Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 11. Feb. 2014 - 8 A 1/14

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2014:0211.8A1.14.0A
bei uns veröffentlicht am11.02.2014

Tatbestand

1

Der Kläger ist Polizeivollzugsbeamter im Rang eines Polizeihauptmeisters (BesGr. A 9 BBesO) im Land Sachsen-Anhalt, bei der Beklagten beschäftigt und wendet sich gegen eine Disziplinarmaßnahme in Form der Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro.

2

Mit der Disziplinarverfügung vom 13.08.2013 wird dem Kläger vorgehalten, dass er gegen die ihm obliegenden beamtenrechtlichen Pflichten nach §§ 34 Satz 1, 35 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) verstoßen und damit ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen habe. Er habe gegen seine Gesunderhaltungs- bzw. Genesungspflicht im Zeitraum der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit vom 23.09. bis 02.10.2011 verstoßen. Am 01.10.2011 sei er gegen 10.00 Uhr in der LKW-Werkstatt in A-Stadt, …straße, mit einem Fahrzeug des Technischen Hilfswerkes (THW) durch Kollegen angetroffen worden. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 12.12.2011 habe er angegeben, dass er wegen eines Defektes an seinem Privat-PKW die THW-Werkstatt aufgesucht habe um auf der Montagegrube den Anlasser zu wechseln. Mit einem Dienstfahrzeug des THW sei er zur LKW-Werkstatt Z gefahren und habe dort den Anlasser überprüfen lassen. Anschließend sei er wieder zur THW-Werkstatt zurückgefahren und habe dort einen Teil des Anlassers geordert. Der Zeuge ...habe als zuständiger Ortsbeauftragter des THW angegeben, dass der Kläger am 01.10.2011 von 07.30 Uhr bis 16.00 Uhr Dienst im THW verrichtet habe. Über eine Erkrankung habe der Kläger nicht berichtet.

3

Damit habe der Kläger seine ehrenamtliche Tätigkeit beim THW ganztägig im Krankenstand wahrgenommen. Der Wechsel des Anlassers sei nicht unproblematisch zu bewerkstelligen und mit Gefahren verbunden. Die Tätigkeiten in Arbeitsgruben seien nicht ungefährlich und gesetzliche Rahmenbedingungen, wie Unfallverhütungsvorschriften seien zu beachten. Damit habe der Kläger gegen seine Pflicht zur Gesunderhaltung und zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten verstoßen. Mit der Gesunderhaltungspflicht korrespondiere die Pflicht zur Wiederherstellung der verlorenen oder eingeschränkten Dienst- und Einsatzfähigkeit. Beamte seien verpflichtet insbesondere im Krankenstand, alles der Genesung Entgegenstehende, zu unterlassen. Die Tätigkeiten des Anlasserwechsels seien zumindest als mittelschwere körperliche Arbeiten zu werten. Des Nachweises, dass die Tätigkeit den Gesundungsprozess konkret behindere oder verzögere, bedürfe es nicht. Es reiche vielmehr aus, wenn die Tätigkeit generell geeignet sei, die alsbaldige und nachhaltige Genesung zu beeinträchtigen. Hiervon sei vorliegend auszugehen.

4

Bei der Wahl der Disziplinarmaßnahme sei insbesondere zu beachten, dass der Kläger wegen Verstößen gegen die Gesunderhaltungspflicht bereits in den Jahren 2006 und 2011 disziplinarrechtlich herangezogen worden sei. Besonders markant sei, dass zum Zeitpunkt des Vorfalls am 01.10.2011 das vorherige Disziplinarverfahren noch nicht beendet gewesen sei und dem Kläger offensichtlich jede Einsicht in die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens fehle. Daher sei die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro angemessen, um eine Pflichten mahnende Wirkung und die gewünschte Verhaltenslenkung bei dem Kläger zu erzielen.

5

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2013 als unbegründet zurück und vertiefte die Ausführungen des Ausgangsbescheides.

6

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarverfügung und ist im Kern seiner Ausführungen der Auffassung, dass die durchgeführte Tätigkeit an seinem Privat-PKW und im THW der Krankschreibung und der diesbezüglichen beamtenrechtlichen Genesungspflicht nicht entgegenstehe.

7

Der Kläger beantragt,

8

den Disziplinarbescheid der Beklagten vom 13.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2013 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen

11

und verteidigt die streitbefangene Disziplinarverfügung.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitbefangene Disziplinarbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 3 DG LSA; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Disziplinarmaßnahme ist auch zweckmäßig, was ebenfalls nicht zu ihrer Aufhebung führt (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

14

Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die tatsächlichen Feststellungen in dem Disziplinarbescheid hinsichtlich der Reparatur seines Fahrzeugen zutreffend sind und der Kläger damit gegen seine sogenannte Gesunderhaltungspflicht als Ausprägung der allgemeinen Wohlverhaltenspflicht und der Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf (§ 34 BeamtStG) verstoßen hat. Damit liegt ein sogenanntes innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vor. Denn obwohl im Krankenstand begangen, sind die vorgehaltenen Handlungen unmittelbar dem Dienstverhältnis des Beamten geschuldet und somit nicht seiner Privatsphäre zuzuordnen (vgl. zur Abgrenzung zwischen dienstlichen und außerdienstlichen Dienstvergehen nur: VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 22/12; juris).

15

Die vom Kläger während seiner Dienstunfähigkeit durchgeführte Reparatur an seinem Fahrzeug auf einer Montagegrube des THW steht aufgrund seiner eigenen Einlassung (Blatt 7 Beiakte 7) fest. Demnach ist unbestritten, dass der Kläger während seiner Krankschreibung die vorgehaltene Tätigkeit ausgeführt hat. Ob er darüber hinaus weiter an dem besagten Tag, einem Samstag, tatsächlich ehrenamtlichen Dienst beim THW in der Zeit von 07.30 Uhr bis 16.00 Uhr durchgeführt hat, ist eher nebensächlich. Aufgrund der zeugenschaftlichen Aussagen des Zeugen ... im behördlichen Disziplinarverfahren (vgl. Blatt 40 f. Beiakte A) spricht vieles dafür. So führte der Zeuge aus: „Man begrüßt sich Samstags gegen 08.00 Uhr, die Aufgaben werden verteilt und jeder begibt sich in seinen Dienstbereich. Ich begab mich in mein Dienstzimmer und arbeite meine Aufgaben ab.“ Schließlich bestreitet der Kläger nicht, dass er an dem besagten Tag in den Räumen und Werkstätten des THW’s aufhältig war. Mag dies auch vordringlich der Bewerkstelligung seiner privaten PKW-Probleme gedient haben, so spricht vieles dafür, dass er dies im Rahmen seiner normalen ehrenamtlichen Tätigkeit beim THW durchführte. Demnach musste auch dem in der mündlichen Verhandlung gestellten klägerischen Beweisantrag zur Vernehmung des Zeugen ... nicht weiter nachgegangen werden. Denn zur Überzeugung des Gerichts ist dieser Tatvorwurf der ganztägigen Tätigkeit beim THW subsidiär gegenüber dem Hauptvorwurf des Verstoßes gegen die beamtenrechtliche Genesungspflicht während der Krankschreibung durch die vom Beamten zugegebene Reparatur seines Fahrzeuges. Bereits diese Reparaturtätigkeit während der Dienstunfähigkeit stellt zur Überzeugung des Disziplinargerichts den Verstoß gegen seine Genesungspflicht dar. Die rechtliche Bewertung des den Gegenstand der Disziplinarverfügung bildenden Geschehens – sowohl insgesamt als auch hinsichtlich einzelner Teilaspekte – steht in der Entscheidungskompetenz des Disziplinargerichts. Das Gericht ist insoweit weder an die Rechtsauffassung der Behörde noch an die von dieser vorgenommenen Subsumtion einzelner Verhaltensweisen unter bestimmte Rechtsnormen gebunden (OVG LSA, Beschluss v. 18.09.2013, 10 L 6/13; juris).

16

Das erkennende Disziplinargericht hat bezüglich des vorangegangenen Disziplinarverfahrens gegen den Kläger hinsichtlich des ebenso damaligen Verstoßes gegen die Gesunderhaltungspflicht ausgeführt:

17

„Die aus der allgemeinen Dienstleistung resultierende Gesunderhaltungspflicht füllt die Treuepflicht und Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf aus (§ 34 BeamStG). Der Gesunderhaltungspflicht des Beamten widerspricht grundsätzlich, wenn der Beamte seine Kräfte nicht schont und sie vorzeitig, insbesondere zu Erwerbszwecken einsetzt, wobei es eines konkreten Nachweises, dass der Gesundungsprozess des dienstunfähigen Beamten behindert oder verzögert wurde, nicht notwendig ist. Es reicht vielmehr aus, wenn z.B. eine Nebentätigkeit generell geeignet ist, die alsbaldige und nachteilige Genesung zu beeinträchtigen. Fühlt sich der Beamte bereits im Stande, Dienstleistungen auch nur in beschränktem Umfang zu erbringen, so handelt er pflichtwidrig, wenn er sie nicht seinem Dienstherren anbietet, der ihm das Gehalt weiterzahlt und ihm aus Anlass der Krankheit soziale Vorteile gewährt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.11.2001, 1 D 60.00; Urteil v. 15.08.2000, 1 D 77.98; Urteil v. 01.06.1999, 1 D 49.97; Bay-VGH, Beschluss vom 11.04.2012, 16 b DC 11.985; VG Berlin, Urteil vom 27.03.2012, 80 K 8.11 OL; alle juris). Einem kranken, jedoch nicht dauernd dienstunfähigen Beamten obliegt es, alles ihm zumutbar Mögliche zu tun, was der Wiedererlangung seiner vollen Arbeitsfähigkeit nützt und zu unterlassen, was die Genesung verzögern oder gar hindern könnte (vgl. Weiß, Zur Gesunderhaltungspflicht des Beamten in: ZBR 1982, S. 6, 11 m. w. Nachw.). So stellt z.B. auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Taxifahren ganz allgemein eine anstrengende Tätigkeit dar, die geeignet ist, die alsbaldige und nachhaltige Genesung eines erkrankten Beamten zu verhindern (BVerwG, Urteil vom 12.02.1992, 1 D 2.91; juris).“

18

Ebenso wie damals verweist das Gericht darauf, dass die vom Kläger vorgetragene Entlastung aufgrund der angeblichen ärztlichen „Erlaubnis“ während der bescheinigten Dienstunfähigkeit, bereits aufgrund der körperlichen Tätigkeit vom Ansatz her nicht greift. So hat auch im vorliegenden Fall die Beklagte mit Verweis auf die Gefahr geneigte Tätigkeit in Arbeitsgruben nachvollziehbar belegt, dass es sich bei derartigen Reparaturen am PKW keinesfalls um einfache, eher beiläufige und auch im Rahmen einer Dienstunfähigkeit wahrnehmbare Aufgaben handelt, welcher der Genesungspflicht nicht entgegenstehen würden. Das Disziplinargericht kommt nicht umhin, erneut die Ausführungen im damaligen Urteil zu wiederholen:

