Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 11. Sept. 2014 - 2 K 1499/14

bei uns veröffentlicht am11.09.2014

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 29.08.2013 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.04.2014 verpflichtet, die zuletzt vom Kläger beantragte Baugenehmigung für die Errichtung eines Aufzugturms zu erteilen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Außenaufzugs, der über einen Steg mit seinem Wohnhaus verbunden werden soll.
Der Kläger ist Eigentümer des (Hang)Grundstücks Flst.-Nr. ... auf der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstück wird an seiner talseitigen Grenze durch die ... erschlossen. Es liegt (u.a.) im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. ... „...“ (...), der ein reines Wohngebiet festsetzt und für das Grundstück eine Baugrenze festlegt, an der das auf dem Grundstück stehende Wohnhaus errichtet ist. Ausweislich der schriftlichen Festsetzungen des Bebauungsplans kann gemäß § 23 Abs. 2 und 3 BauNVO als Ausnahme ein Vortreten von Gebäudeteilen bis zu 1/3 der Gebäudelänge, jedoch höchstens bis zu 10 m Länge bis zu 1,00 m vor die festgesetzte Baugrenze zugelassen werden.
Am 28.09.2012 beantragte der Kläger eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Aufzuganlage mit Steg und einer Garage (erdüberdeckt). Den eingereichten Bauvorlagen zufolge soll der 12,55 m hohe Aufzugturm in einer Entfernung von 6,57 m vom Wohnhaus errichtet und in einer Höhe von 8,65 m über einen Steg mit dem vor dem Wohngebäude befindlichen Eingangsbereich (oberer Treppenabsatz) verbunden werden. Der Eingang des Aufzugs soll im hinteren Teil einer von derzeit drei - an der Grundstücksgrenze errichteten - Garagen erstellt werden und von dort der Überbrückung des erheblichen Höhenunterschieds zwischen Garagen und Wohnhaus dienen.
Einen gleichlautenden Antrag hatte der Kläger bereits im Jahr 2010 gestellt. Nachdem die Beklagte hinsichtlich dieses Antrag rechtliche Bedenken geäußert hatte, hatte der Kläger - in Absprache mit der Beklagten - in einem weiteren Bauantrag den Standort des Aufzugs 3 m näher an das Haus verlegt; eine entsprechende Baugenehmigung wurde erteilt. Im Folgenden teilte der Kläger jedoch mit, die nunmehr genehmigte Variante erhöhe die Baukosten von rund 90.000,- Euro auf rund 190.000,- Euro, so dass er doch die Genehmigung der ursprünglichen Variante beantrage. Ein Anspruch leite sich ab aus der UN-Behindertenrechtskonvention, weil seine Lebensgefährtin an einer - durch ein fachärztliches Attest belegten - Polyarthrose leide und deswegen Schwierigkeiten beim Treppensteigen habe.
Mit Bescheid vom 29.08.2013 lehnte die Beklagte die Baugenehmigung sowie eine Befreiung von der festgesetzten Baugrenze ab. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB komme nicht in Betracht, weil hierdurch die Grundzüge der Planung berührt würden. Gerade bei Hanglangen zähle die Festlegung der Baugrenzen zu einem tragenden Bestandteil der Planungskonzeption. Nichts anderes folge aus der UN-Behindertenrechtskonvention. Insbesondere könnten die Vorschriften der Konvention nicht im Rahmen der Auslegung des Begriffs der „nicht beabsichtigten Härte“ im Sinne von § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB berücksichtigt werden, weil persönliche Verhältnisse des Bauherrn im Baurecht grundsätzlich keine Rolle spielen dürften. Selbst wenn man den Aufzug als untergeordnete Nebenanlage im Sinne von § 14 BauNVO ansehen wollte, käme deren Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO nicht in Betracht, weil der Aufzug nicht im Verhältnis zum Wohnhaus „untergeordnet“ im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sei. Eine danach auch erforderliche optische Unterordnung sei angesichts der Größe des Turms nicht gegeben. Im Übrigen sei bislang eine tatsächliche Behinderung der Lebensgefährtin auch nicht ausreichend nachgewiesen. Im ersten Bauantrag sei von einer Behinderung noch keine Rede gewesen. Auch seien alternative Lösungen wie ein Schrägaufzug am Hang, ein Treppenlift usw. hinsichtlich ihrer technischen und finanziellen Umsetzbarkeit nicht im Detail untersucht worden.
In seinem gegen den ablehnenden Bescheid erhobenen Widerspruch führte der Kläger aus, den vorgelegten Vergleichsberechnungen zufolge gebe es keine zumutbare Alternative zu der beabsichtigten Planung. Ein Treppenlift sei aus technischen Gründen nicht möglich, weil der lange und steile Aufgang von der Straße zum Wohngebäude nicht nur Kurven in lediglich einer Richtung aufweise, sondern auch gegenläufige Kurven vorhanden seien. Das Bauvorhaben müsse bereits nach § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO zugelassen werden: Der Aufzugturm sei weder unter räumlichen noch unter funktionalen Gesichtspunkten ein Bestandteil des Hauptgebäudes, weil er nicht mit dem Gebäude verbunden werde und auch dessen Wohnfläche nicht vergrößert werde.
Eine Befreiung würde die Grundzüge der Planung nicht berühren. In der Begründung des Bebauungsplans Nr. ... finde sich keine Begründung für die Festsetzung der Baugrenzen. Allenfalls gehe aus der Begründung hervor, dass mit der Baugrenze die Aussicht von den Grundstücken auf den gegenüberliegenden Wald des ... gesichert werden sollte. Eine Beeinträchtigung der Aussicht sei durch den Aufzugturm allerdings nicht zu befürchten. Die UN-Behindertenrechtskonvention binde das Ermessen dahingehend, dass eine Befreiung erteilt werden müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2014 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch als unbegründet zurück. Es fehle an der Unterordnung der Aufzuganlage zum Wohnhaus im Sinne von § 14 Abs. 1 BauNVO, weil insoweit die Höhe des Aufzugturms nicht außer Betracht bleiben könne. Der Aufzugturm habe eine Höhe von 12 m und trete damit als separater, massiver Baukörper in Erscheinung, der sich in seiner Höhenentwicklung der auf dem Baugrundstück vorhandenen Immobilie nicht mehr unterordne. Er erreiche etwa die Höhe des oberen Balkongeländers. Die optisch dominante Wirkung des Aufzugturms werde noch verstärkt durch den 6 m langen Steg, der zum Hauseingang des Gebäudes führe. Die Unterordnung lasse sich auch nicht damit begründen, dass der Aufzugturm begrünt werde und sich dadurch in die vorhandene Bepflanzung einfüge, weil dies jederzeit etwa durch Abholzen des Geländes geändert werden könne. Der Aufzug sei auch nicht mit einem Schrägaufzug vergleichbar, wie er Gegenstand des Urteils des VG Karlsruhe vom 20.10.1998 - 3 K 1907/98 - (juris) gewesen sei. Die Baugrenze stelle einen Grundzug der Planung im Sinne von § 31 Abs. 2 BauGB dar. Auch liege kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 5 Abs. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention vor, weil die Konvention nur im Rahmen einer hier aber nicht vorliegenden Ermessensausübung eine Rolle spielen könne. Schließlich werde durchaus gesehen, dass gerade in Wohngebieten mit hangseitiger Bebauung technische Lösungen gefunden werden müssten, um den Bewohnern gerade auch im Alter einen Zugang zum Wohngebäude zu erleichtern. Die Beklagte habe sich deswegen um tragbare Kompromisslösungen bemüht. Allein die vom Kläger angeführten erheblichen Mehrkosten könnten aber nicht dazu führen, die Vorgaben des Baurechts beiseite zu schieben, um individuellen Wünschen einzelner Bauherren gerecht zu werden. Auch im Hinblick auf die Schaffung etwaiger Präzedenzfälle müssten Lösungen zur Herstellung einer leichteren Zugangsmöglichkeit zum Wohnhaus auch rechtlich noch vertretbar sein.
Der Kläger hat am 19.05.2014 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, er könne nicht ersehen, ob der Bebauungsplan insoweit ordnungsgemäß ausgefertigt sei, als unter dem auf dem Bebauungsplan aufgebrachten Vermerk über dessen Inkrafttreten lediglich „gez. Dr. ...“ angegeben sei. Er legt ein bodenmechanisches Gutachten vor, dass im Einzelnen die Gründe für die erheblichen Mehrkosten des Aufzugbaus in seiner gegenwärtig bereits genehmigten Form erläutere. Die unmittelbar angrenzenden Nachbarn hätten dem Bau zugestimmt. Auch liege eine Unterordnung im Sinne von § 14 BauNVO vor, weil insoweit die Umstände des Einzelfalles, hier die topografischen Besonderheiten, nicht außer Betracht bleiben dürften. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 18.02.1983 - 4 C 18/81 - bei einer Windenergieanlage trotz der das Wohnhaus um etliche Meter überragenden Höhe des Mastes eine Nebenanlage angenommen. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht im Falle einer Tragluftschwimmhalle trotz deren Größe eine Unterordnung angenommen (Urteil vom 17.12.1976 - IV C 6/75 -, juris). Aufgrund der topographischen Situation könnten sich bei in den Hang gebauten Gebäuden die Proportionen erheblich verschieben. So seien als Zugang zu den oberhalb des Steilhanges gelegenen Wohngebäuden mächtige und aufwendige Treppenanlagen und Stützmauern erforderlich. Bei einer starr an der Größe dieser Anlagen orientierten Betrachtung müsse man auch solche Anlagen als nicht mehr untergeordnet ansehen. Hier müsse zudem berücksichtigt werden, dass der Aufzug nur eine Grundfläche von ca. 5 m² habe und durch umfangreiche gestalterische Maßnahmen (Begrünung etc.) in die Umgebung eingefügt werde. Im Rahmen des somit nach § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO eröffneten Ermessens müsse dem Aspekt der Barrierefreiheit Rechnung getragen werden. Insbesondere § 35 Abs. 1 LBO zeige, dass dem Aspekt der Barrierefreiheit nach dem Willen des Gesetzgebers ein hoher Stellenwert zukomme. Auch bestimme Art. 20 a) der UN-Behindertenrechtskonvention, dass behinderte Menschen u.a. das Recht auf Sicherstellung ihrer persönlichen Mobilität zu erschwinglichen Kosten hätten. Hieraus folge eine Ermessensreduktion auf Null. Der Kläger legt einen Bescheid aus dem Jahr 2010 vor, der hinsichtlich seiner Lebensgefährtin einen Grad der Behinderung von 30 feststellt. Weiter führt er aus, es liege eine nicht beabsichtigte Härte im Sinne von § 31 Abs. 2 BauNVO vor, weil der Plangeber zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplans die Belange mobilitätseingeschränkter Personen bei der Überplanung derartiger topographisch schwieriger Grundstücke nicht in den Blick genommen habe. Außerdem habe der Architekt mitgeteilt, dass es noch eine andere - etwas teurere - Aufzugkabine gebe, bei der die Höhe des geplanten Aufzuggebäudes um 80 cm niedriger ausgeführt werden könne. Er reduziere deshalb den streitgegenständlichen Bauantrag auf die neue Gesamthöhe der Aufzuganlage.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 29.08.2013 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.04.2014 zu verpflichten, die zuletzt beantragte Baugenehmigung für die Errichtung eines Aufzugturms zu erteilen.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgelegten Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Der Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung; die Ablehnung der Baugenehmigung war rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
17 
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens seinen Bauantrag geändert hat und nunmehr die Genehmigung der Errichtung eines um 80 cm niedrigeren Aufzugturms begehrt. Insoweit handelt es sich um eine nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Beschränkung des Klagantrags, weil sich das nunmehr zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben als lediglich geringfügige Verkleinerung der ursprünglich beabsichtigten Variante darstellt. Insoweit entfällt auch die Erforderlichkeit der Durchführung eines (erneuten) Baugenehmigungs- und Widerspruchsverfahrens hinsichtlich des geänderten Antrags (vgl. Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 5. Auflage 2010, § 68 Rn. 30 m.w.N.). Zudem hat die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Genehmigung des verkleinerten Aufzugs aus den gleichen Gründen wie bei der bisherigen Variante ablehnt und sich damit auch auf den geänderten Klageantrag rügelos eingelassen (vgl. auch insoweit Funke-Kaiser, a.a.O., Rn. 33).
18 
Die Klage ist auch begründet. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO. Nach dieser Vorschrift können - wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist - auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO zugelassen werden.
19 
Der vom Kläger geplante Außenaufzug stellt eine Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dar. Nebenanlagen im Sinne dieser Vorschrift sind untergeordnete Nebenanlagen, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine untergeordnete Nebenanlage vor, wenn die Nebenanlage sowohl nach ihrer Funktion als auch räumlich-gegenständlich dem primären Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder dem Nutzungszweck des Baugebiets sowie der diesem Nutzungszweck entsprechenden Bebauung dienend zu- und untergeordnet ist (BVerwG, Urteil von 18.02.1983 - 4 C 18.81 -, BVerwGE 67, 23, juris Rn. 18).
20 
Die Beteiligten bejahen übereinstimmend die funktionale Zu- und Unterordnung sowie die räumlich-gegenständliche Zuordnung des Aufzugs in Bezug auf das Wohnhaus des Klägers. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Bauvorhaben dem bereits bestehenden Wohnhaus darüber hinaus auch räumlich-gegenständlich untergeordnet.
21 
An einer erkennbaren räumlich-gegenständlichen - und damit auch optischen - Unterordnung fehlt es nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Nebenanlage wegen ihrer Abmessungen als der Hauptanlage gleichwertig erscheint oder diese gar optisch verdrängt, mit anderen Worten: „wenn sie den Eindruck einer dienenden Funktion gegenüber der Hauptanlage gar nicht erst aufkommen lässt“. Dabei kommt es hinsichtlich der optischen Wirkung auf das gesamte bauliche Volumen einer Anlage an, so dass etwa eine etliche Meter über die Firsthöhe eines Wohnhauses hinausragende Windkraftanlage trotz der Höhe des Mastes und der Größe des vom Rotor bestrichenen Luftraumes wegen ihres geringen baulichen Volumens in der optischen Wirkung derart zurücktreten kann, dass sie gegenüber einem Einfamilienhaus, dessen Beheizung sie dient, auch räumlich-gegenständlich als untergeordnet erscheint (vgl. BVerwG, Urteil von 18.02.1983, a.a.O.; ebenso VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.07.2014 - 8 S 39/14 -, juris Rn. 10; vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil vom 20.10.1998 - 3 K 1907/98 -, juris Rn. 43 hinsichtlich eines Schrägaufzugs). Eine den Zugang zu einem Wohnhaus ermöglichende Außenaufzuganlage wird allenfalls in ungewöhnlichen Ausnahmefällen Abmessungen aufweisen, die der Hauptanlage gleichwertig erscheinen oder die die Hauptanlage gar optisch verdrängen.
22 
Gemessen hieran ist die räumlich-gegenständliche - auch optische - Unterordnung des vom Kläger geplanten Außenaufzugs zu bejahen. Schon angesichts des im Verhältnis zum Wohnhaus viel geringeren Bauvolumens kann keine Rede davon sein, dass die Aufzuganlage aufgrund ihrer Erscheinung „den Eindruck einer dienenden Funktion gegenüber der Hauptanlage gar nicht erst aufkommen“ lässt. Im Gegenteil liegt - auch unabhängig vom geringen Bauvolumen - die dienende Funktion auch räumlich-gegenständlich und in optischer Hinsicht geradezu auf den Hand. Der Aufzugturm ist deutlich niedriger als das Wohnhaus und dient ersichtlich der Ergänzung der bereits vorhandenen, in ihrem Bauvolumen den Aufzug deutlich übertreffenden Treppenanlage, die den erheblichen Höhenunterschied zwischen der zur Erschließung dienenden Straße und dem Wohnhaus des Klägers überwinden muss. Schon insoweit erscheint es ausgeschlossen, dass beim Betrachter des Aufzugturms der Eindruck entstehen könnte, der Aufzug sei keine der Hauptanlage dienende Nebenanlage, sondern gewissermaßen selbst eine Hauptanlage. Unabhängig hiervon tritt der Aufzug optisch trotz seiner Höhe aufgrund der Hanglage und des intensiven Bewuchses des Hanges auch mit größeren Bäumen nur verhältnismäßig geringfügig in Erscheinung. Hinzu kommt, dass der Aufzug sowie der zum Wohnhaus führende Steg nach den zur Genehmigung gestellten Plänen in optischer Hinsicht so unauffällig wie möglich gestaltet werden wird, indem etwa der gesamte Turm begrünt und zudem in an die Umgebung angepassten Farben bzw. Materialien erstellt werden soll.
23 
Das Bauvorhaben widerspricht auch nicht der Eigenart eines reinen Wohngebiets. Gerade in Baugebieten wie dem vorliegenden mit großzügigen freistehenden Einfamilienhäusern und hangseitiger Bebauung im oberen Bereich der Grundstücke entsprechen Aufzuganlagen heutzutage durchaus der Eigenart eines Wohngebietes, wenn technische Möglichkeiten gefunden werden, um den Zugang zum Wohngebäude zu erleichtern und sich unterirdische Zugangsmöglichkeiten als technisch zu aufwendig und kostspielig erweisen (so VG Karlsruhe, a.a.O.).
24 
Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Genehmigung des Bauvorhabens, weil das der Baubehörde durch § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO eingeräumte Ermessen im vorliegenden Fall auf Null reduziert ist. Die Kammer geht davon aus, dass das im Rahmen von § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO von der Baurechtsbehörde auszuübende Ermessen regelmäßig zugunsten des Bauherrn auf Null reduziert ist, soweit zuzulassende Nebenanlagen der Herstellung eines barrierefreien Zugangs zu einer auf einem Grundstück vorhandenen Hauptnutzung dienen.
25 
Bauliche Anlage, die überwiegend von behinderten oder alten Menschen genutzt werden, sind gemäß § 39 Abs. 1 LBO so herzustellen, dass sie von diesen Personen zweckentsprechend ohne fremde Hilfe genutzt werden können (barrierefreie Anlagen). Damit konkretisiert § 39 Abs. 1 LBO für das baden-württembergische Landesbaurecht das rechtliche Gebot der Barrierefreiheit, welches heutzutage Bestandteil vieler (Teil-)Bereiche und aller Hierarchieebenen des Öffentlichen Rechts ist (vgl. etwa Art. 21, 26 EUGrdRCh; Art. 1 Abs. 2, Art. 9 UN-Behindertenrechtskonvention; Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG; Art. 2a LV; §§ 4, 8 BGG; §§ 3, 7 L-BGG; siehe auch etwa Welti, Rechtliche Voraussetzungen der Barrierefreiheit, NVwZ 2012, 725 ff.) und welches - grob umschrieben - verlangt, dass Menschen mit Einschränkungen (insbesondere, aber nicht nur motorischer Natur) ohne fremde Hilfe Zugang zu allen für eine selbstbestimmte Lebensführung erforderlichen öffentlichen oder privaten Einrichtungen haben sollen.
26 
In der deutschen Rechtsordnung findet sich das Gebot der Barrierefreiheit in unterschiedlichen Ausprägungen und mit im Detail abweichenden Gewährleistungsgehalten. Berechtigte des Gebots sind in der Regel Menschen mit Behinderung, wobei sich der Behindertenbegriff in den letzten Jahren zunehmend vom verhältnismäßig eher engen Konzept des älteren deutschen Schwerbehindertenrechts (vgl. § 3 Abs. 1 SchwbG in der bis zum 30.06.2001 geltenden Fassung) gelöst hat und vor allem durch völkerrechtliche und unionsrechtliche Einflüsse heute zunehmend alle die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigenden und nicht nur vorübergehenden physischen oder psychischen Einschränkungen erfasst (vgl. etwa Art. 1 Abs. 2 UN-Behindertenrechtskonvention; § 2 Abs. 1 SGB IX; BAG, Urteil vom 19.12.2013 - 6 AZR 190/12 -, juris Rn. 70 ff.). Anspruchsverpflichtete sind neben Hoheitsträgern zunehmend auch Privatpersonen, beispielsweise durch im öffentlichen Baurecht enthaltene Gebote zur Schaffung barrierefreien Wohnraums, barrierefreier Bürogebäude, Gaststätten usw. (vgl. etwa §§ 35 Abs. 1, 39 Abs. 2 Nr. 14, 17 LBO). Hinsichtlich seines Gewährleistungsgehalts zeichnet sich das Gebot der Barrierefreiheit dadurch aus, dass es nicht nur eine Abwehrdimension in Form eines Eingriffs- und Diskriminierungsverbotes, sondern darüber hinaus in besonders ausgeprägter Weise auch eine positives Handeln von öffentlichen und privaten Rechtsträgern fordernde Leistungsdimension aufweist (vgl. etwa § 8 BBG; §§ 4, 17 ff. SGB IX; allgemein hinsichtlich Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG: BVerfG, Beschluss vom 08.10.1997 - 1 BvR 9/97 -, BVerfGE 96, 288, juris Rn. 67 ff.).
27 
Nach Ansicht der Kammer folgt aus dem Prinzip der Barrierefreiheit eine Steuerwirkung für das der Baurechtsbehörde im Rahmen von § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO zustehende Ermessen, soweit über die Zulassung von Nebenanlagen zu entscheiden ist, die der Herstellung eines barrierefreien Zugangs zu einer auf einem Grundstück vorhandenen Hauptnutzung dienen. Dabei ist im Rahmen der Ermessensausübung zum einen zu berücksichtigten, dass aus dem Prinzip der Barrierefreiheit in seiner Ausprägung für das Baurecht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Herstellung barrierefreier baulicher Anlagen folgt. Eine Ablehnung der Zulassung eines die Barrierefreiheit einer baulichen Anlage dienenden Bauvorhabens im Rahmen von § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO wird deswegen nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen bei Vorliegen konkreter und überwiegender gegenläufiger Belange in Betracht kommen. Zum anderen sind im jeweiligen Einzelfall die subjektiven Interessen des Bauherrn an der Herstellung einer barrierefreien baulichen Anlage zu berücksichtigen. Dabei wird tendenziell das Gewicht seines Interesses an einer barrierefreien baulichen Anlage umso größer sein, je mehr eine behördliche Verweigerung der Herstellung der Barrierefreiheit die Möglichkeiten des Bauherrn zu einem selbstbestimmten Leben beeinträchtigt, etwa wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung einer Barrierefreiheit des selbst genutzten Wohnraums dienen soll. Eine weitere Verstärkung erfährt das subjektive Interesse des Bauherrn an der Schaffung barrierefreier baulicher Anlagen über die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, wenn der Bauherr mit der Baumaßnahme den barrierenfreien Umbau des in seinem Eigentum stehenden Wohnraums beabsichtigt. Insoweit muss im Rahmen der behördlichen Entscheidung berücksichtigt werden, dass die Verweigerung des barrierefreien Umbaus einer selbstgenutzten Wohnimmobilie nicht selten dazu führen wird, dass der Eigentümer (der seinen Wohnraum - schon aufgrund der damit meist verbundenen erheblichen Kosten - regelmäßig nicht ohne Not barrierefrei wird umbauen wollen) zum Verkauf seiner jedenfalls langfristig für ihn nicht mehr nutzbaren Immobilie gezwungen sein wird. Dabei kann es nach Auffassung des Gerichts keine wesentliche Rolle spielen, ob der Bauherr oder seine Angehörigen bereits zum Zeitpunkt der Vornahme der zuzulassenden baulichen Maßnahme Einschränkungen im Sinne einer Behinderung unterliegen. Jedenfalls für den Bereich des baden-württembergischen Baurechts umfasst der in § 39 Abs. 1 LBO legaldefinierte Begriff der Barrierefreiheit auch die Nutzung baulicher Anlagen ohne fremde Hilfe durch alte Menschen. Da mit altersbedingten Einschränkungen die meisten Menschen irgendwann rechnen müssen, ist nicht einzusehen, warum ein Bauherr mit der (Um-)Gestaltung seines Wohnraums im Sinne einer Barrierefreiheit bis zum Eintritt solcher Einschränkungen warten müssen soll.
28 
Gemessen hieran ist das Ermessen der Beklagten im Rahmen von § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO dergestalt auf Null reduziert, dass der vom Kläger beantragte Aufzugturm zuzulassen ist. Wie das Gericht im Rahmen der vor dem Anwesen des Klägers durchgeführten mündlichen Verhandlung feststellen konnte, ist das Wohnhaus des Klägers aufgrund der starken Hanglange des von unten erschlossenen Grundstücks nur über einen sehr langen und steilen Treppenaufgang zu erreichen. Für in ihrer Beweglichkeit eingeschränkte Personen ist das Wohnhaus damit - insbesondere bei ungünstigen Witterungsverhältnissen oder bei Mitnahme von Einkäufen etc. - sehr schwer oder gar nicht zu erreichen. Es ist damit absehbar, dass der Kläger bzw. seine Lebensgefährtin das Haus ohne einen barrierefreien Zugang spätestens bei fortschreitendem Alter nicht mehr werden nutzen können, zumal die Lebensgefährtin bereits heute an mit einem Grad der Behinderung von 30 bewerteten Funktionsbeeinträchtigungen beider Kniegelenke leidet. Anhaltspunkte für gegenläufige Belange, die ausnahmsweise eine Nichtzulassung des Bauvorhabens rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Unmaßgeblich ist es nach Ansicht der Kammer insbesondere, ob es andere bauliche Lösungen für die Schaffung eines barrierefreien Zugangs zum Wohnhaus des Klägers geben könnte, die optisch weniger in Erscheinung treten als der geplante Aufzugturm. Solange die optische Wirkung einer baulichen Anlage nicht dazu führt, dass diese nicht mehr als gemäß § 14 Abs. 1 BauNVO (ggfs. in Verbindung mit § 15 BauNVO) zulässige Nebenanlage qualifiziert werden kann, besteht kein öffentliches Interesse daran, diese optisch möglichst unauffällig zu gestalten.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
30 
Beschluss
31 
Der Streitwert wird in Abänderung des vorläufigen Streitwertbeschlusses vom 20.05.2014 gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt (in Anlehnung an Nr. 9.1.2.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 erachtet die Kammer einen Streitwert in Höhe von 10 Prozent der mit der jetzt zu genehmigenden Variante eingesparten Rohbaukosten für den Aufzugturm für angemessen).
32 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
16 
Der Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung; die Ablehnung der Baugenehmigung war rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
17 
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens seinen Bauantrag geändert hat und nunmehr die Genehmigung der Errichtung eines um 80 cm niedrigeren Aufzugturms begehrt. Insoweit handelt es sich um eine nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Beschränkung des Klagantrags, weil sich das nunmehr zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben als lediglich geringfügige Verkleinerung der ursprünglich beabsichtigten Variante darstellt. Insoweit entfällt auch die Erforderlichkeit der Durchführung eines (erneuten) Baugenehmigungs- und Widerspruchsverfahrens hinsichtlich des geänderten Antrags (vgl. Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 5. Auflage 2010, § 68 Rn. 30 m.w.N.). Zudem hat die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Genehmigung des verkleinerten Aufzugs aus den gleichen Gründen wie bei der bisherigen Variante ablehnt und sich damit auch auf den geänderten Klageantrag rügelos eingelassen (vgl. auch insoweit Funke-Kaiser, a.a.O., Rn. 33).
18 
Die Klage ist auch begründet. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO. Nach dieser Vorschrift können - wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist - auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO zugelassen werden.
19 
Der vom Kläger geplante Außenaufzug stellt eine Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dar. Nebenanlagen im Sinne dieser Vorschrift sind untergeordnete Nebenanlagen, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine untergeordnete Nebenanlage vor, wenn die Nebenanlage sowohl nach ihrer Funktion als auch räumlich-gegenständlich dem primären Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder dem Nutzungszweck des Baugebiets sowie der diesem Nutzungszweck entsprechenden Bebauung dienend zu- und untergeordnet ist (BVerwG, Urteil von 18.02.1983 - 4 C 18.81 -, BVerwGE 67, 23, juris Rn. 18).
20 
Die Beteiligten bejahen übereinstimmend die funktionale Zu- und Unterordnung sowie die räumlich-gegenständliche Zuordnung des Aufzugs in Bezug auf das Wohnhaus des Klägers. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Bauvorhaben dem bereits bestehenden Wohnhaus darüber hinaus auch räumlich-gegenständlich untergeordnet.
21 
An einer erkennbaren räumlich-gegenständlichen - und damit auch optischen - Unterordnung fehlt es nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Nebenanlage wegen ihrer Abmessungen als der Hauptanlage gleichwertig erscheint oder diese gar optisch verdrängt, mit anderen Worten: „wenn sie den Eindruck einer dienenden Funktion gegenüber der Hauptanlage gar nicht erst aufkommen lässt“. Dabei kommt es hinsichtlich der optischen Wirkung auf das gesamte bauliche Volumen einer Anlage an, so dass etwa eine etliche Meter über die Firsthöhe eines Wohnhauses hinausragende Windkraftanlage trotz der Höhe des Mastes und der Größe des vom Rotor bestrichenen Luftraumes wegen ihres geringen baulichen Volumens in der optischen Wirkung derart zurücktreten kann, dass sie gegenüber einem Einfamilienhaus, dessen Beheizung sie dient, auch räumlich-gegenständlich als untergeordnet erscheint (vgl. BVerwG, Urteil von 18.02.1983, a.a.O.; ebenso VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.07.2014 - 8 S 39/14 -, juris Rn. 10; vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil vom 20.10.1998 - 3 K 1907/98 -, juris Rn. 43 hinsichtlich eines Schrägaufzugs). Eine den Zugang zu einem Wohnhaus ermöglichende Außenaufzuganlage wird allenfalls in ungewöhnlichen Ausnahmefällen Abmessungen aufweisen, die der Hauptanlage gleichwertig erscheinen oder die die Hauptanlage gar optisch verdrängen.
22 
Gemessen hieran ist die räumlich-gegenständliche - auch optische - Unterordnung des vom Kläger geplanten Außenaufzugs zu bejahen. Schon angesichts des im Verhältnis zum Wohnhaus viel geringeren Bauvolumens kann keine Rede davon sein, dass die Aufzuganlage aufgrund ihrer Erscheinung „den Eindruck einer dienenden Funktion gegenüber der Hauptanlage gar nicht erst aufkommen“ lässt. Im Gegenteil liegt - auch unabhängig vom geringen Bauvolumen - die dienende Funktion auch räumlich-gegenständlich und in optischer Hinsicht geradezu auf den Hand. Der Aufzugturm ist deutlich niedriger als das Wohnhaus und dient ersichtlich der Ergänzung der bereits vorhandenen, in ihrem Bauvolumen den Aufzug deutlich übertreffenden Treppenanlage, die den erheblichen Höhenunterschied zwischen der zur Erschließung dienenden Straße und dem Wohnhaus des Klägers überwinden muss. Schon insoweit erscheint es ausgeschlossen, dass beim Betrachter des Aufzugturms der Eindruck entstehen könnte, der Aufzug sei keine der Hauptanlage dienende Nebenanlage, sondern gewissermaßen selbst eine Hauptanlage. Unabhängig hiervon tritt der Aufzug optisch trotz seiner Höhe aufgrund der Hanglage und des intensiven Bewuchses des Hanges auch mit größeren Bäumen nur verhältnismäßig geringfügig in Erscheinung. Hinzu kommt, dass der Aufzug sowie der zum Wohnhaus führende Steg nach den zur Genehmigung gestellten Plänen in optischer Hinsicht so unauffällig wie möglich gestaltet werden wird, indem etwa der gesamte Turm begrünt und zudem in an die Umgebung angepassten Farben bzw. Materialien erstellt werden soll.
23 
Das Bauvorhaben widerspricht auch nicht der Eigenart eines reinen Wohngebiets. Gerade in Baugebieten wie dem vorliegenden mit großzügigen freistehenden Einfamilienhäusern und hangseitiger Bebauung im oberen Bereich der Grundstücke entsprechen Aufzuganlagen heutzutage durchaus der Eigenart eines Wohngebietes, wenn technische Möglichkeiten gefunden werden, um den Zugang zum Wohngebäude zu erleichtern und sich unterirdische Zugangsmöglichkeiten als technisch zu aufwendig und kostspielig erweisen (so VG Karlsruhe, a.a.O.).
24 
Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Genehmigung des Bauvorhabens, weil das der Baubehörde durch § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO eingeräumte Ermessen im vorliegenden Fall auf Null reduziert ist. Die Kammer geht davon aus, dass das im Rahmen von § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO von der Baurechtsbehörde auszuübende Ermessen regelmäßig zugunsten des Bauherrn auf Null reduziert ist, soweit zuzulassende Nebenanlagen der Herstellung eines barrierefreien Zugangs zu einer auf einem Grundstück vorhandenen Hauptnutzung dienen.
25 
Bauliche Anlage, die überwiegend von behinderten oder alten Menschen genutzt werden, sind gemäß § 39 Abs. 1 LBO so herzustellen, dass sie von diesen Personen zweckentsprechend ohne fremde Hilfe genutzt werden können (barrierefreie Anlagen). Damit konkretisiert § 39 Abs. 1 LBO für das baden-württembergische Landesbaurecht das rechtliche Gebot der Barrierefreiheit, welches heutzutage Bestandteil vieler (Teil-)Bereiche und aller Hierarchieebenen des Öffentlichen Rechts ist (vgl. etwa Art. 21, 26 EUGrdRCh; Art. 1 Abs. 2, Art. 9 UN-Behindertenrechtskonvention; Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG; Art. 2a LV; §§ 4, 8 BGG; §§ 3, 7 L-BGG; siehe auch etwa Welti, Rechtliche Voraussetzungen der Barrierefreiheit, NVwZ 2012, 725 ff.) und welches - grob umschrieben - verlangt, dass Menschen mit Einschränkungen (insbesondere, aber nicht nur motorischer Natur) ohne fremde Hilfe Zugang zu allen für eine selbstbestimmte Lebensführung erforderlichen öffentlichen oder privaten Einrichtungen haben sollen.
26 
In der deutschen Rechtsordnung findet sich das Gebot der Barrierefreiheit in unterschiedlichen Ausprägungen und mit im Detail abweichenden Gewährleistungsgehalten. Berechtigte des Gebots sind in der Regel Menschen mit Behinderung, wobei sich der Behindertenbegriff in den letzten Jahren zunehmend vom verhältnismäßig eher engen Konzept des älteren deutschen Schwerbehindertenrechts (vgl. § 3 Abs. 1 SchwbG in der bis zum 30.06.2001 geltenden Fassung) gelöst hat und vor allem durch völkerrechtliche und unionsrechtliche Einflüsse heute zunehmend alle die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigenden und nicht nur vorübergehenden physischen oder psychischen Einschränkungen erfasst (vgl. etwa Art. 1 Abs. 2 UN-Behindertenrechtskonvention; § 2 Abs. 1 SGB IX; BAG, Urteil vom 19.12.2013 - 6 AZR 190/12 -, juris Rn. 70 ff.). Anspruchsverpflichtete sind neben Hoheitsträgern zunehmend auch Privatpersonen, beispielsweise durch im öffentlichen Baurecht enthaltene Gebote zur Schaffung barrierefreien Wohnraums, barrierefreier Bürogebäude, Gaststätten usw. (vgl. etwa §§ 35 Abs. 1, 39 Abs. 2 Nr. 14, 17 LBO). Hinsichtlich seines Gewährleistungsgehalts zeichnet sich das Gebot der Barrierefreiheit dadurch aus, dass es nicht nur eine Abwehrdimension in Form eines Eingriffs- und Diskriminierungsverbotes, sondern darüber hinaus in besonders ausgeprägter Weise auch eine positives Handeln von öffentlichen und privaten Rechtsträgern fordernde Leistungsdimension aufweist (vgl. etwa § 8 BBG; §§ 4, 17 ff. SGB IX; allgemein hinsichtlich Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG: BVerfG, Beschluss vom 08.10.1997 - 1 BvR 9/97 -, BVerfGE 96, 288, juris Rn. 67 ff.).
27 
Nach Ansicht der Kammer folgt aus dem Prinzip der Barrierefreiheit eine Steuerwirkung für das der Baurechtsbehörde im Rahmen von § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO zustehende Ermessen, soweit über die Zulassung von Nebenanlagen zu entscheiden ist, die der Herstellung eines barrierefreien Zugangs zu einer auf einem Grundstück vorhandenen Hauptnutzung dienen. Dabei ist im Rahmen der Ermessensausübung zum einen zu berücksichtigten, dass aus dem Prinzip der Barrierefreiheit in seiner Ausprägung für das Baurecht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Herstellung barrierefreier baulicher Anlagen folgt. Eine Ablehnung der Zulassung eines die Barrierefreiheit einer baulichen Anlage dienenden Bauvorhabens im Rahmen von § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO wird deswegen nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen bei Vorliegen konkreter und überwiegender gegenläufiger Belange in Betracht kommen. Zum anderen sind im jeweiligen Einzelfall die subjektiven Interessen des Bauherrn an der Herstellung einer barrierefreien baulichen Anlage zu berücksichtigen. Dabei wird tendenziell das Gewicht seines Interesses an einer barrierefreien baulichen Anlage umso größer sein, je mehr eine behördliche Verweigerung der Herstellung der Barrierefreiheit die Möglichkeiten des Bauherrn zu einem selbstbestimmten Leben beeinträchtigt, etwa wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung einer Barrierefreiheit des selbst genutzten Wohnraums dienen soll. Eine weitere Verstärkung erfährt das subjektive Interesse des Bauherrn an der Schaffung barrierefreier baulicher Anlagen über die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, wenn der Bauherr mit der Baumaßnahme den barrierenfreien Umbau des in seinem Eigentum stehenden Wohnraums beabsichtigt. Insoweit muss im Rahmen der behördlichen Entscheidung berücksichtigt werden, dass die Verweigerung des barrierefreien Umbaus einer selbstgenutzten Wohnimmobilie nicht selten dazu führen wird, dass der Eigentümer (der seinen Wohnraum - schon aufgrund der damit meist verbundenen erheblichen Kosten - regelmäßig nicht ohne Not barrierefrei wird umbauen wollen) zum Verkauf seiner jedenfalls langfristig für ihn nicht mehr nutzbaren Immobilie gezwungen sein wird. Dabei kann es nach Auffassung des Gerichts keine wesentliche Rolle spielen, ob der Bauherr oder seine Angehörigen bereits zum Zeitpunkt der Vornahme der zuzulassenden baulichen Maßnahme Einschränkungen im Sinne einer Behinderung unterliegen. Jedenfalls für den Bereich des baden-württembergischen Baurechts umfasst der in § 39 Abs. 1 LBO legaldefinierte Begriff der Barrierefreiheit auch die Nutzung baulicher Anlagen ohne fremde Hilfe durch alte Menschen. Da mit altersbedingten Einschränkungen die meisten Menschen irgendwann rechnen müssen, ist nicht einzusehen, warum ein Bauherr mit der (Um-)Gestaltung seines Wohnraums im Sinne einer Barrierefreiheit bis zum Eintritt solcher Einschränkungen warten müssen soll.
28 
Gemessen hieran ist das Ermessen der Beklagten im Rahmen von § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO dergestalt auf Null reduziert, dass der vom Kläger beantragte Aufzugturm zuzulassen ist. Wie das Gericht im Rahmen der vor dem Anwesen des Klägers durchgeführten mündlichen Verhandlung feststellen konnte, ist das Wohnhaus des Klägers aufgrund der starken Hanglange des von unten erschlossenen Grundstücks nur über einen sehr langen und steilen Treppenaufgang zu erreichen. Für in ihrer Beweglichkeit eingeschränkte Personen ist das Wohnhaus damit - insbesondere bei ungünstigen Witterungsverhältnissen oder bei Mitnahme von Einkäufen etc. - sehr schwer oder gar nicht zu erreichen. Es ist damit absehbar, dass der Kläger bzw. seine Lebensgefährtin das Haus ohne einen barrierefreien Zugang spätestens bei fortschreitendem Alter nicht mehr werden nutzen können, zumal die Lebensgefährtin bereits heute an mit einem Grad der Behinderung von 30 bewerteten Funktionsbeeinträchtigungen beider Kniegelenke leidet. Anhaltspunkte für gegenläufige Belange, die ausnahmsweise eine Nichtzulassung des Bauvorhabens rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Unmaßgeblich ist es nach Ansicht der Kammer insbesondere, ob es andere bauliche Lösungen für die Schaffung eines barrierefreien Zugangs zum Wohnhaus des Klägers geben könnte, die optisch weniger in Erscheinung treten als der geplante Aufzugturm. Solange die optische Wirkung einer baulichen Anlage nicht dazu führt, dass diese nicht mehr als gemäß § 14 Abs. 1 BauNVO (ggfs. in Verbindung mit § 15 BauNVO) zulässige Nebenanlage qualifiziert werden kann, besteht kein öffentliches Interesse daran, diese optisch möglichst unauffällig zu gestalten.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
30 
Beschluss
31 
Der Streitwert wird in Abänderung des vorläufigen Streitwertbeschlusses vom 20.05.2014 gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt (in Anlehnung an Nr. 9.1.2.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 erachtet die Kammer einen Streitwert in Höhe von 10 Prozent der mit der jetzt zu genehmigenden Variante eingesparten Rohbaukosten für den Aufzugturm für angemessen).
32 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 11. Sept. 2014 - 2 K 1499/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 11. Sept. 2014 - 2 K 1499/14

