Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 11. Aug. 2016 - 9 E 2713/16

bei uns veröffentlicht am11.08.2016

Tenor

Der Antrag vom 17. Juni 2016 wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 10.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohngebäudes mit 11 Wohneinheiten.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstückes …. Unmittelbar westlich liegt das Grundstück …, das mittlerweile in das unmittelbar an die … Straße grenzende Vorhabengrundstück … und das nördlich angrenzende … geteilt wurde. Das Grundstück der Antragstellerin und das Vorhabengrundstück liegen im Geltungsbereich des Durchführungsplans …, der für beide im vorderen Grundstücksbereich mittels Baulinien ein 12 m tiefes Baufenster als Geschäftsgebiet mit dreigeschossiger geschlossener Bebauung (G3g) festsetzt. Nördlich an dieses Baufenster schließt sich auf beiden Grundstücken unmittelbar ein weiteres insgesamt ca. 30 m tiefes und 20 m breites Baufenster an, das ebenfalls als Geschäftsgebiet mit eingeschossiger geschlossener Bebauung (G1g) festgesetzt ist.

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Das Grundstück der Antragstellerin ist im vorderen Grundstücksbereich aufgrund einer Baugenehmigung aus dem Jahre 1992 mit einem fünfgeschossigen Gebäude bebaut, in dessen Erdgeschoss gewerbliche Nutzungen und in dessen oberen Geschossen Wohnungen genehmigt wurden. Nördlich anschließend befindet sich direkt an der Grenze zum Vorhabengrundstück ein Gewerbebau, der im Wesentlichen innerhalb des eingeschossigen Baufeldes im rückwärtigen Grundstücksbereich liegt. Östlich dieses Gewerbebaus bis zur östlichen Grundstücksgrenze befindet sich ein Innenhof. An der rückwärtigen nördlichen Grundstücksgrenze steht ein zweigeschossiges gewerblich genutztes Gebäude. Das Vorhabengrundstück war bisher entlang der östlichen Grundstücksgrenze mit einem zweigeschossigen, gewerblich genutzten Gebäude bebaut, das rückwärtig in den als eingeschossiges Geschäftsgebiet festgesetzten Bereich hineinragte.

4

Im Jahre 2013 beantragte der Beigeladene zu 1) einen Vorbescheid für den Neubau eines viergeschossigen Wohngebäudes mit Staffelgeschoss und insgesamt 31 Wohneinheiten entlang der gesamten östlichen Grundstücksgrenze auf dem damals noch ungeteilten Flurstück ….

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Im Rahmen der Nachbarbeteiligung trug die Antragstellerin vor, dass sich im rückwärtigen Grundstücksbereich eine Kfz-Werkstatt und im vorderen Grundstücksbereich zwei weitere nicht geräuschlose Gewerbeeinheiten befänden. Es seien Nachbarschaftsstreitigkeiten wegen Lärmbelästigungen der Bewohner der neu zu errichtenden Wohnungen zu befürchten.

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Mit Vorbescheid vom 6. Mai 2014 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen zu 1) eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB für eine Wohnnutzung im Geschäftsgebiet in den oberen Geschossen des vorderen Gebäudes und für das Überschreiten der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse um ein Voll- und ein Staffelgeschoss im vorderen Bereich, unter der Bedingung, dass u.a. das Erdgeschoss des vorderen Gebäudes gewerblich genutzt werde. Für das Überschreiten der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse im hinteren Grundstücksteil und für das Errichten des Wohngebäudes auf nicht überbaubarer Fläche erteilte sie keine Abweichung. Beides sei städtebaulich nicht vertretbar. Der Vorbescheid wurde der Antragstellerin nicht bekanntgegeben.

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Im Anschluss wurde das Flurstück … in das Flurstück … und das Vorhabengrundstück, das die Beigeladenen erwarben, geteilt. Im November 2014 beantragten die Beigeladenen eine Baugenehmigung im Verfahren nach § 62 HBauO für die Errichtung eines deutlich kleineren viergeschossigen Wohngebäudes mit Staffelgeschoss auf demVorhaben-grundstück. Das Gebäude soll 11 Wohneinheiten und Gewerbeflächen im Erdgeschoss enthalten und die Zufahrt soll über das westlich gelegene Flurstück … verlaufen. Im Bereich des Staffelgeschosses soll das Gebäude 15,6 m hoch sein und damit die gleiche Höhe wie das fünfgeschossige Gebäude im vorderen Teil des Grundstücks der Antragstellerin aufweisen. Entlang der östlichen Grundstücksgrenze befindet sich der geplante Baukörper weitgehend innerhalb des dreigeschossig festgesetzten Baufelds und überschreitet lediglich die vordere straßenseitige Baulinie auf einer Breite von 6,25 m um etwa 1 m. Dieselbe Überschreitung findet sich bereits am Gebäude der Antragstellerin. Der nordwestliche Teil des geplanten Baukörpers überschreitet auf einer Breite von 8,49 m die hintere Baulinie des mit dreigeschossiger Bebauung festgesetzten Baufeldes um 6 m in einer Entfernung von 5,51 m von der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin. Das Staffelgeschoss ist in diesem, die hintere Baulinie überschreitenden Gebäudeteil so ausgerichtet, dass die Dachterrasse nach Westen vom Grundstück der Antragstellerin abgewandt liegen wird. In der dem Grundstück der Antragstellerin zugewandten östlichen Wand dieses Gebäudeteils befinden sich weder Fenster noch Balkone.

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Im März 2015 teilte die Antragstellerin mit, dass sie das geplante Vorhaben auch wegen der befürchteten Verschattung ihres Grundstücks ablehne.

9

Am 8. Juni 2015 erteilte die Antragsgegnerin den Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Diese enthält u.a. in Ziffer 2.1 die „nachrichtliche Übernahme“ einer Befreiung für das Abweichen von der zulässigen geschlossenen Bauweise im rückwärtigen Baufeld „G1g“. Diese sei „bereits im Vorbescheid erteilt“ worden. Außerdem enthält sie die aufschiebende Bedingung, dass von der Baugenehmigung erst Gebrauch gemacht werden dürfe, wenn sich u.a. die Antragstellerin zur Sicherung der Abstandsflächen mit der Eintragung von Baulasten einverstanden erklärt.

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Da die Antragstellerin nicht mit der Eintragung einer Baulast einverstanden war, planten die Beigeladen das Dach des Staffelgeschosses des rückwärtigen über die hintere Baulinie hinausgehenden Gebäudeteils um. Dieses Dach, das zunächst als Flachdach geplant war, soll nunmehr nach Osten zum Grundstück der Antragstellerin hin eine Dachneigung von 68 Grad aufweisen.

11

Gegen die Baugenehmigung legte die Antragstellerin Widerspruch ein und trug zur Begründung ergänzend vor, dass sie in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt werde. In einem Geschäftsgebiet sei eine Wohnnutzung grundsätzlich unzulässig. Sie könne sich gegen das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr setzen, weil auf ihrem Grundstück eine bestandsgeschützte gastronomische Nutzung umgesetzt sei, die erhebliche Lärm- und Geruchsemissionen verursache. Die Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB für das Abweichen von der festgesetzten Art der baulichen Nutzung und von der zulässigen geschlossenen Bauweise seien rechtswidrig. Außerdem sei das geplante Vorhaben rücksichtslos. Die Belichtungs- und Belüftungssituation werde schwerwiegend beeinträchtigt. Insbesondere in den Abendstunden werde ihr Grundstück stark verschattet. Schließlich würde das geplante Vorhaben gegen die typische Prägung des Baugebiets verstoßen.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2016 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das Vorhaben nicht gegen nachbarschützende Vorschriften verstoße. Die Abstandsflächen würden eingehalten. Der Antragstellerin stehe auch kein Gebietserhaltungsanspruch zu. Die Gebietsausweisung als dreigeschossiges Geschäftsgebiet sei aller Voraussicht nach obsolet geworden. Unabhängig davon könne sich die Antragstellerin nicht auf eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruches berufen, da sie sich selbst nicht an die Gebietsausweisung halte und sich gegen eine Nutzung wende, die sie selbst auf ihrem Grundstück ausübe. Durch die nunmehr genehmigte Nutzung seien keine weitergehenden Einschränkungen der gewerblichen Nutzungen auf ihrem Grundstück zu erwarten. Denn die Gewerbenutzung sei schon wegen der auf ihrem Grundstück vorhandenen Wohnnutzung eingeschränkt. Davon unabhängig sei eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs auch deshalb ausgeschlossen, weil die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von der Art der baulichen Nutzung rechtmäßig sei. Die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung seien nicht drittschützend. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot sei nicht ersichtlich, da die Abstandsflächen eingehalten würden. Die Verschattung durch den rückwärtigen Teil des geplanten Gebäudes gehe nicht über das Maß hinaus, was in einem großstädtischen Umfeld zu erwarten sei. Schließlich verstoße das Vorhaben nicht gegen die typische Prägung des Baugebiets.

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Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 2. Juni 2016 Klage (9 K 2434/16). Am 17. Juni 2016 hat sie den vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gestellt. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, dass der Antrag zulässig sei. Als sie den Antrag gestellt habe, sei der Rohbau noch nicht fertiggestellt gewesen. Außerdem sei die Festsetzung des Geschäftsgebiets nicht funktionslos geworden. Zudem könne sie sich auf ihren Gebietserhaltungsanspruch berufen, obwohl auf ihrem Grundstück auch eine Wohnnutzung stattfinde. Erforderlich sei lediglich, dass auch eine plankonforme Nutzung auf ihrem Grundstück gegeben sei. Des Weiteren werde ihr Grundstück im Blockinnenbereich ausschließlich gewerblich genutzt und stehe im Einklang mit der eingeschossigen Geschäftsgebietsausweisung. Demgegenüber werde die Wohnnutzung auf dem Vorhabengrundstück auch im rückwärtigen Grundstücksbereich stattfinden, so dass im rückwärtigen Grundstücksbereich nur das Vorhabengrundstück planwidrig genutzt werde. Darüber hinaus sei die eingeschossige Bauweise im Blockinnenbereich zum Schutz der Nachbarschaft festgesetzt worden. Der Plangeber des Durchführungsplanes habe die Baulinien- und Baumassenfestsetzungen gekoppelt, um Bereiche zu schaffen, die in Bezug auf die Gebäudehöhe eine gute Belichtungs- und Belüftungssituation auf den Grundstücken schaffen sollten. Durch das Bauvorhaben werde derart schwerwiegend in dieses Planungskonzept eingegriffen, dass die Antragsgegnerin vorliegend Planersatz betreibe. Im Rahmen des Rücksichtnahmegebots sei zu berücksichtigen, dass es sich um ein befreiungsbedürftiges Bauvorhaben handele, das deshalb weniger schutzwürdig sei. Schließlich sei die Eigenart des vorliegenden Baugebiets durch die Anordnung der Baufenster und der Geschossigkeit so gestaltet, dass im Blockinnenbereich eine Schutzzone mit nur sehr geringer Gebäudehöhe liege. Auf diese typische Prägung könne sich die Antragstellerin berufen.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die aufschiebende Wirkung der Klage vom 2. Juni 2016 gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2015 anzuordnen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

18

Sie trägt ergänzend vor, dass der Durchführungsplan … keinen unberührten Blockinnenbereich, sondern ein störendes Geschäftsgebiet vorsehe. In Bezug auf das Rücksichtnahmegebot sei zu ergänzen, dass im Bereich des eingeschossigen Geschäftsgebiets aufgrund der fehlenden Höhenbegrenzungen und wegen Befreiungen von der Anzahl der Vollgeschosse unterschiedlich hohe Baukörper errichtet worden seien. Auch die planerisch vorgesehene versetzte Anordnung der Baufelder nördlich der … Straße spreche gegen die Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung.

19

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Sie tragen vor, dass der Antrag schon unzulässig sei, weil die Antragstellerin ihn erst 11 Monate nach Einlegung des Widerspruchs und sechs Monate nach Baubeginn gestellt habe. Er sei auch unbegründet, denn die Klage in der Hauptsache sei verfristet. Außerdem könne sich die Antragstellerin nach dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses nur dann auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen, wenn sie selbst entsprechenden Beschränkungen in den Nutzungsmöglichkeiten ihres Grundstücks unterliege. Dies tue sie aber nicht, da sie im Bereich der Geschäftsgebietsausweisung selbst ein Gebäude mit überwiegender Wohnnutzung realisiert habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich in dem Gebäude der Antragstellerin 38 Wohneinheiten befinden würden. Dies seien deutlich mehr Wohneinheiten als auf dem Vorhabengrundstück geplant seien. Auch sei das Grundstück der Antragstellerin im rückwärtig an das vordere Gebäude angrenzenden Bereich ihres Grundstücks – entgegen der eingeschossigen Ausweisung – zweigeschossig bebaut. In jedem Fall sei aber die nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilte Befreiung rechtmäßig. Hinsichtlich der Überschreitung der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse sei zu berücksichtigen, dass auch das Gebäude der Antragstellerin teilweise außerhalb der von ihr angeführten „stringenten Baufenster“ errichtet worden sei. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Blockinnenbereich in Bezug auf die Anzahl der Vollgeschosse drittschützend überplant worden sei. Davon unabhängig überwiege bei einer von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache unabhängigen Interessenabwägung das Interesse der Beigeladenen am sofortigen Vollzug ihrer Baugenehmigung.

II.

A.

20

Der Antrag ist zulässig (1.), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg (2.).

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1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig, insbesondere gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO statthaft, da der Klage der Antragstellerin gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt.

22

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen steht der Antragstellerin auch ein Rechts-schutzbedürfnis zu. Die Antragstellerin hat ihr Antragsrecht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechtsbehelfs setzt einen längeren Zeitraum voraus, währenddessen die Möglichkeit bestand, ihn einzulegen (hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urt. v. 10.8.2000, 4 A 11/99, juris, Rn. 16; VG Hamburg, Beschl. v. 6.1.2014, 9 E 2814/13, juris, Rn. 31 ff.). Diese Möglichkeit muss dem Berechtigten bewusst gewesen sein. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt vor, wenn der Berechtigte trotz vorhandener Kenntnis erst zu einem derart späten Zeitpunkt den Rechtsbehelf einlegt, zu dem die Gegenseite nicht mehr damit rechnen musste. Das ist dann der Fall, wenn ein Berechtigter unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen jedermann vernünftigerweise etwas zur Wahrung seines Rechts unternommen hätte. In diesen Fällen darf die Gegenseite darauf vertrauen, dass ein Rechtsbehelf nicht mehr eingelegt wird. Schließlich muss sich die Gegenseite auch tatsächlich in einer Weise auf das Verhalten des Berechtigten eingerichtet haben, dass für sie ein begründeter Rechtsbehelf mit nicht mehr zumutbaren Nachteilen verbunden wäre.

23

Danach liegt keine Verwirkung vor. Zwar hat die Antragstellerin den Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes trotz erkennbaren Baufortschritts für einen nicht unerheblichen Zeitraum nicht gestellt. Sie hat den Antrag – trotz Kenntnis von Baubeginn und Baufortschritt – etwa sechs Monate nach Baubeginn und etwa 11 Monate nach Einlegung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung gestellt. Jedoch durften die Beigeladenen nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass ein solcher Antrag nicht mehr gestellt wird. Die Antragstellerin hat zu keinem Zeitpunkt der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen gegenüber explizit zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre schon gegen den Vorbescheid und dann gegen die Baugenehmigung gerichteten Bedenken nicht in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geltend machen wird. Die Antragstellerin hat weder ihren Widerspruch noch ihre Klage gegen die Baugenehmigung zurückgenommen und auch sonst nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie auf weitere Rechtsbehelfe verzichten werde. Vor diesem Hintergrund konnte kein schutzwürdiges Vertrauen der Beigeladenen entstehen.

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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung und dem Interesse der Antragsteller daran, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Rechtsbehelf keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, überwiegt hier das Interesse der Beigeladenen. Denn es ist regelmäßig unbillig, einem Bauwilligen die Ausnutzung einer ihm erteilten Baugenehmigung zu verwehren, wenn die nachbarlichen Rechtsbehelfe keine Aussicht auf Erfolg haben.

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a) Allerdings ist die Klage in der Hauptsache entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht deshalb unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden sei. Die Antragstellerin hat die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingehalten. Der Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2016 ist dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am 10. Mai 2016 zugestellt worden und die Antragstellerin hat am 2. Juni 2016 Klage (9 K 2434/16) dagegen erhoben.

26

b) Jedoch wird die angegriffene Baugenehmigung vom 2. Juni 2016 im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach nicht aufzuheben sein, da sie die Antragstellerin nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung nicht in ihren subjektiven Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Ein Grundstückseigentümer kann sich gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die Genehmigung dieses Vorhabens ihn in seinen eigenen Rechten verletzt, also gegen solche baurechtlichen Bestimmungen verstößt, die nach dem erkennbaren Willen des Normgebers ein subjektiv-öffentliches (eigenes) Abwehrrecht des betroffenen Nachbarn begründen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.1986, 4 C 8/84, juris, Rn. 11; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.5.1990, Bs II 65/90, juris, Rn. 6). Demgegenüber kann durch den Drittbetroffenen weder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch im Hauptsacheverfahren eine umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigung erreicht werden. Insofern kommt es nicht darauf an, ob das Bauvorhaben objektiv genehmigungsfähig war oder ist. Entscheidungserheblich ist vielmehr allein, ob durch die Baugenehmigung solche Normen verletzt sind, die die Antragstellerin schützen sollen. Dies dürfte hier nicht der Fall sein.

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Die angegriffene Baugenehmigung steht aller Voraussicht nach nicht im Widerspruch zu nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts, deren Nichteinhaltung die Antragstellerin allein rügt und deren Nichteinhaltung hier allein in Betracht kommt. Die Antragstellerin kann sich gegenüber dem Vorhaben nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen [aa)]. Die den Beigeladenen erteilten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB von der im Durchführungsplan festgesetzten Anzahl der zulässigen Vollgeschosse [bb)] und von der geschlossenen Bauweise im hinteren Gebäudeteil [cc)] sind lediglich am Rücksichtnahmegebot zu messen. Die Antragstellerin ist nicht in ihrem Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets verletzt [dd)]. Schließlich verstößt das Vorhaben nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme [ee)].

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aa) Die Antragstellerin kann sich nicht auf eine Verletzung ihres Gebietserhaltungsanspruchs durch das Vorhaben berufen, weil sie sich selbst nicht an die Gebietsausweisung hält und sich gegen eine Nutzung wendet, die sie selbst auf ihrem Grundstück ausübt. Der Gebietserhaltungsanspruch beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Durch die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können (BVerwG, Beschl. v. 18.12.2007, 4 B 55/07, juris, Rn. 5; Urt. v. 16.9.1993, 4 C 28/91, juris, Rn. 12).

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Zwar hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in mehreren Entscheidungen (Beschl. v. 17.6.2013, 2 Bs 151/13, juris, Rn. 22; Beschl. v. 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 18; Beschl. v. 16.11.2015, 2 Bs 165/15juris, Rn. 28 ff.) entschieden, dass sich ein Nachbar jedenfalls dann auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen könne, wenn auf seinem Grundstück zumindest auch plankonforme Nutzungen stattfinden würden. Auf dem Grundstück der Antragstellerin ist auch eine gewerbliche Nutzung vorhanden. Jedoch weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass sich der vorliegende Sachverhalt von den vom Hamburgischen Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fällen in erheblicher Weise unterscheidet. In den Fällen, die bisher vom Hamburgischen Oberverwaltungsgericht entschieden wurden, wandten sich die Nachbarn immer gegen Nutzungen, die andersgeartet waren, als die auf ihren Grundstücken verwirklichten Nutzungen [Beschl. v. 17.6.2013: Auf dem Grundstück des Nachbarn befanden sich eine Diskothek (unzulässige Nutzung), ein Billardcafé (fraglich) sowie ein Pizzaservice (zulässig) und der Nachbar wehrte sich gegen eine Asylbewerberunterkunft (unzulässig) in einem Gewerbegebiet mit dem Ausschluss u.a. von Vergnügungsstätten und Anlagen für soziale Zwecke; Beschl. v. 28.5.2015: Auf den Nachbargrundstücken befand sich zulässige Wohnnutzung und gewerbliche Nutzung, deren Zulässigkeit fraglich war und die Nachbarn wehrten sich gegen eine Asylbewerberunterkunft im besonders geschützten Wohngebiet; Beschl. v. 16.11.2015: Auf dem Grundstück des Nachbarn befand sich eine zulässige gewerbliche und eine unzulässige Wohnnutzung und der Nachbar wehrte sich gegen die großflächige Erweiterung eines Speditionsbetriebs in einem Gewerbegebiet, in dem nach dem Willen des Plangebers Fuhrunternehmen lediglich ausnahmsweise zulässig waren, wenn sie keinen hohen Flächenverbrauch haben].

30

Im vorliegenden Fall wendet sich die Antragstellerin im Hinblick auf das vordere dreigeschossige Baufeld jedoch genau gegen die Nutzungen, die sie selbst ausübt, nämlich im Erdgeschoss gewerbliche Nutzungen und in den Obergeschossen Wohnnutzung. Wenn sich ein Nachbar aber gegen eine Nutzung wendet, die er ebenfalls auf seinem Grundstück ausübt, kann er sich nicht auf eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs berufen (VGH München, Beschl. v. 15.3.2011, 15 CS 11.9, juris, Rn. 18; OVG Münster, Beschl. v. 22.6.2010, 7 B 479/10, juris, Rn. 9; Urt. v. 30.10.2009, 7 A 2658/07, juris, Rn. 39 ff.; OVG Saarlouis, Beschl. v. 22.11.1996, 2 W 33/96, juris, Rn. 5; OVG Weimar, Beschl. v. 18.10.1996, 1 EO 262/96, juris, Rn. 5). Dies hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht für den Fall, dass sich der Nachbar gegen die Nutzung wehrt, die er selbst ausübt, auch bereits entschieden (Beschl. v. 17.6.2013, 2 Bs 151/13, juris, Rn. 22). Dies beruht einerseits darauf, dass ein Nachbar in dieser Konstellation die mit der jeweiligen Gebietsfestsetzung verbundenen Beschränkungen der baulichen Ausnutzbarkeit selbst nicht einhält, also an dem wechselseitigen Austauschverhältnis nicht teilhat (OVG Münster, Beschl. v. 22.6.2010, a.a.O.). Dies folgt andererseits daraus, dass der Gebietserhaltungsanspruch aus dem baunachbarrechtlichen Verhältnis hergeleitet wird und damit durch den Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt wird (OVG Münster, Urt. v. 30.10.2009, a.a.O.). Ein Eigentümer, der sein Grundstück selbst gebietsfremd nutzt, handelt treuwidrig, wenn er eben diese Nutzung durch seinen Nachbarn verhindern möchte. Der Umstand, dass der Gebietserhaltungsanspruch im Grunde nicht der Abwehr der Störung einer konkreten Grundstücksnutzung dient, sondern dem Interesse, eine Gebietsverfremdung abzuwehren, bietet keinen tragfähigen Grund, die Schutzwürdigkeit der Interessenlage streitender Nachbarn insoweit anders zu beurteilen (hierzu und zum Folgenden: OVG Münster, Urt. v. 30.10.2009, a.a.O.). Der Gebietserhaltungsanspruch ist nach seiner Ableitung, auch wenn er keine weitergehende Beeinträchtigung des Nachbarn fordert, kein bloßer allgemeiner Planbefolgungsanspruch. Er zielt vielmehr auf einen Ausgleich für bestehende gemeinsame Nutzungsbeschränkungen; nur das mit den gegebenen Vorgaben korrespondierende Eigeninteresse an der Gebietserhaltung soll abgesichert werden. Der Eigentümer eines Grundstückes ist aber grundsätzlich nur insoweit schutzwürdig, als er sich selbst entsprechend den von ihm geforderten Beschränkungen verhält und das Seine zu einer Gebietserhaltung beiträgt. Anders gewendet, wenn zwei Nachbarn ihr Grundstück auf dieselbe Art (auch) planwidrig nutzen, besteht ein Gleichgewicht im nachbarlichen Austauschverhältnis, das gestört würde, wenn einem von beiden auf Betreiben des jeweils anderen die planwidrige Nutzung untersagt würde (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 22.6.2010, a.a.O., Rn. 14). Gemessen an diesem Maßstab kann sich die Antragstellerin hinsichtlich der geplanten Wohnnutzung auf dem Vorhabengrundstück nicht auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen, weil insoweit aufgrund der auf ihrem Grundstück genehmigten Wohnnutzung der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht.

