Einklang mit den vom Senat in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörterten Erkenntnissen. Danach ist eine Alphabetisierung in lateinischer Schriftsprache in 200 bis 300 Unterrichtsstunden von jeweils 45 Minuten möglich; in der Türkei werden von den örtlichen Volkshochschulen Alphabetisierungskurse angeboten (BTDrucks 16/11997 S. 8). Soweit die Klägerin zu 1 behauptet, ihr sei weder eine Alphabetisierung noch die Teilnahme an einem Sprachkurs möglich, hat sie dies vor dem Verwaltungsgericht weder hinreichend substantiiert noch hierfür irgendwelche Nachweise vorgelegt bzw. Beweis angetreten. Von daher musste sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht aufdrängen. Auch hat die Klägerin zu 1 nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im August 2007 und Ablehnung ihres Visumantrags durch die Deutsche Botschaft in Ankara im April 2008 bis zur - in tatsächlicher Hinsicht maßgeblichen - Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Februar 2009 offensichtlich keinerlei Anstrengungen in Bezug auf den Erwerb von Deutschkenntnissen unternommen, zumindest wurde diesbezüglich nichts vorgetragen.

51

Auf der Grundlage der bindenden tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist im Übrigen davon auszugehen, dass auch der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft außerhalb des Bundesgebiets keine Hinderungsgründe entgegenstehen. Besondere Umstände, die für den Ehemann und Vater der Kläger eine Rückkehr in die Türkei unzumutbar erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Sein Asylantrag hatte keinen Erfolg. Dass er selbst in der Türkei keine Gefahren befürchtet, zeigt der Umstand, dass er seine Familie auch nach seiner Übersiedlung nach Deutschland regelmäßig in der Türkei besucht hat. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht lebte er zwar schon seit über 10 Jahren im Bundesgebiet und verfügte hier über eine feste Beschäftigung und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Andererseits hat er - wie die jährlichen Besuche in der Türkei auch während seiner Ehe mit einer Deutschen und die nachfolgende Eheschließung mit der Mutter seiner Kinder zeigen - seine Bindungen zur Türkei und seiner dort lebenden Familie nie aufgegeben.

52

Der Umstand, dass aus der Beziehung fünf - vorehelich geborene - Kinder hervorgegangen sind, rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Der Lebensmittelpunkt der Familie befand sich dauerhaft in der Türkei. Alle Kinder sind dort geboren und aufgewachsen. Sie sind - wie ihre Mutter - allein im dortigen kulturellen und sprachlichen Umfeld verwurzelt. Bei dieser Sachlage ist dem in Deutschland lebenden Ehemann und Vater bei Würdigung der konkreten Umstände des Falles eine Rückkehr in die Türkei zumutbar und mit Art. 5 Abs. 5 und Art. 17 der Familienzusammenführungsrichtlinie zu vereinbaren.

53

1.7 Das Spracherfordernis führt im Fall der Klägerin zu 1 nicht zu einer unzulässigen Diskriminierung.

54

1.7.1 Ein Verstoß gegen den besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG liegt nicht vor. Danach darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Dieses Differenzierungsverbot setzt einen kausalen Zusammenhang zwischen der Bevorzugung oder der Benachteiligung und den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmalen voraus; die Bevorzugung oder Benachteiligung muss mithin gerade wegen eines dieser Merkmale erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1953 - 1 BvL 104/52 - BVerfGE 2, 266 <268>; BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - BVerwG 9 C 3.97 - BVerwGE 106, 191 <194 f.>).

55

a) Bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG knüpft die Versagung des Aufenthaltstitels nicht daran an, dass der Ausländer eine bestimmte Sprache spricht, sondern dass er nicht über einfache Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Er wird daher nicht "wegen seiner Sprache" benachteiligt.

56

b) Soweit nachziehende Ehegatten aufgrund ihrer visumfreien Einreise das Spracherfordernis erst nach der Einreise erfüllen müssen bzw. wegen ihrer Ehe mit einem visumrechtlich privilegierten Stammberechtigten nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG von der Nachweispflicht gänzlich ausgenommen sind, beruht dies auch nicht auf Gründen ihrer bzw. ihrer Ehegatten Heimat und Herkunft. Der Begriff "Heimat" bezieht sich nur auf die örtliche Herkunft nach Geburt oder Ansässigkeit, der Begriff "Herkunft" darüber hinaus auf die ständisch-soziale Abstammung und Verwurzelung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Mai 1956 - 1 BvR 83/56 - BVerfGE 5, 17 <22>). An diese beiden Kriterien knüpft weder § 41 AufenthV noch § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG an. Maßgeblich für die Privilegierungen ist die auf der Staatsangehörigkeit beruhende visumrechtliche Besserstellung des nachziehenden bzw. des stammberechtigten Ehegatten. Diese Anknüpfungspunkte gehören nicht zu den in Art. 3 Abs. 3 GG aufgezählten Merkmalen, die eine Mindestsicherung gegen Diskriminierungen erreichen sollen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. März 1979 - 1 BvR 111/74 u.a. - BVerfGE 51, 1 <30> und vom 9. Februar 1994 - 1 BvR 1687/92 - BVerfGE 90, 27 <37>).

57

1.7.2 Der Sprachnachweis beim Ehegattennachzug verletzt zu Lasten der Klägerin zu 1 auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Er gilt gleichermaßen für Belastungen und für Begünstigungen. Dem Gesetzgeber ist aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Dabei kommt als Grund für eine Ungleichbehandlung grundsätzlich jede vernünftige Erwägung in Betracht. Es ist zunächst Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft. Die Auswahl muss allerdings sachlich vertretbar und darf nicht sachfremd sein. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt nicht, die gerechteste und zweckmäßigste Lösung zu wählen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich aber vom Regelungsgegenstand und den Differenzierungsmerkmalen abhängige Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2006 - 2 BvL 2/99 - BVerfGE 116, 164). Dabei sind die Grenzen umso enger, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Auch bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Zwar kann er grundsätzlich frei entscheiden, welche Merkmale er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Wird durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, reicht zur Begründung einer Ungleichbehandlung aber nicht aus, dass der Normgeber ein seiner Art nach geeignetes Unterscheidungsmerkmal berücksichtigt hat. Vielmehr muss auch für das Maß der Differenzierung ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung bestehen, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht anführen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 - DB 2009, 2441 m.w.N.).

58

a) Soweit Unionsbürger und ihre Ehegatten nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG -) ohne Sprachkenntnisse einreisen und sich hier aufhalten dürfen, ist diese Privilegierung gegenüber sonstigen Ausländern gerechtfertigt, da sie auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruht. Auf die im Revisionsverfahren aufgeworfene Frage, ob die Besserstellung von Ehegatten von Unionsbürgern gegenüber Ehegatten deutscher Staatsangehöriger, auf die das Spracherfordernis über § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG Anwendung findet, zu einer unzulässigen Inländerdiskriminierung führt, kommt es hier nicht entscheidungserheblich an, da der Ehemann der Klägerin zu 1 kein Inländer ist.

59

b) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht vor, soweit Ehegatten, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen dürfen, einen erforderlichen Aufenthaltstitel innerhalb von drei Monaten nach der Einreise (vgl. § 41 Abs. 3 AufenthV) beantragen können. Dadurch sind sie gegenüber anderen Ehegatten insoweit im Vorteil, als sie das Spracherfordernis nicht schon vor der Einreise, sondern erst bei der erstmaligen Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet erfüllen müssen. Diese Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich hinreichend gerechtfertigt, da der Bundesrepublik hinsichtlich der Pflege ihrer Beziehungen zu auswärtigen Staaten ein weites außenpolitisches Ermessen zusteht. Dies schließt die aufenthaltsrechtliche Privilegierung von Angehörigen bestimmter Drittstaaten ein.

60

c) Eine unzulässige Ungleichbehandlung der Klägerin zu 1 liegt schließlich auch nicht im Hinblick auf die Ausnahmeregelung des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG vor. Diese führt gegenüber Ehegatten von Drittstaatsangehörigen, die - wie der Ehemann der Klägerin zu 1 - nicht visumfrei einreisen dürfen, zu einer Besserstellung. Auch diese Entscheidung ist verfassungsrechtlich hinreichend gerechtfertigt. Liegt die visumrechtliche Privilegierung bestimmter Drittstaatsangehöriger im weiten außenpolitischen Ermessen der Bundesrepublik, schließt dies auch die daran anknüpfende Erleichterung beim Ehegattennachzug ein.

61

1.7.3 Die dargelegten Ungleichbehandlungen begründen auch keinen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Dieses findet hier auf die Klägerin zu 1 und ihren Ehemann als Drittstaatsangehörige keine Anwendung.

62

Das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit war von Beginn an Bestandteil des Rechts der Europäischen Gemeinschaft. Nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon findet es sich nunmehr in Art. 18 der konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl EU 2008 Nr. C 115 S. 47) - AEUV -. Danach ist unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Art. 12 EGV wurde damit nahezu wortgleich in Art. 18 AEUV übernommen. Lediglich der Anwendungsbereich der Bestimmung wurde aufgrund der Pluralität der Rechtsquellen im neuen Vertragswerk von "Vertrag" auf "Verträge" geändert.

63

Auch Art. 21 Abs. 2 GR-Charta verbietet unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Die Grundrechte-Charta enthält damit ein mit Art. 18 AEUV übereinstimmendes allgemeines Diskriminierungsverbot. Mit Art. 21 Abs. 2 GR-Charta wurde das vom Gerichtshof der Europäischen Union schon lange als Grundrecht anerkannte Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit nunmehr auch formal in den Rang eines Grundrechts gehoben. Die Übereinstimmung von Art. 21 Abs. 2 GR-Charta und Art. 18 AEUV hat nach Art. 52 Abs. 2 GR-Charta allerdings zur Folge, dass die Ausübung dieses Grundrechts im Rahmen der in Art. 18 AEUV festgelegten Bedingungen und Grenzen zu erfolgen hat. Das bedeutet, dass sowohl der Gewährleistungsbereich als auch die Beeinträchtigungsmöglichkeiten übereinstimmen. Damit gewährt Art. 21 Abs. 2 GR-Charta im Ergebnis keinen weitergehenden Schutz als Art. 18 AEUV (vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Band 4, Europäische Grundrechte, 2009, Rn. 3226).

64

Der persönliche Anwendungsbereich des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist weder ausdrücklich auf Unionsbürger beschränkt noch werden Drittstaatsangehörige erwähnt. Eine gewisse Einschränkung kann allenfalls der Formulierung "in ihrem Anwendungsbereich" entnommen werden. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist allerdings zu entnehmen, dass dieser bislang von einer Anwendung des Art. 18 AEUV bzw. der Vorgängerregelung in Art. 12 EGV auf Drittstaatsangehörige abgesehen hat. In mehreren Entscheidungen hat er Diskriminierungen von Drittstaatsangehörigen nicht als gemeinschaftsrechtswidrig angesehen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 28. Oktober 1982 - verb. Rs. 50-58/82, Dorca Marina u.a. - Slg. 1982, 3949 Rn. 11; Urteil vom 28. Oktober 1982 - Rs. 52/81, Faust - Slg. 1982, 3745 Rn. 25; Urteil vom 10. März 1998 - Rs. C-122/95, Deutschland/Rat - Slg. 1998, I-973 Rn. 56), in diesem Zusammenhang hat er aber auch nicht explizit klargestellt, dass das Diskriminierungsverbot nur für Unionsbürger gilt und zu Gunsten von Drittstaatsangehörigen in keinem Fall Anwendung findet.

65

Dass das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegend keine Anwendung findet, ergibt sich indes aus seinem Sinn und Zweck. Das allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit stellt ein grundlegendes Prinzip der Gemeinschaft dar, ohne dass in der Union das Ziel eines funktionierenden Binnenmarkts und einer immer engeren Integration der Mitgliedstaaten und ihrer Bürger nicht erreicht werden kann. Dies trifft auf Drittstaatsangehörige nicht in gleicher Weise zu. Zwar ist die Integration von Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in der Union aufhalten, aus gesellschaftlichen Gründen ebenfalls ein wichtiges Ziel, sie ist jedoch kein Leitgedanke der europäischen Idee. Dementsprechend regelt das Gemeinschaftsrecht die Stellung von Drittstaatsangehörigen in wesentlich geringerem Umfang als diejenige von Angehörigen der Mitgliedstaaten. Zudem existieren bedeutende Unterschiede zwischen der Binnenmarktintegration und dem Migrationsrecht der Europäischen Union. Das Unionsrecht schränkt im Bereich der Migration den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht durch unmittelbar anwendbare Grundfreiheiten ein, sondern überträgt den politischen Organen die Entscheidung über Ausmaß und Ausrichtung der gemeinschaftlichen Rechtsetzung. Eine generelle Anwendung des Diskriminierungsverbots auf Drittstaatsangehörige würde dazu führen, dass eine differenzierende Politik, etwa im Bereich des Handels oder der Nutzung von Wirtschaftszonen gegenüber Drittländern kaum noch möglich wäre, da sie regelmäßig mit Diskriminierungen ihrer Angehörigen verbunden ist. Zudem widerspräche sie den Zielsetzungen der Bestimmungen über die Unionsbürgerschaft, die an die Staatsangehörigkeit der Mitgliedstaaten geknüpft ist und dieser Gruppe besondere Rechte zukommen lässt. Schließlich besteht auch keine gemeinschaftsrechtliche Notwendigkeit, die Mitgliedstaaten zur allgemeinen Weitergabe von Rechten an Drittstaatsangehörige zu zwingen, die sie regelmäßig nur unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit einräumen. Dies führt dazu, dass sich Drittstaatsangehörige grundsätzlich nicht auf das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit berufen können.