19

„So mag es vorstellbar sein, dass einem krankgeschriebenen Beamten leichte Schreibtischtätigkeit trotz einer Erkrankung möglich ist, welche insoweit seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit hinsichtlich dieser Schreibtischtätigkeit nicht beeinträchtigt. Ein solch krankgeschriebener Beamter vermag zu Hause am Schreibtisch seine privaten Angelegenheiten ordnen können, soweit dies den Genesungsprozess z. B. einer Handverletzung nicht entgegensteht. Keine Gefährdung der Genesungspflicht liegt etwa bei einem Langstreckenflug nach Knieverletzung vor (VG Berlin, Urteil vom 27.03.2012, 80 K 8.11 OL; juris). Dies kann jedoch für den hier vorliegenden Fall einer durchaus schweren und auch gefahrgeneigten körperlichen Tätigkeit nicht gelten. Insoweit kann auch nicht erfolgreich vorgetragen werden, dass auf Grund der psychischen Erkrankung des Beamten eine körperliche Tätigkeit dem Genesungsprozess förderlich sei. So mag es sein, dass bei derartigen psychischen Erkrankungen eine gewisse körperliche Anstrengung im Sinne eines „Abschaltens“ der Genesung hilfreich sein mag. Dies kann aber insoweit nur z. B. für sportliche Aktivitäten (Jogging) gelten. Keinesfalls kann es sein, dass der krankgeschriebene Beamte seine Krankschreibung und seine daraus resultierende Genesungs- und Erholungspflicht dazu missbraucht, eindeutig seinen Freizeitaktivitäten und damit seinem privaten Bereich zuzuordnende Tätigkeiten – wie hier Stallausbau – vornimmt. Der Missbrauch der Krankschreibung liegt hier offensichtlich auf der Hand. Dazu kommt, dass der erkrankte Beamte bei der Verrichtung seiner körperlichen Tätigkeit von Kollegen gesehen und ertappt wurde. Auch diese Tatsache belegt, dass es nicht hinnehmbar ist, dass krankgeschriebene Beamte körperliche anstrengende Freizeitaktivitäten entwickeln. Dies wirkt zudem schädigend auf das Ansehen des Berufsstandes der Polizeibeamten.“

20

Das Gericht musste demnach auch nicht dem in der mündlichen Verhandlung gestellten klägerischen Beweisantrag zur Vernehmung der behandelnden Ärztin des Klägers dazu nachkommen, dass der Kläger nicht gegen seine Genesungspflicht verstoßen habe. Denn bei der Genesungspflicht handelt es sich bereits um eine vom Gericht zu beantwortende Rechtsfrage und nicht um eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung. Darüber hinaus wäre dies ein unzulässiger Ausforschungsbeweis. Legt man den Beweisantrag großzügig dahingehend aus, dass die Ärztin die Tatsache bezeugen solle, dass sie die ärztliche Erlaubnis zur Durchführung der PKW Reparatur in der Arbeitsgrube erteilt habe, führt dies ebenso zur Ablehnung. Insoweit ist von einer Unerreichbarkeit bzw. Untauglichkeit des Beweismittels auszugehen. Denn die für die Vernehmung der Ärztin als Zeugin unabdingbare Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht lag und liegt nicht vor (vgl. VG Düsseldorf, Urteil v. 09.12.2011, 13 K 2812/10; juris). Dementsprechend darf die Ärztin gar nicht als Zeugin vor Gericht aussagen.

21

Das Gericht ist weiter der Überzeugung, dass der eher pauschal vom Kläger gehaltene Hinweis darauf, dass seine Erkrankung psychischer Natur und er daher auch von ärztlicher Seite nicht gehindert sei, derartige Tätigkeiten während der Dienstunfähigkeit wahrzunehmen, bereits vom Ansatz her nicht greift. Wie bereits ausgeführt, mögen bei derartigen Erkrankungen gewisse Tätigkeiten oder sportliche Aktivitäten der Gesundheit förderlich sein. Für derartige Besonderheiten gibt es vorliegend keinerlei greifbare Anhaltspunkte. Das Gericht darf sagen, dass auch die in der mündlichen Verhandlung von Klägerseite überreichte an die Krankenkasse gerichtete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgrund des dortigen Diagnoseschlüssels eine andere Sicht der Dinge vermittelt. Denn dort wird gerade ein anderes Krankheitsbild und jedenfalls keine psychische Erkrankung bescheinigt. Somit erübrigt sich auch eine Beweisaufnahme von Amts wegen (vgl. dazu bereits: OVG LSA, Beschluss v. 06.05.2013, 10 L 1/13; juris).

22

Mit den Ausführungen in den streitbefangenen Bescheiden geht auch das Disziplinargericht davon aus, dass es sich hier um einen wiederholten Verstoß gegen die Gesunderhaltungs- bzw. Genesungspflicht handelt. Der Kläger wird zum dritten Mal disziplinarrechtlich bezüglich gleichartiger Vorfälle belangt. Dementsprechend ist die nunmehr gewählte Disziplinarmaßnahme - nur - einer Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro auf jeden Fall verhältnismäßig, angemessen und auch nach § 59 Abs. 3 DG LSA zweckmäßig.

23

Das Disziplinargericht führt ergänzend aus, dass es hinsichtlich seiner nunmehr eigenen disziplinargerichtlichen Zuständigkeit in Anwendung der in § 13 Abs. 1 DG LSA niedergelegten Grundsätze an die durch die Verfügung vorgegebene Disziplinarmaßnahme als Obergrenze gebunden ist; eine Verböserung scheidet daher aus (vgl. ausführlich zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 14.01.2014, 8 A 12/13; juris gemeldet). Dem Kläger muss erneut eindringlich mit den Ausführungen aus dem Urteil vom 17.01.2013 die Ernsthaftigkeit und die Folgenschwere derartiger immer wiederkehrender Verstöße vor Augen geführt werden. Letztendlich bemühte sich auch das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit seinen Ausführungen in dem Beschluss vom 06.05.2013 (10 L 1/13; juris) hinsichtlich der Nichtzulassung der Berufung darum, wobei das Disziplinargericht bemüht ist, einen anderen prozessualen Umgang mit dem Kläger zu pflegen.

24

Zur weiteren Begründung darf das Disziplinargericht auf die zutreffenden Ausführungen in dem Disziplinarbescheid verweisen und sich diesen anschließen (§ 3 DG LSA; § 117 Abs. 5 VwGO).

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 DG LSA, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

Gründe

I.

1

Der 1967 in A. geborene Polizeimeister besuchte die Polytechnische Oberschule R. und absolvierte anschließend bis 1987 eine Ausbildung zum Instandhaltungsmechaniker, welche er mit dem Facharbeiterabschluss abschloss. Von 1987 bis 1991 war er als Schlosser im … tätig. Anschließend fand eine Umschulung zum Metallbauer statt. Am 01.09.1992 trat der Beamte in den Vorbereitungsdienst der Schutzpolizei ein und wurde zum Polizeihauptwachtmeister-Anwärter ernannt. Zum 01.09.1996 erfolgte die Ernennung zum Polizeimeister unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Zuletzt war er seit dem 15.11.1999 in dem Polizeirevier A. als Sachbearbeiter Streifen- und Ermittlungsdienst eingesetzt. Die letzte dienstliche Beurteilung des Beamten schloss mit 265 Punkten im oberen Bereich der Bewertungsskala für „befriedigend“, die von 200 bis 265 Punkten reicht.

2

Der Beamte ist verheiratet und hat drei Kinder, welche im Zeitpunkt der Anschuldigungsschrift 18, 14 und 9 Jahre alt waren. Der Beamte lebte zur Zeit der Anschuldigungsschrift von seiner Ehefrau getrennt; mittlerweile ist er geschieden. Seine monatlichen Nettodienstbezüge belaufen sich unter Berücksichtigung des Einbehaltungssatzes von 10 % auf 2.015 Euro.

3

Mit Verfügung vom 25.08.2005 wurde dem Beamten die Führung der Dienstgeschäfte entsprechend § 60 Abs. 1 Beamtengesetz Sachsen-Ahnalt (BG LSA) untersagt. Die vorläufige Dienstenthebung nach § 78 Disziplinarordnung Sachsen-Anhalt (DO LSA) erfolgte unter dem 10.10.2005. Gem. § 79 Abs. 1 DO LSA i. V. m. § 81 Abs. 4 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) wurden mit Verfügung vom 22.07.2008 die Dienstbezüge des Beamten um 10 % gekürzt.

4

Der Beamte ist bis zu dem Vorfall, der zur Disziplinarklage führte, weder disziplinarrechtlich noch strafrechtlich vorbelastet.

II.

5

Mit der Anschuldigungsschrift vom 05.01.2009 wird der Beamte angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 BG LSA begangen zu haben, weil er

6

am 19.05.2005, gegen 21.00 Uhr in A. eine andere Person mit Gewaltgenötigt hat, sexuelle Handlungen an sich zu dulden

7

und somit ein Verbrechen, strafbar nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen hat.

8

Aufgrund der Berufung des Beamten gegen das Urteil des Amtsgerichts A. ist er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Dessau vom 21.08.2006 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten wegen sexueller Nötigung in einem minder schweren Fall verurteilt worden. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

9

Das Strafurteil führt zum Tatvorwurf aus:

10

„Am 19.05.2005 hatten der Angeklagte und sein Kollege als Beamte des Polizeireviers A. zwei Einsätze in der Straße V. in A., nachdem die dort wohnende Nebenklägerin telefonisch zweimal Anzeige wegen ruhestörenden Lärms erstattet hatte. Spätestens beim zweiten Einsatz, in dessen Verlauf der Angeklagte - im Streifenwagen - die ihm sympathisch erscheinende Nebenklägerin auf deren (versehentlich) offenen „Hosenstall“ hinwies, entschloss sich der Angeklagte zu dem Versuch, eine - auch sexuelle - Beziehung zu der Nebenklägerin aufzubauen. Er hoffte auf eine erste entsprechende Gelegenheit hierzu, als er zwischen 20.43 Uhr und 21.18 Uhr die Wohnung der Nebenklägerin - diesmal allein - aufsuchte, um sich von ihr die auf dem Revier zwischenzeitlich geschriebene Anzeige durch Unterschrift bestätigen zu lassen. Das Angebot seines Kollegen, ihn auch auf dieser Fahrt zur Wohnung der Nebenklägerin zu begleiten, hatte der Angeklagte zuvor abgelehnt.

11

Nachdem die Nebenklägerin den Angeklagten in ihre Wohnung hereingelassen und ihm einen Kaffee angeboten hatte, kam es in der Küche dazu, dass der Angeklagte die ihm gegenüberstehende Nebenklägerin plötzlich und unvermittelt an den Armen ergriff, sie zu sich herzog und ihr einen Kuss auf den Mund gab, den - als solchen - die völlig überraschte Nebenklägerin nicht verhindern konnte. Den vom Angeklagten unternommenen Versuch, auch seine Zunge in den Mund der Nebenklägerin einzuführen, konnte diese jedoch erfolgreich abwehren, indem sie sich losriss und sich ins Wohnzimmer begab, wo ihre damals 7 Jahre alte Tochter ... noch spielte.