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 11. Sept. 2014 - 2 K 1499/14 zitiert 20 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 264 Keine Klageänderung


Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes1.die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;2.der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert od

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 23 Überbaubare Grundstücksfläche


(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. (2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut wer

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 14 Nebenanlagen; Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen


(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht wide

Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen


Behindertengleichstellungsgesetz - BGG

Bundesbeamtengesetz - BBG 2009 | § 8 Stellenausschreibung


(1) Zu besetzende Stellen sind auszuschreiben. Bei der Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern muss die Ausschreibung öffentlich sein. Ausnahmen von den Sätzen 1 und 2 kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung regeln. (2) Die Art der Aussc

Behindertengleichstellungsgesetz - BGG | § 4 Barrierefreiheit


Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche

Behindertengleichstellungsgesetz - BGG | § 8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr


(1) Zivile Neu-, Um- und Erweiterungsbauten im Eigentum des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei g

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 11. Sept. 2014 - 2 K 1499/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 11. Sept. 2014 - 2 K 1499/14 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 09. Juli 2014 - 8 S 39/14

bei uns veröffentlicht am 09.07.2014

Tenor Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Dezember 2013 - 13 K 3224/13 - werden zurückgewiesen.Die Antragsteller zu 1 und 2 - als Gesamtschuldner - und die Antragstellerin zu 3 tragen jeweil

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Dez. 2013 - 6 AZR 190/12

bei uns veröffentlicht am 19.12.2013

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Januar 2012 - 6 Sa 2159/11 - aufgehoben.

Referenzen

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Dezember 2013 - 13 K 3224/13 - werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller zu 1 und 2 - als Gesamtschuldner - und die Antragstellerin zu 3 tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Beschwerden sind - entgegen der Auffassung der Beigeladenen -zulässig. Insbesondere sind sie innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet worden. Die Beschwerdeschrift vom 13.01.2013 enthält auch einen den Erfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Antrag. Zwar ist der ausdrücklich formulierte Antrag erkennbar unvollständig, denn wörtlich heißt es in der Beschwerdebegründungsschrift insoweit:
„unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Dezember 2013 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 7. August 2013 gegen“.
Jedoch kann ein ausdrücklicher Antrag sogar vollständig entbehrlich sein, wenn aufgrund der Beschwerdebegründung das Rechtsschutzziel unzweifelhaft feststeht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.07.2002 - 11 S 1293/02 - NVwZ 2002, 1388; Kaufmann, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01.01.2014, § 146 Rn. 13 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Das Antragsfragment lässt die angegriffene Entscheidung eindeutig erkennen. Die Beschwerdebegründung lässt allein den Schluss zu, dass mit den Beschwerden die vollständige Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller verfolgt werden soll, was sich aus Seite 5 der Beschwerdebegründung ergibt. Dort wird als Ziel der Beschwerde die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezeichnet.
II.
Die Beschwerden sind aber nicht begründet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 04.07.2013 anzuordnen. Gegenstand der angegriffenen Baugenehmigung ist die Errichtung „eines ökologischen Wohnhauses“ einschließlich einer Kleinwindkraftanlage (Windpillar). Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts keinen Anlass.
1. a) Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die in stets widerruflicher Weise genehmigte Kleinwindkraftanlage nicht gegen die mit dem „Stadtbauplan 1914/018 betreffend den Bereich bei den Hasenberg - Anlagen zwischen Osiander-Straße und Jägerhaus“ festgesetzte Art der baulichen Nutzung -Landhausgebiet (Baustaffel 9) der Ortsbausatzung der Antragsgegnerin vom 25.06.1935 (OBS) verstoße. Es handele sich bei ihr um eine zulässige Nebenanlage im Sinne von § 7 OBS. Zwar seien in der Vorschrift nur Stallgebäude, Kraftwagenräume und Waschhäuser ausdrücklich bezeichnet. Eine Auslegung der Regelung unter Berücksichtigung der nunmehr für Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung geltenden Vorschriften ergebe, dass die dem Wohnen dienenden Anlagen zulässig sein sollen, soweit sie keinen eigenen, selbstständigen Nutzungszweck erfüllten bzw. eine eigene Nutzungsart darstellten. Die Kleinwindkraftanlage erfülle hier keinen selbstständigen Zweck, sondern eine Hilfsfunktion für das Wohnen, weil der damit erzeugte Strom im Gebäude verbraucht werden solle. Es liege daher keine gewerbliche Nutzung vor.
b) Die Antragsteller bringen hiergegen vor, dass es sich bei der Kleinwindkraftanlage um keine Nebenanlage handele. Die Ortsbausatzung enthalte keine Legaldefinition des Begriffs der Nebenanlage, es könne jedoch auf § 14 BauNVO zurückgegriffen werden. Danach seien Nebenanlagen untergeordnete Anlagen, die dem Nutzungszweck des Baugebiets dienten und seiner Eigenart nicht widersprächen. Die Nebenanlage müsse räumlich und funktional untergeordnet sein. Die Unzulässigkeit der Kleinwindkraftanlage ergäbe sich hier daraus, dass es die optisch dominierende Anlage auf dem Baugrundstück sein werde, weil das Wohnhaus vollständig unterirdisch errichtet werden solle. Neben einem Schornstein werde sie die einzige aufstehende Baulichkeit auf dem Grundstück sein. Weiter widerspreche sie der Eigenart des Baugebiets. Denn das Baugebiet sei durch eine nicht intensive Ausnutzung der Grundstücke durch bauliche Anlagen geprägt. Es komme zu einer nachhaltigen, weithin sichtbaren optischen Beeinträchtigung. Weiter seien im Landhausgebiet nur Gebäude zulässig, die ausschließlich oder zum überwiegenden Teil zum Wohnen dienten. Ausnahmsweise seien Gebäude, die der Bildung, der Erholung, der Krankenpflege oder öffentlichen Versorgungseinrichtungen dienten, zulässig. Damit sei das Landhausgebiet mit dem reinen Wohngebiet aus § 3 BauNVO vergleichbar. Das Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, dass Lage, Größe und Zuschnitt des Baugrundstücks wie der Grundstücke des Baugebiets entscheidend dafür seien, ob eine Windenergieanlage als Nebenanlage der Eigenart des Baugebiets widerspreche oder nicht. Die Weiträumigkeit oder Dichte der Bebauung sei eine Eigenart des Baugebiets, die gerade für die Zulässigkeit einer Windenergieanlage als Nebenanlage von entscheidender Bedeutung sei. Zwar mögen hier die kleinflächige Bebaubarkeit und geringe Ausnutzbarkeit der Grundstücke sowie die Weiträumigkeit des Baugebiets zu Gunsten der Zulässigkeit von Windkraftanlagen sprechen. Jedoch belegten diese Aspekte auch, dass das geplante Vorhaben der Zweckbestimmung des Baugebiets widerspreche, weil es von nicht intensiver Ausnutzung der Grundstücke durch bauliche Anlagen geprägt sei und dass angesichts der planerischen Vorgaben dem Gebiet ein erhöhter Wohnwert zugedacht sei.
c) Mit diesen Einwendungen vermögen die Beschwerden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht mit Erfolg in Zweifel zu ziehen.
aa) Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Kleinwindkraftanlage eine nach § 7 OBS zulässige Nebenanlage sei, trifft zu. Dies gilt auch für den Fall, dass der Begriff der Nebenanlage im Sinne des § 7 Abs. 1 OBS im gleichen Sinne zu verstehen sein sollte wie derjenige der untergeordneten Nebenanlage aus § 14 Abs. 1 BauNVO. Denn bei der hier umstrittenen Kleinwindkraftanlage handelt es sich um eine nach diesem Maßstäben untergeordnete Nebenanlage. Die von den Beschwerden aufgeworfene Rechtsfrage zum Gleichlauf von § 7 OBS und § 14 Abs. 1 BauNVO kann daher offen bleiben,
(1) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 OBS - die Ortsbausatzung gilt nach § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 als nicht-qualifizierter übergeleiteter Bebauungsplan fort (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. Senatsurteile vom 25.02.1993 - 8 S 287/92 - VBlBW 1993, 420 und vom 02.11.2006 - 8 S 1891/05 - BauR 2007, 1373) - dürfen im Landhausgebiet, abgesehen von Nebenanlagen (Stallgebäuden, Kraftwagenräumen, Waschhäusern und dgl.), nur Gebäude errichtet werden, die ausschließlich oder zum überwiegenden Teil zum Wohnen dienen. Es kann offen bleiben, ob sich aus den in § 7 Abs. 1 OBS beispielhaft aufgezählten Nebenanlagen ergibt, dass der Nebenanlagenbegriff der Ortsbausatzung der Antragsgegnerin ebenso wie derjenige des § 14 BauNVO eine funktionale Zuordnung zur Hauptnutzung voraussetzt. Die Nebenanlage muss der Hauptnutzung dienen und ihr insofern untergeordnet sein. Die Frage der Unterordnung unter eine Hauptnutzung ist bei einem Vorhaben im Sinne von § 14 Abs. 1 BauNVO nach qualitativen wie quantitativen Kriterien zu beantworten, wobei sowohl Kriterien wie die Grundfläche und die Höhe der Anlagen und ihr Verhältnis als auch der optische Gesamteindruck relevant sein können (vgl. zu § 14 Abs. 1 BauNVO: BVerwG, Urteil vom 28.04.2004 - 4 C 10.03 - NVwZ 2004, 1244 (1246)).
10 
(2) Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei der Kleinwindkraftanlage um eine untergeordnete Nebenanlage. Sie ist der genehmigten Wohnnutzung auf dem Grundstück der Beigeladenen funktional zugeordnet, da sie der Energiegewinnung für das Hauptvorhaben dient. Das impliziert unmittelbar auch ihre funktionale Unterordnung. Die räumlich gegenständliche Zuordnung ergibt sich hier aus ihrer Errichtung auf dem gleichen Baugrundstück. Die Kleinwindkraftanlage ist weiter räumlich-gegenständlich der Wohnnutzung untergeordnet, auch wenn sie optisch allein nach außen in Erscheinung treten wird, weil die Wohnnutzung im Wesentlichen unterhalb der Geländeoberfläche geplant und genehmigt ist. In einem solchen Fall kann der Gesamteindruck nicht schematisch dahingehend gewürdigt werden, dass die Nebenanlage als einzig nach außen sichtbar hervortretende Nutzung des Grundstücks die Hauptnutzung optisch dominiere und deshalb nicht mehr untergeordnet sei. Vielmehr ist die Nebenanlage zum Gesamtvorhaben ins Verhältnis zu setzen. Bei einer Höhe des Windpillars von 7,50 m tritt dieser gegen ein Bauvorhaben mit einer maximalen Gesamthöhe bzw. -tiefe von 6,34 m und einer minimalen Gesamthöhe von 3,75 bei wertender Betrachtung nur untergeordnet hervor. Die von der Kleinwindkraftanlage in Anspruch genommene Fläche - die Anlage weist einen Durchmesser von einem Meter auf - ist im Vergleich zu der restlichen baulichen Anlage geradezu verschwindend gering und damit qualitativ wie quantitativ untergeordnet. Insbesondere führt die Nutzung des Grundstücks zur Gewinnung von Energie für die Wohnnutzung hier entgegen der Auffassung der Antragsteller zu keiner intensiven Grundstücksausnutzung mit erheblichen optischen Beeinträchtigungen.
11 
bb) Unabhängig von der Frage, ob für Nebenanlagen im Sinne des § 7 Abs. 1 OBS entsprechend den Vorgaben des § 14 Abs. 1 BauNVO gleichsam als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu prüfen ist, ob die Nebenanlage der Eigenart des Baugebiets nicht widerspricht, vermag der entsprechende Vortrag der Antragsteller ihren Beschwerden deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil der Windpillar der Eigenart des Landhausgebiets nicht widerspricht.
12 
(1) Maßgebend für die Beurteilung der Eigenart des konkreten Baugebiets ist die Bewertung des Einzelfalls, bei der Lage, Größe und Zuschnitt des Baugrundstücks sowie der Grundstücke des Baugebiets überhaupt in den Blick zu nehmen sind. Je „weiträumiger“, „aufgelockerter“ die Grundstücke bebaut sind, desto eher sind sie aufnahmefähig für Windkraftanlagen, ohne dass die Eigenartigkeit des Baugebiets entgegenstünde. Dagegen hat ein Gebiet mit kleinen Grundstücken, einer hohen Grundflächenzahl und großen überbaubaren Grundstücksflächen, wie z.B. eine Reihenhaussiedlung, jedenfalls tendenziell eine die Zulässigkeit von Windenergieanlagen ausschließende Eigenart (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1983 - 4 C 18.81 - BVerwGE 67, 23 (27 f.); Senatsurteil vom 26.06.1998 - 8 S 882/98 - NVwZ 1999, 548 (549)). Der Eigenart des konkreten Baugebiets kann demnach eine Nebenanlage auch dann widersprechen, wenn sie zu bestimmten optischen Beeinträchtigungen führt. Diese müssen allerdings städtebaulich erheblich sein und daher an städtebaulich erheblichen Kategorien (insbesondere also Art und Maß der baulichen Nutzung sowie die überbaubare Grundstücksfläche) festzumachen sein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.11.2003 - 5 S 2726/02 -BauR 2004, 1909 (1911)).
13 
(2) Wie die Antragsteller selbst einräumen, ist bereits die kleinflächige Bebaubarkeit und die geringe Ausnutzbarkeit der Grundstücke sowie die Weiträumigkeit des Baugebiets ein erhebliches Indiz dafür, dass die Kleinwindkraftanlage der Eigenart des Baugebiets nicht widerspricht. Der von ihnen herangezogene „erhöhte Wohnwert“, der großzügige Gebietscharakter und die Schutzwürdigkeit der Halbhöhenlage vermögen Gegenteiliges nicht zu begründen. Die behauptete nachhaltige, weithin sichtbare optische Beeinträchtigung, an deren tatsächlichem Vorliegen der Senat durchaus erhebliche Zweifel hat, kann jedenfalls nicht dazu führen, dass ein Widerspruch gegen die Eigenart des Baugebiets angenommen werden kann. Denn vor bloßen optischen Beeinträchtigung gewährt § 7 OBS ebenso wenig Schutz wie § 14 Abs. 1 BauNVO (vgl. Bayerischer VGH; Urteil vom 19.05.2011 - 2 B 11.397 -NVwZ-RR 2011, 851 (853)), weil allein gestalterische Erwägungen bei der Bestimmung der konkreten Eigenart eines Baugebiets keine Bedeutung haben. Ebenso wenig vermag der „Rahmenplan Halbhöhenlagen“ der Antragsgegnerin, der keine rechtliche Außenwirkung entfalten kann, die Eigenart des Baugebiets zu determinieren. Weshalb die Kleinwindkraftanlage schließlich mit einem „erhöhten Wohnwert“, nach welchen Maßstäben dieser auch immer bestimmt werden könnte, unvereinbar sein soll, wird mit der Beschwerde nicht erläutert und erschließt sich dem Senat auch nicht.
14 
Die von den Antragstellern mit der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der „optischen Beeinträchtigungen“ geltend gemachten Einwände ziehen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei dem Windpillar um eine zulässige Nebenanlage handele, ebenfalls nicht mit Erfolg in Zweifel. Denn die auf die Störung des bisher freien und unverbauten Blicks im Außenwohnbereich abstellende Argumentation orientiert sich bereits nicht an städtebaulich relevanten Beurteilungskriterien.
15 
2. a) Das Verwaltungsgericht hat weiter entschieden, dass der Windpillar bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s in zwei Meter Entfernung eine Lautstärke von 36 dB(A) entwickele, auch nach Auffassung der Antragsteller diese Windgeschwindigkeit nicht erreicht werde und deshalb eine Überschreitung des für reine Wohngebiete bei Nacht maßgeblichen Immissionsrichtwerts von 35 dB(A) auf den etwa vier Meter entfernten Grundstücken der Antragsteller nicht zu befürchten sei. Weiter sei nicht ersichtlich, dass der sich vertikal drehende Rotor unzumutbare Reflexionen verursache.
16 
b) Die Antragsteller machen insoweit geltend, das Vorhaben sei wegen der Kleinwindkraftanlage rücksichtslos. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass in der Baugenehmigung ein Wert von nachts 29 dB(A) festgeschrieben sei. Es sei keinesfalls ausgeschlossen, dass der festgesetzte Grenzwert überschritten werde. Dies gelte insbesondere für das Wohngebäude der Antragsteller zu 1 und 2. Die Antragsteller hätten auch nicht vorgetragen, dass die dem maximalen Immissionswert von 36 dB(A) zugrunde gelegte Windgeschwindigkeit von 10 m/s niemals erreicht werde. Vielmehr hätten sie belegt, dass eine solche Windgeschwindigkeit nicht dauerhaft erreicht und die Anlage daher bei weitem nicht die vom Hersteller angegebenen Werte erzielen könne. Bisher hätten weder die Beigeladene noch die Antragsgegnerin Belege dafür vorgelegt, die eine Einhaltung der in der Baugenehmigung festgesetzten Grenzwerte als realistisch erscheinen ließen. Wären die Werte nicht einzuhalten, so wäre die Baugenehmigung deshalb rechtswidrig. Für abschließende Feststellungen bedürfte es eines Sachverständigengutachtens. Dies sei aber nicht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einzuholen. Es sei auch mit störenden Licht- und Schattenwirkungen zu rechnen. Das Verwaltungsgericht unterstelle das Gegenteil, ohne dies zu begründen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, unzumutbaren optischen Beeinträchtigungen könne durch eine reflexionsarme Ausführung der Lamellen entgegengewirkt werden, verfange nicht, denn bei langsamen Drehbewegungen könne ein „Diskoeffekt“ entstehen, der unabhängig von der Materialbeschaffenheit des Rotors sei. Es handele sich um keine Reflexion. Im Übrigen sei eine solche Ausführung der Lamellen auch nicht in der Baugenehmigung vorgesehen. Schließlich werde die Kleinwindkraftanlage wegen ihrer beträchtlichen Höhe bei tiefstehender Sonne Schatten werfen. Sie werde gemessen von ihrem Mast aus einen Abstand von nur drei Metern zur Grundstücksgrenze der Antragsteller zu 1 und 2 haben.
17 
c) Auch dieses Vorbringen vermag den angegriffenen Beschluss nicht erfolgreich in Zweifel zu ziehen.
18 
aa) Zutreffend gehen die Antragsteller davon aus, dass allein dann, wenn die in der Baugenehmigung festgesetzten Grenzwerte nicht eingehalten werden könnten, die Baugenehmigung aus immissionsschutzrechtlichen Gründen rechtswidrig sein kann. Denn für den Fall, dass die Grenzwerte eingehalten werden können, sie aber im konkreten Einzelfall überschritten würden, handelte die Beigeladene insoweit außerhalb des Genehmigungsumfangs. Dass insoweit der Vollzug der Baugenehmigung behördliche Aufsichtsmaßnahmen erfordern könnte, steht der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht entgegen (Senatsurteil vom 01.07.2011 - 8 S 2581/10 - BauR 2011, 1800 (1802)). Die Antragsteller haben mit der Beschwerde nicht dargelegt, dass das Einhalten der in der Baugenehmigung festgesetzten Grenzwerte unmöglich oder unwahrscheinlich ist. Wahrscheinlich bedarf es insoweit auch keines Sachverständigengutachtens, wie die Antragsteller meinen. Denn wenn bei extremen Windgeschwindigkeiten tatsächlich die Grenzwerte erreicht oder überschritten würden, könnten die Betreiber des Windpillars diesen nötigenfalls außer Betrieb nehmen, um ihren Pflichten aus der Baugenehmigung nachzukommen. Weshalb dies nicht möglich sein sollte, legen die Antragsteller mit der Beschwerde nicht dar. Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass der Hersteller des Windpillars selbst angibt, dass die Anlage im Verhältnis zum Windgeräusch immer lautlos laufe und die Angabe von 36 dB(A) bei 10 m/s sich auf eine theoretisch mögliche Schallemission, die im Abstand bis zu zwei Metern wahrzunehmen sei, nicht aber um eine Schallimmission handele (Schreiben vom 27.11.2012, Baugenehmigungsakte Blatt 43).
19 
bb) Zutreffend weist die Beschwerde auch darauf hin, dass es auf eine mögliche, von dem Verwaltungsgericht zur Argumentation herangezogene reflexionsarme Ausführung der Lamellen nicht ankommen kann, weil eine solche Materialbeschaffenheit in der von den Antragsteller angegriffenen Baugenehmigung nicht gefordert wird. Jedoch geht es den Antragstellern mit ihrem Beschwerdevorbringen auch nicht um das klassischerweise als Disco-Effekt beschriebene Phänomen der Lichtreflexe (Licht fällt auf die Lamellen und wird von ihnen reflektiert), sondern um den von ihnen behaupteten Schattenwurfeffekt durch die Drehbewegungen der Lamellen. Dass es zu einem solchen Effekt in einem nicht nur unerheblichen - und damit rücksichtslosen - Ausmaß kommen könnte, haben die Antragsteller aber weder erstinstanzlich noch mit der Beschwerde substantiiert vorgetragen. Vielmehr bleibt es insoweit bei schlichten Behauptungen. Im Unterschied zu einem „klassischen“ Windrad drängt sich ein solcher Effekt angesichts des - recht geringen - Durchmessers des Windpillars hier auch nicht auf. Allerdings dürfte es angezeigt sein, dass die Widerspruchsbehörde die Frage der Rücksichtslosigkeit insoweit näher aufklärt und die Baugenehmigung gegebenenfalls nachbessert. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand ist es allerdings nicht gerechtfertigt, aufgrund der verbleibenden Restunsicherheiten die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller anzuordnen.
20 
3. Soweit die Antragsteller kritisieren, das Verwaltungsgericht habe sich mit dem Vortrag nicht auseinandergesetzt, dass die Kleinwindkraftanlage optisch unzumutbar sei und dass es unter Berücksichtigung der Lärmimmissionen, des Schattenwurfs und der optischen Beeinträchtigungen sich insgesamt als rücksichtslos erweise, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde. Der Beschwerdevortrag zum Schattenwurf erschöpft sich in einer unsubstantiierten Behauptung (II. 2. c) bb)) und die Angriffe gegen die Bestimmungen zum Immissionsschutz verfangen nicht (II. 2. c) aa)). Daher kann insoweit auch keine Gesamtschau der Elemente zu einer Rücksichtslosigkeit des Vorhabens führen, wobei das Gebot der Rücksichtnahme insoweit über den Rechtsanwendungsbefehl aus § 173 Abs. 3 BBauG, § 233 Abs. 3 BauGB in Verbindung mit § 7 OBS verankert sein dürfte (vgl. zur Bedeutung von § 173 Abs. 3 BBauG für den Drittschutz: BVerwG, Urteil vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364 (366)). Ebenso wenig vermögen Beeinträchtigungen der bisherigen unverbauten Aussicht, das Entstehen eines optischen „Ensembles von Turmbauten“ im Zusammenspiel mit einem Schornstein und die Nähe eines Freisitzes zu der geplanten Kleinwindkraftanlage einzeln oder im Gesamtzusammenhang einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu begründen. Weder der Umstand, dass keine vergleichbaren Anlagen in dem Baugebiet anzutreffen sind, noch der behauptete Wertverlust der Grundstücke der Antragsteller noch das behauptete geringe Gewicht der Interessen der Beigeladenen wegen einer angeblich geringen Energieausbeute der Anlage sind dazu geeignet, die Rechte der Beigeladenen zur Ausnutzung der ihr durch den Stadtbauplan ermöglichten Bebauung ihres Grundstücks auch mit einer Nebenanlage einzuschränken. Letztlich benennen die Antragsteller mit den optischen Beeinträchtigungen und dem möglichen Wertverlust ihrer Grundstücke keine für sich genommen rechtlich geschützten Interessen, auf die ein Nachbar Rücksicht nehmen müsste, ohne dass Besonderheiten wie etwa ausdrückliche Regelungen in einem Bebauungsplan, vorliegen. Solche rechtlich relevanten Besonderheiten werden mit den Beschwerden aber nicht geltend gemacht.
21 
4. a) Die Antragsteller rügen weiter, dass das Verwaltungsgericht den Vortrag zur Unzulässigkeit des Schornsteins übergangen habe. Hinsichtlich des Schornsteins seien die Bauantragsanlagen in vielerlei Hinsicht unvollständig. Weder sei ersichtlich, wo er errichtet werden solle, noch welche Ausgestaltung oder Höhe er haben werde. Die Feuerungsanlage unterfalle dem Anwendungsbereich der 1. BImSchV. Das bedeute, dass zur Abführung der Immissionen ein Schornstein notwendig sei, der bei der Verwendung fossiler Brennstoffe abhängig von der Gesamtwärmeleistung entweder in einem Umkreis von 15 Metern die Oberkante von benachbarten Lüftungsöffnungen, Fenstern und Türen um mindestens einen Meter oder die höchste Kante des Dachfirstes um mindestens drei Meter überragen müsse oder alternativ mindestens zehn Meter über dem Gelände liegen müsse. Angesichts der unvollständigen Bauunterlagen sei es nicht möglich, die Einhaltung dieser drittschützenden Maßgaben zu prüfen. Unabhängig davon sei der Schornstein, der etwa acht bis zwölf Meter hoch werden müsse, mit seinen Dimensionen gegenüber den Antragstellern rücksichtslos. Mit Schriftsatz vom 23.04.2014, beim Gerichtshof eingegangen am 25.04.2014 haben die Antragsteller weitergehend gerügt, dass aufgrund der besonderen Verhältnisse des Vorhabens der Schornsteinseine eigenständige aufstehende Baulichkeit sei, die Abstandsflächen einzuhalten habe. Es spreche viel dafür, dass die Vorgaben des § 5 LBO insoweit nicht eingehalten werden könnten.
22 
b) Es kann dahinstehen, ob aus dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht auf die Ausführungen der Antragsteller zur Rechtswidrigkeit des Schornsteins und der fehlenden Überprüfbarkeit der Bauvorlagen in seinem Beschluss nicht eingegangen ist, auf einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu schließen ist. Denn die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen auseinanderzusetzen. Um einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festzustellen, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen wurde (st. Rspr. BVerfG, Urteil vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293 (295) und zuletzt Beschluss (K) vom 30.09.2013 - 1 BvR 3196/11 - ZfWG 2014, 24). Jedenfalls vermag das Vorbringen der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die behaupteten Rechtsverletzungen der Antragsteller nicht vorliegen.
23 
aa) Dem mit einem Genehmigungsvermerk versehenen, maßstabsgetreuen „Deckblatt“ Schnitt AA aus den Bauvorlagen vom 19.06.2013, geändert am 20.06.2013, ist die genaue Lage des Schornsteins ebenso zu entnehmen wie den Grundrissen EG und OG, dem Freiflächenplan sowie den Ansichten „01 und 02“. Da die genannten Dokumente maßstabsgetreue Zeichnungen enthalten, ist ihnen auch die Höhe des geplanten Schornsteins eindeutig zu entnehmen.
24 
bb) § 19 Abs. 1 Nr. 2 1. BImSchV vermag demjenigen Dritten ein subjektives Recht zu vermitteln, der innerhalb eines Umkreises von 15 Metern um die Austrittsöffnung eines Schornsteins im Sinne des Absatzes 1 (1. Halbsatz) oder innerhalb des erweiterten Umkreises (2. Halbsatz) über Lüftungsöffnungen, Fenster oder Türen an seinem Gebäude verfügt. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift zu Lasten der Antragsteller ist hier aber deswegen nicht festzustellen, weil ausweislich der Bauvorlagen der Schornstein für die Feuerungsanlage, die eine Nennwärmeleistung von weniger als 50 kW aufweisen soll, weiter als 15 Meter von den Wohngebäuden der Antragsteller entfernt errichtet werden soll.
25 
cc) Die Rüge des angeblichen Verstoßes gegen die Vorgaben des § 5 LBO durch den Schornstein ist nach Ablauf der einmonatigen Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erhoben worden und damit für das Gericht nicht mehr berücksichtigungsfähig (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Insbesondere waren die Antragsteller nicht gehindert, diese Erwägungen fristgerecht vorzubringen. Der Umstand, dass den Antragstellern die entsprechenden Planunterlagen nicht bekannt gewesen sind, hinderte eine entsprechende, fristgerechte Beschwerdebegründung nicht. Bereits aus der angegriffenen Baugenehmigung vom 04.07.2013 selbst ist ersichtlich, dass ihr die Bauzeichnungen vom 19.06.2013 zugrunde liegen. Aus diesen ergibt sich die genehmigte Lage und die genehmigte Höhe des Schornsteins. Von diesen Bauvorlagen hätten sich die Antragsteller und ihr Prozessbevollmächtigter durch Akteneinsicht Kenntnis verschaffen können.
26 
Im Übrigen lässt sich auf der Grundlage dieser mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen ein Verstoß gegen § 5 LBO durch den Schornstein auch ausschließen.
27 
dd) Ausgehend von den Erwägungen unter aa) bis cc) ist eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens aufgrund des Schornsteins zu Lasten der Grundstücke der Antragsteller ausgeschlossen.
28 
5. a) Weiter machen die Beschwerden geltend, dass die geplante Terrasse im Süden die im Stadtbauplan von 1914 festgesetzte Baulinie überschreite. Die Terrasse sei ein Gebäudeteil, der die Baulinie einhalten müsse. Dies ergebe sich aus § 28 Abs. 2 OBS. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei eine insoweit erforderliche Befreiung nicht erteilt worden. Straßenseitigen Baulinien könne im Einzelfall drittschützende Wirkung zukommen, wenn sich aus dem Bebauungsplan ergebe, dass ein nachbarschaftliches Austauschverhältnis begründet und ein gegenseitiges Verhältnis der Rücksichtnahme geschaffen werden solle. Dies sei durch das Verwaltungsgericht nicht gewürdigt worden. Die Baulinie markiere den Beginn der davor liegenden Bauverbotszone. Im Hinblick auf diese Einschränkung der Überbaubarkeit der Grundstücksfläche habe der Plangeber ein Austauschverhältnis dergestalt geschaffen, dass alle vom Bauverbot betroffenen Nachbarn den gleichen Restriktionen unterworfen seien. Soweit für die Inanspruchnahme der Terrasse, des Weges vom Blauen Weg zur Terrasse und für die Errichtung von Müllboxen eine Befreiung vom festgesetzten Bauverbot erteilt worden sei, erweise sich diese als rechtswidrig. Die Antragsteller seien auch in ihren Rechten verletzt, da bei ihr nicht die gebotene Rücksicht auf die Nachbarinteressen genommen worden sei. Es spreche bereits viel dafür, dass die Bauverbotszone auch zur Wahrung nachbarlicher Belange geschaffen worden sei. Jedenfalls sei das Vorgehen der Beigeladenen rücksichtslos. Denn aus Sicht der Nachbarn sei es nicht hinzunehmen, dass bei einer so umfassenden und prägnanten Bebauung der Bauverbotszone eine Ausnahmesituation für die Beigeladene geschaffen werde. Ähnlich massive Eingriffe in die Bauverbotszone seien in der Umgebung nicht vorhanden. Es sei vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht statthaft, der Beigeladenen eine so umfassende Sonderbehandlung zukommen zu lassen.
29 
b) Dieses Vorbringen vermag den Beschwerden nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn weder der Baulinie, deren Überschreitung geltend gemacht wird, noch der „Bauverbotszone“ kommt eine nachbarschützende Wirkung zu. Von den genannten Festsetzungen hat die Baurechtsbehörde auch jeweils eine Befreiung erteilt. Die Antragstellerin zu 3 ist darüber hinaus von den Festsetzungen und Befreiungen unter keinen Umständen betroffen.
30 
aa) Das Grundstück der Antragstellerin zu 3 ist weder von der Baulinie betroffen noch liegt es - teilweise - in der Bauverbotszone, in der die Terrasse, der Weg oder die Müllboxen errichtet werden sollen. Daher kommt eine drittschützende Wirkung der Festsetzungen zu ihren Gunsten von vorne herein nicht in Betracht, so dass ihre Beschwerde insoweit schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben kann.
31 
bb) Aber auch die Beschwerden der weiteren Antragsteller können insoweit keinen Erfolg haben. Der gerügte Verstoß gegen die festgesetzte Baulinie liegt schon nicht vor, weil auch von dieser Festsetzung befreit worden ist. Selbst wenn ein Verstoß vorläge, führte dies nicht zum Erfolg der Beschwerde, da die Festsetzungen nicht zugunsten der Antragsteller zu 1 und zu 2 drittschützend wirkt.
32 
(1) Mit der Befreiung von den „Festsetzungen des Bebauungsplans -Bauverbot“ (Seite 7 der Baugenehmigung vom 04.07.2013) hat die Antragsgegnerin der Sache nach von der Baulinienfestsetzung befreit. Dies folgt daraus, dass sich Bauverbotsflächen allein aus der Festsetzung von Baugrenzen oder -linien ergeben. Denn Art. 11 Abs. 4 der Württembergischen Bauordnung (WürttBauO) vom 28.07.1910 (RegBl. S. 333) ermächtigt allein zur Festsetzung von Grenzen, innerhalb oder außerhalb derer die Errichtung von Bauten ausgeschlossen ist. Die sich daraus ergebenden „Bauverbotsflächen“ - genauer Flächen, die von der Bebauung ganz oder teilweise ausgeschlossen sind - sind das Ergebnis der Anwendung und Festsetzung dieser Grenzen. Gesetzestechnisch kommen sie allein in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 der Verfügung des Ministeriums des Innern zum Vollzug der Bauordnung vom 10.05.1911 (RegBl. S. 77) vor. Damit ist eine Befreiung von einem Bauverbot nach der Württembergischen Bauordnung immer eine Befreiung von der Baugrenze oder -linie, deren Festsetzung zur Bauverbotszone führt.
33 
(2) Regelungen in Ortsbauplänen, die nach den Bestimmungen der §§ 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG, 233 Abs. 3 BauGB als Bebauungsplan weitergelten, können dann drittschützende Wirkung haben, wenn sie eine Funktion erfüllen, der nach geltendem Recht nachbarschützenden Normen zukommt, denn nur so kann der in § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG angelegte Kontinuitätsgedanke mit dem Ziel einer Integration früherer Pläne in das System des bundesrechtlichen Bauplanungsrechts erreicht werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364). Vorderen, straßenseitigen Baulinien- oder Baugrenzenfestsetzungen kommen dabei regelmäßig keine drittschützende Wirkung zugunsten des seitlich angrenzenden Nachbargrundstücks zu (Senatsbeschluss vom 20.01.2005 - 8 S 3003/04 - NVwZ-RR 2005, 397 (398)). Die Beschwerden legen nicht dar, weshalb hier ausnahmsweise anderes gelten könnte. Denn die Kombination der Baulinie mit einer „Bauverbotszone“, auf die sie Bezug nehmen, lässt gerade nicht erkennen, dass der Plangeber hier (auch) ein nachbarschaftliches Austauschverhältnis und nicht allein die städteplanerische Gestaltung des Baugebiets im Blick gehabt haben könnte. Vielmehr folgt aus der Festsetzung vorderer Baulinien oder -grenzen zwingend die Bestimmung nicht überbaubarer Grundstücksflächen (siehe zur heutigen Rechtslage § 23 Abs. 1 Satz 1 BauNVO; zur Rechtslage 1914: Art. 11 Abs. 4 WürttBauO).
34 
cc) Die Befreiung vom Verbot der Errichtung von Bauten in der Bauverbotszone, die sich nach Art. 11 Abs. 4 WürttBauO durch die Festsetzung von Baugrenzen (hier der Baulinie) ergibt, verletzt die Antragsteller zu 1 und zu 2 nicht in ihren Rechten.
35 
(1) Die Bauverbotszone dient ebenso wenig dem Nachbarschutz wie die Baulinie, deren Überschreitung seitens der Antragsteller gerügt wird. Auch insoweit gilt zunächst, dass die Beschwerden nicht darlegen, weshalb hier der Festsetzung einer vorderen nicht überbaubaren Grundstücksfläche in einer von der Regel abweichenden Weise nachbarschützende Wirkung zukommen könnte (5. b) bb)).
36 
(2) Eine fehlerhafte Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung kann dem Nachbarn jedoch auch einen Abwehranspruch vermitteln. Dies gilt dann, wenn nämlich die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung über die vom Bauherrn beantragte Befreiung nicht die gebotene Rücksicht auf die Interessen des Nachbarn genommen hat. Der Drittschutz des Nachbarn bei einer rechtswidrigen Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung besteht also nur dann und insoweit, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind; alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung können zwar zur objektiven Rechtswidrigkeit führen, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden. Die Frage, ob eine hinreichende Würdigung der nachbarlichen Interessen erfolgt ist, muss nach den Maßstäben beantwortet werden, die zum nachbarschützenden Gebot der Rücksichtnahme entwickelt worden sind (BVerwG, Beschluss vom 08.07.1998 - 4 B 64.98 - NVwZ-RR 1999, 8; Senatsbeschluss vom 23.05.2011 - 8 S 978/11 - juris Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.12.2013 - 5 S 922/13 - juris Rn. 10).
37 
Ausgehend hiervon vermögen die Antragsteller mit ihren Beschwerden eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen und also eine fehlerhafte Würdigung ihrer nachbarlichen Interessen nicht darzutun. Weder eine „Ausnahmesituation für die Beigeladene“ mit einem „massiven Eingriff in die Bauverbotszone“ noch eine negative Vorbildwirkung weisen darauf hin, dass hier schutzwürdige Interessen gerade der Antragsteller in qualifizierter und individualisierter Weise missachtet worden sein könnte, was für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme Voraussetzung wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Rn. 21).
38 
6. a) Darüber hinaus rügen die Beschwerden, dass für das Vorhaben der Beigeladenen Seitenabstände nach § 34 OBS einzuhalten seien, diese aber nicht gewahrt würden. Es handele sich entgegen der Annahme der Baugenehmigung um ein oberirdisches Gebäude, das die in § 34 Abs. 2 OBS in Verbindung mit dem Planeintrag vorgegebenen Seitenabstände einhalten müsse. Dieser sei hier 14 m. Das Vorhaben halte aber nur 2,5 m zum Grundstück der Antragsteller und 2,5 m nach Osten als Abstand ein.
39 
b) Auch dieses Vorbringen führt nicht zum Erfolg der Beschwerden. Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 34 Abs. 1 und Abs. 2 OBS keinen Drittschutz vermittelt.
40 
Bebauungsvorschriften alter Bebauungs- und Ortsbaupläne, die festlegen, dass von den seitlichen Eigentumsgrenzen zusammen ein bestimmter Abstand einzuhalten ist (Summenabstand), sind regelmäßig nicht nachbarschützend (Senatsbeschluss vom 24.08.1995 - 8 S 2282/95; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 - VBlBW 1992, 344 (346). Dies gilt auch für die in § 34 OBS der Ortsbausatzung der Antragsgegnerin vom 25.6.1935 (OBS) geregelten Seitenabstände. Dies ergibt sich zwingend bereits daraus, dass nach § 34 Abs. 3 OBS die Verteilung des vorgeschriebenen Seitenabstandes auf die beiderseitigen Grenzabstände dem Bauenden freigestellt ist. Im Übrigen geht die Annahme der Antragsteller fehl, der Seitenabstand solle (auch) eine offene Bauweise gewährleisten und Vorschriften über die offene Bauweise seien in der Regel nachbarschützend. Denn die nachbarschützende Wirkung einer Festsetzung nach § 34 OBS erschöpft sich ausweislich § 34 Abs. 3 OBS darin, die Einhaltung eines seitlichen Mindestgrenzabstandes von 2,50 m festzuschreiben. Dieser wird hier jedoch nach dem Beschwerdevorbringen selbst (Beschwerdebegründung S. 25) eingehalten.
41 
7. a) Schließlich machen die Beschwerden geltend, dass sowohl die Befreiung hinsichtlich der zulässigen überbaubaren Grundstücksfläche als auch hinsichtlich der zulässigen Gebäudetiefe rechtswidrig erteilt und jeweils die nachbarlichen Interessen nicht hinreichend gewichtet worden seien.
42 
aa) Es sei eine Überbauung von 10% der Grundstücksfläche, hier von 54 m2, zulässig. Es würden aber 111,11 m2 der Grundstücksfläche und nicht, wie in der Baugenehmigung unterstellt, 74 m2 Grundstücksfläche überbaut. Zwar sei die Bestimmung aus § 3 Abs. 1 OBS nicht drittschützend. Die Befreiung sei hier aber schon deswegen objektiv rechtswidrig erteilt worden, weil die Befreiung nur für eine Überschreitung von 17 m2 Grundstücksfläche erteilt worden sei. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen auch nicht vor. Hingegen käme den nachbarlichen Interessen hier ein starkes Gewicht zu. Die geringe Überbaubarkeit der Grundstücke ermögliche ein gehobenes Wohnen. Das Vorhaben laufe dieser Intention zuwider. Auch seien die Antragsteller als unmittelbare Nachbarn beeinträchtigt. Denn die Nachbarn hätten ein schutzwürdiges Interesse daran, dass andere Grundstückseigentümer die Restriktionen im Hinblick auf die Überbaubarkeit der Grundstücksflächen einhielten.
43 
bb) Auch die zulässige Gebäudetiefe werde um 50 % überschritten. Diesbezüglich gelte das Gleiche wie bezüglich der bebaubaren Grundstücksfläche.
44 
b) Dieses Vorbringen führt ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerden.
45 
Weder die Vorschriften zur überbaubaren Grundstücksfläche in § 3 Abs. 1 OBS noch diejenigen in § 43 OBS zur Gebäudetiefe sind nachbarschützend (zu § 3 Abs. 1 OBS: Senatsbeschluss vom 09.08.1996 - 8 S 2012/96 - NVwZ 1997, 598; zu § 43 Abs. 3 OBS: Senatsbeschluss vom 16.12.2002 - 8 S 2660/02 - BRS 65 Nr. 119). Daher kommt auch insoweit eine die Rechte er Antragsteller verletzende Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von diesen Vorschriften allein unter dem Gesichtspunkt der nicht hinreichenden Berücksichtigung nachbarlicher Interessen in Betracht. Dass die Bebauung im Verhältnis zu den Grundstücken der Antragsteller rücksichtslos wäre, wird mit der Beschwerde aber nicht dargetan. Die Antragsteller behaupten letztlich keine individuelle Betroffenheit, sondern machen einen das gesamte Baugebiet umfassenden Anspruch auf Einhaltung „der Restriktionen im Hinblick auf die Überbaubarkeit der Grundstücksflächen“ geltend. Eine gerade ihre Interessen als Angrenzer beeinträchtigende tatsächliche Situation wird von ihnen hingegen gerade nicht vorgebracht. Eine „optische Beeinträchtigung“ alleine kann nicht zur Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen führen.
III.
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind für erstattungsfähig zu erklären, da diese im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und damit ein eigenes Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
47 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und lehnt sich an Nr. 9.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ 2013, Beilage S. 57) an. Eine Reduzierung des Streitwerts in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 kommt nach ständiger Senatsrechtsprechung nicht in Betracht, da sich die Antragsteller nicht allein gegen die Auswirkungen der zukünftigen Nutzung des Nachbargrundstücks zur Wehr setzten.
48 
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.