66

Hieran hat der Vertrag von Lissabon nichts geändert (vgl. Hellmann, Der Vertrag von Lissabon, Springer 2009, S. 27). Das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit wurde hierdurch inhaltlich nicht verändert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die bisherige Überschrift des Zweiten Teils im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ("Unionsbürgerschaft") im Zweiten Teil des Lissabonner Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in "Nichtdiskriminierung und Unionsbürgerschaft" geändert wurde. Diese Änderung hat keine rechtliche Auswirkung, sondern politisch-programmatischen Charakter (Fischer, Der Vertrag von Lissabon, 1. Aufl. 2008, S. 195). Eine generelle Einbeziehung von Drittstaatsangehörigen in den Kreis der Grundrechtsberechtigten des Art. 21 Abs. 2 GR-Charta würde im Übrigen auch zu einem Wertungswiderspruch mit Art. 15 Abs. 3 GR-Charta führen, der sich darauf beschränkt, Drittstaatsangehörigen einen Anspruch auf gleiche Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.

67

In der Literatur wird vertreten, Drittstaatsangehörige könnten sich ausnahmsweise auf das Diskriminierungsverbot berufen, wenn sie vom Anwendungsbereich der Verträge erfasst seien, hierfür genüge aber nicht, dass sie sich in einer gemeinschaftsrechtlich geregelten Situation befänden, sondern es müsse hinzukommen, dass sie sich in einer durch vertragliche Bestimmungen oder sekundärrechtliche Vorschriften vermittelten Rechtsposition befänden, die den Schutz durch das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit einschließe (vgl. Holoubek, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 12 EGV Rn. 27 ff.; v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand Juni 2005, Art. 12 EGV Rn. 30 ff.; Wilms, in: Hailbronner/Wilms, Recht der Europäischen Union, Stand September 2007, Art. 12 EGV Rn. 35). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Das Recht auf Familienzusammenführung nach der Familienzusammenführungsrichtlinie vermittelt Drittstaatsangehörigen keine den Schutz durch das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit einschließende Rechtsposition. Die Familienzusammenführungsrichtlinie dient dem Schutz der Familie und der Wahrung oder Herstellung des Familienlebens (vgl. 7. Erwägungsgrund). Dass im Anwendungsbereich der Familienzusammenführungsrichtlinie das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit nicht gilt, belegt im Übrigen der 5. Erwägungsgrund, der nur auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund der in Art. 21 Abs. 1 GR-Charta aufgeführten Diskriminierungsmerkmale (Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, ethnische und soziale Herkunft, genetische Merkmale, Sprache, Religion, Weltanschauung, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, Vermögen, Geburt, Behinderung, Alter oder sexuelle Ausrichtung) verweist, nicht aber auf das in Art. 18 AEUV und Art. 21 Abs. 2 GR-Charta enthaltene Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Folgerichtig hat die Kommission in ihrem Bericht zur Familienzusammenführungsrichtlinie vom 8. Oktober 2008 die in Deutschland an bestimmte Staatsangehörigkeiten anknüpfenden Ausnahmen nicht beanstandet (a.a.O. S. 8). Bei dieser Sachlage ist auch insoweit nicht von einer entscheidungserheblichen gemeinschaftsrechtlichen Zweifelsfrage auszugehen, die einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf.

68

1.8 Die gesetzliche Verschärfung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ehegattennachzug verstößt in Altfällen, in denen der Visumantrag - wie hier - vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes gestellt wurde, schließlich auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

69

Das ohne gesetzliche Übergangsregelung eingeführte Spracherfordernis entfaltet lediglich unechte Rückwirkung, da die Regelung sich nur auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft bezieht. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips sind nicht ersichtlich. Der Ehegatte eines sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhaltenden Ausländers konnte nicht davon ausgehen, dass ein nach bisheriger Rechtslage möglicherweise bestehender Nachzugsanspruch keinen nachträglichen gesetzlichen Einschränkungen unterworfen wird. Etwaigen Härten ist der Gesetzgeber vor allem durch die Ausnahmeregelung in § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG begegnet. Unverhältnismäßigen Ergebnissen kann darüber hinaus - wie dargelegt - auf anderem Wege einfachgesetzlich abgeholfen werden. Im Übrigen bewahrt der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nicht vor jeder Enttäuschung; verfassungsrechtlich schutzwürdig ist nur ein betätigtes Vertrauen, d.h. eine "Vertrauensinvestition", die zur Erlangung einer Rechtsposition oder zu entsprechenden anderen Dispositionen geführt hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. September 2007 - 1 BvR 58/06 - juris Rn. 20 mit Verweis auf Urteil vom 16. Juli 1985 - 1 BvL 5/80 u.a. - BVerfGE 69, 272 <309> und Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 u.a. - BVerfGE 75, 246 <280>). Für einen Eingriff in eine solche rechtlich geschützte Rechtsposition ist hier weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.

70

2. Hat die Klägerin zu 1 keinen Anspruch auf Familienzusammenführung, gilt dies auch für die Kläger zu 2 bis 6. Sie erfüllen nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 AufenthG für einen Anspruch auf (isolierten) Kindernachzug, da ihr Vater nicht allein sorgeberechtigt ist (vgl. Senatsurteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 = Buchholz 402.242 § 32 AufenthG Nr. 4). Ihnen kann auch nicht im Ermessenswege - den vor dem 1. Januar 2005 geborenen Klägern zu 2 bis 5 über § 104 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 20 Abs. 4 Nr. 2 AuslG 1990 und dem nach dem 1. Januar 2005 geborenen Kläger zu 6 über § 32 Abs. 4 AufenthG - ein Visum zum Kindernachzug erteilt werden. Nach den tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts liegen keine Anhaltspunkte für eine besondere Härte vor, die einen Nachzug der Kinder ohne ihre Mutter rechtfertigen könnten.

71

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Es besteht kein Anlass, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aus Billigkeit einer der Parteien oder der Staatskasse aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine 1983 geborene afghanische Staatsangehörige, begehrt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug.

2

Der 1982 geborene Ehemann der Klägerin reiste 1999 als afghanischer Staatsangehöriger nach Deutschland ein und betrieb hier erfolglos ein Asylverfahren. 2002 wurde ihm eine Aufenthaltsbefugnis erteilt, 2006 eine Niederlassungserlaubnis. Seit August 2007 oder Anfang 2008 ist die Klägerin wirksam mit ihrem Ehemann verheiratet. Im November 2009 erhielt der Ehemann durch Einbürgerung zusätzlich zur afghanischen die deutsche Staatsgehörigkeit.

3

Im Mai 2008 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug. Die Deutsche Botschaft in Kabul lehnte den Antrag am 9. April 2009 mit der Begründung ab, die Klägerin habe keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse nachgewiesen. Eine Ausnahme vom Spracherfordernis ergebe sich im Fall der Klägerin weder aus der Tatsache, dass sie Analphabetin sei, noch aus dem Umstand, dass in Ghazni keine Deutschkurse angeboten würden.

4

Im Dezember 2009 hat die Klägerin Klage auf Erteilung des begehrten Visums erhoben. Hilfsweise hat sie beantragt, die Beklagte zur Erteilung eines Visums von einem Jahr zum Spracherwerb in Deutschland zu verurteilen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 1. August 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug, da sie das Spracherfordernis nicht erfülle, das gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG auch für den Ehegattennachzug zu Deutschen gelte. Die Klägerin sei nicht wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung außerstande, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG). Vielmehr gehe sie selbst davon aus, dass es ihr im Rahmen geeigneter Integrationsmaßnahmen gelingen werde, Lesen und Schreiben und zudem die deutsche Sprache zu erlernen. Denn darauf ziele ihr Hilfsantrag.

5

Das Erfordernis, dass sich ein Ausländer grundsätzlich vor dem Nachzug zu dem im Bundesgebiet lebenden Ehegatten einfache Kenntnisse der deutschen Sprache aneignen müsse, sei mit dem Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG und nach Art. 8 EMRK sowie mit Unionsrecht - insbesondere der Familienzusammenführungsrichtlinie - vereinbar. Die Richtlinie 2003/86/EG räume in Art. 7 Abs. 2 den Mitgliedstaaten das Recht ein, von Drittstaatsangehörigen zu verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen, wozu auch der erfolgreiche Abschluss eines Sprachkurses gehöre. Es sei auch nicht erkennbar, dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar wäre, einfache deutsche Sprachkenntnisse vor ihrem Zuzug nach Deutschland zu erwerben. Entsprechende Kurse würden in Kabul angeboten. Von der Klägerin könne erwartet werden, dass sie sich zur Absolvierung eines solchen Sprachkurses nach Kabul begebe. Sie habe auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Spracherwerb in Deutschland.

6

Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision der Klägerin. Sie beruft sich auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Die Ungleichbehandlung der drittstaatsangehörigen Ehegatten von Deutschen im Verhältnis zu drittstaatsangehörigen Ehegatten von in Deutschland lebenden Unionsbürgern sei sachlich nicht gerechtfertigt. Sinn der Sprachanforderungen sei es, die Integration neu einreisender Ausländer zu fördern, Zwangsehen zu verhindern und das Entstehen von "Parallelgesellschaften" zu verhindern. Bei Ehegatten deutscher Staatsangehöriger sei aber im Regelfall von einem geringeren Integrationsbedarf auszugehen. Die mangelnde Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sei auch nicht durch das formale Argument einer Bindung an das Unionsrecht zu heilen, die eigene Staatsangehörige nicht erfasse. Darüber hinaus erschwere die Regelung die Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar und verstoße daher gegen den Schutz der Ehe nach Art. 6 GG. Vor allem sei die Regelung aber mit Art. 20 AEUV nicht vereinbar. Dem Ehegatten der Klägerin werde als Unionsbürger das grundlegende Recht auf Familieneinheit unangemessen erschwert. Werde die Aufenthaltserlaubnis wegen fehlender Sprachkenntnisse versagt, könnten die Klägerin und ihr Ehemann die eheliche Lebensgemeinschaft nicht in Deutschland aufnehmen. Das sei mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zu vereinbaren.

7

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung des begehrten Visums zum Ehegattennachzug mit einer Begründung verneint, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Es hat verkannt, dass sich die Voraussetzungen für den Ehegattennachzug zu einem Deutschen von den Nachzugsvoraussetzungen zu einem Ausländer unterscheiden. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den Anspruchsvoraussetzungen kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist daher an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Erteilung eines nationalen Visums zum Ehegattennachzug, das sie auch auf ihre Stellung als Familienangehörige eines Unionsbürgers stützt. Das in erster Instanz hilfsweise geltend gemachte Begehren auf Erteilung eines Visums zum Spracherwerb in Deutschland hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht weiterverfolgt.

10

Der revisionsgerichtlichen Beurteilung ist das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl I S. 1224), zugrunde zu legen. Denn bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz maßgeblich (vgl. Urteil vom 30. März 2010 - BVerwG 1 C 8.09 - BVerwGE 136, 231 Rn. 10). Die während des Revisionsverfahrens eingetretenen Rechtsänderungen sind allerdings zu beachten, weil auch das Verwaltungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte.

11

Die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes ist nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, da die Rechtsstellung der Klägerin mangels eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nicht von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU- FreizügG/EU) erfasst wird. Ein solches ergibt sich nicht aus der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürger-Richtlinie, da sich ihr Ehemann in Deutschland als dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, aufhält (vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie). Es lässt sich auch nicht unmittelbar aus der Unionsbürgerstellung ihres Ehemannes ableiten. Zum einen hat dieser von seinem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht keinen nachhaltigen Gebrauch gemacht, so dass es bereits an dieser Voraussetzung für die Annahme eines sog. Rückkehrerfalls fehlt (vgl. Urteil vom 22. Juni 2011 - BVerwG 1 C 11.10 - NVwZ 2012, 52 Rn. 9 m.w.N.). Zum anderen wird ihm durch die Versagung eines Aufenthaltsrechts zugunsten der Klägerin nicht der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte verwehrt, die ihm der Unionsbürgerstatus nach Art. 20, 21 AEUV verleiht (vgl. EuGH, Urteile vom 8. März 2011 - Rs. C-34/09, Zambrano - NVwZ 2011, 545 Rn. 42; vom 5. Mai 2011 - Rs. C-434/09, McCarthy - NVwZ 2011, 867 Rn. 56 und vom 15. November 2011 - Rs. C-256/11, Dereci u.a. - NVwZ 2012, 97 Rn. 74).

12

2. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin als afghanische Staatsangehörige ein nationales Visum für den von ihr angestrebten längerfristigen Aufenthalt in Deutschland benötigt (§ 6 Abs. 3 AufenthG). Das ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABl EG Nr. L 81 S. 1) - EG-VisaVO - und deren Anhang I.

