Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 14. Jan. 2014 - 8 A 12/13

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2014:0114.8A12.13.0A
14.01.2014

Tatbestand

1

Die 1963 geborene Klägerin wendet sich als Studienrätin (Besoldungsgruppe A 13 hD BBesO) gegen die disziplinarrechtliche Kürzung ihrer Dienstbezüge um 1/10 auf die Dauer von zwölf Monaten durch Bescheid vom 06.02.2013.

2

Im Jahre 2004 erfolgte die Verbeamtung auf Lebenszeit. Die Beamtin lebt in Lebenspartnerschaft und hat ein im Jahre 2000 geborenes Kind. Nach den Ausführungen im disziplinarrechtlichen Ermittlungsbericht sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin geordnet, Vorerkrankungen sind nicht bekannt und die Dienstbezüge belaufen sich auf ca. 4.502,00 Euro brutto und 3.300,00 Euro netto. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom Oktober 2011 (11 Cs 875 Js 31536/11) ist die Klägerin rechtskräftig seit dem 20.12.2011 wegen einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr bei einem Blutalkoholgehalt von 1,40 oo/o zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen je 100,00 Euro verurteilt worden. Zugleich wurde die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von neun Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

3

Disziplinarrechtlich wird der Klägerin in dem streitbefangenen Bescheid eine schuldhafte Pflichtverletzung nach den §§ 34 und 35 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und damit die Begehung eines Dienstvergehens nach § 47 Abs. 1 BeamtStG vorgehalten. Die Klägerin habe wiederholt zumindest grob fahrlässig, Weisungen des Dienstvorgesetzten nicht befolgt. Gleiches gelte für ihre Dienstleistungs- und Gesunderhaltungspflicht nach § 34 BeamtStG.

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Die Disziplinarverfügung führt aus, dass in Umsetzung des Sucht-Stufenplans am 16.02.2010 ein Personalgespräch mit der Klägerin geführt worden sei. Danach sei festgelegt worden, dass sie sich innerhalb von 14 Tagen bei ihrem Hausarzt wegen ihrer Alkoholproblematik einer Therapie zu melden und den Beginn dieser nachzuweisen habe. Ein Therapieplan sollte danach vorgelegt sowie der monatliche Nachweis durch eine schriftliche Bestätigung des Therapeuten erbracht werden. Nach zwei schriftlichen Aufforderungen habe die Klägerin am 06.05.2010 ein Schreiben ihres Allgemeinarztes vorgelegt, dass sie dort am 30.04.2010 wegen eines Alkoholproblems vorstellig geworden sei. Nach weiterer Aufforderung habe die Klägerin am 11.08.2010 eine Bestätigung einer Praxis für Psychotherapie vorgelegt. In einem erneuten Personalgespräch am 24.02.2011, sei die Klägerin unter dem 24.03.2011 verpflichtet worden, in der Drogen- und Suchtberatungsstelle … zwecks einer Alkoholtherapie vorzusprechen und eine Schweigepflichtentbindung abzugeben. Hierauf habe die Klägerin telefonisch mitgeteilt, dass zwei Termine von ihr wahrgenommen worden seien. Aufgrund des weiteren Personalgesprächs am 07.12.2011 sei die Klägerin unter dem 09.12.2011 aufgefordert worden, bis zum 16.12.2011 bei der Drogen- und Suchtberatungsstelle ... wegen der begonnenen aber abgebrochenen Alkoholtherapie vorzusprechen und eine Schweigepflichtentbindung vorzulegen. Des Weiteren sollte der Therapieplan und die Nachweise über die Wahrnehmung der jeweiligen Termine übersandt werden. Die geforderten Unterlagen seien nicht termingerecht vorgelegt worden.

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Am 02.02.2012 sei durch den Schulleiter der Stammschule der Klägerin deutlicher Alkoholgeruch und typische Verhaltensweisen, die auf Alkoholkonsum schließen ließen, bei ihr festgestellt worden. In ihrer Unterrichtsvorbereitung habe der Zeuge deutliche Probleme erkennen können. Daraufhin habe der Schulleiter die Klägerin für diesen Tag von ihren dienstlichen Verpflichtungen freigestellt. Am 21.02.2012 sei durch Schüler sowie den stellvertretenden Schulleiter aufgefallen, dass die Klägerin nach Alkohol rieche. Auch an diesem Tag sei die Klägerin vom Unterricht freigestellt worden. Ebenso seien durch Kollegen und Schüler am 29.02.2012 bei der Klägerin Verhaltensweisen festgestellt worden, die auf einen Alkoholgenuss schließen würden. Zu den einzelnen Feststellungen werde auf die Ausführungen im Ermittlungsbericht vom 12.09.2012 verwiesen.

6

Insbesondere Lehrer müssten, um ihre Aufgaben der Erziehung und Unterrichtung von Schülern erfüllen zu können, bei Eltern, Schülern und in der Öffentlichkeit das notwendige Ansehen, die Autorität und das Vertrauen in die korrekte Amtsführung besitzen. Sie müssten in ihrer gesamten Lebensführung durch regelgerechtes Verhalten Vorbild sein, um ihrem Erziehungsauftrag gerecht zu werden. Dem sei die Klägerin, indem sie während ihrer dienstlichen Verpflichtungen wiederholt unter Alkoholeinfluss gestanden habe, nicht nachgekommen. Besondere Beachtung müsse hier auch auf der dem Lehrer obliegenden Aufsichtspflicht über die ihm anvertrauten Schüler liegen. Die Achtung und das Ansehen bei Schülern, Eltern und Kollegen, aber auch das Vertrauen in die Zuverlässigkeit seien nachhaltig gestört. Die Klägerin habe grob fahrlässig gehandelt. Denn trotz Androhung von Sanktionen sei die Klägerin den Weisungen wiederholt nicht nachgekommen und sei alkoholisiert zum Dienst erschienen.

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Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich sei, richte sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die Klägerin habe schuldhaft gegen sogenannte Kernpflichten aus ihrem Beamtenverhältnis verstoßen und damit eine disziplinarrechtlich zu ahnende Vertrauensbeeinträchtigung herbeigeführt. Die Disziplinarmaßnahmen des Verweises oder einer Geldbuße seien als zu mildes Mittel nicht in Betracht zu ziehen. Denn durch ihre Einmaligkeit seien diese Maßnahmen nicht geeignet, das Verhalten der Beamtin langfristig zu ändern. Die verhängte Kürzung der Dienstbezüge sei durch die monatliche Wiederholung ein nachhaltiges Mittel um erzieherisch zu wirken, um künftig Pflichtverletzungen und damit Dienstvergehen der Klägerin zu vermeiden. Die Kürzung um 1/10 auf die Dauer von zwölf Monaten sei ausreichend. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin seien dabei nicht gefährdet. Erschwerend bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin wegen einer Trunkenheitsfahrt strafrechtlich vorbelastet sei. Zudem sei festzustellen, dass die Klägerin nicht immer als dienstlich zuverlässig anzusehen sei. Zwar habe sie ihre dienstlichen Verpflichtungen insoweit wahrgenommen, wobei die Dienstausübung jedoch von privaten und dienstlichen Belastungen abhänge. Auch ihre Auskünfte in diesem Zusammenhang seien oftmals zögerlich. Dies gebe Anlass zur Sorge, dass die Klägerin ihr Verhalten im Hinblick auf den Alkoholkonsum nicht dauerhaft ändern werde.

8

Zu ihren Gunsten spreche, dass sie in geordneten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen lebe und die Dienstpflichten ansonsten beanstandungsfrei wahrgenommen habe.

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Den dagegen ohne Begründung eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2013 mit Verweis auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid als unbegründet zurück.

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Mit der fristgerecht erhobenen Klage wendet sich die Klägerin weiter gegen die Disziplinarmaßnahme und macht Ausführungen dazu, dass die Disziplinarverfügung widersprüchlich sei. Einerseits werde der Klägerin Alkoholkonsum und eine Alkoholabhängigkeit und somit ein Suchtproblem bescheinigt, so dass ein Sucht-Stufenplan bzw. Therapieplan notwendig und von der Klägerin vorzulegen sei. Andererseits prüfe der Beklagte aber nicht, dass dann ein krankheitsbedingtes Verhalten vorliegen würde, welches mit den von der Beklagten gewählten disziplinarrechtlichen Mitteln nicht lenkbar sei. Die unterstellte Suchterkrankung und die vorgehaltenen Pflichtverletzungen schlössen sich gegenseitig aus. Zudem stehe mit dem amtsärztlichen Gutachten vom 17.12.2013 fest, dass die Klägerin nicht alkoholkrank sei sondern allenfalls ein riskantes Trinkverhalten vorliege.

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Die Klägerin beantragt,

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die Disziplinarverfügung vom 06.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2013 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und verteidigt die Disziplinarverfügung und die dortigen Ausführungen. Den Hinweisen des Gerichtes in der Verfügung vom 18.09.2013 zur Problematik des Nachweises von Alkoholgenuss im Dienst sowie der Problematik der Alkoholsuchterkrankung begegnete der Beklagte damit, dass es feststehe, dass die Klägerin mehrfach in der Schule unter Einfluss von Alkohol unterrichtet habe. Bereits aus diesem Grunde seien die Durchführung des Sucht-Stufenplans und die Durchführung einer Suchttherapie erforderlich gewesen. Bei der Feststellung des Alkoholeinflusses sei der Beklagte auf die Aussagen der Zeugen angewiesen gewesen. Die Klägerin könne nicht die Auffassung vertreten, dass die Vorfälle dienstrechtlich nicht hätten verfolgt werden dürfen. Ein Sucht-Stufenplan sei bereits dann notwendig, wenn eine Suchtgefahr bestehe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn der angefochtene Disziplinarbescheid in Form der Gehaltskürzung ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 3 DG LSA; 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form der Gehaltskürzung ist hinsichtlich des Kürzungsanteils sowie der Laufzeit unverhältnismäßig, weil unangemessen und bedarf insoweit der Abänderung. Unter Berücksichtigung dessen erweist sich die ausgesprochene Disziplinarverfügung zur Überzeugung des Gerichts auch als unzweckmäßig, welches ebenso zur Aufhebung bzw. Abänderung durch das Disziplinargericht führt (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

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Nach § 59 Abs. 3 DG LSA prüft das Gericht bei der Klage des Beamten gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Disziplinargericht danach nicht nur gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben oder abzuändern. Vielmehr übt das Disziplinargericht in Anwendung der in § 13 Abs. 1 DG LSA niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmeobergrenze selbst die Disziplinarbefugnis aus (vgl. Gesetzesbegründung zum gleichlautenden § 60 Abs. 3 BDG, Bundestagsdrucksache 14/4659, S. 48; BVerwG, U. v. 27.06.2013, 2 A 2.12; B. v. 21.05.2013, 2 B 67.12; U. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; OVG NRW, B. v. 19.09.2007, 21 d A 3600/06.O; Bayr. VGH, B. v. 27.01.2010, 16 a DZ 07.3110, Bayr. VGH, B. v. 02.07.2012, 16 a DZ 10.1644; vgl. zu den Zweckmäßigkeitserwägungen auch: VG Magdeburg, U. v. 18.07.2012, 8 A 1/12; U. v. 01.12.2011, 8 A 18/10; U. v. 18.07.2012, 8 A 13/11; U. v. 06.11.2007, 8 A 10/07; alle juris).

19

1.) Auch zur Überzeugung des Disziplinargerichts hat die Klägerin als Studienrätin und damit verbeamtete Lehrkraft ein innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Aufgrund der Ermittlungen im Disziplinarverfahren sowie der geständigen Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht und unter Bewertung des gesamten Aktenmaterials steht fest, dass die Klägerin am 02.02.2012, 21.02.2012 und 29.02.2012 zumindest alkoholisiert zum Dienst erschienen ist und damit gegen ihre beamtenrechtliche sogenannte Wohlverhaltenspflicht verstoßen und eine Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums begangen hat. Diese in § 34 Satz 3 BeamtStG normierte Pflicht besagt, dass das Verhalten eines Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert. Damit wird dem Beamten die Pflicht auferlegt, sich so zu verhalten, dass aus seinem Handeln kein Achtungs- und Vertrauensverlust ableitbar ist. Dies gilt insbesondere bei einer in der Öffentlichkeit stehenden Lehrkraft.

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Die Wohlverhaltenspflicht ist als Auffangtatbestand für alle Dienstpflichten anzusehen, die keine spezielle Regelung in den Beamtengesetzen gefunden haben. Letzten Endes gehen alle Dienstpflichten aus ihr hervor (vgl. nur: VG Magdeburg, Urt. v. 23.01.2013, 8 A 21/12 MD; juris; mit Verweis auf Hummel/Köhler/Mayer: BDG, 4. Aufl. 2009, S. 305). Mit Verweis auf die Abgrenzung zwischen einem dienstlichen und einem außerdienstlichen Dienstvergehen hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Erfordernisse, die der Beruf an Achtung und Vertrauen stellt, sich aus dem jeweiligen konkret funktionellen Amt ergeben, wobei es ausreichend ist, wenn ein Verhalten zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen geeignet ist. Eine tatsächliche Beeinträchtigung ist nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, 1 D 20.00; VG Magdeburg, Urt. v. 08.06.2011, 8 A 16/10 MD; VG Magdeburg, Urt. v. 23.01.2013, 8 A 21/12 MD; alle juris).

21

Diesbezüglich war das erkennende Disziplinargericht schon mehrfach mit der disziplinarrechtlichen Bewertung und Ahndung eines Ansehens schädigenden Verhaltens beschäftigt (vgl. zuletzt: Beschluss v. 26.08.2013, 8 B 13/13 MD m. w. Nachw.; juris). Liegt die Ansehensschädigung überwiegend in der Verwendung einer nicht hinnehmbaren Wortwahl, ergibt sich vorliegend der Verstoß gegen den Pflichtentatbestand, durch den nicht hinnehmbaren Alkoholkonsum der Klägerin vor bzw. bei Dienstantritt. Die diesbezüglichen alkoholbedingten Feststellungen und Vorfälle am 02.02.2012, 21.02.2012 und 29.02.2012 sind in dem behördlichen Verwaltungsvorgang durch Aussagen der Schüler, Kollegen und des Schulleiters belegt. Soweit die Erhebung dieser Beweise aus verfahrensrechtlichen Gründen gewisse Defizite aufweisen dürften (vgl. § 24 ff. DG LSA), muss dem nicht weiter nachgegangen werden. Denn die Klägerin hat die Richtigkeit dieser Feststellungen an den besagten Tagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht eingeräumt, so dass diese als wahr unterstellt werden dürfen. Demnach reicht es für die disziplinarrechtliche Bewertung aus, dass die Klägerin an diesen Unterrichtstagen aufgrund vorherigen Alkoholkonsums und der bei den Schülern und Kollegen gezeigten physischen und psychischen Ausfallerscheinungen nicht in der Lage war, den Dienst zu verrichten.

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Die Disziplinarverfügung weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass insbesondere Pädagogen und Lehrer bei Eltern, Schülern und in der Öffentlichkeit das notwendige Ansehen, die Autorität und das Vertrauen in die korrekte Amtsführung besitzen müssen um so ihre Aufgabe der Erziehung und Unterrichtung von Schülern erfüllen zu können. Die Lehrkräfte müssen in ihrer gesamten Lebensführung durch regelgerechtes Verhalten Vorbild sein, um so ihren Erziehungsauftrag gerecht zu werden. Der Alkoholeinfluss während dienstlicher Verpflichtungen widerspricht der insbesondere Lehrern immanenten Vorbildwirkung vor Schülern. Die ordnungsgemäße Erfüllung des Erziehungsauftrages kann so nicht gewährleistet werden. Zudem haben Lehrer ihren Schülern gegenüber eine konkrete Aufsichtspflicht und die Schüler sind ihnen anvertraut. Durch alkoholisierte Lehrkräfte werden insbesondere die Achtung und das Ansehen bei Schülern, Eltern und auch den anderen Kollegen massiv geschädigt und untergraben. Zugleich ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Berufsgruppe der Lehrer und Pädagogen nachhaltig gestört bzw. beeinträchtigt. Auf den Punkt gebracht: Es kann und darf nicht angehen, dass alkoholisierte Lehrkräfte die ihnen anvertrauten, minderjährigen und sich in der Entwicklung befindlichen Schüler unterrichten.

