Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 06. Jan. 2014 - 9 E 2814/13

bei uns veröffentlicht am06.01.2014

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage (9 K 299/13) gegen die Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 und des ersten Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 wird insoweit angeordnet, als die Baugenehmigung der Beigeladenen erlaubt, das Einrichtungshaus werktags nach 19.30 Uhr für den Kundenverkehr zu öffnen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 3/4 und die Antragsgegnerin zu 1/4 mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert wird auf 20.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines innerstädtischen Einrichtungshauses.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Wohnanlage mit 214 Wohnungen auf den Flurstücken 1, 2, 3 und 4 der Gemarkung Altona-Südwest (A-Weg 1, 3, 5, 7, 9, 11, B-Weg 12, 14, 16, 18, 20, 22). Die Beigeladene beabsichtigt, auf dem Flurstück 5 derselben Gemarkung (C-Weg 164 – 178, A-Weg 6 – 10) ein innerstädtisches Einrichtungshaus zu errichten. Alle Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 vom 14. Mai 1971 (HmbGVBl. S. 103). Dieser setzt für das Grundstück der Beigeladenen eine Kerngebietsnutzung in geschlossener Bauweise (MK g), Baugrenzen und Arkaden bzw. Auskragungen mit der Angabe lichter Höhen fest. Die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse ist für einzelne Gebäudeteile unterschiedlich und liegt bei drei bis sechs. Die Grundstücke der Antragstellerin sind als allgemeines Wohngebiet mit geschlossener Bauweise (WA g) und ebenfalls mit Baugrenzen festgesetzt. Die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse variiert zwischen drei und sieben. Für das Grundstück der Beigeladenen gilt auch der Bebauungsplan Altona-Altstadt 40 vom 2. Oktober 1990 (HmbGVBl. S. 217), der für seinen Geltungsbereich Spielhallen und ähnliche Unternehmen ausschließt.

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Auf einen Antrag vom 8. Juli 2009 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen am 14. Juli 2010 einen Vorbescheid, mit dem das geplante Vorhaben unter den im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen grundsätzlich für zulassungsfähig erklärt wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Vorbescheid verwiesen.

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Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Die im Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 enthaltenen Baukörperausweisungen in Form von Baugrenzen, der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse und der Festsetzung lichter Höhen würden erkennbar dem Schutz der südlich an das geplante Vorhaben der Beigeladenen angrenzenden Wohnbebauung der Antragstellerin dienen. Mit diesen Festsetzungen habe der Plangeber die angrenzende Wohnbebauung vor unzumutbaren Immissionen aufgrund der bestehenden Gemengelage schützen wollen. Der Verzicht auf die im Bebauungsplan festgesetzten 5 m tiefen Auskragungen/Arkaden, aber auch die Überschreitung der Baugrenze nach Süden um 7,54 m bzw. in Teilbereichen bis maximal 16,50 m würden die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen. Gleiches gelte für das Überschreiten der Zahl der Vollgeschosse um bis zu zwei. Die in diesem Zusammenhang erteilte Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB rechtfertige die Überschreitung nicht. Wie sich aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim ergebe, könne die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse auch dann nachbarschützend sein, wenn sich aus der Begründung des Bebauungsplans hierzu nichts ergebe (VGH Mannheim, Beschl. v. 8.3.1988, 8 S 1021/88). Bei den Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB seien die Nachbarinteressen der Antragstellerin vollkommen außer Acht gelassen worden.

5

Darüber hinaus verstoße das geplante Bauvorhaben gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme. Die geplante Ansiedlung des innerstädtischen Einrichtungshauses löse beachtliche bodenrechtliche Spannungen zur angrenzenden Wohnbebauung aus. Die entstehende Gemengelage sei in einem Bebauungsplanverfahren unter Beachtung aller öffentlichen und privaten Belange zu lösen. Dies gelte zum einen für die zu erwartenden Lärm- und Luftimmissionen aber auch für die zu erwartenden Verkehrsströme durch Kunden und den Anlieferverkehr. Bereits im Vorbescheid habe die Antragsgegnerin festgestellt, dass die Zwischenergebnisse der schallschutztechnischen Untersuchung nicht nachvollziehbar seien und Angaben zur Fläche und Höhe der einzelnen Parkdecks, zu den pro Parkdeck zu erwartenden Schallleistungspegeln, zu den ermittelten äquivalenten Absorptionsflächen sowie zu Teilbeurteilungspegeln u.a. der Lkw-Anlieferungen sowie des offenen und teilweise geschlossenen Parkdecks fehlen würden.

6

Mit Bescheid vom 14. März 2011 wies die Antragsgegnerin diesen Widerspruch zurück. Den Festsetzungen zu den Baugrenzen und zur Anzahl der Vollgeschosse komme nachbarschützende Wirkung nur dann zu, wenn sich aus dem Inhalt des Bebauungsplans besondere Hinweise dafür ergeben würden. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim habe durch Beschluss vom 1. Februar 1993 (8 S 2796/92) seine diesbezügliche Auffassung geändert. Hinweise für eine vom Bebauungsplangeber gewollte nachbarschützende Wirkung seien nicht ersichtlich. Dasselbe gelte für die im Bebauungsplan vorgesehenen Auskragungen am Baukörper nördlich des A-Weges sowie die in diesen Bereichen festgesetzten lichten Höhen.

7

Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Die erforderlichen Abstandsflächen würden eingehalten. Darüber hinaus befinde sich das genehmigte Vorhaben im Norden der Wohnanlage der Antragstellerin. Außerdem lägen neben dem geplanten Vorhaben die Bestandsbauten des „Neuen Forums“, deren Höhe die Höhe des geplanten Gebäudes deutlich überschreite. Schließlich sei in Bezug auf die Belichtung, Besonnung oder Belüftung zu berücksichtigen, dass sich die Wohnanlage in einem eng bebauten innerstädtischen Bereich befinde. Das geplante Einrichtungshaus stehe auch nicht in einem Missverhältnis zur Nachbarbebauung. Innerhalb der für das Vorhaben gewählten Fläche lasse der Bebauungsplan eine bis zu sechsgeschossige Bebauung zu. Unmittelbar angrenzend sei bereits eine bis zu zehnstöckige Bebauung zulässig. An der östlichen Grenze des Kerngebiets dürften sogar Gebäude mit bis zu 16 Vollgeschossen errichtet werden. Auch in dem als allgemeines Wohngebiet ausgewiesenen Bereich, in dem die Gebäude der Antragstellerin lägen, sei eine bis zu achtstöckige Bebauung zulässig. Hinsichtlich des Immissionsschutzes enthalte der Vorbescheid keine der Beigeladenen günstige abschließende Feststellung, welche die Rechte der Antragstellerin beeinträchtigen könnte.

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Hiergegen erhob die Antragstellerin im März 2011 Klage (9 K 754/11). Von September 2011 bis Juli 2013 betrieben die Beteiligten dieses Klageverfahren nicht weiter.

9

Auf Antrag vom 12. Juli 2011 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen am 17. Februar 2012 eine Baugenehmigung im Verfahren nach § 62 HBauO. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Genehmigung verwiesen. Dieser Bescheid wurde der Antragstellerin nicht bekannt gegeben. Nachdem sie von seinem Erlass erfahren hatte, legte sie am 22. März 2012 Widerspruch ein, den sie nicht weiter begründete.

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Am 30. Januar 2013 erhob die Antragstellerin Untätigkeitsklage gegen die Baugenehmigung. Sie trug ergänzend vor, dass aus den Bauantragsunterlagen für den vierten Ergänzungsbescheid hervorgehe, dass die Beigeladene aus Kostenersparnisgründen weitere bauliche Änderungen zu Lasten der Antragstellerin ausführen wolle. So solle die Zufahrtsrampe zu den Parkdecks nun kein Dach mehr erhalten, was zu Lärm- und Geruchsemissionen führen werde. Dem Vorhaben der Beigeladenen komme aufgrund seiner Größe erdrückende Wirkung zu, die durch riesige Glasfenster in Richtung der Wohnungen der Antragstellerin und durch ein großes Logo mit einer entsprechenden Leuchtschrift verstärkt werde. Das eingeholte Verkehrsgutachten sei unzulänglich. Es gehe von fehlerhaften Grundannahmen aus. So werde davon ausgegangen, dass lediglich 50 % der Kunden des Einrichtungshauses mit einem Pkw anfahren würden. Dies sei nicht zu erwarten, da die Beigeladene für „Selbstabholung“ und „Selbstaufbau“ stehe. Ein Heimtransport der gekauften Möbel mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht realistisch.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2013 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Bisher habe es fünf Ergänzungsbescheide zur Baugenehmigung hinsichtlich der Fragen Standsicherheit und Lüftungsanlagen gegeben. In keinem dieser Bescheide werde eine von der Baugenehmigung abweichende Ausführung des Bauvorhabens zugelassen. Die Baugrenze nach Süden zu den Gebäuden der Antragstellerin hin werde nur im Bereich der 4,50 m hohen Einhausung der Einfahrt zum Rampenbauwerk um maximal 12 m überschritten. Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Eine Abweichung von den notwendigen Abstandsflächen sei auch im Baugenehmigungsverfahren nicht erteilt worden. Eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Lärm- und Lichtimmissionen habe die Antragstellerin bisher nicht substantiiert vorgetragen. Die immissionsschutzrechtlichen Belange würden in der Baugenehmigung (Anlage 7, ab S. 48) ausführlich gewürdigt. Hinsichtlich der Lichtimmissionen liege noch keine abschließende Entscheidung der Antragsgegnerin vor (Nr. 10.3. der Baugenehmigung, S. 8). Auf die Aussagekraft der Verkehrsuntersuchungen komme es nicht an, da diese keine Aussagen zur Lärm- oder Schadstoffbelastungen treffen würden. Das Gutachten „Prognose der Luftschadstoffbelastung 2013 bei Realisierung des Bauvorhabens ‚…Einrichtungshaus Hamburg-Altona‘“ vom 19. Oktober 2011 komme zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Modellrechnungen nicht damit zu rechnen sei, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) und die beiden Feinstaubfraktionen PM10 und PM2,5 innerhalb von nutzungssensiblen Bereichen überschritten würden.

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Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage vom 29. April 2013 (9 K 1749/13) nahm die Antragstellerin nach gerichtlichem Hinweis zurück und führte die ursprüngliche Untätigkeitsklage (9 K 299/13) als Anfechtungsklage unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheids fort.

13

Am 16. Juli 2013 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Sie führt ergänzend aus, dass sich aus der Begründung zum Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 ergebe, dass das im Bebauungsplan festgesetzte Maß der baulichen Nutzung von maximal drei bis fünf Vollgeschossen unmittelbar nördlich des A-Wegs zum Schutz der Wohnanlage der Antragstellerin bestimmt worden sei, um dort gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu gewährleisten. Der Bebauungsplan habe die damals geltenden Höchstwerte des Maßes der baulichen Nutzung deutlich überschritten. Der Plangeber habe die Überschreitung damit begründet, dass sie durch Maßnahmen ausgeglichen werde, durch die sichergestellt werde, dass die allgemeinen Voraussetzungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gegeben seien und den Anforderungen des Verkehrs Rechnung getragen werde. In dem Geltungsbereich des Bebauungsplans sei aber nur das Gebiet, in dem sich die Wohnanlage der Antragstellerin befinde, als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Daher sei offenkundig, dass der Plangeber gerade auf diesen Wohngrundstücken für gesunde Wohnverhältnisse habe sorgen wollen. Dem Plangeber sei demnach bewusst gewesen, dass angesichts der Gemengelage von allgemeinem Wohngebiet auf der südlichen Seite des A-Wegs und Kerngebiet auf der anderen Straßenseite ein Ausgleich für die deutlichen Überschreitungen des Maßes der baulichen Nutzung auf dem Grundstück der Beigeladenen erfolgen müsse. Nur so sei es im Rahmen der Abwägung planungsrechtlich vertretbar gewesen, von den Höchstwerten des § 17 BauNVO 1968 abzuweichen. Dieser Hintergrund lasse sich durch die Unterlagen zum städtebaulichen Wettbewerb, der die Grundlage des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 gebildet habe, beleuchten. Durch das jetzt genehmigte Einrichtungshaus würden die vom Plangeber vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen aufgehoben und rückgängig gemacht. Zugleich würden die zulässigen Höchstwerte des Maßes der baulichen Nutzung noch einmal deutlich überschritten, insbesondere hinsichtlich der zusätzlichen Vollgeschosse und der Überschreitung der Baugrenzen. Die insoweit erteilten umfangreichen Befreiungen seien rechtswidrig, weil die Grundzüge der Planung nicht nur erheblich berührt, sondern verletzt würden. Es werde rechtswidriger Planersatz durch Befreiung betrieben. Ein neuer Bebauungsplan sei auch aufgrund der Wertung des § 11 Abs. 3 BauNVO erforderlich. Die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs in der durch die Beigeladene geplanten Dimension löse stets ein städtebauliches Planungsbedürfnis aus. Dies gelte umso mehr, wenn der Betrieb unmittelbar an ein Wohngebiet grenze. Ein Einrichtungshaus mit einer Verkaufsfläche von 17561,97 m² und einem Restaurant für 700 Personen dürfe nicht neben 214 Wohnungen errichtet werden. Hinsichtlich der Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauNVO sei auch zu berücksichtigen, dass bei einer Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans zumindest ein subjektiv-öffentliches Recht auf Würdigung der nachbarlichen Interessen bestehe (OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, 2 Bs 165/12, juris). Dieser Anspruch der Antragstellerin sei verletzt.

14

Darüber hinaus würden die notwendigen Abstandsflächen nicht eingehalten. Zweifelhaft sei bereits, dass die Abstandsflächen mit 0,4 H und nicht nach der bei Beschlussfassung über den Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 geltenden Abstandsvorschrift von 0,5 H berechnet und genehmigt worden sei. Davon unabhängig sei aus dem Abstandsflächenplan zu erkennen, dass die Beigeladene das Maß von 0,4 H zunächst von der Geländeoberfläche bis zu einer Brüstung auf der ersten Parkgeschossebene berechnet habe. Nach § 6 Abs. 4 HBauO sei aber die Höhe von Dächern der Wandhöhe hinzuzurechnen. Grundsätzlich sei für die Bemessung der Abstandsfläche der Schnittpunkt der Außenwand mit der Dachhaut entscheidend. Einen solchen Schnittpunkt gebe es aber in der Planung der Beigeladenen nicht. Vielmehr habe die Beigeladene das Schrägdach zurückversetzt, d.h. von der Wohnanlage der Antragstellerin „weggeschoben“. Tatsächlich hätte die Abstandsfläche von 1/3 des Schrägdaches aber dem Maß von 0,4 H ohne Berücksichtigung des Rücksprungs hinzugerechnet werden müssen. Durch Einbau eines Rücksprungs des Schrägdachs werde nämlich die Abstandsflächenregelung des § 6 HBauO umgangen. Bei korrekter Berechnung würde die notwendige Abstandsfläche nicht eingehalten. Des Weiteren liege ein Verstoß gegen § 6 Abs. 6 HBauO vor. Gemäß dieser Vorschrift würden Vorbauten bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben, wenn sie insgesamt nicht mehr als 1/3 der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen würden. Das Brüstungsgeländer der Parkebenen müsse bei der Berechnung der Abstandsflächen berücksichtigt werden, was nicht geschehen sei.

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Die Größenverhältnisse gemäß der genehmigten Schnitte würden außerdem zeigen, dass das Einrichtungshaus insbesondere an der engsten Stelle des A-Wegs die Wohnungen der Antragstellerin auf unzumutbare Weise verdunkle und eine abriegelnde, erdrückende Wirkung besitze. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die lichte Höhe eines Vollgeschosses im Gebäude der Beigeladenen die Vollgeschosshöhe in den Gebäuden der Antragstellerin deutlich überschreiten werde.

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Des Weiteren seien die Emissionen bei Betrieb des Vorhabens der Beigeladenen unzumutbar. Die Lärm- und Schadstoffbelastungen für die Mieter der Wohnanlage A-Weg würden durch die Zu- und Abfahrten zu den 713 Stellplätzen auf vier Parkgeschossebenen unzumutbar erhöht. Zusätzlich erfolge über den A-Weg die Anlieferung der Möbel und der Fahrzeugverkehr der „Möbeltaxis“. Die prognostizierten 8300 Fahrzeugbewegungen an allen Freitagen und Samstagen sowie bei Sonderveranstaltungen seien unzumutbar. Midnight- und Sonntagsshopping sowie sonstige Sonderveranstaltungen würden weitere Konfliktsituationen herbeiführen. Hinsichtlich der Verkehrsuntersuchungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sei zu berücksichtigen, dass der durch das „Forum Altona“ hervorgerufene Verkehr außer Betracht gelassen worden sei, ebenso wie der Verkehr, der durch die 214 Wohnungen der Antragstellerin selbst entstehe. Bezüglich der Verkehrsbelastung sei auch zu berücksichtigen, dass die Ziffer 15.2. der Baugenehmigung die Alternativen zur Pkw-Nutzung konterkariere. Dort sei vorgesehen, dass von den 404 notwendigen Fahrradplätzen 204 nicht auf dem Grundstück der Beigeladenen oder einem Grundstück in der Nähe hergestellt werden könnten, so dass insoweit Ausgleichsbeträge zu zahlen seien. Die von der Beigeladenen mit der Bauvoranfrage vorgelegten schalltechnischen Untersuchungen seien unvollständig. Im Vorbescheid sei daher gefordert worden, die Begutachtung zu vervollständigen. Dem seien die Antragsgegnerin bzw. Beigeladene allerdings nicht nachgekommen. Es gebe lediglich eine nachgelieferte Stellungnahme der Firma LK vom 18. August 2009 in den Akten, die sich jedoch auf die Untersuchungen der Stausituationen beschränke. Eine Messung der Immissionen nach Fertigstellung sei unzureichend. Vielmehr seien die Immissionen anhand vollständiger, plausibler Gutachten zu prognostizieren. Auch bezüglich der Luftschadstoffbelastung fehle eine qualifizierte Schadstoffprognose, obwohl bereits in Ziffer 6 des Vorbescheids angekündigt worden sei, dass im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens eine qualifizierte Schadstoffprognose vorzunehmen sei. Dass die Anlage 7 zum Baugenehmigungsbescheid mit keinem Wort auf die Luftschadstoffbelastung eingehe, sei rechtswidrig. Es seien auch unzumutbare Lichtimmissionen zu befürchten. Das geplante leuchtende Schild an der den Wohnhäusern der Antragstellerin zugewandten Fassade wirke in erheblichem Maße in das Wohngebiet hinein und bewirke während der Öffnungszeiten eine nicht hinzunehmende Raumaufhellung. Dabei würden die Lichtimmissionen auf die besonders störungssensiblen Aufenthaltsräume in den Wohnungen der Antragstellerin einwirken.

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Schließlich werde das Eigentumsrecht der Antragstellerin und das Recht der Mieter auf körperliche Unversehrtheit dadurch verletzt, dass sich die Zufahrt zu den 713 Stellplätzen direkt gegenüber der Feuerwehrzufahrt für die Wohnanlage der Antragstellerin befinde. Es bestehe die Gefahr, dass durch wartende Fahrzeuge vor der Parkanlage die Feuerwehrauffahrt blockiert werde. Dies sei bereits bei zwei wartenden Fahrzeugen im A-Weg der Fall. Bei vier bzw. acht wartenden Fahrzeugen würden darüber hinaus die Zufahrten zu den beiden Tiefgaragen der Wohnanlage der Antragstellerin versperrt.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22. März 2012 gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 17. Februar 2012 anzuordnen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzuweisen.

22

Die Akte zum Bebauungsplanverfahren Altona-Altstadt 14 sei vernichtet worden, da die 30jährige Aufbewahrungsfrist schon lange überschritten sei. Die Annahme, dass nur 50 % der Kunden der Beigeladenen das Einrichtungshaus mit dem Auto aufsuchen würden, sei geprüft und für plausibel gehalten worden, da es sich um ein innerstädtisches Einrichtungshaus handele. Bei einem solchen ähnele das Einkaufsverhalten der Kunden mehr dem bei einem innerstädtischen Kaufhaus und weniger dem bei einem klassischen Möbelmarkt auf der „grünen Wiese“. Beim innerstädtischen Einkaufsverkehr bestehe in Hamburg der Anteil des motorisierten Individualverkehrs bei 36 %. Der hier angenommene Wert von 50 % liege deutlich darüber und trage der Tatsache Rechnung, dass es sich um einen innerstädtischen Möbelmarkt handele. Hamburg verfüge bereits über zwei Einrichtungshäuser der Beigeladenen, die jeweils sehr gut mit dem Auto erreichbar seien. Deshalb werde davon ausgegangen, dass relativ wenige Kunden das innerstädtische Einrichtungshaus mit dem eigenen Pkw anfahren würden. Durch die drei Zufahrten zu den Parkdecks werde die Gefahr eines nennenswerten Rückstaus in den öffentlichen Verkehrsraum verhindert. Selbst in Phasen erhöhten Verkehrsflusses sei ein Rückstau nicht zu erwarten. Zur Frage der Luftschadstoffbelastung habe sich die zuständige Stelle am 15. November 2011 geäußert. Überschreitungen der als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden Grenzwerte der 39. BImSchV seien nicht prognostiziert worden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass für den A-Weg und die Altonaer Poststraße von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ausgegangen worden sei, wodurch die Immissionen voraussichtlich überschätzt worden seien, weil tatsächlich mit niedrigeren Geschwindigkeiten zu rechnen sei.

23

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, dass der Antrag bereits unzulässig sei. Durch das lange Zuwarten mit der Einlegung des Eilantrags trotz Kenntnis der Baugenehmigung und des Baubeginns habe die Antragstellerin ihr Antragsrecht verwirkt. In jedem Fall fehle ihr sowohl hinsichtlich der Errichtung des Einrichtungshauses als auch hinsichtlich des Betriebs das Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin hätte ohne weiteres eine abschließende Klärung der Rechtsfragen in dem Klageverfahren gegen den Vorbescheid (9 K 754/11) erreichen können. Da sie dies nicht getan habe, sei nunmehr kein Bedürfnis für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegeben. In Bezug auf den Betrieb des Einrichtungshauses könne auch im Hauptsacheverfahren gegen die Baugenehmigung effektiver Rechtsschutz erlangt werden.

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In jedem Fall sei der Antrag unbegründet. Die Befreiungen für das Überschreiten der Baugrenzen und der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse seien städtebaulich vertretbar. Die nachbarlichen Interessen seien in ausreichendem Maße in die Interessenabwägung eingestellt worden. Die planungsrechtlichen Befreiungen würden dem Willen des Plangebers Rechnung tragen, in zentraler Lage ein Baugebiet von übergeordneter Bedeutung für den gesamten Stadtbereich auszuweisen. Ziel des städtebaulichen Wettbewerbs vor Verabschiedung des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 sei es gewesen, an besonders geeigneten zentralen Punkten stadtbildgestaltende Dominanten zu schaffen. Im Geltungsbereich des Bebauungsplans sei deshalb ein zentraler Bereich mit einer intensiven Bebauung von bis zu 16 Geschossen geschaffen worden. Auch der angrenzende Bebauungsplan Altona-Altstadt 46 aus dem Jahre 2004 sehe für den Bereich nordwestlich des Goethe-Platzes eine zwingende Bebauung mit sieben Vollgeschossen vor, um einen zentralen Ort mit stadtbildgestaltendem Charakter zu schaffen. Nach Süden zu den Grundstücken der Antragstellerin hin werde die Baugrenze zwar tatsächlich um 7,54 m und in Teilbereichen bis maximal 16,50 m überschritten. Dadurch solle jedoch erreicht werden, dass die bisher an der Rückseite des Kaufhauses befindliche offene Anliefer- und Stellplatzzone beseitigt und in das neue Gebäude integriert werde. Durch die integrierte Anlieferung mit eingehauster Rampe sowie die Einhausung der Stellplätze verbessere sich die Immissionssituation für die Nachbarn. Soweit die Begründung des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 davon spreche, dass allgemeine Voraussetzungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu schaffen seien, seien gerade keine Ausgleichmaßnahmen im Bebauungsplan festgesetzt worden, die das vorliegende Bauprojekt ausschließen würden. Dass sich die Baugenehmigung aus dem Jahre 2012 auf die damals gültige gesetzliche Grundlage zur Abstandsflächenberechnung stütze, sei nicht zu bemängeln. Die neuen Festsetzungen der Abstandsflächen würden der Entwicklung eines sich immer weiter verdichtenden Stadtkerns Rechnung tragen.

25

Es seien auch keine rücksichtslosen Immissionen zu befürchten. Die Anlieferung des Einrichtungshauses erfolge ausschließlich über die Einfahrt an der Altonaer Poststraße. Eine Anlieferung über den A-Weg finde nicht statt. Die Lieferverkehrseinfahrt erfolge an der südwestlichen Gebäudeecke und sei unmittelbar eingehaust. Es erfolge eine Abfahrt in das Untergeschoss mit den entsprechenden Andockstationen. Die Besucher-Pkw würden sowohl über den östlichen als auch über den westlichen A-Weg anfahren, Mitarbeiterparkplätze seien nicht vorgesehen. Die Lage der Zufahrt für die Parkdecks befinde sich im Straßenraum an vergleichbarer Stelle wie früher die Kundenzufahrt zum Karstadt-Gebäude. Die Verkehrslenkung der Zufahrt von den umliegenden Straßen werde durch Hinweisschilder und die Einbindung des Parkhauses in das dynamische Parkleitsystem in Altona gesteuert. Damit könne der Kunde bereits in Entfernungen von über einem Kilometer vor der Einfahrt in die Altonaer Poststraße prüfen, ob überhaupt ausreichend freie Plätze im Parkhaus vorhanden seien. Die im Vorbescheid angemahnte Vervollständigung der lärmtechnischen Untersuchung sei erfolgt. Dazu sei die „schalltechnische Untersuchung zum Bauvorhaben in Hamburg-Altona“ von der LK GmbH am 20. Oktober 2011 vorgelegt worden. Nach dieser Untersuchung würden durch die Zusatzbelastungen der geplanten Anlage in Verbindung mit der Gesamtbelastung durch bestehende Anlagen an den maßgeblichen Immissionsorten die Immissionsrichtwerte der TA Lärm (Nr. 6.1) nicht oder nur in geringem Umfang überschritten.