13

3. Die Klägerin erstrebt den Nachzug zu ihrem deutschen Ehemann. Nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen ein (nationales) Visum zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Dabei ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG entsprechend anzuwenden (§ 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Damit setzt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zu einem Deutschen - ebenso wie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu einem Ausländer - (u.a.) voraus, dass sich der nachzugswillige Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Die Klägerin verfügt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts über keinerlei Deutschkenntnisse und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.

14

3.1 Nach § 2 Abs. 8 AufenthG entsprechen einfache deutsche Sprachkenntnisse dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER.) Dies beinhaltet als unterstes Sprachniveau folgende sprachliche Fähigkeiten:

"Kann vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze verstehen und verwenden, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse zielen. Kann sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen - z.B. wo sie wohnen, was für Leute sie kennen oder was für Dinge sie haben - und kann auf Fragen dieser Art Antwort geben. Kann sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartnerinnen oder Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen."

15

Die Fähigkeit, sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, umfasst nach der Definition des Sprachniveaus auch Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 14).

16

3.2 Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen, unter denen nach § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 3 AufenthG von dem Spracherfordernis abgesehen wird.

17

Die Klägerin kann sich insbesondere nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG berufen. Danach ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG unbeachtlich, wenn der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Klägerin der Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht möglich ist. Auch ihr Analphabetismus hat seine Ursache danach nicht in einer Krankheit oder Behinderung. Die mit einer Erstalphabetisierung im Erwachsenenalter allgemein verbundenen Schwierigkeiten reichen für eine Ausnahme nach dieser Vorschrift nicht aus (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 16).

18

Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG berufen. Danach gilt das Spracherfordernis nicht, wenn der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Diese Ausnahmeregelung bezieht sich auf Stammberechtigte, die nach § 41 AufenthV auch für längere Aufenthalte visumfrei einreisen und einen erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen können (BTDrucks 16/5065 S. 175). Ihr kommt beim Ehegattennachzug zu einem Deutschen über den Verweis in § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG keine Bedeutung zu. Ein Deutscher benötigt keinen Aufenthaltstitel zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Dass er aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit visumfrei einreisen und sich hier aufhalten darf, ergibt sich nicht aus § 41 AufenthV. Bei einer Übertragung der Ausnahmeregelung auf deutsche Stammberechtigte würde das Spracherfordernis beim Nachzug zu einem Deutschen vollkommen leerlaufen, was dem Willen des Gesetzgebers, auch in diesen Fällen vom nachziehenden Ehegatten grundsätzlich den Nachweis einfacher Deutschkenntnisse zu verlangen (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 171), zuwiderlaufen würde.

19

4. Das Erfordernis einfacher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug ist mit dem besonderen Schutz, den Ehe und Familie nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK genießen, grundsätzlich zu vereinbaren, auch soweit es den Nachzug zu einem Deutschen betrifft. Art. 7 der GR-Charta findet beim Nachzug zu einem - wie hier - unionsrechtlich nicht privilegierten inländischen Stammberechtigten, bei dem sich der Ehegattennachzug ausschließlich nach nationalem Recht richtet, keine Anwendung (vgl. Art. 51 Abs. 1 GR-Charta).

20

4.1 Das Erfordernis einfacher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug stellt zwar keinen Eingriff in die Freiheitsrechte des Art. 6 GG dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Das gilt auch für den Nachzug eines Ausländers zu seinem deutschen Ehegatten. Das Spracherfordernis ist jedoch an der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm zu messen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <49>). Danach wirken der zur Berücksichtigung ehelicher und familiärer Bindungen verpflichtende Schutzauftrag und das Förderungsgebot des Art. 6 GG auf die gesamte, die Ehe und Familie betreffende Rechtsordnung ein und setzen auch dem Gesetzgeber Grenzen. Dieser hat beim Erlass allgemeiner Regeln über die Erteilung von Aufenthaltstiteln die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise zu berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz dem Schutz von Ehe und Familie beimisst. Damit korrespondiert ein grundrechtlicher Anspruch auf angemessene Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Interessen an einem Zusammenleben im Bundesgebiet. Stehen dem Begehren eines Ausländers auf Familiennachzug öffentliche Belange entgegen, sind seine ehelichen und familiären Belange sowie gegenläufige öffentliche Interessen mit dem Ziel eines schonenden Ausgleichs gegeneinander abzuwägen. Dabei müssen Grundlage und Abwägungsergebnis der gesetzlichen Regelung dem sich aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden Gebot gerecht werden, die ehelichen und familiären Bindungen der einen Aufenthaltstitel begehrenden Ausländer an ihre im Bundesgebiet lebenden Angehörigen in angemessener Weise zu berücksichtigen. Die zu treffenden Regelungen müssen insbesondere den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots entsprechen. Dabei steht dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Ausländerrechts allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 31 ff. m.w.N.).

21

Ehe und Familie unterfallen zudem dem Schutz des Art. 8 EMRK. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte garantiert aber auch die Konvention kein Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Maßnahmen im Bereich der Einwanderung können jedoch das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK berühren. Danach hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens; ein Eingriff ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft. In beiden Fällen ist ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herzustellen. Im Ergebnis verpflichtet damit auch Art. 8 EMRK zu einer Abwägungslösung nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 33 f. m.w.N.).

22

Für das Spracherfordernis beim Ehegattennachzug zu Ausländern ist der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 30. März 2010 (a.a.O. Rn. 40 ff.) zu dem Ergebnis gekommen, dass die gesetzliche Regelung in der Regel zu einem ausgewogenen Interessenausgleich führt, der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK entspricht. Zugleich hat er darauf hingewiesen, dass die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall auch durch Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Spracherwerb nach § 16 Abs. 5 AufenthG hergestellt werden kann (Rn. 46). An dieser Rechtsprechung hält der 10. Senat für die Beurteilung des nationalen Rechts fest.

23

Das Bundesverfassungsgericht hat die verfassungsrechtliche Wertung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, dass die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderliche Verpflichtung des Ehegatten eines in Deutschland lebenden Ausländers, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, nicht gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verstößt (Beschluss vom 25. März 2011 - 2 BvR 1413/10 - NVwZ 2011, 870). Danach verfolgt der Gesetzgeber mit der Obliegenheit, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache vor Zuzug in das Bundesgebiet zu erwerben, ein legitimes Ziel, nämlich die Integration von Ausländern zu fördern und Zwangsverheiratungen zu verhindern. Es sei nicht ersichtlich, dass die Einschätzung des Gesetzgebers, das zur Erreichung dieses Ziels gewählte Instrumentarium sei Erfolg versprechend, evident ungeeignet sein könnte. Den Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers überschreite auch nicht die weitere Annahme, der Erwerb von Deutschkenntnissen vor der Einreise sei erforderlich, weil er häufiger und schneller zur Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse führe als ein Spracherwerb erst im Bundesgebiet. Gleiches gelte für die Einschätzung, bereits bei Einreise vorhandene Sprachkenntnisse erschwerten die Ausnutzung von Nötigungslagen, insbesondere könne sich ein Ehegatte im Falle einer Zwangslage an die zuständigen Behörden wenden und der Abhängigkeit von der "Schwiegerfamilie" leichter entgehen. Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht zu der Beurteilung gelange, beim Ehegattennachzug zu einem Ausländer führe der geforderte Nachweis von Deutschkenntnissen in seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung in der Regel zu einem angemessenen Interessenausgleich, sei dagegen von Verfassungs wegen nichts zu erinnern. Die mit dem Erwerb von Sprachkenntnissen typischerweise verbundene Belastung verzögerten häuslichen Zusammenlebens im Bundesgebiet werde sich zumeist in einem überschaubaren Zeitraum überwinden lassen, wofür insbesondere spreche, dass an die nachzuweisenden Sprachkenntnisse nur geringe Anforderungen gestellt werden. Hinzu komme, dass dem im Bundesgebiet lebenden ausländischen Ehepartner grundsätzlich Anstrengungen zumutbar seien, die familiäre Einheit durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (Beschluss vom 25. März 2011 a.a.O. Rn. 5 ff.).

24

Auch der High Court für England und Wales hält in seinem Urteil vom 16. Dezember 2011 (<2011> EWHC 3370 (Admin) Rn. 115) die im Vereinigten Königreich Ende 2010 eingeführte gesetzliche Regelung, wonach der Ehegattennachzug vom erfolgreichen Absolvieren eines auf Verstehen und Sprechen beschränkten Sprachtests vor der Einreise abhängig ist - allerdings versehen mit einer Härteklausel ("exceptional compassionate circumstances") - für vereinbar mit Art. 8 EMRK.

25

4.2 Die Gesichtspunkte, die für eine Vereinbarkeit des in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geregelten Spracherfordernisses mit Art. 6 Abs. 1 GG beim Ehegattennachzug zu Ausländern sprechen, sind allerdings nur eingeschränkt auf den Nachzug zu Deutschen übertragbar. Das hat das Verwaltungsgericht in der hier angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt. Soweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beim Nachzug zum deutschen Ehepartner Einschränkungen gebietet, ist dem durch eine verfassungskonforme Auslegung von § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG Rechnung zu tragen, der nur eine entsprechende Anwendung von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG anordnet.

26

Zwar stellt es auch beim Ehegattennachzug zu Deutschen ein legitimes gesetzgeberisches Ziel dar, durch frühzeitigen Nachweis von Sprachkenntnissen die Integration des nachziehenden Ausländers in die deutsche Gesellschaft zu erleichtern und der Gefahr von Zwangsverheiratungen entgegenzuwirken. An der Eignung und Erforderlichkeit der in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG getroffenen Regelung bestehen für den Senat aus den gleichen Gründen keine Zweifel, wie dies im Urteil vom 30. März 2010 bereits für den Ehegattennachzug zu einem Ausländer näher ausgeführt ist (a.a.O. Rn. 38 f.). Bei der Abwägung der gegenläufigen öffentlichen und privaten Belange ist allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein Deutscher - anders als ein im Bundesgebiet lebender Ausländer (vgl. Rn. 45 des zitierten Urteils) - grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden darf, seine Ehe im Ausland zu führen oder auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten (vgl. Urteil vom 20. Mai 1980 - BVerwG 1 C 55.75 - BVerwGE 60, 126 <130>). Denn das Grundrecht des Art. 11 GG gewährt ihm - anders als einem Ausländer - das Recht zum Aufenthalt in Deutschland (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 a.a.O. <47>) und erhöht deutlich das Gewicht der privaten Interessen am Ehegattennachzug zur Führung der ehelichen Gemeinschaft im Bundesgebiet. Einem deutschen Staatsangehörigen kann nur bei gewichtigen öffentlichen Belangen zugemutet werden, die Ehe für einige Zeit gar nicht oder nur im Ausland führen zu können. Sie dauerhaft im Ausland führen zu müssen, ist für ihn in jedem Fall unangemessen und unzumutbar.

27

Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich zwar keine uneingeschränkte Verpflichtung für die Ausländerbehörde, dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Ihr lässt sich durchweg entnehmen, dass die Ehe mit einem deutschen Partner den ausländischen Staatsangehörigen nicht schlechthin vor einer Aufenthaltsbeendigung schützt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73 u.a. - BVerfGE 35, 382 <408>). Jedoch verschiebt sich die Gewichtung der widerstreitenden Belange bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Gunsten des Schutzes der Ehe (vgl. Beschluss vom 18. Juli 1979 - 1 BvR 650/77 - BVerfGE 51, 386 <398>). Gleiches gilt für die Kammerrechtsprechung, wonach es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG grundsätzlich vereinbar ist, den ausländischen Ehepartner eines Deutschen auf die Nachholung eines erforderlichen Visumverfahrens und damit eine zeitweilige Trennung zu verweisen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 2341/06 - InfAuslR 2008, 239 f.). Danach sind Nachzugshindernisse von eng begrenzter Zeitdauer auch beim Ehegattennachzug zu deutschen Staatsangehörigen nicht von vornherein verfassungswidrig.

28

Überschreitet jedoch das Spracherfordernis als Nachzugsvoraussetzung im Visumverfahren im Einzelfall das zumutbare Ausmaß der Beeinträchtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG qualifiziert geschützten Belange des ausländischen und deutschen Ehegatten, ist es geboten, gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG von der Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor der Einreise des ausländischen Ehegatten abzusehen. Die Unzumutbarkeit kann sich u.a. daraus ergeben, dass es dem ausländischen Ehegatten aus besonderen persönlichen Gründen oder wegen der besonderen Umstände in seinem Heimatland nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die deutsche Sprache innerhalb angemessener Zeit zu erlernen. In einem solchen Fall schlägt die grundsätzlich verhältnismäßige Nachzugsvoraussetzung in ein unverhältnismäßiges dauerhaftes Nachzugshindernis um. Die Grenze zwischen Regel- und Ausnahmefall ist nach der Überzeugung des Senats bei einer Nachzugsverzögerung von einem Jahr zu ziehen. Sind zumutbare Bemühungen zum Erwerb der Sprachkenntnisse ein Jahr lang erfolglos geblieben, darf dem Visumbegehren des Ehegatten eines Deutschen das Spracherfordernis nicht mehr entgegen gehalten werden. Entsprechendes gilt, wenn dem ausländischen Ehepartner Bemühungen zum Spracherwerb von vornherein nicht zumutbar sind, etwa weil Sprachkurse in dem betreffenden Land nicht angeboten werden oder deren Besuch mit einem hohen Sicherheitsrisiko verbunden ist und auch sonstige erfolgversprechende Alternativen zum Spracherwerb nicht bestehen; in diesem Fall braucht die Jahresfrist nicht abgewartet zu werden. Bei der Zumutbarkeitsprüfung sind insbesondere die Verfügbarkeit von Lernangeboten, deren Kosten, ihre Erreichbarkeit sowie persönliche Umstände zu berücksichtigen, die der Wahrnehmung von Lernangeboten entgegenstehen können, etwa Krankheit oder Unabkömmlichkeit. Das erforderliche Bemühen zum Spracherwerb kann auch darin zum Ausdruck kommen, dass der Ausländer zwar die schriftlichen Anforderungen nicht erfüllt, wohl aber die mündlichen.