12

Von hier aus stellte die Nebenklägerin fest, dass der Angeklagte nunmehr das Kinderzimmer betrat, und folgte ihm, weil sie darüber empört war. Sie fragte den Angeklagten, was er hier zu suchen habe, woraufhin der Angeklagte - wortlos - die Nebenklägerin erneut ergriff, sie dergestalt an sich zog, dass sie mit dem Rücken vor seinem Bauch zu stehen kam und der Angeklagte nach Loslassen beider Arme die Nebenklägerin dieser von hinten mit beiden Händen unter dem T-Shirt die Brüste über dem BH berührte, was der Nebenklägerin Schmerzen bereitete. Als sie nach der Tochter rief, die jedoch nicht reagierte, fasste der Angeklagte noch kräftiger zu. Erst als er erneut - vergeblich - versuchte, die Nebenklägerin zu küssen, gelang es dieser, den Angeklagten wegzustoßen und das Kinderzimmer zu verlassen.

13

Ihrer Aufforderung, nunmehr sofort ihre Wohnung zu verlassen, folgte der Angeklagte, wobei er sich noch für den ihm angebotenen Kaffee bedankte.“

14

Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 01.04.2008 wurde die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Dessau vom 21.08.2006 als unbegründet verworfen.

15

Das Disziplinargericht hat mit Beschluss vom 14.09.2009 das gerichtliche Disziplinarverfahren ausgesetzt. Denn gegen den in dem Verfahren gegen den Beamten mitwirkenden Vorsitzenden Richter am Landgericht wurde als Mitglied der 3. kleinen Strafkammer Anklage wegen Urkundenfälschung und Rechtsbeugung erhoben. Mit Beschluss vom 17.10.2012 hat die Kammer das Verfahren wieder aufgenommen. Der Richter ist durch Urteil vom 10.10.2012 freigesprochen worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

16

Die Einleitungsbehörde führt aus, dass die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils nach § 17 Abs. 1 Satz 1 DO LSA für das Disziplinarverfahren bindend seien. Der Beamte habe zudem eingeräumt, Anrufe und SMS-Nachrichten gegenüber der Geschädigten getätigt zu haben. Allerdings habe er nicht bemerkt, dass sich die Geschädigte dadurch belästigt gefühlt habe. Der Beamte verteidigte sich damit, dass sich die Geschädigte und er am 19.05.2005 gegenseitig umarmt und geküsst hätten, er dann das Haus verlassen habe. Der Beamte ließ sich weiter dahingehend ein, der Geschädigten am Samstag und Sonntag noch einmal eine SMS oder zwei geschickt zu haben, dass sie sich mal bei ihm melden solle. Er betonte, dass „das Ganze von Beiden ausging“.

17

Danach habe der Beamte schuldhaft ein Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 BG LSA begangen. Er habe die ihm in § 54 Satz 1 BG LSA normierte Pflicht, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen sowie seine Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb des Dienstes nach § 54 Satz 3 BG LSA schuldhaft verletzt.

III.

18

Bei Gesamtwürdigung der tatsächlichen Feststellungen, der Bewertung des Aktenmaterials sowie der Einlassung des Beamten und der durchgeführten Hauptverhandlung kommt die Disziplinarkammer zu der Überzeugung, dass der Beamte vorsätzlich und schuldhaft gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten aus 54 BG LSA; § 34 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) verstoßen hat. Danach hat er sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen und sein Verhalten muss innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Der Beamte hat ein solch schweres innerdienstliches Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BG LSA; § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) begangen, dass seine Weiterbeschäftigung für den Dienstherrn, aber auch für die Öffentlichkeit untragbar geworden ist. Das Vertrauensverhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten ist unwiderruflich zerstört. Zudem ist das Verhalten des Beamten geeignet, einen erheblichen Ansehensverlust in der Öffentlichkeit herbeizuführen. Demnach kommt nur die Entfernung aus dem Dienst in Betracht (§ 5 Abs. 1 Nr. 5, § 11 DO LSA; § 5 Abs. 1 Nr. 5; § 10 DG LSA).

IV.

19

Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d. h. nach der DO LSA fortzuführen (§ 81 Abs. 4 und 6 DG LSA). Denn die Einleitungsverfügung für das förmliche Disziplinarverfahren ist vor dem Inkrafttreten des Disziplinargesetzes Sachsen-Anhalt (DG LSA) ergangen.

20

1.) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 DO LSA ist die Disziplinarkammer an die tatsächlichen Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Dessau vom 21.08.2006 gebunden. Die Bindung der Disziplinargerichte an tatsächlichen Feststellungen in Urteilen, die in einem sachgleichen Strafverfahren ergangen sind, ist eine die Nutzung besserer Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden sichernde und zugleich das Auseinanderfallen von Entscheidungen verschiedener Gerichtsbarkeiten in ein und derselben Sache zu hindern, bestimmte Ausnahme von der grundsätzlichen Freiheit der Gerichte bei der Feststellung des von ihnen unter bestimmten rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Sachverhalts (BVerwG, U. v. 08.04.1986, 1 D 145.85; juris).

21

Eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils ist nur ausnahmsweise, unter eng begrenzten Voraussetzungen möglich. Die Disziplinargerichte dürfen die eigene Entscheidungsfreiheit nicht an die Stelle der Entscheidung des Strafgerichtes setzen. Strafgerichtliche Feststellungen, die auf einer nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungswerte verstoßenden Beweiswürdigung beruhen, sind daher auch dann für die Disziplinargerichte bindend, wenn diese aufgrund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich halten. Nur erhebliche Zweifel können daher zu einer nochmaligen Prüfung veranlassen (vgl. BVerwG, U. v. 05.09.1990, 1 D 78.89; v. 07.10.1986, 1 D 46.86; OVG NRW, U. v. 29.10.1991, 1 V 10/89; VGH Baden-Württemberg, U. v. 18.06.2001, D 17 S 2/01; VG Regensburg, U. v. 09.12.2009, RO 10A DK 09.1074; VG Meiningen, U. v. 19.04.2010, 6 D 60014/09 Me; alle juris).

22

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung hat die Disziplinarkammer keine Zweifel an der Richtigkeit der strafrichterlichen Feststellungen zum Tathergang. Allein das Bestreiten des Beamten und der aus seiner Sicht andere Tathergang reichen nicht aus um einen Lösungsbeschluss nach § 17 Abs. 1 Satz 2 DO LSA herbeizuführen. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die strafgerichtlichen Feststellung auf einer gegen Denkgesetze und Erfahrungswerte verstoßenden Beweiswürdigung beruhen, zumal der Beamte die ihm zur Last gelegten objektiven Verhaltensweisen im Kern einräumt, jedoch andere rechtliche Schlüsse daraus zieht, nämlich der einvernehmlichen sexuellen Betätigung. Auch die schriftsätzlich angebotene Zeugin F., die aussagen soll, dass die Geschädigte Küster einen „leichten Lebenswandel“ geführt habe und sie dafür bekannt sei, dass sie eine emotionale Betroffenheit spielen könne, reicht dazu nicht aus. Letzteres hat das Landgericht Dessau im Urteil innerhalb der Beweiswürdigung hinsichtlich der Geschädigten verneint. Auch allein ein „leichter Lebenswandel“ spricht weder zwingend gegen die Feststellung des Landgerichts Dessau noch lässt er die Taten rechtfertigen.

23

Schließlich rechtfertigt das gegen den im Strafverfahren des Beamten mitwirkenden Vorsitzenden Richters, geführte Strafverfahren nicht die Lösung von den tatsächlichen Feststellungen. Auf die Ausführungen des Disziplinargerichts in dem Beschluss vom 17.10.2012 zur Wiederaufnahme des Verfahrens wird verwiesen.

24

2.) Die vom Beamten begangene Straftat der sexuellen Nötigung ist als innerdienstliche Pflichtenverletzung anzusehen. Nach der gebotenen materiellen Betrachtung richtet sich die Bewertung eines Verhaltens als inner- oder außerdienstlich danach, ob es dem dienstlichen Aufgabenbereich des Beamten oder dem Bereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen ist. Außerdienstlich ist ein Verhalten, das sich als dasjenige einer Privatperson darstellt (BVerwG, Beschluss v. 20.11.2012, 2 B 56.12; Urteil v. 20.02.2001, 1 D 55.99; VG Regensburg, Urteil v. 15.10.2009, RN 10A DK 09.00797; alle juris). Der Beamte hat die Straftat während seiner Dienstzeit in Uniform und unter dem Vorwand einer dienstlichen Handlung begangen. Damit ist der kausale und funktionale Zusammenhang mit dem Dienst begründet.

25

3.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie dem Umfang der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist dann auszusprechen, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (vgl. § 13 DG LSA). Dabei weist das Disziplinargericht darauf hin, dass, obwohl die DO LSA anders als das DG LSA diese Grundsätze nicht ausdrücklich normierte, diese Bemessungsregelungen stets Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung war und ist. Denn im Bundesdisziplinargesetz war diese prognostische Gesamtbewertung stets in § 13 geregelt (vgl. nur: BVerwG, Urteil v. 20.10.2005, 2 C 12.04).

26

a.) Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarkammer die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts als einem Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Die Disziplinargerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 27.10.2011, 8 A 2/11 mit Verweis auf BVerwG, U. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10, OVG Lüneburg, Urteil v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; zuletzt ausführlich; VG Magdeburg, Urteil v. 29.11.2012, 8 A 12/11; alle juris).

27

Ein endgültiger Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 DG LSA) ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04, v. 03.05.2007, 2 C 9.06 und v. 29.05.2008, 2 C 59.07; alle juris).

28

Die Feststellung dieser für das berufliche Schicksal des Beamten und die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in gleicher Weise bedeutsamen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber in die Hand der Disziplinargerichte gelegt. Sie haben auf der Grundlage ihrer im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aus einem umfassend aufgeklärten Sachverhalt zu bildenden Überzeugung eine Prognose über die weitere Vertrauenswürdigkeit des Beamten abzugeben. Fällt diese negativ aus, ist der Beamte aus dem Dienst zu entfernen, denn anders als bei den übrigen Disziplinarmaßnahmen besteht insoweit kein Ermessen.

29

b.) Für das danach zu findende Disziplinarmaß können die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und v. 03.05.2007, 2 C 9.06, alle juris).

30

a. a.) Im Bezug auf strafbares außerdienstliches Verhalten betont das Bundesverwaltungsgericht die Bedeutung der gesetzlichen Strafandrohung für die Maßnahmebemessung (BVerwG, U. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 2 C 13.10, B. v. 21.12.2010, 2 B 29.10; juris). Die Anknüpfung an den Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung von Dienstvergehen. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht bei einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bei Fehlen jeglichen Dienstbezuges allenfalls eine Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich für angemessen erachtet und bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren die Zurückstufung als Orientierungsrahmen angesehen. Kommt ein Dienstbezug hinzu, so kann der Orientierungsrahmen bei einem Strafrahmen bis zu einem Jahr ebenfalls die Zurückstufung, bei einem Strafrahmen bis zu zwei Jahren, sogar die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sein.

31

Vorliegend beträgt der Strafrahmen nach § 177 Abs. 5 StGB auch in einem minder schweren Fall bis zu fünf Jahre, was sogar bei einem außerdienstlichen Fehlverhalten die Entfernung rechtfertigen würde.

32

b. b.) Hinsichtlich der disziplinarrechtlichen Bewertung des dem Beamten zur Last gelegten Strafdelikts der sexuellen Nötigung (§ 177 StGB) hat die disziplinarrechtlichen Rechtsprechungkeine Regeleinstufung als sog. „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“ entwickelt. Die Variationsbreite, in der solche Dienstvergehen denkbar sind, ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf das Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden können. Stets sind die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgebend (VG Münster, Urteil v. 03.11.2010, 13 K 871/10.O; juris).