31

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin folgt aus drei unabhängig voneinander entscheidungstragenden Gründen nichts anderes daraus, dass die geplante Wohnnutzung auf dem Vorhabengrundstück weiter in den rückwärtigen nördlichen Bereich hineinreiche, als auf ihrem eigenen Grundstück, so dass ein Grundstücksbereich betroffen sei, in dem auf ihrem Grundstück keine planwidrige Nutzung stattfinde. Erstens ist nicht nachvollziehbar, weshalb nach Ansicht der Antragstellerin im hinteren Bereich ihres Grundstücks keine planwidrige Nutzung erfolgt. Denn nach den von der Antragstellerin nicht bestrittenen Angaben in der Objektbeschreibung (Bl. 125 f. d.A.), für deren Unrichtigkeit auch sonst keine Anhaltspunkte bestehen, findet auf dem Grundstück der Antragstellerin auch im rückwärtigen Grundstücksbereich eine planwidrige Wohnnutzung statt (Hinterhaus). Zweitens besteht kein Missverhältnis zu Lasten der Antragstellerin hinsichtlich des Umfangs der planwidrigen Nutzung. Im Gegenteil übersteigt der Umfang der Wohnnutzung auf dem Grundstück der Antragstellerin (1108 m², vgl. Objektbeschreibung, Bl. 126 d.A.) den Umfang der auf dem Vorhabengrundstück geplanten Wohnnutzung (686,71 m², vgl. Bauvorlage 29/7) deutlich. Drittens würde selbst dann der Grundsatz von Treu und Glauben einer Berufung auf den Gebietserhaltungsanspruch entgegenstehen, wenn sich die planwidrige Nutzung auf dem Vorhabengrundstück tatsächlich weiter in den rückwärtigen nördlichen Grundstücksbereich erstrecken würde als auf dem Grundstück der Antragstellerin. Denn sowohl der rückwärtige, als Geschäftsgebiet mit einem zulässigen Vollgeschoss (G1g) ausgewiesene Bereich als auch der vordere Bereich mit drei zulässigen Vollgeschossen (G3g) gehören zu einem einheitlichen Baugebiet in Gestalt eines Geschäftsgebiets. Da das Austauschverhältnis im Rahmen des Gebietserhaltungsanspruchs nur hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung besteht, kommt es auf unterschiedliche Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung in einem Baugebiet, das der Art der Bebaubarkeit nach einheitlich ist, nämlich nicht an (OVG Hamburg, Beschl. v. 16.11.2015, 2 Bs 165/15, juris, Rn. 33). Vor diesem Hintergrund spielt es für den Ausschluss der Berufung auf den Gebietserhaltungsanspruch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben keine Rolle, ob die der Art der baulichen Nutzung nach identische planwidrige Nutzung zweier benachbarter Grundstücke innerhalb desselben Baugebiets auch im selben Grundstücksbereich (vorderer oder rückwärtiger) stattfindet.

32

bb) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es nicht darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB für die den Beigeladenen erteilte Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten Anzahl der zulässigen Vollgeschosse vorliegen. Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist nämlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans oder von nichtdrittschützenden Festsetzungen befreit wird (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, 4 B 64/98, juris, Rn. 5 f.; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, 2 Bs 165/12, juris, Rn. 27). Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, a.a.O.; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, a.a.O). Bei der Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans hat der Nachbar lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf Würdigung seiner nachbarlichen Interessen; unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO entwickelt hat (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, a.a.O.). Für den Nachbarn bedeutet das, dass er ein Bauvorhaben, für das eine Befreiung erteilt wurde, in diesem Fall nur dann mit Erfolg angreifen kann, wenn dieses ihm gegenüber rücksichtslos ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, a.a.O, Rn. 29).

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Vor diesem Hintergrund kann sich die Antragstellerin gegen die den Beigeladenen erteilte Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten Anzahl der zulässigen Vollgeschosse nur im Rahmen des Rücksichtnahmegebots wehren. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Festsetzung der zulässigen Vollgeschossanzahl im Durchführungsplan … ausnahmsweise drittschützend sein könnte.

34

Bei der Festsetzung handelt es sich um eine solche zum Maß der baulichen Nutzung, die grundsätzlich nicht nachbarschützend ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass § 30 BauGB aus sich heraus keine subjektiv-öffentlichen Rechte zugunsten des Nachbarn begründet. Ob Festsetzungen auf der Grundlage der §§ 16 ff. und des § 23 BauNVO auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (BVerwG, Beschl. v. 19.10.1995, 4 B 215.95, juris, Rn. 3). Von der Ausweisung von Baugebieten abgesehen, die kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung hat, dient ein Bebauungsplan mit Rücksicht auf seine städtebauliche Ordnungsfunktion für ein Plangebiet zunächst öffentlichen Interessen. Ob darüber hinaus einer Festsetzung nachbarschützender Charakter zukommt, muss im Einzelfall für die jeweilige Ausweisung durch Auslegung ermittelt werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 6 f.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts eröffnen Ausweisungen über das Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine nachbarlichen Abwehrrechte (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, a.a.O., Rn. 7, m.w.N.).

35

Ein von diesem Grundsatz ausnahmsweise abweichender Wille des Plangebers lässt sich den Festsetzungen des Durchführungsplans … – die mangels Begründung des Durchführungsplans einzige Grundlage für die Ermittlung des Willens des Plangebers sind – in Bezug auf die Anzahl der genehmigten Vollgeschosse nicht entnehmen. Dass diese Festsetzung Nachbarschutz vermitteln soll, erscheint auch deshalb fernliegend, weil die auf dem Aufbaugesetz mit seinen spezifischen Zielsetzungen beruhenden Durchführungspläne – bis auf die bundesrechtlich nachbarschützende Baugebietsfestsetzung – keinen Nachbarschutz vermitteln, da sie allein im öffentlichen Interesse erlassen worden sind (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.4.1997, Bs II 177/96, juris, Rn. 25; Beschl. v. 16.1.2007, 2 Bs 344/06, n.v.).

36

cc) Zu Recht hat die Antragstellerin die Abweichung von der geschlossenen Bauweise im rückwärtigen Teil des geplanten Gebäudes nicht angegriffen, obwohl den Beigeladenen insoweit aller Voraussicht nach keine wirksame Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt worden ist. Denn in der Baugenehmigung vom 8. Juni 2015 wird unter Punkt 2.1 auf die bereits im Vorbescheid erteilte Befreiung verwiesen und diese nur nachrichtlich übernommen. Im Vorbescheid vom 6. Mai 2014 wurde aber keine Befreiung von der geschlossenen Bauweise erteilt. Darauf kann sich die Antragstellerin aber nicht berufen, weil die Festsetzung der geschlossenen Bauweise in dem Durchführungsplan … aus den genannten Gründen [s.o. bb)] nicht nachbarschützend ist.

37

dd) Die Antragstellerin wird durch das Bauvorhaben nicht in ihrem aus der entsprechenden Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO folgenden Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets (vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, 2 Bs 154/08, juris, Rn. 13; Beschl. v. 2.9.2010, 2 Bs 144/10, juris, Rn. 6) verletzt. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind bauliche Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets liegt nur vor, wenn die Unangemessenheit des Vorhabens gegenüber dem vom Plangeber gezogenen Rahmen bei objektiver Betrachtungsweise augenscheinlich ist. Eine gewisse Beeinträchtigung der typischen Gebietsprägung oder das Fehlen einer Entsprechung in jederlei Hinsicht sind unschädlich. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dient lediglich der Korrektur atypischer Einzelfälle. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO ist insofern kein Instrument, um das in einem Bebauungsplan festgesetzte Maß der baulichen Nutzung zu ergänzen oder zu korrigieren und eine danach zulässige Verdichtung der Bebauung zu unterbinden. Die Vorschrift dient allein der Bewahrung der Art der baulichen Nutzung. Das Merkmal „Umfang“ in § 15 Abs.1 Satz 1 BauNVO ist nur dann von Bedeutung, wenn Quantität in Qualität umschlägt, also die Größe einer baulichen Anlage die Art der baulichen Nutzung erfasst (zum Vorstehenden: OVG Hamburg, Beschl. v. 8.11.2012, 2 Bs 230/12, juris, Rn. 7).

38

Nach diesen Maßstäben wird der Anspruch der Antragstellerin auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets nicht verletzt. Hinsichtlich des vorderen Gebäudeteils, der innerhalb der dreigeschossigen Geschäftsgebietsausweisung liegt, folgt dies schon daraus, dass sich die Antragstellerin, die in diesem Bereich auf ihrem Grundstück ein fünfgeschossiges Gebäude errichtet hat, wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben, der das baunachbarrechtliche Verhältnis grundlegend prägt [s.o. aa)], nicht auf ihren Anspruch auf Erhaltung der typischen Gebietsprägung berufen kann, da sie auf ihrem Grundstück im Bereich der dreigeschossigen Geschäftsgebietsausweisung die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse mindestens im selben Umfang überschreitet, wie das geplante Gebäude auf dem Vorhabengrundstück. Bezüglich des hinteren Teils des geplanten Gebäudes folgt dies daraus, dass die Überschreitung der zulässigen Vollgeschosszahl um 3 Vollgeschosse (von 1 auf 4 plus Staffel) auf einer Fläche von 6 m x 8,49 m keinen Umschlag von Quantität in Qualität darstellt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach den von den Beigeladenen zur Akte gereichten Lichtbildern das Grundstück der Antragstellerin im entsprechenden, rückwärtig an das vordere Gebäude angrenzenden Bereich ihres Grundstücks – entgegen der eingeschossigen Ausweisung – zweigeschossig bebaut ist (vgl. Bl. 123 d.A.).

39

ee) Das Vorhaben verstößt unabhängig davon, ob die Befreiung von der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse rechtmäßig ist und auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Befreiung von der geschlossenen Bauweise bisher nicht wirksam erteilt worden sein dürfte, nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Denn selbst wenn unterstellt wird, dass das Vorhaben objektiv rechtswidrig ist und deshalb die Interessen des Bauherrn tendenziell ein geringeres Gewicht haben als bei der Beurteilung einer plankonformen Bebauung (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.10.1989, 4 C 14/87, juris, Rn. 13 ff.), beeinträchtigt das Vorhaben die Antragstellerin nicht unzumutbar.

40

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004, 4 C 1/04, juris, Rn. 22, m.w.N.). Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, sind dann gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.10.1989, 4 C 14/87, juris, Rn. 14).

41

Vor diesem Hintergrund liegt – selbst bei Anwendung des strengeren Maßstabs für den Fall, dass das Vorhaben objektiv rechtswidrig sein sollte – aller Voraussicht nach kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor. Eine unzumutbare Beeinträchtigung ihres Grundstücks durch das Vorhaben hat die Antragstellerin schon nicht substantiiert geltend gemacht. Eine solche kann auch seitens des Gerichts nicht festgestellt werden.

42

(1) Ein Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme folgt nicht aus einer Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten. Wenn ein Bauvorhaben auf eigenem Grund die bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Abstandsflächen gegenüber den angrenzenden Nachbargrundstücken einhält, fehlt es in der Regel an einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2012, 2 Bs 169/12, juris, Rn. 28, m.w.N.). Dies gilt jedenfalls wegen einer möglichen Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 8).

43

Das Vorhaben der Beigeladenen hält die notwendigen Abstandsflächen ein. Im vorderen Grundstücksbereich innerhalb des festgesetzten dreigeschossigen Baufeldes sind Abstandsflächen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO wegen der festgesetzten und in diesem Bereich auch beabsichtigten geschlossenen Bauweise nicht erforderlich. Da sich auch auf dem Grundstück der Antragstellerin in diesem Bereich ebenfalls eine grenzständige Bebauung befindet, sind Abstandsflächen auch nicht nach § 7 Abs. 2 Satz 2 HBauO erforderlich.

44

Auch der hinter der rückwärtigen Baugrenze gelegene Teil des genehmigten Baukörpers hält die Abstandsflächen von 0,4 H nach § 6 Abs. 5 Satz 1 HBauO zum Grundstück der Antragstellerin ein. Der Berechnung der Abstandsflächen ist in diesem Bereich die Höhe von 13,77 m zugrunde zu legen. Die östliche, dem Grundstück der Antragstellerin zugewandte Wand dieses Gebäudeteils ist 12,85 m hoch. Über dieser Wand befindet sich ein Dach mit einer Neigung von 68 Grad (vgl. Bauvorlage 29/32, Ansicht Nord), so dass dieses Dach gemäß § 6 Abs. 4 Satz 3 HBauO nur mit einem Drittel seiner Höhe von 2,75 m, also mit 0,92 m, hinzuzurechnen ist. Die sich daraus ergebende Abstandsfläche von 5,51 m wird auf dem Grundstück der Beigeladenen eingehalten.

45

Anhaltspunkte für einen darüber hinausgehenden atypischen Fall der Verletzung des Rücksichtnahmegebots trotz Einhaltung der Abstandsflächen sind nicht ersichtlich. Bezüglich der entstehenden Einsichtsmöglichkeiten folgt dies schon daraus, dass an der östlichen Gebäudewand zum Grundstück der Antragstellerin hin keine Fenster, Balkone oder Dachterrassen geplant sind (vgl. Bauvorlage 29/32, Ansicht Ost). Im Übrigen hat die Antragsgegnerin in ihrem Widerspruchsbescheid zurecht darauf hingewiesen, dass die mit dem geplanten Vorhaben einhergehenden Beeinträchtigungen der Belichtung, Belüftung oder Besonnung nicht über das Maß hinausgehen, was in einem großstädtischen Umfeld – wie dem vorliegenden – zu erwarten ist.

46

(2) Zu Recht macht die Antragstellerin keinen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme unter dem Gesichtspunkt der erdrückenden Wirkung geltend. Denn das Vorhaben der Beigeladenen entfaltet gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin keine erdrückende Wirkung. Zwar hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht offengelassen, ob für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen einer erdrückenden Wirkung in der Regel kein Raum ist, wenn die notwendige Abstandsfläche eingehalten wird (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 11). Dies kann jedoch auch vorliegend dahinstehen, denn von dem Vorhaben der Beigeladenen wird aller Voraussicht nach keine erdrückende Wirkung ausgehen. Anhaltspunkte für eine Riegelwirkung oder einen Einmauerungseffekt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 12.2.2010, 2 Es 2/09.N, juris, Rn. 38) sind nicht gegeben. Hinsichtlich des vorderen Grundstücksbereichs innerhalb des dreigeschossigen Geschäftsgebiets folgt dies daraus, dass in diesem Bereich das Gebäude der Antragstellerin und der Teil des geplanten Gebäudes auf dem Vorhabengrundstück gleich hoch sind (vgl. Nr. 1 des Vorbescheids vom 6. Mai 2014) und – wie im Durchführungsplan … vorgesehen – in geschlossener Bauweise errichtet werden. Der geplante rückwärtige Gebäudeteil auf dem Vorhabengrundstück im eingeschossigen Geschäftsgebiet ist von seinen Ausmaßen 6 m x 8,49 m bei einem Abstand von 5,51 m zum Grundstück der Antragstellerin viel zu klein, um eine Riegelwirkung oder einen Einmauerungseffekt hervorzurufen.

47

(3) Dass trotz der umfangreichen immissionsschutzrechtlichen Auflagen in der Baugenehmigung durch das genehmigte Vorhaben rücksichtslose Immissionen (z.B. Lärm oder Licht) verursacht würden, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

B.

48

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese das Verfahren wesentlich gefördert haben (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2015, 2 Bs 131/15, juris, Rn. 15). Sie haben umfangreich zur Sach- und Rechtslage vorgetragen. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Dabei folgt die Kammer der ständigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, wonach der Streitwert für eine baurechtliche Nachbarklage in einem Hauptsacheverfahren einem Rahmen zwischen 7.500 und 30.000 Euro zu entnehmen ist (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 29.11.2006, 2 Bs 148/06, juris). Die Kammer hielte in einem Hauptsacheverfahren einen Betrag in Höhe von 20.000,-- Euro für angemessen, der für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte zu reduzieren ist.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

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(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsfl

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(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erho

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(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. (2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut wer

Baugesetzbuch - BBauG | § 212a Entfall der aufschiebenden Wirkung


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung. (2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absa

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(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage (9 K 299/13) gegen die Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 und des ersten Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 wird insoweit angeordnet, als die Baugenehmigung der Beigeladenen erlaubt, das Einrichtungshaus werktags nach 19.30 Uhr für den Kundenverkehr zu öffnen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 3/4 und die Antragsgegnerin zu 1/4 mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert wird auf 20.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines innerstädtischen Einrichtungshauses.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Wohnanlage mit 214 Wohnungen auf den Flurstücken 1, 2, 3 und 4 der Gemarkung Altona-Südwest (A-Weg 1, 3, 5, 7, 9, 11, B-Weg 12, 14, 16, 18, 20, 22). Die Beigeladene beabsichtigt, auf dem Flurstück 5 derselben Gemarkung (C-Weg 164 – 178, A-Weg 6 – 10) ein innerstädtisches Einrichtungshaus zu errichten. Alle Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 vom 14. Mai 1971 (HmbGVBl. S. 103). Dieser setzt für das Grundstück der Beigeladenen eine Kerngebietsnutzung in geschlossener Bauweise (MK g), Baugrenzen und Arkaden bzw. Auskragungen mit der Angabe lichter Höhen fest. Die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse ist für einzelne Gebäudeteile unterschiedlich und liegt bei drei bis sechs. Die Grundstücke der Antragstellerin sind als allgemeines Wohngebiet mit geschlossener Bauweise (WA g) und ebenfalls mit Baugrenzen festgesetzt. Die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse variiert zwischen drei und sieben. Für das Grundstück der Beigeladenen gilt auch der Bebauungsplan Altona-Altstadt 40 vom 2. Oktober 1990 (HmbGVBl. S. 217), der für seinen Geltungsbereich Spielhallen und ähnliche Unternehmen ausschließt.

3

Auf einen Antrag vom 8. Juli 2009 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen am 14. Juli 2010 einen Vorbescheid, mit dem das geplante Vorhaben unter den im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen grundsätzlich für zulassungsfähig erklärt wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Vorbescheid verwiesen.

4

Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Die im Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 enthaltenen Baukörperausweisungen in Form von Baugrenzen, der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse und der Festsetzung lichter Höhen würden erkennbar dem Schutz der südlich an das geplante Vorhaben der Beigeladenen angrenzenden Wohnbebauung der Antragstellerin dienen. Mit diesen Festsetzungen habe der Plangeber die angrenzende Wohnbebauung vor unzumutbaren Immissionen aufgrund der bestehenden Gemengelage schützen wollen. Der Verzicht auf die im Bebauungsplan festgesetzten 5 m tiefen Auskragungen/Arkaden, aber auch die Überschreitung der Baugrenze nach Süden um 7,54 m bzw. in Teilbereichen bis maximal 16,50 m würden die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen. Gleiches gelte für das Überschreiten der Zahl der Vollgeschosse um bis zu zwei. Die in diesem Zusammenhang erteilte Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB rechtfertige die Überschreitung nicht. Wie sich aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim ergebe, könne die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse auch dann nachbarschützend sein, wenn sich aus der Begründung des Bebauungsplans hierzu nichts ergebe (VGH Mannheim, Beschl. v. 8.3.1988, 8 S 1021/88). Bei den Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB seien die Nachbarinteressen der Antragstellerin vollkommen außer Acht gelassen worden.

5

Darüber hinaus verstoße das geplante Bauvorhaben gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme. Die geplante Ansiedlung des innerstädtischen Einrichtungshauses löse beachtliche bodenrechtliche Spannungen zur angrenzenden Wohnbebauung aus. Die entstehende Gemengelage sei in einem Bebauungsplanverfahren unter Beachtung aller öffentlichen und privaten Belange zu lösen. Dies gelte zum einen für die zu erwartenden Lärm- und Luftimmissionen aber auch für die zu erwartenden Verkehrsströme durch Kunden und den Anlieferverkehr. Bereits im Vorbescheid habe die Antragsgegnerin festgestellt, dass die Zwischenergebnisse der schallschutztechnischen Untersuchung nicht nachvollziehbar seien und Angaben zur Fläche und Höhe der einzelnen Parkdecks, zu den pro Parkdeck zu erwartenden Schallleistungspegeln, zu den ermittelten äquivalenten Absorptionsflächen sowie zu Teilbeurteilungspegeln u.a. der Lkw-Anlieferungen sowie des offenen und teilweise geschlossenen Parkdecks fehlen würden.

6

Mit Bescheid vom 14. März 2011 wies die Antragsgegnerin diesen Widerspruch zurück. Den Festsetzungen zu den Baugrenzen und zur Anzahl der Vollgeschosse komme nachbarschützende Wirkung nur dann zu, wenn sich aus dem Inhalt des Bebauungsplans besondere Hinweise dafür ergeben würden. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim habe durch Beschluss vom 1. Februar 1993 (8 S 2796/92) seine diesbezügliche Auffassung geändert. Hinweise für eine vom Bebauungsplangeber gewollte nachbarschützende Wirkung seien nicht ersichtlich. Dasselbe gelte für die im Bebauungsplan vorgesehenen Auskragungen am Baukörper nördlich des A-Weges sowie die in diesen Bereichen festgesetzten lichten Höhen.

7

Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Die erforderlichen Abstandsflächen würden eingehalten. Darüber hinaus befinde sich das genehmigte Vorhaben im Norden der Wohnanlage der Antragstellerin. Außerdem lägen neben dem geplanten Vorhaben die Bestandsbauten des „Neuen Forums“, deren Höhe die Höhe des geplanten Gebäudes deutlich überschreite. Schließlich sei in Bezug auf die Belichtung, Besonnung oder Belüftung zu berücksichtigen, dass sich die Wohnanlage in einem eng bebauten innerstädtischen Bereich befinde. Das geplante Einrichtungshaus stehe auch nicht in einem Missverhältnis zur Nachbarbebauung. Innerhalb der für das Vorhaben gewählten Fläche lasse der Bebauungsplan eine bis zu sechsgeschossige Bebauung zu. Unmittelbar angrenzend sei bereits eine bis zu zehnstöckige Bebauung zulässig. An der östlichen Grenze des Kerngebiets dürften sogar Gebäude mit bis zu 16 Vollgeschossen errichtet werden. Auch in dem als allgemeines Wohngebiet ausgewiesenen Bereich, in dem die Gebäude der Antragstellerin lägen, sei eine bis zu achtstöckige Bebauung zulässig. Hinsichtlich des Immissionsschutzes enthalte der Vorbescheid keine der Beigeladenen günstige abschließende Feststellung, welche die Rechte der Antragstellerin beeinträchtigen könnte.

8

Hiergegen erhob die Antragstellerin im März 2011 Klage (9 K 754/11). Von September 2011 bis Juli 2013 betrieben die Beteiligten dieses Klageverfahren nicht weiter.

9

Auf Antrag vom 12. Juli 2011 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen am 17. Februar 2012 eine Baugenehmigung im Verfahren nach § 62 HBauO. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Genehmigung verwiesen. Dieser Bescheid wurde der Antragstellerin nicht bekannt gegeben. Nachdem sie von seinem Erlass erfahren hatte, legte sie am 22. März 2012 Widerspruch ein, den sie nicht weiter begründete.

10

Am 30. Januar 2013 erhob die Antragstellerin Untätigkeitsklage gegen die Baugenehmigung. Sie trug ergänzend vor, dass aus den Bauantragsunterlagen für den vierten Ergänzungsbescheid hervorgehe, dass die Beigeladene aus Kostenersparnisgründen weitere bauliche Änderungen zu Lasten der Antragstellerin ausführen wolle. So solle die Zufahrtsrampe zu den Parkdecks nun kein Dach mehr erhalten, was zu Lärm- und Geruchsemissionen führen werde. Dem Vorhaben der Beigeladenen komme aufgrund seiner Größe erdrückende Wirkung zu, die durch riesige Glasfenster in Richtung der Wohnungen der Antragstellerin und durch ein großes Logo mit einer entsprechenden Leuchtschrift verstärkt werde. Das eingeholte Verkehrsgutachten sei unzulänglich. Es gehe von fehlerhaften Grundannahmen aus. So werde davon ausgegangen, dass lediglich 50 % der Kunden des Einrichtungshauses mit einem Pkw anfahren würden. Dies sei nicht zu erwarten, da die Beigeladene für „Selbstabholung“ und „Selbstaufbau“ stehe. Ein Heimtransport der gekauften Möbel mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht realistisch.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2013 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Bisher habe es fünf Ergänzungsbescheide zur Baugenehmigung hinsichtlich der Fragen Standsicherheit und Lüftungsanlagen gegeben. In keinem dieser Bescheide werde eine von der Baugenehmigung abweichende Ausführung des Bauvorhabens zugelassen. Die Baugrenze nach Süden zu den Gebäuden der Antragstellerin hin werde nur im Bereich der 4,50 m hohen Einhausung der Einfahrt zum Rampenbauwerk um maximal 12 m überschritten. Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Eine Abweichung von den notwendigen Abstandsflächen sei auch im Baugenehmigungsverfahren nicht erteilt worden. Eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Lärm- und Lichtimmissionen habe die Antragstellerin bisher nicht substantiiert vorgetragen. Die immissionsschutzrechtlichen Belange würden in der Baugenehmigung (Anlage 7, ab S. 48) ausführlich gewürdigt. Hinsichtlich der Lichtimmissionen liege noch keine abschließende Entscheidung der Antragsgegnerin vor (Nr. 10.3. der Baugenehmigung, S. 8). Auf die Aussagekraft der Verkehrsuntersuchungen komme es nicht an, da diese keine Aussagen zur Lärm- oder Schadstoffbelastungen treffen würden. Das Gutachten „Prognose der Luftschadstoffbelastung 2013 bei Realisierung des Bauvorhabens ‚…Einrichtungshaus Hamburg-Altona‘“ vom 19. Oktober 2011 komme zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Modellrechnungen nicht damit zu rechnen sei, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) und die beiden Feinstaubfraktionen PM10 und PM2,5 innerhalb von nutzungssensiblen Bereichen überschritten würden.

12

Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage vom 29. April 2013 (9 K 1749/13) nahm die Antragstellerin nach gerichtlichem Hinweis zurück und führte die ursprüngliche Untätigkeitsklage (9 K 299/13) als Anfechtungsklage unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheids fort.