29

Führt die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall zu dem Ergebnis, dass vom Nachweis des Spracherfordernisses nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor der Einreise abzusehen ist, ist bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen das Visum zum Ehegattennachzug nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen. Dies enthebt den ausländischen Ehepartner allerdings nicht von Bemühungen, die gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse dann nach der Einreise zu erwerben, um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erhalten. Der Verzicht auf den Spracherwerbsnachweis vor der Einreise lässt das öffentliche Interesse an Mindestsprachkenntnissen als Integrationsvoraussetzung nicht endgültig entfallen (s.a. den Rechtsgedanken des § 41 Abs. 3 AufenthV). Gelingt dem ausländischen Ehegatten der Spracherwerb nicht, ist der Aufenthalt jedenfalls auf andere Weise, etwa durch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG zu ermöglichen, um die Ehe im Bundesgebiet führen zu können.

30

4.3 Die vorstehenden Erwägungen gelten gleichermaßen für den Ehegattennachzug zu einem Deutschen, der eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. Denn die weitere Staatsangehörigkeit führt nicht zu einer Beschränkung der Rechtswirkungen der deutschen, insbesondere des Rechts auf Aufenthalt in Deutschland nach Art. 11 GG. Der Senat weist darauf hin, dass die doppelte Staatsangehörigkeit eines deutschen Stammberechtigten - entgegen der Gesetzesbegründung der Bundesregierung vom 23. April 2007 zu § 28 AufenthG (BTDrucks 16/5065 S. 171) - auch keine besonderen Umstände begründet, um entgegen der gesetzlichen Regel den Ehegattennachzug von einer Sicherung des Lebensunterhalts abhängig zu machen.

31

5. Das Verwaltungsgericht ist bei der Zumutbarkeitsprüfung rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Ehegattennachzug zu Deutschen "identisch" seien mit denen zu einem ausländischen Staatsangehörigen (UA S. 6) und ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren für den Spracherwerb in aller Regel zumutbar sei (UA S. 10). In Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen zu den maßgeblichen Zumutbarkeitskriterien ist der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Das Verwaltungsgericht wird nunmehr insbesondere zu prüfen haben, ob der Klägerin der Besuch eines Sprachkurses in Kabul in der Zeit seit Stellung des Visumsantrags im Mai 2008 zumutbar gewesen ist. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass es einer afghanischen Frau, die bisher bei ihren Schwiegereltern in einem dörflichen Umfeld gelebt hat, eher nicht zumutbar sein dürfte, allein in die viele Autostunden entfernte Hauptstadt Kabul zu ziehen, um dort über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten die deutsche Sprache zu erlernen. Anderes mag gelten, wenn Verwandte oder Freunde in Kabul leben, die die Klägerin während der Dauer des Spracherwerbs bei sich aufnehmen können. Hierzu fehlen Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Sollte die Klägerin tatsächlich - wie sie vorträgt - Analphabetin sein, wäre vom Verwaltungsgericht weiter zu ermitteln, ob sie unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles innerhalb eines Jahres eine Alphabetisierung und den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse hätte erreichen können. Sollte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass der Klägerin der Erwerb der gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse nicht zumutbar war, hat es die Beklagte zur Erteilung des begehrten Visums zu verpflichten, wenn auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für den Ehegattennachzug vorliegen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die doppelte Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes - wie bereits ausgeführt - keine besonderen Umstände begründet, um entgegen der gesetzlichen Regel in § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG den Nachzug von einer Sicherung des Lebensunterhalts abhängig zu machen.

32

6. Mit ihrer Rüge der Verletzung des Gleichheitssatzes hat die Revision keinen Erfolg. Der nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG auch von dem nachzugswilligen Ehegatten eines Deutschen geforderte Sprachnachweis verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

33

6.1 Zu Unrecht sieht die Revision einen mit der Verfassung nicht vereinbaren Gleichheitsverstoß darin, dass der Sprachnachweis von den Ehegatten Deutscher verlangt wird, nicht hingegen von den Ehegatten anderer sich in Deutschland aufhaltender Unionsbürger. Denn dieser Unterschied folgt aus dem Unionsrecht, das begünstigende Regelungen nur für diejenigen Unionsbürger gewährt, die unionsrechtlich privilegiert sind (vgl. EuGH, Urteile vom 5. Mai 2011 a.a.O. und vom 15. November 2011 a.a.O.; Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürger-Richtlinie). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt es keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, wenn der nationale Gesetzgeber Regelungen des Unionsrechts nicht auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern überträgt, die - wie der Ehemann der Klägerin - unionsrechtlich nicht privilegiert sind (vgl. Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 17.09 - BVerwGE 138, 122 Rn. 15 m.w.N.). Dabei kann dahinstehen, ob angesichts der Verpflichtung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und der dadurch bedingten Betroffenheit unterschiedlicher Rechtskreise überhaupt gleiche oder vergleichbare Sachverhalte im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen. Denn die aus dem Nebeneinander von (umgesetztem) Unionsrecht und rein nationalem Recht entstehende Ungleichbehandlung ist jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Ist eine Übertragung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern, die unionsrechtlich nicht privilegiert sind, nicht geboten, liegen hinreichend gewichtige Gründe vor, dass in diesen Fällen die für alle unionsrechtlich nicht privilegierten Ausländer geltenden Bestimmungen des nationalen Aufenthaltsrechts zur Anwendung kommen. Im Übrigen berücksichtigt die gesetzliche Regelung in ihrer Auslegung durch den Senat das besondere Gewicht des privaten Interesses beim Ehegattennachzug zu Deutschen, weshalb das Spracherfordernis auf die Ehepartner von Deutschen nur mit Einschränkungen Anwendung findet.

34

6.2 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht vor, soweit Ehegatten, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen dürfen, einen erforderlichen Aufenthaltstitel innerhalb von drei Monaten nach der Einreise beantragen können (vgl. § 41 Abs. 3 AufenthV). Dadurch sind sie gegenüber anderen Ehegatten insoweit im Vorteil, als sie das Spracherfordernis nicht schon vor der Einreise, sondern erst bei der erstmaligen Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet erfüllen müssen. Diese Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich hinreichend gerechtfertigt. Der Bundesrepublik steht hinsichtlich der Pflege ihrer Beziehungen zu auswärtigen Staaten ein weites außenpolitisches Ermessen zu. Dies schließt die aufenthaltsrechtliche Privilegierung von Angehörigen bestimmter Drittstaaten ein (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 59). Im Übrigen ist die Regelung von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt, differenzierte Regelungen für unterschiedliche Gruppen nachzugswilliger Ausländer zu treffen, die in einem Gesamtabgleich untereinander teilweise vorteilhafte und teilweise nachteilige Regelungen beinhalten. So gewähren die Nachzugsregelungen den Ehegatten von Deutschen z.B. insoweit einen Vorteil gegenüber den Ehegatten aus visumrechtlich privilegierten Staaten, als § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG im Regelfall vom Erfordernis der Unterhaltssicherung befreit.

35

7. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV zur Klärung der Frage, ob das Spracherfordernis eine zulässige Integrationsmaßnahme im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86/EG darstellt, bedurfte es nicht. Denn bereits aus dem Wortlaut der Richtlinie ergibt sich eindeutig, dass die Klägerin nicht von ihren Regelungen erfasst wird.

36

Nach Art. 3 Abs. 3 findet die Richtlinie auf die Familienangehörigen eines Unionsbürgers keine Anwendung. Der Ehemann der Klägerin ist als Deutscher aber Unionsbürger, auch wenn er zusätzlich eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. Denn "Drittstaatsangehöriger" ist nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie nur derjenige, der nicht - wie der Ehemann der Klägerin - Unionsbürger im Sinne von Art. 17 Abs. 1 des Vertrages (jetzt: Art. 20 Abs. 1 AEUV) ist. Im Übrigen bietet das Unionsrecht kein geschlossenes Konzept von Regelungen für den Familiennachzug. Vielmehr bleibt ein bestimmter Personenkreis sowohl von der Anwendbarkeit der Familienzusammenführungs-Richtlinie, der Unionsbürger-Richtlinie und anderen Regelungen des unionsrechtlichen Sekundärrechts ausgenommen. Das gilt insbesondere für Familienangehörige von Unionsbürgern, bei denen der Unionsbürger von seinem Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch gemacht hat.

37

Eine Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/86/EG auf die Klägerin ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass sie bis zur Einbürgerung ihres Ehemannes im November 2009 die Rechtsstellung einer Familienangehörigen im Sinne der Richtlinie besessen hat. Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 29. März 2012 in der Sache Kahveci und Inan (Rs. C-7/10 und Rs. C-9/10 - InfAuslR 2012, 201) entschieden, dass sich die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, weiterhin auf ihre Rechtsstellung nach Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses EWG/Türkei 1/80 - ARB 1/80 - berufen können, wenn dieser Arbeitnehmer zusätzlich zu seiner türkischen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erhalten hat. Diese Entscheidung zum Assoziationsrecht lässt sich auf die Rechtsstellung nach der Richtlinie 2003/86/EG nicht übertragen, da im Bereich der Richtlinie 2003/86/EG durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit die Rechtsstellung eines Unionsbürgers erworben und damit der Ausschlusstatbestand des Art. 3 Abs. 3 erfüllt wird, während der ARB 1/80 entsprechendes für die assoziationsrechtliche Rechtsstellung nicht vorsieht.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine 1983 geborene afghanische Staatsangehörige, begehrt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug.

2

Der 1982 geborene Ehemann der Klägerin reiste 1999 als afghanischer Staatsangehöriger nach Deutschland ein und betrieb hier erfolglos ein Asylverfahren. 2002 wurde ihm eine Aufenthaltsbefugnis erteilt, 2006 eine Niederlassungserlaubnis. Seit August 2007 oder Anfang 2008 ist die Klägerin wirksam mit ihrem Ehemann verheiratet. Im November 2009 erhielt der Ehemann durch Einbürgerung zusätzlich zur afghanischen die deutsche Staatsgehörigkeit.

3

Im Mai 2008 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug. Die Deutsche Botschaft in Kabul lehnte den Antrag am 9. April 2009 mit der Begründung ab, die Klägerin habe keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse nachgewiesen. Eine Ausnahme vom Spracherfordernis ergebe sich im Fall der Klägerin weder aus der Tatsache, dass sie Analphabetin sei, noch aus dem Umstand, dass in Ghazni keine Deutschkurse angeboten würden.

4

Im Dezember 2009 hat die Klägerin Klage auf Erteilung des begehrten Visums erhoben. Hilfsweise hat sie beantragt, die Beklagte zur Erteilung eines Visums von einem Jahr zum Spracherwerb in Deutschland zu verurteilen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 1. August 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug, da sie das Spracherfordernis nicht erfülle, das gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG auch für den Ehegattennachzug zu Deutschen gelte. Die Klägerin sei nicht wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung außerstande, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG). Vielmehr gehe sie selbst davon aus, dass es ihr im Rahmen geeigneter Integrationsmaßnahmen gelingen werde, Lesen und Schreiben und zudem die deutsche Sprache zu erlernen. Denn darauf ziele ihr Hilfsantrag.

5

Das Erfordernis, dass sich ein Ausländer grundsätzlich vor dem Nachzug zu dem im Bundesgebiet lebenden Ehegatten einfache Kenntnisse der deutschen Sprache aneignen müsse, sei mit dem Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG und nach Art. 8 EMRK sowie mit Unionsrecht - insbesondere der Familienzusammenführungsrichtlinie - vereinbar. Die Richtlinie 2003/86/EG räume in Art. 7 Abs. 2 den Mitgliedstaaten das Recht ein, von Drittstaatsangehörigen zu verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen, wozu auch der erfolgreiche Abschluss eines Sprachkurses gehöre. Es sei auch nicht erkennbar, dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar wäre, einfache deutsche Sprachkenntnisse vor ihrem Zuzug nach Deutschland zu erwerben. Entsprechende Kurse würden in Kabul angeboten. Von der Klägerin könne erwartet werden, dass sie sich zur Absolvierung eines solchen Sprachkurses nach Kabul begebe. Sie habe auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Spracherwerb in Deutschland.