26

Die Ergänzungsbescheide würden weder das Rücksichtnahmegebot noch den Immissionsschutz oder andere nachbarschützende Aspekte betreffen. Die einzige substantielle Änderung im ersten Änderungsbescheid sei die Entfernung des Daches über der Parkspindel (Zu- und Abfahrt). Diese Änderung sei aus lüftungstechnischen Gründen erfolgt. Insoweit sei eine ergänzende schalltechnische Stellungnahme eingeholt und Bestandteil der Baugenehmigung geworden.

27

Selbst bei Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung würde ausnahmsweise das Vollzugsinteresse der Beigeladenen das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegen. Dies folge daraus, dass die Beigeladene aufgrund der sofort vollziehbaren Baugenehmigung formell legal bis zum Eingang des Aussetzungsantrages bereits einen erheblichen Teil ihres Bauvorhabens fertiggestellt habe.

28

Zwischen den Beteiligten haben umfangreiche Vergleichsverhandlungen über die Verkehrsführung im A-Weg (Möglichkeit einer zusätzlichen Abbiegespur für das Einrichtungshaus) und über mögliche Lärmschutzmaßnahmen in Bezug auf die Wohnanlage der Antragstellerin stattgefunden. Diese Vergleichsverhandlungen hat die Antragstellerin hinsichtlich des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes Ende November 2013 für gescheitert erklärt.

II.

29

Der Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ist zulässig (1.), aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (2.).

30

1. Der Antrag vom 16. Juli 2013 ist so auszulegen (vgl. § 88 VwGO), dass er darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung der gegen die Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 und des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 eingereichten Klage (9 K 299/13) anzuordnen. Der so verstandene Antrag ist zulässig. Er ist gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO statthaft, da der Klage der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt.

31

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen steht der Antragstellerin auch ein Rechtsschutzbedürfnis zu:

32

a) Die Antragstellerin hat ihr Antragsrecht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechtsbehelfs setzt einen längeren Zeitraum voraus, währenddessen die Möglichkeit bestand, ihn einzulegen (BVerwG, Urt. v. 10.8.2000, 4 A 11/99, juris, Rn. 16). Diese Möglichkeit muss dem Berechtigten bewusst gewesen sein. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt vor, wenn der Berechtigte trotz vorhandener Kenntnis erst zu einem derart späten Zeitpunkt den Rechtsbehelf einlegt, zu dem die Gegenseite nicht mehr mit einer Klageerhebung rechnen musste. Das ist dann der Fall, wenn ein Berechtigter unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen jedermann vernünftigerweise etwas zur Wahrung seines Rechts unternommen hätte (BVerwG, Urt. v. 10.8.2000, a.a.O.). In diesen Fällen darf die Gegenseite darauf vertrauen, dass ein Rechtsbehelf nicht mehr eingelegt wird. Schließlich muss sich die Gegenseite auch tatsächlich in einer Weise auf das Verhalten des Berechtigten eingerichtet haben, dass für sie ein begründeter Rechtsbehelf mit nicht mehr zumutbaren Nachteilen verbunden wäre (BVerwG, Urt. v. 10.8.2000, a.a.O.).

33

Danach liegt keine Verwirkung vor. Zwar hat die Antragstellerin den Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes trotz erkennbaren Baufortschritts für einen nicht unerheblichen Zeitraum nicht gestellt. Sie hat - trotz Kenntnis von Baubeginn und Baufortschritt - erst im Juli 2013, etwa acht Monate nach Baubeginn hinsichtlich des Neubaus, etwa ein Jahr und drei Monate nach Einlegung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung und mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn der Abrissarbeiten, den vorliegenden Antrag gestellt. Jedoch durfte weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene berechtigterweise darauf vertrauen, dass ein solcher Antrag nicht mehr gestellt wird. Die Antragstellerin hat zu keinem Zeitpunkt der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen gegenüber explizit zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre schon gegen den Vorbescheid und dann gegen die Baugenehmigung gerichteten Bedenken nicht in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen wird. Die Antragstellerin hat keine der beiden Klagen gegen Vorbescheid und Baugenehmigung zurückgenommen und auch sonst nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie ohne Abschluss eines Vergleichs auf weitere Rechtsbehelfe verzichten werde. Vor diesem Hintergrund konnte kein schutzwürdiges Vertrauen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen entstehen.

34

b) Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht deshalb entfallen, weil bei Stellung des Antrags im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits der Rohbau fertiggestellt war (vgl. VGH München, Beschl. v. 26.7.2010, 2 CS 10.465, juris). Dabei kommt es grundsätzlich auf die Stellung des Antrags beim Verwaltungsgericht an. Zu diesem Zeitpunkt am 16. Juli 2013 war der Rohbau selbst nach Angaben der Beigeladenen noch nicht einmal zur Hälfte fertiggestellt.

35

c) Die Antragstellerin hat weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl sie im Verfahren gegen den Vorbescheid das Ruhen angeregt hat. Zwar ist ein von den Rechtsschutzmöglichkeiten in der Hauptsache abgekoppelter Eilrechtsschutz verfassungsrechtlich nicht nur nicht geboten; für einen Antrag auf vorläufigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz entfällt grundsätzlich auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, wenn effektiver Rechtsschutz bereits in der Hauptsache möglich gewesen wäre (VGH München, Beschl. v. 29.7.2008, 9 CS 08.1347, juris, Rn. 4). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof München selbst in dem von ihm zu entscheidenden Fall, in dem der Kläger über einen Zeitraum von fast drei Jahren keine Untätigkeitsklage neben seinem Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erhoben hatte, offen gelassen hat, ob das Rechtsschutzbedürfnis tatsächlich entfallen ist (VGH München, Beschl. v. 29.7.2008, a.a.O., Rn. 7). In jedem Fall sind die Voraussetzungen für ein Entfallen des Rechtsschutzes gemäß dieser Fallgruppe nicht gegeben. Die Klage gegen den Vorbescheid betrifft einen anderen Streitgegenstand als die Klage gegen die Baugenehmigung und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage. Bei der Frage, ob der Antragstellerin effektiver Rechtsschutz bereits in der Hauptsache möglich gewesen wäre, kommt es auf die Klage gegen die Baugenehmigung an. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin bis zu ihrem Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Juli 2013 effektiven Rechtsschutz gegen die Baugenehmigung in der Hauptsache hätte erlangen können, zumal die Antragsgegnerin erst im April 2013 über den Widerspruch gegen die Baugenehmigung entschieden hat und die Antragstellerin im Verfahren gegen die Baugenehmigung nicht untätig geblieben ist, sondern bereits im Januar 2013 Untätigkeitsklage erhoben hatte.

36

d) Das Rechtsschutzbedürfnis besteht auch in Bezug auf die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Einrichtungshauses der Beigeladenen befürchteten Immissionen. Die zukünftige Immissionsbelastung wird entscheidend durch die Eigenart der baulichen Anlage, insbesondere die Zufahrt zu den Parkdecks und die Parkdecks selbst, geprägt sein. Deshalb hat die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse daran, sich gegen die Fertigstellung des Bauvorhabens zu wehren und kann insoweit nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden.

37

2. Der Antrag ist jedoch nur teilweise begründet. Allerdings überwiegt bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung entgegen der Auffassung der Beigeladenen ihr Interesse das Interesse der Antragstellerin nicht allein aufgrund der späten Stellung des Antrags im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und des bis zur Stellung des Antrags realisierten Baufortschritts. Zwar ist ein Nachbar, der sich durch ein Bauvorhaben in seinen Rechten betroffen sieht, gehalten, durch zumutbares aktives Handeln den wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn und dessen Vermögensverlust so gering wie möglich zu halten, indem er unverzüglich seine Einwendungen geltend macht (BVerwG, Beschl. v. 18.3.1988, 4 B 50/88, juris, Rn. 4). Dieser im baurechtlichen Nachbarverhältnis wurzelnde Grundsatz gilt auch für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. v. 30.1.2002, 2 W 5/01, juris, Rn. 6). Jedoch hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ihre Einwendungen gegen den Vorbescheid und gegen die Baugenehmigung frühzeitig mitgeteilt. Sie hat die insoweit bestehenden gerichtlichen Verfahren zwar u.a. aufgrund der schwebenden Vergleichsverhandlungen nicht mit Nachdruck betrieben. Im Verfahren gegen den Vorbescheid hat sie sogar das Ruhen des Verfahrens angeregt. Sie hat aber keine der Klagen zurückgenommen und auch sonst nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie ohne Abschluss eines Vergleichs auf weitere Rechtsbehelfe verzichten werde. Vor diesem Hintergrund konnte die Beigeladene zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen, dass die Antragstellerin ihre Einwendungen gegen das Vorhaben nicht mehr erheben wird. Die Durchführung des Bauvorhabens trotz der bestehenden Klagen gegen den Vorbescheid und die Baugenehmigung erfolgte auf eigenes Risiko der Beigeladenen. Die Antragstellerin ist ihren Obliegenheiten aus der Nachbarstellung durch Geltendmachung ihrer Einwendungen in den beiden Klagen ausreichend nachgekommen.

38

Unter Berücksichtigung der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache [a)] überwiegt das Interesse der Antragstellerin daran, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Rechtsbehelf keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, das öffentliche Vollzugsinteresse und die Interessen der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung lediglich insoweit, als bei einer Nutzung des Einrichtungshauses im genehmigten Umfang die Gefahr unzumutbarer Immissionen besteht [b)]. Deshalb ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auszusprechen. Im Übrigen überwiegen die Interessen der Beigeladenen und das öffentliche Vollzugsinteresse.

39

a) Die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache sind nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung offen. Ob die angegriffene Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 und des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 die Antragstellerin in ihren subjektiven Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt und deshalb im Hauptsacheverfahren aufzuheben sein wird, ist offen. Ein Grundstückseigentümer kann sich gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die Genehmigung dieses Vorhabens ihn in seinen eigenen Rechten verletzt, also gegen solche baurechtlichen Bestimmungen verstößt, die nach dem erkennbaren Willen des Normgebers ein subjektiv-öffentliches (eigenes) Abwehrrecht des betroffenen Nachbarn begründen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.1986, 4 C 8/84, juris, Rn. 11; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.5.1990, Bs II 65/90, juris, Rn. 6). Demgegenüber kann durch den Drittbetroffenen weder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch im Hauptsacheverfahren eine umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigung erreicht werden. Insofern kommt es nicht darauf an, ob das Bauvorhaben objektiv genehmigungsfähig war oder ist. Entscheidungserheblich ist vielmehr allein, ob durch die Baugenehmigung solche Normen verletzt sind, die die Antragsteller schützen sollen.

40

Ob dies hier der Fall ist, ist offen. Zwar verletzt die angegriffene Baugenehmigung aller Voraussicht nach keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauordnungsrechts. Insbesondere hält die Baugenehmigung die gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO allein nachbarschützende Mindesttiefe der Abstandsflächen von 2,50 m ein. Auch dürfte der Antragstellerin weder ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch [aa)] noch ein gebietsübergreifender Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets zustehen [bb)]. Außerdem sind die der Beigeladenen erteilten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse lediglich am Rücksichtnahmegebot zu messen [cc)]. Jedoch ist offen, ob dieses Gebot der Rücksichtnahme durch das Vorhaben der Beigeladenen verletzt wird [dd)].

41

aa) Die Antragstellerin kann sich nicht auf einen gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch, der allein in Betracht kommt, da ihr Grundstück in einem anderen Baugebiet als das Vorhabengrundstück liegt, berufen. Zwar ist in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt, dass ein solcher Anspruch bestehen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1973, IV C 71.71, juris, Rn. 28; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.3.2009, 1 LA 184/06, juris, Rn. 14, m.w.N.; zurückhaltender: BVerwG, Beschl. v. 18.12.2007, 4 B 55/07, juris, Rn. 6). Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet setzt allerdings den erkennbaren Willen des Plangebers voraus, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen (OVG Koblenz, Beschl. v. 2.7.2013, 1 B 10480/13, juris, Rn. 9; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.3.2009, 1 LA 184/06, juris, Rn. 14). Ein solcher Anspruch scheidet hier aus. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Festsetzung des Baugebiets des Vorhabengrundstücks als Kerngebiet dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung im allgemeinen Wohngebiet dienen soll. Dies ist im Gegenteil wegen der mit einem Kerngebiet regelmäßig zusammenhängenden Immissionsbelastung fernliegend. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht auf die Frage der Gebietsverträglichkeit des Einrichtungshauses an (vgl. zur Gebietsverträglichkeit BVerwG, Beschl. v. 28.2.2008, 4 B 60/07, juris).

42

bb) Der Antragstellerin steht gegen das Vorhaben der Beigeladenen auch kein Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zu (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, 2 Bs 154/08, juris; Beschl. v. 5.6.2009, 2 Bs 26/09, juris; Beschl. v. 2.9.2010, 2 Bs 144/10, juris). Da ihr Grundstück in einem anderen Baugebiet als das Vorhabengrundstück liegt, könnte sie sich lediglich auf einen gebietsübergreifenden Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO berufen. Der Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dient dazu, die typische Prägung des jeweiligen Baugebiets zu sichern. Deshalb kann ein gebietsübergreifender Anspruch gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nur bestehen, wenn nach dem erkennbaren Willen des Plangebers die Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen. Dies ist für die Kerngebietsausweisung, in dem das Vorhaben der Beigeladenen liegt, nicht der Fall [s.o. II. 2. a) aa)].

43

cc) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es nicht darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB - etwa die Wahrung der Grundzüge der Planung - für die der Beigeladenen erteilten Befreiungen von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse vorliegen. Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist nämlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans oder von nichtdrittschützenden Festsetzungen befreit wird (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, 4 B 64/98, juris, Rn. 5 f.; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, 2 Bs 165/12, juris, Rn. 27). Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, a.a.O.; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, a.a.O). Bei der Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans hat der Nachbar lediglich ein subjektiv öffentliches Recht auf Würdigung seiner nachbarlichen Interessen; unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO entwickelt hat (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, a.a.O.). Für den Nachbarn bedeutet das, dass er ein Bauvorhaben, für das eine Befreiung erteilt wurde, in diesem Fall nur dann mit Erfolg angreifen kann, wenn dieses ihm gegenüber rücksichtslos ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, a.a.O, Rn. 29).

44

Vor diesem Hintergrund kann sich die Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilten Befreiungen von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse nur im Rahmen des Rücksichtnahmegebots wehren. Denn im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Festsetzung der Baugrenzen und der zulässigen Vollgeschossanzahl ausnahmsweise drittschützend sein könnten.

45

Bei beiden Festsetzungen handelt es sich um solche zum Maß der baulichen Nutzung, die grundsätzlich nicht nachbarschützend sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass § 30 BauGB aus sich heraus keine subjektiv-öffentlichen Rechte zugunsten des Nachbarn begründet. Ob Festsetzungen auf der Grundlage der §§ 16 ff. und des § 23 BauNVO auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (BVerwG, Beschl. v. 19.10.1995, 4 B 215.95, juris, Rn. 3). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (VGH Mannheim, Beschl. v. 8.3.1988, BRS 48 Nr. 169). An dieser Rechtsprechung, die vor der grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erging, hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim nicht festgehalten (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 1.2.1993, 8 S 2796/92, juris, Rn. 15). Von der Ausweisung von Baugebieten abgesehen, die kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung hat, dient ein Bebauungsplan mit Rücksicht auf seine städtebauliche Ordnungsfunktion für ein Plangebiet zunächst öffentlichen Interessen. Ob darüber hinaus einer Festsetzung nachbarschützender Charakter zukommt, muss im Einzelfall für die jeweilige Ausweisung durch Auslegung ermittelt werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 6 f.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts eröffnen Ausweisungen über das Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine nachbarlichen Abwehrrechte (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, a.a.O., Rn. 7, m.w.N.).

46

Ein von diesem Grundsatz ausnahmsweise abweichender Wille des Plangebers lässt sich dem Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 und seiner Begründung weder in Bezug auf die Baugrenzen noch in Bezug auf die Anzahl der genehmigten Vollgeschosse entnehmen. In der Begründung heißt es (S. 2):

47

„Im Kerngebiet an der Großen Bergstraße ist eine intensive Bebauung mit maximal sechzehn Geschossen ausgewiesen. … Entsprechend der Empfehlungen der Unabhängigen Kommission für den Aufbauplan an besonders geeigneten zentralen Punkten stadtbildgestaltende Dominanten zu schaffen, wurde für das Wohn- und Kerngebiet eine verdichtete Nutzung ausgewiesen. Das Maß der Nutzung überschreitet dabei die im § 17 Absatz 1 … [BauNVO 1968] festgelegten Höchstwerte. Die Überschreitung wird durch Maßnahmen ausgeglichen, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Voraussetzungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gegeben sind und den Anforderungen des Verkehrs Rechnung getragen wird. Diese Maßnahmen sind als Vorbedingung in dem städtebaulichen Wettbewerb festgesetzt worden. Da auch sonst keine öffentliche Belange entgegenstehen, sind die Voraussetzungen des § 17 Absatz 9 der Baunutzungsverordnung gegeben“

48

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich ein Wille des Plangebers, den Festsetzungen der Baugrenzen und der Vollgeschossanzahl auf dem Grundstück der Beigeladenen ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung zu geben, nicht daraus, dass die Begründung auf Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse Bezug nimmt, die in dem städtebaulichen Wettbewerb als Vorbedingung gesetzt wurden.

49

(1) Es bestehen bereits keine Anhaltspunkte dafür, dass die Baugrenzen und die Vollgeschossanzahl auf dem Grundstück der Beigeladenen zu den Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Plangebiet gehören. Die Unterlagen zum städtebaulichen Wettbewerb sind nach Angaben der Antragsgegnerin nicht mehr auffindbar, so dass sich im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend klären lässt, welche Maßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse als Ausgleich für die Überschreitung der in der Baunutzungsverordnung 1968 festgelegten Höchstwerte für das Maß der baulichen Nutzung festgelegt wurden. Jedoch lässt sich der Begründung des Bebauungsplans weder entnehmen, dass die Festsetzungen der Baugrenzen oder der Anzahl der Vollgeschosse als Ausgleichsmaßnahmen anzusehen sind noch, dass diese Festsetzungen dem Schutz des allgemeinen Wohngebiets südlich des A-Wegs dienen sollen. Hinweise auf einen ausnahmsweise angeordneten Nachbarschutz der Festsetzungen sind auch in den weiteren Materialien zur Entstehung des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 nicht enthalten. Gemäß der Drucksache V / Nr. 156 für die Bezirksversammlung Altona vom 7. Oktober 1969 und des Bebauungsplanentwurfs vom 7. November 1969 (beide in der Sachakte Altona-Alt 14 II) ist die Überschreitung der Maximalwerte der Baunutzungsverordnung für das allgemeine Wohngebiet und das Kerngebiet besonders durch die günstige Verkehrslage begründet. Diese günstige Verkehrslage dürfte damit nach Ansicht des Plangebers als bereits bestehender Umstand (vgl. zur Zulässigkeit schon bestehender Umstände als Ausgleichsmaßnahme im Rahmen des § 17 BauNVO: Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 2013, § 17 BauNVO, Rn. 25) maßgeblich zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Plangebiet trotz der Nutzungsverdichtung beitragen. Dass darüber hinaus auf dem Grundstück der Beigeladenen die Vollgeschossanzahl im südlichen Bereich begrenzt und Baugrenzen festgesetzt wurden, um als Ausgleichsmaßnahmen gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse sicherzustellen, ergibt sich aus den vorhandenen Materialien nicht. Dies ist auch deshalb nicht wahrscheinlich, weil die Anzahl der Vollgeschosse auf dem Grundstück der Beigeladenen - selbst im nördlichen Grundstücksbereich mit der höchsten Festsetzung von sechs Vollgeschossen -deutlich geringer ausfällt als auf den benachbarten Flurstücken (1756 und 1758) mit bis zu 12 bzw. 16 zulässigen Vollgeschossen. Ausgleichsmaßnahmen wären demnach vor allem hinsichtlich dieser Grundstücke und nicht in Bezug auf das Grundstück der Beigeladenen zu erwarten gewesen.

50

(2) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Begrenzung der Vollgeschossanzahl und die Festlegung der Baugrenzen auf dem Grundstück der Beigeladenen als Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Plangebiet erforderlich gewesen wären. Eine Begrenzung des Verkehrs und der damit zusammenhängenden Emissionen dürfte aus Sicht des Plangebers angesichts der günstigen Verkehrslage, auf die in den Materialien zum Bebauungsplan explizit hingewiesen wurde (s.o.), nicht erforderlich gewesen sein. Die weiteren Voraussetzungen gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 6.6.2002, 4 CN 4/01, juris, Rn. 29), wie etwa Belichtung, Belüftung und sozialer Abstand zwischen Gebäuden, werden durch die bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu den Abstandsflächen sichergestellt (vgl. § 6 HBauO). Zusätzliche Festsetzungen im Bebauungsplan waren insoweit nicht erforderlich.

51

(3) Davon unabhängig sind selbst dann keine Anhaltspunkte für den Willen des Plangebers, den Festsetzungen der Baugrenzen und der Vollgeschossanzahl ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung beizumessen, vorhanden, wenn diese Festsetzungen als Maßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Sinne der Begründung des Bebauungsplans anzusehen wären. Die Begründung des Bebauungsplans orientiert sich nämlich am Wortlaut des § 17 Abs. 9 BauNVO 1968. Sie legt dar, weshalb der Bebauungsplan ausnahmsweise die Vorgaben des § 17 Abs. 1 BauNVO 1968 zum Maß der baulichen Nutzung überschreiten darf. § 17 Abs. 1 und 9 BauNVO 1968 dienen aber maßgeblich stadtplanerischen Zielen und nicht dem privaten Nachbarschutz. Gleiches gilt für den städtebaulichen Wettbewerb, der dem Bebauungsplan zu Grunde liegt. Die Maßnahmen, die als Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse als Vorbedingung des städtebaulichen Wettbewerbs festgesetzt wurden, dienten damit grundsätzlich städtebaulichen Zielen. Auch insoweit bedürfte es besonderer Anhaltspunkte für einen vom Plangeber ausnahmsweise angeordneten Drittschutz dieser Ausgleichsmaßnahmen. Solche Anhaltspunkte sind weder im Wortlaut der Begründung noch in den vorhandenen Materialien zur Entstehungsgeschichte des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 enthalten.

52

dd) Jedoch ist derzeit offen, ob das innerstädtische Einrichtungshaus der Beigeladenen in der genehmigten Form das Gebot der Rücksichtnahme (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) verletzt. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004, 4 C 1/04, juris, Rn. 22, m.w.N.). Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, sind dann gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.10.1989, 4 C 14/87, juris, Rn. 14).

53

Gemessen an diesem Maßstab liegt zwar kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot unter den Gesichtspunkten der Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung, Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten [(1)] bzw. der erdrückenden Wirkung [(2)] vor. Jedoch ist derzeit offen, ob das genehmigte Vorhaben wegen der mit seinem Betrieb einhergehenden Emissionen rücksichtslos ist [(3)].

54

(1) Ein Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme folgt nicht aus einer Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten. Wenn ein Bauvorhaben auf eigenem Grund die bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Abstandsflächen gegenüber den angrenzenden Nachbargrundstücken einhält, fehlt es in der Regel an einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2012, 2 Bs 169/12, juris, Rn. 28, m.w.N.). Dies gilt jedenfalls wegen einer möglichen Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 8).

55

Das Vorhaben des Beigeladenen hält die notwendigen Abstandsflächen von 0,4 H gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 HBauO ein. Dabei ist - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - bei der Berechnung der Abstandsflächen nicht auf die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Altona-Altstadt 14, sondern auf die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Baugenehmigung geltende Fassung der Hamburgischen Bauordnung abzustellen. Da die Baugenehmigung die hoheitliche Erklärung ist, dass dem Vorhaben im Zeitpunkt der Entscheidung Hindernisse aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften nicht entgegenstehen, ist die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage maßgeblich (Niere in: Alexejew, HBauO, 2012, § 72, Rn. 67).

56

Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 HBauO müssen Abstandsflächen auf dem Grundstück des Vorhabens oder auf öffentlichen Verkehrsflächen - allerdings nur bis zu deren Mitte - liegen. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 HBauO bemisst sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe; sie wird rechtwinklig zur Wand gemessen. Die Wandhöhe ist das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wandaußenseite mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Danach werden die Abstandsflächen von dem Vorhaben der Beigeladenen zu der südlich gelegenen Wohnanlage der Antragstellerin hin eingehalten, wie sich aus dem Abstandsflächenplan vom 5. Juli 2011 ergibt.

57

Dies gilt auch dann, wenn die Auffassung der Antragstellerin zutrifft, dass die Brüstung auf der ersten Parkebene bei Berechnung der Abstandsfläche gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 2 HBauO zu berücksichtigen ist, weil sie mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nimmt. Denn auch bei Berücksichtigung der Brüstung werden die Abstandsflächen eingehalten. Die Brüstung hat eine zusätzliche Höhe von etwa 1,20 m über dem höchsten Punkt der Außenwand (20,85 m) also eine geplante Höhe von etwa 22,05 m. Sie ist aber gleichzeitig um ca. 80 cm zurückversetzt. Die zusätzlichen 0,4 H von 1,20 m (48 cm) werden durch den Rücksprung der Brüstung gewahrt.

58

Die Abstandsflächen werden auch bei Berücksichtigung der weiteren Parkebenen eingehalten. Die zusätzliche Höhe der Parkebenen wird durch den ansteigenden Rücksprung ausgeglichen. Eine Unterschreitung der notwendigen Abstandsflächen zu den Grundstücken der Antragstellerin hin, ist an keiner Stelle zu erwarten.