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Aufgrund der wahrgenommenen sogenannten Alkoholfahne ergibt sich zwingend, dass die Klägerin unter dem Einfluss von Alkohol gestanden hat, was sie im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht auch einräumte. Dabei ist die Alkoholkonzentration in der Atemluft der Blutalkoholkonzentration proportional. Zwar bedingt diese Tatsache allein noch nicht die Intensität und den Grad der Alkoholbeeinflussung (BVerwG, Urteil v. 23.03.1988, 1 D 27.87; juris, mit Verweis auf: Schwerd in „Kurzgefasstes Lehrbuch der Rechtsmedizin für Mediziner und Juristen“, Deutscher Ärzteverlag, 3. Auflage 1979, S. 130). Darauf kommt es aber auch nicht an. Von Bedeutung ist allein, ob die Klägerin überhaupt Alkohol in wahrnehmbarem Umfang zu sich genommen und unter dessen Einfluss gestanden hat. Dabei bedarf es nicht des Nachweises eines bestimmten Alkoholwertes (vgl. BVerwG, Urteil v. 28.08.2001, 1 D 57/00; juris). Denn die der Klägerin als Beamtin vorgeworfene Pflichtenverletzung tritt unabhängig von einem bestimmten Messergebnis ein. Anders als etwa bei einer Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB ist der Grad der Alkoholisierung beim Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht weitgehend irrelevant. Es ist auch nicht entscheidend, ob bereits durch interne Vorschriften ein absolutes Alkoholverbot begründet ist, wie dies generell im Polizeidienst gilt (vgl. dazu: VG Regensburg, Urteil v. 16.04.2010, RO 10A DB 09.2015; juris). Der Beamte schuldet seinem Dienstherrn auch kein alkoholabstinentes Verhalten in seiner Freizeit und seinem Privatleben (BVerwG, Urteil v. 15.03.1995, 1 D 37.93; juris). Entscheidend ist, dass durch den wahrnehmbaren Alkoholgeruch, sei es auch nur in Form von Restalkohol aufgrund der Einnahme des Alkohols am Vorabend oder in der späten Nacht, bei den Schülern und Kollegen und somit der Öffentlichkeit die Alkoholeinnahme deutlich erkennbar wird. Darin liegt die Ansehensschädigung begründet, was nicht zuletzt die Reaktionen der Eltern beweist.

24

Gerade eine Lehrkraft ist auf den unmittelbaren Einsatz ihrer Stimme als Unterrichtsmittel angewiesen, so dass unabhängig von eventuellem Alkoholgeruch in der Kleidung, dieser durch den Atem kundgetan und für die erwähnten anderen Personen unmittelbar und unverwechselbar wahrnehmbar wird. Ähnlich wie etwa bei einem Pflichtuniformträger, der durch eine ungepflegte, verschlissene Uniform auffällt, bedingt hier das an objektiven Kriterien feststellbare äußere Erscheinungsbild der verbeamteten Lehrkraft die Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums und damit den Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht.

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Darüber hinaus ist die Klägerin nicht nur durch den wahrnehmbaren Alkoholgeruch aufgefallen, sondern zeigte in Sprache sowie Körperhaltung und Gang typische alkoholbedingte Ausfallerscheinungen. Dies führte dazu, dass die Klägerin an den besagten Tagen vom Unterricht befreit wurde, so dass dienstlich nachteilige Folgen eingetreten sind, was ebenso den selbständigen Pflichtentatbestand begründet. Neben dem Verstoß gegen die allgemeine Wohlverhaltenspflicht ist mit diesen alkoholbedingten physischen wie psychischen Ausfallerscheinungen, die aus der allgemeinen Dienstpflicht resultierende Gesunderhaltungspflicht des Beamten angesprochen (vgl. dazu: VG Magdeburg, Urteil v. 17.01.2013, 8 A 6/12; juris). Auch diese füllt die Treuepflicht und die Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf aus (§ 34 Satz 1 BeamtStG).

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Feststellungen zur Schuldunfähigkeit erübrigen sich. Denn aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 17.12.2012 (Bl, 182 Beiakte A) sind eine Alkoholerkrankung und damit auch eine Alkoholabhängigkeit bei der Klägerin auszuschließen und zudem verneint dies auch die Klägerin (vgl. zu den Voraussetzungen der diesbezüglichen Anhaltspunkte: BVerwG, Beschluss v. 04.07.2013, 2 B 76/12; Urteil v. 29.11.2012, 2 WD 10/12; beide juris). Entsprechend ist der Klägerin zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, was zur Bejahung des Schuldvorwurfs genügt.

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2.) Hingegen sieht das Disziplinargericht den – anscheinend – in der Disziplinarverfügung zum Ausdruck gebrachten Weisungsverstoß wegen nicht bzw. verspäteter Vorlage eines sogenannten Therapieplans nicht. Insoweit bemängelt das Disziplinargericht bereits, dass die streitbefangene Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides die der Klägerin zur Last gelegten Pflichtenverstöße nicht hinreichend konkretisiert. Ähnlich wie bei einer Disziplinarklage müssen die dort explizit genannten Voraussetzungen (vgl. § 49 Abs. 2 DG LSA) auch bei der behördlichen Disziplinarverfügung gelten. Denn dies ergibt sich bereits aus der Anwendung allgemeiner verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften hinsichtlich der Bestimmtheit des Verwaltungsaktes (vgl. § 3 DG LSA; § 37 VwVfG). Danach muss der in der Disziplinarverfügung dem Beamten gegenüber erhobene Pflichtenverstoß und der diesem zugrunde gelegte Sachverhalt so deutlich und klar sein, dass der Beamte sich mit seiner Verteidigung darauf einstellen kann (vgl. zuletzt: BVerwG, U. v. 27.06.2013, 2 WD 5.12; juris).

28

So ist bereits nicht hinreichend bestimmt, was mit dem in der Disziplinarverfügung genannten „Therapieplan“ gemeint ist und wie oder in welcher Form dieser Nachweis zu erbringen sei. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte diesbezüglich keine weitere Aufklärung bzw. Bestimmtheit erzielt werden. Die diesbezüglich mit der Klägerin geführten Personalgespräche und die dort von der Klägerin eingegangenen Verpflichtungen führen nicht weiter. Denn dort dürfte es sich um die Umsetzung des sogenannten Stufenplanes gehandelt haben. Der Stufenplan ist ein Interventionsleitfaden, der eine Abfolge von Fünfstufengesprächen vorsieht. Voraussetzung ist ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche bzw. dienstrechtliche Pflichten oder deren Vernachlässigung im Zusammenhang mit Suchtmittelkonsum oder suchtbedingtem Verhalten (vgl. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.; www.sucht-am-arbeitsplatz.de). Das Disziplinargericht weist darauf hin, dass der Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides gerade nicht zu entnehmen ist, welche Verpflichtungen bzw. Weisung in diesem Zusammenhang die Klägerin nicht erfüllt habe. Die Disziplinarverfügung spricht selbst davon, dass die Umsetzung der in den Personalgesprächen geforderten Verhaltensweisen nicht bzw. zu spät erfolgt sei. Allein diese Formulierung des Vorwurfs „nicht bzw. zu spät“ lässt nicht hinreichend erkennen, welche Nachweise die Klägerin gerade nicht oder aber nur verspätet erbracht habe.

29

Im Übrigen weist das Disziplinargericht darauf hin, dass sich die Klägerin sehr wohl bemüht hat, den in den Personalgesprächen geforderten Nachweisen nachzukommen. In dem dem Gericht überlassenen Verwaltungsvorgang sind zahlreiche diesbezügliche Nachweise über Therapieangebote und durchgeführte Therapiegespräche enthalten. So erging unter dem 14.03.2012 mit der Drogen- und Suchtberatung ... eine Behandlungsvereinbarung und ein Therapieplan. Diese von der Klägerin aufgegriffene Initiative ist insofern von Bedeutung, da sie unmittelbar nach den alkoholbedingten Ereignissen im Februar 2012 stattfanden. Dementsprechend war die Klägerin durchaus bemüht ihr Problem anzugehen und in den Griff zu bekommen. Weiter ist dem Aktenvermerk bzw. dem Protokoll vom 12.04.2012 (Blatt 113 BA A) zu entnehmen, dass die Klägerin dort die bei der Drogen- und Suchtberatungsstelle in ... wahrgenommenen Termine seit Januar 2012 bis April 2012 nachgewiesen hat (Blatt 115 BA A). Die Drogen- und Suchtberatungsstelle ... bescheinigt unter dem 11.05.2012 die Teilnahme der Klägerin im Rahmen des mit ihr vereinbarten Therapieplans (Blatt 151 BA A). Darüber hinaus sind der Akte mehrere Bescheinigungen über ein sogenanntes Urinscreening zu entnehmen. All diese Erkenntnisse sowie die Tatsache, dass die amtsärztliche Untersuchung bei der Klägerin im Dezember 2012 keine Alkoholabhängigkeit und damit Suchterkrankung sondern ein riskantes Trinkverhalten bescheinigt, sind von dem Beklagten nicht berücksichtigt worden. Schließlich nahm die Klägerin bis Februar 2013 und damit bis zur Schließung der Drogen und Suchtberatungsstelle ... deren Hilfe in Anspruch. Demnach ist nachvollziehbar, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht darauf hinwies, dass ihr unklar sei, was sie noch machen solle.

30

3.) Der Klägerin stehen in dem Fall der alkoholbedingten Wohlverhaltens- bzw. Ansehensschädigung und dem Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht keine Milderungs- oder Entlastungsgründe zur Seite, die den Pflichtenverstoß in einem milderen Licht erscheinen lassen würden (vgl. Milderungs- und Entlastungsgründe ausführlich: VG Magdeburg, U. v. 17.10.2013, 8 A 6/13 MD; juris). Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, U. v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris). Die Klägerin handelte nicht in einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation und eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung oder „Entgleisung“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschlägen bedingte Lebensphase liegt nicht vor. Die wiederholte durch mehrere Einzeltaten begangene Ansehensschädigung war allein in ihrem riskanten, in der Freizeit ausgelebten Trinkverhalten begründet. Mangels vorliegender und vorgetragener Besonderheiten, muss sie für dieses auf den Dienst durchschlagene Verhalten, die dienstrechtlichen Konsequenzen tragen. Dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ihr Alkoholkonsum bereits zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt geführt hat.

31

4.) Bei der nunmehr vom Disziplinargericht aufgrund der Gesamtabwägung und des Persönlichkeitsbildes der Beamtin nach § 13 DG LSA auszusprechenden Disziplinarmaßnahme, lässt sich das Gericht davon leiten, dass die Klägerin als verbeamtete Lehrkraft eine besondere Vorbild- und Fürsorgefunktion hinsichtlich ihrer Schüler inne hat. Der Zweck des Disziplinarrechts liegt grundsätzlich in der individuellen Pflichtenmahnung (Spezialprävention) des Beamten zu einer berufserforderlichen Zuverlässigkeit (Hummel/Köhler/Mayer; BDG, 4. Auflage 2009, A.IV.3 Rz. 88). Dementsprechend ist hier die Stufe der Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung als letzte vom Dienstherrn auszusprechende Disziplinarmaßnahme aus erzieherischer Sicht durchaus angebracht. Denn durch die monatliche Kürzung ihr Dienstbezüge über einen gewissen Zeitraum soll die Klägerin stetig an ihr Fehlverhalten erinnert werden und die Sache nicht durch eine einmalige Geldbuße abgetan sein.

32

Dabei unterliegt die Bemessung der Gehaltskürzung einer erheblichen Spannweite hinsichtlich des vom Disziplinargesetz (§ 8 Abs. 1 Satz 1 DG LSA) bis zur Höhe von 20 % vorgesehenen Kürzungsteils und der Laufzeit von drei Jahren. Während die Laufzeit der Gehaltskürzung durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmt wird, sind für die Festlegung des Kürzungsbruchteils die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten maßgebend (vgl. BVerwG, Urteil v. 20.09.2006, 1 D 8.05; juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 21.03.2002, 1 D 29.00; juris) beträgt der regelmäßige Kürzungssatz bei Beamten des gehobenen und höheren Dienstes bis Besoldungsgruppe A 16 regelmäßig 1/10. Soll diese Regelmäßigkeit des Kürzungsbruchteils insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten abgreifen, so ist dieser Kürzungssatz gesetzlich nicht verbindlich und kann vom Disziplinargericht ebenso bestimmt werden. Gerade im Kürzungssatz kann sich das objektiv größere oder mindere Gewicht des Dienstvergehens ausdrücken. Sinn einer Vermögenssanktion ist es ohnehin, dass höhere Gewicht der Verfehlung durch eine spürbare finanzielle Einbuße deutlich zu machen. Dabei kommt es dem Gesetz bei der Gehaltskürzung nicht auf die letztliche Gesamtsumme der finanziellen Einbuße, sondern auf die Wirkung der wiederkehrenden Einzeleinbußen an (vgl. insgesamt: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Auflage 2009, A.IV.3 Rz. 87). Andererseits muss auch das Abstandsgebot zu den Disziplinarmaßnahmen der Geldbuße und der Zurückstufung gewahrt bleiben. Alles dies begründet es, im jeweiligen Einzelfall individuell über die „Stellschrauben“ des Kürzungsbruchteils und der Laufzeit die angemessene Gehaltskürzung zu bestimmen.

33

Dementsprechend darf das Disziplinargericht – letztendlich auch aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 59 Abs. 3 DG LSA – aufgrund der nunmehr eigenen, dem Disziplinargericht zusehenden Disziplinarbefugnis, auf der Stufe der Gehaltskürzung eine in Bezug auf den Kürzungssatz wie die Laufzeit individuell bemessene geringe Disziplinarmaßnahme aussprechen. In der Bemessung der Laufzeit kann das konkrete Bedürfnis nach pflichtenmahnender Einwirkung entsprechend der Verhaltensprognose (Labilität, Wiederholungsgefahr) wirkungsvoll dargestellt werden. Unter Beachtung dessen, sieht das Disziplinargericht hier einen abgemilderten Kürzungssatz bei einer überschaubaren Laufzeit als dem Dienstvergehen angemessen und auch als zweckmäßig an. Die Maßnahme erscheint als angemessen, aber auch notwendig, um die Beamten an die Einhaltung ihrer Pflichten, insbesondere der Wohlverhaltens- und Gesunderhaltungspflicht, zu erinnern.

34

Die Klägerin hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht einsichtig gezeigt und insbesondere durch die Einräumung des alkoholbedingten Tatvorwurfs zur Sachverhaltsaufklärung und Entscheidungsreife maßgeblich beigetragen. Eine umfassende Beweisaufnahme unter Einbeziehung der Schüler, Eltern und Kollegen wurde vermieden. Ebenso hat sie bei dem Disziplinargericht den Eindruck hinterlassen, dass sie ihre Alkoholproblematik und das amtsärztlich bescheinigte riskante Trinkverhalten erkannt und die daraus resultierenden Folgen eingesehen hat. Dementsprechend hat sie auch Beratungsstellen und Beratungsangebote in Anspruch genommen und aktiv an der Bewältigung ihrer Probleme mitgearbeitet. Gleichwohl sieht sich das Disziplinargericht zur Verhängung der ausgesprochenen Gehaltskürzung und nicht nur einer Geldbuße veranlasst, wobei die Klägerin die monatlich wiederkehrende Kürzung als Mahnung und damit auch als Chance begreifen sollte. Im Wiederholungsfall könnte, je nach Ausmaß der Trunkenheit und der Vertrauensbeeinträchtigung, durchaus die Entfernung aus dem Dienst anstehen.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4 DG LSA, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da die Klägerin weiterhin disziplinarrechtlich belangt wird, ist es angemessen, dass sie die Hauptlast der Kosten trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße g

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(1) Das Gericht entscheidet über die Klage, wenn das Disziplinarverfahren nicht auf andere Weise abgeschlossen wird, auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil. § 106 der Verwaltungsgerichtsordnung wird nicht angewandt. (2) Bei einer Disziplin

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Referenzen

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht entscheidet über die Klage, wenn das Disziplinarverfahren nicht auf andere Weise abgeschlossen wird, auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil. § 106 der Verwaltungsgerichtsordnung wird nicht angewandt.

(2) Bei einer Disziplinarklage dürfen nur die Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Das Gericht kann in dem Urteil

1.
auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme (§ 5) erkennen oder
2.
die Disziplinarklage abweisen.

(3) Bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung prüft das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Zollbeamter bei dem Beklagten im Rang eines Zollobersekretärs und wird dort im Rahmen der mobilen Kontrollgruppe beschäftigt. Er wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung in Gestalt einer Geldbuße von 100,00 Euro.

2

In der streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 07.10.2011 wird dem Kläger vorgeworfen, im Zeitraum von Mai 2010 bis Januar 2011 in nachgewiesenen 45 Fällen das ihm dienstlich zur Verfügung gestellte Handy zu privaten Telefonaten verwendet und dadurch Verwaltungsauslagen in Höhe von 11,38 Euro verursacht zu haben. Bei den Telefonaten habe es sich überwiegend um solche zur dienstlichen Rufnummer seiner ebenfalls bei dem Beklagten tätigen Ehefrau gehandelt. Ihm sei bekannt gewesen, dass die private Nutzung der dienstlichen Telekommunikationsanlagen des Beklagten gemäß Verfügung vom 24.04.2007 (H 4706 B-A 4) in Verbindung mit den Benutzerhinweisen für Mobilfunktelefone beim Hauptzollamt B-Stadt und der Richtlinie über die Einrichtung und Benutzung dienstlicher Telekommunikationseinrichtungen und die dienstliche Benutzung privater Telekommunikationseinrichtungen in der Bundesverwaltung (Richtlinie Telekom-munikation Bund-RLTk Bund -) nur unter Verwendung von so genannten „Calling-Cards“ gestattet sei. Von dieser Regelung habe er am 15.04.2008 gegen Unterschriftsleistung Kenntnis genommen.