6

Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision der Klägerin. Sie beruft sich auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Die Ungleichbehandlung der drittstaatsangehörigen Ehegatten von Deutschen im Verhältnis zu drittstaatsangehörigen Ehegatten von in Deutschland lebenden Unionsbürgern sei sachlich nicht gerechtfertigt. Sinn der Sprachanforderungen sei es, die Integration neu einreisender Ausländer zu fördern, Zwangsehen zu verhindern und das Entstehen von "Parallelgesellschaften" zu verhindern. Bei Ehegatten deutscher Staatsangehöriger sei aber im Regelfall von einem geringeren Integrationsbedarf auszugehen. Die mangelnde Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sei auch nicht durch das formale Argument einer Bindung an das Unionsrecht zu heilen, die eigene Staatsangehörige nicht erfasse. Darüber hinaus erschwere die Regelung die Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar und verstoße daher gegen den Schutz der Ehe nach Art. 6 GG. Vor allem sei die Regelung aber mit Art. 20 AEUV nicht vereinbar. Dem Ehegatten der Klägerin werde als Unionsbürger das grundlegende Recht auf Familieneinheit unangemessen erschwert. Werde die Aufenthaltserlaubnis wegen fehlender Sprachkenntnisse versagt, könnten die Klägerin und ihr Ehemann die eheliche Lebensgemeinschaft nicht in Deutschland aufnehmen. Das sei mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zu vereinbaren.

7

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung des begehrten Visums zum Ehegattennachzug mit einer Begründung verneint, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Es hat verkannt, dass sich die Voraussetzungen für den Ehegattennachzug zu einem Deutschen von den Nachzugsvoraussetzungen zu einem Ausländer unterscheiden. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den Anspruchsvoraussetzungen kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist daher an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Erteilung eines nationalen Visums zum Ehegattennachzug, das sie auch auf ihre Stellung als Familienangehörige eines Unionsbürgers stützt. Das in erster Instanz hilfsweise geltend gemachte Begehren auf Erteilung eines Visums zum Spracherwerb in Deutschland hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht weiterverfolgt.

10

Der revisionsgerichtlichen Beurteilung ist das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl I S. 1224), zugrunde zu legen. Denn bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz maßgeblich (vgl. Urteil vom 30. März 2010 - BVerwG 1 C 8.09 - BVerwGE 136, 231 Rn. 10). Die während des Revisionsverfahrens eingetretenen Rechtsänderungen sind allerdings zu beachten, weil auch das Verwaltungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte.

11

Die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes ist nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, da die Rechtsstellung der Klägerin mangels eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nicht von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU- FreizügG/EU) erfasst wird. Ein solches ergibt sich nicht aus der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürger-Richtlinie, da sich ihr Ehemann in Deutschland als dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, aufhält (vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie). Es lässt sich auch nicht unmittelbar aus der Unionsbürgerstellung ihres Ehemannes ableiten. Zum einen hat dieser von seinem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht keinen nachhaltigen Gebrauch gemacht, so dass es bereits an dieser Voraussetzung für die Annahme eines sog. Rückkehrerfalls fehlt (vgl. Urteil vom 22. Juni 2011 - BVerwG 1 C 11.10 - NVwZ 2012, 52 Rn. 9 m.w.N.). Zum anderen wird ihm durch die Versagung eines Aufenthaltsrechts zugunsten der Klägerin nicht der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte verwehrt, die ihm der Unionsbürgerstatus nach Art. 20, 21 AEUV verleiht (vgl. EuGH, Urteile vom 8. März 2011 - Rs. C-34/09, Zambrano - NVwZ 2011, 545 Rn. 42; vom 5. Mai 2011 - Rs. C-434/09, McCarthy - NVwZ 2011, 867 Rn. 56 und vom 15. November 2011 - Rs. C-256/11, Dereci u.a. - NVwZ 2012, 97 Rn. 74).

12

2. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin als afghanische Staatsangehörige ein nationales Visum für den von ihr angestrebten längerfristigen Aufenthalt in Deutschland benötigt (§ 6 Abs. 3 AufenthG). Das ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABl EG Nr. L 81 S. 1) - EG-VisaVO - und deren Anhang I.

13

3. Die Klägerin erstrebt den Nachzug zu ihrem deutschen Ehemann. Nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen ein (nationales) Visum zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Dabei ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG entsprechend anzuwenden (§ 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Damit setzt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zu einem Deutschen - ebenso wie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu einem Ausländer - (u.a.) voraus, dass sich der nachzugswillige Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Die Klägerin verfügt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts über keinerlei Deutschkenntnisse und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.

14

3.1 Nach § 2 Abs. 8 AufenthG entsprechen einfache deutsche Sprachkenntnisse dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER.) Dies beinhaltet als unterstes Sprachniveau folgende sprachliche Fähigkeiten:

"Kann vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze verstehen und verwenden, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse zielen. Kann sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen - z.B. wo sie wohnen, was für Leute sie kennen oder was für Dinge sie haben - und kann auf Fragen dieser Art Antwort geben. Kann sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartnerinnen oder Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen."

15

Die Fähigkeit, sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, umfasst nach der Definition des Sprachniveaus auch Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 14).

16

3.2 Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen, unter denen nach § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 3 AufenthG von dem Spracherfordernis abgesehen wird.

17

Die Klägerin kann sich insbesondere nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG berufen. Danach ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG unbeachtlich, wenn der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Klägerin der Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht möglich ist. Auch ihr Analphabetismus hat seine Ursache danach nicht in einer Krankheit oder Behinderung. Die mit einer Erstalphabetisierung im Erwachsenenalter allgemein verbundenen Schwierigkeiten reichen für eine Ausnahme nach dieser Vorschrift nicht aus (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 16).

18

Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG berufen. Danach gilt das Spracherfordernis nicht, wenn der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Diese Ausnahmeregelung bezieht sich auf Stammberechtigte, die nach § 41 AufenthV auch für längere Aufenthalte visumfrei einreisen und einen erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen können (BTDrucks 16/5065 S. 175). Ihr kommt beim Ehegattennachzug zu einem Deutschen über den Verweis in § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG keine Bedeutung zu. Ein Deutscher benötigt keinen Aufenthaltstitel zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Dass er aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit visumfrei einreisen und sich hier aufhalten darf, ergibt sich nicht aus § 41 AufenthV. Bei einer Übertragung der Ausnahmeregelung auf deutsche Stammberechtigte würde das Spracherfordernis beim Nachzug zu einem Deutschen vollkommen leerlaufen, was dem Willen des Gesetzgebers, auch in diesen Fällen vom nachziehenden Ehegatten grundsätzlich den Nachweis einfacher Deutschkenntnisse zu verlangen (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 171), zuwiderlaufen würde.

19

4. Das Erfordernis einfacher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug ist mit dem besonderen Schutz, den Ehe und Familie nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK genießen, grundsätzlich zu vereinbaren, auch soweit es den Nachzug zu einem Deutschen betrifft. Art. 7 der GR-Charta findet beim Nachzug zu einem - wie hier - unionsrechtlich nicht privilegierten inländischen Stammberechtigten, bei dem sich der Ehegattennachzug ausschließlich nach nationalem Recht richtet, keine Anwendung (vgl. Art. 51 Abs. 1 GR-Charta).

20

4.1 Das Erfordernis einfacher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug stellt zwar keinen Eingriff in die Freiheitsrechte des Art. 6 GG dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Das gilt auch für den Nachzug eines Ausländers zu seinem deutschen Ehegatten. Das Spracherfordernis ist jedoch an der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm zu messen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <49>). Danach wirken der zur Berücksichtigung ehelicher und familiärer Bindungen verpflichtende Schutzauftrag und das Förderungsgebot des Art. 6 GG auf die gesamte, die Ehe und Familie betreffende Rechtsordnung ein und setzen auch dem Gesetzgeber Grenzen. Dieser hat beim Erlass allgemeiner Regeln über die Erteilung von Aufenthaltstiteln die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise zu berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz dem Schutz von Ehe und Familie beimisst. Damit korrespondiert ein grundrechtlicher Anspruch auf angemessene Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Interessen an einem Zusammenleben im Bundesgebiet. Stehen dem Begehren eines Ausländers auf Familiennachzug öffentliche Belange entgegen, sind seine ehelichen und familiären Belange sowie gegenläufige öffentliche Interessen mit dem Ziel eines schonenden Ausgleichs gegeneinander abzuwägen. Dabei müssen Grundlage und Abwägungsergebnis der gesetzlichen Regelung dem sich aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden Gebot gerecht werden, die ehelichen und familiären Bindungen der einen Aufenthaltstitel begehrenden Ausländer an ihre im Bundesgebiet lebenden Angehörigen in angemessener Weise zu berücksichtigen. Die zu treffenden Regelungen müssen insbesondere den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots entsprechen. Dabei steht dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Ausländerrechts allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 31 ff. m.w.N.).

21

Ehe und Familie unterfallen zudem dem Schutz des Art. 8 EMRK. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte garantiert aber auch die Konvention kein Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Maßnahmen im Bereich der Einwanderung können jedoch das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK berühren. Danach hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens; ein Eingriff ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft. In beiden Fällen ist ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herzustellen. Im Ergebnis verpflichtet damit auch Art. 8 EMRK zu einer Abwägungslösung nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 33 f. m.w.N.).

22

Für das Spracherfordernis beim Ehegattennachzug zu Ausländern ist der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 30. März 2010 (a.a.O. Rn. 40 ff.) zu dem Ergebnis gekommen, dass die gesetzliche Regelung in der Regel zu einem ausgewogenen Interessenausgleich führt, der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK entspricht. Zugleich hat er darauf hingewiesen, dass die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall auch durch Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Spracherwerb nach § 16 Abs. 5 AufenthG hergestellt werden kann (Rn. 46). An dieser Rechtsprechung hält der 10. Senat für die Beurteilung des nationalen Rechts fest.

23

Das Bundesverfassungsgericht hat die verfassungsrechtliche Wertung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, dass die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderliche Verpflichtung des Ehegatten eines in Deutschland lebenden Ausländers, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, nicht gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verstößt (Beschluss vom 25. März 2011 - 2 BvR 1413/10 - NVwZ 2011, 870). Danach verfolgt der Gesetzgeber mit der Obliegenheit, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache vor Zuzug in das Bundesgebiet zu erwerben, ein legitimes Ziel, nämlich die Integration von Ausländern zu fördern und Zwangsverheiratungen zu verhindern. Es sei nicht ersichtlich, dass die Einschätzung des Gesetzgebers, das zur Erreichung dieses Ziels gewählte Instrumentarium sei Erfolg versprechend, evident ungeeignet sein könnte. Den Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers überschreite auch nicht die weitere Annahme, der Erwerb von Deutschkenntnissen vor der Einreise sei erforderlich, weil er häufiger und schneller zur Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse führe als ein Spracherwerb erst im Bundesgebiet. Gleiches gelte für die Einschätzung, bereits bei Einreise vorhandene Sprachkenntnisse erschwerten die Ausnutzung von Nötigungslagen, insbesondere könne sich ein Ehegatte im Falle einer Zwangslage an die zuständigen Behörden wenden und der Abhängigkeit von der "Schwiegerfamilie" leichter entgehen. Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht zu der Beurteilung gelange, beim Ehegattennachzug zu einem Ausländer führe der geforderte Nachweis von Deutschkenntnissen in seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung in der Regel zu einem angemessenen Interessenausgleich, sei dagegen von Verfassungs wegen nichts zu erinnern. Die mit dem Erwerb von Sprachkenntnissen typischerweise verbundene Belastung verzögerten häuslichen Zusammenlebens im Bundesgebiet werde sich zumeist in einem überschaubaren Zeitraum überwinden lassen, wofür insbesondere spreche, dass an die nachzuweisenden Sprachkenntnisse nur geringe Anforderungen gestellt werden. Hinzu komme, dass dem im Bundesgebiet lebenden ausländischen Ehepartner grundsätzlich Anstrengungen zumutbar seien, die familiäre Einheit durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (Beschluss vom 25. März 2011 a.a.O. Rn. 5 ff.).

24

Auch der High Court für England und Wales hält in seinem Urteil vom 16. Dezember 2011 (<2011> EWHC 3370 (Admin) Rn. 115) die im Vereinigten Königreich Ende 2010 eingeführte gesetzliche Regelung, wonach der Ehegattennachzug vom erfolgreichen Absolvieren eines auf Verstehen und Sprechen beschränkten Sprachtests vor der Einreise abhängig ist - allerdings versehen mit einer Härteklausel ("exceptional compassionate circumstances") - für vereinbar mit Art. 8 EMRK.

25

4.2 Die Gesichtspunkte, die für eine Vereinbarkeit des in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geregelten Spracherfordernisses mit Art. 6 Abs. 1 GG beim Ehegattennachzug zu Ausländern sprechen, sind allerdings nur eingeschränkt auf den Nachzug zu Deutschen übertragbar. Das hat das Verwaltungsgericht in der hier angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt. Soweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beim Nachzug zum deutschen Ehepartner Einschränkungen gebietet, ist dem durch eine verfassungskonforme Auslegung von § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG Rechnung zu tragen, der nur eine entsprechende Anwendung von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG anordnet.