13

Am 16. Juli 2013 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Sie führt ergänzend aus, dass sich aus der Begründung zum Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 ergebe, dass das im Bebauungsplan festgesetzte Maß der baulichen Nutzung von maximal drei bis fünf Vollgeschossen unmittelbar nördlich des A-Wegs zum Schutz der Wohnanlage der Antragstellerin bestimmt worden sei, um dort gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu gewährleisten. Der Bebauungsplan habe die damals geltenden Höchstwerte des Maßes der baulichen Nutzung deutlich überschritten. Der Plangeber habe die Überschreitung damit begründet, dass sie durch Maßnahmen ausgeglichen werde, durch die sichergestellt werde, dass die allgemeinen Voraussetzungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gegeben seien und den Anforderungen des Verkehrs Rechnung getragen werde. In dem Geltungsbereich des Bebauungsplans sei aber nur das Gebiet, in dem sich die Wohnanlage der Antragstellerin befinde, als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Daher sei offenkundig, dass der Plangeber gerade auf diesen Wohngrundstücken für gesunde Wohnverhältnisse habe sorgen wollen. Dem Plangeber sei demnach bewusst gewesen, dass angesichts der Gemengelage von allgemeinem Wohngebiet auf der südlichen Seite des A-Wegs und Kerngebiet auf der anderen Straßenseite ein Ausgleich für die deutlichen Überschreitungen des Maßes der baulichen Nutzung auf dem Grundstück der Beigeladenen erfolgen müsse. Nur so sei es im Rahmen der Abwägung planungsrechtlich vertretbar gewesen, von den Höchstwerten des § 17 BauNVO 1968 abzuweichen. Dieser Hintergrund lasse sich durch die Unterlagen zum städtebaulichen Wettbewerb, der die Grundlage des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 gebildet habe, beleuchten. Durch das jetzt genehmigte Einrichtungshaus würden die vom Plangeber vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen aufgehoben und rückgängig gemacht. Zugleich würden die zulässigen Höchstwerte des Maßes der baulichen Nutzung noch einmal deutlich überschritten, insbesondere hinsichtlich der zusätzlichen Vollgeschosse und der Überschreitung der Baugrenzen. Die insoweit erteilten umfangreichen Befreiungen seien rechtswidrig, weil die Grundzüge der Planung nicht nur erheblich berührt, sondern verletzt würden. Es werde rechtswidriger Planersatz durch Befreiung betrieben. Ein neuer Bebauungsplan sei auch aufgrund der Wertung des § 11 Abs. 3 BauNVO erforderlich. Die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs in der durch die Beigeladene geplanten Dimension löse stets ein städtebauliches Planungsbedürfnis aus. Dies gelte umso mehr, wenn der Betrieb unmittelbar an ein Wohngebiet grenze. Ein Einrichtungshaus mit einer Verkaufsfläche von 17561,97 m² und einem Restaurant für 700 Personen dürfe nicht neben 214 Wohnungen errichtet werden. Hinsichtlich der Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauNVO sei auch zu berücksichtigen, dass bei einer Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans zumindest ein subjektiv-öffentliches Recht auf Würdigung der nachbarlichen Interessen bestehe (OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, 2 Bs 165/12, juris). Dieser Anspruch der Antragstellerin sei verletzt.

14

Darüber hinaus würden die notwendigen Abstandsflächen nicht eingehalten. Zweifelhaft sei bereits, dass die Abstandsflächen mit 0,4 H und nicht nach der bei Beschlussfassung über den Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 geltenden Abstandsvorschrift von 0,5 H berechnet und genehmigt worden sei. Davon unabhängig sei aus dem Abstandsflächenplan zu erkennen, dass die Beigeladene das Maß von 0,4 H zunächst von der Geländeoberfläche bis zu einer Brüstung auf der ersten Parkgeschossebene berechnet habe. Nach § 6 Abs. 4 HBauO sei aber die Höhe von Dächern der Wandhöhe hinzuzurechnen. Grundsätzlich sei für die Bemessung der Abstandsfläche der Schnittpunkt der Außenwand mit der Dachhaut entscheidend. Einen solchen Schnittpunkt gebe es aber in der Planung der Beigeladenen nicht. Vielmehr habe die Beigeladene das Schrägdach zurückversetzt, d.h. von der Wohnanlage der Antragstellerin „weggeschoben“. Tatsächlich hätte die Abstandsfläche von 1/3 des Schrägdaches aber dem Maß von 0,4 H ohne Berücksichtigung des Rücksprungs hinzugerechnet werden müssen. Durch Einbau eines Rücksprungs des Schrägdachs werde nämlich die Abstandsflächenregelung des § 6 HBauO umgangen. Bei korrekter Berechnung würde die notwendige Abstandsfläche nicht eingehalten. Des Weiteren liege ein Verstoß gegen § 6 Abs. 6 HBauO vor. Gemäß dieser Vorschrift würden Vorbauten bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben, wenn sie insgesamt nicht mehr als 1/3 der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen würden. Das Brüstungsgeländer der Parkebenen müsse bei der Berechnung der Abstandsflächen berücksichtigt werden, was nicht geschehen sei.

15

Die Größenverhältnisse gemäß der genehmigten Schnitte würden außerdem zeigen, dass das Einrichtungshaus insbesondere an der engsten Stelle des A-Wegs die Wohnungen der Antragstellerin auf unzumutbare Weise verdunkle und eine abriegelnde, erdrückende Wirkung besitze. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die lichte Höhe eines Vollgeschosses im Gebäude der Beigeladenen die Vollgeschosshöhe in den Gebäuden der Antragstellerin deutlich überschreiten werde.

16

Des Weiteren seien die Emissionen bei Betrieb des Vorhabens der Beigeladenen unzumutbar. Die Lärm- und Schadstoffbelastungen für die Mieter der Wohnanlage A-Weg würden durch die Zu- und Abfahrten zu den 713 Stellplätzen auf vier Parkgeschossebenen unzumutbar erhöht. Zusätzlich erfolge über den A-Weg die Anlieferung der Möbel und der Fahrzeugverkehr der „Möbeltaxis“. Die prognostizierten 8300 Fahrzeugbewegungen an allen Freitagen und Samstagen sowie bei Sonderveranstaltungen seien unzumutbar. Midnight- und Sonntagsshopping sowie sonstige Sonderveranstaltungen würden weitere Konfliktsituationen herbeiführen. Hinsichtlich der Verkehrsuntersuchungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sei zu berücksichtigen, dass der durch das „Forum Altona“ hervorgerufene Verkehr außer Betracht gelassen worden sei, ebenso wie der Verkehr, der durch die 214 Wohnungen der Antragstellerin selbst entstehe. Bezüglich der Verkehrsbelastung sei auch zu berücksichtigen, dass die Ziffer 15.2. der Baugenehmigung die Alternativen zur Pkw-Nutzung konterkariere. Dort sei vorgesehen, dass von den 404 notwendigen Fahrradplätzen 204 nicht auf dem Grundstück der Beigeladenen oder einem Grundstück in der Nähe hergestellt werden könnten, so dass insoweit Ausgleichsbeträge zu zahlen seien. Die von der Beigeladenen mit der Bauvoranfrage vorgelegten schalltechnischen Untersuchungen seien unvollständig. Im Vorbescheid sei daher gefordert worden, die Begutachtung zu vervollständigen. Dem seien die Antragsgegnerin bzw. Beigeladene allerdings nicht nachgekommen. Es gebe lediglich eine nachgelieferte Stellungnahme der Firma LK vom 18. August 2009 in den Akten, die sich jedoch auf die Untersuchungen der Stausituationen beschränke. Eine Messung der Immissionen nach Fertigstellung sei unzureichend. Vielmehr seien die Immissionen anhand vollständiger, plausibler Gutachten zu prognostizieren. Auch bezüglich der Luftschadstoffbelastung fehle eine qualifizierte Schadstoffprognose, obwohl bereits in Ziffer 6 des Vorbescheids angekündigt worden sei, dass im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens eine qualifizierte Schadstoffprognose vorzunehmen sei. Dass die Anlage 7 zum Baugenehmigungsbescheid mit keinem Wort auf die Luftschadstoffbelastung eingehe, sei rechtswidrig. Es seien auch unzumutbare Lichtimmissionen zu befürchten. Das geplante leuchtende Schild an der den Wohnhäusern der Antragstellerin zugewandten Fassade wirke in erheblichem Maße in das Wohngebiet hinein und bewirke während der Öffnungszeiten eine nicht hinzunehmende Raumaufhellung. Dabei würden die Lichtimmissionen auf die besonders störungssensiblen Aufenthaltsräume in den Wohnungen der Antragstellerin einwirken.

17

Schließlich werde das Eigentumsrecht der Antragstellerin und das Recht der Mieter auf körperliche Unversehrtheit dadurch verletzt, dass sich die Zufahrt zu den 713 Stellplätzen direkt gegenüber der Feuerwehrzufahrt für die Wohnanlage der Antragstellerin befinde. Es bestehe die Gefahr, dass durch wartende Fahrzeuge vor der Parkanlage die Feuerwehrauffahrt blockiert werde. Dies sei bereits bei zwei wartenden Fahrzeugen im A-Weg der Fall. Bei vier bzw. acht wartenden Fahrzeugen würden darüber hinaus die Zufahrten zu den beiden Tiefgaragen der Wohnanlage der Antragstellerin versperrt.

18

Die Antragstellerin beantragt,

19

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22. März 2012 gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 17. Februar 2012 anzuordnen.

20

Die Antragsgegnerin beantragt,

21

den Antrag abzuweisen.

22

Die Akte zum Bebauungsplanverfahren Altona-Altstadt 14 sei vernichtet worden, da die 30jährige Aufbewahrungsfrist schon lange überschritten sei. Die Annahme, dass nur 50 % der Kunden der Beigeladenen das Einrichtungshaus mit dem Auto aufsuchen würden, sei geprüft und für plausibel gehalten worden, da es sich um ein innerstädtisches Einrichtungshaus handele. Bei einem solchen ähnele das Einkaufsverhalten der Kunden mehr dem bei einem innerstädtischen Kaufhaus und weniger dem bei einem klassischen Möbelmarkt auf der „grünen Wiese“. Beim innerstädtischen Einkaufsverkehr bestehe in Hamburg der Anteil des motorisierten Individualverkehrs bei 36 %. Der hier angenommene Wert von 50 % liege deutlich darüber und trage der Tatsache Rechnung, dass es sich um einen innerstädtischen Möbelmarkt handele. Hamburg verfüge bereits über zwei Einrichtungshäuser der Beigeladenen, die jeweils sehr gut mit dem Auto erreichbar seien. Deshalb werde davon ausgegangen, dass relativ wenige Kunden das innerstädtische Einrichtungshaus mit dem eigenen Pkw anfahren würden. Durch die drei Zufahrten zu den Parkdecks werde die Gefahr eines nennenswerten Rückstaus in den öffentlichen Verkehrsraum verhindert. Selbst in Phasen erhöhten Verkehrsflusses sei ein Rückstau nicht zu erwarten. Zur Frage der Luftschadstoffbelastung habe sich die zuständige Stelle am 15. November 2011 geäußert. Überschreitungen der als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden Grenzwerte der 39. BImSchV seien nicht prognostiziert worden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass für den A-Weg und die Altonaer Poststraße von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ausgegangen worden sei, wodurch die Immissionen voraussichtlich überschätzt worden seien, weil tatsächlich mit niedrigeren Geschwindigkeiten zu rechnen sei.

23

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, dass der Antrag bereits unzulässig sei. Durch das lange Zuwarten mit der Einlegung des Eilantrags trotz Kenntnis der Baugenehmigung und des Baubeginns habe die Antragstellerin ihr Antragsrecht verwirkt. In jedem Fall fehle ihr sowohl hinsichtlich der Errichtung des Einrichtungshauses als auch hinsichtlich des Betriebs das Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin hätte ohne weiteres eine abschließende Klärung der Rechtsfragen in dem Klageverfahren gegen den Vorbescheid (9 K 754/11) erreichen können. Da sie dies nicht getan habe, sei nunmehr kein Bedürfnis für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegeben. In Bezug auf den Betrieb des Einrichtungshauses könne auch im Hauptsacheverfahren gegen die Baugenehmigung effektiver Rechtsschutz erlangt werden.

24

In jedem Fall sei der Antrag unbegründet. Die Befreiungen für das Überschreiten der Baugrenzen und der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse seien städtebaulich vertretbar. Die nachbarlichen Interessen seien in ausreichendem Maße in die Interessenabwägung eingestellt worden. Die planungsrechtlichen Befreiungen würden dem Willen des Plangebers Rechnung tragen, in zentraler Lage ein Baugebiet von übergeordneter Bedeutung für den gesamten Stadtbereich auszuweisen. Ziel des städtebaulichen Wettbewerbs vor Verabschiedung des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 sei es gewesen, an besonders geeigneten zentralen Punkten stadtbildgestaltende Dominanten zu schaffen. Im Geltungsbereich des Bebauungsplans sei deshalb ein zentraler Bereich mit einer intensiven Bebauung von bis zu 16 Geschossen geschaffen worden. Auch der angrenzende Bebauungsplan Altona-Altstadt 46 aus dem Jahre 2004 sehe für den Bereich nordwestlich des Goethe-Platzes eine zwingende Bebauung mit sieben Vollgeschossen vor, um einen zentralen Ort mit stadtbildgestaltendem Charakter zu schaffen. Nach Süden zu den Grundstücken der Antragstellerin hin werde die Baugrenze zwar tatsächlich um 7,54 m und in Teilbereichen bis maximal 16,50 m überschritten. Dadurch solle jedoch erreicht werden, dass die bisher an der Rückseite des Kaufhauses befindliche offene Anliefer- und Stellplatzzone beseitigt und in das neue Gebäude integriert werde. Durch die integrierte Anlieferung mit eingehauster Rampe sowie die Einhausung der Stellplätze verbessere sich die Immissionssituation für die Nachbarn. Soweit die Begründung des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 davon spreche, dass allgemeine Voraussetzungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu schaffen seien, seien gerade keine Ausgleichmaßnahmen im Bebauungsplan festgesetzt worden, die das vorliegende Bauprojekt ausschließen würden. Dass sich die Baugenehmigung aus dem Jahre 2012 auf die damals gültige gesetzliche Grundlage zur Abstandsflächenberechnung stütze, sei nicht zu bemängeln. Die neuen Festsetzungen der Abstandsflächen würden der Entwicklung eines sich immer weiter verdichtenden Stadtkerns Rechnung tragen.

25

Es seien auch keine rücksichtslosen Immissionen zu befürchten. Die Anlieferung des Einrichtungshauses erfolge ausschließlich über die Einfahrt an der Altonaer Poststraße. Eine Anlieferung über den A-Weg finde nicht statt. Die Lieferverkehrseinfahrt erfolge an der südwestlichen Gebäudeecke und sei unmittelbar eingehaust. Es erfolge eine Abfahrt in das Untergeschoss mit den entsprechenden Andockstationen. Die Besucher-Pkw würden sowohl über den östlichen als auch über den westlichen A-Weg anfahren, Mitarbeiterparkplätze seien nicht vorgesehen. Die Lage der Zufahrt für die Parkdecks befinde sich im Straßenraum an vergleichbarer Stelle wie früher die Kundenzufahrt zum Karstadt-Gebäude. Die Verkehrslenkung der Zufahrt von den umliegenden Straßen werde durch Hinweisschilder und die Einbindung des Parkhauses in das dynamische Parkleitsystem in Altona gesteuert. Damit könne der Kunde bereits in Entfernungen von über einem Kilometer vor der Einfahrt in die Altonaer Poststraße prüfen, ob überhaupt ausreichend freie Plätze im Parkhaus vorhanden seien. Die im Vorbescheid angemahnte Vervollständigung der lärmtechnischen Untersuchung sei erfolgt. Dazu sei die „schalltechnische Untersuchung zum Bauvorhaben in Hamburg-Altona“ von der LK GmbH am 20. Oktober 2011 vorgelegt worden. Nach dieser Untersuchung würden durch die Zusatzbelastungen der geplanten Anlage in Verbindung mit der Gesamtbelastung durch bestehende Anlagen an den maßgeblichen Immissionsorten die Immissionsrichtwerte der TA Lärm (Nr. 6.1) nicht oder nur in geringem Umfang überschritten.

26

Die Ergänzungsbescheide würden weder das Rücksichtnahmegebot noch den Immissionsschutz oder andere nachbarschützende Aspekte betreffen. Die einzige substantielle Änderung im ersten Änderungsbescheid sei die Entfernung des Daches über der Parkspindel (Zu- und Abfahrt). Diese Änderung sei aus lüftungstechnischen Gründen erfolgt. Insoweit sei eine ergänzende schalltechnische Stellungnahme eingeholt und Bestandteil der Baugenehmigung geworden.

27

Selbst bei Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung würde ausnahmsweise das Vollzugsinteresse der Beigeladenen das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegen. Dies folge daraus, dass die Beigeladene aufgrund der sofort vollziehbaren Baugenehmigung formell legal bis zum Eingang des Aussetzungsantrages bereits einen erheblichen Teil ihres Bauvorhabens fertiggestellt habe.

28

Zwischen den Beteiligten haben umfangreiche Vergleichsverhandlungen über die Verkehrsführung im A-Weg (Möglichkeit einer zusätzlichen Abbiegespur für das Einrichtungshaus) und über mögliche Lärmschutzmaßnahmen in Bezug auf die Wohnanlage der Antragstellerin stattgefunden. Diese Vergleichsverhandlungen hat die Antragstellerin hinsichtlich des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes Ende November 2013 für gescheitert erklärt.

II.

29

Der Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ist zulässig (1.), aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (2.).

30

1. Der Antrag vom 16. Juli 2013 ist so auszulegen (vgl. § 88 VwGO), dass er darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung der gegen die Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 und des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 eingereichten Klage (9 K 299/13) anzuordnen. Der so verstandene Antrag ist zulässig. Er ist gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO statthaft, da der Klage der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt.

31

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen steht der Antragstellerin auch ein Rechtsschutzbedürfnis zu:

32

a) Die Antragstellerin hat ihr Antragsrecht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechtsbehelfs setzt einen längeren Zeitraum voraus, währenddessen die Möglichkeit bestand, ihn einzulegen (BVerwG, Urt. v. 10.8.2000, 4 A 11/99, juris, Rn. 16). Diese Möglichkeit muss dem Berechtigten bewusst gewesen sein. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt vor, wenn der Berechtigte trotz vorhandener Kenntnis erst zu einem derart späten Zeitpunkt den Rechtsbehelf einlegt, zu dem die Gegenseite nicht mehr mit einer Klageerhebung rechnen musste. Das ist dann der Fall, wenn ein Berechtigter unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen jedermann vernünftigerweise etwas zur Wahrung seines Rechts unternommen hätte (BVerwG, Urt. v. 10.8.2000, a.a.O.). In diesen Fällen darf die Gegenseite darauf vertrauen, dass ein Rechtsbehelf nicht mehr eingelegt wird. Schließlich muss sich die Gegenseite auch tatsächlich in einer Weise auf das Verhalten des Berechtigten eingerichtet haben, dass für sie ein begründeter Rechtsbehelf mit nicht mehr zumutbaren Nachteilen verbunden wäre (BVerwG, Urt. v. 10.8.2000, a.a.O.).

33

Danach liegt keine Verwirkung vor. Zwar hat die Antragstellerin den Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes trotz erkennbaren Baufortschritts für einen nicht unerheblichen Zeitraum nicht gestellt. Sie hat - trotz Kenntnis von Baubeginn und Baufortschritt - erst im Juli 2013, etwa acht Monate nach Baubeginn hinsichtlich des Neubaus, etwa ein Jahr und drei Monate nach Einlegung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung und mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn der Abrissarbeiten, den vorliegenden Antrag gestellt. Jedoch durfte weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene berechtigterweise darauf vertrauen, dass ein solcher Antrag nicht mehr gestellt wird. Die Antragstellerin hat zu keinem Zeitpunkt der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen gegenüber explizit zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre schon gegen den Vorbescheid und dann gegen die Baugenehmigung gerichteten Bedenken nicht in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen wird. Die Antragstellerin hat keine der beiden Klagen gegen Vorbescheid und Baugenehmigung zurückgenommen und auch sonst nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie ohne Abschluss eines Vergleichs auf weitere Rechtsbehelfe verzichten werde. Vor diesem Hintergrund konnte kein schutzwürdiges Vertrauen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen entstehen.

34

b) Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht deshalb entfallen, weil bei Stellung des Antrags im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits der Rohbau fertiggestellt war (vgl. VGH München, Beschl. v. 26.7.2010, 2 CS 10.465, juris). Dabei kommt es grundsätzlich auf die Stellung des Antrags beim Verwaltungsgericht an. Zu diesem Zeitpunkt am 16. Juli 2013 war der Rohbau selbst nach Angaben der Beigeladenen noch nicht einmal zur Hälfte fertiggestellt.

35

c) Die Antragstellerin hat weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl sie im Verfahren gegen den Vorbescheid das Ruhen angeregt hat. Zwar ist ein von den Rechtsschutzmöglichkeiten in der Hauptsache abgekoppelter Eilrechtsschutz verfassungsrechtlich nicht nur nicht geboten; für einen Antrag auf vorläufigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz entfällt grundsätzlich auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, wenn effektiver Rechtsschutz bereits in der Hauptsache möglich gewesen wäre (VGH München, Beschl. v. 29.7.2008, 9 CS 08.1347, juris, Rn. 4). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof München selbst in dem von ihm zu entscheidenden Fall, in dem der Kläger über einen Zeitraum von fast drei Jahren keine Untätigkeitsklage neben seinem Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erhoben hatte, offen gelassen hat, ob das Rechtsschutzbedürfnis tatsächlich entfallen ist (VGH München, Beschl. v. 29.7.2008, a.a.O., Rn. 7). In jedem Fall sind die Voraussetzungen für ein Entfallen des Rechtsschutzes gemäß dieser Fallgruppe nicht gegeben. Die Klage gegen den Vorbescheid betrifft einen anderen Streitgegenstand als die Klage gegen die Baugenehmigung und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage. Bei der Frage, ob der Antragstellerin effektiver Rechtsschutz bereits in der Hauptsache möglich gewesen wäre, kommt es auf die Klage gegen die Baugenehmigung an. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin bis zu ihrem Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Juli 2013 effektiven Rechtsschutz gegen die Baugenehmigung in der Hauptsache hätte erlangen können, zumal die Antragsgegnerin erst im April 2013 über den Widerspruch gegen die Baugenehmigung entschieden hat und die Antragstellerin im Verfahren gegen die Baugenehmigung nicht untätig geblieben ist, sondern bereits im Januar 2013 Untätigkeitsklage erhoben hatte.

36

d) Das Rechtsschutzbedürfnis besteht auch in Bezug auf die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Einrichtungshauses der Beigeladenen befürchteten Immissionen. Die zukünftige Immissionsbelastung wird entscheidend durch die Eigenart der baulichen Anlage, insbesondere die Zufahrt zu den Parkdecks und die Parkdecks selbst, geprägt sein. Deshalb hat die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse daran, sich gegen die Fertigstellung des Bauvorhabens zu wehren und kann insoweit nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden.

37

2. Der Antrag ist jedoch nur teilweise begründet. Allerdings überwiegt bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung entgegen der Auffassung der Beigeladenen ihr Interesse das Interesse der Antragstellerin nicht allein aufgrund der späten Stellung des Antrags im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und des bis zur Stellung des Antrags realisierten Baufortschritts. Zwar ist ein Nachbar, der sich durch ein Bauvorhaben in seinen Rechten betroffen sieht, gehalten, durch zumutbares aktives Handeln den wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn und dessen Vermögensverlust so gering wie möglich zu halten, indem er unverzüglich seine Einwendungen geltend macht (BVerwG, Beschl. v. 18.3.1988, 4 B 50/88, juris, Rn. 4). Dieser im baurechtlichen Nachbarverhältnis wurzelnde Grundsatz gilt auch für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. v. 30.1.2002, 2 W 5/01, juris, Rn. 6). Jedoch hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ihre Einwendungen gegen den Vorbescheid und gegen die Baugenehmigung frühzeitig mitgeteilt. Sie hat die insoweit bestehenden gerichtlichen Verfahren zwar u.a. aufgrund der schwebenden Vergleichsverhandlungen nicht mit Nachdruck betrieben. Im Verfahren gegen den Vorbescheid hat sie sogar das Ruhen des Verfahrens angeregt. Sie hat aber keine der Klagen zurückgenommen und auch sonst nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie ohne Abschluss eines Vergleichs auf weitere Rechtsbehelfe verzichten werde. Vor diesem Hintergrund konnte die Beigeladene zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen, dass die Antragstellerin ihre Einwendungen gegen das Vorhaben nicht mehr erheben wird. Die Durchführung des Bauvorhabens trotz der bestehenden Klagen gegen den Vorbescheid und die Baugenehmigung erfolgte auf eigenes Risiko der Beigeladenen. Die Antragstellerin ist ihren Obliegenheiten aus der Nachbarstellung durch Geltendmachung ihrer Einwendungen in den beiden Klagen ausreichend nachgekommen.

38

Unter Berücksichtigung der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache [a)] überwiegt das Interesse der Antragstellerin daran, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Rechtsbehelf keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, das öffentliche Vollzugsinteresse und die Interessen der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung lediglich insoweit, als bei einer Nutzung des Einrichtungshauses im genehmigten Umfang die Gefahr unzumutbarer Immissionen besteht [b)]. Deshalb ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auszusprechen. Im Übrigen überwiegen die Interessen der Beigeladenen und das öffentliche Vollzugsinteresse.