3

Der Beamte habe einen objektiv feststellbaren Pflichtenverstoß und damit ein Dienstvergehen begangen. Er habe vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft seine Pflichten zur uneigennützigen Amtsführung (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBG) sowie die Folgepflicht (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) verletzt. Aufgrund der Anzahl der Verfehlungen und des entstandenen finanziellen Schadens könne das Fehlverhalten nicht mehr als Bagatelle eingestuft werden, sodass er ein nicht leichtzunehmendes, nämlich zumindest mittelschweres Dienstvergehen begangen habe. Bei der Bemessung der demnach erforderlichen Disziplinarmaßnahme sei mildernd zu berücksichtigen, dass er sein Fehlverhalten eingeräumt habe und der Dienstbetrieb nicht beeinträchtigt worden sei. Nach Abwägung der Gesamtumstände, der Schwere der Verfehlung, des Persönlichkeitsbildes und des Ausmaßes der Vertrauensbeeinträchtigung der Vorgesetzten und der Allgemeinheit sei bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 100,00 Euro ausreichend und angemessen um den Beamten künftig zur Einhaltung seiner Pflichten anzuhalten.

4

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2011 unter vertiefter Begründung der Ausführungen der Disziplinarverfügung als unbegründet zurück. Dem Einwand des Klägers, dass es sich bei den Telefonaten mit seiner Ehefrau um dienstlich veranlasste Nachfragen zur Kosten-Leistungs-Rechnung gehandelt habe, könne nicht gefolgt werden. Dem Kläger werde monatlich ein diesbezügliches Nachfragegespräch eingeräumt und eine höhere Anzahl von Anrufen sei nicht erforderlich oder plausibel, zumal es eine zentrale Rufnummer bei der Stabsstelle Controlling gebe. Die Ausführungen des Klägers seien allesamt bereits bei der verhältnismäßigen Bestimmung der Disziplinarmaßnahme berücksichtigt worden.

5

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarverfügung und ist im Wesentlichen der Auffassung, dass das ordnungsgemäße Ermessen hinsichtlich der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme nicht hinreichend ausgeübt worden sei. Der Beklagte habe nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt, dass die Dienstverstöße fahrlässig begangen worden seien und der entstandene Schaden die Bagatellgrenze nicht überschreite. Der Beamte sei geständig und zeige Reue und habe nach Bekanntwerden der Ermittlungen sein Telefonverhalten umgehend korrigiert. Demnach wäre eine frühzeitige erneute Belehrung bezüglich des absoluten Verbotes der Führung von Privattelefonaten vom Diensthandy zur Pflichtenmahnung ausreichend gewesen.

6

Der Kläger beantragt,

7

die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 07.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2011 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen

10

und verteidigt die Disziplinarverfügung und die darin vorgenommene Disziplinarmaßnahme. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei bereits hinreichend gewürdigt worden, dass bei einem zeitnahen Hinweis der Dienststelle auf das Fehlverhalten des Beamten der Umfang der Pflichtenverstöße geringer ausgefallen wäre. Zu beachten sei, dass die private Nutzung der Diensttelefone grundsätzlich untersagt sei und dementsprechend die in der Rechtsprechung zu findenden Entscheidungen bezüglich der Eingabe von vorgeschalteten Nummern zur Kennzeichnung eines Privat- oder Dienstgespräches andere Sachverhalte beträfen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Klage ist begründet. Denn die angefochtene Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig – zumindest – nicht zweckmäßig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§§ 3, 60 Abs. 3 BDG; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

13

1.) Nach § 60 Abs. 3 BDG prüft das Gericht bei der Klage des Beamten gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Diese zusätzliche in Abweichung von § 114 VwGO dem Gericht zustehende eigene Prüfungskompetenz und Ermessensentscheidung (Gesetzesbegründung zu § 60 Abs. 3 BDG, BTDrs. 14/4659, S. 48; BVerwG, Urt. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; OVG NRW, Beschl. v. 19.09.2007, 21d A 3600/06.O; Bayr. VGH, Beschl. v. 27.01.2010, 16a DZ 07.3110, Bayr. VGH, Beschl. v. 02.07.2012, 16a DZ 10.1644; alle juris) führt bereits zur Aufhebung der Disziplinarmaßnahme. Dabei geht das Disziplinargericht davon aus, dass dem Kläger kein – jedenfalls gravierender – Pflichtenverstoß vorzuwerfen ist, sodass eine Disziplinarmaßnahme zur Pflichtenermahnung nicht angezeigt erscheint. Das Gericht sieht auch eine unter der Geldbuße liegende Disziplinarmaßnahme, etwa den Ausspruch eines Verweises, nicht als zweckmäßig an. Entscheidend für das Disziplinargericht ist nach dem Studium der Akten und dem Eindruck des Klägers, welchen er in der mündlichen Verhandlung auf das Gericht hinterlassen hat, dass das Verhalten des Beamten bei dem hier zugrunde gelegten Sachverhalt nicht als derart schwerwiegend anzusehen ist, welches die Ahndung mittels einer Disziplinarmaßnahme rechtfertigt. Zudem ist der Kläger einsichtig (vgl. zur Zweckmäßigkeit auch; VG Magdeburg, Urt. v. 06.11.2007, 8 A 10/07 MD; juris).

14

2.) Dem Kläger wird eine schuldhafte und vorsätzliche Verletzung seiner Dienstpflichten zur uneigennützigen Amtsführung (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBG) sowie der Folgepflicht (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) vorgeworfen.

15

a.) Zunächst stellt das Disziplinargericht klar, dass die private Nutzung eines dienstlich zur Verfügung gestellten Telefons selbstverständlich einen Pflichtenverstoß darstellen kann, der zu einer – auch erheblichen – Disziplinarmaßnahme führen kann. Dies jedenfalls dann, wenn die im jeweiligen Einzelfall festzustellenden Begleitumstände der Tatbegehung bedeutsam sind, etwa von einem planvollen und gezielten betrügerischen Vorgehen zu Lasten des Dienstherrn und/oder einer erheblichen Schadenssumme und/oder einem langfristigen Vorgehen getragen sind. Demnach steht grundsätzlich die gesamte Bandbreite der Disziplinarmaßnahmen zur Verhängung bereit (BVerwG, Urteil v. 19.05.2004, 1 D 17.03; juris).

16

b.) Entgegen der Auffassung des Beklagten sieht das Disziplinargericht im vorliegenden Fall Besonderheiten, die dazu führen – jedenfalls im Rahmen der Zweckmäßigkeit – von einer den Beamten belastenden Disziplinarverfügung Abstand zu nehmen.

17

Auffällig ist bereits, dass das Diensthandy ohne Übergabeprotokoll oder sonstigen Hinweisen bezüglich seiner – nur – dienstlichen Benutzung vom vorherigen Benutzer an den Kläger weitergegeben wurde. Auch wann dies geschehen ist, ist nicht feststellbar (vgl. Ermittlungsbericht der Ermittlungsführerin vom 05.05.2011). Jedenfalls hat der Kläger mit seiner Unterschriftsleistung vom 15.04.2008 bestätigt, dass er von der „Regelung über die Nutzung dienstlicher Telefone im HZA“ Kenntnis erlangt hat (Bl. 15 BA D). Diese Regelung vom 11.04.2008 beinhaltet:

18

„Aus gegebenem Anlass weise ich nochmals darauf hin, dass die private Nutzung der Telekommunikationsanlage ausschließlich nur mit Callinq-Cards (vgl, dazu o. g. Verfügung) gestattet ist.
Ich gebe hiermit allen Bediensteten die Gelegenheit, die eventuell geführten Privatgespräche aus der letzten Abrechnungsperiode per E-Mail Stelle A 4.3 - Frau Riemer) bis 30.04.2008 anzuzeigen.

19

Vorsorglich weise ich darauf hin, dass die letzte Abrechnungsperiode umfassend von der Haushaltsstelle geprüft wird.

20

Bei künftigen Verstößen gegen den Erlass vom 06. Januar 2006 ZA 3 - H 4706 - 54/05, bekannt gegeben mit o. g. Verfügung, ist die Haushaltsstelle gezwungen, diese der Personalstelle mit der Bitte um Prüfung weiterer disziplinarrechtliche Maßnahmen anzuzeigen.
Ich bitte alle Bediensteten - gegen Unterschrift - entsprechend zu unterrichten und die Nachweise im Anschluss Stelle A 4.3 zuzuleiten.“

21

Dabei ist bereits nicht klar ersichtlich, ob sich die bekannt gegebene Regelung über die Benutzung dienstlicher Telekommunikationseinrichtungen auch auf die Verwendung der zur Verfügung gestellten Mobiltelefone (Handys) bezieht. Vorstellbar ist zumindest, dass aufgrund der Verwendung der Begrifflichkeit „Telekommunikationsanlage“ sich bei den Bediensteten des Beklagten die Fehlvorstellung bilden konnte, dass damit nur die im Regelfall kabelgebundenen ortsfesten Telefone in den Büros des Beklagten als Teil einer Telefonanlage gemeint waren. Ob bereits der genante Bezugserlass vom 06.01.2006 zum Wegfall der Bagatellgrenze von 7,67 Euro für Privattelefonate mit Verfügung vom 27.02.2006 auch dem Kläger bekannt gegeben wurde, ist unbekannt. Eine kontinuierliche Wiederholung des Bezugserlasses und somit die Erinnerung an die Bediensteten an das strikte Verbot der Führung von Privatgesprächen über das zur Verfügung gestellte Dienst-Handy, ist nicht feststellbar. Demnach drängt sich dem Disziplinargericht der Verdacht auf, dass es bei dem Beklagten hinsichtlich der privaten Nutzung der Telefone nicht ganz klare und eindeutige Regelungen gab bzw. diese erst verspätet umgesetzt und kontrolliert wurden und sich somit zwangsläufig bei den Bediensteten ein gewisses Eigenleben hinsichtlich der Benutzung der Telefone eingeschlichen haben wird. Denn aus den Akten ist bekannt, dass im Jahre 2010 auffällig geworden sei, dass insbesondere im Sachgebiet G (Vollstreckung) die Kosten der Telefonrechnungen im Vergleich zu den Vorjahren erheblich angestiegen seien (vgl. Vermerk vom 27.01.2011, Bl. 19 BA D). Im September 2010 habe man daraufhin begonnen, die Einzelverbindungsnachweise des letzten halben Jahres der dienstlich zur Verfügung gestellten Handys zu überprüfen (vgl. Ermittlungsbericht vom 05.05.2011, Bl. 57 GA).

22

Eine vorherige Kontrolle der dienstnotwendigen Telefonate bzw. eine in geringen zeitlichen Abständen – im Regelfall im Jahresrhythmus – vorgenommene Wiederholung und Erinnerung der im Bezugserlass genannten dienstlichen Anweisung ist nachweislich nach dem 11.04.2008 nicht geschehen. Vielmehr hat man als im Jahre 2010 erhöhte Telefonkosten aufgefallen sind direkt entsprechende umfassende interne Ermittlungen mit dem Ziel der disziplinarrechtlichen Verfolgung eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt wäre es erfolgversprechender gewesen, wenn der Beklagte die entsprechende Dienstanweisung erneut den Bediensteten kundgetan hätte und eindeutig auf die zwischenzeitlich festgestellten erhöhten Telefonkosten hingewiesen hätte. Dies hätte aller Wahrscheinlichkeit nach bereits ausgereicht, um den größten Teil der Bediensteten des Beklagten auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen, mit dem Ziel, diese Pflichtenverstöße abzustellen. So wäre dies auch im Fall des Klägers vielversprechend gewesen. Denn nach Eröffnung der disziplinarrechtlichen Vorwürfe ihm gegenüber, hat er sein Telefonverhalten umgehend diesbezüglich um- und eingestellt. Dies erwähnt die Ermittlungsführerin in ihrem Ermittlungsbericht vom 05.05.2011 ausdrücklich zu Gunsten des Beamten.

23

Aufgrund der gesamten festzustellenden Umstände hinsichtlich der Benutzung dienstlich zur Verfügung gestellter Mobiltelefone bei dem Beklagten, muss bemerkt werden, dass sich dieser Sachverhalt grundlegend von den übrigen in der Rechtsprechung zu findenden Disziplinarentscheidungen bezüglich der Verwendung dienstlicher Telefone unterscheidet. In den überwiegenden Fällen ist es nämlich so, dass den Bediensteten die Benutzung des dienstlichen Telefons unter Vorschaltung einer entsprechenden Nummer zwecks sodann zu erfolgender Abrechnung gestattet wird. In diesen Fällen liegt der besondere Pflichtenverstoß darin, dass der Bedienstete den Dienstherrn dadurch täuscht, dass er eine falsche Vorwahlnummer oder gar keine zur Kennzeichnung seines Privatgespräches vornimmt bzw. diese bei einer Abrechnungsvorlage nicht kennzeichnet. Dementsprechend sind diese Fälle von einer bewussten Täuschungshandlung des Bediensteten geprägt und zeugen je nach Ausmaß und Dauer der vorgenommenen Telefonate sowie des Zeitraums der Täuschung von einem vorsätzlichen und planvollen Vorgehen zum Nachteil des Dienstherrn (vgl. zu diesen Fällen etwa: BVerwG, Urt. v. 19.05.2004, 1 D 17/03; BDIG Frankfurt, Urt. v. 12.03.2003, I VL 27/02; VG Münster, Urt. v. 23.02.2007, 20 K 1538/06.O; VG München, GB v. 17.05.2006, M 13 D 05.5524; VG München, Urt. v. 16.04.2007, M 19 D 06.1881; LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 18.11.2009, 15 Sa 1588/09; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.09.2005, 3 A 10933/05; alle juris). Gerade in diesem betrügerischen Verhalten liegt das disziplinarrechtlich zu ahnende Unrecht. Denn der Dienstherr ist bei der zur Verfügungstellung derartiger dienstlicher Einrichtungen für den Privatbereich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit der Bediensteten angewiesen. Eine lückenhafte Kontrolle ist diesbezüglich nicht möglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.05.2004, 1 D 17/03; juris).

24

Vorliegend unterscheidet sich der Sachverhalt jedoch von diesen Fällen. Denn der Kläger hat keinerlei Falschangabe bei der Benutzung des dienstlichen Handys oder sonstige Falschkennzeichnungen privater Gespräche als dienstliche vorgenommen, sondern gegen das generelle Verbot der Führung von Privatgesprächen verstoßen. Ist dies zwar einerseits eine klare und eindeutige Regelung, so muss andererseits bei Zugrundelegung eines verständigen Dienstbetriebes unter Beachtung menschlicher Verhaltensweisen davon ausgegangen werden, dass ein derartiges striktes Telefonverbot nicht durchführbar und auch nicht zeitgemäß erscheint. Der Beklagte musste daher mit den menschlichen Schwächen seiner Bediensteten zur fehlenden Akzeptanz dieses Verbotes rechnen. Wegen der damit verbundenen Bequemlichkeit gilt dies insbesondere bei der zur Verfügung Stellung eines Mobiltelefons.

25

Auch der Verweis auf die alleinige Verwendung sogenannter Calling-Cards hilft nicht weiter. Calling-Cards finden vor allem Anwendung, um von fremden Telefonanschlüssen (Büro) aus Gespräche zu führen, die nicht über den Telefonanschluss abgerechnet werden sollen. Dies wird durch die Verwendung gebührenfreier 0800-Einwalnummern des Kartenvertreibers gewährleistet. Die Gespräche werden über das per PIN authentifizierte und zuvor durch Kauf oder Aufladung bestehende Calling-Card-Konto des Kartenerwerbers abgerechnet (vgl. Wikipedia). Demnach bedarf es bei der Verwendung dieser Karten gar nicht des Einverständnisses des Dienstherrn. Denn er stellt allenfalls das Telefon zur Verfügung. Die Abrechnung erfolgt autonom von Telefonkonto des Dienstherrn. Dienstrechtlich zu ahndende Pflichtenverstöße könnten nur dann entstehen, wenn der Bedienstete das dienstlich zur Verfügung gestellte Telefon unabhängig vom Gebührenaufkommen übermäßig und damit missbräuchlich verwendet und der Dienstbetrieb darunter leidet.