26

Zwar stellt es auch beim Ehegattennachzug zu Deutschen ein legitimes gesetzgeberisches Ziel dar, durch frühzeitigen Nachweis von Sprachkenntnissen die Integration des nachziehenden Ausländers in die deutsche Gesellschaft zu erleichtern und der Gefahr von Zwangsverheiratungen entgegenzuwirken. An der Eignung und Erforderlichkeit der in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG getroffenen Regelung bestehen für den Senat aus den gleichen Gründen keine Zweifel, wie dies im Urteil vom 30. März 2010 bereits für den Ehegattennachzug zu einem Ausländer näher ausgeführt ist (a.a.O. Rn. 38 f.). Bei der Abwägung der gegenläufigen öffentlichen und privaten Belange ist allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein Deutscher - anders als ein im Bundesgebiet lebender Ausländer (vgl. Rn. 45 des zitierten Urteils) - grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden darf, seine Ehe im Ausland zu führen oder auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten (vgl. Urteil vom 20. Mai 1980 - BVerwG 1 C 55.75 - BVerwGE 60, 126 <130>). Denn das Grundrecht des Art. 11 GG gewährt ihm - anders als einem Ausländer - das Recht zum Aufenthalt in Deutschland (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 a.a.O. <47>) und erhöht deutlich das Gewicht der privaten Interessen am Ehegattennachzug zur Führung der ehelichen Gemeinschaft im Bundesgebiet. Einem deutschen Staatsangehörigen kann nur bei gewichtigen öffentlichen Belangen zugemutet werden, die Ehe für einige Zeit gar nicht oder nur im Ausland führen zu können. Sie dauerhaft im Ausland führen zu müssen, ist für ihn in jedem Fall unangemessen und unzumutbar.

27

Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich zwar keine uneingeschränkte Verpflichtung für die Ausländerbehörde, dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Ihr lässt sich durchweg entnehmen, dass die Ehe mit einem deutschen Partner den ausländischen Staatsangehörigen nicht schlechthin vor einer Aufenthaltsbeendigung schützt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73 u.a. - BVerfGE 35, 382 <408>). Jedoch verschiebt sich die Gewichtung der widerstreitenden Belange bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Gunsten des Schutzes der Ehe (vgl. Beschluss vom 18. Juli 1979 - 1 BvR 650/77 - BVerfGE 51, 386 <398>). Gleiches gilt für die Kammerrechtsprechung, wonach es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG grundsätzlich vereinbar ist, den ausländischen Ehepartner eines Deutschen auf die Nachholung eines erforderlichen Visumverfahrens und damit eine zeitweilige Trennung zu verweisen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 2341/06 - InfAuslR 2008, 239 f.). Danach sind Nachzugshindernisse von eng begrenzter Zeitdauer auch beim Ehegattennachzug zu deutschen Staatsangehörigen nicht von vornherein verfassungswidrig.

28

Überschreitet jedoch das Spracherfordernis als Nachzugsvoraussetzung im Visumverfahren im Einzelfall das zumutbare Ausmaß der Beeinträchtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG qualifiziert geschützten Belange des ausländischen und deutschen Ehegatten, ist es geboten, gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG von der Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor der Einreise des ausländischen Ehegatten abzusehen. Die Unzumutbarkeit kann sich u.a. daraus ergeben, dass es dem ausländischen Ehegatten aus besonderen persönlichen Gründen oder wegen der besonderen Umstände in seinem Heimatland nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die deutsche Sprache innerhalb angemessener Zeit zu erlernen. In einem solchen Fall schlägt die grundsätzlich verhältnismäßige Nachzugsvoraussetzung in ein unverhältnismäßiges dauerhaftes Nachzugshindernis um. Die Grenze zwischen Regel- und Ausnahmefall ist nach der Überzeugung des Senats bei einer Nachzugsverzögerung von einem Jahr zu ziehen. Sind zumutbare Bemühungen zum Erwerb der Sprachkenntnisse ein Jahr lang erfolglos geblieben, darf dem Visumbegehren des Ehegatten eines Deutschen das Spracherfordernis nicht mehr entgegen gehalten werden. Entsprechendes gilt, wenn dem ausländischen Ehepartner Bemühungen zum Spracherwerb von vornherein nicht zumutbar sind, etwa weil Sprachkurse in dem betreffenden Land nicht angeboten werden oder deren Besuch mit einem hohen Sicherheitsrisiko verbunden ist und auch sonstige erfolgversprechende Alternativen zum Spracherwerb nicht bestehen; in diesem Fall braucht die Jahresfrist nicht abgewartet zu werden. Bei der Zumutbarkeitsprüfung sind insbesondere die Verfügbarkeit von Lernangeboten, deren Kosten, ihre Erreichbarkeit sowie persönliche Umstände zu berücksichtigen, die der Wahrnehmung von Lernangeboten entgegenstehen können, etwa Krankheit oder Unabkömmlichkeit. Das erforderliche Bemühen zum Spracherwerb kann auch darin zum Ausdruck kommen, dass der Ausländer zwar die schriftlichen Anforderungen nicht erfüllt, wohl aber die mündlichen.

29

Führt die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall zu dem Ergebnis, dass vom Nachweis des Spracherfordernisses nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor der Einreise abzusehen ist, ist bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen das Visum zum Ehegattennachzug nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen. Dies enthebt den ausländischen Ehepartner allerdings nicht von Bemühungen, die gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse dann nach der Einreise zu erwerben, um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erhalten. Der Verzicht auf den Spracherwerbsnachweis vor der Einreise lässt das öffentliche Interesse an Mindestsprachkenntnissen als Integrationsvoraussetzung nicht endgültig entfallen (s.a. den Rechtsgedanken des § 41 Abs. 3 AufenthV). Gelingt dem ausländischen Ehegatten der Spracherwerb nicht, ist der Aufenthalt jedenfalls auf andere Weise, etwa durch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG zu ermöglichen, um die Ehe im Bundesgebiet führen zu können.

30

4.3 Die vorstehenden Erwägungen gelten gleichermaßen für den Ehegattennachzug zu einem Deutschen, der eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. Denn die weitere Staatsangehörigkeit führt nicht zu einer Beschränkung der Rechtswirkungen der deutschen, insbesondere des Rechts auf Aufenthalt in Deutschland nach Art. 11 GG. Der Senat weist darauf hin, dass die doppelte Staatsangehörigkeit eines deutschen Stammberechtigten - entgegen der Gesetzesbegründung der Bundesregierung vom 23. April 2007 zu § 28 AufenthG (BTDrucks 16/5065 S. 171) - auch keine besonderen Umstände begründet, um entgegen der gesetzlichen Regel den Ehegattennachzug von einer Sicherung des Lebensunterhalts abhängig zu machen.

31

5. Das Verwaltungsgericht ist bei der Zumutbarkeitsprüfung rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Ehegattennachzug zu Deutschen "identisch" seien mit denen zu einem ausländischen Staatsangehörigen (UA S. 6) und ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren für den Spracherwerb in aller Regel zumutbar sei (UA S. 10). In Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen zu den maßgeblichen Zumutbarkeitskriterien ist der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Das Verwaltungsgericht wird nunmehr insbesondere zu prüfen haben, ob der Klägerin der Besuch eines Sprachkurses in Kabul in der Zeit seit Stellung des Visumsantrags im Mai 2008 zumutbar gewesen ist. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass es einer afghanischen Frau, die bisher bei ihren Schwiegereltern in einem dörflichen Umfeld gelebt hat, eher nicht zumutbar sein dürfte, allein in die viele Autostunden entfernte Hauptstadt Kabul zu ziehen, um dort über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten die deutsche Sprache zu erlernen. Anderes mag gelten, wenn Verwandte oder Freunde in Kabul leben, die die Klägerin während der Dauer des Spracherwerbs bei sich aufnehmen können. Hierzu fehlen Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Sollte die Klägerin tatsächlich - wie sie vorträgt - Analphabetin sein, wäre vom Verwaltungsgericht weiter zu ermitteln, ob sie unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles innerhalb eines Jahres eine Alphabetisierung und den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse hätte erreichen können. Sollte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass der Klägerin der Erwerb der gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse nicht zumutbar war, hat es die Beklagte zur Erteilung des begehrten Visums zu verpflichten, wenn auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für den Ehegattennachzug vorliegen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die doppelte Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes - wie bereits ausgeführt - keine besonderen Umstände begründet, um entgegen der gesetzlichen Regel in § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG den Nachzug von einer Sicherung des Lebensunterhalts abhängig zu machen.

32

6. Mit ihrer Rüge der Verletzung des Gleichheitssatzes hat die Revision keinen Erfolg. Der nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG auch von dem nachzugswilligen Ehegatten eines Deutschen geforderte Sprachnachweis verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

33

6.1 Zu Unrecht sieht die Revision einen mit der Verfassung nicht vereinbaren Gleichheitsverstoß darin, dass der Sprachnachweis von den Ehegatten Deutscher verlangt wird, nicht hingegen von den Ehegatten anderer sich in Deutschland aufhaltender Unionsbürger. Denn dieser Unterschied folgt aus dem Unionsrecht, das begünstigende Regelungen nur für diejenigen Unionsbürger gewährt, die unionsrechtlich privilegiert sind (vgl. EuGH, Urteile vom 5. Mai 2011 a.a.O. und vom 15. November 2011 a.a.O.; Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürger-Richtlinie). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt es keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, wenn der nationale Gesetzgeber Regelungen des Unionsrechts nicht auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern überträgt, die - wie der Ehemann der Klägerin - unionsrechtlich nicht privilegiert sind (vgl. Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 17.09 - BVerwGE 138, 122 Rn. 15 m.w.N.). Dabei kann dahinstehen, ob angesichts der Verpflichtung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und der dadurch bedingten Betroffenheit unterschiedlicher Rechtskreise überhaupt gleiche oder vergleichbare Sachverhalte im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen. Denn die aus dem Nebeneinander von (umgesetztem) Unionsrecht und rein nationalem Recht entstehende Ungleichbehandlung ist jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Ist eine Übertragung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern, die unionsrechtlich nicht privilegiert sind, nicht geboten, liegen hinreichend gewichtige Gründe vor, dass in diesen Fällen die für alle unionsrechtlich nicht privilegierten Ausländer geltenden Bestimmungen des nationalen Aufenthaltsrechts zur Anwendung kommen. Im Übrigen berücksichtigt die gesetzliche Regelung in ihrer Auslegung durch den Senat das besondere Gewicht des privaten Interesses beim Ehegattennachzug zu Deutschen, weshalb das Spracherfordernis auf die Ehepartner von Deutschen nur mit Einschränkungen Anwendung findet.

34

6.2 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht vor, soweit Ehegatten, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen dürfen, einen erforderlichen Aufenthaltstitel innerhalb von drei Monaten nach der Einreise beantragen können (vgl. § 41 Abs. 3 AufenthV). Dadurch sind sie gegenüber anderen Ehegatten insoweit im Vorteil, als sie das Spracherfordernis nicht schon vor der Einreise, sondern erst bei der erstmaligen Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet erfüllen müssen. Diese Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich hinreichend gerechtfertigt. Der Bundesrepublik steht hinsichtlich der Pflege ihrer Beziehungen zu auswärtigen Staaten ein weites außenpolitisches Ermessen zu. Dies schließt die aufenthaltsrechtliche Privilegierung von Angehörigen bestimmter Drittstaaten ein (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 59). Im Übrigen ist die Regelung von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt, differenzierte Regelungen für unterschiedliche Gruppen nachzugswilliger Ausländer zu treffen, die in einem Gesamtabgleich untereinander teilweise vorteilhafte und teilweise nachteilige Regelungen beinhalten. So gewähren die Nachzugsregelungen den Ehegatten von Deutschen z.B. insoweit einen Vorteil gegenüber den Ehegatten aus visumrechtlich privilegierten Staaten, als § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG im Regelfall vom Erfordernis der Unterhaltssicherung befreit.

35

7. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV zur Klärung der Frage, ob das Spracherfordernis eine zulässige Integrationsmaßnahme im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86/EG darstellt, bedurfte es nicht. Denn bereits aus dem Wortlaut der Richtlinie ergibt sich eindeutig, dass die Klägerin nicht von ihren Regelungen erfasst wird.

36

Nach Art. 3 Abs. 3 findet die Richtlinie auf die Familienangehörigen eines Unionsbürgers keine Anwendung. Der Ehemann der Klägerin ist als Deutscher aber Unionsbürger, auch wenn er zusätzlich eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. Denn "Drittstaatsangehöriger" ist nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie nur derjenige, der nicht - wie der Ehemann der Klägerin - Unionsbürger im Sinne von Art. 17 Abs. 1 des Vertrages (jetzt: Art. 20 Abs. 1 AEUV) ist. Im Übrigen bietet das Unionsrecht kein geschlossenes Konzept von Regelungen für den Familiennachzug. Vielmehr bleibt ein bestimmter Personenkreis sowohl von der Anwendbarkeit der Familienzusammenführungs-Richtlinie, der Unionsbürger-Richtlinie und anderen Regelungen des unionsrechtlichen Sekundärrechts ausgenommen. Das gilt insbesondere für Familienangehörige von Unionsbürgern, bei denen der Unionsbürger von seinem Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch gemacht hat.