59

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handelt es sich beim Zurücksetzen der Brüstung und der Parkgeschosse auch nicht um eine unzulässige Umgehung der Abstandsflächenvorschriften. Vielmehr entspricht es bei konisch zulaufenden bzw. pyramidenartig ausgeführten Gebäuden ohne abgegrenzte Dachfläche dem Sinn der Abstandsflächenvorschriften, die Abstandsfläche schichtweise, das heißt gesondert für jedes Stockwerk, zu ermitteln. Maßgebend ist auch hier das Maß H mit der größten Ausdehnung (Niere in: Alexejew, HBauO, 2012, § 6, Rn. 85). Schutzzweck der Abstandsflächenregelung ist es nämlich, die ausreichende Belichtung, Belüftung und einen ausreichenden sozialen Abstand durch Sicherung eines Mindestabstands zweier Gebäude sicherzustellen. Es ist also auf die Entfernung der Gebäude in der jeweils zu betrachtenden Höhe abzustellen. Wie bei pyramidenartig ausgeführten Gebäuden vergrößert sich durch den Rücksprung die Entfernung zwischen dem Gebäude des Beigeladenen und denen der Antragstellerin. Der Rücksprung ist bei der Berechnung der Abstandsflächen zutreffend berücksichtigt worden.

60

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin findet auch keine Umgehung des § 6 Abs. 4 Satz 3 HBauO durch eine Deklarierung der Parkgeschosse als Dach statt. Bei den überdachten Parkgeschossen handelt es sich nicht um das Dach, sondern um eigenständige Vollgeschosse. Ansonsten wäre die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB für das Überschreiten der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse nicht erforderlich. Demnach ist ihre Höhe schichtweise pro Vollgeschoss hinzuzuzählen. Auch bei dieser schichtweisen Einbeziehung der vollständigen Geschosshöhe werden die Abstandsflächen aufgrund des ansteigenden Rücksprungs eingehalten.

61

Anhaltspunkte für einen darüber hinausgehenden atypischen Fall der Verletzung des Rücksichtnahmegebots trotz Einhaltung der Abstandsflächen sind nicht ersichtlich, zumal das Vorhaben der Beigeladenen im Norden der Wohnanlage der Antragstellerin liegt, so dass insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verschattung keine relevante Beeinträchtigung zu erwarten ist. Gleiches gilt für den Gesichtspunkt der Einsichtsmöglichkeiten, da die Fensterflächen auf der Gebäudeseite, die der Wohnanlage der Antragstellerin zugewandt ist, von geringer Größe im Verhältnis zur gesamten Fassadenfläche sind.

62

(2) Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme unter dem Gesichtspunkt der erdrückenden Wirkung. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat offengelassen, ob für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen einer erdrückenden Wirkung in der Regel kein Raum ist, wenn die notwendige Abstandsfläche eingehalten wird (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 11). Dies kann auch vorliegend dahinstehen, denn von dem Vorhaben der Beigeladenen wird aller Voraussicht nach keine erdrückende Wirkung ausgehen.

63

Eine erdrückende Wirkung wird angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden" Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird (OVG Münster, Beschl. v. 30.8.2013, 7 B 252/13, juris, Rn. 15 f.; Urt. v. 19.7.2010, 7 A 3199/08, juris, Rn. 58 f.). Erdrückende Wirkung kann insbesondere bei einer Riegelwirkung oder einem Einmauerungseffekt vorliegen (OVG Hamburg, Beschl. v. 12.2.2010, 2 Es 2/09.N, juris, Rn. 38). Dabei erzeugt selbst das Nebeneinander einer dreigeschossigen und einer eingeschossigen Bebauung als solches noch keine erdrückende Wirkung (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 12). Soweit eine beengende Wirkung darauf zurückzuführen ist, dass das Gebäude der Antragstellerin selbst nur einen geringen Abstand zur Grundstücksgrenze auf ihrem Grund-stück einhält, hat sie keinen Anspruch darauf, dass die Beigeladene bei der Gestaltung der Bebauung ihres Grundstücks die Nachteile ausgleicht, die dem Grundstück der Antragstellerin aufgrund der grenznahen Bebauung anhaften (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, a.a.O.).

64

Gemessen an diesem Maßstab ist keine erdrückende Wirkung zu befürchten. Insbesondere wird das innerstädtische Einrichtungshaus weder eine Riegelwirkung noch einen Einmauerungseffekt erzeugen. Aufgrund der großen Entfernung zum Vorhaben der Beigeladenen ist eine erdrückende Wirkung für alle Gebäude der Antragstellerin bis auf das Gebäude A-Weg 9 von vorneherein ausgeschlossen. Auch für das Gebäude A-Weg 9 ist eine erdrückende Wirkung nicht zu erwarten. Durch den Rücksprung der Parkgeschosse werden diese auf Straßenhöhe bzw. im Erdgeschoss in den Gebäuden der Antragstellerin nicht zur beengenden Wirkung beitragen, so dass insoweit nur die Traufhöhe des Einrichtungshauses von etwa 21 Metern zu berücksichtigen ist. An jeder Stelle besteht ein Mindestabstand von über 14 Metern zum Einrichtungshaus. Beide Gebäude sind durch den A-Weg getrennt. Darüber hinaus befindet sich das Gebäude A-Weg 9 fast unmittelbar an der Grundstücksgrenze der Antragstellerin. Da eine eventuell eintretende beengende Wirkung auch auf diese Lage des Wohngebäudes der Antragstellerin zurückzuführen ist, hat sie keinen Anspruch darauf, dass die Beigeladene bei der Gestaltung der Bebauung ihres Grundstücks die Nachteile ausgleicht, die dem Grundstück der Antragstellerin aufgrund der eigenen grenznahen Bebauung anhaften. Schließlich ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass beide Gebäude in einem sehr zentralen, innerstädtisch geprägten Bereich Altonas liegen. In dieser Lage sind die Anwohner verpflichtet, eine intensivere Bebauung der Nachbargrundstücke hinzunehmen, als es etwa in Randbereichen der Stadt der Fall wäre. Wie die umgebende Bebauung, insbesondere auf den Flurstücken 6 und 7 mit bis zu 12 bzw. 16 zulässigen Vollgeschossen zeigt, handelt es sich bei dem geplanten Gebäude der Beigeladenen mit einer Höhe von etwa 32 m auf der vierten Parkebene (die Aufbauten auf der Parkebene sind so mittig gelegen, dass sie zu der beengenden Wirkung nicht beitragen), in diesem innerstädtischen Bereich nicht um ein außergewöhnlich hohes Gebäude.

65

(3) Jedoch ist derzeit offen, ob das genehmigte Vorhaben wegen der mit seinem Betrieb einhergehenden Emissionen rücksichtslos sein wird.

66

Ab welchem Maß an Immissionen ein Bauvorhaben den Nachbarn gegenüber rücksichtslos ist, ergibt sich aus §§ 3, 22 BImSchG, wonach u.a. bauliche Anlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen, d.h. Immissionen herbeiführen dürfen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Gemessen an diesem Maßstab sind zwar voraussichtlich keine unzumutbaren Lichtimmissionen für die Antragstellerin zu befürchten [(a)]. Jedoch ist offen, ob das genehmigte Vorhaben unzumutbare Lärmimmissionen [(b)] bzw. eine unzumutbare Luftschadstoffbelastung auslösen wird [(c)].

67

(a) Die Baugenehmigung lässt voraussichtlich keine durch den Betrieb des Einrichtungshauses verursachten unzumutbaren Lichtimmissionen zu. Die Vorgaben der Baugenehmigung zur Beleuchtungsstärke und zum Proportionalitätsfaktor (Nr. 10.3 des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013) entsprechen den Vorgaben der Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10. Mai 2000 - LAI-Hinweise). Zwar sind die LAI-Hinweise nicht allgemeinverbindlich, jedoch können sie als sachverständige Beurteilungshilfe und als Bewertungsmaßstab bei der Einzelfallprüfung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots herangezogen werden (VGH Mannheim, Urt. v. 29.3.2012, 3 S 2658/10, juris, Rn. 40; OVG Münster, Beschl. v. 27.2.2009, 7 B 1647/08, juris, Rn. 48 ff.). Dass im Einzelfall trotz der Einhaltung der Grenzwerte der LAI-Hinweise unzumutbare Lichtemissionen von dem Einrichtungshaus der Beigeladenen ausgehen könnten, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Es bestehen auch keine Indizien dafür, dass die Grenzwerte der LAI-Hinweise beim Betrieb des Einrichtungshauses überschritten werden könnten. Die in dem Gutachten zu den Lichtimmissionen im April 2012 (Anlage 324 zur Baugenehmigung) prognostizierten Werte auf der südlichen Gebäudeseite des Vorhabens der Beigeladenen, welche den Gebäuden der Antragstellerin zugewandt ist, liegen mit einer Beleuchtungsstärke von 0,47 Lux deutlich unterhalb des zulässigen Höchstwertes von 1 Lux (S. 14 des Gutachtens). Zu der zu erwartenden Blendungswirkung (Proportionalitätsfaktoren) enthält das Gutachten zwar keine näheren Angaben. Jedoch werden nach Ansicht des Gutachters bei Einhaltung der im Gutachten zu Grunde gelegten Bedingungen (Leuchtdichtenobergrenzen und lichttechnische Kennziffern) auch die Höchstwerte bezüglich der Blendungswirkung eingehalten (S. 17 des Gutachtens). Darüber hinaus ist die Beigeladene gemäß Nr. 10.3. des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 verpflichtet, die Einhaltung der in der Baugenehmigung festgesetzten Höchstwerte in Bezug auf die Beleuchtungsstärke und die Blendungswirkung durch sachverständige Messung nachzuweisen. Sollten die zulässigen Höchstwerte überschritten werden, hat die Beigeladene in Abstimmung mit der Antragsgegnerin unverzüglich die Maßnahmen, die zur Reduzierung der Werte auf das zulässige Maß notwendig sind, zu treffen. Vor diesem Hintergrund sind unzumutbare Lichtimmissionen auch in Bezug auf eine mögliche Blendungswirkung nicht zu erwarten.

68

(b) Ob das genehmigte Vorhaben unzumutbare Lärmimmissionen auslösen wird, ist im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend aufklärbar. Insoweit bedarf es ggf. einer Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren.

69

Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen bei Nachbarkonflikten im Rahmen des Rücksichtnahmegebots ist die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm (BVerwG, Urt. v. 29.11.2012, 4 C 8/11, juris, Rn. 17, 19). Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu (BVerwG, Urt. v. 29.11.2012, a.a.O., Rn. 18). Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (BVerwG, Urt. v. 29.11.2012, a.a.O.; Urt. v. 29.8.2007, 4 C 2.07, juris, Rn. 12).

70

Es ist derzeit offen, ob das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen im Betrieb die Richtwerte und übrigen Vorgaben der TA Lärm einhalten wird [(aa)]. Die in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen sind nicht geeignet, sicherzustellen, dass von dem genehmigten Vorhaben keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgehen [bb)].

71

(aa) Es ist erstens offen, ob das genehmigte Vorhaben den Immissionsrichtwert gemäß Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm für allgemeine Wohngebiete von tagsüber 55 dB(A) einhalten wird. Nach der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 (Anlage 137 zur Baugenehmigung) wird durch den Gewerbelärm inklusive der bestehenden Vorbelastung dieser Richtwert an drei Immissionsorten um 1 dB(A) überschritten (vgl. Anlage 7 zur schalltechnischen Untersuchung).

72

Jedoch bestehen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Prognose. Denn sie beruht auf einer fragwürdigen Grundannahme, die im Rahmen einer Beweisaufnahme in der Hauptsache zu überprüfen sein wird. Die in der schalltechnischen Untersuchung zu Grunde gelegten Emissionsdaten der Zu- und Abfahrten in das Parkhaus des Einrichtungshauses und auf den Parkdecks beruhen auf der Ermittlung des zu erwartenden Neuverkehrs durch die Verkehrsuntersuchungen des Verkehrsplanungsbüros (vgl. S. 15 der schalltechnischen Untersuchung vom 20.10.2011). Der Prognose des Neuverkehrs liegt ihrerseits die Annahme zu Grunde, dass lediglich die Hälfte der Kunden mit dem eigenen PKW zum Einrichtungshaus fahren wird (sogenannter Modal-Split, S. 7 der Verkehrsuntersuchung vom 20. März 2009). Diese Annahme wird mit der „sehr guten Anbindung“ des Einrichtungshauses an den öffentlichen Personennahverkehr begründet. Allerdings dürfte eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr nicht zwangsläufig zu einer deutlichen Verringerung des Anteils von PKW-Nutzern an den Kunden der Beigeladenen führen. So ist das Einrichtungshaus der Beigeladenen in Hamburg-Moorfleet sehr gut an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden (S-Bahn Station Billwerder-Moorfleet und Bushaltestelle der Linie 230 in unmittelbarer Nähe). Dennoch liegen dem Gericht keine Erkenntnisse über einen deutlich geringeren Anteil an PKW-Nutzern unter den Kunden dieses Einrichtungshauses vor.

73

Unabhängig davon spricht entscheidend gegen einen lediglich hälftigen Anteil der Kunden mit eigenem PKW, dass es das traditionelle Konzept der Beigeladenen ist, Möbel zum Selbstabholen und Selbstaufbauen zu verkaufen. Von diesem Konzept ist die Beigeladene auch bei dem streitgegenständlichen innerstädtischen Einrichtungshaus nicht abgewichen. Insbesondere ist - wie bei den übrigen Einrichtungshäusern der Beigeladenen - eine große Selbstbedienungs-Halle ohne Einschränkung des Sortiments - etwa auf leicht ohne PKW zu transportierende Gegenstände - vorgesehen (vgl. S. 3 der Bau- und Projektbeschreibung, Anlage 28 zur Baugenehmigung). Es ist auch keine verbindliche Anlieferung der Möbel durch die Beigeladene von einem anderen - etwa in einem verkehrsgünstigen Gewerbegebiet gelegenen - Lager aus vorgesehen. Vor diesem Hintergrund ist dem Gericht nicht ersichtlich, wie den Kunden der Transport der gekauften Möbel ohne PKW in relevantem Umfang möglich sein soll. Zwar besteht die Möglichkeit des Möbeltransports durch spezielle „Möbeltaxis“. Auch diese müssen aber von dem Einrichtungshaus zum Kunden und zurück fahren und nutzen dabei die gewöhnliche Parkhausein- und ausfahrt der Beigeladenen (vgl. etwa Anlage 7 zur schalltechnischen Untersuchung vom 20.10.2011). Deshalb dürfte der Einsatz von „Möbeltaxis“ die Lärmemissionen im Vergleich zur PKW-Anfahrt der Kunden nicht wesentlich verringern.

74

Darüber hinaus ist durch die Baugenehmigung nicht sichergestellt, dass der von der Beigeladenen angenommene Modal-Split beim Betrieb des Einrichtungshauses erreicht wird. Zwar sieht die Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 unter Nr. 9.1. (S. 7) vor, dass Grundlage für die Beurteilung die von der Beigeladenen getroffene Annahme über den hälftigen Anteil der PKW-Nutzer am Kundenaufkommen sei. Jedoch bleibt schon unklar, worauf sich die „Beurteilung“ bezieht (z.B. Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit der Baugenehmigung). Unabhängig davon sieht die Baugenehmigung lediglich vor, dass die Einhaltung der Annahme über den Modal-Split „anzustreben“ sei. Es ist weder angeordnet, den Modal-Split beim tatsächlichen Betrieb des Einrichtungshauses zu überprüfen, noch bei einem zu hohen Anteil von PKW-Nutzern verbindliche Maßnahmen zu treffen (etwa Einschränkung der Betriebszeiten oder des vor Ort angebotenen Sortiments bzw. verbindliche Anlieferung von einem gesonderten, verkehrsgünstiger gelegenen Lager). Vor diesem Hintergrund muss es dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, die Annahmen zum Modal-Split zu überprüfen.

75

Sollte sich herausstellen, dass entgegen der Annahme der Beigeladenen ein höherer Kundenanteil mit dem eigenen PKW zum Einrichtungshaus fahren wird, so ist mit im Vergleich zur schalltechnischen Untersuchung erhöhten Immissionswerten zu rechnen. Aus zwei Gründen ist allerdings offen, ob die Immissionsrichtwerte des Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm (ggf. mit Gemengelagenzuschlag) beim Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden können. Zum einen kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden, wie stark die Verkehrsbelastung ansteigen könnte und ob bei einer erhöhten Verkehrsbelastung die Immissionsrichtwerte der TA Lärm überschritten werden. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin wegen der Gemengelage von Kerngebiet und allgemeinem Wohngebiet die Richtwerte des allgemeinen Wohngebiets gemäß Nr. 6.7 TA Lärm um einen Zuschlag erhöhen könnte, wenn der Stand der Lärmminderungstechnik eingehalten wird. Für die Bildung eines Zwischenwerts gemäß Nr. 6.7 TA Lärm ist die zuständige Behörde verantwortlich (Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 2013, 3.1 TA-Lärm, Nr. 6, Rn. 26). Dabei sind sowohl die schutzwürdigen Interessen der Antragstellerin an der Wohnnutzung ihrer Gebäude als auch der Beigeladenen am Betrieb ihres Einrichtungshauses zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.2010, 7 B 4/10, juris, Rn. 32). Allerdings ist ein möglicher Zwischenwert zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht berücksichtigungsfähig, da die Antragsgegnerin bisher keinen Zwischenwert festgesetzt hat.

76

Zweitens ist offen, ob durch den An- und Abfahrtsverkehr, der nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zu berücksichtigen ist, unzumutbare Lärmimmissionen hervorgerufen werden. Zwar wird die Regelung des Nr. 7.4 Abs. 2 der TA-Lärm in der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 zitiert (S. 8). Jedoch wird nicht untersucht, ob beim Betrieb des Einrichtungshauses Beurteilungspegel vorliegen werden, die zusätzliche organisatorische Maßnahmen zur Emissionsreduzierung erforderlich machen. Ob dies der Fall sein wird, lässt sich derzeit nicht abschließend klären. Nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm sollen Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 Metern von dem Betriebsgrundstück in Gebieten nach Nummer 6.1 Buchstaben c bis f durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich vermindert werden, soweit sie den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen, keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt ist und die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) erstmals oder weitergehend überschritten werden.

77

Es spricht einiges dafür, dass die Voraussetzungen für (weitere) organisatorische Maßnahmen gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm zumindest in Bezug auf den A-Weg in dem Bereich zwischen den Gebäuden A-Weg 3 und 9 erfüllt sein werden. In diesem Bereich liegt der A-Weg zwischen Kerngebiet und allgemeinem Wohngebiet, also in Gebieten nach Nr. 6.1 Buchstabe c und d TA-Lärm. Dieser Bereich ist auch weniger als 500 m von dem Einrichtungshaus der Beigeladenen entfernt. Der Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche wird durch den An- und Abfahrtverkehr für den Tag rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöht (vgl. Anlage 5 zur schalltechnischen Untersuchung v. 20.10.2011, wonach die Werte um bis zu 7,7 dB(A) im Vergleich zum Bestand erhöht werden). Eine Vermischung mit dem übrigen Verkehr wird aller Voraussicht nach nicht erfolgt sein, da sich das Verkehrswegenetz an dieser Stelle noch nicht verzweigt hat (vgl. zu diesem Kriterium: Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 2013, 3.1 TA-Lärm, Nr. 7, Rn. 54).

78

Schließlich werden voraussichtlich die Immissionsgrenzwerte der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBl. I S. 1036), geändert am 19. September 2006 (BGBl. I S. 2146) erstmals überschritten. Nach der 16. BImSchV sind Immissionsgrenzwerte am Tag in allgemeinen Wohngebieten von 59 dB(A) und in Kerngebieten von 64 dB(A) einzuhalten. Zwar kann die Antragsgegnerin auch bei der Anwendung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV im Rahmen der Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm bei einer Gemengelage einen Zwischenwert festlegen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 9.3.2012, 2 A 1626/10, juris, Rn. 106). Einen solchen hat die Antragsgegnerin aber bisher nicht gebildet. Selbst wenn ein Zwischenwert unterstellt wird, der voraussichtlich bei 61 oder 62 dB(A) liegen würde, überschreiten die in der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 prognostizierten Beurteilungspegel diesen Wert an mehreren Immissionsorten (vgl. Anlage 4 zur schalltechnischen Untersuchung). Dies gilt selbst dann, wenn bei der Prognose nicht auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit, sondern auf die in der Praxis mögliche Geschwindigkeit abzustellen ist (in diese Richtung: VGH München, Beschl. v. 23.7.2013, 2 ZB 11.1605, juris, Rn. 16). Auch bei reduzierter Geschwindigkeit wird der Immissionsgrenzwert selbst bei unterstelltem Zwischenwert von 62 dB (A) an mindestens sieben Immissionsorten überschritten (Anlage 8 zur schalltechnischen Untersuchung vom 20.10.2011). Diese Grenzwertüberschreitung dürfte noch dadurch verschärft werden, dass diese Berechnung auf dem in der schalltechnischen Untersuchung angenommenen Modal-Split beruht. Sollte beim Betrieb des Einrichtungshauses eine tatsächlich höhere Verkehrsbelastung eintreten - wofür einiges spricht - wird die Belastung durch Verkehrsgeräusche im Sinne des Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm entsprechend zunehmen.

79

Angesichts dessen hätte die Anordnung weiterer organisatorischer Maßnahmen zur Reduzierung des zurechenbaren Verkehrslärms in der Baugenehmigung nahegelegen, zumal die Antragsgegnerin selbst davon ausgeht, dass der Verkehrslärm des An- und Abfahrtverkehrs nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm bei der Berechnung der Zusatzbelastung durch das Vorhaben zu berücksichtigen ist (S. 48 der Baugenehmigung, letzter Spiegelstrich). Zu den organisatorischen Maßnahmen gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm zählen auch betriebliche Maßnahmen (Hansmann in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Rn. 57), so dass etwa die Reduzierung der Öffnungszeiten des Einrichtungshauses in Betracht kommt (vgl. zur Zulässigkeit der Beschränkung der Anzahl von Besuchern einer Veranstaltung als Maßnahme nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm: OVG Münster, Urt. v. 13.9.2010, 7 A 1186/08, juris, Rn. 79). Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass weitere organisatorische Maßnahmen gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm erforderlich sind und die Antragsgegnerin diese nicht anordnen, dann wäre das genehmigte Vorhaben rücksichtslos. Denn Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm ist die Wertung zu entnehmen, dass ein Vorhaben jedenfalls dann die gebotene Rücksichtnahme gegenüber dem betroffenen Nachbarn vermissen lässt, wenn mögliche Maßnahmen organisatorischer Art zur Verminderung der die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllenden Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf der öffentlichen Verkehrsfläche unterbleiben (OVG Münster, Urt. v. 13.9.2010, a.a.O.). In Bezug auf das Einrichtungshaus der Beigeladenen kommt eine Vielzahl an organisatorischen und betrieblichen Maßnahmen zur Verminderung der Verkehrsgeräusche in Betracht. So ist beispielsweise an eine Beschränkung der Öffnungszeiten, eine Beschränkung des Sortiments auf Produkte, die nicht mit dem PKW transportiert werden müssen oder an eine Pflicht zur Anlieferung der Möbel aus einer räumlich getrennten Lagerhalle, die verkehrsgünstiger gelegen ist, zu denken.

80

(bb) Es ist auch nicht durch Auflagen in der Baugenehmigung sichergestellt, dass von dem genehmigten Vorhaben keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgehen werden.

81

Dies gilt erstens für die in Ziffer 55.1. der Anlage 7 der Baugenehmigung getroffene Regelung, dass spätestens drei Monate nach Inbetriebnahme der Anlage durch Messung nachzuweisen ist, dass die Grenzwerte nach Ziffer 1.2.3 bis 1.2.5 eingehalten werden. Zwar ist Ziffer 55.1. der Baugenehmigung nicht unbestimmt (vgl. zur Frage der Unbestimmtheit: OVG Hamburg, Urt. v. 14.7.2008, 2 Bf 277/03, juris, Rn. 31), obwohl der Verweis auf die Ziffern 1.1.2, 1.2.2 bis 1.2.5, 1.3.1 und 1.3.3 aus sich heraus unverständlich ist. Angesichts der zwingend vorgeschriebenen Schriftform der Baugenehmigung (§ 58 Abs. 4 Satz 1 HBauO) muss sich der Baugenehmigung selbst – gegebenenfalls durch Auslegung – der Regelungshalt entnehmen lassen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 30.5.2005, 10 A 2017/03, juris, Rn. 4). Im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Vermerks vom 14. Dezember 2011 (S. 140 der Sachakte des Baugenehmigungsverfahrens; das Gericht geht insoweit davon aus, dass der Beigeladenen als Adressatin der Baugenehmigung auch der Vermerk vom 14.12.2011 zur Verfügung steht) ergibt sich ein ausreichend eindeutiger Regelungsgehalt, da sich die Ziffern den Regelungen in der Anlage 7 der Baugenehmigung zuordnen lassen (die Regelungsvorschläge des Vermerks vom 14. Dezember 2011 sind inhaltlich unverändert in die Anlage 7 der Baugenehmigung übernommen worden, ohne dass die Nummerierung angepasst wurde). Jedoch bezieht sich die in Ziffer 55.1. der Baugenehmigung angeordnete Pflicht zur Durchführung einer Messung nach Inbetriebnahme des Einrichtungshauses lediglich auf die kurzzeitigen Geräuschspitzen (1.2.3), die Nachhallzeit in der eingehausten Parkhauszufahrt (1.2.4) und den Schallleistungspegel in der Toreinfahrt (1.2.5). Dass die Grenzwerte der Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet (ggf. mit Gemengelagenzuschlag) und der Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm hinsichtlich des dem Vorhaben zurechenbaren Verkehrslärms im allgemeinen Wohngebiet (ggf. mit Gemengelagenzuschlag) eingehalten werden, muss die Beigeladene nicht durch eine nach Aufnahme des Betriebs der Anlage durchgeführte Immissionsmessung nachweisen. Insoweit hat sich die Antragsgegnerin auch keine zusätzlichen Auflagen für den Fall der Nichteinhaltung der Grenzwerte vorbehalten.