26

c.) Bei der Bewertung des klägerischen Telefonverhaltens spielt sein Umgang mit dem dienstlichen Mobiltelefon eine entscheidende Rolle. Es ist nicht festzustellen, dass er das Dienst-Handy etwa ausgiebig und zeitintensiv für private Gespräche zweckwidrig missbrauchte und damit quasi wie sein eigenes Mobiltelefon genutzt hätte. Die festgestellten Telefonate beziehen sich ausnahmslos auf kurze Zeitintervalle zwischen ein bis zwei Minuten und diese ganz überwiegend mit seiner ebenfalls bei dem Beklagten beschäftigten Ehefrau. Insoweit mag es nachvollziehbar erscheinen, dass der Kläger in der Tat diese Gespräche nur zur kurzen Absprache über irgendwelche privat zu regelnden Angelegenheiten, wie Kinderbetreuung, Einkäufe, Verabredung usw. im Sinne einer kurzen Nachfrage geführt hat oder von der Sehnsucht getrieben war, die Stimme seiner Ehefrau zu vernehmen. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen unbekannt, ob auch die Ehegattin das Diensthandy angerufen hat. Wegen seiner Tätigkeit im mobilen Einsatz und der mit dem Handy verbundenen Bequemlichkeit drängte sich für ihn die Benutzung des Mobiltelefons für diese Gespräche quasi auf. Dies auch deswegen, weil er eben nicht über einen kabelgebundenen Arbeitsplatz (Büro) verfügte; bei der Verwendung interner Kurzwahlnummern von Büro zu Büro hätte sich die gesamte Problematik nicht ergeben. Auf Befragung durch das Gericht gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung zudem an, dass er über kein eigenes Mobiltelefon verfüge. Erscheint dies auch wenig zeitgemäß, so ist dies aufgrund der vorhandenen Dienst-Handys wieder nachvollziehbar. Zumal der Transport und Besitz zweier Mobiltelefone im täglichen Dienstgeschäft des Klägers in der Tat gewisse Probleme bereiten könnte.

27

Hat der Beamte daher die privaten Telefonate bewusst kurz gehalten und der sich daraus resultierende finanzielle Nachteil für den Dienstherrn auch nur auf 11,38 Euro beschränkt, ist davon auszugehen, dass dies keinen disziplinarrechtlich zu ahnenden Pflichtenverstoß darstellt. Jedenfalls wäre der Disziplinargehalt auch bei Unterstellung eines Dienstvergehens wegen der dargestellten Besonderheiten derart gering, dass eine Disziplinarmaßnahme - und schon gar nicht die gewählte Disziplinarmaßnahme der Geldbuße - als angezeigt gilt. Insoweit wäre hier die so genannte missbilligende Äußerung des Dienstherrn als bloßer Hinweis auf den Pflichtenverstoß ausreichend gewesen (§ 6 Satz 2 BDG). Das Disziplinargericht muss in seinen Entscheidungen stets darauf hinweisen, dass das Disziplinarrecht kein Strafrecht darstellt und die Disziplinarmaßnahmen in einem Stufenverhältnis (vgl. §§ 5, 13 BDG) stehen und je nach Schwere und Eigenart des Dienstvergehens sorgfältig und ausgewogen geprüft werden müssen (vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 29.03.2012, 8 A 9/09; m. w. Nachw.; VG Magdeburg, Urteil v. 14.02.2012, 8 A 6/11; VG Magdeburg, Urteil v. 01.12.2011, 8 A 18/10; zur Zweckmäßigkeit weiter: VG Magdeburg, Urteil v. 06.11.2007, 8 A 10/07; alle juris). Nicht jeder Verstoß gegen Dienstpflichten stellt zugleich auch in Dienstvergehen im Sinne des Disziplinarrechts dar (VG Münster, Urt. v. 23.02.2007, 20 K 1538/06.O; juris). Denn dem menschlichen Verhalten sind Fehler und Schwächen immanent. Disziplinarrechtliche Relevanz erhält ein Fehlverhalten eines Beamten erst dann, wenn eine gewisse Schwelle überschritten ist. Diese disziplinarrechtlich relevante Schwelle ist aufgrund des Fehlverhaltens des Klägers (noch) nicht erreicht. Das Disziplinargericht weist darauf hin, dass es sich hier um die Entscheidung im Einzelfall des Klägers handelt. Soweit bei dem Beklagten wegen des Telefonverhaltens der Bediensteten weitere Disziplinarverfahren schwebten oder noch nicht abgeschlossen sind, hat die Entscheidung nur wegen der grundsätzlichen Ausführungen zum Vorgehen in behördlichen Disziplinarverfahren unmittelbare Bedeutung; jeder Einzelfall mag anders sein.

28

Das Disziplinarrecht dient vordringlich der Pflichtenmahnung des Beamten für die Zukunft. Das Disziplinargericht lässt sich auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom Kläger auf das Gericht hinterlassene Eindrucks davon leiten, dass die Durchführung des gesamten Disziplinarverfahrens, die behördlichen Ermittlungen und Vernehmungen sowie letztendlich die mündliche Verhandlung vor dem Disziplinargericht bei dem Beamten eine nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.

29

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 4 BDG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 BDG, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tenor

Der ablehnende Bauvorbescheid der Beklagten vom 18.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2009 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, auch Ziffer 1 und 2 der Bauvoranfrage vom 23.02.2009 positiv zu bescheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides zur planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Umbaus und einer geringfügigen Erweiterung ihres Einfamilienhauses in der ... 20 in ....

2

Sie sind Eigentümer des genannten Grundstückes im unbeplanten Innenbereich von Travemünde. Das Grundstück stellt das Eckgrundstück zur Straße ... dar. Nördlich der Straße ... schließt sich ein Golfplatzgelände mit Parkplatz an, südlich der Straße ... ist reine Wohnbebauung, ganz überwiegend in Form von freistehenden Einfamilienhäusern, vorhanden. Die meisten Gebäude in der ... (wie auch in der ... und im ...) sind offen in fünfziger/sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mehr oder weniger nach Maßgabe eines nicht übergeleiteten Durchführungsplanes (Nr. 56) genehmigt und errichtet worden. Dieser Plan sah eine bestimmte Gebäudestellung mit festgesetzter Dachneigung und Dachform vor. So sind die Gebäude ... 12-20 traufständig mit Satteldächern errichtet worden, die Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite (Nrn. 11-19) giebelständig mit Satteldächern. Im weiteren Verlauf der ... sind Walmdächer (gerade Hausnummern) bzw. einhüftige Dächer mit erhöhter Traufhöhe im rückwärtigen Bereich (ungerade Hausnummern) vorhanden. Im Bereich .../ ... ist eine einheitliche Dachform nicht mehr zu erkennen. Im insbesondere interessierenden Bereich beidseitig der ... (Nrn. 11-20) ist zumindest straßenseitig die ursprüngliche Gebäudeausrichtung und Dachform noch vorhanden.

3

Das Gebäude der Kläger selbst ist – abweichend vom Standort des Durchführungsplanes – etwa quadratisch mit kleineren Anbauten (etwas vorgezogenes Kinderzimmer im Erdgeschoss an der Süd-West-Ecke, Speisekammer im Erdgeschoss an der Nord-Ost-Ecke) errichtet worden. Es ist eingeschossig und mit einem zur ... hin traufständigen Satteldach versehen.

4

Mit Schreiben vom 23.02.2009 beantragten die Kläger über ihren Architekten die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides in Bezug auf die planungsrechtliche Zulässigkeit zu folgenden Fragen:

5

1. Wird eine Erweiterung im EG (Windfang) sowie im DG (Baderweiterung mit Galerie) mit Giebelständigkeit zur Süd-West-Seite genehmigt?

6

2. Wird eine Erweiterung im DG (Ankleidekammer) mit geringer Giebelständigkeit zur Nord-Ost-Seite genehmigt?

7

3. Wird der Einbau einer Dachgaube im DG (Schlafzimmer zur Nord-Ost-Seite) genehmigt?

8

Nachdem das gemeindliche Einvernehmen zu den Fragen 1. und 2. versagt worden war, erging unter dem 18.05.2009 ein Bauvorbescheid des Inhalts, dass in Bezug auf die Frage 3. keine planungsrechtlichen Bedenken bestünden, die in den Ziffern 1. und 2. angesprochenen Umbauten jedoch aus planungsrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig seien. Zur Ablehnung in Bezug auf die Frage 1. führte die Beklagte zur Begründung aus, die angefragte Dachgeschoss-Erweiterung zur Süd-West-Seite (Straßenseite) füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da die Dachgeschosswohnfläche durch die Errichtung des straßenseitigen Giebels über die „glatte“ Satteldachfläche hinaus in Anspruch genommen werden solle, wofür es in dem geplanten Umfang und in der vorgesehenen Größe bei den Gebäuden der näheren Umgebung im Verlauf der ... keine Vorbilder gebe. Das Orts- und Straßenbild in der ... sei auf der Ostseite durch traufständig zur Straße stehende Ein- bzw. Zweifamilienwohnhäuser geprägt. In diese Traufständigkeit reihe sich ohne die beantragten baulichen Veränderungen auch das Wohnhaus der Kläger harmonisch ein. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite seien die Wohngebäude zur Straße giebelständig angeordnet. Auf diese Weise entstehe durch die jeweils in die gleiche Firstrichtung ausgerichteten Gebäude für den Betrachter ein harmonisches, ausgewogenes und auch beruhigend wirkendes Orts- und Straßenbild. Bei den Gebäuden in der näheren Umgebung im Verlauf der ... seien lediglich Dachgauben allein oder mit vorgelagerten Dachterrassen vorhanden. Durch die geplante straßenseitige Giebelerrichtung werde das harmonisch, durch traufständige Gebäude geprägte Straßenbild mehr als nur geringfügig beeinträchtigt, da der geplante Giebel mit einer Breite von ca. 7 m ca. 70 % der Gebäudelänge in Anspruch nehme und somit aus einem zur Straße traufständigen Gebäude ein giebelständiges Gebäude mache. Außerdem werde die vorhandene Traufhöhe des Hauptgebäudes erheblich, nämlich um ca. 1,60 m überschritten, was ebenfalls als rahmenüberschreitend einzustufen sei. Darüber hinaus werde auch das vorhandene Ortsbild beeinträchtigt. Das Ortsbild sei in diesem Grundstücksbereich durch eine eingeschossige Einzelhausbebauung mit zur Straße traufständiger Baukörperausrichtung geprägt, die eine straßenbegleitende Grundstruktur mit Ortsbild prägendem Charakter erkennen lasse. Die Errichtung eines straßenseitigen Giebels einschließlich einer Überhöhung der Traufe um ca. 1,60 m liege außerhalb dieser Struktur und störe geradezu den Ortsbild prägenden Charakter dieser Siedlung.

9

Auch eine Zulassung des geplanten Vorhabens nach § 34 Abs. 3 a BauGB komme nicht in Betracht, da eine städtebauliche Vertretbarkeit nicht gegeben sei.

10

Im Hinblick auf eine genehmigungsfähige Planung werde empfohlen, auf die straßenseitige Dachgeschosserweiterung mit Giebelerrichtung zu verzichten und den gewünschten Erweiterungsbedarf mittels Errichtung einer entsprechend auf die Proportion des Gebäudes abgestimmten Dachgaube zu realisieren. Hinsichtlich Ziffer 2. führte die Beklagte aus, der angefragte rückwärtig geplante Giebel ordne sich zwar hinsichtlich seiner Breite unter, er füge sich jedoch hinsichtlich seiner Traufhöhe, die mit ca. 2,60 m mehr als erheblich über die Traufhöhe des Hauptgebäudes hinausrage, nicht in die eigene Art der Umgebung ein.

11

Insoweit wurde empfohlen, die Traufhöhe des Hauptgebäudes nicht zu überschreiten.

12

Gegen den ablehnenden Bauvorbescheid legten die Kläger am 02.06.2009 Widerspruch ein und führten zur Begründung aus, die nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB sei unzutreffend bemessen worden. Insbesondere sei auch die, von der Straße ... her gesehen schon mit dem übernächsten Grundstück beginnende Bebauung im Bereich .../ ... in die Betrachtung mit einzubeziehen. Gerade in diesem Bereich sei eine homogene Giebel- bzw. Traufständigkeit nicht zu erkennen. Auch entlang der ... könne nicht von einer homogenen Dachgestaltung ausgegangen werden. So sei das Gebäude Nr. 6 nicht traufständig und die Gebäude mit den Nummern 5, 7 und 9 nicht giebelständig. Insgesamt füge sich das geplante Vorhaben in die eigene Art der näheren Umgebung ein. Bodenrechtliche Spannungen würden nicht erzeugt, ein Planungsbedürfnis entstehe nicht. Von einer Ortsbildbeeinträchtigung könne schon deswegen keine Rede sein, weil die nähere Umgebung insoweit keine besondere Wertigkeit aufweise. Hilfsweise sei zumindest eine Zulässigkeit des geplanten Vorhabens nach § 34 Abs. 3 a BauGB gegeben.

13

In einem internen Vermerk wies die Stadtplanungsabteilung der Beklagten am 06.08.2009 daraufhin, dass in der Widerspruchsbegründung als Haus „ ... 7“ angesprochene Gebäude habe seine tatsächliche Belegenheit und Adresse am .... Das Grundstück habe, wie dieser Irrtum belege, eine atypische Lage zwischen ... und der Straße ... und stelle insoweit einen Ausreißer dar. Die ... habe keine trennende Wirkung, so dass auch die dem klägerischen Grundstück gegenüberliegende Straßenseite mit einzubeziehen sei. Das Gebäude ... 6 sei ein Walmdachhaus, das mit der Längsseite traufständig an der Straße stehe. Erst jenseits der Einmündung der ..., also weiter entfernt vom Grundstück der Kläger, seien auch die Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite traufständig.

14

Den eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2009 zurück und führte zur Begründung aus, als nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB seien die Gebäude... 12-20 sowie auf der gegenüberliegenden Seite die Gebäudenummern 19-11 (Einmündung ...) her-anzuziehen. Durch die jeweils in gleicher Firstrichtung ausgerichteten Gebäude ergebe sich für den Betrachter ein harmonisches, ausgewogenes und beruhigend wirkendes Straßenbild. Die geplante Dachgeschosserweiterung zur Süd-West-Seite füge sich aufgrund der geplanten straßenseitigen Giebelerrichtung sowie durch die von der weitestgehend einheitlichen Traufhöhe abweichende Traufhöhe nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Straßenseitig sei der giebelständige Vorbau mit über 7 m deutlich breiter als die Hälfte des Hauptgebäudes mit einer Länge von ca. 10,70 m. Überdies werde auch das Ortsbild beeinträchtigt. Der Begriff des Ortsbildes im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB stelle auf einen größeren Maßstab ab als die für das Einfügensgebot maßgebliche nähere Umgebung. Unter Ortsbild sei die bauliche Ansicht eines Ortes oder Ortsteiles bei einer Betrachtung sowohl von innen als auch von außen her zu verstehen. Dieser städtebaulich zu verstehende Begriff schließe, ähnlich dem der Erhaltungssatzung, solche Gestaltungselemente mit ein, die die Gestaltung des jeweiligen Gebäudes beträfen, wie z. B. die Dachform und die Stellung der baulichen Anlagen auf dem Grundstück, soweit dies städtebaulich von Bedeutung sei. Zum Bezugsrahmen komme insoweit die ... in Verlängerung über die Einmündung ... hinaus bis zur Einmündung ... in Betracht. Sämtliche Bebauung lasse eine einheitliche, Ortsbild prägende Grundstruktur erkennen. Die Errichtung eines straßenseitigen Giebels einschließlich einer Überhöhung der Traufe um ca. 1,60 m liege außerhalb dieser Struktur und störe dadurch den Ortsbild prägenden Charakter der Siedlung.

15

Eine Zulassung nach § 34 Abs. 3 a BauGB komme nicht in Betracht, da das geplante Vorhaben städtebaulich nicht vertretbar sei.

16

Gegen den ablehnenden Bauvorbescheid idF des Widerspruchsbescheides haben die Kläger am 30.11.2009 Verpflichtungsklage erhoben. In der Klagebegründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und verweisen insbesondere erneut auf das Gebäude ... (richtig: ...) 7. Im Übrigen seien in der näheren Umgebung Gebäude mit wesentlich höheren Traufhöhen vorhanden. Das geplante Vorhaben verursache keinerlei bodenrechtliche Spannungen. Insbesondere bleibe auch die von der Beklagten angesprochen Traufständigkeit des klägerischen Gebäudes, da durch den geplanten Anbau im Südwesten die Hauptfirstrichtung nicht verändert werde.

17

Die Kläger beantragen,

18

die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des ablehnenden Bauvorbescheides vom 18.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2009 ihre Bauvoranfrage positiv zu bescheiden.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Sie verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

22

Im Rahmen der vor Ort durchgeführten mündlichen Verhandlung am 21.04.2010 hat das Gericht die Örtlichkeiten der Umgebung des klägerischen Grundstücks in Augenschein genommen. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll und die gefertigten Fotografien Bezug genommen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

24

Die Klage ist zulässig und begründet.

25

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Sie haben einen Anspruch darauf, dass ihre Bauvoranfrage auch bezüglich der Ziffern 1. und 2. positiv beschieden wird. Das geplante Vorhaben fügt sich im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Eine Ortsbildbeeinträchtigung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB liegt nicht vor.

26

Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Vorliegend ist allein streitig, ob sich das geplante Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung insoweit einfügt. Dies ist zur Überzeugung des erkennenden Gerichts der Fall.