33

a. a. a.) In einer Entscheidung des Wehrdienstsenates des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.07.2010 (2 WD 5.09; juris) wird ausgeführt, dass es der Rechtsprechung des Senates entspreche, dass beim sexuellen Missbrauch eines Kindes oder der sexuellen Nötigung eines Jugendlichen ein Soldat für die Bundeswehr im Grundsatz untragbar geworden ist (Verweis auf die Urteile vom 18.07.2001, 2 WD 51.00 und vom 29.01.1991, 2 WD 18.90; juris). Nur in minderschweren Fällen oder bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe könne der Soldat im Dienstverhältnis verbleiben. Diese Gleichstellung der Deliktschwere des sexuellen Missbrauchs eines Kindes mit der sexuellen Nötigung eines Jugendlichen hält das Gericht jedoch mit dem vorliegenden Fall der sexuellen Nötigung eines Erwachsenen für nicht vergleichbar. Denn die Gleichstellung und der damit verbundene Grad der Vertrauensbeeinträchtigung wird mit dem Einfluss auf die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen zur harmonischen Entwicklung zur Gesamtpersönlichkeit begründet. Diese schutzwürdige Sichtweise ist vorliegend bei einem Erwachsenen nicht gegeben. Dementsprechend hat der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in einem anderen Fall (Urteil vom 01.03.2007, 2 WD 4.06; juris) bei der zur Last gelegten (bloßen) sexuellen Belästigung (also kein Straftatbestand der sexuellen Nötigung) durch einen vorgesetzten Soldaten auch wegen der Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen wegen sexueller Nötigung die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge als geboten angesehen.

34

b. b. b.) Dem Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 09.12.2009 (RO 10 A DK 09.1074; juris) ist die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung zu entnehmen. Dort wurden dem Polizeibeamten mehrere sexuelle Pflichtverletzungen zur Last gelegt (Weitergabe von Informationen aus dem Polizeicomputer; Versendung einer Nacktaufnahme, die ihn nackt auf einem Ecksofa sitzend mit erigiertem Penis zeigt; Körperverletzung und sexuelle Nötigung einer Frau gegenüber). Der Beamte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Dort setzt sich das Gericht mit der im Einzelfall notwendigen Bewertung der zur sexuellen Nötigung geführten Tatumstände auseinander, wie Intensität und Dauer der Handlung und hier die Besonderheit, dass die Geschädigte trotz Übersendung der Nacktbilder den Beamten später traf. Darüber hinaus stellte dies ein außerdienstliches Verhalten dar.

35

c. c. c.) Der Verwaltungsgerichtshof Baden Württemberg (U. v. 18.06.2001, D 17 S 2/01; juris) sprach einem im Ruhestand befindlichen Lehrer das Ruhegehalt ab, weil er sich zu Zeiten seines aktiven Dienstes der sexuellen Nötigung seiner minderjährigen Tochter strafbar gemacht hat. Auch dort wurde der Beamte zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Der VGH geht hier von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme aus. Denn auch die Entfernung aus dem Dienst sei gerechtfertigt gewesen. Das Gericht führt aus, dass die Disziplinargerichte bei der Frage nach der angemessenen disziplinarrechtlichen Reaktion auf das Dienstvergehen nicht an die strafrechtlichen Zumessungserwägungen gebunden seien bzw. sich auch nicht daran zu orientieren hätten.

36

d. d. d.) Das Verwaltungsgericht Karlsruhe führt in einem Urteil vom 07.12.2009 (DL 13 K 598/09; juris) im Fall einer vorläufigen Dienstenthebung (nach der dortigen Gesetzeslage als Klage ausgestaltet) aus, dass voraussichtlich eine Entfernung angebracht sei, weil der verbeamtete Lehrer Fotos von Schülern fertigte und ins Internet stellte. Zudem sprach er Schülerinnen direkt an um Fotoaufnahmen und Videoclips zu drehen. Infolgedessen kam es auch zu beleidigenden sexuellen Übergriffen. Auch dort ist entscheidend, dass es sich um einen Pädagogen handelte, der auf den Entwicklungs- und Reifeprozess seiner Schüler Einfluss nahm und daher auch nicht mit dem hier uns zu behandelnden Fall eines Erwachsenen zu vergleichen ist.

37

e. e. e.) Von der Höchstmaßnahme geht auch das Verwaltungsgericht Berlin in einer jüngeren Entscheidung vom 28.08.2012 (80 K 2.12 OL; juris) aus. Dort handelte es sich um einen Polizeibeamten, der mehrere Pflichtverletzungen begangen hat (unberechtigte Polizeiabfragen; Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung).

38

c.) Für die hier im Einzelfall vorzunehmende disziplinarrechtliche Bewertung ist für das erkennende Gericht bedeutsam, dass der Beamte die Straftat unter Ausnutzung seiner dienstlichen Tätigkeit und der in der Person eines Polizeibeamten begründeten Vertrauensstellung beging. Unter dem Vorwand einer Diensthandlung verschaffte er sich so den Zutritt zur Wohnung der Geschädigten und zwang sie in ihrer Wohnung und damit innerhalb des von ihr als geschützt angesehenen Raumes in Gegenwart eines Kindes zu den sexuellen Handlungen. Weiter spricht gegen den Beamten, dass er nach den tatbestandlichen strafrichterlichen Feststellungen, die Geschädigte zweimal durch sexuelle Übergriffe genötigt hat. Handelt es sich dabei auch straf- wie disziplinarrechtlich „nur“ um eine Handlung im Rechtssinne, so ist es disziplinarrechtlich doch beachtlich, dass er als offensichtlich erkennbarer Polizeibeamter der Geschädigte in deren Wohnung nach dem ersten erzwungenen Kuss noch nachstellte, sie an sich riss, ihre Brüste berührte und ihr somit Schmerzen zufügte. Ein solches verfehltes dienstliches Verhalten eines Polizeibeamten ist im höchsten Maße für das öffentliche Ansehen der Berufsgruppe der Polizei schädigend. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhindern, aufzuklären und nicht zu begehen. Dabei ist das Disziplinargericht bei dieser von ihm eigens zur Festlegung der notwendigen Disziplinarmaßnahme anzustellenden Gesamtbetrachtung der Schwere des Pflichtverletzung nicht an die strafrichterliche Feststellung eines minder schweren Falls (§ 177 Abs. 5 StGB) gebunden. Die bereits eingangs beschriebene disziplinarrechtliche Bindungswirkung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 DO LSA betrifft nur die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils, nicht aber die strafrichterliche Wertung zum „Maß der Gewaltanwendung“. Anknüpfungspunkt für die zu verhängende Disziplinarmaßnahme ist – auch wenn insoweit abweichend vom strafrechtlichen Ansatz – allein die Sichtweise des Dienstrechts, für die auf das Gewicht und die Schwere der Verletzung der Dienstpflicht abzustellen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 18.06.2001, D 17 S 2/01; juris).

39

d.) Von der aufgrund der Schwere des Dienstvergehens auszusprechenden disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme ist dann Abstand zu nehmen, wenn zu Gunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe (Milderungsgründe) zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, dass das dem Beamten vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig verloren ist. Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschlägen bedingte Lebensphase. Der Milderungsgrund der Geringwertigkeit eines verursachten Schadens oder des geldlichen Vorteils der Handlung wird bei etwa 50,00 Euro gezogen. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall wie ein besonderes Nachtatverhalten die Schwere der Verfehlung mildern. Zeitlich überlange Disziplinarverfahren können wegen des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes und der mit dem Disziplinarverfahren verbundenen persönlichen Belastungen jedenfalls bei Maßnahmen der Pflichtenmahnung berücksichtigt werden. Entlastungsgründe können sich aber zum anderen auch aus allen Besonderheiten ergeben, die es im Einzelfall wegen der persönlichkeitsbedingten an § 13 DG LSA zu orientierenden Prognoseentscheidung gebieten, von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen Abstand zu nehmen. Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris). Diese Besonderheiten müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; zuletzt ausführlich; VG Magdeburg, Urteil v. 29.11.2012, 8 A 12/11; alle juris).

40

Soweit das Strafgericht ausführt, dass objektive Umstände im Vorfeld der Tat (wie z. B. „offener Hosenstall der Nebenklägerin“) die Begehung der Tat begünstigt haben könnten, ändert dies nichts an der festzustellenden Ansehensschädigung der Berufsgruppe der Polizei. Andere greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen geeigneter Entlastungsgründe sind nicht ersichtlich und werden auch nicht vorgetragen.

41

e.) Die nach alledem notwendige Entfernung aus dem Dienst verstößt auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Denn diese disziplinarrechtliche Maßnahme ist die einzige Möglichkeit, dass durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Dienstverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte ist für den Betroffenen nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf ein von ihm zurechenbares Verhalten (BVerwG, U. v. 21.06.2000, 1 D 49.99; juris).

42

4.) Das Gericht macht von der Möglichkeit des § 63 Abs. 1 DO LSA Gebrauch und hält die Bewilligung von 50. v. H. des erdienten Ruhegehaltes für einen Zeitraum von 6 Monaten für vertretbar.

43

5.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 100 Abs. 1 Satz 1 HS 1 DO LSA; das Verfahren ist gemäß § 98 Abs. 1 DO LSA gerichtsgebührenfrei.


Gründe

1

Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - Disziplinarkammer - vom 17. Januar 2013 hat keinen Erfolg.

2

1. Das Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, die gemäß §§ 64 Abs. 2 DG LSA, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit - des Ergebnisses - der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen. Insbesondere tritt der Kläger nicht schlüssig der Qualifizierung seines Verhaltens als schuldhaftes Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG entgegen.

3

Mit Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der ordnungsgemäße Umgang mit den Verwarngeldblöcken und nicht minder die fristgerechte Abrechnung eingenommener Verwarngelder zu den Kernpflichten eines Polizeibeamten gemäß §§ 54 Satz 3, 55 Satz 2 BG LSA und §§ 34 Satz 3, 35 Satz 2 BeamtStG gehören. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht mit Recht - und ohne dass die Antragsbegründungsschrift überhaupt darauf eingeht - auf die dem Kläger regelmäßig gegen Unterschrift bekannt gegebene Verfügung der Polizeidirektion B-Stadt vom 24. Februar 2002 über das „Verfahren bei der Erteilung von Verwarngeldern sowie der Erhebung und Abrechnung von Verwarngeldern“ sowie die - dem Kläger ebenfalls bekannt gegebene - Neuregelung der Verfügung durch die Beklagte vom 27. Mai 2008 abgestellt.

4

Danach war der Kläger verpflichtet, den Verwarngeldblock - wie auch das eingenommene Verwarngeld - sicher und getrennt von privaten Zahlungsmitteln aufzubewahren. Dies bedeutet auch, dass der Kläger dafür zu sorgen hatte, dass der Verwarngeldblock nicht - wie von ihm behauptet - „versehentlich“ in die Wäsche geriet. Mit Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass bereits in dem „Mitwaschen“ des Verwarngeldblocks ein Verstoß gegen die dem Kläger obliegenden Dienstpflichten zu sehen ist.