82

Dies gilt zweitens für die in der Nr. 55.1. in Anlage 7 der Baugenehmigung enthaltenen Zielauflagen, wonach die Bestimmungen der TA Lärm einzuhalten sind und insbesondere die Zusatzbelastung durch den Betrieb des Einrichtungshauses bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfe (dabei ergibt die Auslegung der Baugenehmigung, dass mit den auf S. 48 als Ziffer 1.2.2 bezeichneten Immissionsgrenzwerten, die auf S. 49 aufgeführten Werte gemeint sein sollen). Zwar ist es im Grundsatz zulässig, den Lärmschutz durch zielorientierte Festlegung bestimmter Grenzwerte zu regeln (vgl. VGH München, Beschl. v. 29.8.2013, 15 ZB 13.1023, juris, Rn. 17; Beschl. v. 17.8.2010, 15 CS 10.981, juris, Rn. 13; Beschl. v. 29.6.2009, 15 CS 09.860, juris, Rn. 14). Dabei muss jedoch gewährleistet sein, dass die Richtwerte im regelmäßigen Betrieb der Anlage auch eingehalten werden können (VGH München, Beschl. v. 29.8.2013; Beschl. v. 17.8.2010, a.a.O.; Beschl. v. 29.6.2009, a.a.O.). Bestehen berechtigte Zweifel, dass dies nicht der Fall sein wird, ist das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht der angemessene Ort, um zu klären, in welcher Weise diese Zweifel ausgeräumt werden können (VGH München, Beschl. v. 17.8.2010, a.a.O., Rn. 17).

83

Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel, dass die in Nr. 55.1. der Anlage 7 der Baugenehmigung enthaltenen Zielauflagen beim regelmäßigen Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden können. Ob die Bestimmungen der TA Lärm allgemein eingehalten werden können, ist wegen der zweifelhaften Annahmen zur künftigen Verkehrsbelastung und der damit zusammenhängenden Immissionen sowie wegen des nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm dem Vorhaben zuzurechnenden erheblichen Lärms des An- und Abfahrtverkehrs fraglich [s.o. II. 2. a) dd) (3) (b) (aa)]. Noch unwahrscheinlicher ist, es dass die durch das Einrichtungshaus ausgelöste Zusatzbelastung die in der Baugenehmigung (S. 49) insoweit festgelegten Immissionsgrenzwerte einhalten wird. Die Baugenehmigung schreibt zu Recht vor, dass die „Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen“ (S. 48, letzter Spiegelstrich der Baugenehmigung) bei der Berechnung der Zusatzbelastung durch das Vorhaben zu berücksichtigen sind. Selbst bei der auf einer Geschwindigkeit von 30 km/h beruhenden Prognose (Anlage 8 der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011) werden allein die nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zurechenbaren Immissionen des An- und Abfahrtverkehrs die festgesetzten Grenzwerte für die Zusatzbelastung deutlich überschreiten. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Immissionsorte auf S. 49 der Baugenehmigung und in Anlage 11 der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 auf falsche Hausnummern beziehen. Die Nummerierung des A-Wegs geht nur bis Nummer 11, eine Hausnummer 13 gibt es nicht. Dementsprechend dürften sich die Immissionsorte auf die Gebäude mit um zwei reduzierten Hausnummern (5 statt 7 usw.) beziehen. Am Beispiel des Immissionspunkts 1 (A-Weg 5, 1. Obergeschoss) zeigt sich, dass der festgesetzte Immissionsgrenzwert von 54 dB(A) tagsüber (S. 49 der Baugenehmigung) allein durch den prognostizierten zurechenbaren Verkehrslärm von 62 dB(A) (Anlage 8 der schalltechnischen Untersuchung) deutlich überschritten wird. Vergleichbare Überschreitungen liegen an allen in der Baugenehmigung aufgeführten Immissionsorten vor. Diese Überschreitungen folgen daraus, dass die Antragsgegnerin richtigerweise bei der Definition der Zusatzbelastung (S. 48 der Baugenehmigung) auch die nach Nr. 7.4. Abs. 2 TA Lärm zurechenbaren Verkehrsgeräusche berücksichtigt hat, gleichzeitig aber die Immissionsgrenzwerte (S. 49 der Baugenehmigung) aus der Anlage 11 der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 übernommen hat, in der diese Verkehrsgeräusche nach Nr. 7.4. Abs. 2 TA Lärm nicht berücksichtigt werden.

84

(c) Schließlich ist offen, ob bei Betrieb des genehmigten Einrichtungshauses unzumutbare Luftschadstoffimmissionen auftreten werden. Zwar geht das Luftschadstoffgutachten vom 19. Oktober 2011 davon aus, dass die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub [vgl. §§ 3, 4 und 5 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065)] eingehalten werden. Jedoch beruht auch dieses Gutachten auf den Verkehrsuntersuchungen und damit auf einem lediglich hälftigen Anteil an Kunden, die mit einem PKW an- und abfahren werden (S. 13 des Luftschadstoffgutachtens). Es ist aber fraglich, ob diese Annahmen zum Modal-Split und damit zum Verkehrsaufkommen im realen Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden [s.o. II. 2. a) dd) (3) (b) (aa)]. Eine tatsächlich höhere Verkehrsbelastung würde auch die Luftschadstoffimmissionen erhöhen. Da selbst bei der im Gutachten unterstellten Verkehrsbelastung der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV) im A-Weg nur knapp unterschritten wird (S. 33 des Luftschadstoffgutachtens), ist derzeit offen, ob bei einem ggf. erhöhten Verkehrsaufkommen im realen Betrieb der Grenzwert eingehalten werden kann. Eine ergänzende Luftschadstoffmessung bei Betrieb des Einrichtungshauses ist aber in der Baugenehmigung ebenso wenig vorgesehen, wie Auflagen, für den Fall, dass die Grenzwerte überschritten werden.

85

(4) Offen ist darüber hinaus, ob es beim Betrieb des Einrichtungshauses im A-Weg zu einer Rückstaubildung vor den Parkhausein- und ausfahrten kommen kann, welche die Feuerwehrzufahrt und ggf. auch die Tiefgaragenzufahrten zu den Wohngebäuden der Antragstellerin versperren könnte. Zwar hat die Antragsgegnerin zu dieser Problematik in ihrem Schreiben vom 5. Juli 2013 (Bl. 217 d. A. 9 E 2814/13) ausführlich Stellung genommen und nachvollziehbar geschildert, weshalb es bei der in den Verkehrsgutachten prognostizierten Verkehrsbelastung aller Voraussicht nach nicht zu einer Rückstaubildung in den A-Weg hinein kommen wird. Jedoch greifen auch insoweit die Bedenken gegen die prognostizierte Verkehrsbelastung durch [s.o. II. 2. a) dd) (3) (b) (aa)]. Es ist derzeit offen, ob es bei einer erhöhten Verkehrsbelastung im realen Betrieb des Einrichtungshauses zu einer problematischen Rückstaubildung kommen kann.

86

b) Vor dem Hintergrund der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache in Bezug auf die beim Betrieb des Einrichtungshauses zu erwartende Verkehrsbelastung und die daraus resultierenden Immissionen überwiegen die Interessen der Antragstellerin die Interessen der Beigeladenen, soweit die Baugenehmigung letzterer erlaubt, das Einrichtungshaus werktags nach 19.30 Uhr für den Kundenverkehr zu öffnen [aa)]. Im Übrigen überwiegen die Interessen der Beigeladenen [bb)].

87

aa) Nach Ansicht der Kammer überwiegt in Bezug auf die Nutzung des Einrichtungshauses werktags nach 19.30 Uhr das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse und das private Ausnutzungsinteresse der Beigeladenen. Ausschlaggebend ist hierfür, dass bei einer vorläufigen Ausnutzung der Baugenehmigung in vollem Umfang jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerin bzw. ihre Mieter Lärm- und Luftschadstoffimmissionen ausgesetzt sein werden, die das Maß des Zumutbaren übersteigen. Das Interesse, von unzumutbaren Immissionen verschont zu bleiben, überwiegt das wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen an einer vollständigen Ausnutzung der Baugenehmigung, zumal von der Beigeladenen nicht vorgetragen wurde und auch nicht ersichtlich ist, dass die aufschiebende Wirkung hinsichtlich eines begrenzten Teils der beabsichtigten Öffnungszeiten über die damit einhergehenden vorläufigen wirtschaftlichen Einbußen hinaus eine besondere Härte oder gar eine Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz darstellt (vgl. zu diesem Aspekt: VG Lüneburg, Beschl. v. 21.2.2011, 2 B 85/10, juris, Rn 27). Im Übrigen halten sich die nachteiligen Wirkungen der Entscheidung der Kammer im einstweiligen Rechtsschutz für die Beigeladene und die Antragsgegnerin auch dadurch in Grenzen, dass ihnen die Möglichkeit offen steht, nach § 80 Abs. 7 VwGO einen Abänderungsantrag zu stellen, soweit eine ergänzende Sachverhaltsermittlung ergeben sollte, dass unzumutbare Lärm- und Luftschadstoffeinwirkungen auf die Grundstücke der Antragstellerin nicht zu besorgen sind (vgl. auch insoweit: VG Lüneburg, Beschl. v. 21.2.2011, a.a.O.).

88

Die Beschränkung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf die Zeit ab 19.30 Uhr erfolgt, um einerseits weitgehend sicherzustellen, dass es beim Betrieb des Einrichtungshauses nicht zu unzumutbaren Lärm- bzw. Luftschadstoffimmissionen [(1) und (2)] kommen wird und um andererseits der Beigeladenen den Betrieb in dem Umfang zu ermöglichen, in dem nicht mit unzumutbaren Immissionen zu rechnen ist.

89

(1) Unzumutbare Lärmimmissionen sind bei der im Tenor angeordneten beschränkten Öffnungszeit des Einrichtungshauses nach Ansicht des Gerichts aller Voraussicht nach nicht zu befürchten.

90

(a) Dies gilt zunächst für die Lärmimmissionen, die von dem Einrichtungshaus selbst - inklusive des zurechenbaren Verkehrs auf dem Betriebsgrundstück gemäß Nr. 7.4 Abs. 1 TA Lärm - ausgehen. Bei einer entsprechenden Begrenzung der Öffnungszeiten ist nach Auffassung der Kammer ausreichend sichergestellt, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm nach Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm (ggf. inklusive eines Gemengelagenzuschlags) beim Betrieb des Einrichtungshauses nicht überschritten werden. Denn die Begrenzung der Öffnungszeiten führt aus zwei Gründen zu erheblich verringerten Beurteilungspegeln:

91

Erstens entfällt der Zuschlag nach Nr. 6.5 TA-Lärm von 6 dB(A) für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit, wenn sichergestellt ist, dass in der besonders schutzwürdigen Zeit von 20 bis 22 Uhr keine Immissionen zu erwarten sind. Allein dadurch wird der Beurteilungspegel für den Tageszeitraum werktags um etwa 1,9 dB(A) gesenkt (Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 2013, 3.1 TA-Lärm, Nr. 6, Rn. 32; die 1,9 dB(A) beziehen sich allerdings zusätzlich auch auf den Zeitraum von 6 bis 7 Uhr, der vorliegend nicht relevant ist, so dass sich der Wert noch leicht verändern könnte). Die vorläufige Begrenzung der Öffnungszeiten des Einrichtungshauses auf 19.30 Uhr dürfte ausreichend sicherstellen, dass ab 20 Uhr keine Immissionen aus dem Betrieb des Parkhauses und des An- und Abfahrtverkehrs zu erwarten sind. Dies entspricht der in § 1 des städtebaulichen Vertrags vom 7. August 2012 (S. 218 der Sachakte des Baugenehmigungsverfahrens) vorgeschlagenen Differenz von 30 Minuten zwischen Schließung des Einrichtungshauses (21.30 Uhr) und sicherem Ende der Benutzung des Parkhauses (22 Uhr).

92

Zweitens handelt es sich bei dem Beurteilungspegel, auf den sich die Immissionsrichtwerte beziehen (vgl. Nr. 2.10 TA Lärm) und der auf dem Mittelungspegel (vgl. Nr. 2.7 TA Lärm) beruht, um einen zeitlichen Mittelwert des Schalldruckpegels. Daraus folgt, dass der Beurteilungspegel kleiner wird, wenn sich bei gleichbleibendem Beurteilungszeitraum (6 bis 22 Uhr) die Einwirkungszeit durch reduzierte Öffnungszeiten verringert.

93

(b) Dies gilt auch für den nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zu berücksichtigenden Lärm des An- und Abfahrtverkehrs. Zwar ist der Beurteilungspegel für den Straßenverkehr auf öffentlichen Verkehrsflächen gemäß Nr. 7.4 Abs. 3 TA Lärm nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen - Ausgabe 1990 - RLS-90 und damit nach anderen Maßstäben als der Beurteilungspegel des Gewerbelärms zu bestimmen. Der Beurteilungspegel von Straßen wird danach aus der Verkehrsstärke, dem LKW-Anteil, der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, der Art der Straßenoberfläche und der Steigung bestimmt. Insoweit reduziert die Beschränkung der Öffnungszeiten den Beurteilungspegel nur mittelbar, in dem sie sich aller Voraussicht nach reduzierend auf die Verkehrsstärke auswirken wird. Eine Unterscheidung zwischen Zeiträumen tagsüber mit erhöhter und gewöhnlicher Sensibilität entsprechend der Regelung in Nr. 6.5 TA Lärm ist nicht vorhanden, so dass keine Reduzierung des Beurteilungspegels durch Wegfall eines Zuschlags erfolgt. Dennoch lässt sich bei der Interessenabwägung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots auch bezüglich der gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zu berücksichtigenden Verkehrsgeräusche die Wertung des Nr. 6.5 TA Lärm übertragen. Eine vorläufige deutliche Reduzierung des Verkehrslärms in Zeiträumen mit besonderer Sensibilität zwischen 20 und 22 Uhr trägt den Interessen der Antragstellerin bzw. ihrer Mieter an einem Schutz ihrer Wohnruhe vor dem Lärm des An- und Abfahrtverkehrs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hinreichend Rechnung.

94

(2) Durch die Beschränkung der Öffnungszeiten wird auch hinreichend sichergestellt, dass keine unzumutbaren Luftschadstoffimmissionen beim Betrieb des Einrichtungshauses entstehen. Zwar wirkt sich die Beschränkung auch insoweit nur mittelbar auf die prognostizierten Emissionen aus, da diese maßgeblich auf der täglichen Verkehrsstärke beruhen (vgl. S. 9 des Luftschadstoffgutachtens vom 19. Oktober 2011). Nach Auffassung des Gerichts ist aber zu erwarten, dass durch die Beschränkung der Öffnungszeiten die tägliche Verkehrsstärke in etwa soweit reduziert wird, dass selbst bei einer erhöhten Verkehrsbelastung durch einen im Vergleich zu den Annahmen der Verkehrsuntersuchungen höheren PKW-Anteil am Modal-Split, der Grenzwert des § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV beim Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden kann. Eine eingehende Prüfung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

95

(3) Hinsichtlich der Rückstaugefahr vor den Parkhauseinfahrten, die bei einer möglicherweise erhöhten Verkehrsbelastung im A-Weg im Vergleich zu den fraglichen Annahmen der Baugenehmigung zum Modal-Split nicht ausgeschlossen ist [s.o. II. 2. a) dd) (4)], sieht das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von einer weitergehenden Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Dies geschieht vor allem angesichts der in den Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten erörterten und nach Angaben der Antragsgegnerin ernsthaft in Betracht zu ziehenden geänderten Verkehrsführung im A-Weg (Möglichkeit einer zusätzlichen Abbiegespur für das Einrichtungshaus).

96

bb) Im Übrigen überwiegen die Interessen der Beigeladenen das Interesse der Antragstellerin. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Fertigstellung des genehmigten Baukörpers. Die möglicherweise beim Betrieb des Einrichtungshauses drohende unzumutbare Immissionsbelastung lässt sich aller Voraussicht nach durch organisatorische und betriebliche Maßnahmen auf ein zumutbares Maß reduzieren. Deshalb wäre ein kompletter Baustopp unverhältnismäßig. Die gegen die Art und das Maß der Nutzung und die Ausmaße des genehmigten Baukörpers selbst gerichteten Einwendungen der Antragstellerin haben aller Voraussicht nach im Hauptsacheverfahren keine Aussicht auf Erfolg [s.o. II. 2. a) aa), bb) und cc) sowie dd) (1) und (2)].

III.

97

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 VwGO sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Die Antragstellerin hat zu einem eher geringen Anteil hinsichtlich der Nutzungszeiten des Einrichtungshauses obsiegt. Diesen Anteil beziffert das Gericht mit 1/4. Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt, so dass ihr einerseits keine Kosten auferlegt werden können und es andererseits der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

98

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei hält die Kammer den in der ständigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts angewendeten Rahmen von 7.500,-- bis 30.000,-- Euro für den Streitwert einer baurechtlichen Nachbarklage in einem Hauptsacheverfahren (OVG, Beschl. v. 29.11.2006, 2 Bs 148/06, juris) für ausnahmsweise zu gering. Angesichts der Größe des Vorhabens der Beigeladenen und den 214 betroffenen Wohnungen der Antragstellerin und der erheblichen Immissionsbelastung, die von dem Vorhaben der Beigeladenen ausgehen wird, erscheint dem Gericht ein Streitwert von 40.000,-- Euro in der Hauptsache angemessen. Dieser Wert ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.

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Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 06. Jan. 2014 - 9 E 2814/13 zitiert 25 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

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(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

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(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

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(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsfl

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 11 Sonstige Sondergebiete


(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden. (2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzuste

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(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. (2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut wer

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(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass 1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwi

Baugesetzbuch - BBauG | § 212a Entfall der aufschiebenden Wirkung


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung. (2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absa

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(1) Industriegebiete dienen ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig sind. (2) Zulässig sind1.Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 48 Verwaltungsvorschriften


(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften,

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 17 Orientierungswerte für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung


Bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 16 bestehen, auch wenn eine Geschossflächenzahl oder eine Baumassenzahl nicht dargestellt oder festgesetzt wird, folgende Orientierungswerte für Obergrenzen: 1234 BaugebietGrund- flächenzahl (

Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes


Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 21. Dez. 2010 - 7 B 4/10

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Tenor Der Antrag vom 26. Juni 2015 wird abgelehnt. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Der Streitwert wird auf 7.500,-- Euro festgesetzt. Gründe

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(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 16 bestehen, auch wenn eine Geschossflächenzahl oder eine Baumassenzahl nicht dargestellt oder festgesetzt wird, folgende Orientierungswerte für Obergrenzen:

1234
BaugebietGrund-
flächenzahl (GRZ)
Geschoss-
flächenzahl (GFZ)
Bau-
massenzahl
(BMZ)
inKleinsiedlungsgebieten (WS)0,20,4
inreinen Wohngebieten (WR)
allgemeinen Wohngebieten (WA)
Ferienhausgebieten


0,4


1,2


inbesonderen Wohngebieten (WB)0,61,6
inDorfgebieten (MD)
Mischgebieten (MI)
dörflichen Wohngebieten (MDW)


0,6


1,2


inurbanen Gebieten (MU)0,83,0
inKerngebieten (MK)1,03,0
inGewerbegebieten (GE)
Industriegebieten (GI)
sonstigen Sondergebieten


0,8


2,4


10,0
inWochenendhausgebieten0,20,2

In Wochenendhausgebieten und Ferienhausgebieten dürfen die Orientierungswerte für Obergrenzen nach Satz 1 nicht überschritten werden.

(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.

(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.

(3)

1.
Einkaufszentren,
2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,
3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nummer 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1 200 m2überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.


Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 04. April 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 11.250,--€ festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin (Eigentümerin des Grundstücks N…Straße ., … K…) wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13.02.2013 (1 L 247/13.KO). Gegenstand des Rechtsstreits sind Baugenehmigungen für „eine Wohn- und Dienstleistungsanlage für Menschen mit Behinderung“ in der Nachbarschaft zu der Antragstellerin (im Gemeindegebiet St. S...), die unter dem 10.09.2012 zu Gunsten der Beigeladenen seitens der Antragsgegnerin auf der Grundlage eines vereinfachtes Genehmigungsverfahrens gemäß § 66 LBauO erteilt wurden. Grundlage der Baugenehmigung ist der Bebauungsplan der Ortsgemeinde St. S... „Am K... I“, der die Orte St. S... und K… verbindet und auf einer Größe von ca. 0,54 ha ein Allgemeines Wohngebiet (WA) u.a. mit dem Ziel aufweist „… eine selbstbestimmte W…, K… in St. S... anzusiedeln“.

2

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung näher ausgeführt, im Rahmen der Prüfung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sei auszuschließen, dass die angefochtenen Baugenehmigungen bauplanungsrechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzten, die dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt seien. Die Genehmigungen seien insbesondere nicht wegen eines Verstoßes gegen einen geltend gemachten Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin oder gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme zu beanstanden. Vor dem Hintergrund der Erfolgsaussichten des Antrags in der Hauptsache sei bei der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO der vorläufigen Realisierung der Vorzug zu geben.

3

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht insbesondere geltend, dass die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen rechtswidrig seien, da zwingend zu beachtende und drittschützende Brandschutzvorschriften bereits im Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft und in der Folge nicht umgesetzt worden seien. Dies liege bereits daran, dass die erforderlichen neuen Differenzierungen nach dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) vom 22.12.2009 (GVBl. 2009, 399) nicht beachtet worden seien. Insbesondere würden mit dem streitgegenständlichen Bauvorhaben der Beigeladenen entgegen deren Selbstverständnis keine selbstorganisierte Wohngemeinschaften i.S.d. § 6 LWTG entstehen. Bereits aus den Bauanträgen werde deutlich, dass nicht nur eine ambulante Wohn- und Betreuungsform im Sinne von § 5 Nr. 2 LWTG, sondern womöglich sogar eine Wohn- und Betreuungsform nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 LWTG angestrebt werde, was im Brandschutz ganz andere Voraussetzungen habe und daher bereits im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen sei. Im Baugenehmigungsverfahren sei es auf dieser Grundlage versäumt worden, die Frage des Brandschutzes entsprechend den Anforderungen des zuständigen Ministeriums zu prüfen, da die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund der früher gültigen Differenzierung fälschlicherweise erhöhte Brandschutzanforderungen nur für „Heime“ im bisherigen Rechtssinne für erforderlich gehalten habe. Zudem verstoße die Errichtung von derart umfänglichen Wohn- und Pflegegebäuden mit den entsprechenden Serviceeinrichtungen gegen nachbarschützende Regelungen des maßgeblichen Bebauungsplanes und das Gebot der Rücksichtnahme.

II.

4

1. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die der Beigeladenen am 10.09.2012 erteilten Baugenehmigungen zu Recht abgelehnt. Das Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung vermag zwar unter Umständen weitere Ermittlungen im Widerspruchs- und Hauptsacheverfahren zum Brandschutz, nicht jedoch die Anordnung des von dem Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13.02.2013 abgelehnten Suspensiveffekts zu rechtfertigen. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Erwägungen:

5

2. Das Verwaltungsgericht hat bereits die Grundsätze einer Interessenabwägung im Rahmen der nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung dargelegt. Hierauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden. Für die Beschwerdeinstanz gelten diese Maßstäbe entsprechend, wobei die maßgeblichen Aspekte im Rechtsmittelverfahrens zu berücksichtigen sind (§ 146 Abs. 4, Satz 1, 3 und 6 VwGO). Auch im Anwendungsbereich des § 212a BauGB hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung unter Abwägung der gegenläufigen Interessen und Beachtung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu treffen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 212a Rn. 39c), auch wenn der Gesetzgeber der sofortigen Vollziehung im Verfahren zunächst den Vorrang einräumt.

6

3. Der Bauantrag der Beigeladenen ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Maßgabe von § 66 Abs. 1 Nr. 1 LBauO genehmigt worden. Demnach kommt es im vorliegenden Verfahren darauf an, ob bauplanungsrechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO, die – zumindest auch – dem Schutz der Antragstellerin dienen, verletzt sind. Erhebliche Einwände gegen die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen – also derjenigen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens – wurden nicht vorgetragen bzw. sind im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht ersichtlich geworden („Wohngebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3 einschließlich ihrer Nebengebäude und Nebenanlagen“). Etwas anderes ergibt sich auch noch nicht aus § 50 Abs. 1 S. 1 LBauO, wonach für bauliche Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung im Einzelfall besondere Anforderungen gestellt werden können, was gemäß § 50 Abs. 2 Nr. 6 LBauO für „Krankenhäuser, Entbindungs- und Säuglingsheime, Heime für behinderte und alte Menschen“ gilt und damit ersichtlich noch nicht auf die Terminologie des LWTG angepasst worden ist. Dies ändert jedoch zunächst nichts an der Anwendbarkeit von § 66 Abs. 1 Nr. 1 LBauO bzw. gibt der Antragstellerin noch kein drittschützendes Recht auf Suspendierung der streitgegenständlichen Baugenehmigungen, was im Übrigen auch bei Anwendung der Heimmindestbauverordnung vom 11.05.1983 (BGBl I 1983, 550) der Fall wäre, solange kein Verstoß gegen nachbarschützende Normen dargelegt worden ist. Erweist sich die Anlage jedoch im weiteren Entstehen und der beabsichtigten Nutzung als bauordnungswidrig wegen unzureichendem Brandschutz, ist ihre Nutzung seitens des Antragsgegners zu untersagen. Betrifft dieser Brandschutz auch Interessen der Nachbarn, steht ihnen ein insofern Antragsrecht auf Einschreiten gegen die Bauaufsichtsbehörde zu. Auf die weiteren Ausführungen zum Brandschutz unter 6.) ist an dieser Stelle zunächst zu verweisen.

7

4. Bauplanungsrechtlich hat der Senat hat in dem parallel gelagerten Verfahren des Nachbarn der Antragstellerin (Beschluss vom 14.05.2013 – 1 B 10309/13, Wohnhaus N…Straße …) zu der Frage des Gebietserhaltungsanspruchs Folgendes ausgeführt:

8

Zunächst kann der Antragsteller nicht mit seinem Vorbringen zur Vereinbarkeit der genehmigten Bauvorhaben mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes „Am K... der Ortsgemeinde St. S... durchdringen. Da sein Grundstück nicht innerhalb dieses Bebauungsplangebietes und nicht einmal in derselben Ortsgemeinde liegt, hat er keinen Anspruch auf Wahrung der im Bebauungsplan festgesetzten Gebietsart. Wollte man dies außer Acht lassen, legt die Beschwerde zudem nicht dar, dass tatsächlich ein Verstoß gegen die planungsrechtlichen Festsetzungen des streitgegenständlichen Bebauungsplans vorliegt. Allein die Ausführungen, dass sich die planerischen Vorstellungen der Gemeinde bei Erlass des Bebauungsplans erst aus der Planbegründung ergäben und die Festsetzungen (sachwidrig) zu einem typischen allgemeinen Wohngebiet nicht differierten, sind für die Annahme einer Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht ausreichend.