27

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23.03.1994 – 4 C 18/92 -; Juris) kommt es bei Dachgeschossaus- und –umbauten für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht auf die Feinheiten der Berechnungsregeln der Baunutzungsverordnung an. Entscheidend ist allein, ob sich das Gebäude als solches in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 34 BauGB insgesamt eine planersetzende Vorschrift ist. Er regelt die Bebaubarkeit der innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegenden Grundstücke, wenn ein Bebauungsplan für das Grundstück nicht vorhanden ist. Existiert ein Bebauungsplan, so bestimmt er, was planungsrechtlich zulässig ist. Ein Planersatz kann aber nicht mehr regeln als der Plan selbst. Im Gegenteil ist für das Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anerkannt, dass der sich aus der vorhandenen Bebauung ergebende Maßstab notwendig grob und ungenau ist und regelmäßig hinter planerischen Festsetzungen zurückbleibt. Erst recht ist es mit dem Vorrang des Bebauungsplanes vor der Regelung des § 34 BauGB unvereinbar, wenn die Gemeinde durch Untätigkeit weitergehende Einschränkungen der Bauvorhaben bewirken könnte als durch die Aufstellung eines Bebauungsplans (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 – 4 C 14/98 -; Juris).

28

Was nun die von der Beklagten allein bemängelte Änderung der Dachform angeht, unterfällt dies nicht der bundesrechtlich städtebaulichen Regelungsbefugnis und unterliegt damit auch nicht dem bundesrechtlichen Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB.

29

Was bundesrechtlich aus städtebaulichen Gründen in einem Bebauungsplan regelbar ist, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 BauGB, vorliegend interessierend aus den dortigen Ziffern 1 (Art und Maß der baulichen Nutzung) und 2 (die Bauweise, die überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen ). Soweit in Ziffer 2 die Stellung der baulichen Anlage angesprochen wird, ist dies eine Bestimmung über die Ausrichtung der Längsachse eines Gebäudes (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 9, Rd. 41).

30

Ist wie vorliegend bei einem nahezu quadratischen Grundriss eine Bestimmung der Längsachse aus dem Verhältnis der Seiten zueinander nicht möglich und zudem ein Satteldach vorhanden, ist die Längsachse mit der Firstrichtung identisch. An dieser Grundausrichtung des Gebäudes der Kläger ändert sich jedoch nichts dadurch, dass im Dachbereich giebelständige Um- und Anbauten erfolgen sollen, da die neuen Quergiebel sowohl einzeln (mit ca. 5,20 m und ca. 3,80 m) als auch zusammen hinter der Hauptfirstlänge (von ca. 10,70 m) zurückbleiben und sich auch sonst, da sie die Höhe des Hauptfirstes nicht erreichen, dem Hauptfirst unterordnen.

31

Eine weitergehende Befugnis zur Festsetzung von Dachformen und anderen Einzelheiten der Dachgestaltung (z. B. Traufhöhe) ist aus § 1 Abs. 9 BauGB nicht abzuleiten (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 9, Rd. 258). Derartige Regelungen sind vielmehr landesrechtlich gestalterischer Natur (vgl. § 84 LBO). Dass derartige Vorschriften über § 9 Abs. 4 BauGB, § 84 Abs. 3 LBO als Festsetzung in einen Bebauungsplan aufgenommen werden können, ändert nichts daran, dass sie keine bundesrechtlich städtebaulichen Gründe für einen Bebauungsplan sind und deshalb (erst recht) auch nicht dem bundesrechtlichen Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB unterfallen.

32

Soweit die Beklagte somit darauf abstellt, dass in der näheren Umgebung eine Dachform bzw. eine Dachgestaltung, wie sie die Kläger planen, nicht vorhanden sei, ist dies kein Argument, dass bei einer Prüfung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB zu berücksichtigen wäre. Insoweit bedarf es deshalb auch keiner genauen Festlegung der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB, insbesondere kann insoweit offenbleiben, ob das Gebäude... 7 (postalisch korrekt wohl: ... 7) mit in die Betrachtung einzubeziehen ist.

33

Was das eigentliche Maß der baulichen Nutzung im Sinne eines Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB angeht, ergeben sich – offenbar auch nach Auffassung der Beklagten – keine Bedenken. Sowohl den „Empfehlungen“ in den angefochtenen Bescheiden als auch den Äußerungen der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist zu entnehmen, dass gegen die Umbauten als solche und die damit verbundene Vergrößerung der Wohnfläche keinerlei Bedenken im Sinne eines Einfügens bestehen, sondern sich diese allein auf die Form der Dachgestaltung beziehen.

34

Auch eine Ortsbildbeeinträchtigung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB liegt nicht vor. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Auswirkungen des klägerischen Vorhabens schon den Grad einer „Beeinträchtigung“ nicht erreichen. Beim Beeinträchtigen des Ortsbildes kommt es nicht – wie beim Einfügensgebot – auf (fehlende) Übereinstimmung in den einzelnen Merkmalen der Bebauung an, sondern darauf, ob ein Gesamtbild, dass durch unterschiedliche Elemente geprägt sein kann, gestört wird. Dies ist nach dem ästhetischen Empfinden eines für Fragen der Ortsbildgestaltung aufgeschlossenen Betrachters zu beurteilen, das nicht verletzt sein darf. Zu beachten ist, dass nicht jedes Ortsbild schützenswert ist, nur weil es durch eine gewisse Einheitlichkeit oder Gleichartigkeit der Bebauung oder einzelner Elemente der Bebauung geprägt ist. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums muss für Einschränkungen seines Gebrauchs (hier: der Baufreiheit) hinreichend gewichtige Gemeinwohlbelange auf ihrer Seite haben. Sie darf nicht darauf hinauslaufen, dass im ungeplanten Innenbereich das Vorhandene in jeder Beziehung das Maß des Zulässigen bestimmt, nur weil es schon vorhanden ist. Das Ortsbild muss, um schützenswert zu sein und die Bau(gestaltungs)freiheit des Eigentümers einschränken zu können, eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit haben. Dies ist nicht das Ortsbild, wie es überall anzutreffen sein könnte. Es muss einen besonderen Charakter, eine gewisse Eigenheit haben, die dem Ort oder dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 – 4 C 14/98 -; Juris).

35

Ein derartiges schützenswertes Ortsbild ist vorliegend – wiederum gleichgültig inwieweit der Rahmen der zu berücksichtigenden Umgebung zu ziehen ist – nicht ansatzweise vorhanden ist. Selbst die Vertreter der Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sich die Umgebung des klägerischen Grundstückes als typische Wohnsiedlung wie viele andere auch darstellt. Irgendwelche Besonderheiten sind insoweit nicht benannt worden und waren auch nicht erkennbar. Es handelt sich vielmehr um eine typische Wohnsiedlung, deren Gebäude aufgrund ihres Alters von ca. 50 Jahren offenbar in den letzten Jahren bzw. in der näheren Zukunft ständigen Umbauten, Renovierungen und Änderungen unterlegen haben bzw. unterliegen werden, ohne dass dadurch ein besonderer Charakter verloren ginge.

36

Hinzu kommt, dass ein – schützenswertes – Ortsbild im Rahmen von § 34 BauGB wiederum nur in dem Umfang vor Beeinträchtigungen geschützt wird, wie dies im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes durch Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB und den ergänzenden Vorschriften der Baunutzungsverordnung möglich wäre. Bundesrechtlich nicht festsetzbare Dachformen (siehe oben) sind damit keine das Ortsbild im Sinne von § 34 BauGB prägenden Elemente. Nach § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB ist zwar bei der Aufstellung der Bauleitpläne auch die Gestaltung des Ortsbildes zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass grundsätzlich auch die Gestaltung des Ortsbildes bauplanerische Relevanz besitzt. § 1 Abs. 6 BauGB enthält jedoch keine Zulässigkeitsvoraussetzungen für Vorhaben im unbeplanten Innenbereich. Aus ihm ergibt sich nur, dass im Falle der Planung auch die Gestaltung des Ortsbildes beachtet werden muss. In welcher Weise dies rechtlich möglich ist, wird dagegen in § 9 Abs. 1 BauGB geregelt. Soweit sich – wie oben ausgeführt – gemäß § 9 Abs. 1 BauGB Dachformen in einem Bebauungsplan nicht festsetzen lassen, sind diese Dachformen damit auch kein Belang im Sinne eines Ortsbildes, dessen Sicherung das Bauplanungsrecht mit § 1 Abs. 6 Nr. 5 normativ vorgibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 – 4 C 14/98 -; Juris).

37

Nach alledem erweist sich das geplante Vorhaben der Kläger auch bezüglich der Ziffern 1. und 2. ihrer Bauvoranfrage als im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB zulässig, so dass der vorliegenden Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben war.

38

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tatbestand

1

Die bei dem Beklagten beschäftigte Klägerin wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung in Form eines Verweises. Zum Zeitpunkt der ihr vorgeworfenen dienstrechtlichen Verfehlung war sie im Rang einer Zollobersekretärin beschäftigt.

2

In der streitbefangenen Disziplinarverfügung des Beklagten vom 16.03.2011 wird ausgeführt, dass die Klägerin gegen ihre Pflicht gemäß § 99 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) verstoßen habe, wonach die von ihr ausgeübte Nebentätigkeit angezeigt bzw. genehmigt werden müsste. Weiter habe sie ihre gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 BBG obliegende Unterstützungs- und Informationspflicht und die aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG resultierende Folgepflicht verletzt. Sie habe seit März 2010 ohne vorherige Genehmigung einer Nebentätigkeit als Mitglied des Zuchtvereins Deutscher Retriever Club mit ihrer Hündin die Zucht begonnen, erfolgreich durch die Geburt von sechs Welpen durchgeführt und durch deren Verkauf ein Einkommen von 6.300,00 Euro erzielt. Aufgrund des erzielten Gesamterlöses liege eine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit im Sinne des § 99 BBG vor. Eine Ausnahme nach § 100 Abs. 1 BBG sei nicht gegeben. Bei einer wirtschaftlichen Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht sei es egal, ob auch tatsächlich nach Abzug aller Kosten ein Gewinn erzielt werde. Diese Nebentätigkeit habe sie fahrlässig nicht dem Dienstherrn angezeigt. Denn sie hätte erkennen können bzw. von ihr hätte erwartet werden müssen, dass die Hundezucht eine beamtenrechtliche Nebentätigkeit darstelle. Bei Unsicherheiten hinsichtlich der Rechtslage hätte sie vor Aufnahme der Zucht Erkundigungen bei der zuständigen Personalstelle einholen müssen. Damit habe sie die Sorgfalt außer Acht gelassen, zu der sie nach den Umständen des hier vorliegenden Falles und nach ihren persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande gewesen wäre. Dabei handele es sich um ein leichtes Dienstvergehen. Mildernd werde berücksichtigt, dass die Hundezucht in ihrem Arbeitsbereich Verbrauchssteuern bekannt gewesen sei, sodass sie diese nicht verschwiegen habe. Nach Abwägung der Gesamtumstände sei der Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme in Form eines Verweises ausreichend und angemessen, um die Beamtin künftig zur Einhaltung ihrer Pflichten anzuhalten.

3

Den dagegen eingelegten Widerspruch, den die Beamtin maßgeblich damit begründete, dass die Hundezucht keine Nebentätigkeit darstelle, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2011 unter vertiefter Begründung des Ausgangsbescheides als begründet zurück.

4

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage begehrt die Klägerin weiter die Aufhebung der Disziplinarmaßnahme. Die Klägerin habe keine Pflichtverletzung und damit kein Dienstvergehen begangen. Mit Verweis auf Rechtsprechung und Literatur handele es sich bei der von der Klägerin vorgenommenen Hundezucht nicht um eine beamtenrechtliche Nebentätigkeit, sondern um eine Freizeitbeschäftigung. Die anzeige- und genehmigungsbedürftige beamtenrechtliche Nebentätigkeit müsse eine gewisse Parallelität zum Beamtendienst aufweisen. Dies sei etwa dann gegeben, wenn ein auf Dauer angelegtes Erwerbsstreben im gewerblichen Sinne mit Gewinnerzielungsabsicht vorliege, sodass allmählich ein Zweitberuf aufgebaut werde. Das Freizeitverhalten der Klägerin sei mit dem Sachverhalt, welcher der in der Disziplinarverfügung genannten Entscheidung des VG Trier vom 10.11.2009 zugrunde liege, nicht vergleichbar. Die Klägerin habe nur einen Hund gehalten und diesen zur einmaligen Zucht verwandt. Daran ändere auch ihre Mitgliedschaft in dem Verein DRC (Deutscher Retriever Club) nichts. Denn die Mitwirkung in Vereinen und Verbänden gehöre typischerweise zu den Freizeitaktivitäten. Aufgrund der im behördlichen Disziplinarverfahren durchgeführten Vernehmungen der Vorgesetzten der Beamtin sei ersichtlich, dass sich die Betreuung der Welpen nicht nachteilig auf die Diensttätigkeit der Klägerin ausgewirkt habe. Denn die Vorgesetzten bescheinigten der Klägerin eine sehr geigenständige, fleißige und engagierte Dienstleistung. Unabhängig von dem Nichtvorliegen einer anzeige- und genehmigungsbedürftigen Nebentätigkeit fehle es am subjektiven Tatbestand der Dienstpflichtverletzung. Der Beamtin könne gerade nicht vorgeworfen werden, dass sie „in Kenntnis der Vorschriften“ hätte erkennen können, dass die Hundezucht eine Nebentätigkeit darstelle. Denn auch die als Zeugen im behördlichen Disziplinarverfahren vernommenen unmittelbaren Vorgesetzten der Beamtin seien nicht von einer anzeige- und genehmigungsbedürftigen Nebentätigkeit ausgegangen. Auch der hohe Aufwand zur Begründung der Nebentätigkeit in der Disziplinarverfügung spreche gegen ein fahrlässiges Verhalten der Klägerin.

5

Die Klägerin beantragt,

6

die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 16.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2011 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen

9

und verteidigt die Disziplinarverfügung mit der darin vorgenommenen Annahme und Bewertung des Pflichtenverstoßes.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Klage ist begründet. Denn die angefochtene Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig (1.) und - jedenfalls - ebenso nicht zweckmäßig (2.) und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§§ 3, 60 Abs. 3 BDG; 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

12

Der Klägerin wird eine schuldhafte und fahrlässige Verletzung ihrer nach § 99 Abs. 1 (BBG) bestehenden Dienstpflicht „zur Anzeige beziehungsweise Genehmigung“ von Nebentätigkeiten vorgeworfen, wodurch sie gleichzeitig gegen ihre nach § 62 Abs. 1 Satz 1 BBG obliegende Unterstützung und Informationspflicht und die aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG resultierende Folgepflicht verstoßen habe. Denn sie habe seit März 2010 ohne vorherige Genehmigung als Mitglied des Zuchtvereins Deutscher Retriever Club mit ihrer Hündin erfolgreich die Zucht begonnen.

13

1.) Nach § 99 Abs. 1 BBG bedürfen Beamten zur Ausübung jeder entgeltlichen Nebentätigkeit, mit Ausnahme der in § 100 Abs. 1 BBG abschließend aufgeführten, der vorherigen Genehmigung, soweit sie nicht nach § 98 BBG zu ihrer Ausübung verpflichtet sind. Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 BBG gilt dies auch u. a. (Nr. 2) für gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeiten oder die Mitarbeit in einer dieser Tätigkeiten. Nach Abs. 5 der Norm erteilt die oberste Dienstbehörde die Genehmigung. § 97 Abs. 1 BBG definiert die Nebentätigkeit als die Wahrnehmung eines Nebenamtes oder die Ausübung einer Nebenbeschäftigung. Nebenbeschäftigung ist jede sonstige, nicht zu einem Hauptamt gehörende Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes (§ 97 Abs. 3 BBG).

14

a.) Zur Überzeugung des Disziplinargerichts hat die Klägerin in dem in der Disziplinarverfügung zugrunde gelegten Zeitraum keine beamtenrechtlich relevante Nebentätigkeit ausgeübt, sodass sie diese Tätigkeit auch dem Dienstherrn nicht anzeigen oder genehmigen lassen musste. Eine Nebentätigkeit im Sinne der Vorschriften liegt vor bei einer auf Dauer angelegten Tätigkeit, die typischerweise auf die Erzielung von Gelderwerb ausgerichtet ist. In einer solchen zweitberuflichen Tätigkeit kann die Beeinträchtigung der grundsätzlich im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses dem Dienstherrn zustehenden Arbeitskraft eines Beamten liegen, weshalb dem Dienstherrn die Prüfung vorbehalten bleibt, ob die konkrete Tätigkeit Auswirkungen auf die Dienstleistung haben kann sowie zudem, ob eine Ansehensschädigung des Beamtentums insgesamt zu befürchten ist (vgl. grundlegend: BDiG Frankfurt, GB v. 29.03.1999, XIV VL 1/99; VG Münster, Urteil v. 20.10.2011, 13 K 2137(09.O; juris). Der Sinn der Genehmigungspflicht der Nebentätigkeit liegt darin, dass außerdienstliche Aktivitäten immer geeignet sein können, die dienstliche Leistungsfähigkeit zu beeinflussen (vgl. zusammenfassend: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl. 2009, S. 218 Rz. 7; S. 243 Rz. 2). Auch wenn eine Nebentätigkeit nur für einen kurzen Zeitraum ausgeübt wird, entfällt der diesbezügliche Tatbestand nicht (BVerwG, Urt. v. 17.03.1998, 1 D 73.96; juris).