37

Eine Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/86/EG auf die Klägerin ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass sie bis zur Einbürgerung ihres Ehemannes im November 2009 die Rechtsstellung einer Familienangehörigen im Sinne der Richtlinie besessen hat. Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 29. März 2012 in der Sache Kahveci und Inan (Rs. C-7/10 und Rs. C-9/10 - InfAuslR 2012, 201) entschieden, dass sich die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, weiterhin auf ihre Rechtsstellung nach Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses EWG/Türkei 1/80 - ARB 1/80 - berufen können, wenn dieser Arbeitnehmer zusätzlich zu seiner türkischen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erhalten hat. Diese Entscheidung zum Assoziationsrecht lässt sich auf die Rechtsstellung nach der Richtlinie 2003/86/EG nicht übertragen, da im Bereich der Richtlinie 2003/86/EG durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit die Rechtsstellung eines Unionsbürgers erworben und damit der Ausschlusstatbestand des Art. 3 Abs. 3 erfüllt wird, während der ARB 1/80 entsprechendes für die assoziationsrechtliche Rechtsstellung nicht vorsieht.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden:

1.
ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum),
2.
ein Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen.

(2) Schengen-Visa können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen verlängert werden. Für weitere 90 Tage innerhalb des betreffenden Zeitraums von 180 Tagen kann ein Schengen-Visum aus den in Artikel 33 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG genannten Gründen, zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen als nationales Visum verlängert werden.

(2a) Schengen-Visa berechtigen nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, es sei denn, sie wurden zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt.

(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die ICT-Karte, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU geltenden Vorschriften. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Blauen Karte EU, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU angerechnet.

(4) Ein Ausnahme-Visum im Sinne des § 14 Absatz 2 wird als Visum im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 erteilt.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

Tenor

Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Mai 2010 - 6 B 870/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) und für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 4.000 € (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

1. Der 31jährige Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger. Seit August 2006 ist er mit der in Deutschland bei ihren Eltern lebenden G. verheiratet. Seine Ehefrau, seit Juli 2008 deutsche Staatsangehörige, ist wegen verschiedener körperlicher und psychischer Erkrankungen auf die dauernde Hilfe von Dritten angewiesen. Sie ist als schwerbehindert anerkannt; ihre Mutter wurde für sie zur Betreuerin bestellt. Zwei Anträge des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung wurden 2007 und 2008 abgelehnt. Nachdem er im September 2009 mit einem Schengen-Visum in das Bundesgebiet eingereist war, beantragte er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

3

2. Die Ausländerbehörde lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3. Dezember 2009 ab und drohte die Abschiebung an. Die Aufenthaltserlaubnis sei nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu versagen, weil der Beschwerdeführer bei der Einreise nicht im Besitz des notwendigen Visums für den von Anfang an beabsichtigten Daueraufenthalt gewesen sei. Von der Einhaltung des Visumverfahrens könne nicht abgesehen werden. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe dem Beschwerdeführer nicht zu, weil er durch falsche Angaben gegenüber der Auslandsvertretung die Einreisebestimmungen gezielt umgangen habe. Es sei auch nicht erkennbar, dass ihm die Visumnachholung nicht zumutbar wäre. Sein Verhalten könne schon aus generalpräventiven Gründen nicht hingenommen werden. Zudem bestünden Zweifel, ob die geschlossene Ehe rechtsgültig sei und ob eine eheliche Lebensgemeinschaft vorliege.

4

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Klage, über die noch nicht entschieden worden ist. Gleichzeitig beantragte er die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die Nachholung des Visumverfahrens zum Zwecke der Familienzusammenführung sei ihm nicht zumutbar. Weil die schwere Erkrankung seiner Ehefrau seine ununterbrochene Anwesenheit verlange, sei das Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf Null reduziert. Im Visumverfahren habe er keine falschen Angaben zu Zweck und Dauer des beabsichtigten Aufenthalts gemacht. Damals sei er von einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung seiner Ehefrau ausgegangen und habe nicht mit einem längerfristigen Aufenthalt gerechnet. Die Ehe sei rechtswirksam und werde in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.

5

4. Mit Beschluss vom 15. März 2010 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab, da sich der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweise. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis werde jeweils selbständig durch das Fehlen der Regelerteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 und § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer habe zum einen Falschangaben zur Erlangung des Visums gemacht. Zum anderen lägen die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht vor. Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe der Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a AufenthG entgegen. Die Nachholung des Visumverfahrens sei dem Beschwerdeführer zumutbar, selbst wenn seine Anwesenheit zu einer besseren psychischen Stabilität seiner Ehefrau geführt haben sollte. Schließlich greife der allgemeine Versagungsgrund nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ein.

6

5. Mit seiner Beschwerde gegen diese Entscheidung machte der Beschwerdeführer geltend, dass die Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt sein müsse, weil ein Fall des § 39 Nr. 3 AufenthV vorliege. Zudem sei, weil seine Ehefrau seines Beistandes bedürfe, das Ermessen der Behörde nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf Null reduziert. Der Regelversagungsgrund nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liege nicht vor. Der Beschwerdeführer habe im Visumverfahren weder Falschangaben gemacht noch sei er auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen worden. Schließlich führe er mit seiner Frau eine eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG, was die Annahme eines Versagungsgrundes nach § 27 Abs. 1a AufenthG ausschließe; insoweit komme es auf die gegenwärtigen Verhältnisse an.

7

6. Mit Beschluss vom 21. Mai 2010 wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde zurück: Die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis rechtfertige sich jedenfalls daraus, dass die Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt sei. Der Beschwerdeführer sei vom Visumerfordernis nicht durch die Ausnahmeregelung des § 39 Nr. 3 AufenthV befreit. Die Entscheidung der Ausländerbehörde, von ihrem Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG keinen Gebrauch zu machen, lasse keine Ermessensfehler erkennen. Insbesondere sei bei der Abwägung die Bedeutung des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie nicht verkannt worden. Besondere individuelle Gründe, die es für den Beschwerdeführer unzumutbar machen würden, das Visumverfahren nachzuholen, seien von ihm nicht dargetan worden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe bis zu dessen Einreise unter der Obhut ihrer Familie gestanden. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass ihre Betreuung nicht wenigstens vorübergehend durch ihre hier lebenden Familienangehörigen sichergestellt werden könne. Auch unter Berücksichtigung ihrer schwierigen gesundheitlichen Situation sei sie deshalb offenbar nicht auf die ununterbrochene Anwesenheit des Beschwerdeführers angewiesen. Ob die (Regel-) Versagungsgründe nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorlägen, könne folglich dahingestellt bleiben.

8

7. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer Verletzungen in Art. 6 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Aus Art. 6 Abs. 1 GG folge, dass das Ermessen der Ausländerbehörde nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf Null reduziert sei. Die schwere Erkrankung der Ehefrau des Beschwerdeführers und die voraussichtlich unabsehbar lange Dauer des Visumverfahrens ließen keine andere Beurteilung zu. Der Verwaltungsgerichtshof entwerte die Ehe und die eheliche Lebensgemeinschaft, indem er diese auf eine Stufe mit Betreuungs- und Beistandsleistungen beliebiger sonstiger Verwandter stelle und damit den Ehepartner zum beliebig austauschbaren Gesellschafter degradiere. Auch verkenne er die Notwendigkeit festzustellen, welcher Trennungszeitraum den Eheleuten unter den gegebenen Umständen überhaupt zuzumuten sei. Art. 19 Abs. 4 GG gebiete, durch die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vollendete Tatsachen zu verhindern, wenn diese auch für die Entscheidung in der Hauptsache Bedeutung gewinnen können.

9

8. Das Bundesverfassungsgericht untersagte im Wege der einstweiligen Anordnung der Ausländerbehörde, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde die angedrohte Abschiebung zu vollziehen (Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Juni 2010 - 2 BvR 1367/10 -).

10

9. Dem Hessischen Ministerium der Justiz wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.


II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG.

12

1. Der Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen. Die geltend gemachten Grundrechtsverstöße beruhen gerade auf der Versagung von Eilrechtsschutz (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 35, 382 <397 f.>; 53, 30 <53 f.>; 59, 63 <83 f.>; 76, 1 <40>). Bereits die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes hat die Möglichkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers und damit die Vereitelung des von ihm beanspruchten Rechts auf ein ununterbrochenes eheliches Zusammenleben zur Folge, weshalb er nicht auf die noch ausstehende Entscheidung im Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann.

13

2. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG.

14

a) Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>; BVerfGK 2, 190 <193 f.>). Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (vgl. BVerfGK 13, 26 <27>).

15

Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (vgl. BVerfGK 13, 26 <27 f.>). Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (vgl. BVerfGK 13, 562 <567>).

16

Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (vgl. BVerfGE 80, 81 <95> zur Erwachsenenadoption). Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (vgl. BVerfGK 13, 562 <567> m.w.N.). Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Beistandsgemeinschaft als Hausgemeinschaft gelebt wird oder ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe von anderen Personen erbracht werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Oktober 1995 - 2 BvR 901/95 -, juris Rn. 8; BVerfGK 7, 49 <56> m.w.N.).

17

b) Diesen Grundsätzen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs nicht gerecht. Die darin vorgenommene Überprüfung der ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verkennt die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen einer ehelichen Beistandsgemeinschaft.

18

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Ablehnung von Eilrechtsschutz maßgeblich darauf gestützt, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Einreise des Beschwerdeführers ohne das nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für Daueraufenthalte erforderliche nationale Visum entgegenstehe und die Entscheidung der Ausländerbehörde, von diesem Erfordernis nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht abzusehen, nicht zu beanstanden sei. Hingegen hat er die Rechtswirksamkeit der Ehe nicht angezweifelt und die weiteren von der Ausländerbehörde und vom Verwaltungsgericht angeführten Ablehnungsgründe ausdrücklich dahinstehen lassen. Bei der Überprüfung der von der Ausländerbehörde getroffenen Ermessensentscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof zwar die einschlägige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung genannt. Die anschließende Verneinung besonderer Gründe für das Absehen vom Visumerfordernis steht indes mit den sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Vorgaben nicht in Einklang.

19

Der Beschwerdeführer hatte bereits gegenüber der Ausländerbehörde angegeben, dass seine Ehefrau wegen ihrer Erkrankung auf seinen Beistand dringend angewiesen sei. Im Beschwerdeverfahren hatte er dargelegt, dass beide Ehepartner in einem gemeinsamen Haushalt lebten und er Verantwortung für seine Ehefrau übernehme, indem er sie im Krankenhaus besuche und Versorgungs- und Pflegeleistungen erbringe. Der Verwaltungsgerichthof hat dieses Vorbringen nicht in Zweifel gezogen, sondern allein darauf abgestellt, die Ehefrau des Beschwerdeführers sei auf dessen ununterbrochene Lebenshilfe nicht angewiesen, weil ihre Betreuung wenigstens vorübergehend durch ihre in Deutschland lebenden Familienangehörigen sichergestellt werden könne. Mit dieser Erwägung lässt der Verwaltungsgerichtshof den verfassungsrechtlichen Schutz, der der ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß Art. 6 Abs. 1 GG zukommt, außer Acht. Selbst wenn er, was dem angegriffenen Beschluss nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist, das Bestehen einer aufenthaltsrechtlich schützenswerten Beistandsgemeinschaft nicht in Abrede stellen wollte, verfehlt der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls die daraus zu ziehenden Konsequenzen.

20

Der verfassungsrechtliche Schutz der ehelichen Beistandsgemeinschaft beruht zum einen darauf, dass Art. 6 Abs. 1 GG den Staat verpflichtet, die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich als eigenständig und selbstverantwortlich zu respektieren (vgl. BVerfGE 53, 257 <296>; 61, 319 <346 f.>). Die Ehegatten bestimmen in gleichberechtigter Partnerschaft ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung. Die Aufgabenverteilung in der Ehe unterliegt ihrer freien Entscheidung (BVerfGE 61, 319 <347> m.w.N.). Zum anderen gewährleistet die Verfassung Ehe und Familie nicht abstrakt, sondern in der verfassungsgeleiteten Ausgestaltung, wie sie den herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht (vgl. BVerfGE 15, 328 <332>; 31, 58 <82 f.>; 53, 224 <245>). Die Reichweite der Schutzwirkungen des Art. 6 GG wird insoweit von den das verfassungsrechtliche Bild von Ehe und Familie auch im Allgemeinen prägenden Regelungen der § 1353 Abs. 1 Satz 2, §§ 1626 ff. BGB mitbestimmt (vgl. BVerfGE 76, 1 <43>; BVerfGK 7, 49 <57>). § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB hält die Ehegatten an, füreinander Verantwortung zu tragen. Diese Pflicht beinhaltet wechselseitigen Beistand in Zeiten der Bedrängnis und insbesondere in Zeiten besonderer körperlicher und seelischer Belastungen. Der Gesetzgeber hat diese Beistandspflicht als Rechtspflicht ausgestaltet, deren näherer Inhalt von der jeweiligen konkreten Situation abhängig ist (vgl. BVerfGE 117, 316 <327>). In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass Ehegatten im Rahmen dieser Beistandspflicht grundsätzlich einander auch Krankenpflege schulden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10. Februar 1998 - 1 UF 207/97 -, juris Rn. 32).