9

Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass ein sog. „gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch“ nicht anzuerkennen ist. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007, NVwZ 2008, 427; BayVGH, Beschluss vom 01.07.2009, 14 ZB 07.1727 - juris). Allenfalls bei einem erkennbaren Willen des Satzungsgebers, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen, kann ein solcher gebietsübergreifender Erhaltungsanspruch eingreifen (OVG RP, Urteil vom 14.01.2000, BauR 2000, 527; BayVGH, Beschluss vom 24.03.2009, 14 Cs 08.3017 - juris). Eine solche Konstellation ist aber hier nicht dargelegt oder sonst offensichtlich, so dass an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden muss, dass auch das neue Plangebiet ein allgemeines Wohngebiet (WA) ausweist, wenn auch mit der Möglichkeit, eine Einrichtung zum Wohnen und Behandeln behinderter Menschen dort unterzubringen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.01.1997, 7 A 2175/95). Es ist damit wie bisher davon auszugehen, dass die Eigentümer von betroffenen Grundstücken nur dann die Einhaltung von bauplanungsrechtlichen Festsetzungen verlangen können, wenn sie denselben rechtlichen Bindungen unterworfen sind (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011 - 4 B 32.11). (…)

10

Selbst wenn man aber einen gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruchs anerkennen wollte, so käme dies grundsätzlich nur bei einer Abweichung von einem dem Gebietstyp des klagenden Nachbarn gleichartigen Baugebiet in Betracht (vgl. Maschke, Der Gebietserhaltungsanspruchs, Diss. 2009, Seite 162ff,167 m.w.N.), was vorliegend im Hinblick auf die genehmigte Wohnnutzung mit einer Wohnanlage für Behinderte gerade nicht der Fall ist, da es sich hier um eine gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich zulässige Einrichtung handelt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.12.1985 – 11 B 1911/85, NJW 1986, 3157; VGH BW, Beschluss vom 15.02.2006 – 8 S 2551/05, BauR 2006, 1278).

11

Daran hält der Senat fest. Auch hinsichtlich der Frage, ob dem Bebauungsplan nachbarschützende Vorschriften zu entnehmen seien, hat der Senat bereits im Parallelverfahren Stellung bezogen. Der Antragstellerin kann insbesondere nicht gefolgt werden, dass die Gemeinde entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts mit der Baugebietsfestsetzung den Zweck verfolgt habe, Nachbarn außerhalb des Baugebiets einen Anspruch auf Gebietserhaltung zu geben. Zutreffend hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass ein derartiger baugebietsübergreifender Gewährleistungsanspruch in aller Regel davon abhängt, ob sich aus der Begründung des Bebauungsplans ein entsprechender Planungswille der Gemeinde entnehmen lasse. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass sich eine solche Intention aus dem Bebauungsplan gerade nicht begründen lasse. Wörtlich heißt es im Beschluss vom 13.02.2013:

12

Im Gegenteil sind die dort formulierten Ziele, „innerhalb der Rheingemeinden St. S... und K… eine homogene, zusammenhängende Bebauung zu realisieren“ und „gleiche städtebauliche Strukturen“ zu ermöglichen ebenso wie das Planungsziel, durch eine Einschränkung der Zahl der Wohnungen „eine verdichtete Bebauung“ zu vermeiden, rein städtebaulicher Art und dienen somit gerade nicht baugebietsübergreifend dem Nachbarschutz

13

Dieser Auffassung des Verwaltungsgerichts schließt sich der Senat im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ausdrücklich an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die weiteren Ausführungen des Beschlusses der Vorinstanz vom 04.04.2013. Insbesondere kann der Aspekt der "Inklusion" des neu erschlossenen Baugebiets mit den Ortsbereichen St. S... und K…einen solchen Drittschutz nicht begründen. Dementsprechend kommt es insofern auf die weiteren Ausführungen der Antragstellerin hinsichtlich der Nichteinhaltung der bauplanungsrechtlichen Vorgaben durch die besondere Gestaltung (Trennung) der Bauanträge – die nach ihrer Auffassung nicht als getrennte Häuser sondern als einheitliches Gesundheitszentrum anzusehen seien – nicht an, so dass weitere Ausführungen entbehrlich sind.

14

5. Hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme hat die Antragstellerin angenommen, dass unzumutbare Belastungen durch die Anlagen entstehen würden. Im vorherigen Verfahren 1 B 10309/13.OVG hat der Senat hierzu ausgeführt:

15

„Im Rahmen der Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme kann der Antragsteller zunächst durch die Gebäude der Beigeladenen selbst – darauf hat bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen – offensichtlich nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden. Zumindest ist eine entsprechende Darlegung nicht erfolgt. Anhaltspunkte für eine unzumutbare Nutzung der baulichen Anlagen legt auch die Beschwerde nicht da. Der von dem Antragsteller für möglich gehaltene 24-Stunden-Betrieb von Pflegediensten bietet hierfür keinen Anhaltspunkt. Zunächst ist die Pflege innerhalb der Räume – selbst wenn sie "rund um die Uhr" erfolgen sollte – für die Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme unerheblich. Insoweit allenfalls erhebliche Störungen durch den An- und Abfahrtsverkehr, der durch die Mitarbeiter der die Bewohner der Anlage betreuenden Pflegedienste verursacht wird, können dabei einer gesonderten Betrachtung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Es ist derzeit auf der Grundlage der Beschwerde nicht ersichtlich, dass ein "worst-case-Szenario" angenommen werden müsste, bei dem der Betrieb der Beigeladenen schon im Eilverfahren als offensichtlich baurechtlich unzulässig anzusehen wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eventuelle Anfahrten zur Nachtzeit über die von dem Grundstück des Antragstellers abgeschirmten Parkplätzen erfolgen.“

16

Hieran ist auch im streitgegenständlichen Verfahren festzuhalten. Auch die Antragstellerin hat keine durchgreifenden Gründe genannt, die die Suspendierung der streitgegenständlichen Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme bzw. § 15 BauNVO schon im vorläufigen Rechtsschutzverfahrens rechtfertigen könnten. Die Befürchtung von Lärmeinwirkungen zulasten der Antragstellerin durch die Anlieferung von Lebensmitteln und sonstigen Versorgungsgütern, Transporten mit Rollstuhlfahrern sowie weitere befürchtete Belastungen durch einen häufigen Wechsel der Parkplatznutzung, – etwa durch Kurse für Menschen mit und ohne Behinderung – legen nicht im Ansatz dar, dass die bereits im Parallelverfahren geäußerten Einschätzung des Senats hinsichtlich der zu erwartenden Lärmbelastung zu revidieren sei. Dort wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine nähere Überprüfung gegebenenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben kann und eine Überschreitung der maßgeblichen Immissionswerte schon im Eilverfahren in keiner Weise feststellbar ist, so dass es bei der dort getroffenen Entscheidung zu bleiben hat.

17

6. Auch hinsichtlich der übrigen Rügen – insbesondere dem Verstoß gegen brandschutzrechtliche Bestimmungen – bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.

18

a. Eine Bauaufsichtsbehörde (hier der Antragsgegner) ist allgemein zum Erlass einer beantragten Baugenehmigung verpflichtet, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO). Die danach umfassende Prüfungspflicht der Behörde ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren jedoch dahingehend eingeschränkt, dass lediglich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens sowie dessen Vereinbarkeit mit sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu kontrollieren ist. Bauordnungsrechtliche Bestimmungen – und damit auch brandschutzrechtliche Fragen – gehören gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO hierzu nicht (vgl. OVG RP, Urteil vom 22.10.2008 – 8 A 10942/08, ESOVGRP; Jeromin, LBauO Rh-Pf., 2. Aufl. 2012, § 66 Rn. 49; Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 03.02.1999, MinBl. S. 90 zu § 66 Abs. 3 LBauO). Die Zurücknahme der präventiven Kontrolle verfolgt den Zweck der Verfahrenserleichterung bei gleichzeitiger Stärkung der Verantwortung des Bauherrn und seiner qualifizierten Beauftragten (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung zur LBauO 1986, LT-Drucks. 10/1344, S. 90; OVG RP Urteil vom 23.10.2002 – 8 A 10994/02, ESOVGRP; Jeromin, a.a.O., § 66 Rn. 57). Der gesetzlichen Einschränkung der präventiven Kontrolle durch die Bauaufsichtsbehörde korrespondiert ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung bei Vorliegen der entsprechend eingeschränkten Voraussetzungen, d.h. der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit den zum gesetzlichen Prüfungsprogramm gehörenden Vorschriften (OVG RP, Urteil vom 17.07.1996 (AS 26, 227 - LS 3 -, 8. Senat) und vom 26.09.1996 (AS 26, 267 [274 f.], 1. Senat).

19

b. Die Bauaufsichtsbehörde ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren aber in besonderen Konstellationen nicht gehindert, die in dem Verfahren nach § 66 Abs. 3 LBauO beschränkte Feststellungswirkung einer Baugenehmigung um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu ergänzen (OVG RP, Urteil vom 22.11.2011 - 8 A 10636/11), sie ist hierzu jedoch grundsätzlich im Hinblick auf die Aufteilung der Verantwortungs- und Risikosphären hierzu nicht verpflichtet (Jeromin, LBauO Rh-Pf., 2. Aufl. 2012, § 66 Rn. 55a), ebenso besteht regelmäßig kein Anspruch Dritter auf Erweiterung des Prüfprogramms im vereinfachten Genehmigungsverfahren.

20

c. Dieses Prüfprogramm versucht die Antragstellerin mit ihren umfassenden Ausführungen im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung in Frage zu stellen, was jedoch zumindest in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren ohne Erfolg bleiben muss. Die umfangreiche Argumentation der Antragstellerin läuft zusammengefasst darauf hinaus, dass der Antragsgegner bei der Bewilligung des Bauvorhabens zunächst eine ordnungsgemäße Einordnung des Vorhabens gemäß dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) vorzunehmen und sodann verbindlich die brandschutztechnischen Anforderungen an Einrichtungen zum Zwecke der Pflege oder Betreuung nach dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) gemäß Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 16.04.2012 (13214 – 4535) zu berücksichtigen hatte. Dabei habe er bereits die Einordnung fehlerhaft vorgenommen und daher die Brandschutzbestimmungen unzureichend umgesetzt, wodurch schließlich Rechte Dritter bereits in diesem Genehmigungsverfahren verletzt worden seien.

21

Abgesehen von der fehlenden Darlegung der Nichtbeachtung von Voraussetzungen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens fehlt es jedenfalls an der Darlegung einer Verletzung drittschützender Vorschriften, so dass eine Suspendierung des Bauvorhabens im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht in Betracht kommt. Die Feststellungswirkungen der Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren sind beschränkt; der Bau wird nur insoweit freigegeben, als gleichzeitig seine öffentlich-rechtliche Zulässigkeit geprüft und bejaht wird (OVG RP, Beschluss vom 18.11.1991 - 8 B 11955/91.OVG; BVerwG, Urteil vom 09. 12 1983, BRS 40 Nr. 176 - S. 392). Danach entfaltet die Genehmigung vom 10.09.2012 zu Lasten der Antragstellerin hinsichtlich eines möglicherweise unzureichenden Brandschutzkonzepts keine Genehmigungswirkung.

22

d. Soweit die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift (u.a. Seite 12, Nr. 3" Konsequenzen für den Brandschutz") beschreibt, welche Voraussetzung für eine Wohnform nach § 5 LWTG erfüllt sein müssen und was überhaupt die Voraussetzungen für die Anwendung und Abgrenzung der §§ 4 – 6 LWTG sind, ist dies im Rahmen der Baugenehmigung ohne Bedeutung. Insbesondere die Konsequenzen für den Brandschutz aus der Art der künftigen Wohnnutzung wird der Antragsgegner von Amts zu beachten haben, was sich bereits aus dem Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 16.04.2012 ergibt. In 2.1.6 dieser Dienstvorschrift ist geregelt, dass der Träger der Einrichtung (§ 7 LWTG) vor Aufnahme der Nutzung im Einvernehmen mit der Brandschutzdienststelle eine Brandschutzordnung für den Betrieb der jeweiligen Nutzungseinheit unter besonderer Berücksichtigung des Pflegebedarfs der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der gebäude- und raumspezifischen Besonderheiten zu erstellen hat, sofern es sich um eine Einrichtung im Sinne des § 5 LWTG handelt. In dieser Brandschutzordnung wären auch die Aufgaben der pflegenden oder betreuenden Personen der Wohngruppe für den Gefahrenfall, Brandschutzverhalten in der Wohngruppe und die Maßnahmen, die zur Rettung der Bewohnerinnen und Bewohner erforderlich sind (Räumungskonzept) festzulegen. Ungeachtet der brandschutztechnischen Stellungnahme der Brandschutzdienststelle des Landkreises vom 04.10.2012 (zuletzt eingereicht mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 28.06.2013) war eine solche umfassende Brandschutzordnung nicht Gegenstand der Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren und damit nicht Gegenstand dieses vorläufigen Rechtsschutzverfahrens. Gleichwohl sei im Hinblick auf die von der Antragstellerin aufgeworfene Problematik „Brandschutz und Drittbezug“ auf Folgendes hingewiesen:

23

e. Allgemein ist bei der Frage des Brandschutzes zunächst § 15 LBauO in den Blick zu nehmen. Neben dem Schutz von in dem Gebäude lebenden Menschen vor Gefahren dienen die Anforderungen des Brandschutzes auch der Bewahrung vor Beschädigung von Sachwerten. Nachbarschützenden Charakter haben die Bestimmungen des vorbeugenden Brandschutzes ohne weiteres, soweit sie sich auf die Stellung von Gebäuden und die Einhaltung von Gebäudeabständen beziehen (Jeromin, Kommentar LBauO, § 15 Rn. 35). Weitere drittschützende Vorschriften im Zusammenhang mit den Anforderungen des Brandschutzes ergeben sich aus einzelnen Bestimmungen der §§ 27ff LBauO, wie etwa § 30 LBauO, hinsichtlich der Herstellung und Ausgestaltung von Brandwänden (vgl. OVG RP, Urteil vom 22.09.1989, Az.: 8 A 29/89). Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass gesetzliche Vorschriften über den Brandschutz grundsätzlich eine nachbarschützenden Wirkung entfalten können, sofern durch sie die Ausbreitung von Feuer auf die Nachbargebäude vorgebeugt werden soll (vgl. Simon/Busse Bayer. Bauordnung, Kommentar Art. 71 Rn. 274, 279ff).

24

Dementsprechend dürfte in einem etwaigen Verfahren gegen die Antragsgegnerin, das allein die künftige Brandschutzkonzeption der Beigeladenen zum Gegenstand hat, die Argumentation zulässig sein, dass die Einordnung der Anlage nach dem LWTG offensichtlich fehlerhaft und daraus resultierend die Brandschutzmaßnahmen – soweit sie nachbarschützende Bezüge aufweisen – unzureichend seien. Zu diesem Bereich zählt auch der weitere Vortrag der Antragstellerin, dass etwa eine Zufahrt entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 1 der LBauO – was Gebäude der Gebäudeklasse 4 voraussetzt - geschaffen werden müsse und allgemein weitere Anforderungen für die Feuerwehr nicht ausreichend berücksichtigt seien, was im vorläufigen Rechtsschutzverfahrens keiner weiteren Ausführungen bedarf. Vor diesem Hintergrund scheidet es in diesem Verfahren auch aus, umfassende Ermittlungen und Erörterungen über den Grad der Selbstständigkeit der Bewohner, das Angebot der Dienstleistungen in den Wohnhäusern bzw. Einrichtungen und die Grenzen der Selbstbestimmung im Hinblick auf umfassende ambulante Dienste nach Maßgabe von §§ 4 – 6 LWTG eingehend zu prüfen. Der Verweis auf die Entscheidung des VG Oldenburg, Urteil vom 21.05.2012, 12 A 1136/11) ist daher nicht zielführend. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene – vor der Bestandskraft der Baugenehmigung – auch entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 212a BauGB von ihrer Baugenehmigung Gebrauch machen kann. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass die beabsichtigte Nutzung einen von der Genehmigung nicht umfassten Umfang haben sollte bzw. Anforderungen des Brandschutzes nicht erfüllt, fällt dies in die Risikosphäre der Beigeladenen als Investor. Es ist nicht Sache eines benachbarten Eigentümers einen Investor vor unter Umständen finanziell aufwändigen Nachbesserungen einer Baugenehmigung hinsichtlich des Brandschutzes oder anderer bauordnungsrechtlicher Belangen zu schützen.

25

Nach alledem besteht im Rahmen der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO sowie der eingeschränkten Prüfung des vorläufigen Rechtsschutzes im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 VwGO) kein Anspruch der Antragstellerin darauf, die Baugenehmigungen bis zu einer etwaigen Entscheidung in der Hauptsache zu suspendieren.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

27

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

Bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 16 bestehen, auch wenn eine Geschossflächenzahl oder eine Baumassenzahl nicht dargestellt oder festgesetzt wird, folgende Orientierungswerte für Obergrenzen:

1234
BaugebietGrund-
flächenzahl (GRZ)
Geschoss-
flächenzahl (GFZ)
Bau-
massenzahl
(BMZ)
inKleinsiedlungsgebieten (WS)0,20,4
inreinen Wohngebieten (WR)
allgemeinen Wohngebieten (WA)
Ferienhausgebieten


0,4


1,2


inbesonderen Wohngebieten (WB)0,61,6
inDorfgebieten (MD)
Mischgebieten (MI)
dörflichen Wohngebieten (MDW)


0,6


1,2


inurbanen Gebieten (MU)0,83,0
inKerngebieten (MK)1,03,0
inGewerbegebieten (GE)
Industriegebieten (GI)
sonstigen Sondergebieten


0,8


2,4


10,0
inWochenendhausgebieten0,20,2

In Wochenendhausgebieten und Ferienhausgebieten dürfen die Orientierungswerte für Obergrenzen nach Satz 1 nicht überschritten werden.

(1) Industriegebiete dienen ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig sind.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Tankstellen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.


123456789101112131415161718192021222324252627

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass

1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller oder einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Nummer 3 entsprechend gelten. Für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gilt die Verpflichtung des Satzes 1 nur, soweit sie auf die Verhinderung oder Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder von Funkanlagen ausgehende nichtionisierende Strahlen gerichtet ist.