(1) Zivile Neu-, Um- und Erweiterungsbauten im Eigentum des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden. Von diesen Anforderungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden. Die landesrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Bauordnungen, bleiben unberührt.

(2) Der Bund einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts soll anlässlich der Durchführung von investiven Baumaßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bauliche Barrieren in den nicht von diesen Baumaßnahmen unmittelbar betroffenen Gebäudeteilen, soweit sie dem Publikumsverkehr dienen, feststellen und unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten abbauen, sofern der Abbau nicht eine unangemessene wirtschaftliche Belastung darstellt.

(3) Alle obersten Bundesbehörden und Verfassungsorgane erstellen über die von ihnen genutzten Gebäude, die im Eigentum des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts stehen, bis zum 30. Juni 2021 Berichte über den Stand der Barrierefreiheit dieser Bestandsgebäude und sollen verbindliche und überprüfbare Maßnahmen- und Zeitpläne zum weiteren Abbau von Barrieren erarbeiten.

(4) Der Bund einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ist verpflichtet, die Barrierefreiheit bei Anmietungen der von ihm genutzten Bauten zu berücksichtigen. Künftig sollen nur barrierefreie Bauten oder Bauten, in denen die baulichen Barrieren unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten abgebaut werden können, angemietet werden, soweit die Anmietung nicht eine unangemessene wirtschaftliche Belastung zur Folge hätte.

(5) Sonstige bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes barrierefrei zu gestalten. Weitergehende landesrechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Januar 2012 - 6 Sa 2159/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Wartezeitkündigung.

2

Die Beklagte stellte den Kläger mit Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 2010 als chemisch-technischen Assistenten ein. Sie produziert Arzneimittel zur Krebsbehandlung, die intravenös verabreicht werden. Der Kläger sollte im sog. Reinraumbereich eingesetzt werden. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 5. Dezember 2011 befristet, wobei die ersten sechs Monate als Probezeit galten, innerhalb derer das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden konnte. Gemäß Ziff. 12 des Arbeitsvertrags galten die betrieblichen Regelungen, dh. die vom Arbeitgeber erlassenen allgemeinen Festlegungen oder Weisungen sowie die mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarungen. Der Kläger hat keine Befristungskontrollklage erhoben.

3

Anlässlich seiner Einstellungsuntersuchung am 8. Dezember 2010 teilte der Kläger dem Betriebsarzt mit, er sei HIV-infiziert. Der Kläger ist symptomfrei. Er hat einen GdB von 10. Der Betriebsarzt äußerte in dem für eine Tätigkeit im Reinraum auszufüllenden Formular „Aufnahme von Tätigkeiten im GMP-Bereich“ am 14. Dezember 2010 Bedenken gegen einen Einsatz des Klägers in diesem Bereich. Das Formular ist Teil der „Standard Operating Procedure“ (SOP) der Beklagten, die der Umsetzung des sog. EG-GMP Leitfadens (Leitfaden der Guten Herstellungspraxis) dient. Dabei handelt es sich um Leitlinien der EU-Kommission, die als Anlage 2 zur Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit zu § 2 Nr. 3 der Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung - AMWHV) vom 27. Oktober 2006 (BAnz S. 6887) veröffentlicht sind. In Ziff. 2.15 des Leitfadens heißt es:

„Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, die, soweit es praktisch möglich ist, sicherstellen, dass in der Arzneimittelherstellung niemand beschäftigt wird, der an einer ansteckenden Krankheit leidet oder offene Verletzungen an unbedeckten Körperstellen aufweist.“

4

In einem Gespräch vom 4. Januar 2011, an dem der Kläger, der Betriebsarzt sowie einer der beiden Geschäftsführer der Beklagten teilnahmen, teilte der Betriebsarzt nach Entbindung von seiner ärztlichen Schweigepflicht mit, der Kläger sei HIV-infiziert. Möglichkeiten zur Beschäftigung des Klägers außerhalb des Reinraumbereichs bestanden nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 4. Januar 2011 zum 24. Januar 2011.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, die angegriffene Kündigung diskriminiere ihn, weil seine HIV-Infektion alleiniger Kündigungsgrund sei. Auch eine symptomlose HIV-Infektion führe zu einer Behinderung. Deswegen stehe ihm auch eine Entschädigung zu. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass seine Infektion eine ansteckende Krankheit iSd. GMP-Leitfadens sei. Unter Berücksichtigung des konkreten Herstellungsprozesses und der konkreten Tätigkeit des Klägers hätte unter keinen Umständen, auch nicht bei Schnitt- oder Nadelstichverletzungen, das HI-Virus auf die von der Beklagten hergestellten Medikamente übertragen werden können. Zum Beweis dafür hat sich der Kläger auf ein Sachverständigengutachten bezogen.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen bis zum Ende der Befristung am 5. Dezember 2011 fortbestanden hat und insbesondere nicht durch die Kündigung vom 4. Januar 2011 beendet worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm eine angemessene Entschädigung in Geld von bis zu drei Bruttomonatsgehältern (6.600,00 Euro) zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die Kündigung aus Gründen der Arbeitssicherheit unumgänglich gewesen sei. Der Kläger leide an einer ansteckenden Krankheit im Sinne ihrer SOP. Das und nicht seine HIV-Infektion sei der Kündigungsgrund gewesen. Ob der Kläger sich in fachärztlicher Behandlung befinde und engmaschig überwacht werde, könne sie nicht überprüfen. Zudem könne der Kläger jederzeit die sichere Behandlung abbrechen, ohne sie informieren zu müssen. Ihre Endabnehmer seien schwerkranke Patienten, so dass sie eine Abwägung zugunsten der Interessen dieser Patienten getroffen habe. Es könne von ihr nicht verlangt werden, sich dem Risiko von Schadensersatzansprüchen, eines drohenden Lizenzverlustes und der Verhängung von Ordnungswidrigkeitsstrafen auszusetzen, um an einem objektiv nicht geeigneten Arbeitnehmer festhalten zu können. Setze sie einen HIV-Positiven in der Medikamentenproduktion ein, komme es zu einer nicht hinnehmbaren Rufschädigung.

8

Die Vorinstanzen haben - soweit für die Revision von Interesse - die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

A. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Revision den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO(vgl. zu diesen Anforderungen BAG 19. April 2012 - 6 AZR 677/10 - Rn. 11). Sie setzt sich mit beiden das angegriffene Urteil selbstständig tragenden Begründungen ausreichend auseinander.

10

I. Der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht dahinstehen lassen, ob er behindert sei. Bereits diese Rüge, mit der der Kläger sinngemäß geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe sich mit seiner Begründung den Blick auf den richtigen Prüfungsmaßstab verstellt, stellt das angefochtene Urteil ausreichend in Frage, soweit das Landesarbeitsgericht die Kündigung als wirksam angesehen hat. Ob diese Auffassung materiell-rechtlich zutrifft, ist für die Zulässigkeit der Revision unerheblich.

11

II. Die Revision ist auch zulässig, soweit der Kläger seinen Antrag auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG weiter verfolgt. Die Begründetheit dieses Anspruchs hängt im Ausgangspunkt denknotwendig davon ab, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfolgt ist. § 15 Abs. 2 AGG ist eine Rechtsfolgenbestimmung(Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 49). Das Landesarbeitsgericht hat sich mit dem Anspruch auf Entschädigung nicht gesondert befasst, sondern nur angenommen, die Beklagte sei nicht zur Entschädigung verpflichtet, weil die Kündigung den Kläger nicht diskriminiere. Vom Rechtsmittelführer kann nicht mehr an Begründung verlangt werden als vom Gericht seinerseits aufgewendet (BAG 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 11, BAGE 126, 237). Für die Zulässigkeit der Revision genügt deshalb insoweit bereits die ausreichende Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Wirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG 18. November 2010 - 6 AZR 273/10 - Rn. 34).

12

B. Der Senat hat das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG) e.V., Berlin, als Beistand des Klägers nach § 23 AGG zugelassen. Der Satzungszweck, das diskriminierungsfreie Zusammenleben ua. durch die kostenlose Unterstützung und Beratung bei Diskriminierungen insbesondere in Gerichtsverfahren zur Durchsetzung des Rechtsschutzes Betroffener zu fördern, genügt der Legaldefinition in § 23 Abs. 1 Satz 1 AGG. Das BUG hat nachgewiesen, dass es die nach § 23 Abs. 1 Satz 2 AGG erforderliche Mindestanzahl an Mitgliedern hat.

13

C. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger werde nicht wegen einer Behinderung benachteiligt. Die für seine Hilfsbegründung, jedenfalls seien die Voraussetzungen des § 8 AGG erfüllt, erforderlichen Tatsachen hat es nicht festgestellt. Dabei hat es insbesondere nicht geprüft, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen einen Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können. Damit trägt auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht, die Kündigung sei nicht nach § 242 BGB unwirksam. Das Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Der Senat kann nicht selbst feststellen, ob die Kündigung gemäß § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam ist, weil der Kläger wegen seiner Behinderung diskriminiert worden ist. Dazu bedarf es noch weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Der Rechtsstreit war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14

I. Eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer, auf den das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet, aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe diskriminiert, ist nach § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam. § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen.

15

1. Welche Bedeutung der Vorschrift des § 2 Abs. 4 AGG zukommt, nach der „für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz“ gelten, ist umstritten.

16

a) Für Kündigungen, die dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, ist diese Frage durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. November 2008 (- 2 AZR 523/07 - Rn. 34 ff., BAGE 128, 238) geklärt. Bei der Prüfung der Wirksamkeit solcher Kündigungen sind die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und die darin vorgesehenen Rechtfertigungen für unterschiedliche Behandlungen als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit zu beachten (vgl. auch BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 24; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 15).

17

b) Nach wie vor kontrovers wird jedoch beurteilt, wie § 2 Abs. 4 AGG im Hinblick auf Kündigungen, die nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, zu verstehen ist. Einigkeit besteht insoweit nur dahin, dass die Antidiskriminierungsrichtlinien, namentlich die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG), auch einen Schutz vor diskriminierenden Kündigungen gebieten (vgl. EuGH 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 37, Slg. 2006, I-6467) und dass dieser Schutz auch Arbeitnehmer außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes erfasst.

18

aa) Die Frage ist höchstrichterlich bisher nicht geklärt. Die Entscheidungen des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 6. November 2008 (- 2 AZR 523/07 - Rn. 34, BAGE 128, 238) sowie des Achten Senats vom 22. Oktober 2009 (- 8 AZR 642/08 -) beziehen sich nur auf Kündigungen im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes. Soweit das Bundesarbeitsgericht vor Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes diskriminierende Kündigungen am Maßstab des § 242 BGB gemessen hat(vgl. BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - für eine auf kulturelle und religiöse Gründe gestützte Arbeitsverweigerung eines Arbeitnehmers, der einer Sinti-Familie angehörte; 23. Juni 1994 - 2 AZR 617/93 - BAGE 77, 128 für eine auf Homosexualität gestützte Kündigung), ist diese Rechtsprechung durch die geänderte Rechtslage überholt.

19

bb) Die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum nimmt an, die Benachteiligungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sowie die Beweislastverteilung nach § 22 AGG müssten bei der Prüfung, ob die Kündigung nach den zivilrechtlichen Generalklauseln(§§ 138, 242 BGB) unwirksam sei, berücksichtigt werden (KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 17, 19; KR/Griebeling § 1 KSchG Rn. 26a; ErfK/Schlachter 14. Aufl. § 2 AGG Rn. 18; vHH/L/Krause 15. Aufl. § 1 Rn. 238, 242; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 230; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 62; v. Roetteken AGG Stand März 2011 § 2 Rn. 69; Blessing Rechtsfolgen diskriminierender Kündigungen unter Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes S. 147). Ein Teil des Schrifttums vertritt dabei die Auffassung, die Bestimmungen der Antidiskriminierungsrichtlinien seien bei der Prüfung, ob die Kündigung nach den zivilrechtlichen Generalklauseln unwirksam sei, unmittelbar zu berücksichtigen, die unionsrechtlich geforderte Beweislastverteilung müsse durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 138 Abs. 2 ZPO gewährleistet werden(APS/Preis 4. Aufl. Grundlagen J Rn. 71f, 71g; ähnlich Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz 2. Aufl. Rn. 112 ff.).

20

cc) Ein anderer Teil des Schrifttums hält § 2 Abs. 4 AGG für unvereinbar mit Unionsrecht. Eine unionsrechtskonforme Auslegung sei wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht möglich, widerspreche aber jedenfalls dem unionsrechtlichen Transparenzgebot (dazu EuGH 10. Mai 2001 - C-144/99 - [Kom-mission/Niederlande] Rn. 17, Slg. 2001, I-3541). § 2 Abs. 4 AGG sei deshalb nicht anwendbar, stattdessen fänden die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unmittelbare Anwendung(Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 256 ff., 263 mwN).

21

dd) Teils wird - mit unterschiedlichen Ansätzen - angenommen, § 2 Abs. 4 AGG erfasse Kündigungen während der Wartezeit und im Kleinbetrieb nicht(HaKo/Mayer 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 147 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger/Zwanziger KSchR 8. Aufl. AGG Rn. 63; Stein in Wendeling-Schröder AGG § 2 Rn. 48; wohl auch Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. Vor § 1 Rn. 28).

22

2. Zutreffend ist die letztgenannte Auffassung. § 2 Abs. 4 AGG regelt für Kündigungen nur das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dem Kündigungsschutzgesetz sowie den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Bestimmungen. Die zivilrechtlichen Generalklauseln werden dagegen von § 2 Abs. 4 AGG nicht erfasst. Der Diskriminierungsschutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geht insoweit diesen Klauseln vor und verdrängt diese. Ordentliche Kündigungen während der Wartezeit und in Kleinbetrieben sind deshalb unmittelbar am Maßstab des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu messen. Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem Zweck des § 2 Abs. 4 AGG. Der Wortlaut der Bestimmung steht dem nicht entgegen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz regelt allerdings nicht selbst, welche Rechtsfolge eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unzulässige Benachteiligung hat. Diese Rechtsfolge ergibt sich erst aus § 134 BGB(vgl. Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. Vor § 1 Rn. 25; Düwell jurisPR-ArbR 47/2006 Anm. 6).

23

a) Der Gesetzgeber wollte mit § 2 Abs. 4 AGG für Kündigungen nur das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dem Kündigungsschutzgesetz sowie den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Bestimmungen, zu denen die zivilrechtlichen Generalklauseln in §§ 138, 242 BGB nicht gehören, regeln. Das folgt aus der Gesetzgebungsgeschichte.

24

aa) § 2 Abs. 4 AGG ist erst während des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt worden. In der vom Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgeschlagenen Fassung sollte die Bestimmung wie folgt gefasst werden:

„Für Kündigungen gelten vorrangig die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes.“

25

Damit sollte klargestellt werden, dass die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes unberührt blieben. Der Praxis sollte verdeutlicht werden, dass Rechtsstreite bei Kündigungen auch in Zukunft vorwiegend nach dem Kündigungsschutzgesetz zu entscheiden seien (BT-Drucks. 15/5717 S. 5, 36).

26

bb) Wortlaut und Begründung des § 2 Abs. 4 AGG-E griff die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vom 8. Juni 2006 auf (BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Die Empfehlung des Bundesrats zu diesem Entwurf vom 6. Juni 2006 sah vor, § 2 Abs. 4 AGG wie folgt zu fassen(BR-Drucks. 329/1/06 S. 1):

„Liegt die Benachteiligung in einer Kündigung, finden im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ausschließlich dessen Bestimmungen Anwendung. …“

27

Mit dieser Regelung sollte das Verhältnis beider Gesetze (dh. von AGG und KSchG) präzisiert werden. Das mit dieser Vorschrift verbundene Anliegen - Vorrang der Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes - komme in der bisherigen Fassung nicht hinreichend klar zum Ausdruck (BR-Drucks. 329/1/06 S. 2).

28

cc) Der Rechtsausschuss schlug in seiner Beschlussempfehlung vom 28. Juni 2006 die Gesetz gewordene Fassung vor. In seiner Begründung (BT-Drucks. 16/2022 S. 12) griff er ausdrücklich das Anliegen des Bundesrats auf. Das Verhältnis „beider Gesetze“ (von AGG und KSchG) solle präzisiert werden. Es erscheine sachgerechter, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz Anwendung fänden, weil „diese Regelungen speziell auf Kündigungen zugeschnitten“ seien. Die wesentlichen Bestimmungen des allgemeinen Kündigungsschutzes fänden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch sowie im ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes. Bestimmungen zum besonderen Kündigungsschutz enthielten der Zweite Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes und zB § 9 Abs. 3 MuSchG und §§ 18 f. BEEG.

29

b) Aus dieser Entstehungsgeschichte folgt zugleich der Zweck des § 2 Abs. 4 AGG.