39

a) Die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache sind nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung offen. Ob die angegriffene Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 und des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 die Antragstellerin in ihren subjektiven Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt und deshalb im Hauptsacheverfahren aufzuheben sein wird, ist offen. Ein Grundstückseigentümer kann sich gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die Genehmigung dieses Vorhabens ihn in seinen eigenen Rechten verletzt, also gegen solche baurechtlichen Bestimmungen verstößt, die nach dem erkennbaren Willen des Normgebers ein subjektiv-öffentliches (eigenes) Abwehrrecht des betroffenen Nachbarn begründen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.1986, 4 C 8/84, juris, Rn. 11; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.5.1990, Bs II 65/90, juris, Rn. 6). Demgegenüber kann durch den Drittbetroffenen weder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch im Hauptsacheverfahren eine umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigung erreicht werden. Insofern kommt es nicht darauf an, ob das Bauvorhaben objektiv genehmigungsfähig war oder ist. Entscheidungserheblich ist vielmehr allein, ob durch die Baugenehmigung solche Normen verletzt sind, die die Antragsteller schützen sollen.

40

Ob dies hier der Fall ist, ist offen. Zwar verletzt die angegriffene Baugenehmigung aller Voraussicht nach keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauordnungsrechts. Insbesondere hält die Baugenehmigung die gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO allein nachbarschützende Mindesttiefe der Abstandsflächen von 2,50 m ein. Auch dürfte der Antragstellerin weder ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch [aa)] noch ein gebietsübergreifender Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets zustehen [bb)]. Außerdem sind die der Beigeladenen erteilten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse lediglich am Rücksichtnahmegebot zu messen [cc)]. Jedoch ist offen, ob dieses Gebot der Rücksichtnahme durch das Vorhaben der Beigeladenen verletzt wird [dd)].

41

aa) Die Antragstellerin kann sich nicht auf einen gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch, der allein in Betracht kommt, da ihr Grundstück in einem anderen Baugebiet als das Vorhabengrundstück liegt, berufen. Zwar ist in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt, dass ein solcher Anspruch bestehen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1973, IV C 71.71, juris, Rn. 28; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.3.2009, 1 LA 184/06, juris, Rn. 14, m.w.N.; zurückhaltender: BVerwG, Beschl. v. 18.12.2007, 4 B 55/07, juris, Rn. 6). Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet setzt allerdings den erkennbaren Willen des Plangebers voraus, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen (OVG Koblenz, Beschl. v. 2.7.2013, 1 B 10480/13, juris, Rn. 9; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.3.2009, 1 LA 184/06, juris, Rn. 14). Ein solcher Anspruch scheidet hier aus. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Festsetzung des Baugebiets des Vorhabengrundstücks als Kerngebiet dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung im allgemeinen Wohngebiet dienen soll. Dies ist im Gegenteil wegen der mit einem Kerngebiet regelmäßig zusammenhängenden Immissionsbelastung fernliegend. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht auf die Frage der Gebietsverträglichkeit des Einrichtungshauses an (vgl. zur Gebietsverträglichkeit BVerwG, Beschl. v. 28.2.2008, 4 B 60/07, juris).

42

bb) Der Antragstellerin steht gegen das Vorhaben der Beigeladenen auch kein Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zu (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, 2 Bs 154/08, juris; Beschl. v. 5.6.2009, 2 Bs 26/09, juris; Beschl. v. 2.9.2010, 2 Bs 144/10, juris). Da ihr Grundstück in einem anderen Baugebiet als das Vorhabengrundstück liegt, könnte sie sich lediglich auf einen gebietsübergreifenden Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO berufen. Der Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dient dazu, die typische Prägung des jeweiligen Baugebiets zu sichern. Deshalb kann ein gebietsübergreifender Anspruch gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nur bestehen, wenn nach dem erkennbaren Willen des Plangebers die Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen. Dies ist für die Kerngebietsausweisung, in dem das Vorhaben der Beigeladenen liegt, nicht der Fall [s.o. II. 2. a) aa)].

43

cc) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es nicht darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB - etwa die Wahrung der Grundzüge der Planung - für die der Beigeladenen erteilten Befreiungen von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse vorliegen. Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist nämlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans oder von nichtdrittschützenden Festsetzungen befreit wird (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, 4 B 64/98, juris, Rn. 5 f.; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, 2 Bs 165/12, juris, Rn. 27). Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, a.a.O.; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, a.a.O). Bei der Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans hat der Nachbar lediglich ein subjektiv öffentliches Recht auf Würdigung seiner nachbarlichen Interessen; unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO entwickelt hat (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, a.a.O.). Für den Nachbarn bedeutet das, dass er ein Bauvorhaben, für das eine Befreiung erteilt wurde, in diesem Fall nur dann mit Erfolg angreifen kann, wenn dieses ihm gegenüber rücksichtslos ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, a.a.O, Rn. 29).

44

Vor diesem Hintergrund kann sich die Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilten Befreiungen von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse nur im Rahmen des Rücksichtnahmegebots wehren. Denn im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Festsetzung der Baugrenzen und der zulässigen Vollgeschossanzahl ausnahmsweise drittschützend sein könnten.

45

Bei beiden Festsetzungen handelt es sich um solche zum Maß der baulichen Nutzung, die grundsätzlich nicht nachbarschützend sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass § 30 BauGB aus sich heraus keine subjektiv-öffentlichen Rechte zugunsten des Nachbarn begründet. Ob Festsetzungen auf der Grundlage der §§ 16 ff. und des § 23 BauNVO auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (BVerwG, Beschl. v. 19.10.1995, 4 B 215.95, juris, Rn. 3). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (VGH Mannheim, Beschl. v. 8.3.1988, BRS 48 Nr. 169). An dieser Rechtsprechung, die vor der grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erging, hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim nicht festgehalten (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 1.2.1993, 8 S 2796/92, juris, Rn. 15). Von der Ausweisung von Baugebieten abgesehen, die kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung hat, dient ein Bebauungsplan mit Rücksicht auf seine städtebauliche Ordnungsfunktion für ein Plangebiet zunächst öffentlichen Interessen. Ob darüber hinaus einer Festsetzung nachbarschützender Charakter zukommt, muss im Einzelfall für die jeweilige Ausweisung durch Auslegung ermittelt werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 6 f.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts eröffnen Ausweisungen über das Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine nachbarlichen Abwehrrechte (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, a.a.O., Rn. 7, m.w.N.).

46

Ein von diesem Grundsatz ausnahmsweise abweichender Wille des Plangebers lässt sich dem Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 und seiner Begründung weder in Bezug auf die Baugrenzen noch in Bezug auf die Anzahl der genehmigten Vollgeschosse entnehmen. In der Begründung heißt es (S. 2):

47

„Im Kerngebiet an der Großen Bergstraße ist eine intensive Bebauung mit maximal sechzehn Geschossen ausgewiesen. … Entsprechend der Empfehlungen der Unabhängigen Kommission für den Aufbauplan an besonders geeigneten zentralen Punkten stadtbildgestaltende Dominanten zu schaffen, wurde für das Wohn- und Kerngebiet eine verdichtete Nutzung ausgewiesen. Das Maß der Nutzung überschreitet dabei die im § 17 Absatz 1 … [BauNVO 1968] festgelegten Höchstwerte. Die Überschreitung wird durch Maßnahmen ausgeglichen, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Voraussetzungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gegeben sind und den Anforderungen des Verkehrs Rechnung getragen wird. Diese Maßnahmen sind als Vorbedingung in dem städtebaulichen Wettbewerb festgesetzt worden. Da auch sonst keine öffentliche Belange entgegenstehen, sind die Voraussetzungen des § 17 Absatz 9 der Baunutzungsverordnung gegeben“

48

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich ein Wille des Plangebers, den Festsetzungen der Baugrenzen und der Vollgeschossanzahl auf dem Grundstück der Beigeladenen ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung zu geben, nicht daraus, dass die Begründung auf Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse Bezug nimmt, die in dem städtebaulichen Wettbewerb als Vorbedingung gesetzt wurden.

49

(1) Es bestehen bereits keine Anhaltspunkte dafür, dass die Baugrenzen und die Vollgeschossanzahl auf dem Grundstück der Beigeladenen zu den Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Plangebiet gehören. Die Unterlagen zum städtebaulichen Wettbewerb sind nach Angaben der Antragsgegnerin nicht mehr auffindbar, so dass sich im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend klären lässt, welche Maßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse als Ausgleich für die Überschreitung der in der Baunutzungsverordnung 1968 festgelegten Höchstwerte für das Maß der baulichen Nutzung festgelegt wurden. Jedoch lässt sich der Begründung des Bebauungsplans weder entnehmen, dass die Festsetzungen der Baugrenzen oder der Anzahl der Vollgeschosse als Ausgleichsmaßnahmen anzusehen sind noch, dass diese Festsetzungen dem Schutz des allgemeinen Wohngebiets südlich des A-Wegs dienen sollen. Hinweise auf einen ausnahmsweise angeordneten Nachbarschutz der Festsetzungen sind auch in den weiteren Materialien zur Entstehung des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 nicht enthalten. Gemäß der Drucksache V / Nr. 156 für die Bezirksversammlung Altona vom 7. Oktober 1969 und des Bebauungsplanentwurfs vom 7. November 1969 (beide in der Sachakte Altona-Alt 14 II) ist die Überschreitung der Maximalwerte der Baunutzungsverordnung für das allgemeine Wohngebiet und das Kerngebiet besonders durch die günstige Verkehrslage begründet. Diese günstige Verkehrslage dürfte damit nach Ansicht des Plangebers als bereits bestehender Umstand (vgl. zur Zulässigkeit schon bestehender Umstände als Ausgleichsmaßnahme im Rahmen des § 17 BauNVO: Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 2013, § 17 BauNVO, Rn. 25) maßgeblich zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Plangebiet trotz der Nutzungsverdichtung beitragen. Dass darüber hinaus auf dem Grundstück der Beigeladenen die Vollgeschossanzahl im südlichen Bereich begrenzt und Baugrenzen festgesetzt wurden, um als Ausgleichsmaßnahmen gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse sicherzustellen, ergibt sich aus den vorhandenen Materialien nicht. Dies ist auch deshalb nicht wahrscheinlich, weil die Anzahl der Vollgeschosse auf dem Grundstück der Beigeladenen - selbst im nördlichen Grundstücksbereich mit der höchsten Festsetzung von sechs Vollgeschossen -deutlich geringer ausfällt als auf den benachbarten Flurstücken (1756 und 1758) mit bis zu 12 bzw. 16 zulässigen Vollgeschossen. Ausgleichsmaßnahmen wären demnach vor allem hinsichtlich dieser Grundstücke und nicht in Bezug auf das Grundstück der Beigeladenen zu erwarten gewesen.

50

(2) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Begrenzung der Vollgeschossanzahl und die Festlegung der Baugrenzen auf dem Grundstück der Beigeladenen als Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Plangebiet erforderlich gewesen wären. Eine Begrenzung des Verkehrs und der damit zusammenhängenden Emissionen dürfte aus Sicht des Plangebers angesichts der günstigen Verkehrslage, auf die in den Materialien zum Bebauungsplan explizit hingewiesen wurde (s.o.), nicht erforderlich gewesen sein. Die weiteren Voraussetzungen gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 6.6.2002, 4 CN 4/01, juris, Rn. 29), wie etwa Belichtung, Belüftung und sozialer Abstand zwischen Gebäuden, werden durch die bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu den Abstandsflächen sichergestellt (vgl. § 6 HBauO). Zusätzliche Festsetzungen im Bebauungsplan waren insoweit nicht erforderlich.

51

(3) Davon unabhängig sind selbst dann keine Anhaltspunkte für den Willen des Plangebers, den Festsetzungen der Baugrenzen und der Vollgeschossanzahl ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung beizumessen, vorhanden, wenn diese Festsetzungen als Maßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Sinne der Begründung des Bebauungsplans anzusehen wären. Die Begründung des Bebauungsplans orientiert sich nämlich am Wortlaut des § 17 Abs. 9 BauNVO 1968. Sie legt dar, weshalb der Bebauungsplan ausnahmsweise die Vorgaben des § 17 Abs. 1 BauNVO 1968 zum Maß der baulichen Nutzung überschreiten darf. § 17 Abs. 1 und 9 BauNVO 1968 dienen aber maßgeblich stadtplanerischen Zielen und nicht dem privaten Nachbarschutz. Gleiches gilt für den städtebaulichen Wettbewerb, der dem Bebauungsplan zu Grunde liegt. Die Maßnahmen, die als Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse als Vorbedingung des städtebaulichen Wettbewerbs festgesetzt wurden, dienten damit grundsätzlich städtebaulichen Zielen. Auch insoweit bedürfte es besonderer Anhaltspunkte für einen vom Plangeber ausnahmsweise angeordneten Drittschutz dieser Ausgleichsmaßnahmen. Solche Anhaltspunkte sind weder im Wortlaut der Begründung noch in den vorhandenen Materialien zur Entstehungsgeschichte des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 enthalten.

52

dd) Jedoch ist derzeit offen, ob das innerstädtische Einrichtungshaus der Beigeladenen in der genehmigten Form das Gebot der Rücksichtnahme (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) verletzt. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004, 4 C 1/04, juris, Rn. 22, m.w.N.). Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, sind dann gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.10.1989, 4 C 14/87, juris, Rn. 14).

53

Gemessen an diesem Maßstab liegt zwar kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot unter den Gesichtspunkten der Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung, Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten [(1)] bzw. der erdrückenden Wirkung [(2)] vor. Jedoch ist derzeit offen, ob das genehmigte Vorhaben wegen der mit seinem Betrieb einhergehenden Emissionen rücksichtslos ist [(3)].

54

(1) Ein Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme folgt nicht aus einer Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten. Wenn ein Bauvorhaben auf eigenem Grund die bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Abstandsflächen gegenüber den angrenzenden Nachbargrundstücken einhält, fehlt es in der Regel an einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2012, 2 Bs 169/12, juris, Rn. 28, m.w.N.). Dies gilt jedenfalls wegen einer möglichen Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 8).

55

Das Vorhaben des Beigeladenen hält die notwendigen Abstandsflächen von 0,4 H gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 HBauO ein. Dabei ist - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - bei der Berechnung der Abstandsflächen nicht auf die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Altona-Altstadt 14, sondern auf die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Baugenehmigung geltende Fassung der Hamburgischen Bauordnung abzustellen. Da die Baugenehmigung die hoheitliche Erklärung ist, dass dem Vorhaben im Zeitpunkt der Entscheidung Hindernisse aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften nicht entgegenstehen, ist die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage maßgeblich (Niere in: Alexejew, HBauO, 2012, § 72, Rn. 67).

56

Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 HBauO müssen Abstandsflächen auf dem Grundstück des Vorhabens oder auf öffentlichen Verkehrsflächen - allerdings nur bis zu deren Mitte - liegen. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 HBauO bemisst sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe; sie wird rechtwinklig zur Wand gemessen. Die Wandhöhe ist das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wandaußenseite mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Danach werden die Abstandsflächen von dem Vorhaben der Beigeladenen zu der südlich gelegenen Wohnanlage der Antragstellerin hin eingehalten, wie sich aus dem Abstandsflächenplan vom 5. Juli 2011 ergibt.

57

Dies gilt auch dann, wenn die Auffassung der Antragstellerin zutrifft, dass die Brüstung auf der ersten Parkebene bei Berechnung der Abstandsfläche gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 2 HBauO zu berücksichtigen ist, weil sie mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nimmt. Denn auch bei Berücksichtigung der Brüstung werden die Abstandsflächen eingehalten. Die Brüstung hat eine zusätzliche Höhe von etwa 1,20 m über dem höchsten Punkt der Außenwand (20,85 m) also eine geplante Höhe von etwa 22,05 m. Sie ist aber gleichzeitig um ca. 80 cm zurückversetzt. Die zusätzlichen 0,4 H von 1,20 m (48 cm) werden durch den Rücksprung der Brüstung gewahrt.

58

Die Abstandsflächen werden auch bei Berücksichtigung der weiteren Parkebenen eingehalten. Die zusätzliche Höhe der Parkebenen wird durch den ansteigenden Rücksprung ausgeglichen. Eine Unterschreitung der notwendigen Abstandsflächen zu den Grundstücken der Antragstellerin hin, ist an keiner Stelle zu erwarten.

59

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handelt es sich beim Zurücksetzen der Brüstung und der Parkgeschosse auch nicht um eine unzulässige Umgehung der Abstandsflächenvorschriften. Vielmehr entspricht es bei konisch zulaufenden bzw. pyramidenartig ausgeführten Gebäuden ohne abgegrenzte Dachfläche dem Sinn der Abstandsflächenvorschriften, die Abstandsfläche schichtweise, das heißt gesondert für jedes Stockwerk, zu ermitteln. Maßgebend ist auch hier das Maß H mit der größten Ausdehnung (Niere in: Alexejew, HBauO, 2012, § 6, Rn. 85). Schutzzweck der Abstandsflächenregelung ist es nämlich, die ausreichende Belichtung, Belüftung und einen ausreichenden sozialen Abstand durch Sicherung eines Mindestabstands zweier Gebäude sicherzustellen. Es ist also auf die Entfernung der Gebäude in der jeweils zu betrachtenden Höhe abzustellen. Wie bei pyramidenartig ausgeführten Gebäuden vergrößert sich durch den Rücksprung die Entfernung zwischen dem Gebäude des Beigeladenen und denen der Antragstellerin. Der Rücksprung ist bei der Berechnung der Abstandsflächen zutreffend berücksichtigt worden.

60

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin findet auch keine Umgehung des § 6 Abs. 4 Satz 3 HBauO durch eine Deklarierung der Parkgeschosse als Dach statt. Bei den überdachten Parkgeschossen handelt es sich nicht um das Dach, sondern um eigenständige Vollgeschosse. Ansonsten wäre die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB für das Überschreiten der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse nicht erforderlich. Demnach ist ihre Höhe schichtweise pro Vollgeschoss hinzuzuzählen. Auch bei dieser schichtweisen Einbeziehung der vollständigen Geschosshöhe werden die Abstandsflächen aufgrund des ansteigenden Rücksprungs eingehalten.

61

Anhaltspunkte für einen darüber hinausgehenden atypischen Fall der Verletzung des Rücksichtnahmegebots trotz Einhaltung der Abstandsflächen sind nicht ersichtlich, zumal das Vorhaben der Beigeladenen im Norden der Wohnanlage der Antragstellerin liegt, so dass insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verschattung keine relevante Beeinträchtigung zu erwarten ist. Gleiches gilt für den Gesichtspunkt der Einsichtsmöglichkeiten, da die Fensterflächen auf der Gebäudeseite, die der Wohnanlage der Antragstellerin zugewandt ist, von geringer Größe im Verhältnis zur gesamten Fassadenfläche sind.

62

(2) Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme unter dem Gesichtspunkt der erdrückenden Wirkung. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat offengelassen, ob für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen einer erdrückenden Wirkung in der Regel kein Raum ist, wenn die notwendige Abstandsfläche eingehalten wird (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 11). Dies kann auch vorliegend dahinstehen, denn von dem Vorhaben der Beigeladenen wird aller Voraussicht nach keine erdrückende Wirkung ausgehen.

63

Eine erdrückende Wirkung wird angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden" Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird (OVG Münster, Beschl. v. 30.8.2013, 7 B 252/13, juris, Rn. 15 f.; Urt. v. 19.7.2010, 7 A 3199/08, juris, Rn. 58 f.). Erdrückende Wirkung kann insbesondere bei einer Riegelwirkung oder einem Einmauerungseffekt vorliegen (OVG Hamburg, Beschl. v. 12.2.2010, 2 Es 2/09.N, juris, Rn. 38). Dabei erzeugt selbst das Nebeneinander einer dreigeschossigen und einer eingeschossigen Bebauung als solches noch keine erdrückende Wirkung (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 12). Soweit eine beengende Wirkung darauf zurückzuführen ist, dass das Gebäude der Antragstellerin selbst nur einen geringen Abstand zur Grundstücksgrenze auf ihrem Grund-stück einhält, hat sie keinen Anspruch darauf, dass die Beigeladene bei der Gestaltung der Bebauung ihres Grundstücks die Nachteile ausgleicht, die dem Grundstück der Antragstellerin aufgrund der grenznahen Bebauung anhaften (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, a.a.O.).

64

Gemessen an diesem Maßstab ist keine erdrückende Wirkung zu befürchten. Insbesondere wird das innerstädtische Einrichtungshaus weder eine Riegelwirkung noch einen Einmauerungseffekt erzeugen. Aufgrund der großen Entfernung zum Vorhaben der Beigeladenen ist eine erdrückende Wirkung für alle Gebäude der Antragstellerin bis auf das Gebäude A-Weg 9 von vorneherein ausgeschlossen. Auch für das Gebäude A-Weg 9 ist eine erdrückende Wirkung nicht zu erwarten. Durch den Rücksprung der Parkgeschosse werden diese auf Straßenhöhe bzw. im Erdgeschoss in den Gebäuden der Antragstellerin nicht zur beengenden Wirkung beitragen, so dass insoweit nur die Traufhöhe des Einrichtungshauses von etwa 21 Metern zu berücksichtigen ist. An jeder Stelle besteht ein Mindestabstand von über 14 Metern zum Einrichtungshaus. Beide Gebäude sind durch den A-Weg getrennt. Darüber hinaus befindet sich das Gebäude A-Weg 9 fast unmittelbar an der Grundstücksgrenze der Antragstellerin. Da eine eventuell eintretende beengende Wirkung auch auf diese Lage des Wohngebäudes der Antragstellerin zurückzuführen ist, hat sie keinen Anspruch darauf, dass die Beigeladene bei der Gestaltung der Bebauung ihres Grundstücks die Nachteile ausgleicht, die dem Grundstück der Antragstellerin aufgrund der eigenen grenznahen Bebauung anhaften. Schließlich ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass beide Gebäude in einem sehr zentralen, innerstädtisch geprägten Bereich Altonas liegen. In dieser Lage sind die Anwohner verpflichtet, eine intensivere Bebauung der Nachbargrundstücke hinzunehmen, als es etwa in Randbereichen der Stadt der Fall wäre. Wie die umgebende Bebauung, insbesondere auf den Flurstücken 6 und 7 mit bis zu 12 bzw. 16 zulässigen Vollgeschossen zeigt, handelt es sich bei dem geplanten Gebäude der Beigeladenen mit einer Höhe von etwa 32 m auf der vierten Parkebene (die Aufbauten auf der Parkebene sind so mittig gelegen, dass sie zu der beengenden Wirkung nicht beitragen), in diesem innerstädtischen Bereich nicht um ein außergewöhnlich hohes Gebäude.

65

(3) Jedoch ist derzeit offen, ob das genehmigte Vorhaben wegen der mit seinem Betrieb einhergehenden Emissionen rücksichtslos sein wird.

66

Ab welchem Maß an Immissionen ein Bauvorhaben den Nachbarn gegenüber rücksichtslos ist, ergibt sich aus §§ 3, 22 BImSchG, wonach u.a. bauliche Anlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen, d.h. Immissionen herbeiführen dürfen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Gemessen an diesem Maßstab sind zwar voraussichtlich keine unzumutbaren Lichtimmissionen für die Antragstellerin zu befürchten [(a)]. Jedoch ist offen, ob das genehmigte Vorhaben unzumutbare Lärmimmissionen [(b)] bzw. eine unzumutbare Luftschadstoffbelastung auslösen wird [(c)].

67

(a) Die Baugenehmigung lässt voraussichtlich keine durch den Betrieb des Einrichtungshauses verursachten unzumutbaren Lichtimmissionen zu. Die Vorgaben der Baugenehmigung zur Beleuchtungsstärke und zum Proportionalitätsfaktor (Nr. 10.3 des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013) entsprechen den Vorgaben der Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10. Mai 2000 - LAI-Hinweise). Zwar sind die LAI-Hinweise nicht allgemeinverbindlich, jedoch können sie als sachverständige Beurteilungshilfe und als Bewertungsmaßstab bei der Einzelfallprüfung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots herangezogen werden (VGH Mannheim, Urt. v. 29.3.2012, 3 S 2658/10, juris, Rn. 40; OVG Münster, Beschl. v. 27.2.2009, 7 B 1647/08, juris, Rn. 48 ff.). Dass im Einzelfall trotz der Einhaltung der Grenzwerte der LAI-Hinweise unzumutbare Lichtemissionen von dem Einrichtungshaus der Beigeladenen ausgehen könnten, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Es bestehen auch keine Indizien dafür, dass die Grenzwerte der LAI-Hinweise beim Betrieb des Einrichtungshauses überschritten werden könnten. Die in dem Gutachten zu den Lichtimmissionen im April 2012 (Anlage 324 zur Baugenehmigung) prognostizierten Werte auf der südlichen Gebäudeseite des Vorhabens der Beigeladenen, welche den Gebäuden der Antragstellerin zugewandt ist, liegen mit einer Beleuchtungsstärke von 0,47 Lux deutlich unterhalb des zulässigen Höchstwertes von 1 Lux (S. 14 des Gutachtens). Zu der zu erwartenden Blendungswirkung (Proportionalitätsfaktoren) enthält das Gutachten zwar keine näheren Angaben. Jedoch werden nach Ansicht des Gutachters bei Einhaltung der im Gutachten zu Grunde gelegten Bedingungen (Leuchtdichtenobergrenzen und lichttechnische Kennziffern) auch die Höchstwerte bezüglich der Blendungswirkung eingehalten (S. 17 des Gutachtens). Darüber hinaus ist die Beigeladene gemäß Nr. 10.3. des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 verpflichtet, die Einhaltung der in der Baugenehmigung festgesetzten Höchstwerte in Bezug auf die Beleuchtungsstärke und die Blendungswirkung durch sachverständige Messung nachzuweisen. Sollten die zulässigen Höchstwerte überschritten werden, hat die Beigeladene in Abstimmung mit der Antragsgegnerin unverzüglich die Maßnahmen, die zur Reduzierung der Werte auf das zulässige Maß notwendig sind, zu treffen. Vor diesem Hintergrund sind unzumutbare Lichtimmissionen auch in Bezug auf eine mögliche Blendungswirkung nicht zu erwarten.