(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Mai 2009 - 2 K 1583/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Anbringung einer Videowerbeanlage (City-Board).
Der Kläger zu 1 ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. ... (...), die Klägerin zu 2 Eigentümerin des ebenfalls mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. ... (...) auf der Gemarkung der Beklagten. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Goethestraße" der Beklagten, der insoweit ein allgemeines Wohngebiet festsetzt.
Die Beklagte erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 18.07.2006 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer „City-Board" genannten Videowerbeanlage mit laufend wechselnden Bildern auf dem mit einem mehrgeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstück Flst.Nr. ... (... ...-...). Die 4,08 m x 3,02 m große, an der westlichen Außenwand des Wohnhauses angebrachte Anlage wurde im Dezember 2006 in Betrieb genommen. Der Anbringungsort ist von den Wohnhäusern der Kläger ca. 35 bis 40 m entfernt. Das Bauvorhabengrundstück liegt nicht im räumlichen Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
Gegen die Baugenehmigung legten die Kläger jeweils Widerspruch ein.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legte die Beigeladene ein Gutachten des Sachverständigen für Lichttechnik Dr.-Ing. ... ... vom 19.02.2007 zur Beurteilung der Lichtimmissionen auf der Grundlage von Messungen für die Gebäude ... xx, xx und xx vor. Am 07.03.2007 wurden von dem Sachverständigen ergänzende Messungen vorgenommen.
In der Folgezeit erließ die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2007 als Ergänzung zur Baugenehmigung vom 18.07.2006 die Nebenbestimmung, dass das City-Board werktags maximal von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr und sonntags von 9.00 Uhr bis 20.00 Uhr betrieben werden (Nr. 1) und die Beleuchtungsstärke (Leuchtdichte) in den Dunkelstunden maximal 2 % betragen darf (Nr. 2). Als Dunkelheit galt die Zeit 30 Minuten vor Sonnenaufgang und 30 Minuten nach Sonnenuntergang, für die Berechnung der Beleuchtungsstärke galten die beigefügten Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10.05.2000).
Das Regierungspräsidium Stuttgart fasste mit Widerspruchsbescheiden vom 26.03.2008 die Baugenehmigung der Beklagten vom 11.07.2007 zur Klarstellung wie folgt:
1. Der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) darf werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr erfolgen.
2. In dieser Zeitspanne darf in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und ...) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke 1 Lux nicht überschreiten. Das ist bei der Anlage der Fall, wenn ihre Leuchtdichte auf maximal 2 % des möglichen Höchstwertes eingestellt wird. Dunkelstunden sind die Zeiten, die in die Zeitspanne von 30 Minuten nach Sonnenuntergang bis 30 Minuten vor Sonnenaufgang fallen. Für die Berechnung der Beleuchtungsstärke gelten die Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10.05.2002, beigefügt als Anlage)."
10 
Im Übrigen wurden die Widersprüche zurückgewiesen.
11 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 20.05.2009 - 2 K 1583/08 -die von Klägern erhobenen Klagen abgewiesen.
12 
Der Senat hat auf Antrag der Kläger mit Beschluss vom 23.11.2010 - 3 S 1539/09 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zugelassen.
13 
Die Kläger beantragen zuletzt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.05.2009 - 2 K 1583/08 - zu ändern und die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 18.07.2006, geändert durch Bescheid vom 11.07.2007, in der Fassung vom 27.03.2012 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 aufzuheben.
15 
Die Kläger tragen zur Begründung im Wesentlichen vor: Ein Betrieb der Videowerbeanlage sei an Feiertagen durch die Baugenehmigung in der Fassung vom 11.07.2007 nicht vorgesehen gewesen. Die Beigeladene habe sich mit einem Betrieb der Anlage in diesem Umfang bereits einverstanden erklärt. Es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn die Widerspruchsbehörde zum Nachteil der Kläger den Betrieb der Anlage auch auf Feiertage ausweite. Zudem sei der Betrieb der Werbeanlage an Sonn- und Feiertagen rücksichtlos. Die LAI-Hinweise seien Bestandteil der Baugenehmigung geworden. Der Sachverständige Dr. Ing. ... habe in seinem Gutachten vom 10.03.2007 ausgeführt, aus dem Wert Ev = 3 lx werde die zulässige vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx für höchste Ansprüche. Soweit mit der Baugenehmigung eine maximale vertikale Beleuchtungsstärke von 1 lx in den „Dunkelstunden“ als Grenzwert angegeben werde, sei dieser Wert zu hoch und übersteige die zulässige vertikale Beleuchtungsstärke nach der LAI-Hinweisen um mehr als dreifache. Des Weiteren lasse die Baugenehmigung eine Beschränkung auf einen maximal zulässigen Leuchtdichtewert hinsichtlich der Blendungswirkung vermissen. Außerdem sehe die Baugenehmigung keine Beschränkung außerhalb der „Dunkelstunden“ vor. Es träten indessen nicht nur in den Abendstunden, sondern auch am Tage regelmäßig unerträgliche Beleuchtungssituationen auf. Dies gelte insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten, da es bereits am Tage witterungsbedingt häufig dunkel sei. Eine automatische Anpassung der Leuchtstärke an das Wetter erfolge nicht. Auch beziehe sich die Beschränkung der Einstellung der Leuchtdichte des Videoboards auf 2 % lediglich auf die momentan angebrachte Werbeanlage, während die Baugenehmigung nicht die Errichtung eines bestimmten Gerätes vorsehe. Die Anknüpfung an einen Hersteller- und bauartabhängigen Wert von 2 % sei daher fehlerhaft. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe zudem auf Unterlagen, die ihnen nicht zugänglich gemacht worden seien. Bei den Gutachten handle es sich um Parteigutachten, wobei sie sich nicht grundsätzlich gegen Inhalt der Gutachten wendeten. Das genehmigte Vorhaben verstoße schließlich auch gegen § 5 BImSchG. Aus der Sicht der Kläger entspreche es dem Stand der Technik, einen Sensor zu installieren, der jeweilige Beleuchtungsstärken an die Außenhelligkeit automatisch anpasse.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie trägt zusammengefasst vor: Eine reformatio in peius zu Lasten der Kläger liege nicht vor. Die Widerspruchsbehörde habe die Nebenbestimmung zur Baugenehmigung hinsichtlich des Betriebs an Sonntagen lediglich dahin konkretisiert, dass diese Betriebseinschränkung auch feiertags gelte. Auch habe die Beigeladene nicht auf einen Betrieb an Sonn- und Feiertagen verzichtet. Die Vorgaben der LAI-Hinweise sowie des Sachverständigen Dr. Ing. ... seien hinreichend berücksichtigt worden. Dies gelte insbesondere für die zulässige vertikale Beleuchtungsstärke. Der zur Beurteilung der Lichtstärken und Blendwirkung hinzugezogene Gutachter Dr. Ing. ... führe in seinem Gutachten vom 19.02.2007 aus, dass eine Übereinstimmung der montierten Anlage mit den Hinweisen zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen in jedem Fall dann gegeben sei, wenn die Anlage auf 2 % ihrer maximalen Beleuchtungsstärke, d.h. „Brightness“, eingestellt werde. Durch die „Brightness“ Einstellung auf 2 % des möglichen Höchstwertes der Anlage werde auch die Einhaltung der maximal zulässigen mittleren Leuchtdichte sichergestellt. Entgegen der Auffassung der Kläger müsse für den Tagbetrieb kein maximaler Lichtwert vorgeschrieben werden. Im Tagbetrieb außerhalb der Dunkelstunden stelle der Betrieb des Videoboards keine unzumutbare Beeinträchtigung der Grundstücke der Kläger dar. Der Einwand der Kläger, die erlassene Nebenbestimmung würde nicht bei einem Wechsel der Anlage gelten, überzeuge nicht. Die Nebenbestimmung beziehe sich auf das konkret montierte Modell eines City-Boards. Sollte die Anlage gewechselt werden, müsste ein erneutes Genehmigungsverfahren durchlaufen und erforderlichenfalls eine neue Nebenbestimmung in Bezug auf die zulässige Art des Betriebs erlassen werden. Es entspreche nicht dem Stand der Technik, das Videoboard mit einem Lichtsensor auszustatten, damit eine automatische Anpassung der „Brightness“ Einstellung an die Lichtverhältnisse erfolgen könne.
19 
Die Beigeladene beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen
21 
Sie schließt sich den Ausführungen der Beklagten an.
22 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.03.2012 hat die Beklagte erklärt:
23 
Die Nebenbestimmung im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 wird wie folgt geändert und neu gefasst:
Nr. 1
24 
Der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) darf werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonntagen, die nicht gesetzliche Feiertage sind, maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr betrieben werden. An gesetzlichen Feiertagen in Baden-Württemberg darf das Videoboard nicht betrieben werden.
Nr. 2
25 
In dieser Zeitspanne darf in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und ... xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschreiten. Hierbei wurden die Abschläge für eine farbige und wechselnde Lichtquelle berücksichtigt. Das ist bei der Anlage der Fall, wenn ihre Leuchtdichte auf maximal 2 % „Brightness“ des möglichen Höchstwertes eingestellt wird. Dunkelstunden sind die Zeiten, die in der Zeitspanne von 30 Minuten nach Sonnenuntergang bis 30 Minuten vor Sonnenaufgang fallen. Für die Berechnung der Beleuchtungsstärke gelten die Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10.05.2000, beigefügt als Anlage).
Nr. 3
26 
Der Betreiber wird verpflichtet, durch Vorlage eines Prüfgutachtens eines anerkannten Sachverständigen bis zum 31.08.2012 nachzuweisen, dass die Nebenbestimmung Nr. 2 bei einem Betrieb in den Dunkelstunden eingehalten ist.
27 
Die Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie des Verwaltungsgerichts Stuttgart Az.: 2 K 3211/07 und 2 K 1583/08 liegen dem Senat vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
29 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
30 
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 18.07.2006 in der Fassung vom 11.07.2007 verletzt unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 die Kläger weder in bauplanungsrechtlicher (I.) noch in bauordnungsrechtlicher (II.) Hinsicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31 
I. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
32 
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend grundsätzlich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Denn das Vorhabengrundstück Flst.-Nr. ... liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Gebiets, für das außer eines sich auf die Festsetzung von Baulinien beschränkenden Stadtbauplans aus dem Jahr 1885 kein Bebauungsplan existiert.
33 
1. Den Klägern steht kein - auch für ein faktisches Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB grundsätzlich geltender - Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart zu. Zwar kommt der Art eines Baugebiets, das nach § 34 Abs. 2 BauGB aufgrund der näheren Umgebung tatsächlich in jeder Hinsicht einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete entspricht, ebenso wie der Festsetzung eines Baugebiets durch Bebauungsplan, grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zu und der Eigentümer eines im Baugebiet gelegenen Grundstücks hat als Nachbar einen - von tatsächlichen Beeinträchtigungen unabhängigen - Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011 - 4 B 32.11 -, BBB 2012, Nr. 4, 60). Der Abwehranspruch des Nachbarn wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.02.2008 - 4 B 60.07 -, NVwZ 2008, 786; Urteil vom 21.03.2002 - 4 C 1.02 -, BVerwGE 116, 155 = NVwZ 2002, 1118; Beschluss vom 13.05.2002 - 4 B 86.01 -, NVwZ 2002, 1384; Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151). Vorliegend entspricht die Eigenart der näheren Umgebung indessen keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete, sondern stellt eine Gemengelage dar, in dem der Gebietserhaltungsanspruch keine Anwendung findet. Insbesondere scheidet eine Einstufung als faktisches allgemeines Wohngebiet aus.
34 
Nach ständiger Rechtsprechung reicht die nähere Umgebung im Sinn dieser Vorschrift so weit, wie sich - erstens - die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und - zweitens - wie die Umgebung ihrerseits die bodenrechtliche Situation des Baugrundstücks prägt (BVerwG, Urteil vom 18.10.1974 - 4 C 77.73 -, NJW 1975, 460; Urteil vom 26.5.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369; Urteil vom 11.2.1993 - 4 C 15.92 -, NVwZ 1994, 285). Sie ist daher nicht auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung beschränkt, sondern bezieht auch die Bebauung in der weiteren Umgebung des Baugrundstücks ein, soweit diese noch prägend auf das Grundstück einwirkt (BVerwG, Urteil vom 19.9.1986 - 4 C 15.84 -, BVerwGE 75, 34).
35 
Gemessen daran umfasst nach den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigten Feststellungen des Verwaltungsgerichts Stuttgart in dem Erörterungstermin im Verfahren 2 K 1583/08 am 09.03.2009 die nähere Umgebung des Baugrundstücks außer der ganz überwiegend aus Wohnhäusern bestehenden Bebauung entlang der ... und dem auf dem Baugrundstück selbst vorhandenen Wohnhaus auch das nach Osten an das Baugrundstück grenzende, mit einem Geschäftshaus bebaute Grundstück ... Str. x sowie die nördlich der ... Straße gelegenen, größtenteils ebenfalls gewerblich genutzten Grundstücke. Hierzu zählen eine Filiale des Unternehmens ..., sowie (westlich davon) u.a. eine Videothek und ein Tiernahrungshandel. Weiter westlich, im Gebäude an der Ecke zur Bahnhofsstraße, findet sich eine Bankfiliale. Soweit diese östlich und nördlich des Baugrundstücks vorhandenen gewerbliche Nutzungen in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO überhaupt noch zulässig wären, stellen sie jedenfalls in diesem Bereich nach Anzahl, Umfang und Gewicht keine Ausnahme mehr dar, sondern prägen die Umgebung, so dass sich eine Einstufung als allgemeines Wohngebiet verbietet. Hinzu kommt, dass der ... als großflächiger Einzelhandelsbetrieb das Wohnen wesentlich stört, wegen seiner Größe und Auswirkungen wohl nur in einem Kern- oder Sondergebiet zulässig wäre, und aufgrund der vorwiegend gewerblichen Nutzung in diesem Bereich auch nicht als „Ausreißer" angesehen werden kann. Aufgrund der uneinheitlichen Art der Bebauung kann dieser Bereich demnach weder als allgemeines Wohngebiet noch als Mischgebiet qualifiziert werden.
36 
Nach dem damit anzuwendenden § 34 Abs. 1 BauGB hängt die Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen - objektiv-rechtlich - davon ab, ob es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ob das Vorhaben der Beigeladenen diese Voraussetzung in jeder Hinsicht erfüllt (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 16.06.2009 - 4 B 50.08 -, BauR 2009, 1564), kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens dahinstehen, weil § 34 Abs. 1 BauGB nur insoweit nachbarschützende Wirkung hat, als das in dieser Vorschrift im Tatbestandsmerkmal des „Sich-Einfügens" verankerte Rücksichtnahmegebot in seiner drittschützenden Ausprägung verletzt ist (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil v. 25.02.1977 - IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122; Urteil v. 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, DVBI 1981, 928; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.03.2012 - 3 S 223/12 -, juris).
37 
Nach welchen Maßstäben eine derartige Rücksichtslosigkeit anzunehmen ist, beurteilt sich, sofern Immissionen als Beeinträchtigungen in Rede stehen, nach den Regelungen des Immissionsschutzrechts. Eine Anlage, deren Immissionen sich in den Grenzen des der Nachbarschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG Zumutbaren halten, erweist sich auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht als nicht rücksichtslos. Es gibt kein bauplanungsrechtliches Rücksichtnahmegebot, das etwa dem Verursacher von Umwelteinwirkungen mehr an Rücksichtnahme zugunsten der Nachbarn abverlangt, als es das BImSchG gebietet. Dieses Gesetz hat vielmehr die Grenze der Zumutbarkeit für Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme auch für das Baurecht allgemein bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 -, BRS 40 Nr. 206; Urteil vom 27.08.1998 - 4 C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83, Urteil vom 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BRS 62 Nr. 86).
38 
Nach § 22 Abs. 1 BImSchG sind - nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz - nicht genehmigungsbedürftige Anlagen (vgl. § 3 Abs. 5 BImSchG) u.a. so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche, nach dem Stand der Technik vermeidbare Umwelteinwirkungen verhindert oder nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Zu den Immissionen zählt nach § 3 Abs. 2 BImSchG u.a. auch auf Menschen einwirkendes Licht. Rechtsverbindliche Vorschriften zur Bestimmung der immissionsschutzrechtlichen Erheblichkeitsgrenzen für Lichtimmissionen fehlen bisher. Die Beurteilung, wann Lichteinwirkungen zu erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führen, kann nicht anhand allgemein gültiger Grenzwerte und Bewertungsmethoden vorgenommen werden, da solche weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung bindend geregelt sind.
39 
Die vom Länderausschuss für Immissionsschutz am 10.05.2000 beschlossenen Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (im Folgenden: LAI-Hinweise) haben keine normative Wirkung und können folglich keine Allgemeinverbindlichkeit für sich beanspruchen (OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
40 
Die Zumutbarkeit von Lichtimmissionen beurteilt sich daher grundsätzlich nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat. Abzustellen ist auf den Grad der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn. Das Maß der Schutzbedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (zumutbarer Eigenschutz). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen, anders als der Schutz gegen Lärm oder Gerüche, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude oder durch Hecken oder Rankgerüste in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. Dies gilt auch deswegen, weil Lichtimmissionen oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen sind und von daher auch akzeptiert werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss v. 17.03.1999 - 4 B 14.99 -, BauR 1999, 1279). Andererseits ist die Intensität der Blendwirkung und ist das Gewicht der dem Nachbarn durch die Schutzmaßnahmen abverlangten Nutzungseinschränkungen seines Wohngrundstücks - im Innen- wie im Außenwohnbereich - in Rechnung zu stellen. Schließlich ist im Rahmen der rechtlichen Schutzwürdigkeit der Beteiligten darauf abzustellen, ob die die Blendwirkung auslösenden baulichen Maßnahmen vom materiellen Baurecht gedeckt sind oder nicht. Ob und in welchem Umfang innerhalb dieses Rahmens Abschirmmaßnahmen möglich und im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn zumutbar sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil v. 19.07.2007 - 3 S 1654/06 -, VBIBW 2008, 184). Bei Beurteilung dieser Zumutbarkeit scheidet, wie dargelegt, eine Bindung an die LAI-Hinweise mangels Allgemeinverbindlichkeit aus. Mithin dürfen die in ihnen vorgeschlagenen Mess- und Rechenverfahren, Richtwerte sowie Zu- und Abschläge nicht ungeprüft zugrunde gelegt werden. Gleichwohl ist der Senat nicht gehindert, die LAI-Hinweise als sachverständige Beurteilungshilfe und als Bewertungsmaßstab in seine Erwägungen einzubeziehen (so auch OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
41 
Die LAI-Hinweise gehen von dem nachvollziehbaren und den Senat überzeugenden Ansatz aus, dass zu den maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der durch Lichtimmissionen verursachten Belästigungen zum einen die Raumaufhellung und zum anderen die als psychologische Blendung bezeichnete Störempfindung gehören. Eine Raumaufhellung ist dann anzunehmen, wenn die Immission des Lichts zu einer signifikant erhöhten Helligkeit des Raumes mit der Folge führt, dass die Nutzung eines Wohnbereichs (etwa Schlafzimmer oder Wohnzimmer) eingeschränkt ist. Eine (psychologische) Blendung wird hingegen angenommen, wenn durch eine Lichtquelle in der Nachbarschaft zwar aufgrund der Entfernung oder Eigenart der Lichtquelle keine oder keine übermäßige Aufhellung erzeugt wird, eine Belästigung aber aus psychologischen Gründen vorliegt. Eine solche Belästigung entsteht durch die ungewollte Ablenkung der Blickrichtung zur Lichtquelle hin, die eine ständige Umadaptation des Auges auslösen kann (vgl. hierzu Nr. 3 Buchst. a und b LAI-Hinweise).
42 
Für die Zumutbarkeit der Raumaufhellung - beschrieben durch die mittlere Beleuchtungsstärke - sehen die LAI-Hinweise für Immissionsorte in reinen, allgemeinen, besonderen Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten und Erholungsgebieten (Nr. 2 der Tabelle 1) als Richtwert für den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr 3 lx und für den Zeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr 1 lx vor. Für Beleuchtungsanlagen mit veränderbaren Betriebszuständen ist der Beleuchtungszustand mit der maximalen Beleuchtungsstärke zu bewerten. In besonders auffälligen Wechsellichtsituationen (z.B. große Schwankungen der Beleuchtungsstärke), die lästiger als zeitig konstantes Licht empfunden werden, sind bei der Beurteilung der Raumaufhellung die Maximalwerte je nach Auffälligkeit mit einem Faktor 2 bis 5 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen (Nr. 4.1 der LAI-Hinweise). Strahlt die Beleuchtungsanlage intensiv farbiges Licht aus, so ist bei besonderer Auffälligkeit der Messwert mit einem Faktor 2 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen.
43 
Für die psychologische Blendung ist die mittlere Leuchtdichte der Blendlichtquelle (Ls) , die Umgebungsleuchtdichte (Lu) und der Raumwinkel (Ωs) maßgebend (vgl. LAI-Hinweise Nr. 5.1). Zur Berechnung der Werte für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte (Lmax) werden die Umgebungsleuchtdichte und der Raumwinkel zu einander in Beziehung gesetzt und mit dem in Tabelle 2 für einen bestimmten Immssionsort festgelegten Proportionalitätsfaktor k multipliziert (vgl. Nr. 5.1 der LAI-Hinweise). Die mittlere Leuchtdichte der zu beurteilenden Blendquelle (zu deren Berechnung - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Wechsellichtsituationen - vgl. Nrn. 5.1 und 5.3.1 der LAI-Hinweise) soll den nach dem zuvor beschriebenen Berechnungsmodus ermittelten Wert für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte nicht überschreiten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Leuchtdichte eine Eigenschaft einer flächigen Lichtquelle ist, die an einem entfernten Ort eine bestimmte Beleuchtungsstärke erzeugt; die Größen sind direkt proportional.
44 
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben erweist sich die streitgegenständliche Videowerbeanlage gegenüber den Klägern nicht als rücksichtslos.
45 
Das von der Beigeladenen eingeholte und auf der Grundlage der LAI-Hinweise erstellte Gutachten des Sachverständigen für Lichttechnik Dr. Ing. ... ... vom 19.02.2007 sowie die von ihm im Weiteren abgegebenen ergänzenden Stellungnahmen und Erläuterungen vom 10.03.2007, 30.09.2009, 26.01.2001 und 23.03.2012 kommen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Videowerbeanlage bei einer Einstellung des Betriebsgeräts des Videoboards während der Dunkelstunden auf eine Leuchtdichte („Brightness“) von 2 % die in den LAI-Hinweisen aufgeführten Immissionsrichtwerte einhält. Denn bei dieser Einstellung werde der nach den LAI-Hinweisen im vorliegenden Fall geltende Höchstwert der mittleren Beleuchtungsstärke von Ev = 0,3 lx in jedem Fall eingehalten. Die von dem Videoboard herrührenden Lichtimmissionen würden unter diesen Betriebsbedingungen auch mit Blick auf die maßgebende maximal tolerable Leuchtdichte der Blendlichtquelle alle Anforderungen der LAI-Hinweise erfüllen und demzufolge als zumutbar angesehen. Dies gelte auch für das Haus ... xx. Zwar fehle es insoweit an Messungen. Nach den Berechnungsergebnissen, die auf der Grundlage der für die Anwesen ... xx, xx und xx stattgefundenen Messungen beruhten, würden die Grenzwerte der Lichtrichtlinie bei einer „Brightness“-Einstellung des Videoboards auf 2 % auch für das Haus ... xx weder erreicht noch gar überschritten (vgl. die überzeugende Stellungnahme vom 30.09.2009). Für die Beurteilung der Raumaufhellung und der Berechnung der mittleren Beleuchtungsstärke ist der Gutachter hinsichtlich der Anwesen der Kläger von Nr. 2 der Tabelle 1 der LAI-Hinweise ausgegangen und hat damit - insoweit durchaus zugunsten der Kläger - als Immissionsort ein Wohngebiet zugrunde gelegt. Ferner hat der Gutachter bei der Ermittlung der mittleren Leuchtstärke den nach den LAI-Hinweisen vorgesehenen Faktor 2 für farbiges Licht berücksichtigt und für die Wechsellicht-Situation den höchst möglichen Faktor 5 eingestellt. Auch bei der Beurteilung der Blendung hat der Gutachter für die Ermittlung der mittleren Leuchtdichte mit dem Höchstfaktor 5 gerechnet. Diese Grundannahmen zeigen, dass der Gutachter für die Beurteilung der streitgegenständlichen Videowerbeanlage die Höchstanforderungen der LAI-Hinweise für Lichtimmissionen angelegt hat, seine Berechnungen daher „auf der sicheren Seite“ liegen.
46 
Hinsichtlich der Beschränkung der Leuchtdichte („Brightness“) auf 2 % in den Dunkelstunden hat der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.09.2009 ausgeführt, die vom Tageslicht erzeugten Beleuchtungsstärken erreichten Werte bis zu 100.000 lx. Bei Tageslichtberechnungen gehe man meist von einer Beleuchtungsstärke von 5.000 lx aus. Vergleiche man dies mit den bei der Einstellung „Brightness“ = 2 % erzeugten ca. 0,15 lx, erkenne man, dass die Anlage selbst dann nur ca. 3/100.000 der natürlichen Beleuchtungsstärke bewirke. Diese nachvollziehbaren - auch von den Klägern nicht in Zweifel gezogenen - Ausführungen zeigen, dass die Videowerbeanlage hinsichtlich ihrer Lichtimmissionen während der Hellstunden des Tages keine unzumutbare Beeinträchtigung bewirkt, so dass die in der Baugenehmigung nur für die Dunkelstunden ausgesprochene Betriebsbeschränkung keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Im Übrigen stellt der Gutachter in seiner Erläuterung vom 23.03.2012 klar, dass die Lichtrichtlinie wie auch die ihr zugrunde liegende LITG-Publikation naturgemäß nur für die Dunkelstunden innerhalb der Zeitgrenzen von 6.00 bis 20.00 Uhr, 20.00 bis 22.00 Uhr und 22.00 bis 6.00 Uhr gelten und gelten können.
47 
Das Gutachten sowie die zu seiner Ergänzung und Erläuterung ergangenen Stellungnahmen geben dem Senat keinen Anlass, an seiner Tragfähigkeit zu zweifeln. Die gutachterlichen Äußerungen weisen weder grobe Mängel noch unlösbare Widersprüche auf noch gehen sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen aus. Ebenso wenig bestehen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19.02.2007 - 2 B 19.07 -, Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 49; Beschluss vom 22.12.2011 - 2 B 87.11 -, juris). Insoweit ist auch auf die Ausführungen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg hinzuweisen. Diese teilte nach Übersendung des Gutachtens von Dr. ... durch das Regierungspräsidium Stuttgart am 22.01.2008 mit, dass dieses nicht zu beanstanden sei; die Beurteilung sei fachlich korrekt und nachvollziehbar durchgeführt. Auch die Kläger zeigen im Ergebnis keine Umstände auf, die die Unverwertbarkeit des Gutachtens und der weiteren Stellungnahmen begründen. Ferner stellen sie die Ergebnisse, zu denen der Gutachter gelangt ist, nicht schlüssig in Frage. Allein ihr Einwand, die Messungen seien entgegen Nr. 5.3.1.2 der LAI-Hinweise nicht in den Innenräumen vor dem Fenster vorgenommen wurden, vermag hieran nichts zu ändern. Denn in diesem Fall wäre, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, der Abstand zur Videoanlage noch größer und die Belästigung damit geringer.
48 
Die Vorgaben des Gutachters, die die Einhaltung der LAI-Anforderungen an zumutbare Lichtimmissionen gewährleisten, werden unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart nunmehr durch die Baugenehmigung vollständig umgesetzt. Nach der neu gefassten Nebenbestimmung Nr. 2 darf in der Zeitspanne, die in Nr. 1 der neu gefassten Nebenbestimmung festgelegt ist, in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier: ... xx und ...- ... xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschreiten. Gleichzeitig wird festgelegt, dass dies bei einer Einstellung der Anlage auf 2 % „Brightness“ gewährleistet ist. Damit wird insbesondere die Widersprüchlichkeit in Nr. 2 der Nebenbestimmung in der Fassung der Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidium Stuttgart beseitigt, wonach einerseits die vertikale Beleuchtungsstärke 1 lx nicht überschritten werden durfte und andererseits die Leuchtdichte auf maximal 2 % des möglichen Höchstwertes festgelegt wurde. Der Einwand der Kläger, die Beschränkung der Einstellung der Leuchtdichte des Videoboards auf 2 % beziehe sich lediglich auf die momentan angebrachte Werbeanlage, greift nicht durch. Die Nebenbestimmung bestimmt in Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 zunächst allgemein und damit für alle weiteren Anlagen, dass der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonntagen, die nicht gesetzliche Feiertage sind, maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr erfolgen und dass in dieser Zeitspanne in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschritten werden darf. Erst Satz 2 der Nr. 2 bezieht sich auf die verwendete Anlage und konkretisiert, unter welchen Bedingungen diese die Anforderungen nach Satz 1 der Nr. 2 erfüllt. Maßgebend bleibt aber für alle „erdenklichen“ Anlagen die Bestimmung über die Einhaltung der vertikalen Beleuchtungsstärke von 0,3 lx.
49 
Des Weiteren wurde in Nr. 1 Satz 2 der neugefassten Nebenbestimmung festgelegt, dass das Videoboard an gesetzlichen Feiertagen nicht betrieben werden darf, so dass sich der Einwand der Kläger, die Widerspruchsbescheide beinhalteten eine unzulässige Schlechterstellung, insoweit erledigt hat. Im Übrigen überzeugt der Einwand der reformatio in peius schon deshalb nicht, weil die Widerspruchsbehörde die Nebenbestimmung zur Baugenehmigung hinsichtlich des Betriebs an Sonn- und Feiertagen ausschließlich konkretisiert hat, nämlich dahin, dass die zunächst nur die Sonntage betreffende Betriebseinschränkung auch für Feiertage gelte. Denn nach der von der Beklagten erteilten Baugenehmigung - auch in der Fassung der Nebenbestimmung vom 11.07.2007 - hätte die Videowerbeanlage feiertags unbeschränkt betrieben werden können. Ein Verzicht der Beigeladenen auf den Betrieb der Videowerbeanlage an Sonn- und Feiertagen vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist nicht ersichtlich.
50 
Bei Einhaltung der nunmehr in Nr. 2 der neugefassten Nebenbestimmung zur Baugenehmigung aufgeführten Bedingungen, die die Beigeladene nach Nr. 3 der in der mündlichen Verhandlung erklärten Nebenbestimmung überdies durch die Vorlage eines Prüfgutachtens nachzuweisen hat, kann von einer erheblichen Belästigung der von der Videowerbeanlage ausgehenden Lichtimmissionen, die die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten, nicht ausgegangen werden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht insoweit angezeigt, als die Kläger eine Beeinträchtigung auch während derjenigen Tagstunden befürchten, in denen die Helligkeit aufgrund bestimmter Witterungsverhältnisse eingeschränkt ist. In diesen begrenzten Zeiträumen ist es den Klägern im Rahmen des sozialadäquaten und ortsüblichen Eigenschutzes zumutbar, die Auswirkungen der Werbeanlage durch Vorhänge und Rollläden abzufangen. Eine ständige Verdunklung der Räume ist damit nicht verbunden.
51 
II. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt schließlich auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.
52 
1. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals auf die unzureichenden Bauvorlagen hingewiesen haben, führt dies nicht zum Erfolg ihrer Berufung. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezug auf die maßgebende Rechtsprechung insbesondere auch des erkennenden Senats mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt, ein mit Blick auf Nachbarschutz rechtlich durchgreifender Verstoß gegen die Vorschriften über die Anforderungen an die Bauvorlagen und den Bauantrag in § 53 LBO liege nicht vor. Trotz gewisser Mängel ergebe sich aus der Baugenehmigung mit der erforderlichen Bestimmtheit, welches Bauvorhaben konkret zur Genehmigung gestanden habe. Insoweit verweist der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 117 Abs. 5 VwGO).
53 
2. Das Verwaltungsgericht hat ferner zu Recht entschieden, dass sich die Kläger nicht auf einen Verstoß gegen die Gestaltungsvorschriften des § 11 LBO berufen können, weil diese ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen und daher nicht dazu bestimmt seien, auch den Individualinteressen (insbesondere der Nachbarn) zu dienen. Sie seien demzufolge nicht nachbarschützend. Diese zutreffenden Erwägungen bedürfen seitens des Senats keiner weiteren Vertiefung.
54 
Die Berufung war nach all dem zurückzuweisen.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO. Es entsprach der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn diese hat einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen (so die nunmehr einheitliche Rechtsprechung aller Bausenate des beschließenden Gerichtshofs, vgl. zuletzt Beschluss vom 10.01.2011 - 8 S 2667/10 -, DVBl. 2011, 315 [Ls.]).
56 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 27. März 2012
58 
Der Streitwert für das Verfahren auf 15.000,-- EUR festgesetzt (§ 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [Streitwertkatalog 2004, NVwZ 2004, 1327]).
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
28 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
29 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
30 
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 18.07.2006 in der Fassung vom 11.07.2007 verletzt unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 die Kläger weder in bauplanungsrechtlicher (I.) noch in bauordnungsrechtlicher (II.) Hinsicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31 
I. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
32 
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend grundsätzlich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Denn das Vorhabengrundstück Flst.-Nr. ... liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Gebiets, für das außer eines sich auf die Festsetzung von Baulinien beschränkenden Stadtbauplans aus dem Jahr 1885 kein Bebauungsplan existiert.
33 
1. Den Klägern steht kein - auch für ein faktisches Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB grundsätzlich geltender - Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart zu. Zwar kommt der Art eines Baugebiets, das nach § 34 Abs. 2 BauGB aufgrund der näheren Umgebung tatsächlich in jeder Hinsicht einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete entspricht, ebenso wie der Festsetzung eines Baugebiets durch Bebauungsplan, grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zu und der Eigentümer eines im Baugebiet gelegenen Grundstücks hat als Nachbar einen - von tatsächlichen Beeinträchtigungen unabhängigen - Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011 - 4 B 32.11 -, BBB 2012, Nr. 4, 60). Der Abwehranspruch des Nachbarn wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.02.2008 - 4 B 60.07 -, NVwZ 2008, 786; Urteil vom 21.03.2002 - 4 C 1.02 -, BVerwGE 116, 155 = NVwZ 2002, 1118; Beschluss vom 13.05.2002 - 4 B 86.01 -, NVwZ 2002, 1384; Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151). Vorliegend entspricht die Eigenart der näheren Umgebung indessen keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete, sondern stellt eine Gemengelage dar, in dem der Gebietserhaltungsanspruch keine Anwendung findet. Insbesondere scheidet eine Einstufung als faktisches allgemeines Wohngebiet aus.
34 
Nach ständiger Rechtsprechung reicht die nähere Umgebung im Sinn dieser Vorschrift so weit, wie sich - erstens - die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und - zweitens - wie die Umgebung ihrerseits die bodenrechtliche Situation des Baugrundstücks prägt (BVerwG, Urteil vom 18.10.1974 - 4 C 77.73 -, NJW 1975, 460; Urteil vom 26.5.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369; Urteil vom 11.2.1993 - 4 C 15.92 -, NVwZ 1994, 285). Sie ist daher nicht auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung beschränkt, sondern bezieht auch die Bebauung in der weiteren Umgebung des Baugrundstücks ein, soweit diese noch prägend auf das Grundstück einwirkt (BVerwG, Urteil vom 19.9.1986 - 4 C 15.84 -, BVerwGE 75, 34).
35 
Gemessen daran umfasst nach den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigten Feststellungen des Verwaltungsgerichts Stuttgart in dem Erörterungstermin im Verfahren 2 K 1583/08 am 09.03.2009 die nähere Umgebung des Baugrundstücks außer der ganz überwiegend aus Wohnhäusern bestehenden Bebauung entlang der ... und dem auf dem Baugrundstück selbst vorhandenen Wohnhaus auch das nach Osten an das Baugrundstück grenzende, mit einem Geschäftshaus bebaute Grundstück ... Str. x sowie die nördlich der ... Straße gelegenen, größtenteils ebenfalls gewerblich genutzten Grundstücke. Hierzu zählen eine Filiale des Unternehmens ..., sowie (westlich davon) u.a. eine Videothek und ein Tiernahrungshandel. Weiter westlich, im Gebäude an der Ecke zur Bahnhofsstraße, findet sich eine Bankfiliale. Soweit diese östlich und nördlich des Baugrundstücks vorhandenen gewerbliche Nutzungen in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO überhaupt noch zulässig wären, stellen sie jedenfalls in diesem Bereich nach Anzahl, Umfang und Gewicht keine Ausnahme mehr dar, sondern prägen die Umgebung, so dass sich eine Einstufung als allgemeines Wohngebiet verbietet. Hinzu kommt, dass der ... als großflächiger Einzelhandelsbetrieb das Wohnen wesentlich stört, wegen seiner Größe und Auswirkungen wohl nur in einem Kern- oder Sondergebiet zulässig wäre, und aufgrund der vorwiegend gewerblichen Nutzung in diesem Bereich auch nicht als „Ausreißer" angesehen werden kann. Aufgrund der uneinheitlichen Art der Bebauung kann dieser Bereich demnach weder als allgemeines Wohngebiet noch als Mischgebiet qualifiziert werden.
36 
Nach dem damit anzuwendenden § 34 Abs. 1 BauGB hängt die Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen - objektiv-rechtlich - davon ab, ob es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ob das Vorhaben der Beigeladenen diese Voraussetzung in jeder Hinsicht erfüllt (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 16.06.2009 - 4 B 50.08 -, BauR 2009, 1564), kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens dahinstehen, weil § 34 Abs. 1 BauGB nur insoweit nachbarschützende Wirkung hat, als das in dieser Vorschrift im Tatbestandsmerkmal des „Sich-Einfügens" verankerte Rücksichtnahmegebot in seiner drittschützenden Ausprägung verletzt ist (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil v. 25.02.1977 - IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122; Urteil v. 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, DVBI 1981, 928; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.03.2012 - 3 S 223/12 -, juris).
37 
Nach welchen Maßstäben eine derartige Rücksichtslosigkeit anzunehmen ist, beurteilt sich, sofern Immissionen als Beeinträchtigungen in Rede stehen, nach den Regelungen des Immissionsschutzrechts. Eine Anlage, deren Immissionen sich in den Grenzen des der Nachbarschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG Zumutbaren halten, erweist sich auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht als nicht rücksichtslos. Es gibt kein bauplanungsrechtliches Rücksichtnahmegebot, das etwa dem Verursacher von Umwelteinwirkungen mehr an Rücksichtnahme zugunsten der Nachbarn abverlangt, als es das BImSchG gebietet. Dieses Gesetz hat vielmehr die Grenze der Zumutbarkeit für Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme auch für das Baurecht allgemein bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 -, BRS 40 Nr. 206; Urteil vom 27.08.1998 - 4 C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83, Urteil vom 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BRS 62 Nr. 86).
38 
Nach § 22 Abs. 1 BImSchG sind - nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz - nicht genehmigungsbedürftige Anlagen (vgl. § 3 Abs. 5 BImSchG) u.a. so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche, nach dem Stand der Technik vermeidbare Umwelteinwirkungen verhindert oder nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Zu den Immissionen zählt nach § 3 Abs. 2 BImSchG u.a. auch auf Menschen einwirkendes Licht. Rechtsverbindliche Vorschriften zur Bestimmung der immissionsschutzrechtlichen Erheblichkeitsgrenzen für Lichtimmissionen fehlen bisher. Die Beurteilung, wann Lichteinwirkungen zu erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führen, kann nicht anhand allgemein gültiger Grenzwerte und Bewertungsmethoden vorgenommen werden, da solche weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung bindend geregelt sind.
39 
Die vom Länderausschuss für Immissionsschutz am 10.05.2000 beschlossenen Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (im Folgenden: LAI-Hinweise) haben keine normative Wirkung und können folglich keine Allgemeinverbindlichkeit für sich beanspruchen (OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
40 
Die Zumutbarkeit von Lichtimmissionen beurteilt sich daher grundsätzlich nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat. Abzustellen ist auf den Grad der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn. Das Maß der Schutzbedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (zumutbarer Eigenschutz). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen, anders als der Schutz gegen Lärm oder Gerüche, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude oder durch Hecken oder Rankgerüste in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. Dies gilt auch deswegen, weil Lichtimmissionen oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen sind und von daher auch akzeptiert werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss v. 17.03.1999 - 4 B 14.99 -, BauR 1999, 1279). Andererseits ist die Intensität der Blendwirkung und ist das Gewicht der dem Nachbarn durch die Schutzmaßnahmen abverlangten Nutzungseinschränkungen seines Wohngrundstücks - im Innen- wie im Außenwohnbereich - in Rechnung zu stellen. Schließlich ist im Rahmen der rechtlichen Schutzwürdigkeit der Beteiligten darauf abzustellen, ob die die Blendwirkung auslösenden baulichen Maßnahmen vom materiellen Baurecht gedeckt sind oder nicht. Ob und in welchem Umfang innerhalb dieses Rahmens Abschirmmaßnahmen möglich und im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn zumutbar sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil v. 19.07.2007 - 3 S 1654/06 -, VBIBW 2008, 184). Bei Beurteilung dieser Zumutbarkeit scheidet, wie dargelegt, eine Bindung an die LAI-Hinweise mangels Allgemeinverbindlichkeit aus. Mithin dürfen die in ihnen vorgeschlagenen Mess- und Rechenverfahren, Richtwerte sowie Zu- und Abschläge nicht ungeprüft zugrunde gelegt werden. Gleichwohl ist der Senat nicht gehindert, die LAI-Hinweise als sachverständige Beurteilungshilfe und als Bewertungsmaßstab in seine Erwägungen einzubeziehen (so auch OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
41 
Die LAI-Hinweise gehen von dem nachvollziehbaren und den Senat überzeugenden Ansatz aus, dass zu den maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der durch Lichtimmissionen verursachten Belästigungen zum einen die Raumaufhellung und zum anderen die als psychologische Blendung bezeichnete Störempfindung gehören. Eine Raumaufhellung ist dann anzunehmen, wenn die Immission des Lichts zu einer signifikant erhöhten Helligkeit des Raumes mit der Folge führt, dass die Nutzung eines Wohnbereichs (etwa Schlafzimmer oder Wohnzimmer) eingeschränkt ist. Eine (psychologische) Blendung wird hingegen angenommen, wenn durch eine Lichtquelle in der Nachbarschaft zwar aufgrund der Entfernung oder Eigenart der Lichtquelle keine oder keine übermäßige Aufhellung erzeugt wird, eine Belästigung aber aus psychologischen Gründen vorliegt. Eine solche Belästigung entsteht durch die ungewollte Ablenkung der Blickrichtung zur Lichtquelle hin, die eine ständige Umadaptation des Auges auslösen kann (vgl. hierzu Nr. 3 Buchst. a und b LAI-Hinweise).
42 
Für die Zumutbarkeit der Raumaufhellung - beschrieben durch die mittlere Beleuchtungsstärke - sehen die LAI-Hinweise für Immissionsorte in reinen, allgemeinen, besonderen Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten und Erholungsgebieten (Nr. 2 der Tabelle 1) als Richtwert für den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr 3 lx und für den Zeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr 1 lx vor. Für Beleuchtungsanlagen mit veränderbaren Betriebszuständen ist der Beleuchtungszustand mit der maximalen Beleuchtungsstärke zu bewerten. In besonders auffälligen Wechsellichtsituationen (z.B. große Schwankungen der Beleuchtungsstärke), die lästiger als zeitig konstantes Licht empfunden werden, sind bei der Beurteilung der Raumaufhellung die Maximalwerte je nach Auffälligkeit mit einem Faktor 2 bis 5 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen (Nr. 4.1 der LAI-Hinweise). Strahlt die Beleuchtungsanlage intensiv farbiges Licht aus, so ist bei besonderer Auffälligkeit der Messwert mit einem Faktor 2 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen.
43 
Für die psychologische Blendung ist die mittlere Leuchtdichte der Blendlichtquelle (Ls) , die Umgebungsleuchtdichte (Lu) und der Raumwinkel (Ωs) maßgebend (vgl. LAI-Hinweise Nr. 5.1). Zur Berechnung der Werte für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte (Lmax) werden die Umgebungsleuchtdichte und der Raumwinkel zu einander in Beziehung gesetzt und mit dem in Tabelle 2 für einen bestimmten Immssionsort festgelegten Proportionalitätsfaktor k multipliziert (vgl. Nr. 5.1 der LAI-Hinweise). Die mittlere Leuchtdichte der zu beurteilenden Blendquelle (zu deren Berechnung - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Wechsellichtsituationen - vgl. Nrn. 5.1 und 5.3.1 der LAI-Hinweise) soll den nach dem zuvor beschriebenen Berechnungsmodus ermittelten Wert für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte nicht überschreiten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Leuchtdichte eine Eigenschaft einer flächigen Lichtquelle ist, die an einem entfernten Ort eine bestimmte Beleuchtungsstärke erzeugt; die Größen sind direkt proportional.
44 
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben erweist sich die streitgegenständliche Videowerbeanlage gegenüber den Klägern nicht als rücksichtslos.
45 
Das von der Beigeladenen eingeholte und auf der Grundlage der LAI-Hinweise erstellte Gutachten des Sachverständigen für Lichttechnik Dr. Ing. ... ... vom 19.02.2007 sowie die von ihm im Weiteren abgegebenen ergänzenden Stellungnahmen und Erläuterungen vom 10.03.2007, 30.09.2009, 26.01.2001 und 23.03.2012 kommen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Videowerbeanlage bei einer Einstellung des Betriebsgeräts des Videoboards während der Dunkelstunden auf eine Leuchtdichte („Brightness“) von 2 % die in den LAI-Hinweisen aufgeführten Immissionsrichtwerte einhält. Denn bei dieser Einstellung werde der nach den LAI-Hinweisen im vorliegenden Fall geltende Höchstwert der mittleren Beleuchtungsstärke von Ev = 0,3 lx in jedem Fall eingehalten. Die von dem Videoboard herrührenden Lichtimmissionen würden unter diesen Betriebsbedingungen auch mit Blick auf die maßgebende maximal tolerable Leuchtdichte der Blendlichtquelle alle Anforderungen der LAI-Hinweise erfüllen und demzufolge als zumutbar angesehen. Dies gelte auch für das Haus ... xx. Zwar fehle es insoweit an Messungen. Nach den Berechnungsergebnissen, die auf der Grundlage der für die Anwesen ... xx, xx und xx stattgefundenen Messungen beruhten, würden die Grenzwerte der Lichtrichtlinie bei einer „Brightness“-Einstellung des Videoboards auf 2 % auch für das Haus ... xx weder erreicht noch gar überschritten (vgl. die überzeugende Stellungnahme vom 30.09.2009). Für die Beurteilung der Raumaufhellung und der Berechnung der mittleren Beleuchtungsstärke ist der Gutachter hinsichtlich der Anwesen der Kläger von Nr. 2 der Tabelle 1 der LAI-Hinweise ausgegangen und hat damit - insoweit durchaus zugunsten der Kläger - als Immissionsort ein Wohngebiet zugrunde gelegt. Ferner hat der Gutachter bei der Ermittlung der mittleren Leuchtstärke den nach den LAI-Hinweisen vorgesehenen Faktor 2 für farbiges Licht berücksichtigt und für die Wechsellicht-Situation den höchst möglichen Faktor 5 eingestellt. Auch bei der Beurteilung der Blendung hat der Gutachter für die Ermittlung der mittleren Leuchtdichte mit dem Höchstfaktor 5 gerechnet. Diese Grundannahmen zeigen, dass der Gutachter für die Beurteilung der streitgegenständlichen Videowerbeanlage die Höchstanforderungen der LAI-Hinweise für Lichtimmissionen angelegt hat, seine Berechnungen daher „auf der sicheren Seite“ liegen.
46 
Hinsichtlich der Beschränkung der Leuchtdichte („Brightness“) auf 2 % in den Dunkelstunden hat der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.09.2009 ausgeführt, die vom Tageslicht erzeugten Beleuchtungsstärken erreichten Werte bis zu 100.000 lx. Bei Tageslichtberechnungen gehe man meist von einer Beleuchtungsstärke von 5.000 lx aus. Vergleiche man dies mit den bei der Einstellung „Brightness“ = 2 % erzeugten ca. 0,15 lx, erkenne man, dass die Anlage selbst dann nur ca. 3/100.000 der natürlichen Beleuchtungsstärke bewirke. Diese nachvollziehbaren - auch von den Klägern nicht in Zweifel gezogenen - Ausführungen zeigen, dass die Videowerbeanlage hinsichtlich ihrer Lichtimmissionen während der Hellstunden des Tages keine unzumutbare Beeinträchtigung bewirkt, so dass die in der Baugenehmigung nur für die Dunkelstunden ausgesprochene Betriebsbeschränkung keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Im Übrigen stellt der Gutachter in seiner Erläuterung vom 23.03.2012 klar, dass die Lichtrichtlinie wie auch die ihr zugrunde liegende LITG-Publikation naturgemäß nur für die Dunkelstunden innerhalb der Zeitgrenzen von 6.00 bis 20.00 Uhr, 20.00 bis 22.00 Uhr und 22.00 bis 6.00 Uhr gelten und gelten können.
47 
Das Gutachten sowie die zu seiner Ergänzung und Erläuterung ergangenen Stellungnahmen geben dem Senat keinen Anlass, an seiner Tragfähigkeit zu zweifeln. Die gutachterlichen Äußerungen weisen weder grobe Mängel noch unlösbare Widersprüche auf noch gehen sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen aus. Ebenso wenig bestehen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19.02.2007 - 2 B 19.07 -, Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 49; Beschluss vom 22.12.2011 - 2 B 87.11 -, juris). Insoweit ist auch auf die Ausführungen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg hinzuweisen. Diese teilte nach Übersendung des Gutachtens von Dr. ... durch das Regierungspräsidium Stuttgart am 22.01.2008 mit, dass dieses nicht zu beanstanden sei; die Beurteilung sei fachlich korrekt und nachvollziehbar durchgeführt. Auch die Kläger zeigen im Ergebnis keine Umstände auf, die die Unverwertbarkeit des Gutachtens und der weiteren Stellungnahmen begründen. Ferner stellen sie die Ergebnisse, zu denen der Gutachter gelangt ist, nicht schlüssig in Frage. Allein ihr Einwand, die Messungen seien entgegen Nr. 5.3.1.2 der LAI-Hinweise nicht in den Innenräumen vor dem Fenster vorgenommen wurden, vermag hieran nichts zu ändern. Denn in diesem Fall wäre, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, der Abstand zur Videoanlage noch größer und die Belästigung damit geringer.
48 
Die Vorgaben des Gutachters, die die Einhaltung der LAI-Anforderungen an zumutbare Lichtimmissionen gewährleisten, werden unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart nunmehr durch die Baugenehmigung vollständig umgesetzt. Nach der neu gefassten Nebenbestimmung Nr. 2 darf in der Zeitspanne, die in Nr. 1 der neu gefassten Nebenbestimmung festgelegt ist, in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier: ... xx und ...- ... xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschreiten. Gleichzeitig wird festgelegt, dass dies bei einer Einstellung der Anlage auf 2 % „Brightness“ gewährleistet ist. Damit wird insbesondere die Widersprüchlichkeit in Nr. 2 der Nebenbestimmung in der Fassung der Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidium Stuttgart beseitigt, wonach einerseits die vertikale Beleuchtungsstärke 1 lx nicht überschritten werden durfte und andererseits die Leuchtdichte auf maximal 2 % des möglichen Höchstwertes festgelegt wurde. Der Einwand der Kläger, die Beschränkung der Einstellung der Leuchtdichte des Videoboards auf 2 % beziehe sich lediglich auf die momentan angebrachte Werbeanlage, greift nicht durch. Die Nebenbestimmung bestimmt in Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 zunächst allgemein und damit für alle weiteren Anlagen, dass der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonntagen, die nicht gesetzliche Feiertage sind, maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr erfolgen und dass in dieser Zeitspanne in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschritten werden darf. Erst Satz 2 der Nr. 2 bezieht sich auf die verwendete Anlage und konkretisiert, unter welchen Bedingungen diese die Anforderungen nach Satz 1 der Nr. 2 erfüllt. Maßgebend bleibt aber für alle „erdenklichen“ Anlagen die Bestimmung über die Einhaltung der vertikalen Beleuchtungsstärke von 0,3 lx.
49 
Des Weiteren wurde in Nr. 1 Satz 2 der neugefassten Nebenbestimmung festgelegt, dass das Videoboard an gesetzlichen Feiertagen nicht betrieben werden darf, so dass sich der Einwand der Kläger, die Widerspruchsbescheide beinhalteten eine unzulässige Schlechterstellung, insoweit erledigt hat. Im Übrigen überzeugt der Einwand der reformatio in peius schon deshalb nicht, weil die Widerspruchsbehörde die Nebenbestimmung zur Baugenehmigung hinsichtlich des Betriebs an Sonn- und Feiertagen ausschließlich konkretisiert hat, nämlich dahin, dass die zunächst nur die Sonntage betreffende Betriebseinschränkung auch für Feiertage gelte. Denn nach der von der Beklagten erteilten Baugenehmigung - auch in der Fassung der Nebenbestimmung vom 11.07.2007 - hätte die Videowerbeanlage feiertags unbeschränkt betrieben werden können. Ein Verzicht der Beigeladenen auf den Betrieb der Videowerbeanlage an Sonn- und Feiertagen vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist nicht ersichtlich.
50 
Bei Einhaltung der nunmehr in Nr. 2 der neugefassten Nebenbestimmung zur Baugenehmigung aufgeführten Bedingungen, die die Beigeladene nach Nr. 3 der in der mündlichen Verhandlung erklärten Nebenbestimmung überdies durch die Vorlage eines Prüfgutachtens nachzuweisen hat, kann von einer erheblichen Belästigung der von der Videowerbeanlage ausgehenden Lichtimmissionen, die die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten, nicht ausgegangen werden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht insoweit angezeigt, als die Kläger eine Beeinträchtigung auch während derjenigen Tagstunden befürchten, in denen die Helligkeit aufgrund bestimmter Witterungsverhältnisse eingeschränkt ist. In diesen begrenzten Zeiträumen ist es den Klägern im Rahmen des sozialadäquaten und ortsüblichen Eigenschutzes zumutbar, die Auswirkungen der Werbeanlage durch Vorhänge und Rollläden abzufangen. Eine ständige Verdunklung der Räume ist damit nicht verbunden.
51 
II. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt schließlich auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.
52 
1. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals auf die unzureichenden Bauvorlagen hingewiesen haben, führt dies nicht zum Erfolg ihrer Berufung. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezug auf die maßgebende Rechtsprechung insbesondere auch des erkennenden Senats mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt, ein mit Blick auf Nachbarschutz rechtlich durchgreifender Verstoß gegen die Vorschriften über die Anforderungen an die Bauvorlagen und den Bauantrag in § 53 LBO liege nicht vor. Trotz gewisser Mängel ergebe sich aus der Baugenehmigung mit der erforderlichen Bestimmtheit, welches Bauvorhaben konkret zur Genehmigung gestanden habe. Insoweit verweist der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 117 Abs. 5 VwGO).
53 
2. Das Verwaltungsgericht hat ferner zu Recht entschieden, dass sich die Kläger nicht auf einen Verstoß gegen die Gestaltungsvorschriften des § 11 LBO berufen können, weil diese ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen und daher nicht dazu bestimmt seien, auch den Individualinteressen (insbesondere der Nachbarn) zu dienen. Sie seien demzufolge nicht nachbarschützend. Diese zutreffenden Erwägungen bedürfen seitens des Senats keiner weiteren Vertiefung.
54 
Die Berufung war nach all dem zurückzuweisen.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO. Es entsprach der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn diese hat einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen (so die nunmehr einheitliche Rechtsprechung aller Bausenate des beschließenden Gerichtshofs, vgl. zuletzt Beschluss vom 10.01.2011 - 8 S 2667/10 -, DVBl. 2011, 315 [Ls.]).
56 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 27. März 2012
58 
Der Streitwert für das Verfahren auf 15.000,-- EUR festgesetzt (§ 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [Streitwertkatalog 2004, NVwZ 2004, 1327]).
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften, insbesondere über