15

a. a.) Dabei ist die Abgrenzung zwischen einer dem Bereich des Freizeitverhaltens zuzuordnenden Hobbytätigkeit und einer beamtenrechtlichen Nebentätigkeit im Einzelfall schwierig. Denn diese bewegt sich im Spannungsfeld der von Art. 2 GG geschützten Freizeitgestaltung des Beamten und dem dienstlichen Interesse des Dienstherrn auf volle Dienstleistung seiner Beschäftigten nach Art. 33 Abs. 5 GG (VG Trier, Urt. v. 10.11.2009, 3 K 361/09.TR; juris). Dementsprechend ist zur Abgrenzung auf Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Vorschriften zur Nebentätigkeit abzustellen. Wegen des Regelungszusammenhangs muss eine Nebentätigkeit im beamtenrechtlichen Sinn eine gewisse Parallelität zum Beamtendienst aufweisen, die typischerweise in Erwerbsstreben zu sehen ist. Im Gegensatz dazu stellt die Freizeitgestaltung typischerweise das Gegenteil des Erwerbsstrebens dar. Eine Nebentätigkeit liegt demnach bei einer wirtschaftlichen Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht vor, wobei egal ist, ob auch tatsächlich nach Abzug der Kosten ein Gewinn erzielt wird (BVerwG, Urt. v. 01.01.2007, 1 D 16.05; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26.02.2002, 3 A 11578/01.OVG; beide juris). Anders gewendet, liegt eine Nebentätigkeit vor, wenn die (Neben-)Tätigkeit auf Erwerb gerichtet oder wirtschaftlich bedeutsam ist oder wenn sie den Beamten erheblich in Anspruch nimmt (Hess. VGH, Urt. v. 24.09.2003, 1 UE 783/02 m. w. N.; juris). Für eine Einordnung als – gewerbliche – Nebentätigkeit spricht insbesondere, wenn die Betätigung auf Dauer angelegt, mit einer gewissen auf Erwerb ausgerichteten Struktur erfolgt und wenn dies durch ein entsprechendes Auftreten nach außen dokumentiert wird. Es kommt auf Dauer, Häufigkeit und Umfang der Tätigkeit an, ob die Betätigung auch materiell rechtswidrig ist und ob sich das Verhalten des Beamten nachteilig auf die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ausgewirkt hat (Bayr. VGH, Urteil v. 23.03.2011, 16b D 09.2798; juris). Hiervon auszugehen ist stets dann, wenn erkennbar allmählich ein Zweitberuf aufgebaut werden soll (VG Koblenz, Urt. v. 20.11.2001, 6 K 1546/01.KO; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.03.2002, 2 A 10067/02; OVG LSA, Urteil v. 05.06.2012, 10 L 2/12; zusammenfassend: VG Trier, Urt. v. 10.11.2009, 3 K 361/09.TR; VG Magdeburg, Urteil v. 01.12.2011, 8 A 19/10; alle juris).

16

b. b.) Unter Beachtung dieser in der Rechsprechung und Literatur zu findenden Definition der Abgrenzung zwischen Freizeitgestaltung und beamtenrechtlicher Nebentätigkeit und den zugrundeliegenden Sachverhalten hat die Klägerin keine Nebentätigkeit ausgeübt.

17

Dabei sieht das Gericht bereits erhebliche Unterschiede zu dem vom Beklagen herangezogenen Sachverhalt des Urteils des VG Trier vom 10.11.2009 (3 K 361-09.TR; juris). Wie die Klägerin zu Recht ausführt, ging es dort um eine Pferdezucht mit jeweils zehn bis sechzehn Zuchttieren gleichzeitig. Dort hatte der Beamte weitere mit der Zucht zusammenhängende Leistungen vorgenommen, wie etwa Vorhaltung größerer Futtermengen und Weideflächen und somit im weitesten Sinne eine landwirtschaftliche Betätigung ausgeübt. Schließlich war der Wille zum wirtschaftlichen Zweitberuf dadurch erkennbar, dass er umfangreiche bauliche Aktivitäten entfaltete und beispielsweise eine Reithalle baute und fremde Arbeitsleistungen in Anspruch nahm. Insgesamt gab der Beamte durch diese professionalisierten breiten Aktivitäten das Bild eines hauptberuflich tätigen Leiters eines Gestüts ab.

18

Der jüngsten zu findenden Entscheidung des VG Trier (Urteil v. 10.01.2012, 3 K 1337/11.TR; juris) lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Beamte über eine Dauer von mehreren Jahren als gewerblicher Festveranstalter sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht gegen das Nebentätigkeitsrecht verstoßen hat und dies auch noch nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens und nach ausdrücklicher Warnung seines Dienstvorgesetzten.

19

Das VG Regensburg (Urteil v. 26.07.2010, RD 10B DK 10.230; juris) hat einen Beamten aus dem Dienst entfernt, weil er einen umfangreichen Internethandel mit unterschiedlichsten Produkten betrieb, wozu auch der Verkauf von Welpen gehörte.

20

Derartige Tätigkeiten sind bei der Klägerin nicht ansatzweise feststellbar. Die Klägerin hält eine Hündin, welche in einem Wurf sechs Welpen zur Welt brachte, woraus die Beamtin einen einmaligen Erlös von 6.300,- € erzielte. Eine derartige Tätigkeit stellt sich als Ausfluss einer moderaten persönlichen Freizeitgestaltung der Beamtin dar und ist dem Einflussbereich des Dienstherrn entzogen. Denn nach Art und Umfang der Zucht stellt sich diese - jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - als eine aus der Tierliebe und damit dem Freizeitvergnügen der Beamtin resultierende Liebhaberei dar. Dass es sich dabei um Rassehunde handelt, macht keinen Unterschied. Denn dies ist notwendige Voraussetzung einer artgerechten Rassehundezucht und stellt sich nicht anders dar als etwa eine (Rasse-)Kaninchen- oder sonstige (Klein-)Tierzucht, wie sie oft im ländlichen Gebiet vorkommt. Diese Aktivitäten werden vom Menschen grundsätzlich aufgrund der Liebe zu den Tieren und der Freude an der Zucht, dem Aufwuchs, der Pflege der Tiere und dem Umgang mit ihnen sowie ihrer Beobachtung vorgenommen. Eine artgerechte, am Tierschutzgesetz orientierte und von der Verantwortung gegenüber den Tieren getragene Zucht, macht diese nicht zu einer beamtenrechtlich relevanten Nebentätigkeit. Eine außerhalb des Berufes liegende Freizeitgestaltung des Menschen zeichnet sich typischerweise dadurch aus, das eine an individueller und persönlicher Freude, Neigungen und Bedürfnissen orientierte Tätigkeit gesucht wird, die sich auch aufgrund des individuellen Lebensstils (Wohnumfeld, Garten; Kinder etc.) realisieren lässt.

21

Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt auch die Mitgliedschaft der Klägerin im Verein … sowie die Nutzung des Vereins und der Homepage für den Verkauf der Welpen kein Indiz für die gewerbliche (Neben-)Tätigkeit dar. Dabei stellt eine bloße Vereinsmitgliedschaft bereits generell eine Freizeitgestaltung dar. Vielmehr kann dies als Beleg für das wahre Interesse der Klägerin an dem artgerechten Umgang mit den Hunden und der Abgabe in „gute Hände“ interpretiert werden. Insoweit bedingt bereits die am Tierschutz orientierte erfolgversprechende artgerechte Abgabe der Tiere eine entsprechende professionelle Vermarktung der Hunde. Dabei resultiert auch der durch den Verkauf der Hunde erzielte marktgerechte Erlös allein aus der Tatsache, dass es sich um Rassehunde handelt. Ein Indiz für die Gewinnerzielungsabsicht und Ausübung eines Zweitberufs stellt dies unter den genannten Umständen nicht dar.

22

Dazu kommt entscheidend, dass die Beamtin nicht widerlegt angegeben hat, dass ebenso ihr Ehemann und ihre Mutter für die Pflege und Aufzucht der Welpen zur Verfügung standen und die Geburt und damit der größte Aufwand während des Urlaubs der Klägerin geschah. Zudem ist sie – wohl teilweise – in Telearbeit beschäftigt. Schließlich hat auch der Beklagte festgestellt, dass die Dienstleistung der Beamtin nicht unter ihrem Freizeitverhalten leidet. Die im behördlichen Disziplinarverfahren als Zeugen vernommenen Dienstvorgesetzten bescheinigten der Klägerin eine eigenständige, fleißige und engagierte Dienstleistung. Weder ihre Telearbeit noch ihr Verweilen in der Dienststelle waren von Arbeitsmängeln oder auch nur Beanstandungen geprägt.

23

b.) Auch soweit der objektive Tatbestand einer beamtenrechtlich relevanten Nebentätigkeit durch die Hundezucht der Klägerin realisiert sein sollte, könnte ihr gleichwohl kein disziplinarrechtlich relevanter Plifichtenverstoß vorgehalten werden. Denn insoweit fehlt es am subjektiven Tatbestand, nämlich der vom Beklagten angenommenen Fahrlässigkeit ihres Handelns. Die Klägerin führt zu Recht aus, dass sie gerade nicht „in Kenntnis der Vorschriften“ hätte erkennen können, dass die Hundezucht eine Nebentätigkeit im Sinne des § 99 BBG darstelle. Vielmehr ist es so, dass sich die Beamtin sogar ausführlich mit dieser Problematik auseinandergesetzt hat und zu dem – zumindest – tragfähigen Ergebnis gelangte, dass sie keinen Zweitberuf ausübt. Dies ist ihr nicht vorzuwerfen. Je nach individueller Kenntnis und Beschäftigung mit dem Thema kamen im Übrigen auch ihre Dienstvorgesetzten zu dem gleichen Ergebnis. Erst im Zusammenhang mit der späteren Prüfung der Innenrevision sollte die Frage einer Klärung durch das Sachgebiet A zugeführt werden. Die Klägerin hatte daher gerade keine Veranlassung dazu bei der Personalstelle vorstellig zu werden und Auskünfte einzuholen.

24

c.) Schließlich spricht gegen die schuldhafte Verletzung der Dienstpflichten, dass auch der Beklagte erheblichen Begründungsaufwand für die Beurteilung der Hundezucht als Zweitberuf benötigt. Zudem beachten und unterscheiden die streitbefangene Disziplinarverfügung und der Widerspruchsbescheid nicht klar und eindeutig, ob der dienstrechtliche Pflichtenverstoß in der bloßen Nichtanzeige der Nebentätigkeit oder der fehlenden Genehmigung der Nebentätigkeit liegt. Die Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides stellt beide Alternativen durch die Verwendung „beziehungsweise“ nebeneinander. Insoweit könnte man vermuten, dass der Beklagte von einer grundsätzlichen (bloßen) Anzeigepflicht jedweder (Neben-)Tätigkeit ausgeht. Die bloße Anzeigepflicht einer Nebentätigkeit ist im Bundesbeamtengesetz, entgegen dem Beamtenstatusgesetz (§ 40 Satz 1) und den Landesbeamtengesetzten (vgl. § 75 LBG LSA), aber nicht vorgesehen. Der in diesem Zusammenhang in der Disziplinarverfügung genannte § 99 BBG beschreibt nur die Genehmigungspflicht der Nebentätigkeit und § 100 BBG die Genehmigungsfreiheit, nicht hingegen die bloße Anzeigepflicht. Auf die Anzeige nach § 100 Abs. 2 BBG für die dort genannten Tätigkeiten stellt der Beklagte ersichtlich nicht ab. Die Begründung der Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides lässt vermuten, dass der dienstrechtliche Pflichtenverstoß in der bloßen Nichtanzeige der Hundezucht als Nebentätigkeit gesehen und (sogar) von einer (offensichtlichen) Genehmigungsfähigkeit ausgegangen wurde. Dafür spricht auch – wie das Disziplinargericht in der mündlichen Verhandlung erfuhr – die zwischenzeitliche Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung für die Hundezucht. Unter Berücksichtigung dessen steht allein die disziplinarrechtliche Bewertung der Nichtanzeige der von ihr vorgenommenen Hundezucht im Sinne des beamtenrechtlichen Nebentätigkeitsrechts, als Folge einer formellen Illegalität zur Bewertung. Aufgrund der (späteren) Genehmigung und damit der materiellen Genehmigungsfähigkeit ihrer Tätigkeit minimiert sich der daraus resultierende vorzuwerfende Pflichtenverstoß erneut.

25

2.) Das Disziplinargericht kommt zu dem Ergebnis, dass auch und sogar bei Unterstellung einer beamtenrechtlich relevanten Nebentätigkeit, die Disziplinarverfügung aus Gründen der Zweckmäßigkeit aufzuheben ist.

26

Nach § 60 Abs. 3 BDG prüft das Gericht bei der Klage des Beamten gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Diese zusätzliche in Abweichung von § 114 VwGO dem Gericht zustehende eigene Prüfungskompetenz und Ermessensentscheidung (Gesetzesbegründung zu § 60 Abs. 3 BDG, BT-Drs. 14/4659, S. 48; BVerwG, Urt. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; OVG NRW, Beschl. v. 19.09.2007, 21d A 3600/06.O; Bayr. VGH, Beschl. v. 27.01.2010, 16a DZ 07.3110, Bayr. VGH, Beschl. v. 02.07.2012, 16a DZ 10.1644; alle juris) führt bereits zur Aufhebung der Disziplinarmaßnahme. Dabei geht das Disziplinargericht aufgrund der obigen Ausführungen zu dem Besonderheiten des Falls davon aus, dass der Klägerin kein – jedenfalls gravierender – Pflichtenverstoß vorzuwerfen ist, sodass eine Disziplinarmaßnahme zur Pflichtenermahnung nicht angezeigt erscheint (vgl. zur Zweckmäßigkeit auch; VG Magdeburg, Urt. v. 06.11.2007, 8 A 10/07 MD; VG Magdeburg, Urteil v. 18.07.2012, 8 A 1/12; juris). Das Disziplinarrecht dient vordringlich der Pflichtenmahnung des Beamten für die Zukunft. Insoweit wäre hier die so genannte missbilligende Äußerung des Dienstherrn als bloßer Hinweis auf den Pflichtenverstoß ausreichend gewesen (§ 6 Satz 2 BDG). Das Disziplinargericht muss in seinen Entscheidungen stets darauf hinweisen, dass das Disziplinarrecht kein Strafrecht darstellt und die Disziplinarmaßnahmen in einem Stufenverhältnis (vgl. §§ 5, 13 BDG) stehen und je nach Schwere und Eigenart des Dienstvergehens sorgfältig und ausgewogen geprüft werden müssen (vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 29.03.2012, 8 A 9/09; m. w. Nachw.; VG Magdeburg, Urteil v. 14.02.2012, 8 A 6/11; VG Magdeburg, Urteil v. 01.12.2011, 8 A 18/10; zur Zweckmäßigkeit weiter: VG Magdeburg, Urteil v. 06.11.2007, 8 A 10/07; alle juris). Nicht jeder Verstoß gegen Dienstpflichten stellt zugleich auch ein Dienstvergehen im Sinne des Disziplinarrechts dar (VG Münster, Urt. v. 23.02.2007, 20 K 1538/06.O; juris). Denn dem menschlichen Verhalten sind Fehler und Schwächen immanent. Disziplinarrechtliche Relevanz erhält ein Fehlverhalten eines Beamten erst dann, wenn eine gewisse Schwelle überschritten ist. Diese Schwelle wäre hier – auch bei Zugrundelegung eines Pflichtenverstoßes – durch das Verhalten der Klägerin (noch) nicht überschritten.

27

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 4 BDG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 BDG, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Polizeivollzugsbeamter bei der Beklagten im Rang eines Polizeihauptmeisters (BesGr. A 9 BBesO) und wendet sich gegen eine Disziplinarmaßnahme in Form der Kürzung der Dienstbezüge von 1/20 für die Dauer von 30 Monaten.

2

Mit der streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 25.10.2011 werden dem Kläger drei Pflichtenverstöße zur Last gelegt. Sein Umgang mit dem Verwarngeldblock Nr. 006899 sei unsachgemäß. Bei der Vorlage des Blockes, den der Beamte ursprünglich am 22.09.2003 empfangen habe, habe das Deckblatt sowie die Blätter 1 – 3 gefehlt. Der Beamte habe angegeben, den Block versehentlich mitgewaschen zu haben. Dem Block selbst seien acht lose Abrisse beigefügt gewesen, die nicht zweifelsfrei diesem Block zuzuordnen gewesen seien. Deshalb seien nur die befestigten Blätter des Verwarngeldblockes ab Blatt 10 mit einer Summe von 285,00 Euro einbezogen worden. Auf Nachfrage habe der Kläger erklärt, dass sich in seiner Verwarngeldbörse 300,00 Euro befunden hätten. Diesen Betrag rechnete der Kläger mit sechs 50 €-Scheinen ab. Der beschädigte Block sei eingezogen worden. Trotzdem sei am 20.02.2008 an einem Dienstfahrzeug Blatt 20 des genannten Verwarngeldblockes vorgefunden worden, obwohl der Verwarngeldblock zu diesem Zeitpunkt bereits abgerechnet und hinterlegt worden sein sollte.