30

aa) Mit dem Bezug auf die „Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz“ wollte der Gesetzgeber nicht regeln, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für sämtliche Kündigungen nicht gelten sollte. Es sollte lediglich das Verhältnis von Kündigungsschutzgesetz und Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz „präzisiert“ und das Anliegen des Bundesrats, den Vorrang der Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes klarzustellen, aufgegriffen werden. Außerdem sollte den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Regelungen Anwendungsvorrang zukommen. Die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sollten in diese Bestimmungen eingepasst werden und Kohärenz zwischen dem Antidiskriminierungsrecht des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf der einen und den von § 2 Abs. 4 AGG erfassten Kündigungsschutzbestimmungen auf der anderen Seite hergestellt werden(vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 37, 39 f., BAGE 128, 238). Neben das Kündigungsschutzgesetz und die speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Vorschriften des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes sollte kein „zweites“, durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vermitteltes Kündigungsschutzrecht treten. Eine Sperrwirkung für Kündigungen, für die wie die hier streitbefangene Wartezeitkündigung das Kündigungsschutzgesetz (noch) nicht gilt und für die weder spezielle Kündigungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches wie § 626 und § 613a Abs. 4 BGB noch besondere Kündigungsschutzbestimmungen in Betracht kommen, war nicht bezweckt(vgl. HaKo/Mayer 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 148 f.). Bedeutung kommt § 2 Abs. 4 AGG für solche Kündigungen nur insofern zu, als es zB bei der Anwendbarkeit der Klagefrist des § 4 KSchG und der Rechtsfolgen des § 7 KSchG im Fall ihrer Versäumung bleibt(Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 2 Rn. 38; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 240).

31

bb) Bei ordentlichen Kündigungen, auf die das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet und bei denen der Arbeitnehmer geltend macht, die Kündigung diskriminiere ihn, besteht kein nach diesem Gesetzeszweck zu vermeidender Konflikt zwischen zwei ausdifferenzierten Kündigungsschutzsystemen. Das Kündigungsschutzgesetz verlangt Gründe, die die Kündigung rechtfertigen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 56 sprechen von einer „Positivliste“). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geht dagegen davon aus, dass Kündigungen grundsätzlich zulässig sind, es sei denn, es liegt eine Diskriminierung vor (Bauer/Göpfert/Krieger aaO sprechen hier von einer „Negativliste“). Für ordentliche Kündigungen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes, auf die keine speziellen Kündigungsverbote Anwendung finden, gilt von vornherein nur eine „Negativliste“: Diese Kündigungen sind grundsätzlich wirksam. Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise und nur dann, wenn sie diskriminierend, treu- oder sittenwidrig sind oder gegen höherrangiges Recht verstoßen. Es tritt also nicht neben einen - gänzlich anders strukturierten - Kündigungsschutz ein zweites Schutzsystem mit anderen Parametern, sondern es bleibt bei der „Negativliste“, die um weitere Punkte und vor allem eine abweichende Beweislastverteilung ergänzt wird. Eine „Verzahnung“ des Kündigungsschutzrechts und des Antidiskriminierungsrechts ist in derartigen Konstellationen nicht erforderlich und wird darum auch nicht durchbrochen (aA KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 18).

32

c) Der Wortlaut des § 2 Abs. 4 AGG steht diesem aus der Entstehungsgeschichte und dem Gesetzeszweck hergeleiteten Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar ordnet § 2 Abs. 4 AGG unterschiedslos für alle „Kündigungen“ an, dass für sie ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Die Anwendung der Norm ist jedoch hinsichtlich des materiellen Kündigungsschutzes im Wege der teleologischen Reduktion auf Kündigungen, für die das Kündigungsschutzgesetz, speziell auf Kündigungen zugeschnittene Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches oder besondere Kündigungsschutzbestimmungen gelten, zu beschränken. Nur so wird die nach dem Wortlaut zu weit gefasste Bestimmung des § 2 Abs. 4 AGG ihrem Zweck gerecht. Für ordentliche Kündigungen in der Wartezeit und in Kleinbetrieben gelten grundsätzlich keine Bestimmungen des „allgemeinen Kündigungsschutzes“ iSd. § 2 Abs. 4 AGG.

33

aa) Die teleologische Reduktion von Vorschriften auch gegen deren Wortlaut gehört zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG 30. März 1993 - 1 BvR 1045/89 ua. - zu C II 2 der Gründe, BVerfGE 88, 145). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass andere Indizien deutlich belegen, dass der Sinn der Norm im Text nur unzureichend Ausdruck gefunden hat (BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 22/93 - [Kleinbetriebsklausel II] zu B I 5 der Gründe, BVerfGE 97, 186) und die weiteren Auslegungsmethoden die wahre Bedeutung der Norm freilegen (vgl. BVerfG 19. Juni 1973 - 1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72 - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 35, 263). Diese Befugnis des Richters beruht darauf, dass die Auslegung gerade der Ermittlung des im Gesetz objektivierten Willens des Gesetzgebers dient (vgl. BVerfG 4. Juni 2012 - 2 BvL 9/08 ua. - [Dienstbeschädigungsausgleich] Rn. 99, BVerfGE 131, 88).

34

bb) Unter „allgemeinem Kündigungsschutz“ wird - entsprechend der Überschrift des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes - im fachbezogenen Sprachgebrauch der Kündigungsschutz nach diesem Abschnitt verstanden (vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 49, BAGE 128, 73; 8. Juli 1998 - 7 AZR 245/97 - zu II 1 der Gründe, BAGE 89, 216; HaKo/Mayer 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 147). Zwar hat der Gesetzgeber in seiner Begründung zu der Gesetz gewordenen Fassung weiter gehend angenommen, die wesentlichen Bestimmungen des allgemeinen Kündigungsschutzes fänden sich auch „im Bürgerlichen Gesetzbuch“ (BT-Drucks. 16/2022 S. 12). Er hat aber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass er mit den Bestimmungen des „allgemeinen Kündigungsschutzes“ nur solche Bestimmungen meint, die speziell auf Kündigungen zugeschnitten sind. Das sind im Bürgerlichen Gesetzbuch vor allem §§ 613a, 622 und 626 BGB. Die für den Kündigungsschutz im Kleinbetrieb und in der Wartezeit maßgeblichen zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138 und 242 BGB sind dagegen - wie schon ihre Bezeichnung zeigt - gerade nicht speziell auf Kündigungen zugeschnitten, sondern Auffangtatbestände, die zudem erst unter Berücksichtigung verfassungs- oder unionsrechtlicher Vorgaben(vgl. dazu BAG 24. Januar 2008 - 6 AZR 96/07 - Rn. 27) ihren Bedeutungsgehalt für Kündigungen gewinnen. Deshalb sind nach dem Verständnis des Gesetzgebers die Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB keine „Bestimmungen zum allgemeinen Kündigungsschutz“ iSd. § 2 Abs. 4 AGG(Kittner/Däubler/Zwanziger/Zwanziger KSchR 8. Aufl. AGG Rn. 63; HaKo/Mayer aaO).

35

cc) Für ordentliche Kündigungen in der Wartezeit und in Kleinbetrieben, für die keine speziell auf Kündigungen zugeschnittene Bestimmungen gelten, war nach dem Verständnis des Gesetzgebers gerade keine Regelung dazu erforderlich, in welchem Verhältnis das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und die auf solche Kündigungen Anwendung findenden Generalklauseln stehen sollten. Soweit § 2 Abs. 4 AGG gleichwohl seinem Wortlaut nach auch solche Kündigungen erfasst, entspricht dies nicht dem Zweck, den der Gesetzgeber mit dieser Norm verfolgte.

36

d) Diese Auslegung führt nicht dazu, dass Kündigungen außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes insbesondere wegen der möglichen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG stärker sanktioniert würden als Kündigungen, für die das Kündigungsschutzgesetz gilt(so aber KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 18; Bauer/Thüsing/Schunder NZA 2006, 774, 777). Auch bei Kündigungen, die dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, scheidet eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht von vornherein aus.

37

aa) Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte diese Frage zunächst offengelassen (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 20; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 16; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 33, BAGE 128, 238; zum Streitstand Wenckebach AuR 2010, 499, 501). Er hatte jedoch schon darauf hingewiesen, dass eine Anwendung des § 15 Abs. 2 AGG neben der Sanktionsfolge der Unwirksamkeit nicht systemwidrig erscheine. Auch Entschädigungen für immaterielle Schäden infolge einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang mit der Erklärung einer unwirksamen Kündigung seien nicht ausgeschlossen (BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 16 unter Hinweis auf BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 -). Er hatte weiter angenommen, es sei vom Vorliegen eines immateriellen Schadens iSd. § 15 Abs. 2 AGG auszugehen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot feststehe(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 74, BAGE 129, 181). Mit Urteil vom 12. Dezember 2013 hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts nun einer schwangeren Arbeitnehmerin, der unter Verstoß gegen das Mutterschutzgesetz gekündigt worden war, wegen Geschlechtsdiskriminierung einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zuerkannt(- 8 AZR 838/12 - Pressemitteilung Nr. 77/13).

38

bb) Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar(KR/Treber 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 27 mwN; vgl. auch BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen(vgl. Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 190; Blessing Rechtsfolgen diskriminierender Kündigungen unter Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes S. 173). Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von der Frage sanktioniert werden, ob nach einer unwirksamen Kündigung das Arbeitsverhältnis fortbesteht (vgl. Blessing aaO S. 193). Ausgehend davon kann allenfalls angenommen werden, die Unwirksamkeit der Kündigung sei eine Naturalrestitution iSd. § 15 Abs. 1 AGG. Die Anwendung des § 15 Abs. 2 AGG kann dagegen nicht mit der Begründung abgelehnt werden, diese Rechtsfolge sei eine hinreichende Sanktion iSd. Antidiskriminierungsrichtlinien (vgl. Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 54; Wenckebach AuR 2010, 499, 502). Die Unwirksamkeit der Kündigung kann die bei einer Diskriminierung nach der Vorstellung des Gesetzgebers in der Regel vorliegende Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht kompensieren. Dies gilt insbesondere in dem in der Praxis häufig vorkommenden Fall, dass der Arbeitnehmer auch nach einem erfolgreichen Kündigungsschutzprozess nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt.

39

cc) Darüber hinaus kommt bei unwirksamen Abmahnungen oder Versetzungen, die kündigungsrechtlich gesehen mildere Maßnahmen im Vergleich zu einer Kündigung darstellen, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ohne Weiteres in Betracht(vgl. für die Versetzung BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - BAGE 129, 181), obwohl auch diese Maßnahmen bei Diskriminierungen iSd. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unwirksam sind und Abmahnungen zusätzlich noch aus der Personalakte zu entfernen sind. Dann muss erst recht bei diskriminierenden Kündigungen, die typischerweise tiefer in das Persönlichkeitsrecht eingreifen, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG möglich sein(Wenckebach AuR 2010, 499, 502; Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 262a).

40

dd) § 2 Abs. 4 AGG steht einem solchen Verständnis des § 15 Abs. 2 AGG nicht entgegen. Damit wird nur der Weg beschrieben, auf dem die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in das Kündigungsschutzrecht einzupassen sind. Die Frage, wie Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu sanktionieren sind, ist nicht berührt (vgl. Wenckebach AuR 2010, 499, 502).

41

e) Die Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes führt - insbesondere wegen der Beweislastregel des § 22 AGG(vgl. KR/Treber 10. Aufl. § 22 AGG Rn. 6; Däubler/Bertzbach/Bertzbach AGG 3. Aufl. § 22 Rn. 48 mwN) - in Fällen, in denen das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet, dazu, dass die Rechtsstellung von Arbeitnehmern bei potentiell diskriminierenden Kündigungen gegenüber der von Arbeitnehmern, bei denen keine Diskriminierung in Betracht kommt, verbessert wird. Dies ist jedoch nur die Konsequenz der Überlagerung des nationalen Kündigungsschutzrechts durch das Antidiskriminierungsrecht der Europäischen Union.

42

II. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob der Kläger behindert iSd. § 1 AGG ist, sondern hat dies ausdrücklich offengelassen. Beide Begründungen, mit denen es die Kündigung unabhängig von der Frage der Behinderung des Klägers als wirksam angesehen hat, tragen nicht. Es ist deshalb von entscheidungserheblicher Bedeutung, ob die symptomlose HIV-Infektion des Klägers eine Behinderung iSd. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes darstellt.

43

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe den Kläger durch die streitbefangene Kündigung nicht wegen einer etwaigen Behinderung benachteiligt. Mit dieser Begründung durfte es eine Behinderung nicht dahinstehen lassen.

44

a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die der Kündigungsentscheidung zugrunde liegenden Überlegungen können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigungserklärung und einem Merkmal nach § 1 AGG sein. Dieser Zusammenhang kann sich aus der Kündigungsbegründung oder anderen Umständen ergeben (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 34). Dabei bedarf es allerdings keiner subjektiven Komponente im Sinne einer Benachteiligungsabsicht. Es reicht aus, wenn eine Anknüpfung der Kündigung an ein Diskriminierungsmerkmal zumindest in Betracht kommt (BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 28). Dies ist hier unstreitig der Fall, weil die Beklagte die HIV-Infektion als Ausschlussmerkmal für einen Einsatz im Reinraum ansieht. Auch unberechtigte Stereotypisierungen können zu (unabsichtlichen) Diskriminierungen führen (vgl. Schiek/Schiek AGG § 3 Rn. 16; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 3 Rn. 13). Darauf, ob die Beklagte glaubte, das für sie geltende Regelwerk gebiete die Kündigung, kommt es deshalb entgegen der von ihr vertretenen Auffassung nicht an.

45

b) Die Beklagte macht geltend, sie habe dem Kläger allein deshalb gekündigt, weil er an einer ansteckenden Krankheit im Sinne ihrer SOP leide und deshalb die Anforderungen an eine Beschäftigung im Reinraum nicht erfülle, nicht aber, weil er HIV-infiziert sei. Sie hätte genauso gehandelt, wenn der Kläger an Hepatitis B oder C bzw. einer chronischen Hauterkrankung an den Armen, Unterarmen, Händen oder im Gesicht gelitten hätte. Das Landesarbeitsgericht ist dem unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. April 2011 (- 8 AZR 515/10 - Rn. 34) gefolgt. Das ist rechtsfehlerhaft. Die vom Landesarbeitsgericht angeführte Entscheidung betrifft andere Fallkonstellationen als die vorliegende.

46

aa) Wäre der Kläger wegen seiner symptomlosen HIV-Infektion behindert, stellte die streitbefangene Kündigung eine unmittelbare Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG in Form einer sog. verdeckten unmittelbaren Ungleichbehandlung dar. Eine solche Ungleichbehandlung ist gegeben, wenn nach einem scheinbar objektiven, nicht diskriminierenden Kriterium (ansteckende Krankheit) unterschieden wird, das jedoch in untrennbarem Zusammenhang mit einem in § 1 AGG genannten Grund(Behinderung) steht und damit kategorial ausschließlich Träger eines Diskriminierungsmerkmals trifft (vgl. BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 23, BAGE 138, 107; vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 23, Slg. 2010, I-9343; vgl. zu der für die Schwangerschaft klarstellenden Normierung dieser Rechtsfigur in § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 20 f., BAGE 137, 80). Das ist hier der Fall. Kündigungsgrund ist die Unfähigkeit des Klägers, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Diese nach Auffassung der Beklagten bestehende Unfähigkeit ergab sich allein aus der HIV-Infektion des Klägers. Nach ihrer SOP ist die HIV-Infektion ebenso wie chronische Hauterkrankungen im Bereich der Arme, Unterarme, Hände und Gesicht oder eine chronisch verlaufende Hepatitis B und C ein Ausschlusskriterium für die Tätigkeit im Reinraum (vgl. S. 2 der Beauftragung des Betriebsarztes zur Durchführung von GMP-Untersuchungen vom 1. April 2010). Weitere absolute Ausschlussgründe sieht die SOP nicht vor. Ansteckende Erkrankungen wie Husten und Schnupfen, wiederholtes Erbrechen, Durchfall oder offene Ekzeme sind nach der SOP nur anzeigepflichtig und ziehen, wie die Beklagte selbst vorträgt, nur den vorübergehenden Ausschluss von der Tätigkeit im Reinraum nach sich. Führte bei chronischen Erkrankungen der Ausschluss von bestimmten Teilen des Berufsfelds dazu, dass eine Behinderung iSd. § 1 AGG vorliegt, wäre dies in allen drei in der SOP der Beklagten aufgeführten Fällen anzunehmen. Eine Kündigung, die wegen einer der in der SOP angeführten ansteckenden Krankheiten, die zum dauerhaften Ausschluss von der Tätigkeit im Reinraum führen, erklärt wird, wäre dann in allen drei Fällen wegen eines Merkmals iSd. § 1 AGG erfolgt. Insoweit gilt nichts anderes, als wenn ein Arbeitgeber einer befristet eingestellten Frau kündigt, die wegen ihrer Schwangerschaft während der gesamten Dauer der Befristung einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot unterliegt (vgl. EuGH 4. Oktober 2001 - C-109/00 - [Tele Danmark] Rn. 20, 31, Slg. 2001, I-6993), oder wenn er einem Rollstuhlfahrer kündigt, weil die geschuldete Arbeit von einem Rollstuhlfahrer nicht verrichtet werden könne, denn nur Behinderte sind dauerhaft an den Rollstuhl gebunden (vgl. Kamanabrou RdA 2006, 321, 324). In all diesen Fällen beruht die Unfähigkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erfüllen, letztlich auf einem Diskriminierungsmerkmal.

47

bb) Daraus folgt zugleich, dass die Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten, die Kündigung beruhe letztlich auf der aus dem Regelwerk der Beklagten folgenden, auf einer ansteckenden Krankheit beruhenden fehlenden Einsetzbarkeit des Klägers und benachteilige diesen deshalb jedenfalls nicht wegen einer etwaigen Behinderung, nicht trägt. Ob tatsächlich der Einsatz des Klägers im Reinraum dauerhaft unmöglich und deshalb die Kündigung wirksam war, ist eine Frage, die ausschließlich auf der Ebene der Rechtfertigung unter Berücksichtigung der Möglichkeit, angemessene Vorkehrungen zu treffen, zu entscheiden ist, nicht aber bereits die Annahme einer Benachteiligung wegen der Behinderung von vornherein ausschließt.

48

cc) Der Kläger würde gegenüber Personen in einer vergleichbaren Situation benachteiligt (zu diesem Erfordernis BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 29, BAGE 138, 107). Die Feststellung der Vergleichbarkeit der Situation erfordert, dass es außer der anderen Ausprägung des Diskriminierungsmerkmals keine wesentlichen Unterschiede zwischen der benachteiligten und der Vergleichsperson gibt (Schiek/Schiek AGG § 3 Rn. 11). Einem nicht behinderten chemisch-technischen Assistenten in einer sonst mit der Situation des Klägers vergleichbaren Lage wäre nicht gekündigt worden (vgl. in diesem Sinne auch EGMR 3. Oktober 2013 - 552/10 - Rn. 77). Darin liegt der Unterschied zu der vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. April 2011 (- 8 AZR 515/10 -). Das Argument der Beklagten, auch einem an einer chronisch verlaufenden Hepatitis B bzw. C oder an einer chronischen Hauterkrankung an den Armen, Unterarmen, Händen oder im Gesicht leidenden Arbeitnehmer hätte sie gekündigt, trägt nicht. Auch diese Arbeitnehmer wären, wie unter Rn. 46 ausgeführt, behindert.

49

2. Die Hilfsbegründung des Landesarbeitsgerichts, das Fehlen einer HIV-Infektion stelle eine berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG dar, greift zu kurz.

50

a) Das Landesarbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, dass sich der Arbeitgeber, der eine Kündigung darauf stützt, dass er den Arbeitnehmer wegen seiner Behinderung nicht einsetzen könne, nur dann auf den Rechtfertigungsgrund des § 8 Abs. 1 AGG berufen kann, wenn auch angemessene Vorkehrungen iSd. Art. 5 RL 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - UN-Behin-dertenrechtskonvention (UN-BRK) - nicht zu einer Einsatzmöglichkeit führen. Unterlässt der Arbeitgeber die danach gebotenen Vorkehrungen und kann er den Arbeitnehmer deshalb nicht einsetzen, ist dieser Umstand regelmäßig nicht auf die Behinderung des Arbeitnehmers, sondern auf die Untätigkeit des Arbeitgebers zurückzuführen. Die Kündigung ist dann nicht gerechtfertigt (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 66, 68; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, Slg. 2006, I-6467).

51

aa) Der Kläger ist mit einem GdB von 10 allenfalls „einfach“ Behinderter. Für diesen Personenkreis ist Art. 5 RL 2000/78/EG, demzufolge der Arbeitgeber angemessene Vorkehrungen zu ergreifen hat, um Behinderten ua. die Ausübung eines Berufs zu ermöglichen, sofern diese Maßnahmen ihn nicht unverhältnismäßig belasten, nicht in nationales Recht umgesetzt worden (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 34 ff.). Eine vergleichbare Verpflichtung sieht Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i UN-BRK vor, wonach die Vertragsstaaten sicherstellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen (reasonable accommadation) für Menschen mit Behinderungen getroffen werden. Was unter „angemessenen Vorkehrungen“ iSd. UN-BRK zu verstehen ist, ist in Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK festgelegt.

52

bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinen Entscheidungen vom 4. Juli 2013 (- C-312/11 - [Kommission/Italien]) und vom 11. April 2013 (- C-335/11 ua. - [Ring]) ausgeführt, dass und wie Art. 5 RL 2000/78/EG nach der Genehmigung der UN-BRK durch den Rat im Namen der Europäischen Gemeinschaft(Beschluss 2010/48/EG vom 26. November 2009 ABl. EU L 23 vom 27. Januar 2010 S. 35) unter Beachtung und in Übereinstimmung mit der UN-BRK auszulegen ist. Der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ ist weit zu verstehen und umfasst die Beseitigung der verschiedenen Barrieren, die die volle und wirksame, gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben behindern. Gemeint sind nicht nur materielle, sondern auch organisatorische Maßnahmen, wobei die Aufzählung der möglichen Vorkehrungen im 20. Erwägungsgrund der RL 2000/78/EG nicht abschließend ist (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 53 bis 56). Ob solche Vorkehrungen den jeweiligen Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten, haben die nationalen Gerichte festzustellen, wobei sie insbesondere den damit verbundenen finanziellen und sonstigen Aufwand unter Berücksichtigung der Größe und der Finanzkraft des Arbeitgebers sowie der Möglichkeit, öffentliche Mittel oder andere Unterstützungen in Anspruch zu nehmen, in die Abwägung einzubeziehen haben (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 59 f.). Die Mitgliedstaaten müssen aufgrund von Art. 5 RL 2000/78/EG iVm. Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK die Arbeitgeber verpflichten, die im konkreten Einzelfall jeweils erforderlichen angemessenen Vorkehrungen zu ergreifen. Das bloße Schaffen von Anreiz- und Hilfsmaßnahmen genügt nicht (EuGH 4. Juli 2013 - C-312/11 - [Kommission/Italien] Rn. 60 ff. der franz. Fassung; Beyer/Wocken DB 2013, 2270).

53

cc) Die Bestimmungen der UN-BRK sind integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 28 ff.). Dadurch sind sie zugleich Bestandteil des - ggf. unionsrechtskonform auszulegenden - deutschen Rechts. Im Hinblick auf die durch den Gerichtshof der Europäischen Union unter Beachtung der UN-BRK vorgenommene Auslegung des Art. 5 RL 2000/78/EG ist Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK weder unmittelbar anzuwenden (aA v. Roetteken jurisPR-ArbR 33/2013 Anm. 1 unter D; zur unmittelbaren Anwendung von Völkerrecht vgl. Schmahl JuS 2013, 961, 965; Aichele AnwBl. 2011, 727, 728) noch sind §§ 7 und 8 AGG völkerrechtskonform auszulegen. Die Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungen ergibt sich vielmehr bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 241 Abs. 2 BGB aus dieser Bestimmung(vgl. zu dieser Vorschrift BAG 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - BAGE 131, 325; 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - BAGE 134, 296; vgl. auch Beyer/Wocken DB 2013, 2270, 2272).

54

b) Eine Kündigung eines behinderten Arbeitnehmers wegen fehlender Einsatzmöglichkeiten ist demnach nur wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, das infolge der Behinderung vorliegende Beschäftigungshindernis durch angemessene Vorkehrungen zu beseitigen (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 57; Däubler/Bertzbach/Brors AGG 3. Aufl. § 8 Rn. 33; KR/Treber 10. Aufl. § 8 AGG Rn. 29; Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 30). Dies hat der Arbeitgeber darzulegen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 43; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 33 f.; Stiebert/Pötters aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO Rn. 33 f.). Beurteilungsgrundlage für die Rechtfertigungsprüfung ist dabei nicht der ursprüngliche (ausgeschriebene) Arbeitsplatz, sondern der mit verhältnismäßigem Aufwand geänderte Arbeitsplatz. Anderenfalls könnte - wie die Argumentation der Beklagten und des Landesarbeitsgerichts eindrücklich belegen - der Arbeitgeber stets berufsbezogen argumentieren und behinderte Arbeitnehmer berechtigt von der Teilhabe am Berufsleben ausschließen (vgl. Däubler/Bertzbach/Brors aaO Rn. 33; KR/Treber aaO). Genau das will Art. 5 RL 2000/78/EG verhindern, dessen Befolgung im nationalen Recht § 241 Abs. 2 BGB sicherstellt. Kann der Arbeitsplatz mit zumutbaren Anstrengungen angepasst werden, ist der Arbeitnehmer für die geschuldete Tätigkeit geeignet. Auf eine Rechtfertigung nach § 8 AGG kommt es dann grundsätzlich nicht mehr an. Nur dann, wenn der Arbeitnehmer zwar auf dem zumutbar angepassten Arbeitsplatz eingesetzt werden kann, aber trotzdem wegen der Behinderung schlechter gestellt wird, zB weil er nicht im Schichtbetrieb eingesetzt wird und deshalb eine Schichtzulage nicht erhält, kann noch eine Rechtfertigung dieser gleichwohl erfolgenden Benachteiligung nach § 8 Abs. 1 AGG in Betracht kommen. Erst in einem solchen Fall muss der Arbeitgeber darlegen, dass und warum gerade im Hinblick auf den angepassten Arbeitsplatz ein berufsbezogener weiterer Grund eine Benachteiligung des Behinderten rechtfertigt (ähnlich Däubler/Bertzbach/Brors aaO).

55

III. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

56

1. Die symptomlose HIV-Infektion des Klägers hat eine Behinderung iSd. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zur Folge. Eine Diskriminierung des Klägers durch die angegriffene Kündigung kommt deshalb in Betracht.

57

a) Eine Behinderung iSd. § 1 AGG liegt unter Berücksichtigung des maßgeblichen supranationalen Rechts vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eines Menschen langfristig eingeschränkt ist und dadurch - in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren(Barrieren) - seine Teilhabe an der Gesellschaft, wozu auch die Teilhabe am Berufsleben gehört, substantiell beeinträchtigt sein kann. Auf einen bestimmten GdB kommt es nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 32). Ob eine Behinderung vorliegt, ist unter Beachtung dieses Begriffsverständnisses im Einzelfall festzustellen (Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 40), wobei auch zu beachten ist, dass das Verständnis von Behinderung nicht statisch ist (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 37).

58

aa) Der Begriff der Behinderung iSd. § 1 AGG entspricht nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers den gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und § 3 BGG(BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 32; BR-Drucks. 329/06 S. 31). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Der Gesetzgeber hat sich damit für einen modernen Behindertenbegriff entschieden, der an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anknüpft (BT-Drucks. 14/5074 S. 98; vgl. BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - Rn. 20, BAGE 122, 54). Bei diesem bio-psycho-sozialen Behindertenbegriff wird Behinderung nicht durch die individuelle Funktionsstörung, sondern durch die Beeinträchtigung der (gesellschaftlichen) Teilhabe definiert. Eine Behinderung liegt vor, wenn sich die Beeinträchtigung auf die Partizipation in einem oder mehreren Lebensbereichen auswirkt (BT-Drucks. 14/5074 S. 98). Ob eine Beeinträchtigung relevant ist, ergibt sich demnach erst aus dem Zusammenwirken von behindernden sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) und individueller Gesundheitsstörung (Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 37; Welti DÖV 2013, 795, 797). Eine Gesundheitsstörung kann auch darin liegen, dass die (gesellschaftliche) Teilhabe durch das Verhalten anderer beeinträchtigt wird (Schiek/Welti aaO Rn. 43). Behinderung ist nach diesem Verständnis sowohl persönliche Eigenschaft als auch soziales Verhältnis (Schiek/Welti aaO Rn. 37, vgl. auch v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 159b). Eine Behinderung in diesem Sinne kann demnach auch erst durch das „Behindern“ eines Menschen durch seine Umwelt entstehen.

59

bb) In seinen Entscheidungen vom 11. April 2013 (- C-335/11 ua. - [Ring]) und vom 4. Juli 2013 (- C-312/11 - [Kommission/Italien]) hat der Gerichtshof der Europäischen Union seine Auslegung des Begriffs der „Behinderung“ iSd. RL 2000/78/EG in Anpassung an Art. 1 Unterabs. 2 UN-BRK modifiziert (zur bisherigen Auslegung siehe EuGH 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 37, Slg. 2006, I-6467). Erfasst sind Einschränkungen, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen sind, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, sofern die körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen langfristig sind. Das schließt einen Zustand ein, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit die vorgenannten Einschränkungen mit sich bringt. Anderenfalls fällt eine Krankheit nicht unter den Begriff der Behinderung iSd. RL 2000/78/EG. Behinderung und Krankheit sind nach wie vor nicht gleichzusetzen (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 41 f., 47, 75).

60

cc) Damit haben sich die unionsrechtliche Konzeption und die des nationalen Rechts angenähert. Aus den unterschiedlichen Definitionen ergeben sich jedoch nach wie vor Unterschiede im Begriffsverständnis, die für die vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Erfassten teils günstiger, teils ungünstiger sind.

61

(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat den Begriff der Behinderung im Hinblick auf den Anwendungsbereich der RL 2000/78/EG auf Beeinträchtigungen der wirksamen Teilhabe am Berufsleben beschränkt (zur Kritik an dieser Beschränkung siehe Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 24 bis 27), während die Behindertenbegriffe des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der UN-BRK auf die gesellschaftliche Teilhabe abstellen. Darüber hinaus sind nach dem nationalen Verständnis bereits Abweichungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern, als langfristig anzusehen, während nach dem Verständnis des Unionsrechts die nationalen Gerichte im Einzelfall entscheiden müssen, wann eine Einschränkung „langfristig“ ist.

62

(2) Demgegenüber ist der nationale Behindertenbegriff zulasten der Behinderten enger als das supranationale Begriffsverständnis, soweit er eine Abweichung von dem für das Lebensalter typischen Zustand verlangt, alterstypische Einschränkungen also stets nicht als Behinderung ansieht (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 161 f.; Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 42). Darüber hinaus verlangt der nationale Behindertenbegriff, dass die Beeinträchtigung der Teilhabe bereits eingetreten ist, während es nach dem von der UN-BRK geleiteten unionsrechtlichen Behindertenbegriff bereits ausreicht, dass eine solche Beeinträchtigung eintreten kann.

63

dd) Der Behindertenbegriff des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist maßgeblich, soweit das nationale Recht von einem weiteren Behindertenbegriff als das supranationale Recht ausgeht. Im Übrigen ist der Behindertenbegriff des Unionsrechts zugrunde zu legen.

64

(1) Die RL 2000/78/EG stellt gemäß Art. 8 Abs. 1 nur Mindestanforderungen auf. Es bleibt daher den Mitgliedstaaten unbenommen, Regelungen einzuführen oder beizubehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die Vorschriften der Richtlinie sind. Davon hat die Bundesrepublik Deutschland im genannten Rahmen Gebrauch gemacht (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 161e, 165; Däubler/ Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 1 Rn. 75; aA KR/Treber 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 49; BeckOK ArbR/Roloff Stand 1. Dezember 2013 AGG § 1 Rn. 7). Der Gesetzgeber des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hat ausdrücklich auf den weitreichenden Behindertenbegriff in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und in § 3 BGG abgestellt. Ein gesetzgeberisches Versehen ist damit auszuschließen (gegen eine gespaltene Auslegung des Behindertenbegriffs gleichwohl Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 33).

65

(2) Soweit das nationale Recht hinter dem supranationalen Recht zurückbleibt, ist dagegen der Behindertenbegriff des Unionsrechts zugrunde zu legen (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 161f). Damit reicht es insbesondere aus, dass Beeinträchtigungen eintreten „können“.

66

ee) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt ein solches Begriffsverständnis nicht dazu, dass Ursache und Wirkung vertauscht würden, wenn der Umgang des Arbeitgebers mit einer Beeinträchtigung eine Behinderung zur Folge haben kann. Bei der Feststellung, ob eine Behinderung vorliegt, geht es gerade darum, objektive Barrieren zu erkennen, die sich nicht zuletzt im Verhalten des Arbeitgebers manifestieren können.

67

ff) Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass ein so verstandener Behindertenbegriff zu einer „Entgrenzung“ des Begriffs (siehe dazu Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 27, die darauf hinweisen, dass etwa 40 % der Bevölkerung in Deutschland an Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, Arthrose oder Rheuma leiden; zur Häufigkeit chronischer Krankheiten siehe auch Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 16) führen und dadurch der Schutz für „schwer“ Behinderte sinken kann. Sind alle oder jedenfalls die Mehrzahl der vergleichbaren Personen ebenfalls behindert, droht der Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (weitgehend) leer zu laufen (vgl. Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 67). Zumindest ist der Behindertenschutz dann kein Minderheitenschutz mehr, es kommt zu einer Majorisierung der „normal Gesunden“ durch die Behinderten.