68

(b) Ob das genehmigte Vorhaben unzumutbare Lärmimmissionen auslösen wird, ist im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend aufklärbar. Insoweit bedarf es ggf. einer Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren.

69

Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen bei Nachbarkonflikten im Rahmen des Rücksichtnahmegebots ist die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm (BVerwG, Urt. v. 29.11.2012, 4 C 8/11, juris, Rn. 17, 19). Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu (BVerwG, Urt. v. 29.11.2012, a.a.O., Rn. 18). Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (BVerwG, Urt. v. 29.11.2012, a.a.O.; Urt. v. 29.8.2007, 4 C 2.07, juris, Rn. 12).

70

Es ist derzeit offen, ob das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen im Betrieb die Richtwerte und übrigen Vorgaben der TA Lärm einhalten wird [(aa)]. Die in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen sind nicht geeignet, sicherzustellen, dass von dem genehmigten Vorhaben keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgehen [bb)].

71

(aa) Es ist erstens offen, ob das genehmigte Vorhaben den Immissionsrichtwert gemäß Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm für allgemeine Wohngebiete von tagsüber 55 dB(A) einhalten wird. Nach der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 (Anlage 137 zur Baugenehmigung) wird durch den Gewerbelärm inklusive der bestehenden Vorbelastung dieser Richtwert an drei Immissionsorten um 1 dB(A) überschritten (vgl. Anlage 7 zur schalltechnischen Untersuchung).

72

Jedoch bestehen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Prognose. Denn sie beruht auf einer fragwürdigen Grundannahme, die im Rahmen einer Beweisaufnahme in der Hauptsache zu überprüfen sein wird. Die in der schalltechnischen Untersuchung zu Grunde gelegten Emissionsdaten der Zu- und Abfahrten in das Parkhaus des Einrichtungshauses und auf den Parkdecks beruhen auf der Ermittlung des zu erwartenden Neuverkehrs durch die Verkehrsuntersuchungen des Verkehrsplanungsbüros (vgl. S. 15 der schalltechnischen Untersuchung vom 20.10.2011). Der Prognose des Neuverkehrs liegt ihrerseits die Annahme zu Grunde, dass lediglich die Hälfte der Kunden mit dem eigenen PKW zum Einrichtungshaus fahren wird (sogenannter Modal-Split, S. 7 der Verkehrsuntersuchung vom 20. März 2009). Diese Annahme wird mit der „sehr guten Anbindung“ des Einrichtungshauses an den öffentlichen Personennahverkehr begründet. Allerdings dürfte eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr nicht zwangsläufig zu einer deutlichen Verringerung des Anteils von PKW-Nutzern an den Kunden der Beigeladenen führen. So ist das Einrichtungshaus der Beigeladenen in Hamburg-Moorfleet sehr gut an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden (S-Bahn Station Billwerder-Moorfleet und Bushaltestelle der Linie 230 in unmittelbarer Nähe). Dennoch liegen dem Gericht keine Erkenntnisse über einen deutlich geringeren Anteil an PKW-Nutzern unter den Kunden dieses Einrichtungshauses vor.

73

Unabhängig davon spricht entscheidend gegen einen lediglich hälftigen Anteil der Kunden mit eigenem PKW, dass es das traditionelle Konzept der Beigeladenen ist, Möbel zum Selbstabholen und Selbstaufbauen zu verkaufen. Von diesem Konzept ist die Beigeladene auch bei dem streitgegenständlichen innerstädtischen Einrichtungshaus nicht abgewichen. Insbesondere ist - wie bei den übrigen Einrichtungshäusern der Beigeladenen - eine große Selbstbedienungs-Halle ohne Einschränkung des Sortiments - etwa auf leicht ohne PKW zu transportierende Gegenstände - vorgesehen (vgl. S. 3 der Bau- und Projektbeschreibung, Anlage 28 zur Baugenehmigung). Es ist auch keine verbindliche Anlieferung der Möbel durch die Beigeladene von einem anderen - etwa in einem verkehrsgünstigen Gewerbegebiet gelegenen - Lager aus vorgesehen. Vor diesem Hintergrund ist dem Gericht nicht ersichtlich, wie den Kunden der Transport der gekauften Möbel ohne PKW in relevantem Umfang möglich sein soll. Zwar besteht die Möglichkeit des Möbeltransports durch spezielle „Möbeltaxis“. Auch diese müssen aber von dem Einrichtungshaus zum Kunden und zurück fahren und nutzen dabei die gewöhnliche Parkhausein- und ausfahrt der Beigeladenen (vgl. etwa Anlage 7 zur schalltechnischen Untersuchung vom 20.10.2011). Deshalb dürfte der Einsatz von „Möbeltaxis“ die Lärmemissionen im Vergleich zur PKW-Anfahrt der Kunden nicht wesentlich verringern.

74

Darüber hinaus ist durch die Baugenehmigung nicht sichergestellt, dass der von der Beigeladenen angenommene Modal-Split beim Betrieb des Einrichtungshauses erreicht wird. Zwar sieht die Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 unter Nr. 9.1. (S. 7) vor, dass Grundlage für die Beurteilung die von der Beigeladenen getroffene Annahme über den hälftigen Anteil der PKW-Nutzer am Kundenaufkommen sei. Jedoch bleibt schon unklar, worauf sich die „Beurteilung“ bezieht (z.B. Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit der Baugenehmigung). Unabhängig davon sieht die Baugenehmigung lediglich vor, dass die Einhaltung der Annahme über den Modal-Split „anzustreben“ sei. Es ist weder angeordnet, den Modal-Split beim tatsächlichen Betrieb des Einrichtungshauses zu überprüfen, noch bei einem zu hohen Anteil von PKW-Nutzern verbindliche Maßnahmen zu treffen (etwa Einschränkung der Betriebszeiten oder des vor Ort angebotenen Sortiments bzw. verbindliche Anlieferung von einem gesonderten, verkehrsgünstiger gelegenen Lager). Vor diesem Hintergrund muss es dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, die Annahmen zum Modal-Split zu überprüfen.

75

Sollte sich herausstellen, dass entgegen der Annahme der Beigeladenen ein höherer Kundenanteil mit dem eigenen PKW zum Einrichtungshaus fahren wird, so ist mit im Vergleich zur schalltechnischen Untersuchung erhöhten Immissionswerten zu rechnen. Aus zwei Gründen ist allerdings offen, ob die Immissionsrichtwerte des Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm (ggf. mit Gemengelagenzuschlag) beim Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden können. Zum einen kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden, wie stark die Verkehrsbelastung ansteigen könnte und ob bei einer erhöhten Verkehrsbelastung die Immissionsrichtwerte der TA Lärm überschritten werden. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin wegen der Gemengelage von Kerngebiet und allgemeinem Wohngebiet die Richtwerte des allgemeinen Wohngebiets gemäß Nr. 6.7 TA Lärm um einen Zuschlag erhöhen könnte, wenn der Stand der Lärmminderungstechnik eingehalten wird. Für die Bildung eines Zwischenwerts gemäß Nr. 6.7 TA Lärm ist die zuständige Behörde verantwortlich (Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 2013, 3.1 TA-Lärm, Nr. 6, Rn. 26). Dabei sind sowohl die schutzwürdigen Interessen der Antragstellerin an der Wohnnutzung ihrer Gebäude als auch der Beigeladenen am Betrieb ihres Einrichtungshauses zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.2010, 7 B 4/10, juris, Rn. 32). Allerdings ist ein möglicher Zwischenwert zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht berücksichtigungsfähig, da die Antragsgegnerin bisher keinen Zwischenwert festgesetzt hat.

76

Zweitens ist offen, ob durch den An- und Abfahrtsverkehr, der nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zu berücksichtigen ist, unzumutbare Lärmimmissionen hervorgerufen werden. Zwar wird die Regelung des Nr. 7.4 Abs. 2 der TA-Lärm in der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 zitiert (S. 8). Jedoch wird nicht untersucht, ob beim Betrieb des Einrichtungshauses Beurteilungspegel vorliegen werden, die zusätzliche organisatorische Maßnahmen zur Emissionsreduzierung erforderlich machen. Ob dies der Fall sein wird, lässt sich derzeit nicht abschließend klären. Nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm sollen Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 Metern von dem Betriebsgrundstück in Gebieten nach Nummer 6.1 Buchstaben c bis f durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich vermindert werden, soweit sie den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen, keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt ist und die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) erstmals oder weitergehend überschritten werden.

77

Es spricht einiges dafür, dass die Voraussetzungen für (weitere) organisatorische Maßnahmen gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm zumindest in Bezug auf den A-Weg in dem Bereich zwischen den Gebäuden A-Weg 3 und 9 erfüllt sein werden. In diesem Bereich liegt der A-Weg zwischen Kerngebiet und allgemeinem Wohngebiet, also in Gebieten nach Nr. 6.1 Buchstabe c und d TA-Lärm. Dieser Bereich ist auch weniger als 500 m von dem Einrichtungshaus der Beigeladenen entfernt. Der Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche wird durch den An- und Abfahrtverkehr für den Tag rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöht (vgl. Anlage 5 zur schalltechnischen Untersuchung v. 20.10.2011, wonach die Werte um bis zu 7,7 dB(A) im Vergleich zum Bestand erhöht werden). Eine Vermischung mit dem übrigen Verkehr wird aller Voraussicht nach nicht erfolgt sein, da sich das Verkehrswegenetz an dieser Stelle noch nicht verzweigt hat (vgl. zu diesem Kriterium: Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 2013, 3.1 TA-Lärm, Nr. 7, Rn. 54).

78

Schließlich werden voraussichtlich die Immissionsgrenzwerte der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBl. I S. 1036), geändert am 19. September 2006 (BGBl. I S. 2146) erstmals überschritten. Nach der 16. BImSchV sind Immissionsgrenzwerte am Tag in allgemeinen Wohngebieten von 59 dB(A) und in Kerngebieten von 64 dB(A) einzuhalten. Zwar kann die Antragsgegnerin auch bei der Anwendung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV im Rahmen der Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm bei einer Gemengelage einen Zwischenwert festlegen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 9.3.2012, 2 A 1626/10, juris, Rn. 106). Einen solchen hat die Antragsgegnerin aber bisher nicht gebildet. Selbst wenn ein Zwischenwert unterstellt wird, der voraussichtlich bei 61 oder 62 dB(A) liegen würde, überschreiten die in der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 prognostizierten Beurteilungspegel diesen Wert an mehreren Immissionsorten (vgl. Anlage 4 zur schalltechnischen Untersuchung). Dies gilt selbst dann, wenn bei der Prognose nicht auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit, sondern auf die in der Praxis mögliche Geschwindigkeit abzustellen ist (in diese Richtung: VGH München, Beschl. v. 23.7.2013, 2 ZB 11.1605, juris, Rn. 16). Auch bei reduzierter Geschwindigkeit wird der Immissionsgrenzwert selbst bei unterstelltem Zwischenwert von 62 dB (A) an mindestens sieben Immissionsorten überschritten (Anlage 8 zur schalltechnischen Untersuchung vom 20.10.2011). Diese Grenzwertüberschreitung dürfte noch dadurch verschärft werden, dass diese Berechnung auf dem in der schalltechnischen Untersuchung angenommenen Modal-Split beruht. Sollte beim Betrieb des Einrichtungshauses eine tatsächlich höhere Verkehrsbelastung eintreten - wofür einiges spricht - wird die Belastung durch Verkehrsgeräusche im Sinne des Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm entsprechend zunehmen.

79

Angesichts dessen hätte die Anordnung weiterer organisatorischer Maßnahmen zur Reduzierung des zurechenbaren Verkehrslärms in der Baugenehmigung nahegelegen, zumal die Antragsgegnerin selbst davon ausgeht, dass der Verkehrslärm des An- und Abfahrtverkehrs nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm bei der Berechnung der Zusatzbelastung durch das Vorhaben zu berücksichtigen ist (S. 48 der Baugenehmigung, letzter Spiegelstrich). Zu den organisatorischen Maßnahmen gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm zählen auch betriebliche Maßnahmen (Hansmann in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Rn. 57), so dass etwa die Reduzierung der Öffnungszeiten des Einrichtungshauses in Betracht kommt (vgl. zur Zulässigkeit der Beschränkung der Anzahl von Besuchern einer Veranstaltung als Maßnahme nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm: OVG Münster, Urt. v. 13.9.2010, 7 A 1186/08, juris, Rn. 79). Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass weitere organisatorische Maßnahmen gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm erforderlich sind und die Antragsgegnerin diese nicht anordnen, dann wäre das genehmigte Vorhaben rücksichtslos. Denn Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm ist die Wertung zu entnehmen, dass ein Vorhaben jedenfalls dann die gebotene Rücksichtnahme gegenüber dem betroffenen Nachbarn vermissen lässt, wenn mögliche Maßnahmen organisatorischer Art zur Verminderung der die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllenden Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf der öffentlichen Verkehrsfläche unterbleiben (OVG Münster, Urt. v. 13.9.2010, a.a.O.). In Bezug auf das Einrichtungshaus der Beigeladenen kommt eine Vielzahl an organisatorischen und betrieblichen Maßnahmen zur Verminderung der Verkehrsgeräusche in Betracht. So ist beispielsweise an eine Beschränkung der Öffnungszeiten, eine Beschränkung des Sortiments auf Produkte, die nicht mit dem PKW transportiert werden müssen oder an eine Pflicht zur Anlieferung der Möbel aus einer räumlich getrennten Lagerhalle, die verkehrsgünstiger gelegen ist, zu denken.

80

(bb) Es ist auch nicht durch Auflagen in der Baugenehmigung sichergestellt, dass von dem genehmigten Vorhaben keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgehen werden.

81

Dies gilt erstens für die in Ziffer 55.1. der Anlage 7 der Baugenehmigung getroffene Regelung, dass spätestens drei Monate nach Inbetriebnahme der Anlage durch Messung nachzuweisen ist, dass die Grenzwerte nach Ziffer 1.2.3 bis 1.2.5 eingehalten werden. Zwar ist Ziffer 55.1. der Baugenehmigung nicht unbestimmt (vgl. zur Frage der Unbestimmtheit: OVG Hamburg, Urt. v. 14.7.2008, 2 Bf 277/03, juris, Rn. 31), obwohl der Verweis auf die Ziffern 1.1.2, 1.2.2 bis 1.2.5, 1.3.1 und 1.3.3 aus sich heraus unverständlich ist. Angesichts der zwingend vorgeschriebenen Schriftform der Baugenehmigung (§ 58 Abs. 4 Satz 1 HBauO) muss sich der Baugenehmigung selbst – gegebenenfalls durch Auslegung – der Regelungshalt entnehmen lassen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 30.5.2005, 10 A 2017/03, juris, Rn. 4). Im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Vermerks vom 14. Dezember 2011 (S. 140 der Sachakte des Baugenehmigungsverfahrens; das Gericht geht insoweit davon aus, dass der Beigeladenen als Adressatin der Baugenehmigung auch der Vermerk vom 14.12.2011 zur Verfügung steht) ergibt sich ein ausreichend eindeutiger Regelungsgehalt, da sich die Ziffern den Regelungen in der Anlage 7 der Baugenehmigung zuordnen lassen (die Regelungsvorschläge des Vermerks vom 14. Dezember 2011 sind inhaltlich unverändert in die Anlage 7 der Baugenehmigung übernommen worden, ohne dass die Nummerierung angepasst wurde). Jedoch bezieht sich die in Ziffer 55.1. der Baugenehmigung angeordnete Pflicht zur Durchführung einer Messung nach Inbetriebnahme des Einrichtungshauses lediglich auf die kurzzeitigen Geräuschspitzen (1.2.3), die Nachhallzeit in der eingehausten Parkhauszufahrt (1.2.4) und den Schallleistungspegel in der Toreinfahrt (1.2.5). Dass die Grenzwerte der Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet (ggf. mit Gemengelagenzuschlag) und der Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm hinsichtlich des dem Vorhaben zurechenbaren Verkehrslärms im allgemeinen Wohngebiet (ggf. mit Gemengelagenzuschlag) eingehalten werden, muss die Beigeladene nicht durch eine nach Aufnahme des Betriebs der Anlage durchgeführte Immissionsmessung nachweisen. Insoweit hat sich die Antragsgegnerin auch keine zusätzlichen Auflagen für den Fall der Nichteinhaltung der Grenzwerte vorbehalten.

82

Dies gilt zweitens für die in der Nr. 55.1. in Anlage 7 der Baugenehmigung enthaltenen Zielauflagen, wonach die Bestimmungen der TA Lärm einzuhalten sind und insbesondere die Zusatzbelastung durch den Betrieb des Einrichtungshauses bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfe (dabei ergibt die Auslegung der Baugenehmigung, dass mit den auf S. 48 als Ziffer 1.2.2 bezeichneten Immissionsgrenzwerten, die auf S. 49 aufgeführten Werte gemeint sein sollen). Zwar ist es im Grundsatz zulässig, den Lärmschutz durch zielorientierte Festlegung bestimmter Grenzwerte zu regeln (vgl. VGH München, Beschl. v. 29.8.2013, 15 ZB 13.1023, juris, Rn. 17; Beschl. v. 17.8.2010, 15 CS 10.981, juris, Rn. 13; Beschl. v. 29.6.2009, 15 CS 09.860, juris, Rn. 14). Dabei muss jedoch gewährleistet sein, dass die Richtwerte im regelmäßigen Betrieb der Anlage auch eingehalten werden können (VGH München, Beschl. v. 29.8.2013; Beschl. v. 17.8.2010, a.a.O.; Beschl. v. 29.6.2009, a.a.O.). Bestehen berechtigte Zweifel, dass dies nicht der Fall sein wird, ist das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht der angemessene Ort, um zu klären, in welcher Weise diese Zweifel ausgeräumt werden können (VGH München, Beschl. v. 17.8.2010, a.a.O., Rn. 17).

83

Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel, dass die in Nr. 55.1. der Anlage 7 der Baugenehmigung enthaltenen Zielauflagen beim regelmäßigen Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden können. Ob die Bestimmungen der TA Lärm allgemein eingehalten werden können, ist wegen der zweifelhaften Annahmen zur künftigen Verkehrsbelastung und der damit zusammenhängenden Immissionen sowie wegen des nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm dem Vorhaben zuzurechnenden erheblichen Lärms des An- und Abfahrtverkehrs fraglich [s.o. II. 2. a) dd) (3) (b) (aa)]. Noch unwahrscheinlicher ist, es dass die durch das Einrichtungshaus ausgelöste Zusatzbelastung die in der Baugenehmigung (S. 49) insoweit festgelegten Immissionsgrenzwerte einhalten wird. Die Baugenehmigung schreibt zu Recht vor, dass die „Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen“ (S. 48, letzter Spiegelstrich der Baugenehmigung) bei der Berechnung der Zusatzbelastung durch das Vorhaben zu berücksichtigen sind. Selbst bei der auf einer Geschwindigkeit von 30 km/h beruhenden Prognose (Anlage 8 der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011) werden allein die nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zurechenbaren Immissionen des An- und Abfahrtverkehrs die festgesetzten Grenzwerte für die Zusatzbelastung deutlich überschreiten. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Immissionsorte auf S. 49 der Baugenehmigung und in Anlage 11 der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 auf falsche Hausnummern beziehen. Die Nummerierung des A-Wegs geht nur bis Nummer 11, eine Hausnummer 13 gibt es nicht. Dementsprechend dürften sich die Immissionsorte auf die Gebäude mit um zwei reduzierten Hausnummern (5 statt 7 usw.) beziehen. Am Beispiel des Immissionspunkts 1 (A-Weg 5, 1. Obergeschoss) zeigt sich, dass der festgesetzte Immissionsgrenzwert von 54 dB(A) tagsüber (S. 49 der Baugenehmigung) allein durch den prognostizierten zurechenbaren Verkehrslärm von 62 dB(A) (Anlage 8 der schalltechnischen Untersuchung) deutlich überschritten wird. Vergleichbare Überschreitungen liegen an allen in der Baugenehmigung aufgeführten Immissionsorten vor. Diese Überschreitungen folgen daraus, dass die Antragsgegnerin richtigerweise bei der Definition der Zusatzbelastung (S. 48 der Baugenehmigung) auch die nach Nr. 7.4. Abs. 2 TA Lärm zurechenbaren Verkehrsgeräusche berücksichtigt hat, gleichzeitig aber die Immissionsgrenzwerte (S. 49 der Baugenehmigung) aus der Anlage 11 der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 übernommen hat, in der diese Verkehrsgeräusche nach Nr. 7.4. Abs. 2 TA Lärm nicht berücksichtigt werden.

84

(c) Schließlich ist offen, ob bei Betrieb des genehmigten Einrichtungshauses unzumutbare Luftschadstoffimmissionen auftreten werden. Zwar geht das Luftschadstoffgutachten vom 19. Oktober 2011 davon aus, dass die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub [vgl. §§ 3, 4 und 5 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065)] eingehalten werden. Jedoch beruht auch dieses Gutachten auf den Verkehrsuntersuchungen und damit auf einem lediglich hälftigen Anteil an Kunden, die mit einem PKW an- und abfahren werden (S. 13 des Luftschadstoffgutachtens). Es ist aber fraglich, ob diese Annahmen zum Modal-Split und damit zum Verkehrsaufkommen im realen Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden [s.o. II. 2. a) dd) (3) (b) (aa)]. Eine tatsächlich höhere Verkehrsbelastung würde auch die Luftschadstoffimmissionen erhöhen. Da selbst bei der im Gutachten unterstellten Verkehrsbelastung der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV) im A-Weg nur knapp unterschritten wird (S. 33 des Luftschadstoffgutachtens), ist derzeit offen, ob bei einem ggf. erhöhten Verkehrsaufkommen im realen Betrieb der Grenzwert eingehalten werden kann. Eine ergänzende Luftschadstoffmessung bei Betrieb des Einrichtungshauses ist aber in der Baugenehmigung ebenso wenig vorgesehen, wie Auflagen, für den Fall, dass die Grenzwerte überschritten werden.

85

(4) Offen ist darüber hinaus, ob es beim Betrieb des Einrichtungshauses im A-Weg zu einer Rückstaubildung vor den Parkhausein- und ausfahrten kommen kann, welche die Feuerwehrzufahrt und ggf. auch die Tiefgaragenzufahrten zu den Wohngebäuden der Antragstellerin versperren könnte. Zwar hat die Antragsgegnerin zu dieser Problematik in ihrem Schreiben vom 5. Juli 2013 (Bl. 217 d. A. 9 E 2814/13) ausführlich Stellung genommen und nachvollziehbar geschildert, weshalb es bei der in den Verkehrsgutachten prognostizierten Verkehrsbelastung aller Voraussicht nach nicht zu einer Rückstaubildung in den A-Weg hinein kommen wird. Jedoch greifen auch insoweit die Bedenken gegen die prognostizierte Verkehrsbelastung durch [s.o. II. 2. a) dd) (3) (b) (aa)]. Es ist derzeit offen, ob es bei einer erhöhten Verkehrsbelastung im realen Betrieb des Einrichtungshauses zu einer problematischen Rückstaubildung kommen kann.

86

b) Vor dem Hintergrund der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache in Bezug auf die beim Betrieb des Einrichtungshauses zu erwartende Verkehrsbelastung und die daraus resultierenden Immissionen überwiegen die Interessen der Antragstellerin die Interessen der Beigeladenen, soweit die Baugenehmigung letzterer erlaubt, das Einrichtungshaus werktags nach 19.30 Uhr für den Kundenverkehr zu öffnen [aa)]. Im Übrigen überwiegen die Interessen der Beigeladenen [bb)].

87

aa) Nach Ansicht der Kammer überwiegt in Bezug auf die Nutzung des Einrichtungshauses werktags nach 19.30 Uhr das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse und das private Ausnutzungsinteresse der Beigeladenen. Ausschlaggebend ist hierfür, dass bei einer vorläufigen Ausnutzung der Baugenehmigung in vollem Umfang jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerin bzw. ihre Mieter Lärm- und Luftschadstoffimmissionen ausgesetzt sein werden, die das Maß des Zumutbaren übersteigen. Das Interesse, von unzumutbaren Immissionen verschont zu bleiben, überwiegt das wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen an einer vollständigen Ausnutzung der Baugenehmigung, zumal von der Beigeladenen nicht vorgetragen wurde und auch nicht ersichtlich ist, dass die aufschiebende Wirkung hinsichtlich eines begrenzten Teils der beabsichtigten Öffnungszeiten über die damit einhergehenden vorläufigen wirtschaftlichen Einbußen hinaus eine besondere Härte oder gar eine Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz darstellt (vgl. zu diesem Aspekt: VG Lüneburg, Beschl. v. 21.2.2011, 2 B 85/10, juris, Rn 27). Im Übrigen halten sich die nachteiligen Wirkungen der Entscheidung der Kammer im einstweiligen Rechtsschutz für die Beigeladene und die Antragsgegnerin auch dadurch in Grenzen, dass ihnen die Möglichkeit offen steht, nach § 80 Abs. 7 VwGO einen Abänderungsantrag zu stellen, soweit eine ergänzende Sachverhaltsermittlung ergeben sollte, dass unzumutbare Lärm- und Luftschadstoffeinwirkungen auf die Grundstücke der Antragstellerin nicht zu besorgen sind (vgl. auch insoweit: VG Lüneburg, Beschl. v. 21.2.2011, a.a.O.).

88

Die Beschränkung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf die Zeit ab 19.30 Uhr erfolgt, um einerseits weitgehend sicherzustellen, dass es beim Betrieb des Einrichtungshauses nicht zu unzumutbaren Lärm- bzw. Luftschadstoffimmissionen [(1) und (2)] kommen wird und um andererseits der Beigeladenen den Betrieb in dem Umfang zu ermöglichen, in dem nicht mit unzumutbaren Immissionen zu rechnen ist.