1.
Immissionswerte, die zu dem in § 1 genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen,
2.
Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist,
3.
das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen und Immissionen,
4.
die von der zuständigen Behörde zu treffenden Maßnahmen bei Anlagen, für die Regelungen in einer Rechtsverordnung nach § 7 Absatz 2 oder 3 vorgesehen werden können, unter Berücksichtigung insbesondere der dort genannten Voraussetzungen,
5.
äquivalente Parameter oder äquivalente technische Maßnahmen zu Emissionswerten,
6.
angemessene Sicherheitsabstände gemäß § 3 Absatz 5c.
Bei der Festlegung der Anforderungen sind insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt ist zu gewährleisten.

(1a) Nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung ist unverzüglich zu gewährleisten, dass für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie bei der Festlegung von Emissionswerten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Im Hinblick auf bestehende Anlagen ist innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Verwaltungsvorschrift vorzunehmen.

(1b) Abweichend von Absatz 1a

1.
können in der Verwaltungsvorschrift weniger strenge Emissionswerte festgelegt werden, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagenart die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und dies begründet wird oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden, oder
2.
kann in der Verwaltungsvorschrift bestimmt werden, dass die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen kann, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagen die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Emissionswerte und Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 dürfen die in den Anhängen der Richtlinie 2010/75/EU festgelegten Emissionsgrenzwerte nicht überschreiten.

(2) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.

3

Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.

4

Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.

5

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.

6

Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.

8

Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

11

a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.

12

b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.

13

2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

14

3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.

15

a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.

16

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

17

c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.

18

aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).

19

Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.

20

bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).

21

cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.

22

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).

23

Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.

24

Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.

25

Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).

26

dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).

27

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.

Gründe

I.

1

Die Kläger wenden sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die den Beigeladenen für die Errichtung einer Biogasanlage erteilt worden ist.

2

Die Kläger sind Eigentümer eines Wohngrundstücks im B. Weg in M., das in ca. 320 m Entfernung vom landwirtschaftlichen Betrieb der Beigeladenen liegt. Zu diesem Betrieb gehören ein genehmigter Schweinemaststall mit 560 Liegeplätzen, eine Getreidehalle und ein Güllebehälter. Die Beigeladenen sind überdies Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen im Umfang von ca. 15,8 ha und Pächter landwirtschaftlicher Flächen im Umfang von ca. 100 ha. Der anlagenbezogene LKW-Verkehr zum Betrieb der Beigeladenen führt u.a. über den T. Weg, der als Gemeindestraße gewidmet ist.