68

(1) Eine solche mögliche Entgrenzung lässt sich jedoch dadurch einschränken, dass die Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Teilhabe und das Vorliegen einer Benachteiligung wegen dieser nicht pauschal, sondern für die betroffenen Gruppen behinderter Menschen konkret geprüft wird. So kann etwa ein an Diabetes mellitus erkrankter Arbeitnehmer, der „gut eingestellt“ ist, an der gesellschaftlichen Teilhabe so geringfügig beeinträchtigt sein, dass er als nicht behindert anzusehen ist, während ein „schlecht einzustellender“ Diabetiker behindert sein kann. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Personen mit gleichartigen Beeinträchtigungen in verschiedenen Kontexten unterschiedlich in ihrer Teilhabe beeinträchtigt sein können. Ob und welche Barrieren vorliegen, beeinflusst die Annahme einer Behinderung. Die ICF, an deren Definition sich der nationale Behindertenbegriff orientiert, klassifiziert individuelle Behinderungen und berücksichtigt dabei Umweltfaktoren sowohl auf der Ebene des Individuums als auch auf der der Gesellschaft (Welti DÖV 2013, 795, 797; vgl. auch ICF Stand Oktober 2005 Einführung S. 21 f. unter 4.3; Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 68). Wer ungeachtet bestehender Beeinträchtigungen die Möglichkeit hat, gleichberechtigt am Leben in der Gemeinschaft und im Beruf teilzuhaben, ist nicht behindert (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 159a, 164).

69

(2) Der Gefahr übermäßiger Belastung der Arbeitgeber durch einen solchen weiten Behindertenbegriff wird zudem dadurch entgegengewirkt, dass Behinderungen, die sich im Arbeitsverhältnis nicht auswirken, idR weder zu Benachteiligungen noch zu Diskriminierungen von Arbeitnehmern wegen einer Behinderung führen können. Dabei wird allerdings vielfach erst auf der Ebene der angemessenen Vorkehrungen entschieden werden können, ob und wie sich eine Behinderung im Arbeitsleben auswirkt. Dessen ungeachtet hat die Feststellung der Behinderung der Beurteilung, welche Vorkehrungen dem Arbeitgeber im konkreten Fall zumutbar sind, vorauszugehen. Sie sind Folge und nicht Tatbestandsmerkmal einer Behinderung (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 45 f.).

70

b) Der Kläger ist aufgrund seiner symptomlosen HIV-Infektion chronisch erkrankt. Diese Beeinträchtigung wirkt sich auf seine Teilhabe sowohl im Leben in der Gemeinschaft als auch in seinem Berufsfeld aus. Er ist deshalb behindert iSd. § 1 AGG. Das gilt so lange, wie das gegenwärtig auf eine solche Infektion zurückzuführende soziale Vermeidungsverhalten und die darauf beruhenden Stigmatisierungen andauern (ebenso Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 72 f., 77 f.; Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 43; aA nur bei Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis: Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 1 Rn. 135; v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 164; nur unter Berücksichtigung künftiger Beeinträchtigungen: Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 54; auf den Einzelfall abstellend: Antwort der Bundesregierung BT-Drucks. 17/7283 S. 4 f.).

71

aa) Die HIV-Infektion ist unheilbar. Sie hat eine Verminderung der zellulären Immunität und damit einen Immundefekt zur Folge (Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 265. Aufl. Stichwort: HIV-Erkrankung). Diese Abweichung vom allgemein anerkannten Standard des biomedizinischen Zustands (vgl. zu dieser Definition die ICF Stand Oktober 2005 Einführung S. 18 unter 4.1 Ziff. 5) führt zu einer Beeinträchtigung der Funktion des Körpers iSd. Behindertenbegriffs des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

72

bb) Auf den Grund der Behinderung oder ihre Art kommt es nicht an. Auch chronische Krankheiten werden vom Begriffsverständnis der Behinderung iSd. § 1 AGG erfasst. Das setzt allerdings voraus, dass die erforderliche Beeinträchtigung der Teilhabe vorliegt (BT-Drucks. 14/5074 S. 98; v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 164b). Eine chronische Erkrankung, die solche Beeinträchtigungen nicht mit sich bringen kann, führt nicht zu einer Behinderung iSd. § 1 AGG(vgl. für die RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 42).

73

cc) Der Kläger wird durch seine HIV-Infektion im erforderlichen Maß an der Teilhabe am Leben beeinträchtigt. Unerheblich ist dabei, dass seine Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist. Es genügt, dass er in interpersonellen Beziehungen und bei der Arbeit Stigmatisierungen ausgesetzt sein kann (vgl. ausdrücklich für eine HIV-Infektion ICF Stand Oktober 2005 Einführung S. 24 unter 5.1; vgl. auch Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 43). Diese Vorurteile und Stigmatisierungen seiner Umwelt machen ihn zu einem Behinderten iSv. § 1 AGG.

74

(1) Die gesellschaftliche Teilhabe auch von symptomlos HIV-Infizierten wird nach wie vor typischerweise durch zahlreiche Stigmatisierungen (zum Begriff des Stigmas Stürmer/Salewski in Beelmann/Jonas Diskriminierung und Toleranz S. 263, 267 f.; vgl. auch Empfehlung 200 der ILO vom 17. Juni 2010 unter I Ziff. 1 Buchst. d) und soziales Vermeidungsverhalten beeinträchtigt, die auf die Furcht vor einer Infektion zurückzuführen sind, auch wenn die Ausgrenzung in Westeuropa im Rückgang begriffen ist (Stürmer/Salewski aaO S. 264 f., 273; vgl. auch EGMR 3. Oktober 2013 - 552/10 - Rn. 79 ff.; EGMR 10. März 2011 - 2700/10 - [Kiyutin/Russland] Rn. 64). Insbesondere soll HIV-Infizierten signifikant häufig ärztliche Behandlung verweigert werden (Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 27), ebenso soll es zu Nachteilen bei Abschlüssen von Versicherungen, speziell Krankenversicherungen, kommen (Stürmer/Salewski aaO S. 273; Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 25). Darüber hinaus soll Vermeidungsverhalten zu beobachten sein, das sich nicht immer sogleich als Ausgrenzung und Diskriminierung erkennen lässt, zB in Form von Diskrepanzen zwischen verbalem und nonverbalem Verhalten (Stürmer/Salewski aaO S. 272 f.). Auch solche Stigmatisierungen und Vorurteile sind benachteiligende gesellschaftliche Kontextfaktoren (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 37 f.; Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 70). Diskriminierung ist letztlich der Endpunkt von Stigmatisierung (vgl. Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 35). Diese nach wie vor fest verwurzelten Vorurteile gegen HIV-Infizierte haben dazu geführt, dass in den Mitgliedstaaten des Europarats eine klare Gesamttendenz erkennbar ist, HIV-Infizierte, wenn nicht durch spezielle Vorschriften, so doch durch die jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften, die Schutz vor Diskriminierung etwa wegen Behinderung bieten, vor Ungleichbehandlungen am Arbeitsplatz, insbesondere vor diskriminierenden Kündigungen, zu schützen (EGMR 3. Oktober 2013 - 552/10 - Rn. 39, 82 f. unter Hinweis auf eine in dreißig Mitgliedstaaten des Europarats durchgeführte Vergleichsstudie). Auch die Empfehlung 200 der ILO vom 17. Juni 2010 sieht unter III. Ziff. 3 Buchst. c sowie unter IV. Ziff. 9 bis Ziff. 11 den Schutz vor Diskriminierungen und Kündigungen wegen einer HIV-Infektion vor und strebt unter IV. Ziff. 13 an, dass HIV-Infizierte ihre Arbeit ggf. mit angemessenen Vorkehrungen fortsetzen können.

75

(2) Auch im konkreten Fall des Klägers liegen derartige Stigmatisierungen, die HIV-Infizierte erfahren und/oder befürchten, vor. Dies wird eindrücklich dadurch belegt, dass der Kläger über seinen Beistand mitgeteilt hat, er nehme zwar an der mündlichen Verhandlung vor dem Senat teil, halte sich aber unter den Zuhörern auf, um seine Anonymität zu wahren. Außerdem hat er laut einem bereits während des Instanzenzugs erfolgten Pressebericht (faz.net vom 10. Januar 2012) erklärt, er habe sich entschieden, „im Job“ seine Infektion nicht mehr zu erwähnen. Er arbeite seit Mai (2011) wieder in einer „Medizin-Firma“, auch im Reinraum. Er verweigere Tests und Fragebögen. Gerade diese Reaktion des Klägers, künftig seine HIV-Infektion im Berufsleben zu verschweigen, leistet wiederum Vorurteilen gegenüber HIV-Infizierten Vorschub. So kommt es zu einem sich gegenseitig hochschaukelnden Wechselspiel von Reaktion und Gegenreaktion. Die gegenwärtig noch andauernde Stigmatisierung wird auch dadurch bestätigt, dass die Beklagte ausdrücklich geltend macht, die Beschäftigung des Klägers führe zu einer Rufschädigung.

76

(3) Darüber hinaus liegt im konkreten Fall des Klägers auch eine Beeinträchtigung im Berufsleben vor, wie der vorliegende Rechtsstreit deutlich macht. Die Beklagte spricht dem Kläger unter Berufung auf das für sie geltende Regelwerk von vornherein die Eignung für den vertraglich geschuldeten Einsatz im Reinraum ab. Dem Kläger als chemisch-technischen Assistenten ist dadurch der Zugang zu einem nicht unerheblichen Teil seines Berufsfeldes verwehrt. Das räumt letztlich auch die Beklagte ein, wenn sie annimmt, der Kläger könne seinen Beruf weiterhin ausüben. Ihm sei lediglich ein Einsatz in der aseptischen Medikamentenherstellung versagt.

77

2. Die SOP der Beklagten entbindet diese - anders als sie meint und unterschwellig auch das Landesarbeitsgericht annimmt - nicht von der Pflicht, im zumutbaren Rahmen angemessene Vorkehrungen zur Beschäftigung des behinderten Klägers im Reinraum zu treffen. Entgegen der Annahme der Beklagten steht bisher nicht fest, dass die HIV-Infektion des Klägers mit diesem Regelwerk nicht im Einklang steht bzw. nicht zumindest damit in Einklang zu bringen ist.

78

a) Allerdings ist nach dem EG-GMP Leitfaden, auf den Ziff. 5 der SOP verweist, ein System der Qualitätssicherung erforderlich, das der Erreichung des Ziels dient, Patienten keiner Gefahr wegen unzureichender Sicherheit, Qualität oder Wirksamkeit auszusetzen (Kapitel 1 Qualitätsmanagement - Grundsätze). Dieses Sicherungssystem soll sicherstellen, dass Herstellungs- und Prüfverfahren klar spezifiziert sind und die Regeln der Guten Herstellungspraxis beinhalten (Ziff. 1.2 Satz 4 Unterabs. ii des EG-GMP Leitfadens). Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens verlangt, dass Vorkehrungen getroffen werden „sollten“, die, soweit es praktisch möglich ist, sicherstellen, dass in der Arzneimittelherstellung niemand beschäftigt wird, der an einer ansteckenden Krankheit leidet oder offene Verletzungen an unbedeckten Körperstellen aufweist. Diese Vorschrift zwingt - anders als die Beklagte annimmt - den Arzneimittelhersteller nicht dazu, HIV-Infizierte ungeachtet der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der konkreten Produktionsbedingungen und Tätigkeiten des HIV-Infizierten, von einer Tätigkeit im Reinraum auszuschließen. Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens führt die HIV-Infektion nicht als Tatbestand, der eine Tätigkeit im Reinraum absolut und in jedem Fall ausschließt, auf, sondern enthält lediglich eine Generalklausel, die einem HIV-Infizierten den Einsatz im Reinraum abhängig von den Umständen des Einzelfalls verwehrt.

79

aa) Auch wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens als Mussvorschrift zu verstehen ist, ist dieser im Rang einer Verordnung stehende Leitfaden unionsrechtskonform, dh. im Hinblick auf § 241 Abs. 2 BGB gesetzeskonform zu interpretieren. Gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/94/EG der Kommission vom 8. Oktober 2003 zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate (RL 2003/94/EG) dient der EG-GMP Leitfaden der Auslegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis. Art. 7 Abs. 5 RL 2003/94/EG, den Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens auslegt, verlangt nur, dass Hygieneprogramme, die den durchzuführenden Tätigkeiten angepasst sind und insbesondere Vorschriften zur Gesundheit des Personals enthalten, erstellt und befolgt werden. Bei Beachtung dieses Anwendungsbefehls, der ausdrücklich auf die durchzuführende und damit konkrete Tätigkeit abstellt, fordert Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens im hier vorliegenden Zusammenhang nur, dass Vorkehrungen zu treffen sind, die - soweit praktisch möglich - sicherstellen, dass die Beschäftigten nicht an einer ansteckenden Krankheit leiden, deren Ansteckungsgefahr sich auf die konkrete Tätigkeit auswirkt. Nur dann, wenn bezogen auf die konkrete Tätigkeit eine Ansteckungs- bzw. Kontaminationsgefahr besteht, soll also eine Tätigkeit des Erkrankten unterbunden werden.

80

bb) In dieser Auslegung meinen Art. 5 RL 2000/78/EG und Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens bezogen auf den vorliegenden Fall letztlich dasselbe: Der Arbeitgeber muss bei einem Behinderten, der an einer ansteckenden Krankheit leidet, die ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen, um einerseits dem Behinderten eine (leidensgerechte) Tätigkeit zu ermöglichen, andererseits aber Ansteckungsgefahren für Kollegen oder Dritte, insbesondere die Empfänger der erzeugten Arzneimittel, mit der erforderlichen Sicherheit verhindern zu können.

81

b) Damit wird von der Beklagten nicht verlangt, sehenden Auges ein messbares, ernsthaftes Risiko einzugehen, mit HI-Viren kontaminierte Präparate in den Verkehr zu bringen und sich damit erheblichen, uU die Existenz des Betriebs gefährdenden Schadensersatzrisiken auszusetzen. Deshalb ist auch ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit nicht in Frage gestellt. Dementsprechend räumt der Kläger ausdrücklich ein, dass sein Einsatz im Reinraum ausgeschlossen sein dürfte, wenn eine Übertragungswahrscheinlichkeit bestehe. Bisher ist aber - und das rügt die Revision mit Recht - weder vorgetragen, geschweige denn festgestellt, dass es überhaupt ein messbares Risiko einer Kontamination gibt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz will gerade solchen, aus bloß diffusen Befürchtungen und der Weigerung des Arbeitgebers, die konkreten Risiken zu ermitteln und mögliche Änderungen der Arbeitsabläufe auch nur in Erwägung zu ziehen, resultierenden Benachteiligungen entgegenwirken. Der Arbeitgeber darf sich, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, gerade nicht darauf beschränken, ohne konkrete Prüfung der Umstände und Risiken den „sicheren Weg“ zu wählen.

82

3. Der Umstand, dass es unstreitig und vom Landesarbeitsgericht festgestellt ist, dass keine anderweitige Einsatzmöglichkeit des Klägers außerhalb des Reinraums bestand, entbindet die Beklagte nicht von der Darlegung, inwieweit keine angemessenen Vorkehrungen getroffen werden konnten, die dem Kläger einen Einsatz auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz im Reinraum ermöglicht hätten.

83

IV. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Ob die Klage begründet ist, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat die zur Beurteilung der Wirksamkeit der Wartezeitkündigung erforderlichen Feststellungen nicht getroffen. Dies wird es unter Beachtung nachstehender Erwägungen nachzuholen haben.

84

1. Die Beklagte hat zu ihren Produkten, den Produktionsbedingungen und der Tätigkeit des Klägers im Reinraum bisher nicht hinreichend konkret vorgetragen. Sie beruft sich im Kern darauf, dass ihr ein noch so geringes Risiko nicht zuzumuten sei, ohne vorzutragen, ob überhaupt ein messbares Risiko bestand, dass es durch den Kläger zu einer Verunreinigung der Produkte der Beklagten mit HI-Viren kommt. Es fehlt somit bereits am erforderlichen Ausgangspunkt für die Prüfung, ob und welche angemessene(n) Vorkehrungen ihr zumutbar sind.

85

a) Die Beklagte hat bisher lediglich vorgetragen, sie produziere radioaktive Medikamente für Krebspatienten, die intravenös verabreicht würden. Aus der von ihr vorgelegten Herstellungserlaubnis ergibt sich, dass es sich dabei um Arzneimittel für die Positronen-Emissions-Tomographie mit zwei verschiedenen Wirkstoffen handelt. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, ihre Produkte seien nur zehn Stunden wirksam, so dass eine Überprüfung auf eine mikrobielle oder virale Verunreinigung vor der Anwendung unmöglich sei. Sie fertige im Rahmen einer sog. „aseptischen Herstellung“ und müsse deshalb mit sterilen Materialien arbeiten. Die Produktion des Medikaments, von dem sie mehr als 6,5 Millionen Einheiten im Jahr herstelle, erfordere die Arbeit mit angeschliffenen Hohlkanülen, Glasfläschchen und Aluminiumdeckeln, so dass Schnitt- und Stichverletzungen möglich seien, wobei es denkbar sei, dass diese nicht sofort bemerkt würden. Verletzungen der Arbeitnehmer und Verunreinigungen der Medikamente mit Blut seien möglich.

86

b) Zur Tätigkeit des Klägers hat die Beklagte nur vorgetragen, dass er Gefäße, in die das Medikament abgefüllt wird, sowie Produktionskassetten vorzubereiten hatte, die mit sterilen Gläschen mittels Spritzen befüllt und mittels nadelartiger Spikes entlüftet werden.

87

2. Das Landesarbeitsgericht wird vor seiner erneuten Entscheidung der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, diesen Vortrag zu substantiieren und insbesondere zur Möglichkeit, angemessene Vorkehrungen hinsichtlich des Einsatzes des Klägers im Reinraum zu treffen, vorzutragen.

88

a) Die Beklagte stellt in ihrem Vortrag bisher ausschließlich auf das Risiko ab, Patienten, denen von ihr produzierte Medikamente injiziert werden, könnten sich mit HI-Viren infizieren. Aus dem bisherigen Vortrag ergibt sich jedoch nicht, welche Maßnahmen die Beklagte trifft, wenn es zu den von ihr angesprochenen blutenden Schnitt- oder Stichverletzungen kommt. Eine aseptische Herstellung erscheint in diesen Fällen - unabhängig davon, ob der betroffene Arbeitnehmer an einer ansteckenden Krankheit, insbesondere HIV, leidet - ausgeschlossen. Die fraglichen Medikamente dürften zu vernichten sein.

89

b) Erforderlich ist konkreter Vortrag dazu, inwieweit bei blutenden Verletzungen - insbesondere bei den von der Beklagten angesprochenen geringfügigen Verletzungen - oder auf andere Weise konkret und messbar das Risiko besteht, dass es zu (nicht entdeckbaren) Kontaminationen der hergestellten Medikamente kommen kann, und zusätzlich das Risiko besteht, dass ein solchermaßen verunreinigtes Medikament zu einer HIV-Infektion von Patienten führen kann, denen das Medikament injiziert wird. Dabei wird auch darzulegen sein, welches Risiko besteht, dass es überhaupt zu den von der Beklagten genannten (schwach) blutenden Verletzungen kommt, ob und wie dieses Risiko - etwa durch das Tragen von Spezialhandschuhen - ausgeschlossen werden kann, ob es bei bestimmten Tätigkeiten im Reinraum höher ist als bei anderen und - falls ja - ob der Kläger mit anderen als solchen besonders risikobehafteten Tätigkeiten im Reinraum beschäftigt werden konnte.

90

3. Nach Maßgabe des ergänzten Vortrags der Beklagten wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch wirksame und praktikable, die Beklagte nicht unverhältnismäßig belastende Maßnahmen, den Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können. Nur wenn das nicht der Fall war, ist die Kündigung wirksam. Bei dieser Prüfung wird es sich die zum Verständnis des Parteivorbringens erforderliche Sachkunde - ggf. auch über den Sachvortrag hinaus (vgl. BGH 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93 - zu II 3 c der Gründe) - durch ein im Rahmen des Ermessens nach § 144 ZPO anzuordnendes Sachverständigengutachten verschaffen müssen. Sollte es bei seiner Entscheidung auf die Zumutbarkeit der Kosten der von der Beklagten zu veranlassenden Maßnahmen ankommen, wird es neben der Finanzkraft der Beklagten und der Frage, ob sie öffentliche Mittel in Anspruch hätte nehmen können, zu berücksichtigen haben, dass der Kläger erst kurz bei der Beklagten beschäftigt war und diese für seine Behinderung nicht verantwortlich ist. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verlangt nicht, dass die Einstellung und Beschäftigung eines Behinderten für den Arbeitgeber zum „Zuschussgeschäft“ wird (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 59 f.; zur Berücksichtigungsfähigkeit der Kosten bei der Frage der angemessenen Vorkehrungen allgemein vgl. Däubler/ Bertzbach/Brors AGG 3. Aufl. § 8 Rn. 34). Das gilt insbesondere in der Wartezeit.

91

V. Ob dem Kläger eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht, hängt davon ab, ob die Kündigung wirksam ist.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Reiner Koch    

        

    Hoffmann    

                 

(1) Zu besetzende Stellen sind auszuschreiben. Bei der Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern muss die Ausschreibung öffentlich sein. Ausnahmen von den Sätzen 1 und 2 kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung regeln.