3

Zum zweiten Pflichtenverstoß wird ausgeführt, dass der Kläger am 10.06.2009 während der Nachtschicht einer quartalsmäßigen Verwarngeldkontrolle unterzogen worden sei. Der Kläger habe weder Verwarngeld noch Verwarngeldblock vorzeigen können und habe angegeben, dass sich beides zu Hause befinde. Die Möglichkeit der Aufsuche der Wohnung habe der Beamte abgelehnt, so dass erst am Folgetag das Verwarngeld abgerechnet worden sei. Das Verwarngeld in Höhe von 250,00 Euro und der Verwarngeldblock seien übernommen und abgerechnet worden. Ein diesbezügliches strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Untreue sei gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Auch mit Beendigung der strafrechtlichen Ermittlungen sei der Beamte mit der Verwarngeldführung nicht wieder betraut gewesen.

4

Zum dritten Disziplinarvorwurf führt die Verfügung aus, dass der Kläger in der Zeit vom 19.08. bis 26.09.2010 krankheitsbedingt dienstunfähig gewesen sei. Für die Zeit vom 13.09. bis 26.09.2010 habe zunächst eine AUB nicht vorgelegen. Erst am 06.10.2010 sei eine entsprechende Bescheinigung eingegangen. Eine Meldung für die Erstbescheinigung vom 19.08. und Folgebescheinigung vom 25.08. sei nicht nachvollzogen worden. Am 21.09.2010 sei durch Revierbeamte bekannt geworden, dass der Kläger auf einer Pferdekoppel in S., Ortsteil K., schwere körperliche Arbeit ausführe. Die Prüfung der Örtlichkeit habe den Sachverhalt bestätigt. Der Kläger sei auf der Koppel bei einem in Bau/Umbau befindlichen Stall allein arbeitend festgestellt worden, als er gerade Betonmischungen für einen Stallboden einbrachte. Auf Nachfrage, inwieweit diese schweren körperlichen Tätigkeiten mit der Dienstpflicht als Polizeibeamter im Einklang stünde, habe der Beamte angegeben, dass sein Hausarzt diese Tätigkeit erlaubt habe.

5

Bei den Pflichtenverstößen handele es sich um ein mittelschweres Dienstvergehen. Der Kläger sei ständig und stetig über den ordnungsgemäßen Umgang mit Verwarngeldern belehrt und unterrichtet worden. So müsse mit den Verwarngeldblöcken ordnungsgemäß umgegangen werden. Schließlich sei der Beamte verpflichtet, vereinnahmte Verwarngelder in einer Gesamthöhe von 150,00 Euro grundsätzlich sofort, ansonsten jedoch mindestens einmal im Monat abzurechnen. Trotz einer erheblichen Mehrvereinnahmung von insgesamt 285,00 Euro sei keine sofortige Abrechnung erfolgt. Angesichts des Auffindens von Abschnitt 20 des mitgewaschenen Verwarngeldblockes seien Zweifel an dem „Mitwaschen“ angebracht. Gleiches gelte für den Pflichtenverstoß zu Nr. 2. Auch dort sei mit dem Verwarngeldblock nicht ordnungsgemäß umgegangen worden und die Verwarngelder seien nicht rechtzeitig abgerechnet worden. Nach der Neuregelung aus dem Jahre 2008 durften Verwarngeldblöcke und eingenommene Verwarngelder nicht mehr in der Privatwohnung aufbewahrt werden. Das klägerische Verhalten im hochsensiblen Bereich der Verwarngelder stelle einen Verstoß gegen die beamtenrechtliche Pflicht zum Befolgen von Weisungen und allgemeinen Richtlinien und gegen die Gehorsamspflicht gemäß §§ 34, 35 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) dar.

6

Gemäß § 70 Abs. 1 S. 2 Landesbeamtengesetz Sachsen-Anhalt (LBG LSA) sei die Dienstunfähigkeit infolge Krankheit nachzuweisen. Auch ohne Einzelfallregelung müssten Beamte ohne schuldhaftes Zögern ihr Fernbleiben telefonisch oder durch Dritte mitteilen. Ungeachtet dessen seien die Krankschreibungen verspätet, in einem Fall 20 Tage nach der ersten Krankschreibung, erfolgt. Die aufgetretenen Unregelmäßigkeiten seien erheblich und beträfen den Zeitraum von mehreren Wochen. Änderungen in den Dienstplanungen seien notwendig geworden. Dadurch habe der Beamte seine Dienstpflichten gemäß §§ 34 und 35 BeamStG, insbesondere die Pflicht zur rechtzeitigen Vorlage des Attestes innerhalb von drei Werktagen, in grobfahrlässiger Weise missachtet und die Sorgfalt außer Acht gelassen. Besonders schwerwiegend sei der Vorfall innerhalb der bestehenden Arbeitsunfähigkeit am 21.09.2010. Der Kläger habe trotz Krankschreibung schwere körperliche Arbeit ausgeführt, indem er Betonmischungen für einen Stallboden eingebracht habe. Nach § 34 S. 1 BeamtStG habe der Beamte eine Gesunderhaltungspflicht, woraus sich im Krankheitsfall die Pflicht ergebe, alles zur Genesung Erforderliche zu unternehmen. Ein Erkrankter müsse sich immer so verhalten, dass er möglichst bald wieder gesund sei. Dem stehe die durchgeführte körperliche schwere Arbeit entgegen. Die vorgeworfene Tätigkeit werde von dem Kläger auch nicht bestritten und mit dem Vorliegen der ärztlichen „ausdrücklichen Erlaubnis sich körperlich zu betätigen“ entschuldigt. Eine derartige „Zustimmung“ eines Arztes während einer längeren Erkrankung sei nicht vorstellbar. Diese Auffassung werde auch durch den konsultierten Polizeiärztlichen Dienst geteilt. Die tatsächliche Art der Erkrankung sei nicht bekannt. Es sei allgemein bekannt, dass derartige umfangreiche Betonarbeiten bereits für einen gesunden Menschen in Anbetracht der vielfältigen Arbeitsabläufe schwere körperliche Arbeit darstelle. Zudem sei diese Betätigung nicht gänzlich ungefährlich und damit als gefahrgeneigte Arbeit anzusehen. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass diese schweren Arbeiten während der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit nicht zur Genesung bzw. Förderung des Heilungsprozesses beisteuern konnten. Dieses werde auch dadurch deutlich, dass der Beamte auch nach dem Vorfall vom 21.09. noch bis einschließlich 26.09. unverändert krankgeschrieben gewesen sei. Somit könne auch von einer Verzögerung des Genesungsprozesses ausgegangen werden.

7

Bei der vorzunehmenden Prognoseentscheidung nach § 13 DG LSA sei zu berücksichtigen, dass der Beamte bereits mit einem Verweis vom 30.01.2006 auch wegen Verstoßes gegen die Gesunderhaltungspflicht vorbelastet sei. Unter Beachtung der spezifischen Aufgaben des Disziplinarrechts, der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes, sei eine Pflichtenmahnung in Form einer Bezügekürzung unumgänglich und erforderlich. Schon wegen der stufenweisen Steigerung von Disziplinarmaßnahmen sei den Beamten das besondere Gewicht der Dienstpflichtverletzung deutlich vor Augen zu führen. Wegen der vom Kläger gezeigten Unzuverlässigkeit und angesichts des Gewichts des Dienstvergehens werde eine Gehaltskürzung für die Laufzeit von 30 Monaten noch als ausreichend angesehen, wobei der Kürzungssatz von 1/20 zweckentsprechend und auch angemessen sei.

8

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2012 als unbegründet zurück und verwies auf die vertieften Ausführungen des Ausgangsbescheides.

9

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarverfügung. Dem Kläger werde zu Unrecht vorgeworfen, er habe im Rahmen der Verwarngeldführung vorsätzlich gegen seine Beratungs-, Unterstützungs-, Gehorsams- und Wahrheitspflicht verstoßen. Vielmehr sei eine mangelnde Ausübung der Fürsorgepflicht durch den Dienstherren erkennbar. So werde den Beamten etwa kein Wechselgeld zur Verfügung gestellt. Der Beamte habe auch die vereinnahmten Verwarngelder nicht über einen Zeitraum von vier Jahren nicht abgerechnet. Tatsächlich seien Kontrollen in wesentlich kürzeren Zeitabständen erfolgt, die aber offensichtlich nicht dokumentiert worden seien. Fakt sei, dass der Verwarngeldblock mitgewaschen worden sei. Ein loses Blatt könne in Nähe des Dienstfahrzeuges, hinter dessen Scheibenwischer das Blatt gesteckt habe, verloren gegangen sein. Der Vorwurf hinsichtlich des Verstoßes gegen die Gesunderhaltungspflicht sei unbegründet. Es habe die Erlaubnis der behandelnden Ärztin zur körperlichen Betätigung bestanden.

10

Der Kläger beantragt,

11

den Disziplinarbescheid der Beklagten vom 25.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2012 aufzuheben.

12

Die Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen

14

und verteidigt die streitbefangene Disziplinarverfügung. Bezüglich der Verwarngelder werde darauf hingewiesen, dass gerade für einen Polizeivollzugsbeamten der redliche Umgang mit dienstlich empfangenen Geldern zu den Kernpflichten gehöre. Die Vorfälle hätten dazu geführt, dass der Beamte die Verwarngeldführung langfristig untersagt werden musste und erst am 08.03.2012 wieder aufgehoben worden sei.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitbefangene Disziplinarbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Disziplinarmaßnahme ist auch zweckmäßig, was ebenfalls nicht zu ihrer Aufhebung führt (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

17

Mit den Ausführungen der Beklagten in dem Disziplinarbescheid geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger die Pflichtenverstöße vorzuhalten sind. Er hat gegen Dienstpflichten nach § 34 S. 1 und 3 sowie § 35 BeamStG verstoßen und damit ein innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 S. 1 BeamStG begangen.

18

Ohne Zweifel fällt der sachgerechte und gebotene Umgang mit den den Beamten zur Verfügung gestellten Verwarngeldblöcken zu den Kernpflichten eines Polizeivollzugsbeamten. Dies bezieht sich nicht nur auf die ordnungsgemäße Abrechnung unter Einhaltung der diesbezüglichen dienstlichen Vorschriften, sondern auch auf den ordnungsgemäßen und sicheren Umgang des Verwarngeldblockes als zwingender Nachweis über die Einnahme und Verwendung der Gelder. Dementsprechend ist auch ein – wie es das Gericht häufig in Disziplinarverfahren hört – Mitwaschen des Verwarngeldblockes als Dienstpflichtverletzung anzusehen. Dies auch deswegen, weil der Verwarngeldblock – von dessen Größe und Aussehen sich das Gericht bereits mehrfach in den mündlichen Verhandlungen überzeugen konnte – beim Sortieren der Wäsche leicht auffindbar ist und somit bei gehöriger Sorgfalt unproblematisch aus der Kleidung herausgenommen werden kann. Vielmehr ist es so, dass durch ein Mitwaschen des Verwarngeldblockes oft die eingenommenen Gelder bzw. deren Höhe verschleiert werden sollen. Dementsprechend muss sich hier auch der Kläger zurechnen lassen, dass bezüglich des Vorwurfes zu Nr. 1 in der Disziplinarverfügung die ordnungsgemäße Abrechnung nicht mehr nachweisbar ist. Dies gilt auch insoweit, als der Kläger versucht sich dadurch zu entlasten, dass er meint durch die vorgesetzten Beamten sei eine stetige Kontrolle vorgenommen worden. Dies kann den Beamten bereits vom Ansatz her nicht entlasten. Denn dann könnten die höheren Beträge nicht in seinem Besitz sein. Darüber hinaus – und darauf weist das Gericht erneut hin – ist Schwerpunkt dieses Vorwurfes zu Nr. 1 der unsachgemäße und nicht ordnungsgemäße Umgang mit dem Verwarngeldblock, nämlich das Mitwaschen. Bereits dies genügt zur Überzeugung des Gerichtes zur Annahme des Pflichtenverstoßes.

19

Gleiches gilt für den Vorwurf zu Nr. 2 in der Disziplinarverfügung. Auch hier hat der Kläger eindeutig gegen seine dienstlichen Anweisungen zur Aufbewahrung des Verwarngeldblockes verstoßen. Denn nach der Neuregelung war es so, dass Verwarngeldblöcke und die eingenommenen Verwarngelder nicht in der häuslichen Wohnung aufbewahrt werden durften.

20

Durch die nicht zeitgerechte bzw. verspätete Vorlage der Dienstunfähigkeitsbescheinigungen hat der Beamte die ihm bekannten diesbezüglichen allgemeinen Richtlinien seiner Vorgesetzten nicht befolgt und damit gegen seine Gehorsamspflicht nach § 35 S. 2 BeamtStG verstoßen.

21

Besonders schwerwiegend wiegt der Disziplinarvorwurf, wonach der Beamte während seiner ärztlich bescheinigten Dienstunfähigkeit am 21.09.2010 schwere private körperliche Tätigkeiten ausgeübt hat. Das Gericht ist dabei von der zutreffenden Sachverhaltsfeststellung überzeugt. Dies ergibt sich aus den im Verwaltungsvorgang (Beiakte A, Komplex 6) befindlichen Unterlagen der damals feststellenden Polizeibeamten. Im Übrigen wird der Sachverhalt vom Kläger auch nicht bestritten. Wird ein Verstoß gegen die dienstrechtliche Gesunderhaltungspflicht auch vorwiegend im Zusammenhang mit einer ungenehmigten Nebentätigkeit oder etwa bei der Weigerung zwingend notwendige, etwa alkoholbedingte Therapiemaßnahmen wahrzunehmen, verstanden, so kann dem Kläger im vorliegenden Fall die angebliche „Erlaubnis“ durch die behandelnde Ärztin zur Vornahme körperlicher Tätigkeit nicht entlasten.

22

Die aus der allgemeinen Dienstleistung resultierende Gesunderhaltungspflicht füllt die Treuepflicht und Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf aus (§ 34 BeamStG). Der Gesunderhaltungspflicht des Beamten widerspricht grundsätzlich, wenn der Beamte seine Kräfte nicht schont und sie vorzeitig, insbesondere zu Erwerbszwecken einsetzt, wobei es eines konkreten Nachweises, dass der Gesundungsprozess des dienstunfähigen Beamten behindert oder verzögert wurde, nicht notwendig ist. Es reicht vielmehr aus, wenn z.B. eine Nebentätigkeit generell geeignet ist, die alsbaldige und nachteilige Genesung zu beeinträchtigen. Fühlt sich der Beamte bereits im Stande, Dienstleistungen auch nur in beschränktem Umfang zu erbringen, so handelt er pflichtwidrig, wenn er sie nicht seinem Dienstherren anbietet, der ihm das Gehalt weiterzahlt und ihm aus Anlass der Krankheit soziale Vorteile gewährt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.11.2001, 1 D 60.00; Urteil v. 15.08.2000, 1 D 77.98; Urteil v. 01.06.1999, 1 D 49.97; Bay-VGH, Beschluss vom 11.04.2012, 16 b DC 11.985; VG Berlin, Urteil vom 27.03.2012, 80 K 8.11 OL; alle juris). Einem kranken, jedoch nicht dauernd dienstunfähigen Beamten obliegt es, alles ihm zumutbar Mögliche zutun, was der Wiedererlangung seiner vollen Arbeitsfähigkeit nützt und zu unterlassen, was die Genesung verzögern oder gar hindern könnte (vgl. Weiß, Zur Gesunderhaltungspflicht des Beamten in: ZBR 1982, S. 6, 11 m. w. Nachw.). So stellt z.B. auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Taxifahren ganz allgemein eine anstrengende Tätigkeit dar, die geeignet ist, die alsbaldige und nachhaltige Genesung eines erkrankten Beamten zu verhindern (BVerwG, Urteil vom 12.02.1992, 1 D 2.91; juris).