21

Das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten hinsichtlich der persönlichen Lebensführung und die Bestimmung des grundrechtlichen Schutzes auch anhand § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB sind für § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auslegungsleitend. Kommt es für die aufenthaltsrechtliche Erheblichkeit der ehelichen Beistandsgemeinschaft nicht darauf an, ob die von dem ausländischen Ehegatten tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden kann, so wird in der Regel davon auszugehen sein, dass die Nachholung des Visumverfahrens nicht zumutbar im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist. Dementsprechend werden auch in der aufenthaltsrechtlichen Kommentarliteratur und der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte Krankheit und Pflegebedürftigkeit des Ehepartners, die diesen mehr als im Regelfall auf persönlichen Beistand angewiesen sein lassen, als verfassungsrechtlich gebotene Anwendungsfälle von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG genannt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25. September 2008 - 2 M 184/08 -, juris Rn. 4; Bäuerle, in: GK-AufenthG, § 5 Rn. 174 , jeweils m.w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof hätte sich angesichts dessen mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob im Falle des Beschwerdeführers für die Entscheidung der Ausländerbehörde, vom Visumverfahren nicht abzusehen, überhaupt Raum bleibt, und diese Frage nur dann bejahen dürfen, wenn besondere Umstände dafür sprechen, dass den Ehegatten eine vorübergehende Trennung zuzumuten ist.

22

3. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf der Grundrechtsverletzung. Es ist nicht auszuschließen, dass das Gericht bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Vorgaben zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG den Beschluss auf und verweist die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurück. Auf das Vorliegen des weiter gerügten Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG kommt es nicht an.

III.

23

Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen wird nicht zur Entscheidung angenommen; insoweit wird von einer Begründung abgesehen (§ 93a Abs. 2, § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).


IV.

24

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

1. Die 34jährige Beschwerdeführerin ist bosnische Staatsangehörige. Seit Mai 2010 ist sie mit dem in Deutschland lebenden bosnischen Staatsangehörigen S. verheiratet. Ihr Ehemann verfügt über eine Daueraufenthaltserlaubnis-EG; er ist wegen verschiedener körperlicher und psychischer Erkrankungen betreuungsbedürftig und als schwerbehindert anerkannt. Nachdem die Beschwerdeführerin im Mai 2010 mit einem Schengen-Visum in das Bundesgebiet eingereist war, beantragte sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

3

2. Die Ausländerbehörde lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25. August 2010 ab, wobei sie ausführte, dass die Beschwerdeführerin bei der Einreise nicht im Besitz des notwendigen Visums für den von Anfang an beabsichtigten Daueraufenthalt gewesen sei und von der Einhaltung des Visumerfordernisses nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden könne.

4

3. Die Beschwerdeführerin erhob Klage und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die Nachholung des Visumverfahrens sei ihr wegen der schweren Behinderung ihres Ehemannes unzumutbar. Vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung sei wegen einer atypischen Fallkonstellation abzusehen; der Ehemann sei aufgrund der Behinderung gesundheitlich nicht in der Lage, den Lebensunterhalt zu sichern. Die Beschwerdeführerin könne auch nicht darauf verwiesen werden, die eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen, da ihrem Ehemann ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar sei.

5

4. Mit Beschluss vom 28. September 2010 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab, da die Ausländerbehörde die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in nicht zu beanstandender Weise verneint habe. Die Erkrankungen des Ehemannes hätten bereits vor der Eheschließung bestanden; es sei nicht dargelegt und ersichtlich, weshalb eine Betreuung nunmehr ausschließlich durch die Beschwerdeführerin erfolgen müsse.

6

5. Mit ihrer Beschwerde gegen diese Entscheidung machte die Beschwerde-führerin geltend, dass es nicht darauf ankomme, ob Betreuungsleistungen ausschließlich durch den Ehepartner erbracht würden oder diesbezüglich Alternativen bestünden. Bestehende Erkrankungen des Ehepartners seien von den Behörden und Gerichten nach Art. 6 GG zu berücksichtigen. Aus den vorgelegten Attesten ergebe sich, dass die Nachholung des Visumverfahrens, auch im Hinblick auf die zu erwartende Dauer eines solchen Verfahrens, die Grenze der Zumutbarkeit offensichtlich übersteige. Das Verwaltungsgericht habe sich mit dieser Sach- und Rechtslage schon nicht auseinandergesetzt. Zudem habe es keinerlei Ausführungen dazu gemacht, mit welcher Verfahrensdauer es konkret rechne.

7

6. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Beschluss vom 18. November 2010 zurück: Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG entgegen, dass die Beschwerdeführerin ohne das nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Visum eingereist sei. Es sei nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Ermessenswege von der Einhaltung der Visumpflicht abzusehen, da keine besonderen Umstände vorlägen, die die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar machten. Die Beschwerdeführerin habe nicht dargelegt, in welcher Weise genau eine vorübergehende Abwesenheit ihren Ehemann oder die eheliche Lebensgemeinschaft in der behaupteten gravierenden Weise beeinträchtigen würde, obwohl sie habe erkennen können, dass in diesem Punkt die Notwendigkeit weiteren Vortrags bestanden habe. Dies bedeute nicht, dass sich nur eine Ehefrau, die die Funktionen einer Pflegekraft einnehme, auf die Unzumutbarkeit einer vorübergehenden Trennung berufen könne. Entscheidend sei, ob eine auch nur vorübergehende Trennung im Hinblick auf die konkrete eheliche Verbundenheit für den die Aufenthaltserlaubnis begehrenden Ausländer eine unzumutbare Belastung darstelle. Ein Ausländer in der Situation der Beschwerdeführerin könne grundsätzlich in seinen Rechten aus Art. 6 Abs. 1 GG betroffen sein, ohne dass es letztlich darauf ankomme, ob etwaige Pflegeleistungen nicht auch durch Dritte ersetzt werden könnten. Berufe er sich jedoch auf die krankheitsbedingte Unzumutbarkeit einer Trennung oder die Notwendigkeit einer Betreuung des schon im Inland lebenden Ehegatten, müsse er zumindest erklären, wie das eheliche Zusammenleben auch durch eine nur vorübergehende Trennung unzumutbar gestört werden würde, wofür auch der Umfang etwaiger Betreuungsleistungen einen Anhaltspunkt biete. Hierfür bestehe einmal mehr Anlass, wenn der im Inland lebende Ehegatte schon seit längerem an den Folgen einer Krankheit leide und bislang ohne die eheliche Lebensgemeinschaft sein Schicksal habe bewältigen können. Soweit die Beschwerdeführerin schließlich eine voraussichtliche Dauer des Visumverfahrens von 15 Monaten vortrage, handele es sich um eine unbelegte Behauptung.

8

7. Die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin, mit der sie weitere ärztliche Stellungnahmen sowie eine eidesstattliche Versicherung des Ehepaares zu konkreten Beistandsleistungen vorlegte, wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. November 2010 zurück.

9

8. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen eine Verletzung in Art. 6 Abs. 1 GG. Hieraus folge, dass das Ermessen der Ausländerbehörde nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf Null reduziert sei. Die schwere Erkrankung des Ehemannes der Beschwerdeführerin und die voraussichtlich unabsehbar lange Dauer des Visumverfahrens ließen keine andere Beurteilung zu. Der Verwaltungsgerichtshof entwerte die Ehe und die eheliche Lebensgemeinschaft, indem er diese auf eine Stufe mit Betreuungs- und Beistandsleistungen beliebiger sonstiger Verwandter stelle und den Ehepartner zum beliebig austauschbaren Gesellschafter degradiere. Auch verkenne er die Notwendigkeit festzustellen, welcher Trennungszeitraum den Eheleuten unter den gegebenen Umständen überhaupt zuzumuten sei.

10

9. Das Bundesverfassungsgericht untersagte im Wege der einstweiligen Anordnung der Ausländerbehörde, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde die angedrohte Abschiebung zu vollziehen (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2010 - 2 BvR 2625/10 -).

II.

11

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

12

Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die Versagung von verwaltungsgerichtlichem Eilrechtsschutz ist mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG vereinbar.

13

1. Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>; BVerfGK 2, 190 <193 f.>). Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (vgl. BVerfGK 13, 26 <27> m.w.N.).

14

Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (vgl. BVerfGK 13, 26 <27 f.>). Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (vgl. BVerfGK 13, 562 <567>).

15

Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (vgl. BVerfGE 80, 81 <95> zur Erwachsenenadoption). Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (vgl. BVerfGK 13, 562 <567> m.w.N.). Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Beistandsgemeinschaft als Hausgemeinschaft gelebt wird oder ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe von anderen Personen erbracht werden kann (vgl. BVerfGK 7, 49 <56> m.w.N.).

16

2. Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Versagung von Eilrechtsschutz der verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Jedenfalls der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs trägt den aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen einer ehelichen Beistandsgemeinschaft hinreichend Rechnung.

17

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Ablehnung von Eilrechtsschutz darauf gestützt, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Einreise der Beschwerdeführerin ohne das nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für Daueraufenthalte erforderliche nationale Visum entgegenstehe und die Entscheidung der Ausländerbehörde, von diesem Erfordernis nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht abzusehen, nicht zu beanstanden sei. Der herangezogene Maßstab, eine Trennung wegen Erkrankung oder Betreuungsbedürftigkeit des Ehegatten, zu dem der Ausländer nachziehen wolle, könne den Ausländer grundsätzlich in seinen Rechten aus Art. 6 Abs. 1 GG betreffen, ohne dass es darauf ankomme, ob etwaige Pflegeleistungen nicht auch durch Dritte erbracht werden könnten, steht mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang. Die entscheidungstragende Feststellung, es sei nicht erkennbar, wie das eheliche Zusammenleben auch durch eine nur vorübergehende Trennung unzumutbar gestört werden würde, lässt einen verfassungsrechtlich erheblichen Fehler (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>) bei der Anwendung dieses Maßstabs, insbesondere bei der Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts, nicht erkennen.

18

Ausschlaggebend für den Verwaltungsgerichtshof war, dass er im Zeitpunkt seiner Entscheidung aufgrund der Darlegungen der Beschwerdeführerin ein im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigendes Angewiesensein ihres Ehemannes auf ihre Lebenshilfe nicht erkennen konnte. Die hierfür gegebene Begründung, es fehle an Sachvortrag zu Art und Umfang der Betreuungsbedürftigkeit des Ehemanns sowie dazu, wie sich dessen körperliche Erkrankungen auf die Lebensführung der Eheleute konkret auswirkten, lässt sich anhand der im fachgerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen nachvollziehen. Die Beschwerdeführerin hatte gegenüber der Ausländerbehörde zwar unter Vorlage von Belegen angegeben, ihr Ehemann sei schwerbehindert, schwer psychisch erkrankt und pflegebedürftig; zudem hatte sie im gerichtlichen Eilverfahren ein ärztliches Attest vorgelegt, das die Aussage enthält, ihr Ehemann sei in hohem Maße betreuungsbedürftig. Indes fehlte es an Vorbringen dazu, worin genau diese Betreuungsbedürftigkeit bestehe, und dass die Beschwerdeführerin überhaupt Unterstützungsleistungen zugunsten ihres Ehemannes erbringe. Aussagen hierzu finden sich erstmals in der nach Ergehen des angegriffenen Beschlusses beim Verwaltungsgerichtshof eingereichten eidesstattlichen Versicherung der Eheleute.

19

Die im Entscheidungszeitpunkt vorgenommene Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, mangels hinreichender Darlegung sei nicht feststellbar, dass krankheitsbedingt eine auch nur vorübergehende Trennung der Eheleute unzumutbar sei, ist danach nicht zu beanstanden. Da es auch an hinreichenden Anhaltspunkten für eine unverhältnismäßig lange, die übliche Dauer eines Visumverfahrens übersteigende Trennung der Eheleute fehlte, konnte die Beschwerdeführerin ohne Verfassungsverstoß auf die Nachholung des Visumverfahrens verwiesen werden.

20

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

21

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn

1.
er ein nationales Visum (§ 6 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes) oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
er vom Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit ist und die Befreiung nicht auf einen Teil des Bundesgebiets oder auf einen Aufenthalt bis zu längstens sechs Monaten beschränkt ist,
3.
er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Absatz 1 Nummer 1 des Aufenthaltsgesetzes) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind, es sei denn, es handelt sich um einen Anspruch nach den §§ 16b, 16e oder 19e des Aufenthaltsgesetzes,
4.
er eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzt und die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 oder 2 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen,
5.
seine Abschiebung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat,
6.
er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind; § 41 Abs. 3 findet Anwendung,
7.
er seit mindestens 18 Monaten eine Blaue Karte EU besitzt, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellt wurde, und er für die Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung eine Blaue Karte EU beantragt. Gleiches gilt für seine Familienangehörigen, die im Besitz eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug sind, der von demselben Staat ausgestellt wurde wie die Blaue Karte EU des Ausländers. Die Anträge auf die Blaue Karte EU sowie auf die Aufenthaltserlaubnisse zum Familiennachzug sind innerhalb eines Monats nach Einreise in das Bundesgebiet zu stellen,
8.
er die Verlängerung einer ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
9.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie 2014/66/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers (ABl. L 157 vom 27.5.2014, S. 1), und
b)
eine Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
10.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 21), und
b)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder
11.
er vor Ablauf der Arbeitserlaubnis oder der Arbeitserlaubnisse zum Zweck der Saisonbeschäftigung, die ihm nach § 15a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Beschäftigungsverordnung erteilt wurde oder wurden, einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Saisonbeschäftigung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber beantragt; dieser Aufenthaltstitel gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erteilt.
Satz 1 gilt nicht, wenn eine ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt wird.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.