(2) Die Art der Ausschreibung regelt die oberste Dienstbehörde nach Maßgabe des § 6 des Bundesgleichstellungsgesetzes. Sie kann diese Befugnis auf unmittelbar nachgeordnete Behörden übertragen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Dezember 2013 - 13 K 3224/13 - werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller zu 1 und 2 - als Gesamtschuldner - und die Antragstellerin zu 3 tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Beschwerden sind - entgegen der Auffassung der Beigeladenen -zulässig. Insbesondere sind sie innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet worden. Die Beschwerdeschrift vom 13.01.2013 enthält auch einen den Erfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Antrag. Zwar ist der ausdrücklich formulierte Antrag erkennbar unvollständig, denn wörtlich heißt es in der Beschwerdebegründungsschrift insoweit:
„unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Dezember 2013 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 7. August 2013 gegen“.
Jedoch kann ein ausdrücklicher Antrag sogar vollständig entbehrlich sein, wenn aufgrund der Beschwerdebegründung das Rechtsschutzziel unzweifelhaft feststeht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.07.2002 - 11 S 1293/02 - NVwZ 2002, 1388; Kaufmann, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01.01.2014, § 146 Rn. 13 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Das Antragsfragment lässt die angegriffene Entscheidung eindeutig erkennen. Die Beschwerdebegründung lässt allein den Schluss zu, dass mit den Beschwerden die vollständige Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller verfolgt werden soll, was sich aus Seite 5 der Beschwerdebegründung ergibt. Dort wird als Ziel der Beschwerde die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezeichnet.
II.
Die Beschwerden sind aber nicht begründet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 04.07.2013 anzuordnen. Gegenstand der angegriffenen Baugenehmigung ist die Errichtung „eines ökologischen Wohnhauses“ einschließlich einer Kleinwindkraftanlage (Windpillar). Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts keinen Anlass.
1. a) Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die in stets widerruflicher Weise genehmigte Kleinwindkraftanlage nicht gegen die mit dem „Stadtbauplan 1914/018 betreffend den Bereich bei den Hasenberg - Anlagen zwischen Osiander-Straße und Jägerhaus“ festgesetzte Art der baulichen Nutzung -Landhausgebiet (Baustaffel 9) der Ortsbausatzung der Antragsgegnerin vom 25.06.1935 (OBS) verstoße. Es handele sich bei ihr um eine zulässige Nebenanlage im Sinne von § 7 OBS. Zwar seien in der Vorschrift nur Stallgebäude, Kraftwagenräume und Waschhäuser ausdrücklich bezeichnet. Eine Auslegung der Regelung unter Berücksichtigung der nunmehr für Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung geltenden Vorschriften ergebe, dass die dem Wohnen dienenden Anlagen zulässig sein sollen, soweit sie keinen eigenen, selbstständigen Nutzungszweck erfüllten bzw. eine eigene Nutzungsart darstellten. Die Kleinwindkraftanlage erfülle hier keinen selbstständigen Zweck, sondern eine Hilfsfunktion für das Wohnen, weil der damit erzeugte Strom im Gebäude verbraucht werden solle. Es liege daher keine gewerbliche Nutzung vor.
b) Die Antragsteller bringen hiergegen vor, dass es sich bei der Kleinwindkraftanlage um keine Nebenanlage handele. Die Ortsbausatzung enthalte keine Legaldefinition des Begriffs der Nebenanlage, es könne jedoch auf § 14 BauNVO zurückgegriffen werden. Danach seien Nebenanlagen untergeordnete Anlagen, die dem Nutzungszweck des Baugebiets dienten und seiner Eigenart nicht widersprächen. Die Nebenanlage müsse räumlich und funktional untergeordnet sein. Die Unzulässigkeit der Kleinwindkraftanlage ergäbe sich hier daraus, dass es die optisch dominierende Anlage auf dem Baugrundstück sein werde, weil das Wohnhaus vollständig unterirdisch errichtet werden solle. Neben einem Schornstein werde sie die einzige aufstehende Baulichkeit auf dem Grundstück sein. Weiter widerspreche sie der Eigenart des Baugebiets. Denn das Baugebiet sei durch eine nicht intensive Ausnutzung der Grundstücke durch bauliche Anlagen geprägt. Es komme zu einer nachhaltigen, weithin sichtbaren optischen Beeinträchtigung. Weiter seien im Landhausgebiet nur Gebäude zulässig, die ausschließlich oder zum überwiegenden Teil zum Wohnen dienten. Ausnahmsweise seien Gebäude, die der Bildung, der Erholung, der Krankenpflege oder öffentlichen Versorgungseinrichtungen dienten, zulässig. Damit sei das Landhausgebiet mit dem reinen Wohngebiet aus § 3 BauNVO vergleichbar. Das Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, dass Lage, Größe und Zuschnitt des Baugrundstücks wie der Grundstücke des Baugebiets entscheidend dafür seien, ob eine Windenergieanlage als Nebenanlage der Eigenart des Baugebiets widerspreche oder nicht. Die Weiträumigkeit oder Dichte der Bebauung sei eine Eigenart des Baugebiets, die gerade für die Zulässigkeit einer Windenergieanlage als Nebenanlage von entscheidender Bedeutung sei. Zwar mögen hier die kleinflächige Bebaubarkeit und geringe Ausnutzbarkeit der Grundstücke sowie die Weiträumigkeit des Baugebiets zu Gunsten der Zulässigkeit von Windkraftanlagen sprechen. Jedoch belegten diese Aspekte auch, dass das geplante Vorhaben der Zweckbestimmung des Baugebiets widerspreche, weil es von nicht intensiver Ausnutzung der Grundstücke durch bauliche Anlagen geprägt sei und dass angesichts der planerischen Vorgaben dem Gebiet ein erhöhter Wohnwert zugedacht sei.
c) Mit diesen Einwendungen vermögen die Beschwerden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht mit Erfolg in Zweifel zu ziehen.
aa) Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Kleinwindkraftanlage eine nach § 7 OBS zulässige Nebenanlage sei, trifft zu. Dies gilt auch für den Fall, dass der Begriff der Nebenanlage im Sinne des § 7 Abs. 1 OBS im gleichen Sinne zu verstehen sein sollte wie derjenige der untergeordneten Nebenanlage aus § 14 Abs. 1 BauNVO. Denn bei der hier umstrittenen Kleinwindkraftanlage handelt es sich um eine nach diesem Maßstäben untergeordnete Nebenanlage. Die von den Beschwerden aufgeworfene Rechtsfrage zum Gleichlauf von § 7 OBS und § 14 Abs. 1 BauNVO kann daher offen bleiben,
(1) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 OBS - die Ortsbausatzung gilt nach § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 als nicht-qualifizierter übergeleiteter Bebauungsplan fort (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. Senatsurteile vom 25.02.1993 - 8 S 287/92 - VBlBW 1993, 420 und vom 02.11.2006 - 8 S 1891/05 - BauR 2007, 1373) - dürfen im Landhausgebiet, abgesehen von Nebenanlagen (Stallgebäuden, Kraftwagenräumen, Waschhäusern und dgl.), nur Gebäude errichtet werden, die ausschließlich oder zum überwiegenden Teil zum Wohnen dienen. Es kann offen bleiben, ob sich aus den in § 7 Abs. 1 OBS beispielhaft aufgezählten Nebenanlagen ergibt, dass der Nebenanlagenbegriff der Ortsbausatzung der Antragsgegnerin ebenso wie derjenige des § 14 BauNVO eine funktionale Zuordnung zur Hauptnutzung voraussetzt. Die Nebenanlage muss der Hauptnutzung dienen und ihr insofern untergeordnet sein. Die Frage der Unterordnung unter eine Hauptnutzung ist bei einem Vorhaben im Sinne von § 14 Abs. 1 BauNVO nach qualitativen wie quantitativen Kriterien zu beantworten, wobei sowohl Kriterien wie die Grundfläche und die Höhe der Anlagen und ihr Verhältnis als auch der optische Gesamteindruck relevant sein können (vgl. zu § 14 Abs. 1 BauNVO: BVerwG, Urteil vom 28.04.2004 - 4 C 10.03 - NVwZ 2004, 1244 (1246)).
10 
(2) Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei der Kleinwindkraftanlage um eine untergeordnete Nebenanlage. Sie ist der genehmigten Wohnnutzung auf dem Grundstück der Beigeladenen funktional zugeordnet, da sie der Energiegewinnung für das Hauptvorhaben dient. Das impliziert unmittelbar auch ihre funktionale Unterordnung. Die räumlich gegenständliche Zuordnung ergibt sich hier aus ihrer Errichtung auf dem gleichen Baugrundstück. Die Kleinwindkraftanlage ist weiter räumlich-gegenständlich der Wohnnutzung untergeordnet, auch wenn sie optisch allein nach außen in Erscheinung treten wird, weil die Wohnnutzung im Wesentlichen unterhalb der Geländeoberfläche geplant und genehmigt ist. In einem solchen Fall kann der Gesamteindruck nicht schematisch dahingehend gewürdigt werden, dass die Nebenanlage als einzig nach außen sichtbar hervortretende Nutzung des Grundstücks die Hauptnutzung optisch dominiere und deshalb nicht mehr untergeordnet sei. Vielmehr ist die Nebenanlage zum Gesamtvorhaben ins Verhältnis zu setzen. Bei einer Höhe des Windpillars von 7,50 m tritt dieser gegen ein Bauvorhaben mit einer maximalen Gesamthöhe bzw. -tiefe von 6,34 m und einer minimalen Gesamthöhe von 3,75 bei wertender Betrachtung nur untergeordnet hervor. Die von der Kleinwindkraftanlage in Anspruch genommene Fläche - die Anlage weist einen Durchmesser von einem Meter auf - ist im Vergleich zu der restlichen baulichen Anlage geradezu verschwindend gering und damit qualitativ wie quantitativ untergeordnet. Insbesondere führt die Nutzung des Grundstücks zur Gewinnung von Energie für die Wohnnutzung hier entgegen der Auffassung der Antragsteller zu keiner intensiven Grundstücksausnutzung mit erheblichen optischen Beeinträchtigungen.
11 
bb) Unabhängig von der Frage, ob für Nebenanlagen im Sinne des § 7 Abs. 1 OBS entsprechend den Vorgaben des § 14 Abs. 1 BauNVO gleichsam als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu prüfen ist, ob die Nebenanlage der Eigenart des Baugebiets nicht widerspricht, vermag der entsprechende Vortrag der Antragsteller ihren Beschwerden deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil der Windpillar der Eigenart des Landhausgebiets nicht widerspricht.
12 
(1) Maßgebend für die Beurteilung der Eigenart des konkreten Baugebiets ist die Bewertung des Einzelfalls, bei der Lage, Größe und Zuschnitt des Baugrundstücks sowie der Grundstücke des Baugebiets überhaupt in den Blick zu nehmen sind. Je „weiträumiger“, „aufgelockerter“ die Grundstücke bebaut sind, desto eher sind sie aufnahmefähig für Windkraftanlagen, ohne dass die Eigenartigkeit des Baugebiets entgegenstünde. Dagegen hat ein Gebiet mit kleinen Grundstücken, einer hohen Grundflächenzahl und großen überbaubaren Grundstücksflächen, wie z.B. eine Reihenhaussiedlung, jedenfalls tendenziell eine die Zulässigkeit von Windenergieanlagen ausschließende Eigenart (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1983 - 4 C 18.81 - BVerwGE 67, 23 (27 f.); Senatsurteil vom 26.06.1998 - 8 S 882/98 - NVwZ 1999, 548 (549)). Der Eigenart des konkreten Baugebiets kann demnach eine Nebenanlage auch dann widersprechen, wenn sie zu bestimmten optischen Beeinträchtigungen führt. Diese müssen allerdings städtebaulich erheblich sein und daher an städtebaulich erheblichen Kategorien (insbesondere also Art und Maß der baulichen Nutzung sowie die überbaubare Grundstücksfläche) festzumachen sein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.11.2003 - 5 S 2726/02 -BauR 2004, 1909 (1911)).
13 
(2) Wie die Antragsteller selbst einräumen, ist bereits die kleinflächige Bebaubarkeit und die geringe Ausnutzbarkeit der Grundstücke sowie die Weiträumigkeit des Baugebiets ein erhebliches Indiz dafür, dass die Kleinwindkraftanlage der Eigenart des Baugebiets nicht widerspricht. Der von ihnen herangezogene „erhöhte Wohnwert“, der großzügige Gebietscharakter und die Schutzwürdigkeit der Halbhöhenlage vermögen Gegenteiliges nicht zu begründen. Die behauptete nachhaltige, weithin sichtbare optische Beeinträchtigung, an deren tatsächlichem Vorliegen der Senat durchaus erhebliche Zweifel hat, kann jedenfalls nicht dazu führen, dass ein Widerspruch gegen die Eigenart des Baugebiets angenommen werden kann. Denn vor bloßen optischen Beeinträchtigung gewährt § 7 OBS ebenso wenig Schutz wie § 14 Abs. 1 BauNVO (vgl. Bayerischer VGH; Urteil vom 19.05.2011 - 2 B 11.397 -NVwZ-RR 2011, 851 (853)), weil allein gestalterische Erwägungen bei der Bestimmung der konkreten Eigenart eines Baugebiets keine Bedeutung haben. Ebenso wenig vermag der „Rahmenplan Halbhöhenlagen“ der Antragsgegnerin, der keine rechtliche Außenwirkung entfalten kann, die Eigenart des Baugebiets zu determinieren. Weshalb die Kleinwindkraftanlage schließlich mit einem „erhöhten Wohnwert“, nach welchen Maßstäben dieser auch immer bestimmt werden könnte, unvereinbar sein soll, wird mit der Beschwerde nicht erläutert und erschließt sich dem Senat auch nicht.
14 
Die von den Antragstellern mit der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der „optischen Beeinträchtigungen“ geltend gemachten Einwände ziehen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei dem Windpillar um eine zulässige Nebenanlage handele, ebenfalls nicht mit Erfolg in Zweifel. Denn die auf die Störung des bisher freien und unverbauten Blicks im Außenwohnbereich abstellende Argumentation orientiert sich bereits nicht an städtebaulich relevanten Beurteilungskriterien.
15 
2. a) Das Verwaltungsgericht hat weiter entschieden, dass der Windpillar bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s in zwei Meter Entfernung eine Lautstärke von 36 dB(A) entwickele, auch nach Auffassung der Antragsteller diese Windgeschwindigkeit nicht erreicht werde und deshalb eine Überschreitung des für reine Wohngebiete bei Nacht maßgeblichen Immissionsrichtwerts von 35 dB(A) auf den etwa vier Meter entfernten Grundstücken der Antragsteller nicht zu befürchten sei. Weiter sei nicht ersichtlich, dass der sich vertikal drehende Rotor unzumutbare Reflexionen verursache.
16 
b) Die Antragsteller machen insoweit geltend, das Vorhaben sei wegen der Kleinwindkraftanlage rücksichtslos. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass in der Baugenehmigung ein Wert von nachts 29 dB(A) festgeschrieben sei. Es sei keinesfalls ausgeschlossen, dass der festgesetzte Grenzwert überschritten werde. Dies gelte insbesondere für das Wohngebäude der Antragsteller zu 1 und 2. Die Antragsteller hätten auch nicht vorgetragen, dass die dem maximalen Immissionswert von 36 dB(A) zugrunde gelegte Windgeschwindigkeit von 10 m/s niemals erreicht werde. Vielmehr hätten sie belegt, dass eine solche Windgeschwindigkeit nicht dauerhaft erreicht und die Anlage daher bei weitem nicht die vom Hersteller angegebenen Werte erzielen könne. Bisher hätten weder die Beigeladene noch die Antragsgegnerin Belege dafür vorgelegt, die eine Einhaltung der in der Baugenehmigung festgesetzten Grenzwerte als realistisch erscheinen ließen. Wären die Werte nicht einzuhalten, so wäre die Baugenehmigung deshalb rechtswidrig. Für abschließende Feststellungen bedürfte es eines Sachverständigengutachtens. Dies sei aber nicht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einzuholen. Es sei auch mit störenden Licht- und Schattenwirkungen zu rechnen. Das Verwaltungsgericht unterstelle das Gegenteil, ohne dies zu begründen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, unzumutbaren optischen Beeinträchtigungen könne durch eine reflexionsarme Ausführung der Lamellen entgegengewirkt werden, verfange nicht, denn bei langsamen Drehbewegungen könne ein „Diskoeffekt“ entstehen, der unabhängig von der Materialbeschaffenheit des Rotors sei. Es handele sich um keine Reflexion. Im Übrigen sei eine solche Ausführung der Lamellen auch nicht in der Baugenehmigung vorgesehen. Schließlich werde die Kleinwindkraftanlage wegen ihrer beträchtlichen Höhe bei tiefstehender Sonne Schatten werfen. Sie werde gemessen von ihrem Mast aus einen Abstand von nur drei Metern zur Grundstücksgrenze der Antragsteller zu 1 und 2 haben.
17 
c) Auch dieses Vorbringen vermag den angegriffenen Beschluss nicht erfolgreich in Zweifel zu ziehen.
18 
aa) Zutreffend gehen die Antragsteller davon aus, dass allein dann, wenn die in der Baugenehmigung festgesetzten Grenzwerte nicht eingehalten werden könnten, die Baugenehmigung aus immissionsschutzrechtlichen Gründen rechtswidrig sein kann. Denn für den Fall, dass die Grenzwerte eingehalten werden können, sie aber im konkreten Einzelfall überschritten würden, handelte die Beigeladene insoweit außerhalb des Genehmigungsumfangs. Dass insoweit der Vollzug der Baugenehmigung behördliche Aufsichtsmaßnahmen erfordern könnte, steht der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht entgegen (Senatsurteil vom 01.07.2011 - 8 S 2581/10 - BauR 2011, 1800 (1802)). Die Antragsteller haben mit der Beschwerde nicht dargelegt, dass das Einhalten der in der Baugenehmigung festgesetzten Grenzwerte unmöglich oder unwahrscheinlich ist. Wahrscheinlich bedarf es insoweit auch keines Sachverständigengutachtens, wie die Antragsteller meinen. Denn wenn bei extremen Windgeschwindigkeiten tatsächlich die Grenzwerte erreicht oder überschritten würden, könnten die Betreiber des Windpillars diesen nötigenfalls außer Betrieb nehmen, um ihren Pflichten aus der Baugenehmigung nachzukommen. Weshalb dies nicht möglich sein sollte, legen die Antragsteller mit der Beschwerde nicht dar. Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass der Hersteller des Windpillars selbst angibt, dass die Anlage im Verhältnis zum Windgeräusch immer lautlos laufe und die Angabe von 36 dB(A) bei 10 m/s sich auf eine theoretisch mögliche Schallemission, die im Abstand bis zu zwei Metern wahrzunehmen sei, nicht aber um eine Schallimmission handele (Schreiben vom 27.11.2012, Baugenehmigungsakte Blatt 43).
19 
bb) Zutreffend weist die Beschwerde auch darauf hin, dass es auf eine mögliche, von dem Verwaltungsgericht zur Argumentation herangezogene reflexionsarme Ausführung der Lamellen nicht ankommen kann, weil eine solche Materialbeschaffenheit in der von den Antragsteller angegriffenen Baugenehmigung nicht gefordert wird. Jedoch geht es den Antragstellern mit ihrem Beschwerdevorbringen auch nicht um das klassischerweise als Disco-Effekt beschriebene Phänomen der Lichtreflexe (Licht fällt auf die Lamellen und wird von ihnen reflektiert), sondern um den von ihnen behaupteten Schattenwurfeffekt durch die Drehbewegungen der Lamellen. Dass es zu einem solchen Effekt in einem nicht nur unerheblichen - und damit rücksichtslosen - Ausmaß kommen könnte, haben die Antragsteller aber weder erstinstanzlich noch mit der Beschwerde substantiiert vorgetragen. Vielmehr bleibt es insoweit bei schlichten Behauptungen. Im Unterschied zu einem „klassischen“ Windrad drängt sich ein solcher Effekt angesichts des - recht geringen - Durchmessers des Windpillars hier auch nicht auf. Allerdings dürfte es angezeigt sein, dass die Widerspruchsbehörde die Frage der Rücksichtslosigkeit insoweit näher aufklärt und die Baugenehmigung gegebenenfalls nachbessert. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand ist es allerdings nicht gerechtfertigt, aufgrund der verbleibenden Restunsicherheiten die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller anzuordnen.
20 
3. Soweit die Antragsteller kritisieren, das Verwaltungsgericht habe sich mit dem Vortrag nicht auseinandergesetzt, dass die Kleinwindkraftanlage optisch unzumutbar sei und dass es unter Berücksichtigung der Lärmimmissionen, des Schattenwurfs und der optischen Beeinträchtigungen sich insgesamt als rücksichtslos erweise, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde. Der Beschwerdevortrag zum Schattenwurf erschöpft sich in einer unsubstantiierten Behauptung (II. 2. c) bb)) und die Angriffe gegen die Bestimmungen zum Immissionsschutz verfangen nicht (II. 2. c) aa)). Daher kann insoweit auch keine Gesamtschau der Elemente zu einer Rücksichtslosigkeit des Vorhabens führen, wobei das Gebot der Rücksichtnahme insoweit über den Rechtsanwendungsbefehl aus § 173 Abs. 3 BBauG, § 233 Abs. 3 BauGB in Verbindung mit § 7 OBS verankert sein dürfte (vgl. zur Bedeutung von § 173 Abs. 3 BBauG für den Drittschutz: BVerwG, Urteil vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364 (366)). Ebenso wenig vermögen Beeinträchtigungen der bisherigen unverbauten Aussicht, das Entstehen eines optischen „Ensembles von Turmbauten“ im Zusammenspiel mit einem Schornstein und die Nähe eines Freisitzes zu der geplanten Kleinwindkraftanlage einzeln oder im Gesamtzusammenhang einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu begründen. Weder der Umstand, dass keine vergleichbaren Anlagen in dem Baugebiet anzutreffen sind, noch der behauptete Wertverlust der Grundstücke der Antragsteller noch das behauptete geringe Gewicht der Interessen der Beigeladenen wegen einer angeblich geringen Energieausbeute der Anlage sind dazu geeignet, die Rechte der Beigeladenen zur Ausnutzung der ihr durch den Stadtbauplan ermöglichten Bebauung ihres Grundstücks auch mit einer Nebenanlage einzuschränken. Letztlich benennen die Antragsteller mit den optischen Beeinträchtigungen und dem möglichen Wertverlust ihrer Grundstücke keine für sich genommen rechtlich geschützten Interessen, auf die ein Nachbar Rücksicht nehmen müsste, ohne dass Besonderheiten wie etwa ausdrückliche Regelungen in einem Bebauungsplan, vorliegen. Solche rechtlich relevanten Besonderheiten werden mit den Beschwerden aber nicht geltend gemacht.
21 
4. a) Die Antragsteller rügen weiter, dass das Verwaltungsgericht den Vortrag zur Unzulässigkeit des Schornsteins übergangen habe. Hinsichtlich des Schornsteins seien die Bauantragsanlagen in vielerlei Hinsicht unvollständig. Weder sei ersichtlich, wo er errichtet werden solle, noch welche Ausgestaltung oder Höhe er haben werde. Die Feuerungsanlage unterfalle dem Anwendungsbereich der 1. BImSchV. Das bedeute, dass zur Abführung der Immissionen ein Schornstein notwendig sei, der bei der Verwendung fossiler Brennstoffe abhängig von der Gesamtwärmeleistung entweder in einem Umkreis von 15 Metern die Oberkante von benachbarten Lüftungsöffnungen, Fenstern und Türen um mindestens einen Meter oder die höchste Kante des Dachfirstes um mindestens drei Meter überragen müsse oder alternativ mindestens zehn Meter über dem Gelände liegen müsse. Angesichts der unvollständigen Bauunterlagen sei es nicht möglich, die Einhaltung dieser drittschützenden Maßgaben zu prüfen. Unabhängig davon sei der Schornstein, der etwa acht bis zwölf Meter hoch werden müsse, mit seinen Dimensionen gegenüber den Antragstellern rücksichtslos. Mit Schriftsatz vom 23.04.2014, beim Gerichtshof eingegangen am 25.04.2014 haben die Antragsteller weitergehend gerügt, dass aufgrund der besonderen Verhältnisse des Vorhabens der Schornsteinseine eigenständige aufstehende Baulichkeit sei, die Abstandsflächen einzuhalten habe. Es spreche viel dafür, dass die Vorgaben des § 5 LBO insoweit nicht eingehalten werden könnten.
22 
b) Es kann dahinstehen, ob aus dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht auf die Ausführungen der Antragsteller zur Rechtswidrigkeit des Schornsteins und der fehlenden Überprüfbarkeit der Bauvorlagen in seinem Beschluss nicht eingegangen ist, auf einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu schließen ist. Denn die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen auseinanderzusetzen. Um einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festzustellen, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen wurde (st. Rspr. BVerfG, Urteil vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293 (295) und zuletzt Beschluss (K) vom 30.09.2013 - 1 BvR 3196/11 - ZfWG 2014, 24). Jedenfalls vermag das Vorbringen der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die behaupteten Rechtsverletzungen der Antragsteller nicht vorliegen.
23 
aa) Dem mit einem Genehmigungsvermerk versehenen, maßstabsgetreuen „Deckblatt“ Schnitt AA aus den Bauvorlagen vom 19.06.2013, geändert am 20.06.2013, ist die genaue Lage des Schornsteins ebenso zu entnehmen wie den Grundrissen EG und OG, dem Freiflächenplan sowie den Ansichten „01 und 02“. Da die genannten Dokumente maßstabsgetreue Zeichnungen enthalten, ist ihnen auch die Höhe des geplanten Schornsteins eindeutig zu entnehmen.
24 
bb) § 19 Abs. 1 Nr. 2 1. BImSchV vermag demjenigen Dritten ein subjektives Recht zu vermitteln, der innerhalb eines Umkreises von 15 Metern um die Austrittsöffnung eines Schornsteins im Sinne des Absatzes 1 (1. Halbsatz) oder innerhalb des erweiterten Umkreises (2. Halbsatz) über Lüftungsöffnungen, Fenster oder Türen an seinem Gebäude verfügt. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift zu Lasten der Antragsteller ist hier aber deswegen nicht festzustellen, weil ausweislich der Bauvorlagen der Schornstein für die Feuerungsanlage, die eine Nennwärmeleistung von weniger als 50 kW aufweisen soll, weiter als 15 Meter von den Wohngebäuden der Antragsteller entfernt errichtet werden soll.
25 
cc) Die Rüge des angeblichen Verstoßes gegen die Vorgaben des § 5 LBO durch den Schornstein ist nach Ablauf der einmonatigen Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erhoben worden und damit für das Gericht nicht mehr berücksichtigungsfähig (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Insbesondere waren die Antragsteller nicht gehindert, diese Erwägungen fristgerecht vorzubringen. Der Umstand, dass den Antragstellern die entsprechenden Planunterlagen nicht bekannt gewesen sind, hinderte eine entsprechende, fristgerechte Beschwerdebegründung nicht. Bereits aus der angegriffenen Baugenehmigung vom 04.07.2013 selbst ist ersichtlich, dass ihr die Bauzeichnungen vom 19.06.2013 zugrunde liegen. Aus diesen ergibt sich die genehmigte Lage und die genehmigte Höhe des Schornsteins. Von diesen Bauvorlagen hätten sich die Antragsteller und ihr Prozessbevollmächtigter durch Akteneinsicht Kenntnis verschaffen können.
26 
Im Übrigen lässt sich auf der Grundlage dieser mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen ein Verstoß gegen § 5 LBO durch den Schornstein auch ausschließen.
27 
dd) Ausgehend von den Erwägungen unter aa) bis cc) ist eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens aufgrund des Schornsteins zu Lasten der Grundstücke der Antragsteller ausgeschlossen.
28 
5. a) Weiter machen die Beschwerden geltend, dass die geplante Terrasse im Süden die im Stadtbauplan von 1914 festgesetzte Baulinie überschreite. Die Terrasse sei ein Gebäudeteil, der die Baulinie einhalten müsse. Dies ergebe sich aus § 28 Abs. 2 OBS. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei eine insoweit erforderliche Befreiung nicht erteilt worden. Straßenseitigen Baulinien könne im Einzelfall drittschützende Wirkung zukommen, wenn sich aus dem Bebauungsplan ergebe, dass ein nachbarschaftliches Austauschverhältnis begründet und ein gegenseitiges Verhältnis der Rücksichtnahme geschaffen werden solle. Dies sei durch das Verwaltungsgericht nicht gewürdigt worden. Die Baulinie markiere den Beginn der davor liegenden Bauverbotszone. Im Hinblick auf diese Einschränkung der Überbaubarkeit der Grundstücksfläche habe der Plangeber ein Austauschverhältnis dergestalt geschaffen, dass alle vom Bauverbot betroffenen Nachbarn den gleichen Restriktionen unterworfen seien. Soweit für die Inanspruchnahme der Terrasse, des Weges vom Blauen Weg zur Terrasse und für die Errichtung von Müllboxen eine Befreiung vom festgesetzten Bauverbot erteilt worden sei, erweise sich diese als rechtswidrig. Die Antragsteller seien auch in ihren Rechten verletzt, da bei ihr nicht die gebotene Rücksicht auf die Nachbarinteressen genommen worden sei. Es spreche bereits viel dafür, dass die Bauverbotszone auch zur Wahrung nachbarlicher Belange geschaffen worden sei. Jedenfalls sei das Vorgehen der Beigeladenen rücksichtslos. Denn aus Sicht der Nachbarn sei es nicht hinzunehmen, dass bei einer so umfassenden und prägnanten Bebauung der Bauverbotszone eine Ausnahmesituation für die Beigeladene geschaffen werde. Ähnlich massive Eingriffe in die Bauverbotszone seien in der Umgebung nicht vorhanden. Es sei vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht statthaft, der Beigeladenen eine so umfassende Sonderbehandlung zukommen zu lassen.
29 
b) Dieses Vorbringen vermag den Beschwerden nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn weder der Baulinie, deren Überschreitung geltend gemacht wird, noch der „Bauverbotszone“ kommt eine nachbarschützende Wirkung zu. Von den genannten Festsetzungen hat die Baurechtsbehörde auch jeweils eine Befreiung erteilt. Die Antragstellerin zu 3 ist darüber hinaus von den Festsetzungen und Befreiungen unter keinen Umständen betroffen.
30 
aa) Das Grundstück der Antragstellerin zu 3 ist weder von der Baulinie betroffen noch liegt es - teilweise - in der Bauverbotszone, in der die Terrasse, der Weg oder die Müllboxen errichtet werden sollen. Daher kommt eine drittschützende Wirkung der Festsetzungen zu ihren Gunsten von vorne herein nicht in Betracht, so dass ihre Beschwerde insoweit schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben kann.
31 
bb) Aber auch die Beschwerden der weiteren Antragsteller können insoweit keinen Erfolg haben. Der gerügte Verstoß gegen die festgesetzte Baulinie liegt schon nicht vor, weil auch von dieser Festsetzung befreit worden ist. Selbst wenn ein Verstoß vorläge, führte dies nicht zum Erfolg der Beschwerde, da die Festsetzungen nicht zugunsten der Antragsteller zu 1 und zu 2 drittschützend wirkt.
32 
(1) Mit der Befreiung von den „Festsetzungen des Bebauungsplans -Bauverbot“ (Seite 7 der Baugenehmigung vom 04.07.2013) hat die Antragsgegnerin der Sache nach von der Baulinienfestsetzung befreit. Dies folgt daraus, dass sich Bauverbotsflächen allein aus der Festsetzung von Baugrenzen oder -linien ergeben. Denn Art. 11 Abs. 4 der Württembergischen Bauordnung (WürttBauO) vom 28.07.1910 (RegBl. S. 333) ermächtigt allein zur Festsetzung von Grenzen, innerhalb oder außerhalb derer die Errichtung von Bauten ausgeschlossen ist. Die sich daraus ergebenden „Bauverbotsflächen“ - genauer Flächen, die von der Bebauung ganz oder teilweise ausgeschlossen sind - sind das Ergebnis der Anwendung und Festsetzung dieser Grenzen. Gesetzestechnisch kommen sie allein in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 der Verfügung des Ministeriums des Innern zum Vollzug der Bauordnung vom 10.05.1911 (RegBl. S. 77) vor. Damit ist eine Befreiung von einem Bauverbot nach der Württembergischen Bauordnung immer eine Befreiung von der Baugrenze oder -linie, deren Festsetzung zur Bauverbotszone führt.
33 
(2) Regelungen in Ortsbauplänen, die nach den Bestimmungen der §§ 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG, 233 Abs. 3 BauGB als Bebauungsplan weitergelten, können dann drittschützende Wirkung haben, wenn sie eine Funktion erfüllen, der nach geltendem Recht nachbarschützenden Normen zukommt, denn nur so kann der in § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG angelegte Kontinuitätsgedanke mit dem Ziel einer Integration früherer Pläne in das System des bundesrechtlichen Bauplanungsrechts erreicht werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364). Vorderen, straßenseitigen Baulinien- oder Baugrenzenfestsetzungen kommen dabei regelmäßig keine drittschützende Wirkung zugunsten des seitlich angrenzenden Nachbargrundstücks zu (Senatsbeschluss vom 20.01.2005 - 8 S 3003/04 - NVwZ-RR 2005, 397 (398)). Die Beschwerden legen nicht dar, weshalb hier ausnahmsweise anderes gelten könnte. Denn die Kombination der Baulinie mit einer „Bauverbotszone“, auf die sie Bezug nehmen, lässt gerade nicht erkennen, dass der Plangeber hier (auch) ein nachbarschaftliches Austauschverhältnis und nicht allein die städteplanerische Gestaltung des Baugebiets im Blick gehabt haben könnte. Vielmehr folgt aus der Festsetzung vorderer Baulinien oder -grenzen zwingend die Bestimmung nicht überbaubarer Grundstücksflächen (siehe zur heutigen Rechtslage § 23 Abs. 1 Satz 1 BauNVO; zur Rechtslage 1914: Art. 11 Abs. 4 WürttBauO).
34 
cc) Die Befreiung vom Verbot der Errichtung von Bauten in der Bauverbotszone, die sich nach Art. 11 Abs. 4 WürttBauO durch die Festsetzung von Baugrenzen (hier der Baulinie) ergibt, verletzt die Antragsteller zu 1 und zu 2 nicht in ihren Rechten.
35 
(1) Die Bauverbotszone dient ebenso wenig dem Nachbarschutz wie die Baulinie, deren Überschreitung seitens der Antragsteller gerügt wird. Auch insoweit gilt zunächst, dass die Beschwerden nicht darlegen, weshalb hier der Festsetzung einer vorderen nicht überbaubaren Grundstücksfläche in einer von der Regel abweichenden Weise nachbarschützende Wirkung zukommen könnte (5. b) bb)).
36 
(2) Eine fehlerhafte Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung kann dem Nachbarn jedoch auch einen Abwehranspruch vermitteln. Dies gilt dann, wenn nämlich die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung über die vom Bauherrn beantragte Befreiung nicht die gebotene Rücksicht auf die Interessen des Nachbarn genommen hat. Der Drittschutz des Nachbarn bei einer rechtswidrigen Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung besteht also nur dann und insoweit, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind; alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung können zwar zur objektiven Rechtswidrigkeit führen, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden. Die Frage, ob eine hinreichende Würdigung der nachbarlichen Interessen erfolgt ist, muss nach den Maßstäben beantwortet werden, die zum nachbarschützenden Gebot der Rücksichtnahme entwickelt worden sind (BVerwG, Beschluss vom 08.07.1998 - 4 B 64.98 - NVwZ-RR 1999, 8; Senatsbeschluss vom 23.05.2011 - 8 S 978/11 - juris Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.12.2013 - 5 S 922/13 - juris Rn. 10).
37 
Ausgehend hiervon vermögen die Antragsteller mit ihren Beschwerden eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen und also eine fehlerhafte Würdigung ihrer nachbarlichen Interessen nicht darzutun. Weder eine „Ausnahmesituation für die Beigeladene“ mit einem „massiven Eingriff in die Bauverbotszone“ noch eine negative Vorbildwirkung weisen darauf hin, dass hier schutzwürdige Interessen gerade der Antragsteller in qualifizierter und individualisierter Weise missachtet worden sein könnte, was für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme Voraussetzung wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Rn. 21).
38 
6. a) Darüber hinaus rügen die Beschwerden, dass für das Vorhaben der Beigeladenen Seitenabstände nach § 34 OBS einzuhalten seien, diese aber nicht gewahrt würden. Es handele sich entgegen der Annahme der Baugenehmigung um ein oberirdisches Gebäude, das die in § 34 Abs. 2 OBS in Verbindung mit dem Planeintrag vorgegebenen Seitenabstände einhalten müsse. Dieser sei hier 14 m. Das Vorhaben halte aber nur 2,5 m zum Grundstück der Antragsteller und 2,5 m nach Osten als Abstand ein.
39 
b) Auch dieses Vorbringen führt nicht zum Erfolg der Beschwerden. Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 34 Abs. 1 und Abs. 2 OBS keinen Drittschutz vermittelt.
40 
Bebauungsvorschriften alter Bebauungs- und Ortsbaupläne, die festlegen, dass von den seitlichen Eigentumsgrenzen zusammen ein bestimmter Abstand einzuhalten ist (Summenabstand), sind regelmäßig nicht nachbarschützend (Senatsbeschluss vom 24.08.1995 - 8 S 2282/95; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 - VBlBW 1992, 344 (346). Dies gilt auch für die in § 34 OBS der Ortsbausatzung der Antragsgegnerin vom 25.6.1935 (OBS) geregelten Seitenabstände. Dies ergibt sich zwingend bereits daraus, dass nach § 34 Abs. 3 OBS die Verteilung des vorgeschriebenen Seitenabstandes auf die beiderseitigen Grenzabstände dem Bauenden freigestellt ist. Im Übrigen geht die Annahme der Antragsteller fehl, der Seitenabstand solle (auch) eine offene Bauweise gewährleisten und Vorschriften über die offene Bauweise seien in der Regel nachbarschützend. Denn die nachbarschützende Wirkung einer Festsetzung nach § 34 OBS erschöpft sich ausweislich § 34 Abs. 3 OBS darin, die Einhaltung eines seitlichen Mindestgrenzabstandes von 2,50 m festzuschreiben. Dieser wird hier jedoch nach dem Beschwerdevorbringen selbst (Beschwerdebegründung S. 25) eingehalten.
41 
7. a) Schließlich machen die Beschwerden geltend, dass sowohl die Befreiung hinsichtlich der zulässigen überbaubaren Grundstücksfläche als auch hinsichtlich der zulässigen Gebäudetiefe rechtswidrig erteilt und jeweils die nachbarlichen Interessen nicht hinreichend gewichtet worden seien.
42 
aa) Es sei eine Überbauung von 10% der Grundstücksfläche, hier von 54 m2, zulässig. Es würden aber 111,11 m2 der Grundstücksfläche und nicht, wie in der Baugenehmigung unterstellt, 74 m2 Grundstücksfläche überbaut. Zwar sei die Bestimmung aus § 3 Abs. 1 OBS nicht drittschützend. Die Befreiung sei hier aber schon deswegen objektiv rechtswidrig erteilt worden, weil die Befreiung nur für eine Überschreitung von 17 m2 Grundstücksfläche erteilt worden sei. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen auch nicht vor. Hingegen käme den nachbarlichen Interessen hier ein starkes Gewicht zu. Die geringe Überbaubarkeit der Grundstücke ermögliche ein gehobenes Wohnen. Das Vorhaben laufe dieser Intention zuwider. Auch seien die Antragsteller als unmittelbare Nachbarn beeinträchtigt. Denn die Nachbarn hätten ein schutzwürdiges Interesse daran, dass andere Grundstückseigentümer die Restriktionen im Hinblick auf die Überbaubarkeit der Grundstücksflächen einhielten.
43 
bb) Auch die zulässige Gebäudetiefe werde um 50 % überschritten. Diesbezüglich gelte das Gleiche wie bezüglich der bebaubaren Grundstücksfläche.
44 
b) Dieses Vorbringen führt ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerden.
45 
Weder die Vorschriften zur überbaubaren Grundstücksfläche in § 3 Abs. 1 OBS noch diejenigen in § 43 OBS zur Gebäudetiefe sind nachbarschützend (zu § 3 Abs. 1 OBS: Senatsbeschluss vom 09.08.1996 - 8 S 2012/96 - NVwZ 1997, 598; zu § 43 Abs. 3 OBS: Senatsbeschluss vom 16.12.2002 - 8 S 2660/02 - BRS 65 Nr. 119). Daher kommt auch insoweit eine die Rechte er Antragsteller verletzende Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von diesen Vorschriften allein unter dem Gesichtspunkt der nicht hinreichenden Berücksichtigung nachbarlicher Interessen in Betracht. Dass die Bebauung im Verhältnis zu den Grundstücken der Antragsteller rücksichtslos wäre, wird mit der Beschwerde aber nicht dargetan. Die Antragsteller behaupten letztlich keine individuelle Betroffenheit, sondern machen einen das gesamte Baugebiet umfassenden Anspruch auf Einhaltung „der Restriktionen im Hinblick auf die Überbaubarkeit der Grundstücksflächen“ geltend. Eine gerade ihre Interessen als Angrenzer beeinträchtigende tatsächliche Situation wird von ihnen hingegen gerade nicht vorgebracht. Eine „optische Beeinträchtigung“ alleine kann nicht zur Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen führen.
III.
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind für erstattungsfähig zu erklären, da diese im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und damit ein eigenes Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
47 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und lehnt sich an Nr. 9.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ 2013, Beilage S. 57) an. Eine Reduzierung des Streitwerts in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 kommt nach ständiger Senatsrechtsprechung nicht in Betracht, da sich die Antragsteller nicht allein gegen die Auswirkungen der zukünftigen Nutzung des Nachbargrundstücks zur Wehr setzten.
48 
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.

(1) Zivile Neu-, Um- und Erweiterungsbauten im Eigentum des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden. Von diesen Anforderungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden. Die landesrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Bauordnungen, bleiben unberührt.

(2) Der Bund einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts soll anlässlich der Durchführung von investiven Baumaßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bauliche Barrieren in den nicht von diesen Baumaßnahmen unmittelbar betroffenen Gebäudeteilen, soweit sie dem Publikumsverkehr dienen, feststellen und unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten abbauen, sofern der Abbau nicht eine unangemessene wirtschaftliche Belastung darstellt.

(3) Alle obersten Bundesbehörden und Verfassungsorgane erstellen über die von ihnen genutzten Gebäude, die im Eigentum des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts stehen, bis zum 30. Juni 2021 Berichte über den Stand der Barrierefreiheit dieser Bestandsgebäude und sollen verbindliche und überprüfbare Maßnahmen- und Zeitpläne zum weiteren Abbau von Barrieren erarbeiten.

(4) Der Bund einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ist verpflichtet, die Barrierefreiheit bei Anmietungen der von ihm genutzten Bauten zu berücksichtigen. Künftig sollen nur barrierefreie Bauten oder Bauten, in denen die baulichen Barrieren unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten abgebaut werden können, angemietet werden, soweit die Anmietung nicht eine unangemessene wirtschaftliche Belastung zur Folge hätte.

(5) Sonstige bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes barrierefrei zu gestalten. Weitergehende landesrechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Januar 2012 - 6 Sa 2159/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Wartezeitkündigung.

2

Die Beklagte stellte den Kläger mit Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 2010 als chemisch-technischen Assistenten ein. Sie produziert Arzneimittel zur Krebsbehandlung, die intravenös verabreicht werden. Der Kläger sollte im sog. Reinraumbereich eingesetzt werden. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 5. Dezember 2011 befristet, wobei die ersten sechs Monate als Probezeit galten, innerhalb derer das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden konnte. Gemäß Ziff. 12 des Arbeitsvertrags galten die betrieblichen Regelungen, dh. die vom Arbeitgeber erlassenen allgemeinen Festlegungen oder Weisungen sowie die mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarungen. Der Kläger hat keine Befristungskontrollklage erhoben.

3

Anlässlich seiner Einstellungsuntersuchung am 8. Dezember 2010 teilte der Kläger dem Betriebsarzt mit, er sei HIV-infiziert. Der Kläger ist symptomfrei. Er hat einen GdB von 10. Der Betriebsarzt äußerte in dem für eine Tätigkeit im Reinraum auszufüllenden Formular „Aufnahme von Tätigkeiten im GMP-Bereich“ am 14. Dezember 2010 Bedenken gegen einen Einsatz des Klägers in diesem Bereich. Das Formular ist Teil der „Standard Operating Procedure“ (SOP) der Beklagten, die der Umsetzung des sog. EG-GMP Leitfadens (Leitfaden der Guten Herstellungspraxis) dient. Dabei handelt es sich um Leitlinien der EU-Kommission, die als Anlage 2 zur Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit zu § 2 Nr. 3 der Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung - AMWHV) vom 27. Oktober 2006 (BAnz S. 6887) veröffentlicht sind. In Ziff. 2.15 des Leitfadens heißt es:

„Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, die, soweit es praktisch möglich ist, sicherstellen, dass in der Arzneimittelherstellung niemand beschäftigt wird, der an einer ansteckenden Krankheit leidet oder offene Verletzungen an unbedeckten Körperstellen aufweist.“

4

In einem Gespräch vom 4. Januar 2011, an dem der Kläger, der Betriebsarzt sowie einer der beiden Geschäftsführer der Beklagten teilnahmen, teilte der Betriebsarzt nach Entbindung von seiner ärztlichen Schweigepflicht mit, der Kläger sei HIV-infiziert. Möglichkeiten zur Beschäftigung des Klägers außerhalb des Reinraumbereichs bestanden nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 4. Januar 2011 zum 24. Januar 2011.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, die angegriffene Kündigung diskriminiere ihn, weil seine HIV-Infektion alleiniger Kündigungsgrund sei. Auch eine symptomlose HIV-Infektion führe zu einer Behinderung. Deswegen stehe ihm auch eine Entschädigung zu. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass seine Infektion eine ansteckende Krankheit iSd. GMP-Leitfadens sei. Unter Berücksichtigung des konkreten Herstellungsprozesses und der konkreten Tätigkeit des Klägers hätte unter keinen Umständen, auch nicht bei Schnitt- oder Nadelstichverletzungen, das HI-Virus auf die von der Beklagten hergestellten Medikamente übertragen werden können. Zum Beweis dafür hat sich der Kläger auf ein Sachverständigengutachten bezogen.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen bis zum Ende der Befristung am 5. Dezember 2011 fortbestanden hat und insbesondere nicht durch die Kündigung vom 4. Januar 2011 beendet worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm eine angemessene Entschädigung in Geld von bis zu drei Bruttomonatsgehältern (6.600,00 Euro) zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die Kündigung aus Gründen der Arbeitssicherheit unumgänglich gewesen sei. Der Kläger leide an einer ansteckenden Krankheit im Sinne ihrer SOP. Das und nicht seine HIV-Infektion sei der Kündigungsgrund gewesen. Ob der Kläger sich in fachärztlicher Behandlung befinde und engmaschig überwacht werde, könne sie nicht überprüfen. Zudem könne der Kläger jederzeit die sichere Behandlung abbrechen, ohne sie informieren zu müssen. Ihre Endabnehmer seien schwerkranke Patienten, so dass sie eine Abwägung zugunsten der Interessen dieser Patienten getroffen habe. Es könne von ihr nicht verlangt werden, sich dem Risiko von Schadensersatzansprüchen, eines drohenden Lizenzverlustes und der Verhängung von Ordnungswidrigkeitsstrafen auszusetzen, um an einem objektiv nicht geeigneten Arbeitnehmer festhalten zu können. Setze sie einen HIV-Positiven in der Medikamentenproduktion ein, komme es zu einer nicht hinnehmbaren Rufschädigung.