5

Soweit sich der Kläger dahingehend einlässt, das Verwaltungsgericht „kriminalisiere“ den Vorgang, so ist dazu bereits zu bemerken, dass von einer Kriminalisierung im strafrechtlichen Sinne nicht die Rede ist; es geht lediglich um eine disziplinarrechtliche Würdigung des Verhaltens des Klägers. Soweit sich der Kläger zudem zu der Bemerkung hinreißen lässt, die „Usancen, wie jeder einzelne seine Wäsche zu waschen hat, könnten nicht durch ein Gericht festgelegt werden“, ist eine derartige Einlassung nicht nur niveaulos, sondern zeigt, dass der Kläger offensichtlich nicht willens ist, die einem Polizeibeamten obliegenden Dienstpflichten zum ordnungsgemäßen Umgang mit Verwarngeldblöcken überhaupt zu verinnerlichen.

6

Zudem vermag der Kläger auch nicht die Feststellung des Verwaltungsgerichts mit Erfolg infrage zu stellen, eine - weitere - Dienstpflichtverletzung liege in dem Verstoß gegen die im Jahr 2008 ergangene Anordnung, Verwarngeldblöcke und eingenommene Verwarngelder nicht mehr in der häuslichen Wohnung aufzubewahren. Die dazu vom Kläger gegebene Einlassung, eine sichere Aufbewahrung auf dem Polizeirevier sei nicht möglich, weil „die Schlösser der jeweiligen Aufbewahrungsfächer durch Dritte geöffnet“ würden, so handelt es sich zu einem um eine völlig unsubstantiierte Behauptung, zu anderen um den in keiner Weise akzeptablen Versuch, Kollegen oder gar die Behördenleitung einer möglichen Straftat zu bezichtigen. Völlig fehl geht auch der Hinweis des Klägers, ein Polizeibeamter könne „ein pflichtgemäßes Verhalten nicht herbeiführen“, wenn die Einhaltung von Vorschriften nicht vom Vorgesetzten kontrolliert werde. Abgesehen davon, dass gerade die Kontrolle durch Vorgesetzte zur Aufklärung des hier maßgeblichen Sachverhalts geführt hat, ist es zuvörderst Sache eines Polizeibeamten selbst, von sich aus für eine Beachtung der ihm obliegenden Dienstpflichten und deren Befolgung zu sorgen.

7

Soweit das Verwaltungsgericht schließlich eine - dritte - Dienstpflichtverletzung durch den Kläger mit der Begründung festgestellt hat, er habe gegen die ihm obliegende Pflicht zur Gesunderhaltung verstoßen, indem er während der Zeit einer krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit schwere körperliche Tätigkeiten verrichtet habe, tritt dem die Antragschrift ebenfalls nicht schlüssig entgegen. Der Kläger räumt selbst ein, als Einziger in dem Stall neben einer Betonmischmaschine angetroffen worden zu sein. Der bloße, im Übrigen unsubstantiierte Hinweis darauf, es könne ja auch sein, dass derjenige, der neben einer laufenden Betonmischmaschine angetroffen worden sei, diese gar nicht befülle, ist jedenfalls auch nicht ansatzweise dazu geeignet, ernstliche Zweifel an den tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Würdigung durch das Verwaltungsgericht zu begründen.

8

2. Soweit der Kläger die Zulassung der Berufung gemäß §§ 64 Abs. 2 DG LSA, 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO mit einem Verfahrensmangel begründen will, hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg.

9

Die dem Gericht obliegende Sachverhaltserforschungspflicht geht nur so weit, als dies für die Entscheidung des Gerichts erforderlich ist, also wenn und soweit es nach der Rechtsauffassung des Gerichts - selbst wenn diese unzutreffend sein sollte - hierauf entscheidungserheblich ankommt. Ein Gericht verletzt seine Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht, wenn es den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Sachverhalt etwa aufgrund der beigezogenen Verwaltungsvorgänge für aufgeklärt hält oder von einer Beweisaufnahme absieht, die ein Rechtsanwalt nicht in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO entsprechenden Form beantragt hat (vgl. B. des Senats vom 23.08.2011 - 10 L 4/11; juris m. w. N.). Im Übrigen kann der Kläger auch deswegen kein Gehör finden, weil er es - anwaltlich und damit rechtskundig vertreten - versäumt hat, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 17. Januar 2013, in welcher die Sach- und Rechtslage „ausführlich“ erörtert wurde, einen Beweisantrag gemäß § 86 Abs. 2 VwGO zu stellen. Damit hat er sich der Möglichkeit begeben, auf eine weitere und von ihm als geboten angesehene Sachverhaltsaufklärung hinzuwirken.

10

3. Hinsichtlich der Höhe der zu verhängenden Sanktion hat das Verwaltungsgericht - ohne dass der Kläger dem überhaupt entgegengetreten ist - zunächst mit Recht berücksichtigt, dass der Kläger bereits aufgrund eines ihm im Jahr 2006 erteilten Verweises disziplinarrechtlich vorbelastet ist. Im Übrigen gebietet nicht nur das Versagen des Klägers im Kernbereich seiner Dienstpflichten als Polizeibeamter, sondern vor allem seine Uneinsichtigkeit in eigenes Fehlverhalten - verbunden mit dem Versuch, Fehler immer bei Anderen zu suchen - die Verhängung einer für einen längeren Zeitraum spürbaren Sanktion. Die erkannte Kürzung der Dienstbezüge erscheint daher dem Senat keinesfalls als überzogen und soll dem Kläger klar vor Augen halten, dass er sich künftig an seine Dienstpflichten zu halten hat.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtsgebührenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 73 Abs. 1 Satz 1 DG LSA.

12

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 64 Abs. 2 DG LSA i. V. m. §§ 124 Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO).


Tatbestand

1

Die 1963 geborene Klägerin wendet sich als Studienrätin (Besoldungsgruppe A 13 hD BBesO) gegen die disziplinarrechtliche Kürzung ihrer Dienstbezüge um 1/10 auf die Dauer von zwölf Monaten durch Bescheid vom 06.02.2013.

2

Im Jahre 2004 erfolgte die Verbeamtung auf Lebenszeit. Die Beamtin lebt in Lebenspartnerschaft und hat ein im Jahre 2000 geborenes Kind. Nach den Ausführungen im disziplinarrechtlichen Ermittlungsbericht sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin geordnet, Vorerkrankungen sind nicht bekannt und die Dienstbezüge belaufen sich auf ca. 4.502,00 Euro brutto und 3.300,00 Euro netto. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom Oktober 2011 (11 Cs 875 Js 31536/11) ist die Klägerin rechtskräftig seit dem 20.12.2011 wegen einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr bei einem Blutalkoholgehalt von 1,40 oo/o zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen je 100,00 Euro verurteilt worden. Zugleich wurde die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von neun Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

3

Disziplinarrechtlich wird der Klägerin in dem streitbefangenen Bescheid eine schuldhafte Pflichtverletzung nach den §§ 34 und 35 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und damit die Begehung eines Dienstvergehens nach § 47 Abs. 1 BeamtStG vorgehalten. Die Klägerin habe wiederholt zumindest grob fahrlässig, Weisungen des Dienstvorgesetzten nicht befolgt. Gleiches gelte für ihre Dienstleistungs- und Gesunderhaltungspflicht nach § 34 BeamtStG.

4

Die Disziplinarverfügung führt aus, dass in Umsetzung des Sucht-Stufenplans am 16.02.2010 ein Personalgespräch mit der Klägerin geführt worden sei. Danach sei festgelegt worden, dass sie sich innerhalb von 14 Tagen bei ihrem Hausarzt wegen ihrer Alkoholproblematik einer Therapie zu melden und den Beginn dieser nachzuweisen habe. Ein Therapieplan sollte danach vorgelegt sowie der monatliche Nachweis durch eine schriftliche Bestätigung des Therapeuten erbracht werden. Nach zwei schriftlichen Aufforderungen habe die Klägerin am 06.05.2010 ein Schreiben ihres Allgemeinarztes vorgelegt, dass sie dort am 30.04.2010 wegen eines Alkoholproblems vorstellig geworden sei. Nach weiterer Aufforderung habe die Klägerin am 11.08.2010 eine Bestätigung einer Praxis für Psychotherapie vorgelegt. In einem erneuten Personalgespräch am 24.02.2011, sei die Klägerin unter dem 24.03.2011 verpflichtet worden, in der Drogen- und Suchtberatungsstelle … zwecks einer Alkoholtherapie vorzusprechen und eine Schweigepflichtentbindung abzugeben. Hierauf habe die Klägerin telefonisch mitgeteilt, dass zwei Termine von ihr wahrgenommen worden seien. Aufgrund des weiteren Personalgesprächs am 07.12.2011 sei die Klägerin unter dem 09.12.2011 aufgefordert worden, bis zum 16.12.2011 bei der Drogen- und Suchtberatungsstelle ... wegen der begonnenen aber abgebrochenen Alkoholtherapie vorzusprechen und eine Schweigepflichtentbindung vorzulegen. Des Weiteren sollte der Therapieplan und die Nachweise über die Wahrnehmung der jeweiligen Termine übersandt werden. Die geforderten Unterlagen seien nicht termingerecht vorgelegt worden.

5

Am 02.02.2012 sei durch den Schulleiter der Stammschule der Klägerin deutlicher Alkoholgeruch und typische Verhaltensweisen, die auf Alkoholkonsum schließen ließen, bei ihr festgestellt worden. In ihrer Unterrichtsvorbereitung habe der Zeuge deutliche Probleme erkennen können. Daraufhin habe der Schulleiter die Klägerin für diesen Tag von ihren dienstlichen Verpflichtungen freigestellt. Am 21.02.2012 sei durch Schüler sowie den stellvertretenden Schulleiter aufgefallen, dass die Klägerin nach Alkohol rieche. Auch an diesem Tag sei die Klägerin vom Unterricht freigestellt worden. Ebenso seien durch Kollegen und Schüler am 29.02.2012 bei der Klägerin Verhaltensweisen festgestellt worden, die auf einen Alkoholgenuss schließen würden. Zu den einzelnen Feststellungen werde auf die Ausführungen im Ermittlungsbericht vom 12.09.2012 verwiesen.

6

Insbesondere Lehrer müssten, um ihre Aufgaben der Erziehung und Unterrichtung von Schülern erfüllen zu können, bei Eltern, Schülern und in der Öffentlichkeit das notwendige Ansehen, die Autorität und das Vertrauen in die korrekte Amtsführung besitzen. Sie müssten in ihrer gesamten Lebensführung durch regelgerechtes Verhalten Vorbild sein, um ihrem Erziehungsauftrag gerecht zu werden. Dem sei die Klägerin, indem sie während ihrer dienstlichen Verpflichtungen wiederholt unter Alkoholeinfluss gestanden habe, nicht nachgekommen. Besondere Beachtung müsse hier auch auf der dem Lehrer obliegenden Aufsichtspflicht über die ihm anvertrauten Schüler liegen. Die Achtung und das Ansehen bei Schülern, Eltern und Kollegen, aber auch das Vertrauen in die Zuverlässigkeit seien nachhaltig gestört. Die Klägerin habe grob fahrlässig gehandelt. Denn trotz Androhung von Sanktionen sei die Klägerin den Weisungen wiederholt nicht nachgekommen und sei alkoholisiert zum Dienst erschienen.