89

(1) Unzumutbare Lärmimmissionen sind bei der im Tenor angeordneten beschränkten Öffnungszeit des Einrichtungshauses nach Ansicht des Gerichts aller Voraussicht nach nicht zu befürchten.

90

(a) Dies gilt zunächst für die Lärmimmissionen, die von dem Einrichtungshaus selbst - inklusive des zurechenbaren Verkehrs auf dem Betriebsgrundstück gemäß Nr. 7.4 Abs. 1 TA Lärm - ausgehen. Bei einer entsprechenden Begrenzung der Öffnungszeiten ist nach Auffassung der Kammer ausreichend sichergestellt, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm nach Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm (ggf. inklusive eines Gemengelagenzuschlags) beim Betrieb des Einrichtungshauses nicht überschritten werden. Denn die Begrenzung der Öffnungszeiten führt aus zwei Gründen zu erheblich verringerten Beurteilungspegeln:

91

Erstens entfällt der Zuschlag nach Nr. 6.5 TA-Lärm von 6 dB(A) für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit, wenn sichergestellt ist, dass in der besonders schutzwürdigen Zeit von 20 bis 22 Uhr keine Immissionen zu erwarten sind. Allein dadurch wird der Beurteilungspegel für den Tageszeitraum werktags um etwa 1,9 dB(A) gesenkt (Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 2013, 3.1 TA-Lärm, Nr. 6, Rn. 32; die 1,9 dB(A) beziehen sich allerdings zusätzlich auch auf den Zeitraum von 6 bis 7 Uhr, der vorliegend nicht relevant ist, so dass sich der Wert noch leicht verändern könnte). Die vorläufige Begrenzung der Öffnungszeiten des Einrichtungshauses auf 19.30 Uhr dürfte ausreichend sicherstellen, dass ab 20 Uhr keine Immissionen aus dem Betrieb des Parkhauses und des An- und Abfahrtverkehrs zu erwarten sind. Dies entspricht der in § 1 des städtebaulichen Vertrags vom 7. August 2012 (S. 218 der Sachakte des Baugenehmigungsverfahrens) vorgeschlagenen Differenz von 30 Minuten zwischen Schließung des Einrichtungshauses (21.30 Uhr) und sicherem Ende der Benutzung des Parkhauses (22 Uhr).

92

Zweitens handelt es sich bei dem Beurteilungspegel, auf den sich die Immissionsrichtwerte beziehen (vgl. Nr. 2.10 TA Lärm) und der auf dem Mittelungspegel (vgl. Nr. 2.7 TA Lärm) beruht, um einen zeitlichen Mittelwert des Schalldruckpegels. Daraus folgt, dass der Beurteilungspegel kleiner wird, wenn sich bei gleichbleibendem Beurteilungszeitraum (6 bis 22 Uhr) die Einwirkungszeit durch reduzierte Öffnungszeiten verringert.

93

(b) Dies gilt auch für den nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zu berücksichtigenden Lärm des An- und Abfahrtverkehrs. Zwar ist der Beurteilungspegel für den Straßenverkehr auf öffentlichen Verkehrsflächen gemäß Nr. 7.4 Abs. 3 TA Lärm nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen - Ausgabe 1990 - RLS-90 und damit nach anderen Maßstäben als der Beurteilungspegel des Gewerbelärms zu bestimmen. Der Beurteilungspegel von Straßen wird danach aus der Verkehrsstärke, dem LKW-Anteil, der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, der Art der Straßenoberfläche und der Steigung bestimmt. Insoweit reduziert die Beschränkung der Öffnungszeiten den Beurteilungspegel nur mittelbar, in dem sie sich aller Voraussicht nach reduzierend auf die Verkehrsstärke auswirken wird. Eine Unterscheidung zwischen Zeiträumen tagsüber mit erhöhter und gewöhnlicher Sensibilität entsprechend der Regelung in Nr. 6.5 TA Lärm ist nicht vorhanden, so dass keine Reduzierung des Beurteilungspegels durch Wegfall eines Zuschlags erfolgt. Dennoch lässt sich bei der Interessenabwägung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots auch bezüglich der gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zu berücksichtigenden Verkehrsgeräusche die Wertung des Nr. 6.5 TA Lärm übertragen. Eine vorläufige deutliche Reduzierung des Verkehrslärms in Zeiträumen mit besonderer Sensibilität zwischen 20 und 22 Uhr trägt den Interessen der Antragstellerin bzw. ihrer Mieter an einem Schutz ihrer Wohnruhe vor dem Lärm des An- und Abfahrtverkehrs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hinreichend Rechnung.

94

(2) Durch die Beschränkung der Öffnungszeiten wird auch hinreichend sichergestellt, dass keine unzumutbaren Luftschadstoffimmissionen beim Betrieb des Einrichtungshauses entstehen. Zwar wirkt sich die Beschränkung auch insoweit nur mittelbar auf die prognostizierten Emissionen aus, da diese maßgeblich auf der täglichen Verkehrsstärke beruhen (vgl. S. 9 des Luftschadstoffgutachtens vom 19. Oktober 2011). Nach Auffassung des Gerichts ist aber zu erwarten, dass durch die Beschränkung der Öffnungszeiten die tägliche Verkehrsstärke in etwa soweit reduziert wird, dass selbst bei einer erhöhten Verkehrsbelastung durch einen im Vergleich zu den Annahmen der Verkehrsuntersuchungen höheren PKW-Anteil am Modal-Split, der Grenzwert des § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV beim Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden kann. Eine eingehende Prüfung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

95

(3) Hinsichtlich der Rückstaugefahr vor den Parkhauseinfahrten, die bei einer möglicherweise erhöhten Verkehrsbelastung im A-Weg im Vergleich zu den fraglichen Annahmen der Baugenehmigung zum Modal-Split nicht ausgeschlossen ist [s.o. II. 2. a) dd) (4)], sieht das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von einer weitergehenden Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Dies geschieht vor allem angesichts der in den Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten erörterten und nach Angaben der Antragsgegnerin ernsthaft in Betracht zu ziehenden geänderten Verkehrsführung im A-Weg (Möglichkeit einer zusätzlichen Abbiegespur für das Einrichtungshaus).

96

bb) Im Übrigen überwiegen die Interessen der Beigeladenen das Interesse der Antragstellerin. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Fertigstellung des genehmigten Baukörpers. Die möglicherweise beim Betrieb des Einrichtungshauses drohende unzumutbare Immissionsbelastung lässt sich aller Voraussicht nach durch organisatorische und betriebliche Maßnahmen auf ein zumutbares Maß reduzieren. Deshalb wäre ein kompletter Baustopp unverhältnismäßig. Die gegen die Art und das Maß der Nutzung und die Ausmaße des genehmigten Baukörpers selbst gerichteten Einwendungen der Antragstellerin haben aller Voraussicht nach im Hauptsacheverfahren keine Aussicht auf Erfolg [s.o. II. 2. a) aa), bb) und cc) sowie dd) (1) und (2)].

III.

97

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 VwGO sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Die Antragstellerin hat zu einem eher geringen Anteil hinsichtlich der Nutzungszeiten des Einrichtungshauses obsiegt. Diesen Anteil beziffert das Gericht mit 1/4. Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt, so dass ihr einerseits keine Kosten auferlegt werden können und es andererseits der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

98

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei hält die Kammer den in der ständigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts angewendeten Rahmen von 7.500,-- bis 30.000,-- Euro für den Streitwert einer baurechtlichen Nachbarklage in einem Hauptsacheverfahren (OVG, Beschl. v. 29.11.2006, 2 Bs 148/06, juris) für ausnahmsweise zu gering. Angesichts der Größe des Vorhabens der Beigeladenen und den 214 betroffenen Wohnungen der Antragstellerin und der erheblichen Immissionsbelastung, die von dem Vorhaben der Beigeladenen ausgehen wird, erscheint dem Gericht ein Streitwert von 40.000,-- Euro in der Hauptsache angemessen. Dieser Wert ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Januar 2015 werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 22.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen eine von der Antragsgegnerin zugunsten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die öffentliche-rechtliche Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen in einem ehemaligen Kreiswehrersatzamt.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer der Grundstücke S... x, M... y und A... z (...). Die drei Straßen bilden einen Baublock, in dem auch das ehemalige Kreiswehrersatzamt an der S... xa (...) liegt. Dieses Gebäude wurde auf der Grundlage des Baugenehmigungsbescheides vom 6. Juni 1956 ursprünglich als dreigeschossiges Verwaltungsgebäude mit Staffelgeschoss für ein Mineralölunternehmen errichtet. Die Antragsteller nutzen ihre Gebäude jeweils zu Wohnzwecken. Der Antragsteller zu 1. betreibt daneben in seinem Gebäude eine GmbH für Unternehmensberatung. In dem Gebäude der Antragstellerin zu 3. ist auch ein Architektenbüro untergebracht. Alle betroffenen Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Baustufenplans Harvestehude-Rotherbaum vom 6. September 1955 (HmbGVBl. S. 294). Danach gilt für sie die Ausweisung Wohngebiet (W 3 g) gemäß § 10 der Baupolizeiverordnung vom 8. Juni 1938 (BPVO) mit den Maßgaben: Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame. Das Bauvolumen von 1939 darf nicht vergrößert werden. Es darf nur an der Baulinie gebaut werden. Vor- und Hintergärten sind zu erhalten und von jeglicher Bebauung freizuhalten. Außerdem gilt die Verordnung über die Erhaltung baulicher Anlagen in Harvestehude vom 26. April 1988 (HmbGVBl. S. 66).

3

Die Beigeladene, ein soziales Dienstleistungsunternehmen u.a. für die öffentlich geförderte Unterbringung von Wohnungslosen und Zuwanderern, stellte bei der Antragsgegnerin im konzentrierten Baugenehmigungsverfahren einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Umnutzung des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes in eine öffentlich-rechtliche Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen. Die Antragsgegnerin erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 26. September 2014 eine Baugenehmigung für die „öffentlich-rechtliche Unterbringung in Wohneinheiten“ in dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt auf dem 3.308 m2 großen Eckgrundstück S... xa. In dem Gebäude soll auf einer Bruttogeschossfläche von 4.479 m2 eine Wohnfläche von 2.453 m2 entstehen. Aus der Baubeschreibung der Beigeladenen, die zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht worden ist, geht hervor, dass eine Umnutzung des Verwaltungsgebäudes zur temporären öffentlich-rechtlichen Unterbringung von bis zu 220 Personen in 23 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe (Wohnflächen von 50 m2 bis zu 240 m2) mit zwei, drei, vier, fünf oder acht Zimmern vorgesehen ist. Die Wohneinheiten würden jeweils mit Küche und Bad ausgestattet. Außerdem würden Gemeinschafts- und Sozialräume eingerichtet. In der ungenehmigten Betriebsbeschreibung (als Bauvorlage 86/14 wurde lediglich die „Betriebsbeschreibung für Arbeitsstätten“ genehmigt, während die „Betriebsbeschreibung“, die als weitere Bauvorlage 86/14 eingereicht wurde, den handschriftlichen Vermerk „Anlage nicht genehmigt“ trägt) der Beigeladenen heißt es ergänzend, die Wohnunterkunft solle der öffentlich-rechtlichen Unterbringung von Wohnungslosen, Flüchtlingen und Asylbegehrenden, die nicht mehr verpflichtet sind, in einer (Erst-)Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, dienen. Bewohner seien Familien mit Kindern und Alleinstehende. Geschlafen werde in Mehrbettzimmern in der Regel mit zwei bis vier Betten. Die Bewohner sollten sich in der Küche selbst versorgen. Die Unterbringung in den Wohneinheiten solle grundsätzlich familienweise oder - je nach Familien- bzw. Wohnungsgröße - mit mehreren Familien/Parteien i.S. einer Wohngemeinschaft erfolgen. Nach der Arbeitsstättenbeschreibung wird die Beigeladene in der Wohnunterkunft insgesamt vier Personen beschäftigen.

4

Die Antragsteller erhoben mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 gegen den Baugenehmigungsbescheid jeweils Widerspruch. Am selben Tag haben sie einen Eilantrag gestellt, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss 22. Januar 2015 entsprochen hat, indem es die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 VwGO angeordnet hat. Das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiege das Interesse der Beigeladenen, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, weil diese in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich aufzuheben sei. Denn die Antragsteller könnten sich auf den nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruch berufen und das genehmigte Vorhaben sei nach Art und Umfang der Nutzung objektiv-rechtlich nicht genehmigungsfähig.

5

Nach den vorliegenden Erkenntnissen sei nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller ihre Grundstücke in einer den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen zur Art der Nutzung widersprechenden Weise nutzten. Eine früher im Gebäude des Antragstellers zu 2. tätige Firma sei aus dem Handelsregister gelöscht worden. Der Antragsteller zu 1. betreibe zwar auf seinem Grundstück eine Unternehmensberatung und auf dem Grundstück der Antragstellerin zu 3. befinde sich ein Architektenbüro, jedoch lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Tätigkeiten in einem besonders geschützten Wohngebiet unzulässig seien. Denn grundsätzlich seien freiberufliche und diesen ähnliche Tätigkeiten in dem Rahmen, wie sie in einem reinen Wohngebiet nach § 13 BauNVO zulässig seien, auch in einem besonders geschützten Wohngebiet zulässig. Der Antragsteller zu 1. werde lediglich als „Einmann-Unternehmen“ in seiner Wohnung tätig.

6

Das Vorhaben sei nach der Art der baulichen Nutzung in dem nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO besonders geschützten Wohngebiet nicht genehmigungsfähig. Der festgesetzte Ausschluss jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, von Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame sei nicht funktionslos geworden. Die Antragsgegnerin müsste durch ihre Genehmigungspraxis eine Gebietsentwicklung zugelassen haben, die der eines besonders geschützten Wohngebiets nach § 10 Abs. 4 BPVO nicht mehr entspreche (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, BauR 2009, 203). Daran fehle es, nachdem die genehmigte Nutzung des Vorhabengrundstücks zu Verwaltungszwecken endgültig aufgegeben worden sei. Zwar seien in dem streitbefangenen Baublock zahlreiche Gewerbeunternehmen angemeldet. Auch habe die Ortsbesichtigung ergeben, dass ein Großteil der Gewerbebetriebe noch vorhanden zu sein scheine und dass einzelne neue Gewerbe dazu gekommen seien. Jedoch sei nach summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass die vorgefundenen gewerblichen Tätigkeiten von der Antragsgegnerin genehmigt worden seien.

7

Die Grundstücke in einem besonders geschützten Wohngebiet müssten Wohnbedürfnissen dienen. Die Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen sei aber keine Wohnnutzung, das Vorhaben sei vielmehr als Anlage für soziale Zwecke zu behandeln. Verbindliche Regelungen, dass in den einzelnen Wohneinheiten jeweils nur miteinander verwandte Personen oder solche Personen untergebracht werden dürften, die eine gemeinsame Unterbringung wünschten, enthalte die Baugenehmigung nicht. Sie ermögliche vielmehr auch die ausschließliche Unterbringung alleinstehender Flüchtlinge, Asylbegehrender und Wohnungsloser. Die Kriterien, nach denen zu beurteilen sei, ob eine Wohnnutzung vorliege, seien eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Bei der genehmigten Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen fehle es an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit und Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Personengruppen würden aus Notsituationen heraus und aufgrund des Umstandes, dass sie über keine eigene Wohnung verfügten, in Unterkünften untergebracht. In jedem Fall sei dies nicht auf Dauer angelegt, sondern solle durch Umzug in eine eigene Wohnung oder durch Beendigung des Aufenthalts beendet werden. Außerdem sei die genehmigte Unterbringung nicht auf eine das Wohnen ausmachende Häuslichkeit angelegt, die ein Mindestmaß an Intimität voraussetze. Die Baugenehmigung ermögliche die Unterbringung von einander fremden Personen in Mehrbettzimmern, die sich mit bis zu 16, u.U. sogar mehr Personen Küche und Bad teilen müssten. Daran ändere die Aufteilung des Gebäudes in Wohneinheiten nichts.

8

Daher sei das Vorhaben als Anlage für soziale Zwecke in dem genehmigten Umfang in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig. Bei der Bestimmung der in einem besonders geschützten Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO generell zulässigen Nutzungen seien die in einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO zulässigen Nutzungen einschließlich der nach Absatz 3 Nr. 2 im Ausnahmewege zulässigen zu berücksichtigen. Allerdings müsse die Bestimmung der Nutzungsarten, die in einem besonders geschützten Wohngebiet neben dem Wohnen allgemein erwartet würden oder mit ihm verträglich seien, ausschließlich anhand typisierter Nutzungsformen erfolgen, die im Plangebiet ohne das planerische Bedürfnis nach einer weiteren Steuerung zulässig seien. Das sei im Falle von Anlagen für soziale Zwecke regelmäßig nur dann sichergestellt, wenn es sich um eine „kleine“ Einrichtung handele. Dem liege zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten der Umfang der Nutzung ein typenbildendes Merkmal darstelle, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgingen. Mit der Anzahl der gemeinsam untergebrachten Personen jeden Alters, zu denen Alleinstehende und Familien unterschiedlicher Herkunft mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen an die Unterkunft und unterschiedlichen Lebensgewohnheiten gehören könnten, wachse die Möglichkeit sich auf das umgebende Wohngebiet störend auswirkender sozialer Spannungen. Nach diesen Maßstäben sei das Vorhaben nicht zulässig, weil es sich nicht um eine kleine Anlage für soziale Zwecke handele. Zur Bestimmung, was i.S.d. Gebietsverträglichkeit als kleine soziale Einrichtung zur Unterbringung von Asylbegehrenden und Wohnungslosen anzusehen sei, sei auf die Festsetzungen des Baustufenplans für das konkrete Gebiet abzustellen. Diese sähen mit der Festsetzung einer geschlossenen dreigeschossigen Bebauung und einer damit nach der Baustufentafel zu § 11 Abs. 1 BPVO verbundenen bebaubaren Fläche von 5/10 eine bauliche Ausnutzbarkeit im oberen Bereich des für Wohngebiete Möglichen vor. Um bei der gebotenen typisierenden Betrachtung einen Anhaltspunkt zu gewinnen, wie groß eine Einrichtung zur Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrende und Wohnungslosen sein könne, die sich der gebietstypischen Wohnnutzung noch ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordne, orientiere sich das Gericht daran, was in einem so ausgewiesenen Wohngebiet typischerweise an Wohnnutzung erwartet werden könne. Als Maßstab erscheine es sachgerecht, eine gedachte Bebauung mit öffentlich gefördertem Wohnraum zugrunde zu legen, was nach den Berechnungen der Antragsgegnerin bei einer Grundstücksgröße von 3.308 m2 zu Wohnraum für ca. 200 Personen führen würde. Für die Beantwortung der Frage, bis zu welcher Größe sich eine Unterkunft für Flüchtlinge, Asylbegehrende und Wohnungslose der Wohnbebauung typischerweise noch unterordne, sei allerdings von der ermittelten Rechengröße ein erheblicher Abschlag vorzunehmen, weil von einer solchen Einrichtung mit zunehmender Größe Störungen für das Wohngebiet ausgingen, die die mit einer Wohnnutzung einhergehenden Auswirkungen auf das Plangebiet überstiegen. Wie hoch der Abschlag letztlich zu sein habe, um die Größe einer gebietsverträglichen Unterkunft zu bestimmen, bedürfe im vorliegenden Verfahren jedoch keiner Klärung. Denn eine Einrichtung zur Unterbringung von 220 Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen in dem mit W 3 g ausgewiesenen Wohngebiet sei nicht gebietsverträglich. Die Zahl der genehmigten Unterbringungsplätze übersteige sogar die Zahl der Bewohner, die in dem Baugebiet bei der Größe des Vorhabengrundstücks und einer Wohnnutzung i.e.S. typisierend zu erwarten wären.

9

Die Frage, ob das Vorhaben im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden könnte, bedürfe schließlich keiner Klärung, weil die Antragsgegnerin eine Befreiung von den Festzungen des Baustufenplans zur Art der Nutzung nicht erteilt habe.

II.

10

Die gemäß §§ 146 Abs. 4, 147 Abs. 1 und 2 VwGO zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen haben in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerden sind unbegründet, weil die in ihnen dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein zu prüfen hat, nicht rechtfertigen, den erstinstanzlichen Beschluss zu ändern und - wie von den Beschwerdeführerinnen jeweils beantragt - den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 26. September 2014 abzulehnen. Die von den Beschwerdeführerinnen dargelegten Gründe gegen die Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts greifen nicht durch.

11

1. Das Verwaltungsgericht hat bei der nach §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 VwGO gebotenen Interessenabwägung für die Prüfung der Begründetheit des Antrags der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Baugenehmigungsbescheid zu deren Gunsten angenommen, dass die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist, weil das Vorhaben der Beigeladenen nach der Art der baulichen Nutzung in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig ist und die Antragsteller dadurch in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt sind, so dass der Baugenehmigungsbescheid mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Hauptsacheverfahren aufzuheben sein wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beschwerdeführerinnen bleiben erfolglos.

12

In der Rechtsprechung ist (grundlegend BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 364, 366 ff.; zustimmend OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354, 355 m.w.N.; seither ständige Rspr. des Beschwerdegerichts) geklärt, dass die Gebietsfestsetzung auch bei den gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 übergeleiteten Baustufenplänen drittschützende Wirkung hat. Für planerische Gebietsfestsetzungen sind die Wechselbezüglichkeit der Interessen und ein daraus abgeleitetes Austauschverhältnis kennzeichnend. Die „Baufreiheit“ wird aus städtebaulichen Gründen, aber auch zum Nutzen der Beteiligten wechselseitig beschränkt. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird in diesem Bereich sinnfällig dadurch ausgeglichen und i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zusätzlich auch gerechtfertigt, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Durch das Festlegen einer Fläche etwa zur Nutzung als Wohngebiet werden die Grundeigentümer als jeweilige Nachbarn innerhalb des festgelegten Gebietes zu einer Gemeinschaft verbunden. Bauplanerische Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung sind regelhaft darauf ausgerichtet, die davon betroffenen Grundeigentümer in ein Austauschverhältnis gerade wechselseitig rechtlich einzubinden. Das Ausgleichsverhältnis darf nicht einseitig aufgehoben werden. Der gewollte Interessenausgleich würde sonst aus dem Gleichgewicht gebracht (so BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, a.a.O., 374 f.; ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, NVwZ-RR 2013, 990, 993).

13

Der Grundstücksnachbar kann daher geltend machen, dass er bereits durch eine Verletzung der Baugebietsfestsetzungen in seinen eigenen Rechten verletzt wird. Ein solcher Anspruch auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch) besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen des Grundstücksnachbars durch die gebietsfremde Nutzung.

14

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die im Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum vom 6. September 1955, der gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 übergeleitet wurde, nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO getroffene Wohngebietsfestsetzung, die vom Plangeber durch das Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame noch besonders geschützt worden ist, drittschützende Wirkung zugunsten der Antragsteller als Grundstücksnachbarn hat. Der angefochtene Baugenehmigungsbescheid verletzt deshalb die Antragsteller in ihren Rechten, wenn er gemäß § 30 Abs. 1 und 3 BauGB rechtswidrig ist, weil die Flüchtlingsunterkunft, die der Aufnahme von bis zu 220 Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen dient, in dem besonders geschützten Wohngebiet nach der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO dienen im Wohngebiet die Grundstücke den Wohnbedürfnissen.

15

a) Die Antragsgegnerin vertritt allerdings die Ansicht, die Antragsteller könnten sich auf einen Gebietserhaltungsanspruch schon deshalb nicht berufen, weil sie ihre Grundstücke selbst nicht nur zu Wohnzwecken nutzten. Dort würden ungenehmigte gewerbliche bzw. freiberufliche Nutzungen ausgeübt. Diesem Einwand mangelt es an Überzeugungskraft, weil er unsubstantiiert bleibt und sich nicht in der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt.

16

Da die Antragsteller auf ihren Grundstücken unstreitig wohnen, kann es nur um den Einwand gehen, dass die Grundstücke nicht ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Gewerbebetrieb auf dem Grundstück des Antragstellers zu 2. nicht mehr existiert und dass die freiberuflichen bzw. diesen ähnlichen gewerblich ausgeübten Tätigkeiten auf den Grundstücken des Antragstellers zu 1. (Unternehmensberatung als „Einmann-Unternehmen“) und der Antragstellerin zu 3. (Architektenbüro) in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich zulässig sein dürften (vgl. dazu OVG Hamburg, Urt. v. 14.3.1985, HmbJVBl. 1985, 181, 182: die freiberufliche Betätigung ist im Wohngebiet des § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO insofern uneingeschränkt zulässig, als sie im Zusammenhang mit der Nutzung einer Wohnung als solcher steht).

17

Außerdem kommt es für die Frage, ob sich ein Grundstücksnachbar auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen kann, nicht darauf an, ob eine gebietsfremde Nutzung, wenn sie materiell genehmigungsfähig ist, auch formell rechtmäßig ist. Für das Austauschverhältnis unter den Nachbarn ist vielmehr entscheidend, dass sie den gleichen materiellen Beschränkungen bei ihrer Grundstücksnutzung unterworfen sind. Auf das Vorliegen einer Baugenehmigung kommt es insoweit nicht an.

18

Abgesehen davon hat das Beschwerdegericht (Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 993) bereits entschieden, dass von einer anspruchsvernichtenden Aufhebung des Austauschverhältnisses jedenfalls dann nicht auszugehen ist, wenn auf dem Nachbargrundstück zwar planwidrige Nutzungen ausgeübt werden, daneben aber auch plankonforme Nutzungen vorhanden sind. Dass aber auf den Grundstücken der Antragsteller überwiegend eine plankonforme Wohnnutzung ausgeübt wird, steht außer Streit.