8

Die Vorinstanzen haben - soweit für die Revision von Interesse - die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

A. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Revision den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO(vgl. zu diesen Anforderungen BAG 19. April 2012 - 6 AZR 677/10 - Rn. 11). Sie setzt sich mit beiden das angegriffene Urteil selbstständig tragenden Begründungen ausreichend auseinander.

10

I. Der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht dahinstehen lassen, ob er behindert sei. Bereits diese Rüge, mit der der Kläger sinngemäß geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe sich mit seiner Begründung den Blick auf den richtigen Prüfungsmaßstab verstellt, stellt das angefochtene Urteil ausreichend in Frage, soweit das Landesarbeitsgericht die Kündigung als wirksam angesehen hat. Ob diese Auffassung materiell-rechtlich zutrifft, ist für die Zulässigkeit der Revision unerheblich.

11

II. Die Revision ist auch zulässig, soweit der Kläger seinen Antrag auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG weiter verfolgt. Die Begründetheit dieses Anspruchs hängt im Ausgangspunkt denknotwendig davon ab, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfolgt ist. § 15 Abs. 2 AGG ist eine Rechtsfolgenbestimmung(Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 49). Das Landesarbeitsgericht hat sich mit dem Anspruch auf Entschädigung nicht gesondert befasst, sondern nur angenommen, die Beklagte sei nicht zur Entschädigung verpflichtet, weil die Kündigung den Kläger nicht diskriminiere. Vom Rechtsmittelführer kann nicht mehr an Begründung verlangt werden als vom Gericht seinerseits aufgewendet (BAG 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 11, BAGE 126, 237). Für die Zulässigkeit der Revision genügt deshalb insoweit bereits die ausreichende Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Wirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG 18. November 2010 - 6 AZR 273/10 - Rn. 34).

12

B. Der Senat hat das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG) e.V., Berlin, als Beistand des Klägers nach § 23 AGG zugelassen. Der Satzungszweck, das diskriminierungsfreie Zusammenleben ua. durch die kostenlose Unterstützung und Beratung bei Diskriminierungen insbesondere in Gerichtsverfahren zur Durchsetzung des Rechtsschutzes Betroffener zu fördern, genügt der Legaldefinition in § 23 Abs. 1 Satz 1 AGG. Das BUG hat nachgewiesen, dass es die nach § 23 Abs. 1 Satz 2 AGG erforderliche Mindestanzahl an Mitgliedern hat.

13

C. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger werde nicht wegen einer Behinderung benachteiligt. Die für seine Hilfsbegründung, jedenfalls seien die Voraussetzungen des § 8 AGG erfüllt, erforderlichen Tatsachen hat es nicht festgestellt. Dabei hat es insbesondere nicht geprüft, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen einen Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können. Damit trägt auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht, die Kündigung sei nicht nach § 242 BGB unwirksam. Das Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Der Senat kann nicht selbst feststellen, ob die Kündigung gemäß § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam ist, weil der Kläger wegen seiner Behinderung diskriminiert worden ist. Dazu bedarf es noch weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Der Rechtsstreit war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14

I. Eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer, auf den das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet, aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe diskriminiert, ist nach § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam. § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen.

15

1. Welche Bedeutung der Vorschrift des § 2 Abs. 4 AGG zukommt, nach der „für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz“ gelten, ist umstritten.

16

a) Für Kündigungen, die dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, ist diese Frage durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. November 2008 (- 2 AZR 523/07 - Rn. 34 ff., BAGE 128, 238) geklärt. Bei der Prüfung der Wirksamkeit solcher Kündigungen sind die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und die darin vorgesehenen Rechtfertigungen für unterschiedliche Behandlungen als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit zu beachten (vgl. auch BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 24; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 15).

17

b) Nach wie vor kontrovers wird jedoch beurteilt, wie § 2 Abs. 4 AGG im Hinblick auf Kündigungen, die nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, zu verstehen ist. Einigkeit besteht insoweit nur dahin, dass die Antidiskriminierungsrichtlinien, namentlich die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG), auch einen Schutz vor diskriminierenden Kündigungen gebieten (vgl. EuGH 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 37, Slg. 2006, I-6467) und dass dieser Schutz auch Arbeitnehmer außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes erfasst.

18

aa) Die Frage ist höchstrichterlich bisher nicht geklärt. Die Entscheidungen des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 6. November 2008 (- 2 AZR 523/07 - Rn. 34, BAGE 128, 238) sowie des Achten Senats vom 22. Oktober 2009 (- 8 AZR 642/08 -) beziehen sich nur auf Kündigungen im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes. Soweit das Bundesarbeitsgericht vor Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes diskriminierende Kündigungen am Maßstab des § 242 BGB gemessen hat(vgl. BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - für eine auf kulturelle und religiöse Gründe gestützte Arbeitsverweigerung eines Arbeitnehmers, der einer Sinti-Familie angehörte; 23. Juni 1994 - 2 AZR 617/93 - BAGE 77, 128 für eine auf Homosexualität gestützte Kündigung), ist diese Rechtsprechung durch die geänderte Rechtslage überholt.

19

bb) Die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum nimmt an, die Benachteiligungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sowie die Beweislastverteilung nach § 22 AGG müssten bei der Prüfung, ob die Kündigung nach den zivilrechtlichen Generalklauseln(§§ 138, 242 BGB) unwirksam sei, berücksichtigt werden (KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 17, 19; KR/Griebeling § 1 KSchG Rn. 26a; ErfK/Schlachter 14. Aufl. § 2 AGG Rn. 18; vHH/L/Krause 15. Aufl. § 1 Rn. 238, 242; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 230; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 62; v. Roetteken AGG Stand März 2011 § 2 Rn. 69; Blessing Rechtsfolgen diskriminierender Kündigungen unter Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes S. 147). Ein Teil des Schrifttums vertritt dabei die Auffassung, die Bestimmungen der Antidiskriminierungsrichtlinien seien bei der Prüfung, ob die Kündigung nach den zivilrechtlichen Generalklauseln unwirksam sei, unmittelbar zu berücksichtigen, die unionsrechtlich geforderte Beweislastverteilung müsse durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 138 Abs. 2 ZPO gewährleistet werden(APS/Preis 4. Aufl. Grundlagen J Rn. 71f, 71g; ähnlich Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz 2. Aufl. Rn. 112 ff.).

20

cc) Ein anderer Teil des Schrifttums hält § 2 Abs. 4 AGG für unvereinbar mit Unionsrecht. Eine unionsrechtskonforme Auslegung sei wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht möglich, widerspreche aber jedenfalls dem unionsrechtlichen Transparenzgebot (dazu EuGH 10. Mai 2001 - C-144/99 - [Kom-mission/Niederlande] Rn. 17, Slg. 2001, I-3541). § 2 Abs. 4 AGG sei deshalb nicht anwendbar, stattdessen fänden die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unmittelbare Anwendung(Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 256 ff., 263 mwN).

21

dd) Teils wird - mit unterschiedlichen Ansätzen - angenommen, § 2 Abs. 4 AGG erfasse Kündigungen während der Wartezeit und im Kleinbetrieb nicht(HaKo/Mayer 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 147 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger/Zwanziger KSchR 8. Aufl. AGG Rn. 63; Stein in Wendeling-Schröder AGG § 2 Rn. 48; wohl auch Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. Vor § 1 Rn. 28).

22

2. Zutreffend ist die letztgenannte Auffassung. § 2 Abs. 4 AGG regelt für Kündigungen nur das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dem Kündigungsschutzgesetz sowie den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Bestimmungen. Die zivilrechtlichen Generalklauseln werden dagegen von § 2 Abs. 4 AGG nicht erfasst. Der Diskriminierungsschutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geht insoweit diesen Klauseln vor und verdrängt diese. Ordentliche Kündigungen während der Wartezeit und in Kleinbetrieben sind deshalb unmittelbar am Maßstab des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu messen. Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem Zweck des § 2 Abs. 4 AGG. Der Wortlaut der Bestimmung steht dem nicht entgegen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz regelt allerdings nicht selbst, welche Rechtsfolge eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unzulässige Benachteiligung hat. Diese Rechtsfolge ergibt sich erst aus § 134 BGB(vgl. Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. Vor § 1 Rn. 25; Düwell jurisPR-ArbR 47/2006 Anm. 6).

23

a) Der Gesetzgeber wollte mit § 2 Abs. 4 AGG für Kündigungen nur das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dem Kündigungsschutzgesetz sowie den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Bestimmungen, zu denen die zivilrechtlichen Generalklauseln in §§ 138, 242 BGB nicht gehören, regeln. Das folgt aus der Gesetzgebungsgeschichte.

24

aa) § 2 Abs. 4 AGG ist erst während des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt worden. In der vom Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgeschlagenen Fassung sollte die Bestimmung wie folgt gefasst werden:

„Für Kündigungen gelten vorrangig die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes.“

25

Damit sollte klargestellt werden, dass die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes unberührt blieben. Der Praxis sollte verdeutlicht werden, dass Rechtsstreite bei Kündigungen auch in Zukunft vorwiegend nach dem Kündigungsschutzgesetz zu entscheiden seien (BT-Drucks. 15/5717 S. 5, 36).

26

bb) Wortlaut und Begründung des § 2 Abs. 4 AGG-E griff die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vom 8. Juni 2006 auf (BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Die Empfehlung des Bundesrats zu diesem Entwurf vom 6. Juni 2006 sah vor, § 2 Abs. 4 AGG wie folgt zu fassen(BR-Drucks. 329/1/06 S. 1):

„Liegt die Benachteiligung in einer Kündigung, finden im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ausschließlich dessen Bestimmungen Anwendung. …“

27

Mit dieser Regelung sollte das Verhältnis beider Gesetze (dh. von AGG und KSchG) präzisiert werden. Das mit dieser Vorschrift verbundene Anliegen - Vorrang der Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes - komme in der bisherigen Fassung nicht hinreichend klar zum Ausdruck (BR-Drucks. 329/1/06 S. 2).

28

cc) Der Rechtsausschuss schlug in seiner Beschlussempfehlung vom 28. Juni 2006 die Gesetz gewordene Fassung vor. In seiner Begründung (BT-Drucks. 16/2022 S. 12) griff er ausdrücklich das Anliegen des Bundesrats auf. Das Verhältnis „beider Gesetze“ (von AGG und KSchG) solle präzisiert werden. Es erscheine sachgerechter, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz Anwendung fänden, weil „diese Regelungen speziell auf Kündigungen zugeschnitten“ seien. Die wesentlichen Bestimmungen des allgemeinen Kündigungsschutzes fänden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch sowie im ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes. Bestimmungen zum besonderen Kündigungsschutz enthielten der Zweite Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes und zB § 9 Abs. 3 MuSchG und §§ 18 f. BEEG.

29

b) Aus dieser Entstehungsgeschichte folgt zugleich der Zweck des § 2 Abs. 4 AGG.

30

aa) Mit dem Bezug auf die „Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz“ wollte der Gesetzgeber nicht regeln, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für sämtliche Kündigungen nicht gelten sollte. Es sollte lediglich das Verhältnis von Kündigungsschutzgesetz und Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz „präzisiert“ und das Anliegen des Bundesrats, den Vorrang der Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes klarzustellen, aufgegriffen werden. Außerdem sollte den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Regelungen Anwendungsvorrang zukommen. Die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sollten in diese Bestimmungen eingepasst werden und Kohärenz zwischen dem Antidiskriminierungsrecht des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf der einen und den von § 2 Abs. 4 AGG erfassten Kündigungsschutzbestimmungen auf der anderen Seite hergestellt werden(vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 37, 39 f., BAGE 128, 238). Neben das Kündigungsschutzgesetz und die speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Vorschriften des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes sollte kein „zweites“, durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vermitteltes Kündigungsschutzrecht treten. Eine Sperrwirkung für Kündigungen, für die wie die hier streitbefangene Wartezeitkündigung das Kündigungsschutzgesetz (noch) nicht gilt und für die weder spezielle Kündigungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches wie § 626 und § 613a Abs. 4 BGB noch besondere Kündigungsschutzbestimmungen in Betracht kommen, war nicht bezweckt(vgl. HaKo/Mayer 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 148 f.). Bedeutung kommt § 2 Abs. 4 AGG für solche Kündigungen nur insofern zu, als es zB bei der Anwendbarkeit der Klagefrist des § 4 KSchG und der Rechtsfolgen des § 7 KSchG im Fall ihrer Versäumung bleibt(Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 2 Rn. 38; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 240).

31

bb) Bei ordentlichen Kündigungen, auf die das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet und bei denen der Arbeitnehmer geltend macht, die Kündigung diskriminiere ihn, besteht kein nach diesem Gesetzeszweck zu vermeidender Konflikt zwischen zwei ausdifferenzierten Kündigungsschutzsystemen. Das Kündigungsschutzgesetz verlangt Gründe, die die Kündigung rechtfertigen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 56 sprechen von einer „Positivliste“). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geht dagegen davon aus, dass Kündigungen grundsätzlich zulässig sind, es sei denn, es liegt eine Diskriminierung vor (Bauer/Göpfert/Krieger aaO sprechen hier von einer „Negativliste“). Für ordentliche Kündigungen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes, auf die keine speziellen Kündigungsverbote Anwendung finden, gilt von vornherein nur eine „Negativliste“: Diese Kündigungen sind grundsätzlich wirksam. Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise und nur dann, wenn sie diskriminierend, treu- oder sittenwidrig sind oder gegen höherrangiges Recht verstoßen. Es tritt also nicht neben einen - gänzlich anders strukturierten - Kündigungsschutz ein zweites Schutzsystem mit anderen Parametern, sondern es bleibt bei der „Negativliste“, die um weitere Punkte und vor allem eine abweichende Beweislastverteilung ergänzt wird. Eine „Verzahnung“ des Kündigungsschutzrechts und des Antidiskriminierungsrechts ist in derartigen Konstellationen nicht erforderlich und wird darum auch nicht durchbrochen (aA KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 18).

32

c) Der Wortlaut des § 2 Abs. 4 AGG steht diesem aus der Entstehungsgeschichte und dem Gesetzeszweck hergeleiteten Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar ordnet § 2 Abs. 4 AGG unterschiedslos für alle „Kündigungen“ an, dass für sie ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Die Anwendung der Norm ist jedoch hinsichtlich des materiellen Kündigungsschutzes im Wege der teleologischen Reduktion auf Kündigungen, für die das Kündigungsschutzgesetz, speziell auf Kündigungen zugeschnittene Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches oder besondere Kündigungsschutzbestimmungen gelten, zu beschränken. Nur so wird die nach dem Wortlaut zu weit gefasste Bestimmung des § 2 Abs. 4 AGG ihrem Zweck gerecht. Für ordentliche Kündigungen in der Wartezeit und in Kleinbetrieben gelten grundsätzlich keine Bestimmungen des „allgemeinen Kündigungsschutzes“ iSd. § 2 Abs. 4 AGG.

33

aa) Die teleologische Reduktion von Vorschriften auch gegen deren Wortlaut gehört zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG 30. März 1993 - 1 BvR 1045/89 ua. - zu C II 2 der Gründe, BVerfGE 88, 145). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass andere Indizien deutlich belegen, dass der Sinn der Norm im Text nur unzureichend Ausdruck gefunden hat (BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 22/93 - [Kleinbetriebsklausel II] zu B I 5 der Gründe, BVerfGE 97, 186) und die weiteren Auslegungsmethoden die wahre Bedeutung der Norm freilegen (vgl. BVerfG 19. Juni 1973 - 1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72 - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 35, 263). Diese Befugnis des Richters beruht darauf, dass die Auslegung gerade der Ermittlung des im Gesetz objektivierten Willens des Gesetzgebers dient (vgl. BVerfG 4. Juni 2012 - 2 BvL 9/08 ua. - [Dienstbeschädigungsausgleich] Rn. 99, BVerfGE 131, 88).

34

bb) Unter „allgemeinem Kündigungsschutz“ wird - entsprechend der Überschrift des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes - im fachbezogenen Sprachgebrauch der Kündigungsschutz nach diesem Abschnitt verstanden (vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 49, BAGE 128, 73; 8. Juli 1998 - 7 AZR 245/97 - zu II 1 der Gründe, BAGE 89, 216; HaKo/Mayer 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 147). Zwar hat der Gesetzgeber in seiner Begründung zu der Gesetz gewordenen Fassung weiter gehend angenommen, die wesentlichen Bestimmungen des allgemeinen Kündigungsschutzes fänden sich auch „im Bürgerlichen Gesetzbuch“ (BT-Drucks. 16/2022 S. 12). Er hat aber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass er mit den Bestimmungen des „allgemeinen Kündigungsschutzes“ nur solche Bestimmungen meint, die speziell auf Kündigungen zugeschnitten sind. Das sind im Bürgerlichen Gesetzbuch vor allem §§ 613a, 622 und 626 BGB. Die für den Kündigungsschutz im Kleinbetrieb und in der Wartezeit maßgeblichen zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138 und 242 BGB sind dagegen - wie schon ihre Bezeichnung zeigt - gerade nicht speziell auf Kündigungen zugeschnitten, sondern Auffangtatbestände, die zudem erst unter Berücksichtigung verfassungs- oder unionsrechtlicher Vorgaben(vgl. dazu BAG 24. Januar 2008 - 6 AZR 96/07 - Rn. 27) ihren Bedeutungsgehalt für Kündigungen gewinnen. Deshalb sind nach dem Verständnis des Gesetzgebers die Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB keine „Bestimmungen zum allgemeinen Kündigungsschutz“ iSd. § 2 Abs. 4 AGG(Kittner/Däubler/Zwanziger/Zwanziger KSchR 8. Aufl. AGG Rn. 63; HaKo/Mayer aaO).

35

cc) Für ordentliche Kündigungen in der Wartezeit und in Kleinbetrieben, für die keine speziell auf Kündigungen zugeschnittene Bestimmungen gelten, war nach dem Verständnis des Gesetzgebers gerade keine Regelung dazu erforderlich, in welchem Verhältnis das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und die auf solche Kündigungen Anwendung findenden Generalklauseln stehen sollten. Soweit § 2 Abs. 4 AGG gleichwohl seinem Wortlaut nach auch solche Kündigungen erfasst, entspricht dies nicht dem Zweck, den der Gesetzgeber mit dieser Norm verfolgte.

36

d) Diese Auslegung führt nicht dazu, dass Kündigungen außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes insbesondere wegen der möglichen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG stärker sanktioniert würden als Kündigungen, für die das Kündigungsschutzgesetz gilt(so aber KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 18; Bauer/Thüsing/Schunder NZA 2006, 774, 777). Auch bei Kündigungen, die dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, scheidet eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht von vornherein aus.

37

aa) Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte diese Frage zunächst offengelassen (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 20; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 16; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 33, BAGE 128, 238; zum Streitstand Wenckebach AuR 2010, 499, 501). Er hatte jedoch schon darauf hingewiesen, dass eine Anwendung des § 15 Abs. 2 AGG neben der Sanktionsfolge der Unwirksamkeit nicht systemwidrig erscheine. Auch Entschädigungen für immaterielle Schäden infolge einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang mit der Erklärung einer unwirksamen Kündigung seien nicht ausgeschlossen (BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 16 unter Hinweis auf BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 -). Er hatte weiter angenommen, es sei vom Vorliegen eines immateriellen Schadens iSd. § 15 Abs. 2 AGG auszugehen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot feststehe(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 74, BAGE 129, 181). Mit Urteil vom 12. Dezember 2013 hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts nun einer schwangeren Arbeitnehmerin, der unter Verstoß gegen das Mutterschutzgesetz gekündigt worden war, wegen Geschlechtsdiskriminierung einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zuerkannt(- 8 AZR 838/12 - Pressemitteilung Nr. 77/13).

38

bb) Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar(KR/Treber 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 27 mwN; vgl. auch BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen(vgl. Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 190; Blessing Rechtsfolgen diskriminierender Kündigungen unter Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes S. 173). Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von der Frage sanktioniert werden, ob nach einer unwirksamen Kündigung das Arbeitsverhältnis fortbesteht (vgl. Blessing aaO S. 193). Ausgehend davon kann allenfalls angenommen werden, die Unwirksamkeit der Kündigung sei eine Naturalrestitution iSd. § 15 Abs. 1 AGG. Die Anwendung des § 15 Abs. 2 AGG kann dagegen nicht mit der Begründung abgelehnt werden, diese Rechtsfolge sei eine hinreichende Sanktion iSd. Antidiskriminierungsrichtlinien (vgl. Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 54; Wenckebach AuR 2010, 499, 502). Die Unwirksamkeit der Kündigung kann die bei einer Diskriminierung nach der Vorstellung des Gesetzgebers in der Regel vorliegende Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht kompensieren. Dies gilt insbesondere in dem in der Praxis häufig vorkommenden Fall, dass der Arbeitnehmer auch nach einem erfolgreichen Kündigungsschutzprozess nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt.

39

cc) Darüber hinaus kommt bei unwirksamen Abmahnungen oder Versetzungen, die kündigungsrechtlich gesehen mildere Maßnahmen im Vergleich zu einer Kündigung darstellen, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ohne Weiteres in Betracht(vgl. für die Versetzung BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - BAGE 129, 181), obwohl auch diese Maßnahmen bei Diskriminierungen iSd. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unwirksam sind und Abmahnungen zusätzlich noch aus der Personalakte zu entfernen sind. Dann muss erst recht bei diskriminierenden Kündigungen, die typischerweise tiefer in das Persönlichkeitsrecht eingreifen, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG möglich sein(Wenckebach AuR 2010, 499, 502; Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 262a).

40

dd) § 2 Abs. 4 AGG steht einem solchen Verständnis des § 15 Abs. 2 AGG nicht entgegen. Damit wird nur der Weg beschrieben, auf dem die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in das Kündigungsschutzrecht einzupassen sind. Die Frage, wie Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu sanktionieren sind, ist nicht berührt (vgl. Wenckebach AuR 2010, 499, 502).

41

e) Die Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes führt - insbesondere wegen der Beweislastregel des § 22 AGG(vgl. KR/Treber 10. Aufl. § 22 AGG Rn. 6; Däubler/Bertzbach/Bertzbach AGG 3. Aufl. § 22 Rn. 48 mwN) - in Fällen, in denen das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet, dazu, dass die Rechtsstellung von Arbeitnehmern bei potentiell diskriminierenden Kündigungen gegenüber der von Arbeitnehmern, bei denen keine Diskriminierung in Betracht kommt, verbessert wird. Dies ist jedoch nur die Konsequenz der Überlagerung des nationalen Kündigungsschutzrechts durch das Antidiskriminierungsrecht der Europäischen Union.

42

II. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob der Kläger behindert iSd. § 1 AGG ist, sondern hat dies ausdrücklich offengelassen. Beide Begründungen, mit denen es die Kündigung unabhängig von der Frage der Behinderung des Klägers als wirksam angesehen hat, tragen nicht. Es ist deshalb von entscheidungserheblicher Bedeutung, ob die symptomlose HIV-Infektion des Klägers eine Behinderung iSd. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes darstellt.

43

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe den Kläger durch die streitbefangene Kündigung nicht wegen einer etwaigen Behinderung benachteiligt. Mit dieser Begründung durfte es eine Behinderung nicht dahinstehen lassen.

44

a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die der Kündigungsentscheidung zugrunde liegenden Überlegungen können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigungserklärung und einem Merkmal nach § 1 AGG sein. Dieser Zusammenhang kann sich aus der Kündigungsbegründung oder anderen Umständen ergeben (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 34). Dabei bedarf es allerdings keiner subjektiven Komponente im Sinne einer Benachteiligungsabsicht. Es reicht aus, wenn eine Anknüpfung der Kündigung an ein Diskriminierungsmerkmal zumindest in Betracht kommt (BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 28). Dies ist hier unstreitig der Fall, weil die Beklagte die HIV-Infektion als Ausschlussmerkmal für einen Einsatz im Reinraum ansieht. Auch unberechtigte Stereotypisierungen können zu (unabsichtlichen) Diskriminierungen führen (vgl. Schiek/Schiek AGG § 3 Rn. 16; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 3 Rn. 13). Darauf, ob die Beklagte glaubte, das für sie geltende Regelwerk gebiete die Kündigung, kommt es deshalb entgegen der von ihr vertretenen Auffassung nicht an.

45

b) Die Beklagte macht geltend, sie habe dem Kläger allein deshalb gekündigt, weil er an einer ansteckenden Krankheit im Sinne ihrer SOP leide und deshalb die Anforderungen an eine Beschäftigung im Reinraum nicht erfülle, nicht aber, weil er HIV-infiziert sei. Sie hätte genauso gehandelt, wenn der Kläger an Hepatitis B oder C bzw. einer chronischen Hauterkrankung an den Armen, Unterarmen, Händen oder im Gesicht gelitten hätte. Das Landesarbeitsgericht ist dem unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. April 2011 (- 8 AZR 515/10 - Rn. 34) gefolgt. Das ist rechtsfehlerhaft. Die vom Landesarbeitsgericht angeführte Entscheidung betrifft andere Fallkonstellationen als die vorliegende.

46

aa) Wäre der Kläger wegen seiner symptomlosen HIV-Infektion behindert, stellte die streitbefangene Kündigung eine unmittelbare Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG in Form einer sog. verdeckten unmittelbaren Ungleichbehandlung dar. Eine solche Ungleichbehandlung ist gegeben, wenn nach einem scheinbar objektiven, nicht diskriminierenden Kriterium (ansteckende Krankheit) unterschieden wird, das jedoch in untrennbarem Zusammenhang mit einem in § 1 AGG genannten Grund(Behinderung) steht und damit kategorial ausschließlich Träger eines Diskriminierungsmerkmals trifft (vgl. BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 23, BAGE 138, 107; vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 23, Slg. 2010, I-9343; vgl. zu der für die Schwangerschaft klarstellenden Normierung dieser Rechtsfigur in § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 20 f., BAGE 137, 80). Das ist hier der Fall. Kündigungsgrund ist die Unfähigkeit des Klägers, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Diese nach Auffassung der Beklagten bestehende Unfähigkeit ergab sich allein aus der HIV-Infektion des Klägers. Nach ihrer SOP ist die HIV-Infektion ebenso wie chronische Hauterkrankungen im Bereich der Arme, Unterarme, Hände und Gesicht oder eine chronisch verlaufende Hepatitis B und C ein Ausschlusskriterium für die Tätigkeit im Reinraum (vgl. S. 2 der Beauftragung des Betriebsarztes zur Durchführung von GMP-Untersuchungen vom 1. April 2010). Weitere absolute Ausschlussgründe sieht die SOP nicht vor. Ansteckende Erkrankungen wie Husten und Schnupfen, wiederholtes Erbrechen, Durchfall oder offene Ekzeme sind nach der SOP nur anzeigepflichtig und ziehen, wie die Beklagte selbst vorträgt, nur den vorübergehenden Ausschluss von der Tätigkeit im Reinraum nach sich. Führte bei chronischen Erkrankungen der Ausschluss von bestimmten Teilen des Berufsfelds dazu, dass eine Behinderung iSd. § 1 AGG vorliegt, wäre dies in allen drei in der SOP der Beklagten aufgeführten Fällen anzunehmen. Eine Kündigung, die wegen einer der in der SOP angeführten ansteckenden Krankheiten, die zum dauerhaften Ausschluss von der Tätigkeit im Reinraum führen, erklärt wird, wäre dann in allen drei Fällen wegen eines Merkmals iSd. § 1 AGG erfolgt. Insoweit gilt nichts anderes, als wenn ein Arbeitgeber einer befristet eingestellten Frau kündigt, die wegen ihrer Schwangerschaft während der gesamten Dauer der Befristung einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot unterliegt (vgl. EuGH 4. Oktober 2001 - C-109/00 - [Tele Danmark] Rn. 20, 31, Slg. 2001, I-6993), oder wenn er einem Rollstuhlfahrer kündigt, weil die geschuldete Arbeit von einem Rollstuhlfahrer nicht verrichtet werden könne, denn nur Behinderte sind dauerhaft an den Rollstuhl gebunden (vgl. Kamanabrou RdA 2006, 321, 324). In all diesen Fällen beruht die Unfähigkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erfüllen, letztlich auf einem Diskriminierungsmerkmal.

47

bb) Daraus folgt zugleich, dass die Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten, die Kündigung beruhe letztlich auf der aus dem Regelwerk der Beklagten folgenden, auf einer ansteckenden Krankheit beruhenden fehlenden Einsetzbarkeit des Klägers und benachteilige diesen deshalb jedenfalls nicht wegen einer etwaigen Behinderung, nicht trägt. Ob tatsächlich der Einsatz des Klägers im Reinraum dauerhaft unmöglich und deshalb die Kündigung wirksam war, ist eine Frage, die ausschließlich auf der Ebene der Rechtfertigung unter Berücksichtigung der Möglichkeit, angemessene Vorkehrungen zu treffen, zu entscheiden ist, nicht aber bereits die Annahme einer Benachteiligung wegen der Behinderung von vornherein ausschließt.

48

cc) Der Kläger würde gegenüber Personen in einer vergleichbaren Situation benachteiligt (zu diesem Erfordernis BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 29, BAGE 138, 107). Die Feststellung der Vergleichbarkeit der Situation erfordert, dass es außer der anderen Ausprägung des Diskriminierungsmerkmals keine wesentlichen Unterschiede zwischen der benachteiligten und der Vergleichsperson gibt (Schiek/Schiek AGG § 3 Rn. 11). Einem nicht behinderten chemisch-technischen Assistenten in einer sonst mit der Situation des Klägers vergleichbaren Lage wäre nicht gekündigt worden (vgl. in diesem Sinne auch EGMR 3. Oktober 2013 - 552/10 - Rn. 77). Darin liegt der Unterschied zu der vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. April 2011 (- 8 AZR 515/10 -). Das Argument der Beklagten, auch einem an einer chronisch verlaufenden Hepatitis B bzw. C oder an einer chronischen Hauterkrankung an den Armen, Unterarmen, Händen oder im Gesicht leidenden Arbeitnehmer hätte sie gekündigt, trägt nicht. Auch diese Arbeitnehmer wären, wie unter Rn. 46 ausgeführt, behindert.

49

2. Die Hilfsbegründung des Landesarbeitsgerichts, das Fehlen einer HIV-Infektion stelle eine berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG dar, greift zu kurz.

50

a) Das Landesarbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, dass sich der Arbeitgeber, der eine Kündigung darauf stützt, dass er den Arbeitnehmer wegen seiner Behinderung nicht einsetzen könne, nur dann auf den Rechtfertigungsgrund des § 8 Abs. 1 AGG berufen kann, wenn auch angemessene Vorkehrungen iSd. Art. 5 RL 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - UN-Behin-dertenrechtskonvention (UN-BRK) - nicht zu einer Einsatzmöglichkeit führen. Unterlässt der Arbeitgeber die danach gebotenen Vorkehrungen und kann er den Arbeitnehmer deshalb nicht einsetzen, ist dieser Umstand regelmäßig nicht auf die Behinderung des Arbeitnehmers, sondern auf die Untätigkeit des Arbeitgebers zurückzuführen. Die Kündigung ist dann nicht gerechtfertigt (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 66, 68; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, Slg. 2006, I-6467).

51

aa) Der Kläger ist mit einem GdB von 10 allenfalls „einfach“ Behinderter. Für diesen Personenkreis ist Art. 5 RL 2000/78/EG, demzufolge der Arbeitgeber angemessene Vorkehrungen zu ergreifen hat, um Behinderten ua. die Ausübung eines Berufs zu ermöglichen, sofern diese Maßnahmen ihn nicht unverhältnismäßig belasten, nicht in nationales Recht umgesetzt worden (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 34 ff.). Eine vergleichbare Verpflichtung sieht Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i UN-BRK vor, wonach die Vertragsstaaten sicherstellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen (reasonable accommadation) für Menschen mit Behinderungen getroffen werden. Was unter „angemessenen Vorkehrungen“ iSd. UN-BRK zu verstehen ist, ist in Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK festgelegt.