7

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich sei, richte sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die Klägerin habe schuldhaft gegen sogenannte Kernpflichten aus ihrem Beamtenverhältnis verstoßen und damit eine disziplinarrechtlich zu ahnende Vertrauensbeeinträchtigung herbeigeführt. Die Disziplinarmaßnahmen des Verweises oder einer Geldbuße seien als zu mildes Mittel nicht in Betracht zu ziehen. Denn durch ihre Einmaligkeit seien diese Maßnahmen nicht geeignet, das Verhalten der Beamtin langfristig zu ändern. Die verhängte Kürzung der Dienstbezüge sei durch die monatliche Wiederholung ein nachhaltiges Mittel um erzieherisch zu wirken, um künftig Pflichtverletzungen und damit Dienstvergehen der Klägerin zu vermeiden. Die Kürzung um 1/10 auf die Dauer von zwölf Monaten sei ausreichend. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin seien dabei nicht gefährdet. Erschwerend bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin wegen einer Trunkenheitsfahrt strafrechtlich vorbelastet sei. Zudem sei festzustellen, dass die Klägerin nicht immer als dienstlich zuverlässig anzusehen sei. Zwar habe sie ihre dienstlichen Verpflichtungen insoweit wahrgenommen, wobei die Dienstausübung jedoch von privaten und dienstlichen Belastungen abhänge. Auch ihre Auskünfte in diesem Zusammenhang seien oftmals zögerlich. Dies gebe Anlass zur Sorge, dass die Klägerin ihr Verhalten im Hinblick auf den Alkoholkonsum nicht dauerhaft ändern werde.

8

Zu ihren Gunsten spreche, dass sie in geordneten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen lebe und die Dienstpflichten ansonsten beanstandungsfrei wahrgenommen habe.

9

Den dagegen ohne Begründung eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2013 mit Verweis auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid als unbegründet zurück.

10

Mit der fristgerecht erhobenen Klage wendet sich die Klägerin weiter gegen die Disziplinarmaßnahme und macht Ausführungen dazu, dass die Disziplinarverfügung widersprüchlich sei. Einerseits werde der Klägerin Alkoholkonsum und eine Alkoholabhängigkeit und somit ein Suchtproblem bescheinigt, so dass ein Sucht-Stufenplan bzw. Therapieplan notwendig und von der Klägerin vorzulegen sei. Andererseits prüfe der Beklagte aber nicht, dass dann ein krankheitsbedingtes Verhalten vorliegen würde, welches mit den von der Beklagten gewählten disziplinarrechtlichen Mitteln nicht lenkbar sei. Die unterstellte Suchterkrankung und die vorgehaltenen Pflichtverletzungen schlössen sich gegenseitig aus. Zudem stehe mit dem amtsärztlichen Gutachten vom 17.12.2013 fest, dass die Klägerin nicht alkoholkrank sei sondern allenfalls ein riskantes Trinkverhalten vorliege.

11

Die Klägerin beantragt,

12

die Disziplinarverfügung vom 06.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2013 aufzuheben.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen

15

und verteidigt die Disziplinarverfügung und die dortigen Ausführungen. Den Hinweisen des Gerichtes in der Verfügung vom 18.09.2013 zur Problematik des Nachweises von Alkoholgenuss im Dienst sowie der Problematik der Alkoholsuchterkrankung begegnete der Beklagte damit, dass es feststehe, dass die Klägerin mehrfach in der Schule unter Einfluss von Alkohol unterrichtet habe. Bereits aus diesem Grunde seien die Durchführung des Sucht-Stufenplans und die Durchführung einer Suchttherapie erforderlich gewesen. Bei der Feststellung des Alkoholeinflusses sei der Beklagte auf die Aussagen der Zeugen angewiesen gewesen. Die Klägerin könne nicht die Auffassung vertreten, dass die Vorfälle dienstrechtlich nicht hätten verfolgt werden dürfen. Ein Sucht-Stufenplan sei bereits dann notwendig, wenn eine Suchtgefahr bestehe.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn der angefochtene Disziplinarbescheid in Form der Gehaltskürzung ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 3 DG LSA; 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form der Gehaltskürzung ist hinsichtlich des Kürzungsanteils sowie der Laufzeit unverhältnismäßig, weil unangemessen und bedarf insoweit der Abänderung. Unter Berücksichtigung dessen erweist sich die ausgesprochene Disziplinarverfügung zur Überzeugung des Gerichts auch als unzweckmäßig, welches ebenso zur Aufhebung bzw. Abänderung durch das Disziplinargericht führt (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

18

Nach § 59 Abs. 3 DG LSA prüft das Gericht bei der Klage des Beamten gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Disziplinargericht danach nicht nur gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben oder abzuändern. Vielmehr übt das Disziplinargericht in Anwendung der in § 13 Abs. 1 DG LSA niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmeobergrenze selbst die Disziplinarbefugnis aus (vgl. Gesetzesbegründung zum gleichlautenden § 60 Abs. 3 BDG, Bundestagsdrucksache 14/4659, S. 48; BVerwG, U. v. 27.06.2013, 2 A 2.12; B. v. 21.05.2013, 2 B 67.12; U. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; OVG NRW, B. v. 19.09.2007, 21 d A 3600/06.O; Bayr. VGH, B. v. 27.01.2010, 16 a DZ 07.3110, Bayr. VGH, B. v. 02.07.2012, 16 a DZ 10.1644; vgl. zu den Zweckmäßigkeitserwägungen auch: VG Magdeburg, U. v. 18.07.2012, 8 A 1/12; U. v. 01.12.2011, 8 A 18/10; U. v. 18.07.2012, 8 A 13/11; U. v. 06.11.2007, 8 A 10/07; alle juris).

19

1.) Auch zur Überzeugung des Disziplinargerichts hat die Klägerin als Studienrätin und damit verbeamtete Lehrkraft ein innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Aufgrund der Ermittlungen im Disziplinarverfahren sowie der geständigen Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht und unter Bewertung des gesamten Aktenmaterials steht fest, dass die Klägerin am 02.02.2012, 21.02.2012 und 29.02.2012 zumindest alkoholisiert zum Dienst erschienen ist und damit gegen ihre beamtenrechtliche sogenannte Wohlverhaltenspflicht verstoßen und eine Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums begangen hat. Diese in § 34 Satz 3 BeamtStG normierte Pflicht besagt, dass das Verhalten eines Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert. Damit wird dem Beamten die Pflicht auferlegt, sich so zu verhalten, dass aus seinem Handeln kein Achtungs- und Vertrauensverlust ableitbar ist. Dies gilt insbesondere bei einer in der Öffentlichkeit stehenden Lehrkraft.

20

Die Wohlverhaltenspflicht ist als Auffangtatbestand für alle Dienstpflichten anzusehen, die keine spezielle Regelung in den Beamtengesetzen gefunden haben. Letzten Endes gehen alle Dienstpflichten aus ihr hervor (vgl. nur: VG Magdeburg, Urt. v. 23.01.2013, 8 A 21/12 MD; juris; mit Verweis auf Hummel/Köhler/Mayer: BDG, 4. Aufl. 2009, S. 305). Mit Verweis auf die Abgrenzung zwischen einem dienstlichen und einem außerdienstlichen Dienstvergehen hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Erfordernisse, die der Beruf an Achtung und Vertrauen stellt, sich aus dem jeweiligen konkret funktionellen Amt ergeben, wobei es ausreichend ist, wenn ein Verhalten zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen geeignet ist. Eine tatsächliche Beeinträchtigung ist nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, 1 D 20.00; VG Magdeburg, Urt. v. 08.06.2011, 8 A 16/10 MD; VG Magdeburg, Urt. v. 23.01.2013, 8 A 21/12 MD; alle juris).

21

Diesbezüglich war das erkennende Disziplinargericht schon mehrfach mit der disziplinarrechtlichen Bewertung und Ahndung eines Ansehens schädigenden Verhaltens beschäftigt (vgl. zuletzt: Beschluss v. 26.08.2013, 8 B 13/13 MD m. w. Nachw.; juris). Liegt die Ansehensschädigung überwiegend in der Verwendung einer nicht hinnehmbaren Wortwahl, ergibt sich vorliegend der Verstoß gegen den Pflichtentatbestand, durch den nicht hinnehmbaren Alkoholkonsum der Klägerin vor bzw. bei Dienstantritt. Die diesbezüglichen alkoholbedingten Feststellungen und Vorfälle am 02.02.2012, 21.02.2012 und 29.02.2012 sind in dem behördlichen Verwaltungsvorgang durch Aussagen der Schüler, Kollegen und des Schulleiters belegt. Soweit die Erhebung dieser Beweise aus verfahrensrechtlichen Gründen gewisse Defizite aufweisen dürften (vgl. § 24 ff. DG LSA), muss dem nicht weiter nachgegangen werden. Denn die Klägerin hat die Richtigkeit dieser Feststellungen an den besagten Tagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht eingeräumt, so dass diese als wahr unterstellt werden dürfen. Demnach reicht es für die disziplinarrechtliche Bewertung aus, dass die Klägerin an diesen Unterrichtstagen aufgrund vorherigen Alkoholkonsums und der bei den Schülern und Kollegen gezeigten physischen und psychischen Ausfallerscheinungen nicht in der Lage war, den Dienst zu verrichten.

22

Die Disziplinarverfügung weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass insbesondere Pädagogen und Lehrer bei Eltern, Schülern und in der Öffentlichkeit das notwendige Ansehen, die Autorität und das Vertrauen in die korrekte Amtsführung besitzen müssen um so ihre Aufgabe der Erziehung und Unterrichtung von Schülern erfüllen zu können. Die Lehrkräfte müssen in ihrer gesamten Lebensführung durch regelgerechtes Verhalten Vorbild sein, um so ihren Erziehungsauftrag gerecht zu werden. Der Alkoholeinfluss während dienstlicher Verpflichtungen widerspricht der insbesondere Lehrern immanenten Vorbildwirkung vor Schülern. Die ordnungsgemäße Erfüllung des Erziehungsauftrages kann so nicht gewährleistet werden. Zudem haben Lehrer ihren Schülern gegenüber eine konkrete Aufsichtspflicht und die Schüler sind ihnen anvertraut. Durch alkoholisierte Lehrkräfte werden insbesondere die Achtung und das Ansehen bei Schülern, Eltern und auch den anderen Kollegen massiv geschädigt und untergraben. Zugleich ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Berufsgruppe der Lehrer und Pädagogen nachhaltig gestört bzw. beeinträchtigt. Auf den Punkt gebracht: Es kann und darf nicht angehen, dass alkoholisierte Lehrkräfte die ihnen anvertrauten, minderjährigen und sich in der Entwicklung befindlichen Schüler unterrichten.