23

Die vom Kläger vorgetragene Entlastung auf Grund der ärztlichen „Erlaubnis“ während der bescheinigten Dienstunfähigkeit greift vorliegend aufgrund der körperlichen Tätigkeit bereits vom Ansatz her nicht. Dies bestätigt insoweit auch die in dem Verwaltungsvorgang befindliche Stellungnahme des Polizeiärztlichen Dienstes der Beklagten und der Kläger tritt dem auch nicht substantiiert entgegen. Das Gericht sieht aufgrund des pauschalen Vortrages keine Veranlassung dem weiter nachzugehen. Entsprechende Anträge sind in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden. So mag es vorstellbar sein, dass einem krankgeschriebenen Beamten leichte Schreibtischtätigkeit trotz einer Erkrankung möglich ist, welche insoweit seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit hinsichtlich dieser Schreibtischtätigkeit nicht beeinträchtigt. Ein solch krankgeschriebener Beamter vermag zu Hause am Schreibtisch seine privaten Angelegenheiten ordnen können, soweit dies den Genesungsprozess z. B. einer Handverletzung nicht entgegensteht. Keine Gefährdung der Genesungspflicht liegt etwa bei einem Langstreckenflug nach Knieverletzung vor (VG Berlin, Urteil vom 27.03.2012, 80 K 8.11 OL; juris). Dies kann jedoch für den hier vorliegenden Fall einer durchaus schweren und auch gefahrgeneigten körperlichen Tätigkeit nicht gelten. Insoweit kann auch nicht erfolgreich vorgetragen werden, dass auf Grund der psychischen Erkrankung des Beamten eine körperliche Tätigkeit dem Genesungsprozess förderlich sei. So mag es sein, dass bei derartigen psychischen Erkrankungen eine gewisse körperliche Anstrengung im Sinne eines „Abschaltens“ der Genesung hilfreich sein mag. Dies kann aber insoweit nur z. B. für sportliche Aktivitäten (Jogging) gelten. Keinesfalls kann es sein, dass der krankgeschriebene Beamte seine Krankschreibung und seine daraus resultierende Genesungs- und Erholungspflicht dazu missbraucht, eindeutig seinen Freizeitaktivitäten und damit seinem privaten Bereich zuzuordnende Tätigkeiten – wie hier Stallausbau – vornimmt. Der Missbrauch der Krankschreibung liegt hier offensichtlich auf der Hand. Dazu kommt, dass der erkrankte Beamte bei der Verrichtung seiner körperlichen Tätigkeit von Kollegen gesehen und ertappt wurde. Auch diese Tatsache belegt, dass es nicht hinnehmbar ist, dass krankgeschriebene Beamte körperliche anstrengende Freizeitaktivitäten entwickeln. Dies wirkt zudem schädigend auf das Ansehen des Berufsstandes der Polizeibeamten.

24

Das Gericht folgt der Beklagten auch hinsichtlich der Maßnahmenbemessung. Zwar stellt die Maßnahme der Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 DG LSA) die letzte und damit schärfste Form der Disziplinarmaßnahmen dar, welche die Dienstaufsicht aufgrund ihrer Disziplinargewalt wählen darf. Auch ist vorliegend die auf ein Fünftel auf längstens drei Jahre beschränkte Gehaltskürzung hinsichtlich Höhe und Dauer nahezu ausgeschöpft worden. Jedoch ist zutreffend, dass der Kläger bereits mit einem Verweis aus dem Jahr 2006 ebenfalls wegen Verstoßes gegen die Gesunderhaltungspflicht disziplinarrechtlich vorbelastet ist. Dementsprechend durfte und musste die Beklagte hier die disziplinarrechtliche Ahndung der nicht unerheblichen Pflichtenverstöße zur Pflichtenmahnung anschaulich anheben um so den Beamten die Schwere der Verfehlungen deutlich vor Augen zu führen. Die Disziplinarmaßnahme ist somit gemessen an § 13 DG LSA verhältnismäßig und auch zweckmäßig (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

25

Zur weiteren Begründung darf das Disziplinargericht auf die zutreffenden Ausführungen in dem Disziplinarbescheid verweisen und sich diesen anschließen (§ 3 DG LSA; § 117 Abs. 5 VwGO).

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 DG LSA, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin- Brandenburg vom 2. August 2012 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

1

Die Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO, § 41 DiszG und § 69 BDG an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Das Berufungsurteil beruht auf vom Beklagten geltend gemachten Verfahrensmängeln.

2

1. Der Beklagte steht als Polizeihauptmeister im Dienst des Klägers. Im Jahr 2006 wurde er wegen Diebstahls verurteilt. Er hatte während seines Nachtdienstes in den Diensträumen aus einem Dienstanorak Gebührenmarken im Wert von 250 € entnommen und durch Umtausch in Bargeld unberechtigt seinem Vermögen zugeführt. Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, ihn aber von dem weiteren disziplinarrechtlichen Vorwurf der ungeordneten Wirtschaftsführung freigestellt. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt:

3

Das Dienstvergehen erfordere unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Die strafrechtlich geahndete Entwendung der Marken, die sich aus disziplinarrechtlicher Sicht als (versuchter) Kollegendiebstahl und als Zugriff auf das durch Umtausch der Marken erlangte Bargeld darstelle, habe derart erhebliches Gewicht, dass allein die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht komme. Wegen des Betrages von 250 € sei die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich überschritten. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines anerkannten Milderungsgrundes seien nicht gegeben. Da der Sachverhalt hierzu keinen hinreichenden Anlass biete, sei auch eine Beweiserhebung hinsichtlich der Minderung der Schuldfähigkeit nicht erforderlich.

4

2. Die Verfahrensrüge hat Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht geprüft, ob die Disziplinarklage in Einklang mit § 34 Abs. 2 DiszG erhoben wurde, weil es sich rechtsfehlerhaft an dieser Prüfung gehindert gesehen hat. Das beruht auf einem unzutreffenden Verständnis des § 144 Abs. 6 VwGO.

5

Leidet die Disziplinarklageschrift an einem wesentlichen Mangel im Sinne von § 41 DiszG und § 55 Abs. 1 BDG, so sind die Verwaltungsgerichte gehalten, im Disziplinarklageverfahren auf ihre Beseitigung nach § 55 Abs. 3 BDG hinzuwirken, wenn der Mangel noch heilbar ist. Ein Mangel ist wesentlich im Sinne des § 55 Abs. 1 BDG, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Berufungsurteil ausgewirkt haben kann (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 6). Wird der Mangel nicht beseitigt, leidet das Urteil an einem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (Urteile vom 24. Juni 2010 a.a.O. und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - Rn. 57 ; Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 3).

6

Die Disziplinarklageschrift weist einen wesentlichen Mangel auf, wenn sie von einer unzuständigen Behörde oder einem Beamten erhoben wird, der nicht befugt ist, für die zuständige Behörde tätig zu werden (Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 58; Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 2 B 113.07 - juris Rn. 7 § 69 bdg nr. 3 nicht abgedruckt> und vom 26. Februar 2008 a.a.O. Rn. 15).

7

§ 34 Abs. 2 DiszG bestimmt, dass die Disziplinarklage bei Beamtinnen und Beamten durch die oberste Dienstbehörde erhoben wird. Sie kann ihre Befugnis nach Satz 1 durch allgemeine Anordnung ganz oder teilweise auf nachgeordnete Dienstvorgesetzte übertragen; diese Anordnung ist im Amtsblatt für Berlin zu veröffentlichen. Die oberste Dienstbehörde kann das Disziplinarverfahren jederzeit an sich ziehen.

8

Das Oberverwaltungsgericht hat sich an der ihm auch nach der Zurückverweisung grundsätzlich obliegenden Prüfung, ob die Disziplinarklage von der zuständigen Stelle erhoben worden ist, zu Unrecht durch den zurückverweisenden Beschluss des Senats gehindert gesehen. Es hat diesem Beschluss eine Bindungswirkung im Sinne von § 144 Abs. 6 VwGO beigemessen, die ihm nicht zukommt.

9

Nach § 144 Abs. 6 VwGO hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen. Diese Bindungswirkung umfasst die für die Aufhebungsentscheidung kausal ausschlaggebenden Gründe. Dies schließt die den unmittelbaren Zurückverweisungsgründen vorausgehenden Erwägungen jedenfalls insoweit ein, als diese die notwendige (logische) Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungsgründe waren (Urteile vom 30. Mai 1973 - BVerwG 8 C 159.72 - BVerwGE 42, 243 <247> = Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 26 und vom 28. November 2012 - BVerwG 8 C 21.11 - Rn. 22 < zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen>; Beschluss vom 21. August 1997 – BverwG 8 B 151.97 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 65).

10

Die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO gilt auch für zurückverweisende Beschlüsse nach § 133 Abs. 6 VwGO (Beschluss vom 11. Juli 2000 – BverwG 8 B 154.00 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 68). Bei der Bestimmung der Reichweite der Bindungswirkung des Beschlusses nach § 133 Abs. 6 VwGO ist aber dessen beschränkter Gegenstand zu berücksichtigen.

11

Aus § 133 Abs. 3 VwGO ergibt sich, dass das Gericht, sofern die Beschwerde auf Verfahrensmängel gestützt wird, nur prüfen kann, ob die geltend gemachten Verfahrensfehler vorliegen. Ob das Berufungsurteil an sonstigen Verfahrensfehlern leidet, ist nicht von Amts wegen zu prüfen. Dementsprechend kann einem wegen eines Verfahrensfehlers nach § 133 Abs. 6 VwGO zurückverweisenden Beschlusses nicht entnommen werden, das Berufungsurteil sei im Übrigen frei von Verfahrensmängeln.

12

Erwirkt ein Beteiligter mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 133 Abs. 6 VwGO mit der Rüge der unzureichenden Sachaufklärung, so ist die Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO auf die Beurteilung der gerügten Sachaufklärung und anderer nicht durchgreifender Rügen durch das Bundesverwaltungsgericht beschränkt. Diesem ist es aufgrund des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verwehrt, sich mit Gesichtspunkten zu befassen, die der Beschwerdeführer nicht gerügt hat.

13

Der Beklagte hat die Verletzung des § 34 Abs. 2 DiszG bei der Erhebung der Disziplinarklage mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ersten Berufungsurteil nicht gerügt.

14

Die Frage, ob die Disziplinarklage entgegen § 34 Abs. 2 DiszG von einer unzuständigen Behörde oder von einem hierzu nicht befugten Beamten erhoben worden ist, betrifft keine von Amts wegen zu prüfende, unverzichtbare Prozessvoraussetzung einer Disziplinarklage. Die Konstellation ist nicht mit der Fallgestaltung zu vergleichen, in der das Revisionsgericht im zurückverweisenden Beschluss Ausführungen zur Begründetheit einer Klage gemacht hat, so dass es denknotwendig von ihrer Zulässigkeit ausgegangen ist (Beschluss vom 21. August 1997 a.a.O. Rn. 3). Vielmehr stellt es einen vom Beschwerdeführer nach § 133 Abs. 3 VwGO selbstständig zu rügenden Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar, wenn das Oberverwaltungsgericht diesen Mangel der Disziplinarklageerhebung nicht behebt.

15

Stellt das Oberverwaltungsgericht nach der Zurückverweisung im Berufungsverfahren fest, dass, wie selbst vom Kläger angenommen, die Vorgaben des § 34 Abs. 2 DiszG bei der Erhebung der Disziplinarklage vom 28. April 2008 nicht eingehalten worden sind, so hat es die Vorgaben des § 41 DiszG und § 55 Abs. 2 und 3 BDG zu beachten. Ein etwaiger Mangel könnte im erneuten Berufungsverfahren durch Einreichen einer neuen Disziplinarklageschrift geheilt werden, wenn keine schutzwürdigen Interessen des Beklagten entgegenstehen. Dies setzt voraus, dass diese Klageschrift keine neuen belastenden Tatsachen und Beweismittel enthält (Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 63).

16

3. Auch die weitere Verfahrensrüge des Verstoßes gegen die aus § 41 DiszG, § 58 Abs. 1 BDG und § 86 Abs. 1 VwGO folgende Pflicht zur Erhebung der erforderlichen Beweise ist begründet.

17

Nach diesen Vorschriften obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies nach ihrem materiellrechtlichen Rechtsstandpunkt für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (vgl. Urteile vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41> = Buchholz 303 § 414 ZPO Nr. 1 S. 2 und vom 6. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 1).

18

Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des Beamten bei Begehung der Tat wegen einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB erheblich gemindert war, so darf das Verwaltungsgericht diesen Aspekt nicht ohne Sachaufklärung zu Gunsten des Beamten unterstellen, ihm aber bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme kein Gewicht beimessen. Vielmehr muss es die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufklären.

19

Hat der Beamte zum Tatzeitpunkt an einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten oder kann eine solche Störung nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden und ist die Verminderung der Schuldfähigkeit des Beamten erheblich, so ist dieser Umstand bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen. Bei einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit kann die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden (Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 11 jeweils Rn. 29 ff.; Beschluss vom 20. Oktober 2011 - BVerwG 2 B 61.10 - juris Rn. 9).

20

Hierzu muss geklärt werden, ob der Beamte im Tatzeitraum an einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten hat, die seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, vermindert hat. Hierzu bedarf es in der Regel besonderer medizinischer Sachkunde. Erst wenn die seelische Störung und ihr Schweregrad feststehen oder nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden können, kann beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit vorliegen. Denn von den Auswirkungen der krankhaften seelischen Störung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Bezug auf das Verhalten des Beamten hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ab. Die Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung "erheblich" war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise (stRspr, vgl. zum Ganzen: Urteil vom 29. Mai 2008 – BverwG 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3).

21

Aufgrund des Vorbringens des Beklagten auch im Berufungsverfahren bestand hinreichender Anlass, der entscheidungserheblichen Frage der erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten zum Tatzeitpunkt (24./25. August 2005) nachzugehen. Auch hat der Beklagte für den Fall, dass das Oberverwaltungsgericht seine Dienstentfernung für geboten halten würde, in der Berufungsverhandlung beantragt, ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass er sich zumindest seit Ende 2003 in einem Zustand von depressiven Phasen befand und zum Zeitpunkt der Tat zumindest vermindert schuldfähig war.

22

Das Oberverwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil (UA S. 29 f.) eingehend mit den verschiedenen von ihm eingeholten schriftlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärztin L. befasst und diesen mit umfangreichen Darlegungen eine Bedeutung für die entscheidungserhebliche Frage der Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten zum Tatzeitpunkt abgesprochen. Es hat die Ärztin nicht vernommen. Damit hat es gegen § 96 Abs. 1 VwGO verstoßen:

23

Diese Regelung soll sicherstellen, dass das Gericht seiner Entscheidung das in der jeweiligen prozessualen Situation geeignete und erforderliche Beweismittel zu Grunde legt, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dem Gebot des fairen Verfahrens und insbesondere dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf Beweisteilhabe gerecht zu werden. Es hängt von der jeweiligen prozessualen Situation ab, ob ein mittelbares Beweismittel wie die Bewertung einer schriftlichen Stellungnahme eines Zeugen ausreicht oder nach dem Grundsatz der unmittelbaren Beweiserhebung dessen Vernehmung geboten ist (Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 28.10 - BVerwGE 140, 199 = Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 60 jeweils Rn. 17).

24

Angesichts der Bedeutung der Aussage der behandelnden Ärztin für die Frage der verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten zum Tatzeitpunkt musste es sich dem Oberverwaltungsgericht aufdrängen, nicht nur deren schriftliche Stellungnahmen auszuwerten, sondern diese in der Berufungsverhandlung als sachverständige Zeugin zu vernehmen. Bei einer persönlichen Vernehmung der Ärztin in Anwesenheit des Beklagten hätte auch geklärt werden können, aus welchen Gründen sie auf die Anfragen und Bitten des Beklagten aus dem Jahr 2009 um weitere Substantiierung ihrer ärztlichen Einschätzung nicht reagiert und welche Angaben der Beklagte ihr gegenüber im Rahmen der Sozialanamnese zu den Umständen sowohl der ersten als auch der zweiten Trennung von seiner Ehefrau gemacht hat.

25

Das Oberverwaltungsgericht hat ferner den zahlreichen Feststellungen zum seelischen Zustand des Beklagten im unmittelbaren Anschluss an die Tat jede rechtliche Bedeutung für die Frage der verminderten Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt abgesprochen. Dies gilt etwa für die Einschätzung des zuständigen Beamten der Disziplinarabteilung vom 1. September 2005, der den seelischen Zustand des Beklagten als "kritisch" eingestuft hat. Nach seiner Vernehmung wurde der Beklagte wegen seines Zustandes einem Kriseninterventionszentrum vorgestellt, ohne dass es allerdings zu einer sofortigen Einweisung kam. Sechs Tage nach der Tat wurde der Beklagte für acht Tage in einer Kriseneinrichtung stationär aufgenommen. Anschließend war der Beklagte bis Anfang Oktober 2005 krankgeschrieben.

26

Seine Annahme, diese Vorfälle beträfen allein das Befinden des Beklagten nach Aufdecken der Tat und nach Konfrontation mit den Vorwürfen, hat das Oberverwaltungsgericht ohne die hierfür erforderliche medizinische Sachkunde getroffen. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht dargelegt, dass es selbst über die notwendigen medizinischen Kenntnisse verfügt.

27

4. Im Übrigen greift die Beschwerde lediglich die Richtigkeit der Zumessungsentscheidung des Oberverwaltungsgerichts an, ohne einen Zulassungsgrund darzulegen. Denn die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht hätte auf der Grundlage aller be- und entlastenden Gesichtspunkte eine positive prognostische Gesamtwürdigung vornehmen müssen.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.