52

bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinen Entscheidungen vom 4. Juli 2013 (- C-312/11 - [Kommission/Italien]) und vom 11. April 2013 (- C-335/11 ua. - [Ring]) ausgeführt, dass und wie Art. 5 RL 2000/78/EG nach der Genehmigung der UN-BRK durch den Rat im Namen der Europäischen Gemeinschaft(Beschluss 2010/48/EG vom 26. November 2009 ABl. EU L 23 vom 27. Januar 2010 S. 35) unter Beachtung und in Übereinstimmung mit der UN-BRK auszulegen ist. Der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ ist weit zu verstehen und umfasst die Beseitigung der verschiedenen Barrieren, die die volle und wirksame, gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben behindern. Gemeint sind nicht nur materielle, sondern auch organisatorische Maßnahmen, wobei die Aufzählung der möglichen Vorkehrungen im 20. Erwägungsgrund der RL 2000/78/EG nicht abschließend ist (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 53 bis 56). Ob solche Vorkehrungen den jeweiligen Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten, haben die nationalen Gerichte festzustellen, wobei sie insbesondere den damit verbundenen finanziellen und sonstigen Aufwand unter Berücksichtigung der Größe und der Finanzkraft des Arbeitgebers sowie der Möglichkeit, öffentliche Mittel oder andere Unterstützungen in Anspruch zu nehmen, in die Abwägung einzubeziehen haben (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 59 f.). Die Mitgliedstaaten müssen aufgrund von Art. 5 RL 2000/78/EG iVm. Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK die Arbeitgeber verpflichten, die im konkreten Einzelfall jeweils erforderlichen angemessenen Vorkehrungen zu ergreifen. Das bloße Schaffen von Anreiz- und Hilfsmaßnahmen genügt nicht (EuGH 4. Juli 2013 - C-312/11 - [Kommission/Italien] Rn. 60 ff. der franz. Fassung; Beyer/Wocken DB 2013, 2270).

53

cc) Die Bestimmungen der UN-BRK sind integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 28 ff.). Dadurch sind sie zugleich Bestandteil des - ggf. unionsrechtskonform auszulegenden - deutschen Rechts. Im Hinblick auf die durch den Gerichtshof der Europäischen Union unter Beachtung der UN-BRK vorgenommene Auslegung des Art. 5 RL 2000/78/EG ist Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK weder unmittelbar anzuwenden (aA v. Roetteken jurisPR-ArbR 33/2013 Anm. 1 unter D; zur unmittelbaren Anwendung von Völkerrecht vgl. Schmahl JuS 2013, 961, 965; Aichele AnwBl. 2011, 727, 728) noch sind §§ 7 und 8 AGG völkerrechtskonform auszulegen. Die Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungen ergibt sich vielmehr bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 241 Abs. 2 BGB aus dieser Bestimmung(vgl. zu dieser Vorschrift BAG 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - BAGE 131, 325; 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - BAGE 134, 296; vgl. auch Beyer/Wocken DB 2013, 2270, 2272).

54

b) Eine Kündigung eines behinderten Arbeitnehmers wegen fehlender Einsatzmöglichkeiten ist demnach nur wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, das infolge der Behinderung vorliegende Beschäftigungshindernis durch angemessene Vorkehrungen zu beseitigen (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 57; Däubler/Bertzbach/Brors AGG 3. Aufl. § 8 Rn. 33; KR/Treber 10. Aufl. § 8 AGG Rn. 29; Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 30). Dies hat der Arbeitgeber darzulegen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 43; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 33 f.; Stiebert/Pötters aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO Rn. 33 f.). Beurteilungsgrundlage für die Rechtfertigungsprüfung ist dabei nicht der ursprüngliche (ausgeschriebene) Arbeitsplatz, sondern der mit verhältnismäßigem Aufwand geänderte Arbeitsplatz. Anderenfalls könnte - wie die Argumentation der Beklagten und des Landesarbeitsgerichts eindrücklich belegen - der Arbeitgeber stets berufsbezogen argumentieren und behinderte Arbeitnehmer berechtigt von der Teilhabe am Berufsleben ausschließen (vgl. Däubler/Bertzbach/Brors aaO Rn. 33; KR/Treber aaO). Genau das will Art. 5 RL 2000/78/EG verhindern, dessen Befolgung im nationalen Recht § 241 Abs. 2 BGB sicherstellt. Kann der Arbeitsplatz mit zumutbaren Anstrengungen angepasst werden, ist der Arbeitnehmer für die geschuldete Tätigkeit geeignet. Auf eine Rechtfertigung nach § 8 AGG kommt es dann grundsätzlich nicht mehr an. Nur dann, wenn der Arbeitnehmer zwar auf dem zumutbar angepassten Arbeitsplatz eingesetzt werden kann, aber trotzdem wegen der Behinderung schlechter gestellt wird, zB weil er nicht im Schichtbetrieb eingesetzt wird und deshalb eine Schichtzulage nicht erhält, kann noch eine Rechtfertigung dieser gleichwohl erfolgenden Benachteiligung nach § 8 Abs. 1 AGG in Betracht kommen. Erst in einem solchen Fall muss der Arbeitgeber darlegen, dass und warum gerade im Hinblick auf den angepassten Arbeitsplatz ein berufsbezogener weiterer Grund eine Benachteiligung des Behinderten rechtfertigt (ähnlich Däubler/Bertzbach/Brors aaO).

55

III. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

56

1. Die symptomlose HIV-Infektion des Klägers hat eine Behinderung iSd. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zur Folge. Eine Diskriminierung des Klägers durch die angegriffene Kündigung kommt deshalb in Betracht.

57

a) Eine Behinderung iSd. § 1 AGG liegt unter Berücksichtigung des maßgeblichen supranationalen Rechts vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eines Menschen langfristig eingeschränkt ist und dadurch - in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren(Barrieren) - seine Teilhabe an der Gesellschaft, wozu auch die Teilhabe am Berufsleben gehört, substantiell beeinträchtigt sein kann. Auf einen bestimmten GdB kommt es nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 32). Ob eine Behinderung vorliegt, ist unter Beachtung dieses Begriffsverständnisses im Einzelfall festzustellen (Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 40), wobei auch zu beachten ist, dass das Verständnis von Behinderung nicht statisch ist (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 37).

58

aa) Der Begriff der Behinderung iSd. § 1 AGG entspricht nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers den gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und § 3 BGG(BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 32; BR-Drucks. 329/06 S. 31). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Der Gesetzgeber hat sich damit für einen modernen Behindertenbegriff entschieden, der an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anknüpft (BT-Drucks. 14/5074 S. 98; vgl. BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - Rn. 20, BAGE 122, 54). Bei diesem bio-psycho-sozialen Behindertenbegriff wird Behinderung nicht durch die individuelle Funktionsstörung, sondern durch die Beeinträchtigung der (gesellschaftlichen) Teilhabe definiert. Eine Behinderung liegt vor, wenn sich die Beeinträchtigung auf die Partizipation in einem oder mehreren Lebensbereichen auswirkt (BT-Drucks. 14/5074 S. 98). Ob eine Beeinträchtigung relevant ist, ergibt sich demnach erst aus dem Zusammenwirken von behindernden sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) und individueller Gesundheitsstörung (Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 37; Welti DÖV 2013, 795, 797). Eine Gesundheitsstörung kann auch darin liegen, dass die (gesellschaftliche) Teilhabe durch das Verhalten anderer beeinträchtigt wird (Schiek/Welti aaO Rn. 43). Behinderung ist nach diesem Verständnis sowohl persönliche Eigenschaft als auch soziales Verhältnis (Schiek/Welti aaO Rn. 37, vgl. auch v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 159b). Eine Behinderung in diesem Sinne kann demnach auch erst durch das „Behindern“ eines Menschen durch seine Umwelt entstehen.

59

bb) In seinen Entscheidungen vom 11. April 2013 (- C-335/11 ua. - [Ring]) und vom 4. Juli 2013 (- C-312/11 - [Kommission/Italien]) hat der Gerichtshof der Europäischen Union seine Auslegung des Begriffs der „Behinderung“ iSd. RL 2000/78/EG in Anpassung an Art. 1 Unterabs. 2 UN-BRK modifiziert (zur bisherigen Auslegung siehe EuGH 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 37, Slg. 2006, I-6467). Erfasst sind Einschränkungen, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen sind, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, sofern die körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen langfristig sind. Das schließt einen Zustand ein, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit die vorgenannten Einschränkungen mit sich bringt. Anderenfalls fällt eine Krankheit nicht unter den Begriff der Behinderung iSd. RL 2000/78/EG. Behinderung und Krankheit sind nach wie vor nicht gleichzusetzen (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 41 f., 47, 75).

60

cc) Damit haben sich die unionsrechtliche Konzeption und die des nationalen Rechts angenähert. Aus den unterschiedlichen Definitionen ergeben sich jedoch nach wie vor Unterschiede im Begriffsverständnis, die für die vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Erfassten teils günstiger, teils ungünstiger sind.

61

(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat den Begriff der Behinderung im Hinblick auf den Anwendungsbereich der RL 2000/78/EG auf Beeinträchtigungen der wirksamen Teilhabe am Berufsleben beschränkt (zur Kritik an dieser Beschränkung siehe Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 24 bis 27), während die Behindertenbegriffe des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der UN-BRK auf die gesellschaftliche Teilhabe abstellen. Darüber hinaus sind nach dem nationalen Verständnis bereits Abweichungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern, als langfristig anzusehen, während nach dem Verständnis des Unionsrechts die nationalen Gerichte im Einzelfall entscheiden müssen, wann eine Einschränkung „langfristig“ ist.

62

(2) Demgegenüber ist der nationale Behindertenbegriff zulasten der Behinderten enger als das supranationale Begriffsverständnis, soweit er eine Abweichung von dem für das Lebensalter typischen Zustand verlangt, alterstypische Einschränkungen also stets nicht als Behinderung ansieht (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 161 f.; Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 42). Darüber hinaus verlangt der nationale Behindertenbegriff, dass die Beeinträchtigung der Teilhabe bereits eingetreten ist, während es nach dem von der UN-BRK geleiteten unionsrechtlichen Behindertenbegriff bereits ausreicht, dass eine solche Beeinträchtigung eintreten kann.

63

dd) Der Behindertenbegriff des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist maßgeblich, soweit das nationale Recht von einem weiteren Behindertenbegriff als das supranationale Recht ausgeht. Im Übrigen ist der Behindertenbegriff des Unionsrechts zugrunde zu legen.

64

(1) Die RL 2000/78/EG stellt gemäß Art. 8 Abs. 1 nur Mindestanforderungen auf. Es bleibt daher den Mitgliedstaaten unbenommen, Regelungen einzuführen oder beizubehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die Vorschriften der Richtlinie sind. Davon hat die Bundesrepublik Deutschland im genannten Rahmen Gebrauch gemacht (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 161e, 165; Däubler/ Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 1 Rn. 75; aA KR/Treber 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 49; BeckOK ArbR/Roloff Stand 1. Dezember 2013 AGG § 1 Rn. 7). Der Gesetzgeber des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hat ausdrücklich auf den weitreichenden Behindertenbegriff in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und in § 3 BGG abgestellt. Ein gesetzgeberisches Versehen ist damit auszuschließen (gegen eine gespaltene Auslegung des Behindertenbegriffs gleichwohl Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 33).

65

(2) Soweit das nationale Recht hinter dem supranationalen Recht zurückbleibt, ist dagegen der Behindertenbegriff des Unionsrechts zugrunde zu legen (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 161f). Damit reicht es insbesondere aus, dass Beeinträchtigungen eintreten „können“.

66

ee) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt ein solches Begriffsverständnis nicht dazu, dass Ursache und Wirkung vertauscht würden, wenn der Umgang des Arbeitgebers mit einer Beeinträchtigung eine Behinderung zur Folge haben kann. Bei der Feststellung, ob eine Behinderung vorliegt, geht es gerade darum, objektive Barrieren zu erkennen, die sich nicht zuletzt im Verhalten des Arbeitgebers manifestieren können.

67

ff) Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass ein so verstandener Behindertenbegriff zu einer „Entgrenzung“ des Begriffs (siehe dazu Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 27, die darauf hinweisen, dass etwa 40 % der Bevölkerung in Deutschland an Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, Arthrose oder Rheuma leiden; zur Häufigkeit chronischer Krankheiten siehe auch Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 16) führen und dadurch der Schutz für „schwer“ Behinderte sinken kann. Sind alle oder jedenfalls die Mehrzahl der vergleichbaren Personen ebenfalls behindert, droht der Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (weitgehend) leer zu laufen (vgl. Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 67). Zumindest ist der Behindertenschutz dann kein Minderheitenschutz mehr, es kommt zu einer Majorisierung der „normal Gesunden“ durch die Behinderten.

68

(1) Eine solche mögliche Entgrenzung lässt sich jedoch dadurch einschränken, dass die Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Teilhabe und das Vorliegen einer Benachteiligung wegen dieser nicht pauschal, sondern für die betroffenen Gruppen behinderter Menschen konkret geprüft wird. So kann etwa ein an Diabetes mellitus erkrankter Arbeitnehmer, der „gut eingestellt“ ist, an der gesellschaftlichen Teilhabe so geringfügig beeinträchtigt sein, dass er als nicht behindert anzusehen ist, während ein „schlecht einzustellender“ Diabetiker behindert sein kann. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Personen mit gleichartigen Beeinträchtigungen in verschiedenen Kontexten unterschiedlich in ihrer Teilhabe beeinträchtigt sein können. Ob und welche Barrieren vorliegen, beeinflusst die Annahme einer Behinderung. Die ICF, an deren Definition sich der nationale Behindertenbegriff orientiert, klassifiziert individuelle Behinderungen und berücksichtigt dabei Umweltfaktoren sowohl auf der Ebene des Individuums als auch auf der der Gesellschaft (Welti DÖV 2013, 795, 797; vgl. auch ICF Stand Oktober 2005 Einführung S. 21 f. unter 4.3; Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 68). Wer ungeachtet bestehender Beeinträchtigungen die Möglichkeit hat, gleichberechtigt am Leben in der Gemeinschaft und im Beruf teilzuhaben, ist nicht behindert (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 159a, 164).

69

(2) Der Gefahr übermäßiger Belastung der Arbeitgeber durch einen solchen weiten Behindertenbegriff wird zudem dadurch entgegengewirkt, dass Behinderungen, die sich im Arbeitsverhältnis nicht auswirken, idR weder zu Benachteiligungen noch zu Diskriminierungen von Arbeitnehmern wegen einer Behinderung führen können. Dabei wird allerdings vielfach erst auf der Ebene der angemessenen Vorkehrungen entschieden werden können, ob und wie sich eine Behinderung im Arbeitsleben auswirkt. Dessen ungeachtet hat die Feststellung der Behinderung der Beurteilung, welche Vorkehrungen dem Arbeitgeber im konkreten Fall zumutbar sind, vorauszugehen. Sie sind Folge und nicht Tatbestandsmerkmal einer Behinderung (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 45 f.).

70

b) Der Kläger ist aufgrund seiner symptomlosen HIV-Infektion chronisch erkrankt. Diese Beeinträchtigung wirkt sich auf seine Teilhabe sowohl im Leben in der Gemeinschaft als auch in seinem Berufsfeld aus. Er ist deshalb behindert iSd. § 1 AGG. Das gilt so lange, wie das gegenwärtig auf eine solche Infektion zurückzuführende soziale Vermeidungsverhalten und die darauf beruhenden Stigmatisierungen andauern (ebenso Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 72 f., 77 f.; Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 43; aA nur bei Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis: Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 1 Rn. 135; v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 164; nur unter Berücksichtigung künftiger Beeinträchtigungen: Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 54; auf den Einzelfall abstellend: Antwort der Bundesregierung BT-Drucks. 17/7283 S. 4 f.).

71

aa) Die HIV-Infektion ist unheilbar. Sie hat eine Verminderung der zellulären Immunität und damit einen Immundefekt zur Folge (Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 265. Aufl. Stichwort: HIV-Erkrankung). Diese Abweichung vom allgemein anerkannten Standard des biomedizinischen Zustands (vgl. zu dieser Definition die ICF Stand Oktober 2005 Einführung S. 18 unter 4.1 Ziff. 5) führt zu einer Beeinträchtigung der Funktion des Körpers iSd. Behindertenbegriffs des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

72

bb) Auf den Grund der Behinderung oder ihre Art kommt es nicht an. Auch chronische Krankheiten werden vom Begriffsverständnis der Behinderung iSd. § 1 AGG erfasst. Das setzt allerdings voraus, dass die erforderliche Beeinträchtigung der Teilhabe vorliegt (BT-Drucks. 14/5074 S. 98; v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 164b). Eine chronische Erkrankung, die solche Beeinträchtigungen nicht mit sich bringen kann, führt nicht zu einer Behinderung iSd. § 1 AGG(vgl. für die RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 42).

73

cc) Der Kläger wird durch seine HIV-Infektion im erforderlichen Maß an der Teilhabe am Leben beeinträchtigt. Unerheblich ist dabei, dass seine Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist. Es genügt, dass er in interpersonellen Beziehungen und bei der Arbeit Stigmatisierungen ausgesetzt sein kann (vgl. ausdrücklich für eine HIV-Infektion ICF Stand Oktober 2005 Einführung S. 24 unter 5.1; vgl. auch Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 43). Diese Vorurteile und Stigmatisierungen seiner Umwelt machen ihn zu einem Behinderten iSv. § 1 AGG.

74

(1) Die gesellschaftliche Teilhabe auch von symptomlos HIV-Infizierten wird nach wie vor typischerweise durch zahlreiche Stigmatisierungen (zum Begriff des Stigmas Stürmer/Salewski in Beelmann/Jonas Diskriminierung und Toleranz S. 263, 267 f.; vgl. auch Empfehlung 200 der ILO vom 17. Juni 2010 unter I Ziff. 1 Buchst. d) und soziales Vermeidungsverhalten beeinträchtigt, die auf die Furcht vor einer Infektion zurückzuführen sind, auch wenn die Ausgrenzung in Westeuropa im Rückgang begriffen ist (Stürmer/Salewski aaO S. 264 f., 273; vgl. auch EGMR 3. Oktober 2013 - 552/10 - Rn. 79 ff.; EGMR 10. März 2011 - 2700/10 - [Kiyutin/Russland] Rn. 64). Insbesondere soll HIV-Infizierten signifikant häufig ärztliche Behandlung verweigert werden (Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 27), ebenso soll es zu Nachteilen bei Abschlüssen von Versicherungen, speziell Krankenversicherungen, kommen (Stürmer/Salewski aaO S. 273; Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 25). Darüber hinaus soll Vermeidungsverhalten zu beobachten sein, das sich nicht immer sogleich als Ausgrenzung und Diskriminierung erkennen lässt, zB in Form von Diskrepanzen zwischen verbalem und nonverbalem Verhalten (Stürmer/Salewski aaO S. 272 f.). Auch solche Stigmatisierungen und Vorurteile sind benachteiligende gesellschaftliche Kontextfaktoren (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 37 f.; Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 70). Diskriminierung ist letztlich der Endpunkt von Stigmatisierung (vgl. Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 35). Diese nach wie vor fest verwurzelten Vorurteile gegen HIV-Infizierte haben dazu geführt, dass in den Mitgliedstaaten des Europarats eine klare Gesamttendenz erkennbar ist, HIV-Infizierte, wenn nicht durch spezielle Vorschriften, so doch durch die jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften, die Schutz vor Diskriminierung etwa wegen Behinderung bieten, vor Ungleichbehandlungen am Arbeitsplatz, insbesondere vor diskriminierenden Kündigungen, zu schützen (EGMR 3. Oktober 2013 - 552/10 - Rn. 39, 82 f. unter Hinweis auf eine in dreißig Mitgliedstaaten des Europarats durchgeführte Vergleichsstudie). Auch die Empfehlung 200 der ILO vom 17. Juni 2010 sieht unter III. Ziff. 3 Buchst. c sowie unter IV. Ziff. 9 bis Ziff. 11 den Schutz vor Diskriminierungen und Kündigungen wegen einer HIV-Infektion vor und strebt unter IV. Ziff. 13 an, dass HIV-Infizierte ihre Arbeit ggf. mit angemessenen Vorkehrungen fortsetzen können.

75

(2) Auch im konkreten Fall des Klägers liegen derartige Stigmatisierungen, die HIV-Infizierte erfahren und/oder befürchten, vor. Dies wird eindrücklich dadurch belegt, dass der Kläger über seinen Beistand mitgeteilt hat, er nehme zwar an der mündlichen Verhandlung vor dem Senat teil, halte sich aber unter den Zuhörern auf, um seine Anonymität zu wahren. Außerdem hat er laut einem bereits während des Instanzenzugs erfolgten Pressebericht (faz.net vom 10. Januar 2012) erklärt, er habe sich entschieden, „im Job“ seine Infektion nicht mehr zu erwähnen. Er arbeite seit Mai (2011) wieder in einer „Medizin-Firma“, auch im Reinraum. Er verweigere Tests und Fragebögen. Gerade diese Reaktion des Klägers, künftig seine HIV-Infektion im Berufsleben zu verschweigen, leistet wiederum Vorurteilen gegenüber HIV-Infizierten Vorschub. So kommt es zu einem sich gegenseitig hochschaukelnden Wechselspiel von Reaktion und Gegenreaktion. Die gegenwärtig noch andauernde Stigmatisierung wird auch dadurch bestätigt, dass die Beklagte ausdrücklich geltend macht, die Beschäftigung des Klägers führe zu einer Rufschädigung.

76

(3) Darüber hinaus liegt im konkreten Fall des Klägers auch eine Beeinträchtigung im Berufsleben vor, wie der vorliegende Rechtsstreit deutlich macht. Die Beklagte spricht dem Kläger unter Berufung auf das für sie geltende Regelwerk von vornherein die Eignung für den vertraglich geschuldeten Einsatz im Reinraum ab. Dem Kläger als chemisch-technischen Assistenten ist dadurch der Zugang zu einem nicht unerheblichen Teil seines Berufsfeldes verwehrt. Das räumt letztlich auch die Beklagte ein, wenn sie annimmt, der Kläger könne seinen Beruf weiterhin ausüben. Ihm sei lediglich ein Einsatz in der aseptischen Medikamentenherstellung versagt.

77

2. Die SOP der Beklagten entbindet diese - anders als sie meint und unterschwellig auch das Landesarbeitsgericht annimmt - nicht von der Pflicht, im zumutbaren Rahmen angemessene Vorkehrungen zur Beschäftigung des behinderten Klägers im Reinraum zu treffen. Entgegen der Annahme der Beklagten steht bisher nicht fest, dass die HIV-Infektion des Klägers mit diesem Regelwerk nicht im Einklang steht bzw. nicht zumindest damit in Einklang zu bringen ist.

78

a) Allerdings ist nach dem EG-GMP Leitfaden, auf den Ziff. 5 der SOP verweist, ein System der Qualitätssicherung erforderlich, das der Erreichung des Ziels dient, Patienten keiner Gefahr wegen unzureichender Sicherheit, Qualität oder Wirksamkeit auszusetzen (Kapitel 1 Qualitätsmanagement - Grundsätze). Dieses Sicherungssystem soll sicherstellen, dass Herstellungs- und Prüfverfahren klar spezifiziert sind und die Regeln der Guten Herstellungspraxis beinhalten (Ziff. 1.2 Satz 4 Unterabs. ii des EG-GMP Leitfadens). Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens verlangt, dass Vorkehrungen getroffen werden „sollten“, die, soweit es praktisch möglich ist, sicherstellen, dass in der Arzneimittelherstellung niemand beschäftigt wird, der an einer ansteckenden Krankheit leidet oder offene Verletzungen an unbedeckten Körperstellen aufweist. Diese Vorschrift zwingt - anders als die Beklagte annimmt - den Arzneimittelhersteller nicht dazu, HIV-Infizierte ungeachtet der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der konkreten Produktionsbedingungen und Tätigkeiten des HIV-Infizierten, von einer Tätigkeit im Reinraum auszuschließen. Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens führt die HIV-Infektion nicht als Tatbestand, der eine Tätigkeit im Reinraum absolut und in jedem Fall ausschließt, auf, sondern enthält lediglich eine Generalklausel, die einem HIV-Infizierten den Einsatz im Reinraum abhängig von den Umständen des Einzelfalls verwehrt.

79

aa) Auch wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens als Mussvorschrift zu verstehen ist, ist dieser im Rang einer Verordnung stehende Leitfaden unionsrechtskonform, dh. im Hinblick auf § 241 Abs. 2 BGB gesetzeskonform zu interpretieren. Gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/94/EG der Kommission vom 8. Oktober 2003 zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate (RL 2003/94/EG) dient der EG-GMP Leitfaden der Auslegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis. Art. 7 Abs. 5 RL 2003/94/EG, den Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens auslegt, verlangt nur, dass Hygieneprogramme, die den durchzuführenden Tätigkeiten angepasst sind und insbesondere Vorschriften zur Gesundheit des Personals enthalten, erstellt und befolgt werden. Bei Beachtung dieses Anwendungsbefehls, der ausdrücklich auf die durchzuführende und damit konkrete Tätigkeit abstellt, fordert Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens im hier vorliegenden Zusammenhang nur, dass Vorkehrungen zu treffen sind, die - soweit praktisch möglich - sicherstellen, dass die Beschäftigten nicht an einer ansteckenden Krankheit leiden, deren Ansteckungsgefahr sich auf die konkrete Tätigkeit auswirkt. Nur dann, wenn bezogen auf die konkrete Tätigkeit eine Ansteckungs- bzw. Kontaminationsgefahr besteht, soll also eine Tätigkeit des Erkrankten unterbunden werden.

80

bb) In dieser Auslegung meinen Art. 5 RL 2000/78/EG und Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens bezogen auf den vorliegenden Fall letztlich dasselbe: Der Arbeitgeber muss bei einem Behinderten, der an einer ansteckenden Krankheit leidet, die ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen, um einerseits dem Behinderten eine (leidensgerechte) Tätigkeit zu ermöglichen, andererseits aber Ansteckungsgefahren für Kollegen oder Dritte, insbesondere die Empfänger der erzeugten Arzneimittel, mit der erforderlichen Sicherheit verhindern zu können.

81

b) Damit wird von der Beklagten nicht verlangt, sehenden Auges ein messbares, ernsthaftes Risiko einzugehen, mit HI-Viren kontaminierte Präparate in den Verkehr zu bringen und sich damit erheblichen, uU die Existenz des Betriebs gefährdenden Schadensersatzrisiken auszusetzen. Deshalb ist auch ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit nicht in Frage gestellt. Dementsprechend räumt der Kläger ausdrücklich ein, dass sein Einsatz im Reinraum ausgeschlossen sein dürfte, wenn eine Übertragungswahrscheinlichkeit bestehe. Bisher ist aber - und das rügt die Revision mit Recht - weder vorgetragen, geschweige denn festgestellt, dass es überhaupt ein messbares Risiko einer Kontamination gibt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz will gerade solchen, aus bloß diffusen Befürchtungen und der Weigerung des Arbeitgebers, die konkreten Risiken zu ermitteln und mögliche Änderungen der Arbeitsabläufe auch nur in Erwägung zu ziehen, resultierenden Benachteiligungen entgegenwirken. Der Arbeitgeber darf sich, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, gerade nicht darauf beschränken, ohne konkrete Prüfung der Umstände und Risiken den „sicheren Weg“ zu wählen.

82

3. Der Umstand, dass es unstreitig und vom Landesarbeitsgericht festgestellt ist, dass keine anderweitige Einsatzmöglichkeit des Klägers außerhalb des Reinraums bestand, entbindet die Beklagte nicht von der Darlegung, inwieweit keine angemessenen Vorkehrungen getroffen werden konnten, die dem Kläger einen Einsatz auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz im Reinraum ermöglicht hätten.

83

IV. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Ob die Klage begründet ist, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat die zur Beurteilung der Wirksamkeit der Wartezeitkündigung erforderlichen Feststellungen nicht getroffen. Dies wird es unter Beachtung nachstehender Erwägungen nachzuholen haben.

84

1. Die Beklagte hat zu ihren Produkten, den Produktionsbedingungen und der Tätigkeit des Klägers im Reinraum bisher nicht hinreichend konkret vorgetragen. Sie beruft sich im Kern darauf, dass ihr ein noch so geringes Risiko nicht zuzumuten sei, ohne vorzutragen, ob überhaupt ein messbares Risiko bestand, dass es durch den Kläger zu einer Verunreinigung der Produkte der Beklagten mit HI-Viren kommt. Es fehlt somit bereits am erforderlichen Ausgangspunkt für die Prüfung, ob und welche angemessene(n) Vorkehrungen ihr zumutbar sind.

85

a) Die Beklagte hat bisher lediglich vorgetragen, sie produziere radioaktive Medikamente für Krebspatienten, die intravenös verabreicht würden. Aus der von ihr vorgelegten Herstellungserlaubnis ergibt sich, dass es sich dabei um Arzneimittel für die Positronen-Emissions-Tomographie mit zwei verschiedenen Wirkstoffen handelt. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, ihre Produkte seien nur zehn Stunden wirksam, so dass eine Überprüfung auf eine mikrobielle oder virale Verunreinigung vor der Anwendung unmöglich sei. Sie fertige im Rahmen einer sog. „aseptischen Herstellung“ und müsse deshalb mit sterilen Materialien arbeiten. Die Produktion des Medikaments, von dem sie mehr als 6,5 Millionen Einheiten im Jahr herstelle, erfordere die Arbeit mit angeschliffenen Hohlkanülen, Glasfläschchen und Aluminiumdeckeln, so dass Schnitt- und Stichverletzungen möglich seien, wobei es denkbar sei, dass diese nicht sofort bemerkt würden. Verletzungen der Arbeitnehmer und Verunreinigungen der Medikamente mit Blut seien möglich.

86

b) Zur Tätigkeit des Klägers hat die Beklagte nur vorgetragen, dass er Gefäße, in die das Medikament abgefüllt wird, sowie Produktionskassetten vorzubereiten hatte, die mit sterilen Gläschen mittels Spritzen befüllt und mittels nadelartiger Spikes entlüftet werden.

87

2. Das Landesarbeitsgericht wird vor seiner erneuten Entscheidung der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, diesen Vortrag zu substantiieren und insbesondere zur Möglichkeit, angemessene Vorkehrungen hinsichtlich des Einsatzes des Klägers im Reinraum zu treffen, vorzutragen.

88

a) Die Beklagte stellt in ihrem Vortrag bisher ausschließlich auf das Risiko ab, Patienten, denen von ihr produzierte Medikamente injiziert werden, könnten sich mit HI-Viren infizieren. Aus dem bisherigen Vortrag ergibt sich jedoch nicht, welche Maßnahmen die Beklagte trifft, wenn es zu den von ihr angesprochenen blutenden Schnitt- oder Stichverletzungen kommt. Eine aseptische Herstellung erscheint in diesen Fällen - unabhängig davon, ob der betroffene Arbeitnehmer an einer ansteckenden Krankheit, insbesondere HIV, leidet - ausgeschlossen. Die fraglichen Medikamente dürften zu vernichten sein.

89

b) Erforderlich ist konkreter Vortrag dazu, inwieweit bei blutenden Verletzungen - insbesondere bei den von der Beklagten angesprochenen geringfügigen Verletzungen - oder auf andere Weise konkret und messbar das Risiko besteht, dass es zu (nicht entdeckbaren) Kontaminationen der hergestellten Medikamente kommen kann, und zusätzlich das Risiko besteht, dass ein solchermaßen verunreinigtes Medikament zu einer HIV-Infektion von Patienten führen kann, denen das Medikament injiziert wird. Dabei wird auch darzulegen sein, welches Risiko besteht, dass es überhaupt zu den von der Beklagten genannten (schwach) blutenden Verletzungen kommt, ob und wie dieses Risiko - etwa durch das Tragen von Spezialhandschuhen - ausgeschlossen werden kann, ob es bei bestimmten Tätigkeiten im Reinraum höher ist als bei anderen und - falls ja - ob der Kläger mit anderen als solchen besonders risikobehafteten Tätigkeiten im Reinraum beschäftigt werden konnte.

90

3. Nach Maßgabe des ergänzten Vortrags der Beklagten wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch wirksame und praktikable, die Beklagte nicht unverhältnismäßig belastende Maßnahmen, den Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können. Nur wenn das nicht der Fall war, ist die Kündigung wirksam. Bei dieser Prüfung wird es sich die zum Verständnis des Parteivorbringens erforderliche Sachkunde - ggf. auch über den Sachvortrag hinaus (vgl. BGH 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93 - zu II 3 c der Gründe) - durch ein im Rahmen des Ermessens nach § 144 ZPO anzuordnendes Sachverständigengutachten verschaffen müssen. Sollte es bei seiner Entscheidung auf die Zumutbarkeit der Kosten der von der Beklagten zu veranlassenden Maßnahmen ankommen, wird es neben der Finanzkraft der Beklagten und der Frage, ob sie öffentliche Mittel in Anspruch hätte nehmen können, zu berücksichtigen haben, dass der Kläger erst kurz bei der Beklagten beschäftigt war und diese für seine Behinderung nicht verantwortlich ist. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verlangt nicht, dass die Einstellung und Beschäftigung eines Behinderten für den Arbeitgeber zum „Zuschussgeschäft“ wird (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 59 f.; zur Berücksichtigungsfähigkeit der Kosten bei der Frage der angemessenen Vorkehrungen allgemein vgl. Däubler/ Bertzbach/Brors AGG 3. Aufl. § 8 Rn. 34). Das gilt insbesondere in der Wartezeit.

91

V. Ob dem Kläger eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht, hängt davon ab, ob die Kündigung wirksam ist.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Reiner Koch    

        

    Hoffmann    

                 

(1) Zu besetzende Stellen sind auszuschreiben. Bei der Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern muss die Ausschreibung öffentlich sein. Ausnahmen von den Sätzen 1 und 2 kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung regeln.

(2) Die Art der Ausschreibung regelt die oberste Dienstbehörde nach Maßgabe des § 6 des Bundesgleichstellungsgesetzes. Sie kann diese Befugnis auf unmittelbar nachgeordnete Behörden übertragen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.