19

b) Im Eilverfahren lässt sich auf der Grundlage der Darlegungen der Antragsgegnerin nicht die Feststellung treffen, dass die im Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO getroffene Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet funktionslos geworden ist. Für Teile des Wohngebiets können nach dieser Vorschrift zum Schutze ihrer Eigenart als Wohngebiet besondere Vorschriften erlassen werden (Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften, Beschränkung der Wohnungszahl, Festsetzung von Mindestgrößen der Grundstücke und dgl.).

20

aa) Die Antragsgegnerin rügt zunächst, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Funktionslosigkeit einen falschen Maßstab angewandt, weil es räumlich nicht nur den Baublock, in dem das Vorhabengrundstück und die Grundstücke der Antragsteller liegen, hätte in den Blick nehmen müssen, sondern das gesamte Wohngebiet mit der Festsetzung von drei Geschossen und dem besonderen Schutz für das Wohngebiet. Des Weiteren habe das Verwaltungsgericht fehlerhaft nicht auf die tatsächlich vorhandenen Nutzungen abgestellt, sondern nur danach gefragt, ob sie - die Antragsgegnerin - durch ihre Genehmigungspraxis eine Gebietsentwicklung zugelassen habe, die der eines besonders geschützten Wohngebiets nicht mehr entspreche.

21

Das Verwaltungsgericht ist in dem angegriffenen Beschluss ausdrücklich von der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Urt. v. 28.2.2013, NordÖR 2013, 475, 476; v. 7.6.2012, DVBl 2013, 243, 248 m.w.N.; Beschl. v. 15.10.2008, BauR 2009, 203, 205) ausgegangen, dass von der Funktionslosigkeit einer Festsetzung nur dann die Rede sein kann, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein dennoch in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient.

22

Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist hier nicht, wie aus anderen Baustufenplänen bekannt, von einem größeren W 3 g-Gebiet auszugehen, das einheitlich unter den besonderen Schutz des § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO gestellt worden ist. Denn beim Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum hat der Plangeber eine Vielzahl kleinerer, wenn auch räumlich zusammenhängender, W 3 g-Gebiete festgesetzt, die er jeweils gesondert unter besonderen Schutz gestellt hat. Beweggrund für diese Vorgehensweise des Plangerbers mag gewesen sein, dass er nicht nur ein Verbot von jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame erlassen, sondern zudem bestimmt hat, dass das Bauvolumen von 1939 nicht vergrößert werden darf. Ziel der Erhaltung eines bestimmten Bauvolumens dürfte es gewesen sein, die städtebauliche Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt zu schützen (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 3.11.2003, 2 Bs 487/03).

23

Der Antragsgegnerin kann nicht darin gefolgt werden, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Funktionslosigkeit nicht auf die tatsächlich im Wohngebiet vorhandenen gebietsfremden Nutzungen abgestellt. Denn das Gericht hat festgestellt (siehe S. 12 unten BA), dass die Ortsbesichtigung im Rahmen des Erörterungstermins ergeben habe, dass ein Großteil der Gewerbebetriebe noch vorhanden zu sein scheine und dass einzelne neue Gewerbe dazu gekommen seien. Das Protokoll des Ortstermins vom 8. Januar 2015 zeigt zudem, dass das Verwaltungsgericht den Baublock M.../A.../ S... insgesamt in Augenschein genommen hat und dabei Feststellungen zu den vorhandenen freiberuflichen, gewerbeähnlichen oder gewerblichen Tätigkeiten getroffen hat. Wenn das Verwaltungsgericht dennoch nicht von einer Funktionslosigkeit des festgesetzten besonderen Schutzes für das Wohngebiet ausgegangen ist, kann dies nur darauf beruhen, dass es für das Gericht nicht offensichtlich war, dass die Verhältnisse in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung des besonderen Schutzes auf unabsehbare Zeit ausschließt. Dieses Ergebnis sah das Verwaltungsgericht dann lediglich dadurch bestätigt, dass auch die Antragsgegnerin nicht vorgetragen hat, die vorgefundenen gewerblichen Tätigkeiten seien von ihr genehmigt worden.

24

Dem Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin lassen sich nach wie vor keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, die Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet sei insgesamt funktionslos geworden. Gegen die Annahme einer offensichtlichen Gebietsverfremdung spricht, dass die Antragsgegnerin bei der Erteilung der streitbefangenen Baugenehmigung selbst von der Wirksamkeit der Festsetzung ausgegangen ist. Auch fehlen offenkundig Gewerbebetriebe, die bereits von außen als solche deutlich wahrnehmbar sind, und daher das Vertrauen auf den Fortbestand der Festsetzung erschüttern. Ob freiberufliche oder gewerbeähnliche Tätigkeiten in dem Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig sind, lässt sich dagegen in der Regel nicht ohne weiteres feststellen.

25

bb) Die Antragsgegnerin rügt zudem, das Verwaltungsgericht hätte bei sachgerechter Prüfung zumindest für das Vorhabengrundstück, das mit seiner markanten Bebauung in Ecklage Anlass zu einer topographischen Trennung gebe, die Funktionslosigkeit der Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet feststellen müssen. Denn die Funktionslosigkeit der Festsetzung könne nicht mit dem Argument verneint werden, die Nutzung des Vorhabengrundstücks zu Verwaltungszwecken sei endgültig aufgegeben worden. Auf die alte Baugenehmigung vom 6. Juni 1956 sei weder verzichtet worden, noch könne eine einmal funktionslos gewordene Festsetzung durch einen Verzicht „wiederaufleben“.

26

Bei diesem Einwand lässt die Antragsgegnerin außer Acht, dass bei der Prüfung der Funktionslosigkeit nicht gleichsam isolierend auf einzelne Grundstücke abgestellt, also die Betrachtung darauf beschränkt werden darf, ob die Festsetzung hier und dort noch einen Sinn ergibt. Zu würdigen ist vielmehr grundsätzlich die Festsetzung in ihrer ganzen Reichweite (siehe BVerwG, Urt. v. 29.4.1977, BVerwGE 54, 5, 11; OVG Hamburg, Urt. v. 28.2.2013, a.a.O., 476). Auch wenn das hier vorliegende Wohngebiet nur durch einen Baublock gebildet wird, umfasst dieser aber doch nicht nur so wenige Grundstücke, als dass es für die Wirksamkeit der Festsetzung ausnahmsweise allein auf die Verhältnisse auf dem Vorhabengrundstück ankäme. Das Vorhabengrundstück dominiert den Baublock auch nicht wegen seiner Größe.

27

c) Die Antragsgegnerin und die Beigeladene wenden sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei der Flüchtlingsunterkunft handele es sich um eine Anlage für soziale Zwecke, weil der Aufenthalt dort kein Wohnen sei.

28

aa) Zurückzuweisen ist die Rechtsansicht der Antragsgegnerin, der Aufenthalt der Menschen in der Flüchtlingsunterkunft diene Wohnbedürfnissen i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO, weil die Voraussetzungen des bauplanungsrechtlichen Begriffs des Wohnens im engeren Sinne vorlägen.

29

Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 25.3.2004, BRS 67 Nr. 70) und im Schrifttum (Ziegler in: Brügelmann, BauGB, Stand 10/2014, § 3 BauNVO Rn. 11; Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 16 ff.; Vietmeier in: Bönker/Bischopink, BauNVO, 2014, § 3 Rn. 19; Schiller in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, Rn. 1510 ff.) geklärt. Zum Wohnen gehören danach eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Wohnen bedeutet die auf eine gewisse Dauer angelegte Nutzungsform des selbstbestimmt geführten Lebens "in den eigenen vier Wänden". Von diesem Begriffsverständnis ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.

30

Gemessen an diesen Begriffsmerkmalen handelt es sich bei der streitbefangenen Flüchtlingsunterkunft schon deshalb um keine Wohnnutzung, weil es an der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts fehlt. Der Aufenthalt in der Unterkunft erfolgt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Einweisung, die als Auflage zur Aufenthaltsgestattung gemäß §§ 53 Abs. 1, 60 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG ergeht. Danach sollen Ausländer, die einen Asylantrag - der das Begehren auf Zuerkennung internationalen Schutzes einschließt - gestellt haben und nicht mehr verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Die fehlende Möglichkeit, die Unterkunft frei zu wählen, setzt sich in der mangelnden Eigengestaltung des Aufenthalts dort fort. Der Aufenthalt in der Unterkunft unterliegt einem nicht unerheblichen Maß an Reglementierung durch die Mitarbeiter der Beigeladenen. Diese sollen u.a. für ein friedliches Miteinander in der Unterkunft sorgen und dabei helfen, dass sich die dort untergebrachten Ausländer im Lebensalltag in Deutschland zurechtfinden. In der Unterkunft wird das Mobiliar von der Beigeladenen gestellt und fehlt es an abgegrenzten Räumlichkeiten, die dem Einzelnen einen Rückzug in die Privatheit ermöglichen und über die er nach eigenen Vorstellungen frei verfügen kann. Lediglich Gemeinschaftsräume werden angeboten. Die Unterbringung in Mehrbettzimmern beruht nur im Idealfall auf familiärer Verbundenheit. Denn das Nutzungskonzept der Beigeladenen schließt ein gemeinsames Schlafen mit Fremden in einem Zimmer nicht aus. Der insoweit von der Antragsgegnerin gezogene Vergleich zu einer Wohngemeinschaft ist verfehlt, weil sich deren Mitglieder freiwillig zusammengefunden haben und die Gemeinschaft auch jeder Zeit wieder verlassen können. Dies gilt für Asylbegehrende oder Flüchtlinge nicht. Ihr Aufenthalt in der Unterkunft ist abhängig von öffentlich-rechtlichen Weisungen.

31

bb) Ebenso wenig ist der Argumentation der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu folgen, der Aufenthalt der Menschen in der Flüchtlingsunterkunft diene Wohnbedürfnissen i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO, weil von einem gewandelten gesellschaftlichen Verständnis des Wohnbegriffs auszugehen sei bzw. es um Wohnen im weiteren Sinne gehe. Häufige Wohnortwechsel seien heute keine Seltenheit mehr, so dass die Wohnsituation auf Dauerhaftigkeit von vornherein nicht angelegt sei. Ebenso sei es keine Seltenheit, dass sich etwa in Großfamilien oder Wohngemeinschaften eine Mehrzahl von Personen Bad und Küche teilten.

32

Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens kann nicht ohne weiteres ausgedehnt werden, weil ihm auch die Funktion zukommt, diese Nutzungsform von anderen bauplanungsrechtlich relevanten Nutzungsformen, wie insbesondere der Unterbringung in einer Anlage für soziale Zwecke (vgl. §§ 3 Abs. 3 Nr. 2, 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO), abzugrenzen. Anlagen für soziale Zwecke dienen in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt, u.a. durch Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgerische Maßnahmen (siehe Stock, a.a.O., § 4 Rn. 51 f.). Darunter fällt auch die Unterbringung von Menschen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 992). Eine Anlage für soziale Zwecke wird gerade durch die Beschränkung der Eigenverantwortlichkeit der Lebensgestaltung, die nicht zuletzt in der Unfreiwilligkeit des Aufenthalts ihren Ausdruck findet, charakterisiert. Wie in einer Flüchtlingsunterkunft werden auch Betreuungsleistungen erbracht, die die Verweisung in bestehende Gesundheits- und Hilfesysteme und an die Krisenintervention umfassen können. Von daher ist für den bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens spiegelbildlich an den Merkmalen der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts festzuhalten.

33

Zwar ist es zutreffend, dass das Verständnis dessen, was Wohnbedürfnissen dient, dem gesellschaftlichen Wandel unterliegt. Jedoch erfolgt die insoweit notwendige Auslegung des Begriffs durch die Orientierung an den Nutzungsartenkatalogen der jeweils geltenden Baunutzungsverordnung (siehe BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, BVerwGE 108, 190, 199). Sie kann auch bei einem übergeleiteten Baustufenplan nicht darüber hinausgehen. Mit der Festsetzung als besonders geschütztes Wohngebiet wurde regelmäßig ein bereits vorhandener Gebietscharakter gesichert, der sich von dem eines nicht besonders geschützten Wohngebiets in ähnlicher Weise abhebt, wie nach dem neuen Bauplanungsrecht das reine Wohngebiet nach § 3 BauNVO gegenüber dem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO. Da im Nutzungsartenkatalog des § 3 BauNVO nach wie vor Flüchtlingsunterkünfte nicht vorkommen, verbleibt es damit bei der Aufgabe, das Wohnen von der Unterbringung in einer Anlage für soziale Zwecke abzugrenzen.

34

Das Argument der Beigeladenen, bei der Flüchtlingsunterkunft würde es sich um Wohnen im weiteren Sinne handeln, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 1998 (a.a.O., 202) dies der Sache nach auch so gesehen habe, überzeugt nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat dort ausgeführt,

35

„daß Asylbewerber untergebracht werden, weil ein spezielles Wohnbedürfnis befriedigt werden muß. Wenn dieses auch nicht dem Typ des Wohnens im allgemeinen Verständnis ( … ) entspricht, so ist die Nutzung jedoch zumindest dem Wohnen (im engeren Sinne) ähnlich und mit ihm verträglich; das hat das Berufungsgericht im einzelnen ausgeführt.“

36

Diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Anschluss an die vom Vordergericht (OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354 ff.) getroffenen Feststellungen beziehen sich aber auf die Unterbringung von Asylbegehrenden in drei Wohngebäuden vom Typ eines Einfamilienhauses und damit auf einen nicht vergleichbaren Fall. Das Oberverwaltungsgericht ist in dieser Entscheidung im Übrigen zu dem revisionsrechtlich unbeanstandet gebliebenen Ergebnis gelangt, dass Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigungen nicht Wohngebäude seien, sondern eine Anlage für soziale Zwecke. Die Beigeladene übersieht bei ihrer Argumentation, dass die Einordnung als Anlage für soziale Zwecke nicht ausschließt, trotzdem anzuerkennen, dass die Anlagen dem Wohnen ähnlich sind, weil sie nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung für eine mehr als nur unbeachtlich kurze Dauer Lebensmittelpunkt des einzelnen Asylbegehrenden oder Flüchtlings sind (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 992 m.w.N.).

37

e) Ebenso ohne Erfolg wenden sich die Antragsgegnerin und die Beigeladene gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, in dem besonders geschützten Wohngebiet sei die Flüchtlingsunterkunft nur als kleine Anlage für soziale Zwecke bauplanungsrechtlich gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO allgemein zulässig.

38

Das Verwaltungsgericht ist zu diesem Ergebnis auf der Grundlage der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts gelangt, die auch von den Beteiligten in diesem Beschwerdeverfahren zugrunde gelegt wird. Danach ist der Begriff der „Wohnbedürfnisse“ i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO weit auszulegen und umfasst über das „Wohnen“ im engeren Sinne hinaus auch solche Nutzungen, die in einem Wohngebiet erwartet werden oder mit ihm verträglich sind; dies gilt auch für „besonders geschützte Wohngebiete“ (z.B. OVG Hamburg, Urt. v. 13.2.2002, NordÖR 2002, 412 f.; v. 10.4.1997, a.a.O., 356). Gleichermaßen hat das Beschwerdegericht bereits entschieden, dass hierzu auch Nutzungsarten zählen können, die erstmals unter Anwendung der Baunutzungsverordnung in der Fassung von 1990 nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem reinen Wohngebiet im Ausnahmeweg zugelassen werden können. Allerdings muss die Bestimmung der Nutzungsarten, die in einem besonders geschützten Wohngebiet neben dem Wohnen allgemein erwartet werden oder mit ihm verträglich sind, ausschließlich anhand typisierter Nutzungsformen erfolgen, die im Plangebiet ohne das planerische Bedürfnis nach einer weiteren Steuerung zulässig sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, a.a.O., 198). Dies ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit, damit eine klare Abgrenzung der von § 10 Abs. 4 BPVO unterschiedenen Baugebiete gewährleistet ist. Wollte man hiervon abrücken, würde die Überleitung der Baustufenpläne gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 als Instrumente einer geordneten städtebaulichen Entwicklung in Frage gestellt. Die Bestimmung der Nutzungen, die in einem besonders geschützten Wohngebiet allgemein zulässig sind, kann deshalb nicht der Entscheidung der Antragsgegnerin im Einzelfall unterliegen. Die Bestimmung des § 10 Abs. 9 BPVO ist gerade nicht durch das Bundesbaugesetz übergeleitet worden (so bereits BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 364, 379).

39

Ohne das planerische Bedürfnis nach weiteren Steuerung sind in einem besonders geschützten Wohngebiet regelmäßig aber nur „kleine“ Anlagen allgemein zulässig (siehe OVG Hamburg, Beschl. v. 28.11.2012, NVwZ-RR 2013, 352, 354). Dem liegt zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten der Umfang der Nutzung ein typenbildendes Merkmal darstellt, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgehen. Dabei ist im Bereich der Baustufenpläne im Regelfall keine andersartige, ergänzende Steuerung der Gebietsverträglichkeit einer Nutzungsart möglich (vgl. z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, NordÖR 2009, 68, 70 m.w.N. aus der Rspr. des BVerwG; Urt. v. 13.2.2002, a.a.O., 413 f.). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Plangeber des Baustufenplans hier mit dem ausdrücklichen Ausschluss aller gewerblichen Nutzungen, die nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO auch in einem reinen Wohngebiet im Ausnahmewege zugelassen werden könnten, deutlich gemacht hat, dass Nutzungen, die nicht dem Wohnen i.e.S. zugerechnet werden können, nur dann zulässig sein können, wenn sie sich dieser Nutzungsart ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordnen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, a.a.O.).

40

Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, dass von der genehmigten Flüchtlingsunterkunft entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts gerade keine gebietsunverträglichen Störungen ausgingen, weil es sich um eine wohnähnliche Nutzung handele. Wohnen störe aber nicht Wohnen. Mit einer Zunahme des Umfangs der Nutzung der Unterkunft seien keine gebietsunverträglichen Störungen zu erwarten. Der vom Verwaltungsgericht insoweit befürchteten Möglichkeit sozialer Spannungen komme keine bodenrechtliche Relevanz zu und führe zu einem unzulässigen Milieuschutz. Daher müsse es sich bei der Flüchtlingsunterkunft auch nicht lediglich um eine kleine Anlage für soziale Zwecke handeln.

41

Die Festsetzung eines besonderen Schutzes für ein Wohngebiet gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO schließt die Zulassung einer Unterkunft für Asylbegehrende bzw. Flüchtlinge nicht grundsätzlich aus. Bereits aus der parallelen Wertung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO ergibt sich aber, dass Anlagen für soziale Zwecke, die nicht gerade der (gebietsbezogenen) Kinderbetreuung dienen, nur „ausnahmsweise“ zugelassen werden können. Für nicht besonders geschützte Wohngebiete ergibt sich dagegen aus dem Vergleich zu § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, dass Anlagen für soziale Zwecke allgemein zulässig sind. An die Zulässigkeit einer Flüchtlingsunterkunft in einem besonders geschützten Wohngebiet müssen daher strengere Anforderungen gestellt werden. Da in einem besonders geschützten Wohngebiet eine Flüchtlingsunterkunft neben dem Wohnen auch nicht allgemein erwartet wird, muss sie jedoch gebietsverträglich sein. Allgemein erwartet werden in einem besonders geschützten Wohngebiet nur die beim Wohnen üblichen bzw. zweckmäßigen Infrastruktureinrichtungen. Beim Wohnen entsteht aber kein Bedarf an Flüchtlingsunterkünften. Angesichts der Offenheit des Begriffs der Wohnbedürfnisse kann nicht jeder formal unter den Tatbestand fallender Vorhabentyp allgemein zulässig sein. Maßstab für die Zulässigkeit ist daher die Gebietsverträglichkeit, bei der es um die Frage geht, ob ein Vorhaben - unabhängig vom Einzelfall - mit der Eigenart des Gebiets städtebaulich verträglich ist. Das Vorhaben ist gebietsunverträglich, wenn es aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Zu fragen ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, das Wohnen in einem besonders geschützten Wohngebiet zu stören. Gegenstand der Betrachtung sind die Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art, insbesondere nach seinem räumlichen Umfang, der Art und Weise der Nutzung und dem vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr, ausgehen. Entscheidend ist dabei nicht, ob die mit der Nutzung verbundenen immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte eingehalten werden. Die geschützte Wohnruhe ist nicht gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlich relevanten Lärmsituation (siehe BVerwG, Urt. v. 21.3. 2002, BVerwGE 116, 155, 160; Beschl. v. 28.2.2008, Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19).

42

Der Hinweis der Antragsgegnerin - das Beschwerdegericht (Beschl. v. 12.1.2015, 2 Bs 247/14) habe festgestellt, dass von einer Flüchtlingsunterkunft mit 300 Plätzen typischerweise keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgingen, weil es sich um eine wohnähnliche Nutzung handele - verfängt nicht. Denn der Maßstab für das dem besonders geschützten Wohngebiet immanente „Ruhebedürfnis“ würde deutlich verfehlt, wenn es erst auf das Überschreiten der Schwelle unzumutbarer Lärmimmissionen ankäme. Ebenso fehl geht der Einwand der Beigeladenen, das Verwaltungsgericht habe versäumt, das konkrete Störpotenzial der Flüchtlingsunterkunft zu ermitteln. Denn bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit kommt es nur auf die Auswirkungen an, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen. Anders als bei der Prüfung von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO geht es nicht um die konkreten Auswirkungen des Vorhabens im Einzelfall.

43

Dagegen spricht für die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine nicht mehr „kleine“ Anlage für soziale Zwecke sei in einem besonders geschützten Wohngebiet gebietsunverträglich, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise eine Abhängigkeit der Emissionen von der Belegungszahl bzw. dem räumlichen Umfang der Unterkunft besteht. Denn es entspricht einer allgemeinen Erfahrungstatsache, dass eine große Flüchtlingsunterkunft mit einer entsprechend hohen Belegungszahl typischerweise einen verstärkten Ziel- und Quellverkehr auslöst, der die Verkehrsbelastung im Wohngebiet spürbar erhöht. Dass für die genehmigte Flüchtlingsunterkunft nur zwei Kfz-Stellplätze vorgesehen sind, weil die 220 Personen von 2,75 Vollzeitkräften betreut werden sollen, dürfte einen typischen Ziel- und Quellverkehr nur unvollständig abbilden. So wird in einer Entscheidung des VGH München (Urt. v. 13.9.2012, BayVBl. 2013, 241), bei der es um eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber ging, ein Stellplatzschlüssel von einem Stellplatz je zehn Betten zugrunde gelegt. Nach diesem Maßstab wären hier 22 Kfz-Stellplätze zu erwarten. Zum typischen verkehrsauslösenden Betreuungsaufwand bei einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung dürfte auch gehören, dass die Bewohner mit Essen versorgt werden müssen. Wenn das Nutzungskonzept hier vorsieht, dass von den Bewohnern in den Küchen selbst gekocht werden soll, so heben die Antragsgegnerin und die Beigeladene dies gerade als Besonderheit hervor. Die typischerweise bestehende räumliche Enge in einer Flüchtlingsunterkunft wird zudem häufig dazu führen, dass sich die Bewohner nicht nur in den Gemeinschaftsräumen, sondern in größerer Zahl auch im Freien vor der Unterkunft aufhalten werden. Dies ist ebenfalls geeignet, eine Unruhe in das Gebiet zu bringen, die eine erhebliche Auswirkung auf die im besonders geschützten Wohngebiet erstrebte gebietsbezogene Wohnruhe darstellt, wie sie der Plangeber durch das Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Bei diesen Auswirkungen einer Flüchtlingsunterkunft handelt es sich auch nicht bloß um wohnähnliche Störungen, die ungeeignet sind, in einem Wohngebiet eine Gebietsunverträglichkeit zu begründen. Denn die Auswirkungen beruhen auf den besonderen Verhältnissen in einer Flüchtlingsunterkunft, die in vergleichbarer Weise in einem Wohngebäude so regelmäßig nicht anzutreffen sind.

44

Schließlich bemessen sich die Störungen der Gebietsverträglichkeit nicht allein nach dem Maß der Lärmimmissionen, sondern auch an den sonstigen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist darauf hinzuweisen, dass zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB u.a. die Berücksichtigung der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen gehört. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht auch die Auswirkungen einer Flüchtlingsunterkunft auf den sozialen Wohnfrieden in den Blick genommen, ohne dem allerdings ein maßgebliches Gewicht beizumessen. Flüchtlingsunterkünfte mit hoher Belegungsdichte weisen damit tatsächliche und rechtliche Besonderheiten auf, die dazu führen, dass das Vorhaben der Nutzungsänderung boden- bzw. bauplanungsrechtliche Relevanz hat (so auch VGH München, Urt. v. 13.9.2012, a.a.O., 242).

45

f) Die Einwände der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen die Einstufung der genehmigten Flüchtlingsunterkunft als nicht „kleine“ Anlage für soziale Zwecke greifen nicht durch.

46

Das Verwaltungsgericht hat für die Frage, wie groß eine Flüchtlingsunterkunft sein könne, die sich der gebietstypischen Wohnnutzung noch ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordne, als Orientierungsmaßstab eine gedachte Bebauung des 3.308 m2 großen Vorhabengrundstücks nach den Richtlinien zur Förderung des Wohnungsbaus im 1. Förderweg (Sozialwohnungsbau) zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene monieren, das Verwaltungsgericht habe von dem auf dieser Grundlage gefundenen Ergebnis von Wohnraum für ca. 200 Menschen keinen rechnerischen Abschlag in Ansatz bringen dürfen.