23

Aufgrund der wahrgenommenen sogenannten Alkoholfahne ergibt sich zwingend, dass die Klägerin unter dem Einfluss von Alkohol gestanden hat, was sie im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht auch einräumte. Dabei ist die Alkoholkonzentration in der Atemluft der Blutalkoholkonzentration proportional. Zwar bedingt diese Tatsache allein noch nicht die Intensität und den Grad der Alkoholbeeinflussung (BVerwG, Urteil v. 23.03.1988, 1 D 27.87; juris, mit Verweis auf: Schwerd in „Kurzgefasstes Lehrbuch der Rechtsmedizin für Mediziner und Juristen“, Deutscher Ärzteverlag, 3. Auflage 1979, S. 130). Darauf kommt es aber auch nicht an. Von Bedeutung ist allein, ob die Klägerin überhaupt Alkohol in wahrnehmbarem Umfang zu sich genommen und unter dessen Einfluss gestanden hat. Dabei bedarf es nicht des Nachweises eines bestimmten Alkoholwertes (vgl. BVerwG, Urteil v. 28.08.2001, 1 D 57/00; juris). Denn die der Klägerin als Beamtin vorgeworfene Pflichtenverletzung tritt unabhängig von einem bestimmten Messergebnis ein. Anders als etwa bei einer Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB ist der Grad der Alkoholisierung beim Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht weitgehend irrelevant. Es ist auch nicht entscheidend, ob bereits durch interne Vorschriften ein absolutes Alkoholverbot begründet ist, wie dies generell im Polizeidienst gilt (vgl. dazu: VG Regensburg, Urteil v. 16.04.2010, RO 10A DB 09.2015; juris). Der Beamte schuldet seinem Dienstherrn auch kein alkoholabstinentes Verhalten in seiner Freizeit und seinem Privatleben (BVerwG, Urteil v. 15.03.1995, 1 D 37.93; juris). Entscheidend ist, dass durch den wahrnehmbaren Alkoholgeruch, sei es auch nur in Form von Restalkohol aufgrund der Einnahme des Alkohols am Vorabend oder in der späten Nacht, bei den Schülern und Kollegen und somit der Öffentlichkeit die Alkoholeinnahme deutlich erkennbar wird. Darin liegt die Ansehensschädigung begründet, was nicht zuletzt die Reaktionen der Eltern beweist.

24

Gerade eine Lehrkraft ist auf den unmittelbaren Einsatz ihrer Stimme als Unterrichtsmittel angewiesen, so dass unabhängig von eventuellem Alkoholgeruch in der Kleidung, dieser durch den Atem kundgetan und für die erwähnten anderen Personen unmittelbar und unverwechselbar wahrnehmbar wird. Ähnlich wie etwa bei einem Pflichtuniformträger, der durch eine ungepflegte, verschlissene Uniform auffällt, bedingt hier das an objektiven Kriterien feststellbare äußere Erscheinungsbild der verbeamteten Lehrkraft die Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums und damit den Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht.

25

Darüber hinaus ist die Klägerin nicht nur durch den wahrnehmbaren Alkoholgeruch aufgefallen, sondern zeigte in Sprache sowie Körperhaltung und Gang typische alkoholbedingte Ausfallerscheinungen. Dies führte dazu, dass die Klägerin an den besagten Tagen vom Unterricht befreit wurde, so dass dienstlich nachteilige Folgen eingetreten sind, was ebenso den selbständigen Pflichtentatbestand begründet. Neben dem Verstoß gegen die allgemeine Wohlverhaltenspflicht ist mit diesen alkoholbedingten physischen wie psychischen Ausfallerscheinungen, die aus der allgemeinen Dienstpflicht resultierende Gesunderhaltungspflicht des Beamten angesprochen (vgl. dazu: VG Magdeburg, Urteil v. 17.01.2013, 8 A 6/12; juris). Auch diese füllt die Treuepflicht und die Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf aus (§ 34 Satz 1 BeamtStG).

26

Feststellungen zur Schuldunfähigkeit erübrigen sich. Denn aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 17.12.2012 (Bl, 182 Beiakte A) sind eine Alkoholerkrankung und damit auch eine Alkoholabhängigkeit bei der Klägerin auszuschließen und zudem verneint dies auch die Klägerin (vgl. zu den Voraussetzungen der diesbezüglichen Anhaltspunkte: BVerwG, Beschluss v. 04.07.2013, 2 B 76/12; Urteil v. 29.11.2012, 2 WD 10/12; beide juris). Entsprechend ist der Klägerin zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, was zur Bejahung des Schuldvorwurfs genügt.

27

2.) Hingegen sieht das Disziplinargericht den – anscheinend – in der Disziplinarverfügung zum Ausdruck gebrachten Weisungsverstoß wegen nicht bzw. verspäteter Vorlage eines sogenannten Therapieplans nicht. Insoweit bemängelt das Disziplinargericht bereits, dass die streitbefangene Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides die der Klägerin zur Last gelegten Pflichtenverstöße nicht hinreichend konkretisiert. Ähnlich wie bei einer Disziplinarklage müssen die dort explizit genannten Voraussetzungen (vgl. § 49 Abs. 2 DG LSA) auch bei der behördlichen Disziplinarverfügung gelten. Denn dies ergibt sich bereits aus der Anwendung allgemeiner verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften hinsichtlich der Bestimmtheit des Verwaltungsaktes (vgl. § 3 DG LSA; § 37 VwVfG). Danach muss der in der Disziplinarverfügung dem Beamten gegenüber erhobene Pflichtenverstoß und der diesem zugrunde gelegte Sachverhalt so deutlich und klar sein, dass der Beamte sich mit seiner Verteidigung darauf einstellen kann (vgl. zuletzt: BVerwG, U. v. 27.06.2013, 2 WD 5.12; juris).

28

So ist bereits nicht hinreichend bestimmt, was mit dem in der Disziplinarverfügung genannten „Therapieplan“ gemeint ist und wie oder in welcher Form dieser Nachweis zu erbringen sei. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte diesbezüglich keine weitere Aufklärung bzw. Bestimmtheit erzielt werden. Die diesbezüglich mit der Klägerin geführten Personalgespräche und die dort von der Klägerin eingegangenen Verpflichtungen führen nicht weiter. Denn dort dürfte es sich um die Umsetzung des sogenannten Stufenplanes gehandelt haben. Der Stufenplan ist ein Interventionsleitfaden, der eine Abfolge von Fünfstufengesprächen vorsieht. Voraussetzung ist ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche bzw. dienstrechtliche Pflichten oder deren Vernachlässigung im Zusammenhang mit Suchtmittelkonsum oder suchtbedingtem Verhalten (vgl. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.; www.sucht-am-arbeitsplatz.de). Das Disziplinargericht weist darauf hin, dass der Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides gerade nicht zu entnehmen ist, welche Verpflichtungen bzw. Weisung in diesem Zusammenhang die Klägerin nicht erfüllt habe. Die Disziplinarverfügung spricht selbst davon, dass die Umsetzung der in den Personalgesprächen geforderten Verhaltensweisen nicht bzw. zu spät erfolgt sei. Allein diese Formulierung des Vorwurfs „nicht bzw. zu spät“ lässt nicht hinreichend erkennen, welche Nachweise die Klägerin gerade nicht oder aber nur verspätet erbracht habe.

29

Im Übrigen weist das Disziplinargericht darauf hin, dass sich die Klägerin sehr wohl bemüht hat, den in den Personalgesprächen geforderten Nachweisen nachzukommen. In dem dem Gericht überlassenen Verwaltungsvorgang sind zahlreiche diesbezügliche Nachweise über Therapieangebote und durchgeführte Therapiegespräche enthalten. So erging unter dem 14.03.2012 mit der Drogen- und Suchtberatung ... eine Behandlungsvereinbarung und ein Therapieplan. Diese von der Klägerin aufgegriffene Initiative ist insofern von Bedeutung, da sie unmittelbar nach den alkoholbedingten Ereignissen im Februar 2012 stattfanden. Dementsprechend war die Klägerin durchaus bemüht ihr Problem anzugehen und in den Griff zu bekommen. Weiter ist dem Aktenvermerk bzw. dem Protokoll vom 12.04.2012 (Blatt 113 BA A) zu entnehmen, dass die Klägerin dort die bei der Drogen- und Suchtberatungsstelle in ... wahrgenommenen Termine seit Januar 2012 bis April 2012 nachgewiesen hat (Blatt 115 BA A). Die Drogen- und Suchtberatungsstelle ... bescheinigt unter dem 11.05.2012 die Teilnahme der Klägerin im Rahmen des mit ihr vereinbarten Therapieplans (Blatt 151 BA A). Darüber hinaus sind der Akte mehrere Bescheinigungen über ein sogenanntes Urinscreening zu entnehmen. All diese Erkenntnisse sowie die Tatsache, dass die amtsärztliche Untersuchung bei der Klägerin im Dezember 2012 keine Alkoholabhängigkeit und damit Suchterkrankung sondern ein riskantes Trinkverhalten bescheinigt, sind von dem Beklagten nicht berücksichtigt worden. Schließlich nahm die Klägerin bis Februar 2013 und damit bis zur Schließung der Drogen und Suchtberatungsstelle ... deren Hilfe in Anspruch. Demnach ist nachvollziehbar, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht darauf hinwies, dass ihr unklar sei, was sie noch machen solle.

30

3.) Der Klägerin stehen in dem Fall der alkoholbedingten Wohlverhaltens- bzw. Ansehensschädigung und dem Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht keine Milderungs- oder Entlastungsgründe zur Seite, die den Pflichtenverstoß in einem milderen Licht erscheinen lassen würden (vgl. Milderungs- und Entlastungsgründe ausführlich: VG Magdeburg, U. v. 17.10.2013, 8 A 6/13 MD; juris). Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, U. v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris). Die Klägerin handelte nicht in einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation und eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung oder „Entgleisung“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschlägen bedingte Lebensphase liegt nicht vor. Die wiederholte durch mehrere Einzeltaten begangene Ansehensschädigung war allein in ihrem riskanten, in der Freizeit ausgelebten Trinkverhalten begründet. Mangels vorliegender und vorgetragener Besonderheiten, muss sie für dieses auf den Dienst durchschlagene Verhalten, die dienstrechtlichen Konsequenzen tragen. Dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ihr Alkoholkonsum bereits zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt geführt hat.

31

4.) Bei der nunmehr vom Disziplinargericht aufgrund der Gesamtabwägung und des Persönlichkeitsbildes der Beamtin nach § 13 DG LSA auszusprechenden Disziplinarmaßnahme, lässt sich das Gericht davon leiten, dass die Klägerin als verbeamtete Lehrkraft eine besondere Vorbild- und Fürsorgefunktion hinsichtlich ihrer Schüler inne hat. Der Zweck des Disziplinarrechts liegt grundsätzlich in der individuellen Pflichtenmahnung (Spezialprävention) des Beamten zu einer berufserforderlichen Zuverlässigkeit (Hummel/Köhler/Mayer; BDG, 4. Auflage 2009, A.IV.3 Rz. 88). Dementsprechend ist hier die Stufe der Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung als letzte vom Dienstherrn auszusprechende Disziplinarmaßnahme aus erzieherischer Sicht durchaus angebracht. Denn durch die monatliche Kürzung ihr Dienstbezüge über einen gewissen Zeitraum soll die Klägerin stetig an ihr Fehlverhalten erinnert werden und die Sache nicht durch eine einmalige Geldbuße abgetan sein.