3

Im April 2002 zeigten die Beigeladenen den Immissionsschutzbehörden an, dass sie beabsichtigen, eine Biogasanlage zu errichten und ihren Schweinemastbetrieb auf 2 200 Tiere zu erweitern. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord wies den Landkreis M. nach einem Ortstermin darauf hin, dass ein gemeinsames Genehmigungsverfahren für die Biogasanlage und die Anlagen zur Erweiterung der Schweinezucht nicht in Betracht komme. Im April 2004 beantragten die Beigeladenen beim Landkreis die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Haltung von 2 200 Schweinen, die - nach Durchführung eines förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG - zunächst abgelehnt wurde. Auf die dagegen von den Beigeladenen erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht den Landkreis zur Neubescheidung. Mit Bescheid vom 27. November 2006 wurde die Genehmigung für die Erweiterung der Schweinemast auf 2 200 Tiere unter Auflagen erteilt. Nach Ziffer I, 1 der Genehmigung darf die Schweinemast nur unter der Bedingung betrieben werden, dass die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Biogasanlage vollziehbar und die Biogasanlage funktionsfähig ist.

4

Im Frühjahr 2004 beantragten die Beigeladenen beim Beklagten eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur biologischen Behandlung von nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen mit einem Durchsatz von 10 t pro Tag sowie einer Verbrennungsmotoranlage zur Erzeugung von Strom für den Einsatz von Biogas mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 bis 10 Megawatt. Ausweislich der Antragsunterlagen können in der Biogasanlage 6 600 t Gülle, 5 950 t Getreide und 100 t Abfälle aus der Landespflege vergoren und einem Blockheizkraftwerk, das abluftseitig mit Abgasschalldämpfern betrieben werden soll, zugeleitet werden. Der Schwerlastverkehr zur Anlage soll in der Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr erfolgen. Die Leistung der Anlage sollte ursprünglich 2 x 536 kW betragen. Mit Schreiben vom 18. Februar 2005 änderten die Beigeladenen den Antrag dahingehend ab, dass die installierte elektrische Leistung der Anlage 0,5 MW nicht überschreite.

5

Mit Bescheid vom 29. Juli 2005 erteilte der Beklagte im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG unter Beifügung zahlreicher Nebenbestimmungen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage. Der dagegen von den Klägern eingelegte Widerspruch wurde nach Einholung eines Gutachtens zu den Stoffströmen der geplanten Biogasanlage mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2006 zurückgewiesen.

6

Die Kläger haben gegen die Genehmigung der Biogasanlage fristgerecht Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kläger nach Einholung von Gutachten zu den Lärm- und Geruchsimmissionen zurückgewiesen: Die Genehmigung vom 29. Juli 2005 sei rechtmäßig und verletze die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Beklagte habe die Genehmigung der Biogasanlage und die Erweiterung der Schweinemast von 560 auf 2 200 Mastplätze zu Recht in zwei getrennte immissionsschutzrechtliche Verfahren aufgespalten. Die erweiterte Schweinemastanlage und die Biogasanlage stellten keine einheitliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b der 4. BImSchV dar. Technisch und rechtlich handele es sich um zwei eigenständige Anlagen und nicht um eine gemeinsame Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV. Die baurechtliche Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB verlange zwar einen Zusammenhang beider Betriebe, der vorliegend durch die schon vorhandene Schweinemast hergestellt werde. Immissionsrechtlich bestehe eine solche Verbindung aber nicht, wie schon die unterschiedlichen Genehmigungserfordernisse und die unterschiedliche Zuordnung der Biogasanlagen einerseits und Schweinemastanlagen mit einer Größe von 2 200 Mastplätzen andererseits im Anhang zur 4. BImSchV zeigten. Abgesehen davon sei die Erweiterung der Schweinemast für einen ordnungsgemäßen Betrieb der Biogasanlage technisch auch nicht erforderlich. Die in der Genehmigung für die Erweiterung der Schweinemast normierte Bedingung der Vollziehbarkeit der Genehmigung für die Biogasanlage führe ebenfalls nicht zu einer technischen Verbundenheit, sondern garantiere lediglich, dass die anfallende Gülle einer Verstromung zugeführt werden könne.

7

Zudem würden Dritte durch die Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG statt im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG auch nicht in eigenen Rechten verletzt.

8

Die Biogasanlage verstoße nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht gegen nachbarschützende immissionsschutzrechtliche Bestimmungen. Von dem Vorhaben gehe kein unzumutbarer Verkehrslärm aus. Die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV für Wohngebiete würden nach den Feststellungen des Gutachters P. in seinem Gutachten vom 1. Oktober 2008 auch während der Getreideerntezeit eingehalten.

9

Auch unzumutbare Lärmbelästigungen durch die Biogasanlage im Sinne von Ziffer 6 der TA Lärm könnten sicher ausgeschlossen werden. Angesichts der Lage des Grundstücks der Kläger in einem allgemeinen Wohngebiet an der unmittelbaren Grenze zum Außenbereich und des schon seit Jahrzehnten vorhandenen Schweinemastbetriebes erscheine es sachgerecht, einen Mittelwert zwischen Dorfgebiet und allgemeinem Wohngebiet zu bilden. Die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet würden nach dem Gutachten des Gutachters P. vom 1. Oktober 2008 sicher eingehalten.

10

Die Kläger würden durch das Vorhaben auch nicht von erheblichen Geruchsimmissionen betroffen. Dabei habe die Erweiterung der Schweinemast außer Betracht zu bleiben, weil sie Gegenstand einer gesonderten Genehmigung sei und die Geruchsimmissionen nicht der Biogasanlage unmittelbar zugeordnet werden könnten.

11

Für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen aus Biogasanlagen fehle es an rechtsverbindlichen Konkretisierungen. Mangels unmittelbarer Anwendbarkeit der VDI-Richtlinie 3471 und der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) sei die Frage der Erheblichkeit der Immissionen im gerichtlichen Verfahren primär anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Nach der Gesamtschau der dem Senat vorliegenden Gutachten und Sachverständigenstellungnahmen sei nicht damit zu rechnen, dass die Kläger auf ihrem Grundstück durch die Biogasanlage unzumutbaren Geruchsimmissionen ausgesetzt wären. Nach dem Geruchsgutachten und der Ammoniakprognose des Ingenieurbüros R. von Januar 2004 sei im Hinblick auf die Erweiterung der Schweinemast auf 2 200 Mastplätze davon auszugehen, dass auf keiner Beurteilungsfläche mit geschlossener Wohnbebauung eine Wahrnehmungshäufigkeit von 0,10 (entsprechend 10 % der Jahresstunden) erreicht oder überschritten werde und auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Ammoniakimmissionen vorlägen. Auch der Gutachter Prof. St. sei in seinem Gutachten vom 30. Dezember 2008 davon ausgegangen, dass bei keiner der vier beauftragten Betriebsvarianten mit erheblichen Geruchsimmissionen durch die Biogasanlage zu rechnen sei.

12

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, die auf grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensrügen gestützt ist.

II.

13

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

14

Die Revision ist weder wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

15

1. a) Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt, betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffs (vgl. § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie erfordert den schlüssigen Vortrag, dass zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unbestrittenen Akteninhalt ein Widerspruch gegeben sei. Der Widerspruch muss offensichtlich sein. Diese Voraussetzungen sind erforderlich, weil eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (Beschluss vom 31. Mai 2010 - BVerwG 4 BN 15.10 - juris Rn. 8). Davon ausgehend ist der Vorwurf aktenwidriger Sachverhaltsfeststellungen nicht gerechtfertigt.

16

Die Beschwerde wirft dem Oberverwaltungsgericht vor, es habe seiner rechtlichen Prüfung eine immissionsrechtliche Genehmigung für eine Biogasanlage zugrunde gelegt, die mit dem vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Inhalt nicht erteilt worden sei. Dieser Vorwurf ist unzutreffend. Er findet in den von der Beschwerde zitierten Formulierungen auf den S. 15, 25 und 18 der Urteilsgründe keine Stütze. Die Ausführungen auf S. 15 der Urteilsgründe behandeln die Frage, ob die Schweinemastanlage mit 2 200 Tierplätzen und die Biogasanlage eine einheitliche Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV darstellen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht u.a. mit der Begründung verneint, dass die Erweiterung der Schweinemast für einen ordnungsgemäßen Betrieb der Biogasanlage im Hinblick auf den geringen energetischen Ertrag von Schweinegülle technisch nicht erforderlich sei. Dementsprechend sei die Genehmigung vom 27. November 2006 für eine erweiterte Schweinemast mit 2 200 Mastplätzen hinsichtlich der Beurteilung der Biogasanlage auch insoweit nicht von Belang. Insbesondere führe die dort normierte Bedingung der Vollziehbarkeit der Biogasanlage (Ziffer I, 1) nicht zu einer technischen Verbundenheit, sondern garantiere lediglich, dass die anfallende Gülle auch im Falle der Erweiterung der Schweinemast einer Verstromung zugeführt werden kann. Der Sache nach richtet sich die Rüge der Aktenwidrigkeit demnach nicht gegen offenkundig aktenwidrige Tatsachenfeststellungen, sondern gegen die rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, dass es an einer technischen Verbundenheit von Schweinemast und Biogasanlage fehle. Dies gilt auch für die weiter zitierte Passage auf S. 25 der Urteilsgründe, wonach die Erweiterung der Schweinemast jedenfalls bei der Prüfung der Geruchsemissionen außer Betracht zu bleiben habe, weil sie Gegenstand einer gesonderten Genehmigung sei und die Geruchsemissionen nicht der Biogasanlage unmittelbar zugeordnet werden können.

17

Auch die beanstandete Formulierung auf S. 18 der Urteilsgründe, wonach die Gülle in jeder Betriebsvariante vollständig dem Verfahren der Biogaserzeugung zur Verfügung gestellt werde, was für den hier zunächst maßgeblichen Ist-Betrieb (560 Mastplätze mit Biogasanlage) offenkundig sei und wovon auch in den Zielbetrieben mit 2 200 Mastplätzen ohne Weiteres ausgegangen werden könne, kann nicht als Beleg für aktenwidrige Sachverhaltsfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts dienen. Die Kläger übersehen, dass es für das Oberverwaltungsgericht entscheidungserheblich nicht darauf ankam, ob der Schweinestall mit 560 oder 2 200 Mastschweinen betrieben wird, weil die Genehmigung für die Biogasanlage nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts die Erweiterung des Schweinemastbetriebes nicht zum Gegenstand hat. Die Beschwerde hält diese Würdigung unter Hinweis auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2006 zum Stichwort Privilegierung (S. 7) für falsch. Auch dieses Vorbringen erschöpft sich aber in Wahrheit darin, die tatrichterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als fehlerhaft anzugreifen.

18

b) Die Revision ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) zuzulassen.

19

Die Kläger rügen einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht, den sie darin erblicken, dass das Oberverwaltungsgericht ihrem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, eine Ausbreitungsrechnung erstellen zu lassen, nicht nachgegangen ist. Eine solche Ausbreitungsrechnung habe auch der vom Gericht bestellte Gutachter Prof. St. für erforderlich gehalten. Die Sachlage sei insoweit weder durch die Stellungnahme des Ingenieurbüros R. von Januar 2004 noch die Stellungnahme der SGD vom 26. Juni 2009 hinreichend geklärt. Vielmehr sei aufgrund des Beweisantrages der gerichtlich bestellte Sachverständige aufgerufen gewesen, die von ihm selbst als fehlend bemängelte Ausbreitungsrechnung durchzuführen. Ohne Ausbreitungsrechnung könne nicht verlässlich ausgeschlossen werden, dass die Kläger von unzumutbaren Geruchsimmissionen betroffen werden. Das nicht eingeholte Gutachten wäre zu dem Ergebnis gelangt, dass selbst bei Bildung eines Mittelwertes im Bereich des Wohnhauses der Kläger aber auch der Außenflächen unzumutbare Immissionen angekommen wären, insbesondere die Geruchshäufigkeit über 15 % der Jahresstunden gelegen hätte.

20

Mit diesem Vorbringen ist ein Aufklärungsmangel nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Zwar trifft zu, dass der Sachverständige Prof. St. in seinem Gutachten vom 30. Dezember 2008 (S. 59) ausgeführt hat, die Frage, wie sich die Geruchsstoffemissionen in dem topografisch stark gegliederten Gelände bei den Klägern immissionstechnisch bemerkbar machen werden, sei letztendlich nur über eine Ausbreitungsrechnung zu beantworten. Das Oberverwaltungsgericht hat sich seine Überzeugung, dass die Kläger durch die Errichtung der Biogasanlage nicht von erheblichen Geruchsimmissionen betroffen werden, aber nicht nur auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. St., sondern auch der im Genehmigungsverfahren eingeholten gutachterlichen Stellungnahme des Ingenieurbüros R. von Januar 2004 und einer fachlichen Stellungnahme des Beklagten vom 26. Juni 2009 gebildet (vgl. UA S. 26 - 31). Nach der Ausbreitungsrechnung des Ingenieurbüros R. von Januar 2004 werden die Kläger bei Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebes nicht von unzumutbaren Geruchsimmissionen betroffen. Zum selben Ergebnis gelangt auch eine Ausbreitungsrechnung, die der Beklagte auf der Grundlage der vom Sachverständigen Prof. St. in seinem Gutachten vom 30. Dezember 2008 ermittelten Geruchsfrachten vorgenommen und mit Schriftsatz vom 26. Juni 2009 in das gerichtliche Verfahren eingeführt hat. Danach wird der Immissionswert für Wohn-/Mischgebiete von 0,10 am Gebäude der Kläger unterschritten. Die Beschwerde legt nicht dar, warum das Oberverwaltungsgericht diese Stellungnahmen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen durfte, sondern eine weitere Ausbreitungsrechnung des Sachverständigen Prof. St. hätte einholen müssen. Grundsätzlich verwehren es weder das Gebot des § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, noch der Grundsatz der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO dem Tatsachengericht, sich bei der rechtlichen Würdigung auf Tatsachenvortrag der Beteiligten, namentlich die von einer Behörde mit besonderer Fachkunde erstellten oder im Verwaltungsverfahren eingeholten Unterlagen zu stützen (vgl. Beschlüsse vom 24. August 1987 - BVerwG 4 B 129.87 - Buchholz 442.08 § 36 BbG Nr. 12 = juris Rn. 43 und vom 13. März 1992 - BVerwG 4 B 39.92 - NVwZ 1993, 268 = juris Rn. 5). Unterbleibt die Einholung von (zusätzlichen) Gutachten, liegt darin nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann ein Aufklärungsmangel, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste. So sind Gutachten und fachtechnische Stellungnahmen ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden Voraussetzungen ausgehen, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (stRspr; Beschluss vom 3. Februar 2010 - BVerwG 7 B 35.09 - juris Rn. 12 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass eine dieser Fallgestaltungen hier vorliegt, hat die Beschwerde nicht dargetan.

21

Das Vorbringen der Kläger, dass eine solche Ausbreitungsrechnung schon deswegen veranlasst gewesen sei, weil die Mindestabstände der TA Luft von 286 m (2 200 x 0,13) zwischen Schweinemaststall und Wohnanwesen der Kläger (Ziff. 5.4.7.1) sowie 300 m zwischen Kofermentationsanlagen und Wohnbebauung (Ziff. 5.4.8.6.1) nicht eingehalten seien, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach den von den Klägern nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts steht das Wohnhaus der Kläger im B. Weg 13 mehr als 300 m von der geplanten Anlage entfernt (vgl. UA S. 2 und S. 26 unten, S. 27 oben). Dies deckt sich auch mit den Entfernungsangaben im Gutachten des Sachverständigen Prof. St. vom 30. Dezember 2008 (S. 27 oben), wonach der geringste Abstand der Biogasanlage zum Anwesen der Kläger im B. Weg 13 305 m beträgt. Auch in der Beschwerdebegründung ist auf Seite 2 ausgeführt, dass das Wohngebäude der Kläger ca. 300 m entfernt sei. Vor diesem Hintergrund kann von einer Nichteinhaltung der Mindestabstände keine Rede sein.

22

2. Die Revision kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden.

23

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Daran fehlt es hier.

24

a) Die Kläger halten für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob die Biogasanlage und der die Gülle liefernde Mastschweinestall aufgrund des räumlich-funktionalen Zusammenhangs im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b) BauGB Anlagenteile einer einheitlichen Anlage im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 oder Nebeneinrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV sind.

25

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie sich in einem Revisionsverfahren auf der Grundlage des vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts so nicht stellen würde. Die Regelungen in § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der 4. BImSchV haben, wie aus dem Umkehrschluss von § 1 Abs. 4 der 4. BImSchV folgt, nur für solche Anlagenteile oder Nebeneinrichtungen Bedeutung, die nicht schon von sich aus nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftig sind (Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 1, Stand August 2010, § 4 BImSchG Rn. 24; Böhm, in: Koch/Pache/Scheuing, GK-BImSchG, Stand Oktober 2010, § 4 Rn. 56). Dies trifft nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts weder auf die Biogasanlage noch die erweiterte Schweinemast zu. Für die übrigen Anlagen enthält § 1 Abs. 4 der 4. BImSchV einen klarstellenden Hinweis. Danach ist für genehmigungsbedürftige Anlagen, die entweder als Nebeneinrichtung oder als Teile in einem Unterordnungsverhältnis zu einer genehmigungspflichtigen Hauptanlage stehen, nur eine - Haupt- und Nebenanlage umfassende - Genehmigung erforderlich. Die Form des Genehmigungsverfahrens wird durch § 2 Abs. 1 der 4. BImSchV bestimmt. Die Vorschrift stellt klar, dass Anlagen in Spalte 2 des Anhangs nicht dem vereinfachten Verfahren unterliegen, wenn sie Teile der in Spalte 1 des Anhangs genannten Anlagen sind (BRDrucks 226/85, S. 42, 43). Ist auch nur eine der Anlagen in Spalte 1 des Anhangs aufgeführt, wird das Genehmigungsverfahren insgesamt mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt (vgl. Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 2, Stand März 2010, § 1 4. BImSchV Rn. 37; Bd. 1, Stand August 2010, § 4 BImSchG Rn. 26). D.h., ein förmliches Verfahren für eine Gesamtanlage ist auch dann durchzuführen, wenn die Nebeneinrichtung dem förmlichen Verfahren und die Haupteinrichtung dem vereinfachten Verfahren unterliegt (Ludwig, a.a.O. § 2 4. BImSchV Rn. 11).

26

b) Auch soweit die Beschwerde bei wohlwollender Auslegung die Frage als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig und -fähig aufwerfen will,

ob eine nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierte Biogasanlage grundsätzlich als Teil oder Nebeneinrichtung einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlage zu qualifizieren ist,

kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht in Betracht. Unter welchen abstrakten Voraussetzungen eine Anlage als Teil oder Nebeneinrichtung einer anderen Anlage anzusehen ist, ist geklärt. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist anhand der jeweiligen Einzelfallumstände zu klären und entzieht sich einer generellen Beantwortung.

27

Zum Kernbestand einer genehmigungsbedürftigen Gesamtanlage gehören alle Teilanlagen, die bei den zur Erreichung des jeweiligen Betriebszwecks (Herstellung, Gewinnung, Verarbeitung, Bearbeitung) notwendigen Verfahrensschritten eingesetzt oder benutzt werden. Der Kernbestand setzt sich aus dem Anlagenkern und den sonstigen wesentlichen Bestandteilen zusammen. Zum Anlagenkern gehören die Haupteinrichtungen, in denen der durch den Betriebszweck gekennzeichnete eigentliche Betriebsvorgang stattfindet (z.B. Reaktionsbehälter, Rohrleitungen, Antriebsmotoren, Brenner, Gebläse). Zu den sonstigen wesentlichen Bestandteilen gehören die übrigen Betriebseinheiten, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind, insbesondere Hilfseinrichtungen wie Meß-, Steuer- und Regeleinrichtungen sowie Sicherheitsvorkehrungen wie Sicherheitsventile und Abschaltvorkehrungen (Feldhaus, a.a.O. § 4 Rn. 22, 23; Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 7 C 71.82 - BVerwGE 69, 351 = Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 2 = juris Rn. 10).

28

Demgegenüber haben Nebeneinrichtungen keine Verfahrensschritte zum Gegenstand, die zur Erreichung des Betriebszwecks unmittelbar erforderlich sind, sie sind aber auf diesen Zweck hin ausgerichtet. Im Verhältnis zum Kernbestand haben sie eine "dienende" Funktion. Auf die Notwendigkeit der Nebeneinrichtung für das Funktionieren der Hauptanlage kommt es nicht an. Maßgebend ist die tatsächliche Einbeziehung in den auf die Hauptanlage bezogenen und von diesem bestimmten Funktionszusammenhang. Ob eine (Teil-)Anlage als Nebeneinrichtung zu qualifizieren ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist, ob die Anlage im Einzelfall für den Betrieb der Kernanlage bedeutsam ist (Ludwig, in: Feldhaus a.a.O. § 1 4. BImSchV Rn. 34; Urteil vom 6. Juli 1984 a.a.O.).

29

Auch die Frage, ob eine dem Privilegierungstatbestand nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB unterfallende Biogasanlage Teil oder Nebeneinrichtung einer Tierhaltungsanlage ist, ist grundsätzlich anhand der jeweiligen Einzelfallumstände zu beurteilen. Etwas anderes folgt nicht ohne Weiteres aus dem von § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB geforderten räumlich-funktionalen Zusammenhang zwischen landwirtschaftlichem Betrieb und Biogasanlage. Dieser räumlich-funktionale Zusammenhang bedingt zwar nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur die Nähe des Vorhabens zur Hofstelle, sondern bezieht sich auch auf die Möglichkeit der Verwendung in der Anlage anfallender Reststoffe als Dünger auf den Betriebsflächen und insbesondere die gemeinsame Nutzung bestehender baulicher Anlagen im Betrieb der Hofstelle und der Biogasanlage (Urteil vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 7 C 6.08 - BVerwGE 132, 372 ff. = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 378 = juris Rn. 20). Das Tatbestandsmerkmal "im Rahmen eines Betriebes" in § 35 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 1 BauGB verlangt aber nur, dass die Biogasanlage im Anschluss an eine bereits bestehende privilegierte Anlage im Außenbereich errichtet und betrieben werden darf. Ihm kann dagegen nicht entnommen werden, dass die Biogasanlage gegenüber dem klassischen landwirtschaftlichen Basisbetrieb, an den angeknüpft wird, von untergeordneter Bedeutung sein muss. Das in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB enthaltene Merkmal des "Dienens" kann auf § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ebenso wenig übertragen werden wie die (räumliche) Beschränkung der Anlage auf die Maße einer noch zulässigen "mitgezogenen" Nutzung (Urteil vom 11. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 18, 19). Umgekehrt lässt sich aus dem Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB erst recht nicht herleiten, dass die Tierhaltungsanlage Teil oder Nebeneinrichtung der Biogasanlage ist.

30

Es versteht sich von selbst und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass es für die anhand der Einzelfallumstände vorzunehmende Beurteilung, ob eine Biogasanlage den Charakter einer Nebeneinrichtung hat, u.a. darauf ankommt, ob und inwieweit die Biogasanlage dem Betreiber zur Verwertung seiner tierischen Nebenprodukte dient, ob und inwieweit der Betreiber die durch die Produktion des Biogases erzeugte Energie in seinem Betrieb nutzt, welche Größe die jeweiligen Einrichtungen haben, welches Verhältnis der Eigenanteil an der Gesamteinsatzmenge oder der eigen genutzten Energie hat oder wie die Gärrückstände verwertet werden. Allein ein betriebstechnischer Zusammenhang reicht nicht aus (vgl. Peine/Knopp/Radcke, Das Recht der Errichtung von Biogasanlagen, 2009, S. 52, 53).

31

Davon ausgehend mag Einiges dafür sprechen, dass eine nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierte Biogasanlage bei Anlegung der vorgenannten immissionsschutzrechtlichen Maßstäbe in der Regel als Nebeneinrichtung des landwirtschaftlichen Betriebes, dem sie räumlich-funktional zugeordnet ist, qualifiziert werden kann. Dies ändert aber nichts daran, dass die Frage, ob die Biogasanlage dem landwirtschaftlichen Betrieb dient, zuverlässig nur unter Würdigung der jeweiligen Einzelfallumstände beurteilt werden kann.

32

c) Auch die weiter als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,

ob die Geruchs-Schutzwürdigkeit ausgewiesener Wohngebiete in Randlagen zum Außenbereich gegenüber privilegierten Außenbereichsvorhaben, insbesondere der Landwirtschaft, im Sinne einer Mittelwertbildung gemindert ist und die Geruchsimmissionen aus landwirtschaftlicher Tierhaltung "privilegierter" sind als andere Immissionen,

rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Die aufgeworfene Frage kann nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortet werden. Ob eine Wohnnutzung in Randlage zum Außenbereich gegenüber einem privilegierten Außenbereichsvorhaben eine verminderte Schutzwürdigkeit genießt, ist unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist in der Rechtsprechung geklärt, dass bei städtebaulichen Konflikten in sog. Gemengelagen, also mit aufeinanderprallenden, unterschiedlichen Nutzungen, im Rahmen (und zur Umsetzung) des Rücksichtnahmegebots auch bei Geruchsimmissionen eine Art Mittelwert (der Richtwerte der benachbarten Baugebiete) zu bilden ist. Dieser Mittelwert ist der Sache nach nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte, vielmehr handelt es sich um einen "Zwischenwert" für die Bestimmung der Zumutbarkeit (Beschluss vom 28. September 1993 - BVerwG 4 B 151.93 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 119). Bei einem solchermaßen zu gewinnenden Mittelwert müssen zur Bestimmung der Zumutbarkeit zudem die Ortsüblichkeit und die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, wobei insbesondere auch die Priorität der entgegenstehenden Nutzung von Bedeutung ist (Beschluss vom 12. September 2007 - BVerwG 7 B 24.07 - juris Rn. 4). Wesentliches Kriterium für die Höhe des Zwischenwertes und damit für die konkrete Schutzbedürftigkeit eines zum Wohnen dienenden Grundstücks ist, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht worden ist. Ob der emittierende Betrieb an das dem Wohnen dienende Gebiet herangerückt ist oder ob sich das zum Wohnen dienende Gebiet - umgekehrt - in Richtung auf den emittierenden Betrieb ausgeweitet hat, beurteilt sich nach tatsächlichen, von der Würdigung konkreter Begebenheiten des Einzelfalls abhängender Faktoren und hebt somit nicht auf eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ab (Beschluss vom 12. September 2007 a.a.O. Rn. 6, 7).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.