32

Dabei unterliegt die Bemessung der Gehaltskürzung einer erheblichen Spannweite hinsichtlich des vom Disziplinargesetz (§ 8 Abs. 1 Satz 1 DG LSA) bis zur Höhe von 20 % vorgesehenen Kürzungsteils und der Laufzeit von drei Jahren. Während die Laufzeit der Gehaltskürzung durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmt wird, sind für die Festlegung des Kürzungsbruchteils die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten maßgebend (vgl. BVerwG, Urteil v. 20.09.2006, 1 D 8.05; juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 21.03.2002, 1 D 29.00; juris) beträgt der regelmäßige Kürzungssatz bei Beamten des gehobenen und höheren Dienstes bis Besoldungsgruppe A 16 regelmäßig 1/10. Soll diese Regelmäßigkeit des Kürzungsbruchteils insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten abgreifen, so ist dieser Kürzungssatz gesetzlich nicht verbindlich und kann vom Disziplinargericht ebenso bestimmt werden. Gerade im Kürzungssatz kann sich das objektiv größere oder mindere Gewicht des Dienstvergehens ausdrücken. Sinn einer Vermögenssanktion ist es ohnehin, dass höhere Gewicht der Verfehlung durch eine spürbare finanzielle Einbuße deutlich zu machen. Dabei kommt es dem Gesetz bei der Gehaltskürzung nicht auf die letztliche Gesamtsumme der finanziellen Einbuße, sondern auf die Wirkung der wiederkehrenden Einzeleinbußen an (vgl. insgesamt: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Auflage 2009, A.IV.3 Rz. 87). Andererseits muss auch das Abstandsgebot zu den Disziplinarmaßnahmen der Geldbuße und der Zurückstufung gewahrt bleiben. Alles dies begründet es, im jeweiligen Einzelfall individuell über die „Stellschrauben“ des Kürzungsbruchteils und der Laufzeit die angemessene Gehaltskürzung zu bestimmen.

33

Dementsprechend darf das Disziplinargericht – letztendlich auch aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 59 Abs. 3 DG LSA – aufgrund der nunmehr eigenen, dem Disziplinargericht zusehenden Disziplinarbefugnis, auf der Stufe der Gehaltskürzung eine in Bezug auf den Kürzungssatz wie die Laufzeit individuell bemessene geringe Disziplinarmaßnahme aussprechen. In der Bemessung der Laufzeit kann das konkrete Bedürfnis nach pflichtenmahnender Einwirkung entsprechend der Verhaltensprognose (Labilität, Wiederholungsgefahr) wirkungsvoll dargestellt werden. Unter Beachtung dessen, sieht das Disziplinargericht hier einen abgemilderten Kürzungssatz bei einer überschaubaren Laufzeit als dem Dienstvergehen angemessen und auch als zweckmäßig an. Die Maßnahme erscheint als angemessen, aber auch notwendig, um die Beamten an die Einhaltung ihrer Pflichten, insbesondere der Wohlverhaltens- und Gesunderhaltungspflicht, zu erinnern.

34

Die Klägerin hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht einsichtig gezeigt und insbesondere durch die Einräumung des alkoholbedingten Tatvorwurfs zur Sachverhaltsaufklärung und Entscheidungsreife maßgeblich beigetragen. Eine umfassende Beweisaufnahme unter Einbeziehung der Schüler, Eltern und Kollegen wurde vermieden. Ebenso hat sie bei dem Disziplinargericht den Eindruck hinterlassen, dass sie ihre Alkoholproblematik und das amtsärztlich bescheinigte riskante Trinkverhalten erkannt und die daraus resultierenden Folgen eingesehen hat. Dementsprechend hat sie auch Beratungsstellen und Beratungsangebote in Anspruch genommen und aktiv an der Bewältigung ihrer Probleme mitgearbeitet. Gleichwohl sieht sich das Disziplinargericht zur Verhängung der ausgesprochenen Gehaltskürzung und nicht nur einer Geldbuße veranlasst, wobei die Klägerin die monatlich wiederkehrende Kürzung als Mahnung und damit auch als Chance begreifen sollte. Im Wiederholungsfall könnte, je nach Ausmaß der Trunkenheit und der Vertrauensbeeinträchtigung, durchaus die Entfernung aus dem Dienst anstehen.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4 DG LSA, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da die Klägerin weiterhin disziplinarrechtlich belangt wird, ist es angemessen, dass sie die Hauptlast der Kosten trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Gründe

1

Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - Disziplinarkammer - vom 17. Januar 2013 hat keinen Erfolg.

2

1. Das Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, die gemäß §§ 64 Abs. 2 DG LSA, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit - des Ergebnisses - der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen. Insbesondere tritt der Kläger nicht schlüssig der Qualifizierung seines Verhaltens als schuldhaftes Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG entgegen.

3

Mit Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der ordnungsgemäße Umgang mit den Verwarngeldblöcken und nicht minder die fristgerechte Abrechnung eingenommener Verwarngelder zu den Kernpflichten eines Polizeibeamten gemäß §§ 54 Satz 3, 55 Satz 2 BG LSA und §§ 34 Satz 3, 35 Satz 2 BeamtStG gehören. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht mit Recht - und ohne dass die Antragsbegründungsschrift überhaupt darauf eingeht - auf die dem Kläger regelmäßig gegen Unterschrift bekannt gegebene Verfügung der Polizeidirektion B-Stadt vom 24. Februar 2002 über das „Verfahren bei der Erteilung von Verwarngeldern sowie der Erhebung und Abrechnung von Verwarngeldern“ sowie die - dem Kläger ebenfalls bekannt gegebene - Neuregelung der Verfügung durch die Beklagte vom 27. Mai 2008 abgestellt.

4

Danach war der Kläger verpflichtet, den Verwarngeldblock - wie auch das eingenommene Verwarngeld - sicher und getrennt von privaten Zahlungsmitteln aufzubewahren. Dies bedeutet auch, dass der Kläger dafür zu sorgen hatte, dass der Verwarngeldblock nicht - wie von ihm behauptet - „versehentlich“ in die Wäsche geriet. Mit Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass bereits in dem „Mitwaschen“ des Verwarngeldblocks ein Verstoß gegen die dem Kläger obliegenden Dienstpflichten zu sehen ist.

5

Soweit sich der Kläger dahingehend einlässt, das Verwaltungsgericht „kriminalisiere“ den Vorgang, so ist dazu bereits zu bemerken, dass von einer Kriminalisierung im strafrechtlichen Sinne nicht die Rede ist; es geht lediglich um eine disziplinarrechtliche Würdigung des Verhaltens des Klägers. Soweit sich der Kläger zudem zu der Bemerkung hinreißen lässt, die „Usancen, wie jeder einzelne seine Wäsche zu waschen hat, könnten nicht durch ein Gericht festgelegt werden“, ist eine derartige Einlassung nicht nur niveaulos, sondern zeigt, dass der Kläger offensichtlich nicht willens ist, die einem Polizeibeamten obliegenden Dienstpflichten zum ordnungsgemäßen Umgang mit Verwarngeldblöcken überhaupt zu verinnerlichen.

6

Zudem vermag der Kläger auch nicht die Feststellung des Verwaltungsgerichts mit Erfolg infrage zu stellen, eine - weitere - Dienstpflichtverletzung liege in dem Verstoß gegen die im Jahr 2008 ergangene Anordnung, Verwarngeldblöcke und eingenommene Verwarngelder nicht mehr in der häuslichen Wohnung aufzubewahren. Die dazu vom Kläger gegebene Einlassung, eine sichere Aufbewahrung auf dem Polizeirevier sei nicht möglich, weil „die Schlösser der jeweiligen Aufbewahrungsfächer durch Dritte geöffnet“ würden, so handelt es sich zu einem um eine völlig unsubstantiierte Behauptung, zu anderen um den in keiner Weise akzeptablen Versuch, Kollegen oder gar die Behördenleitung einer möglichen Straftat zu bezichtigen. Völlig fehl geht auch der Hinweis des Klägers, ein Polizeibeamter könne „ein pflichtgemäßes Verhalten nicht herbeiführen“, wenn die Einhaltung von Vorschriften nicht vom Vorgesetzten kontrolliert werde. Abgesehen davon, dass gerade die Kontrolle durch Vorgesetzte zur Aufklärung des hier maßgeblichen Sachverhalts geführt hat, ist es zuvörderst Sache eines Polizeibeamten selbst, von sich aus für eine Beachtung der ihm obliegenden Dienstpflichten und deren Befolgung zu sorgen.

7

Soweit das Verwaltungsgericht schließlich eine - dritte - Dienstpflichtverletzung durch den Kläger mit der Begründung festgestellt hat, er habe gegen die ihm obliegende Pflicht zur Gesunderhaltung verstoßen, indem er während der Zeit einer krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit schwere körperliche Tätigkeiten verrichtet habe, tritt dem die Antragschrift ebenfalls nicht schlüssig entgegen. Der Kläger räumt selbst ein, als Einziger in dem Stall neben einer Betonmischmaschine angetroffen worden zu sein. Der bloße, im Übrigen unsubstantiierte Hinweis darauf, es könne ja auch sein, dass derjenige, der neben einer laufenden Betonmischmaschine angetroffen worden sei, diese gar nicht befülle, ist jedenfalls auch nicht ansatzweise dazu geeignet, ernstliche Zweifel an den tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Würdigung durch das Verwaltungsgericht zu begründen.

8

2. Soweit der Kläger die Zulassung der Berufung gemäß §§ 64 Abs. 2 DG LSA, 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO mit einem Verfahrensmangel begründen will, hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg.

9

Die dem Gericht obliegende Sachverhaltserforschungspflicht geht nur so weit, als dies für die Entscheidung des Gerichts erforderlich ist, also wenn und soweit es nach der Rechtsauffassung des Gerichts - selbst wenn diese unzutreffend sein sollte - hierauf entscheidungserheblich ankommt. Ein Gericht verletzt seine Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht, wenn es den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Sachverhalt etwa aufgrund der beigezogenen Verwaltungsvorgänge für aufgeklärt hält oder von einer Beweisaufnahme absieht, die ein Rechtsanwalt nicht in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO entsprechenden Form beantragt hat (vgl. B. des Senats vom 23.08.2011 - 10 L 4/11; juris m. w. N.). Im Übrigen kann der Kläger auch deswegen kein Gehör finden, weil er es - anwaltlich und damit rechtskundig vertreten - versäumt hat, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 17. Januar 2013, in welcher die Sach- und Rechtslage „ausführlich“ erörtert wurde, einen Beweisantrag gemäß § 86 Abs. 2 VwGO zu stellen. Damit hat er sich der Möglichkeit begeben, auf eine weitere und von ihm als geboten angesehene Sachverhaltsaufklärung hinzuwirken.

10

3. Hinsichtlich der Höhe der zu verhängenden Sanktion hat das Verwaltungsgericht - ohne dass der Kläger dem überhaupt entgegengetreten ist - zunächst mit Recht berücksichtigt, dass der Kläger bereits aufgrund eines ihm im Jahr 2006 erteilten Verweises disziplinarrechtlich vorbelastet ist. Im Übrigen gebietet nicht nur das Versagen des Klägers im Kernbereich seiner Dienstpflichten als Polizeibeamter, sondern vor allem seine Uneinsichtigkeit in eigenes Fehlverhalten - verbunden mit dem Versuch, Fehler immer bei Anderen zu suchen - die Verhängung einer für einen längeren Zeitraum spürbaren Sanktion. Die erkannte Kürzung der Dienstbezüge erscheint daher dem Senat keinesfalls als überzogen und soll dem Kläger klar vor Augen halten, dass er sich künftig an seine Dienstpflichten zu halten hat.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtsgebührenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 73 Abs. 1 Satz 1 DG LSA.

12

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 64 Abs. 2 DG LSA i. V. m. §§ 124 Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO).


(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.