47

Das Gegenargument der Beigeladenen, der Plangeber habe mit einer geschlossenen dreigeschossigen Bebauung ein hohes Maß zulässiger Bebauung bestimmt, das auch ein hohes Maß an Immissionen für das Nachbargrundstück zumutbar mache, verfängt nicht, weil das Verwaltungsgericht ebenfalls von einer geschlossenen Bauweise bzw. einer baulichen Ausnutzbarkeit der Grundstücke im oberen Bereich des für Wohngebiete nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO Möglichen ausgegangen ist. Entgegen dem Einwand der Antragsgegnerin lässt sich nicht feststellen, dass die vom Verwaltungsgericht zur Rechtfertigung angenommenen Störungen keine bodenrechtliche Relevanz hätten und sich die Nutzungsformen Wohngebäude und Flüchtlingsunterkunft im relevanten Störungspotenzial nicht unterschieden (siehe dazu bereits oben auf S. 17 ff.).

48

2. Entgegen den Darlegungen der Antragsgegnerin war das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragsteller nicht gehalten, zu prüfen, ob die seiner Ansicht nach rechtswidrige Baugenehmigung durch die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB legalisiert werden kann.

49

Der Hinweis der Antragsgegnerin - in der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 19.7.2001, 2 Bs 370/00, juris Rn. 16 ff.; v. 18.12.2006, 3 Bs 218/05, NordÖR 2007, 163 f.) sei für Verfahrensfehler eines Verwaltungsaktes anerkannt, dass eine im Widerspruchsverfahren zu erwartende Heilung nach § 45 VwVfG bei einer Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen sei - greift zu kurz. Denn das Verwaltungsgericht ist nicht von einem bloßen Verfahrensfehler ausgegangen, sondern hat die materielle Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung festgestellt. Zudem wird in diesen ebenso wie in den übrigen von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.2.1996, juris Rn. 10; OVG Münster, Beschl. v. 14.11.2006, 1 B 1886/06, juris Rn. 23 ff.), die die Heilung von Ermessensfehlern betreffen, jeweils vorausgesetzt, dass sich im gerichtlichen Aussetzungsverfahren bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizieren lässt, dass der Verfahrens- oder Ermessensfehler im Widerspruchsverfahren geheilt wird. Von einer solchen hohen Wahrscheinlichkeit für die Erteilung einer Befreiung ist aber nach den Darlegungen der Antragsgegnerin nicht auszugehen. Denn wenn die Antragsgegnerin ausführt, bei der Erteilung einer Befreiung für die Flüchtlingsunterkunft sei davon auszugehen, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt würden, weil die Unterkunft keine relevanten bodenrechtlichen Spannungen auslösen würde und gebietsverträglich sei, so ist dies - wie oben auf S. 17 ff. dargelegt - unzutreffend. Angesichts ihrer Größe ist auch durch die vorgesehene Gestaltung im Einzelfall nicht offensichtlich, dass diese beachtlichen Spannungen auszuschließen sind.

50

3. Die beiden Beschwerden bleiben auch insoweit erfolglos, als mit ihnen die Interessenabwägung durch das Verwaltungsgericht insgesamt angegriffen wird.

51

Mit der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 993) ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass an der sofortigen Vollziehung einer aller Voraussicht nach rechtswidrigen Baugenehmigung weder ein privates noch ein öffentliches Interesse besteht. Ein überwiegendes Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen lässt sich nicht allein auf ihre Behauptung stützen, durch den weiteren Innenausbau der Unterkunft und eine Nutzungsaufnahme würden keine später nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen. Außerdem ist bei der Interessenabwägung einzustellen, dass der zu schützende Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller gerade ohne Rücksicht darauf besteht, ob ihnen durch die gebietsunverträgliche Nutzung konkrete Beeinträchtigungen erwachsen.

52

4. Schließlich war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller nur insoweit anzuordnen, als die Belegungszahl der Unterkunft die Kapazität einer kleinen Anlage für soziale Zwecke übersteigt.

53

Eine nur eingeschränkte Anordnung des Widerspruchs kommt nicht in Betracht, weil das Vorhaben hinsichtlich der Größe des Gebäudes nicht teilbar ist. Die Überschreitung der zulässigen Größe der Unterkunft ergibt sich nicht nur, wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, aus einer zu hohen Belegungszahl, sondern auch aus ihrem zu großen räumlichen Umfang. Denn für die Frage, wann eine Anlage für soziale Zwecke als klein zu bewerten ist, ist maßgeblich auch auf ihre äußere Erscheinungsform abzustellen (siehe OVG Hamburg, Urt. v. 13.2.2002, a.a.O., 414). Obwohl die Beigeladene nur eine Nutzungsänderung erstrebt, ist das gemäß § 29 Abs. 1 BauGB von ihr zur Genehmigung gestellte „Vorhaben“ nicht das Gebäude des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes zuzüglich der neu zugedachten Nutzung als Flüchtlingsunterkunft, sondern die bauliche Anlage in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion als Einheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.1974, BVerwGE 47, 185, 188; v. 17.6.1993, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 158). Dies erfordert es, dass auch der räumliche Umfang der Flüchtlingsunterkunft geprüft wird.

54

Das Gebäude auf dem Vorhabengrundstück wurde aber schon seinerzeit nur unter rechtlichen Bedenken und Erteilung einer speziellen für nicht Wohnzwecken dienenden Gebäude geregelten Ausnahme für die Überschreitung der gemäß § 11 Abs. 1 BPVO i.V.m. Spalte 6 der Baustufentafel zulässigen Bautiefe von maximal 12 m genehmigt. Tatsächlich beträgt die Bautiefe des Gebäudes 22 m bzw. bis zu 28 m. Die in Spalte 6 der Baustufentafel zu § 11 Abs. 1 BPVO enthaltene Regelung zur Bautiefe war zwar bauordnungsrechtlicher Natur und gilt gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 23 HBauO 1969 nicht mehr fort (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 10.2.2012, 2 Bs 145/11, m.w.N.), so dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche heute nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beurteilt. Mit einer Gebäudegrundfläche von 996 m2 ist das Gebäude aber mehr als doppelt so groß wie jedes andere Gebäude in dem Baublock, deren Gebäudefläche ganz überwiegend unter 300 m2 liegt.

55

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 16. Juli 2015 geändert:

Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 7. Juli 2014, den Ergänzungsbescheid Nr. 1 vom 25. August 2014, den Änderungsbescheid Nr. 1 vom 21. Mai 2015 und den Ergänzungsbescheid Nr. 2 vom 23. Oktober 2015 wird längstens bis einen Monat nach Zustellung eines Widerspruchsbescheides angeordnet. Im Übrigen wird der Aussetzungsantrag der Antragstellerin abgelehnt.

Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu ½ und die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu je ¼. Die Antragstellerin trägt in beiden Verfahren von den außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen je ½. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen in beiden Verfahren jeweils ¼ der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Baugenehmigung, die die Antragsgegnerin der Beigeladenen für den Neubau einer Lkw-Werkstatt mit Lager erteilt hat.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks B. ... Deich … (...), das mit einem Wohngebäude bebaut ist. Das Gebäude dient Wohnzwecken und wird daneben im gesamten Erdgeschoss von einer GmbH als Fotostudio mit dazugehörigem Büro genutzt, wobei diese Nutzung bauaufsichtlich nicht genehmigt worden ist. Die Beigeladene betreibt auf dem in der Nähe gelegenen Grundstück L... Straße …/Z... Weg eine Anlage zur Lagerung und zum Umschlag von Transportgütern. In den Jahren 2008/2009 wurde das dortige Fuhrunternehmen um eine Lkw-Werkstatt und 17 Lkw-Stellplätze erweitert. Am 15. August 2013 beantragte die Beigeladene das Fuhrunternehmen um das Grundstück Z... Weg.. 4 (Flurstück …: 9.941 m2 groß) zu erweitern. Alle Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans B... 3 vom 11. April 1995 (HmbGVBl. S. 82) und sind dort u.a. als Gewerbegebiet ausgewiesen. Die Antragsgegnerin erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 7. Juli 2014 eine Baugenehmigung für den Neubau einer Lkw-Werkstatt mit Lager auf dem Grundstück Z... Weg... Der Baugenehmigungsbescheid enthält Befreiungen für das Errichten des Vorhabens im Einwirkungsbereich des Mittelwellensenders M... (beidseitig vom B...3... sind Fuhrunternehmen unzulässig), für das Überschreiten der maximal zulässigen Gebäudehöhe von 12 m üNN, bzw. 17 m bis 25 m linear ansteigend durch das Errichten einer Werkstatthalle mit einer Höhe von 20 m üNN und für die Umsetzung des Anpflanzgebotes. Unter dem 25. August 2014 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen außerdem den Ergänzungsbescheid Nr. 1.

3

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 erhob die am Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Antragstellerin Widerspruch gegen die Baugenehmigung. Am 20. Februar 2015 hat die sie beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag gestellt.

4

Die Antragsgegnerin hat der Beigeladenen auf der Grundlage der schalltechnischen Untersuchung zum Betrieb einer Lkw-Werkstatt mit Lager im Z... Weg... vom 7. Mai 2015 den Änderungsbescheid Nr. 1 vom 21. Mai 2015 erteilt, der verschiedene immissionsschutzrechtliche Auflagen (wie Errichtung einer Sicht- und Schallschutzwand; Errichtung eines Lärm- und Schutzwalls; Verpflichtung der Beigeladenen, Betriebsabläufe so zu organisieren, dass das Vorhaben die in der schalltechnischen Untersuchung vom 7. Mai 2015 vorgesehenen Beurteilungspegel für die Zusatzbelastung am Grundstück der Antragstellerin von tags 44 dB(A) und nachts 43 dB(A) einhält; Be- und Entladung von Lkw: die Entsorgung von Gegenständen in den Entsorgungscontainer und der Wechsel des Entsorgungscontainers sind nachts unzulässig) für das Vorhaben regelt.

5

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 16. Juli 2015, der Antragstellerin am 23. Juli 2015 zugestellt, den Aussetzungsantrag nach §§ 80 Abs. 5, 80a VwGO abgelehnt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die angefochtene Baugenehmigung werde in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht wegen einer Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin aufzuheben sein, so dass bei der gebotenen Interessenabwägung die Interessen der Beigeladenen überwögen.

6

Die Baugenehmigung verstoße nicht gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin. Das Vorhaben der Beigeladenen stelle sich als Kombination aus einer Lkw-Werkstatt mit einem Lager und einem Umschlagbetrieb dar. Die Lagernutzung stelle für sich betrachtet eine der in Gewerbegebieten gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 BauNVO ausdrücklich zugelassenen Nutzungen dar. Auch die Nutzung als Lkw-Werkstatt und Umschlagbetrieb stelle eine im Gewerbegebiet zulässige Nutzung im Sinne eines nicht erheblich belästigenden Gewerbebetriebes dar. Der Störgrad des Vorhabens dürfte unterhalb der Schwelle der erheblichen Belästigung bleiben. Insbesondere sei nicht zu erwarten, dass von dem Vorhaben erheblich belästigende Lärmimmissionen hervorgerufen würden, und zwar weder hinsichtlich des Betriebslärms noch der dem Vorhaben zuzurechnenden Verkehrsgeräusche. Die Gebietsverträglichkeit des Vorhabens werde insbesondere durch den Änderungsbescheid Nr. 1 gesichert, der die schalltechnische Untersuchung vom 7. Mai 2015 zum Bestandteil des Bescheides gemacht habe und verschiedene konkrete Lärmschutzauflagen enthalte. Die danach geltenden Lärmwerte sähen für das Grundstück der Antragstellerin vor, dass die Beurteilungspegel der Zusatzbelastung bedingt durch das Vorhaben tags 44 dB(A) und nachts 43 dB(A) nicht überschreiten dürften. Einer Berücksichtigung eventueller Vorbelastungen habe es gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm nicht bedurft. Auch die von dem Vorhaben hervorgerufenen Verkehrsgeräusche, die nicht dem Betriebsverkehr, sondern dem An- und Abfahrtsverkehr zuzurechnen seien, führten nicht dazu, dass das Vorhaben als erheblich belästigend und damit in einem Gewerbegebiet unzulässig anzusehen wäre. Denn aus Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 TA Lärm ergebe sich, dass in Gewerbegebieten - wie hier - der An- und Abfahrtsverkehr zu einer Anlage ohnehin nicht betrachtet werden müsse. Selbst wenn man eine solche Betrachtung vornähme, ergebe sich hieraus keine erheblich belästigende Wirkung des Vorhabens. Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm gewähre insofern lediglich einen Anspruch auf Maßnahmen organisatorischer Art zur weitgehenden Verminderung solcher Geräusche. Beachtlich sei im Hinblick auf die Frage der Vermischung des An- und Abfahrtsverkehrs (vgl. Nr. 7.4 Abs. 2 2. Spiegelstrich TA Lärm) nur erkennbar einer Anlage zuzurechnender Ziel- und Quellverkehr. Hieran fehle es, wenn sich - wie hier - das Verkehrsnetz in kurzer Entfernung von der Anlage verzweige und nicht erkennbar sei, welchen Weg die Fahrzeuge nähmen. Ebenso wenig sei eine unmittelbare Berücksichtigung von Parkverkehr geboten, der nicht auf dem Anlagengrundstück erfolge, sondern jenseits des Punktes, an dem eine Vermischung mit dem allgemeinen Verkehr stattgefunden habe.

7

Die Baugenehmigung sei nicht unter Verstoß gegen nachbarschützende Bestimmungen des Gesetzes über den Bebauungsplan B...3... erteilt worden. Ein Verstoß gegen § 2 Nr. 4 des Gesetzes über den Bebauungsplan B...3... (im Folgenden kurz: B-PlanG B...3.) liege nicht vor, weil die Antragsgegnerin insoweit gemäß § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung erteilt habe, die nicht zu beanstanden sei. Es könne daher offen bleiben, ob § 2 Nr. 4 B-PlanG B...3… eine nachbarschützende Wirkung zukomme und ob die Festsetzung so auszulegen sei, dass Fuhrunternehmen und Tankstellen lediglich als Unterfälle des Begriffs „explosionsgefährdete Betriebe“ einzuordnen seien, so dass ein nicht explosionsgefährdetes Fuhrunternehmen nicht von der Ausschlusswirkung der Bestimmung betroffen wäre. Durch die Befreiung würden die Grundzüge der Planung nicht berührt, weil die Planung nur darauf ausgerichtet sei, Fuhrunternehmen im Einwirkungsbereich des Mittelwellensenders M... auszuschließen, solange es sich hierbei um typischerweise explosionsgefährdete Betriebe handele. Das Vorhaben stelle aber keinen explosionsgefährdeten Betrieb dar. Insbesondere ergebe sich aus der genehmigten Betriebsbeschreibung (Bauvorlage 26), dass im gesamten Lagerbereich Gefahrengut weder gelagert noch umgeschlagen werde. Eine Durchführung des Gesetzes über den Bebauungsplan B...3. in der Weise, dass auch nicht explosionsgefährdete Fuhrunternehmen, in denen zündfähiges Material weder gelagert noch umgeschlagen werden dürfe, durch § 2 Nr. 4 B-PlanG Bi….. 3 in dem Gebiet südlich der Straße R….. B... und beiderseits der Straße B... Deich ausgeschlossen seien, würde zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen. Schließlich sei die Befreiung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar, weil es sich bei dem Vorhaben nicht um einen explosionsgefährdeten Betrieb handele, so dass von diesem keine Gefahren für das Grundstück der Antragstellerin ausgingen.

8

Die Erteilung der Baugenehmigung verstoße nicht gegen § 2 Nr. 3 B-PlanG B...3, weil das Vorhaben nicht im Gewerbegebiet östlich des Spielplatzes verwirklicht werden solle, sondern auf der diesem Bereich nicht hinzuzurechnenden Fläche südlich der Straße R… B...

9

Die Erteilung der Baugenehmigung verstoße ferner nicht gegen § 2 Nr. 2 B-PlanG B... 3, bei dem es sich um eine Festsetzung nach § 1 Abs. 5 BauNVO handele, und einen hieraus folgenden Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin. Es bestehe keine Veranlassung zu der Annahme, dass die nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung ohne Rücksicht auf den im Wege einer Feinsteuerung festgesetzten konkreten Planinhalt auf die in den §§ 2 ff. BauNVO normierten Nutzungsarten beschränkt sei. Eine ausdrückliche Ausnahme von der in § 2 Nr. 2 Satz 3 B-PlanG B...3... enthaltenen Festsetzung habe die Antragsgegnerin in der Baugenehmigung zwar nicht zugelassen, jedoch sei die Baugenehmigung so auszulegen, dass diese in der Sache auch als Ausnahme von den Festsetzungen nach § 2 Nr. 2 Satz 3 B-PlanG B... 3 zu werten sei. So sei in der Bauakte der Wille der Antragsgegnerin dokumentiert, eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB von den Festsetzungen nach § 2 Nr. 2 B-PlanG B...3. zuzulassen und verweise die Begründung zu der ausdrücklich unter Nr. 3.2 der Baugenehmigung erteilten Befreiung ausdrücklich auf § 8 Abs. 3 BauNVO, der gerade nicht Befreiungstatbestände normiere, sondern eine Ausnahmeermächtigung darstelle. Eine solche Ausnahme habe neben der ausdrücklich erteilten Befreiung keine selbständige Bedeutung und sei als zugleich erteilt zu verstehen. Die in § 31 Abs. 1 BauGB enthaltenen ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale, wonach eine Ausnahme nur unter Wahrung der Gebietsverträglichkeit und des Regel-Ausnahme-Verhältnisses erteilt werden dürfe, dürften erfüllt sein. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Baugenehmigung mit § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vereinbar sei.

10

Das Vorhaben stelle keinen i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO relevanten Widerspruch zu der Eigenart des Baugebiets im Sinne seiner typischen Prägung dar. Als nicht erheblich belästigendes Vorhaben sei dieses mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebietes i.S.v. § 8 Abs. 1 BauNVO vereinbar. Auch aus den sonstigen Festsetzungen des Bebauungsplans und dem darin zum Ausdruck kommenden Planungswillen ergebe sich nicht, dass das Vorhaben im Wege der Korrektur eines atypischen Einzelfalles nicht genehmigt werden dürfte. Die Plangeberin gebe durch die ausdrücklich in § 2 Nr. 2 Satz 3 B-PlanG B...3... aufgenommene Möglichkeit, Fuhrunternehmen und Lagerbetriebe ausnahmsweise zuzulassen, zu erkennen, dass sie dem Gewerbegebiet keine Prägung habe geben wollen, die Vorhaben aus dem Bereich der Logistikbranche völlig ausschließe. Dem Willen der Plangeberin sei nicht zu entnehmen, dass nur Vorhaben der Logistikbranche mit geringem oder jedenfalls nicht hohem Flächenverbrauch in den Genuss der Ausnahmeregelung kommen könnten. Eine entsprechende planerische Vorstellung komme in den rechtsverbindlichen Festsetzungen gerade nicht zum Ausdruck.

11

Außerdem verstoße das Vorhaben nicht gegen das durch § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO normierte Rücksichtnahmegebot. Dies ergebe sich schon daraus, dass das Vorhaben unter keinem Gesichtspunkt den in einem Gewerbegebiet zulässigen Störgrad überschreite. Insbesondere werde die von der Antragstellerin befürchtete abriegelnde bzw. erdrückende Wirkung des Baukörpers nicht eintreten. Das Vorhaben löse eine Abstandsfläche von 0,2 H (3,60 m) aus. Die dichteste Entfernung zwischen Baukörper und der dem Grundstück der Antragstellerin zugewandten Grundstücksgrenze betrage jedoch 15 m, an welche das Grundstück der Antragstellerin wiederum nicht direkt angrenze, sondern von welcher es zusätzlich durch die Straße B... Deich getrennt werde. Übersteige - wie hier - der Abstand zwischen zwei Gebäuden den gesetzlichen Mindestabstand aber deutlich, könne von einer erdrückenden Wirkung des zu errichtenden Gebäudes nicht ausgegangen werden. Die Höhe des geplanten Gebäudes führe ferner nicht vor dem Hintergrund des § 2 Nr. 5 B-PlanG B...3. zu einer Rücksichtslosigkeit des Vorhabens. Dass es auf der Straße B... Deich aufgrund des Vorhabens zu für die Antragstellerin unzumutbaren Staubildungen von Lkw kommen werde, da die Straße nicht geeignet sein könnte, den anlagenbezogenen Mehrverkehr aufzunehmen, sei nicht zu erwarten. Die zuständige Polizeibehörde gehe davon aus, dass die das Vorhabengrundstück erschließenden Straßen L... Straße, B... Deich und Z... Weg den zu erwartenden Mehrverkehr problemlos aufnehmen könnten.

12

Die Antragstellerin hat am 28. Juli 2015 Beschwerde eingelegt, die von ihr am 12. August 2015 begründet worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 28. September 2015 darauf hingewiesen, dass der Senat nach einer ersten Beratung über die Beschwerde davon ausgehe, dass die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdebegründung eine entscheidungstragende Annahme in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts erschüttert habe. Denn sie habe zutreffend dargelegt, dass bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit nach § 8 BauNVO das Gesamtvorhaben und nicht nur das hinzukommende Erweiterungsvorhaben am Z... Weg... in den Blick zu nehmen sei. Im Rahmen der Vollprüfung werde sich im Übrigen die Frage stellen, ob die Antragsgegnerin der Beigeladenen tatsächlich bereits eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 2 Nr. 2 Satz 3 B-PlanG B... 3 erteilt habe. Daraufhin hat die Antragsgegnerin der Beigeladenen den Ergänzungsbescheid Nr. 2 vom 23. Oktober 2015 erteilt, der nunmehr ausdrücklich eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB für das Errichten einer Lkw-Werkstatt mit Lager als 2. Bauabschnitt zum Fuhrunternehmen L... Straße …. vorsieht. Zur Begründung heißt es u.a., mit der Errichtung der Lkw-Werkstatt mit Lager und den Lkw-Stellplatzflächen sei bezogen auf die Grundstücksgröße kein erheblicher Flächenverbrauch verbunden. Die bauliche Anlage liege innerhalb des ausgewiesenen Baufeldes und halte die zulässige Grundflächenzahl von 0,80 ein.

II.

13

Die gemäß §§ 146 Abs. 4, 147 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg, jedoch zeitlich befristet nur bis zum Abschluss des Widerspruchverfahrens. Die Erfolgsaussichten der Widersprüche der Antragstellerin gegen die von der Antragsgegnerin der Beigeladenen erteilten insgesamt vier Baugenehmigungsbescheide sind hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des kraft Bundesrechts nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruchs offen (2.). Die auf dieser Grundalge gebotene Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus, so dass ihrem Aussetzungsantrag nach §§ 80a Abs. 1 und 3, 80 Abs. 5 VwGO zu entsprechen ist, jedoch nur bis einen Monat nach Zustellung eines Widerspruchsbescheides oder bis sich das Verfahren zuvor auf sonstige Weise erledigt hat (3.). Im Übrigen ist der Aussetzungsantrag der Antragstellerin abzulehnen (4.).

14

1. Das Beschwerdegericht ist berechtigt und verpflichtet, ohne die Beschränkung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO über die Beschwerde zu entscheiden, weil die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung zutreffend dargelegt hat, dass es sich bei dem Erweiterungsvorhaben der Beigeladenen am Z... Weg... entgegen der entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts nicht um die Errichtung eines selbständigen Vorhabens handelt, sondern um eine Änderung der bereits bestehenden Betriebsanlage L... Straße …./Z... Weg, so dass richtigerweise Gegenstand der Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit das Gesamtvorhaben bestehend aus zwei Betriebsteilen ist.

15

a) Die bauplanungsrechtliche Prüfung hat sich auf das „Vorhaben“ i.S.v. § 29 Abs. 1 BauGB zu beziehen. Dabei kann es sich - in der Begriffsbildung dieser Vorschrift - um die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung einer baulichen Anlage handeln; der Begriff der Erweiterung ist einer der genannten Vorhabenkategorien zuzuordnen. Denkbar ist, dass sich eine Erweiterung als Errichtung einer - weiteren - baulichen Anlage darstellt, nämlich wenn es sich um ein selbständiges, abtrennbares Vorhaben handelt. In diesem Fall mag eine auf seine Zulässigkeit beschränkte Betrachtung geboten sein. Regelmäßig wird es jedoch an der Abtrennbarkeit fehlen. Dann handelt es sich um die Änderung einer baulichen Anlage. Ob sie zulässig ist, kann nicht isoliert geprüft werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.6.1993, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 158).

16

Es ist zwar Sache des Bauherrn, durch seinen Genehmigungsantrag festzulegen, was „das Vorhaben“ i.S.v. § 29 Abs. 1 BauGB ist, jedoch gilt dies nur innerhalb der - (bau-) technischen und rechtlichen - Grenzen, die einer Zusammenfassung oder Trennung objektiv gesetzt sind (siehe BVerwG, Beschl. v. 6.2.2013, 4 B 39/12, juris Rn. 11; Urt. v. 20.8.1992, Buchholz 406.11 § 29 BauGB Nr. 47; Beschl. v. 21.8.1991, Buchholz 406.11 § 12 BauGB Nr. 23; ebenso Rieger in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 29 Rn. 5).

17

Entgegen der Annahme der Beigeladenen kommt es für die Frage, ob es sich um zwei jeweils selbständige Vorhaben (= Errichtung) oder um ein und dasselbe Vorhaben (= Änderung) handelt, nicht maßgeblich auf das Kriterium der selbständigen Benutzbarkeit der Anlagen an, so dass hier von einer Errichtung auszugehen wäre, weil das streitbefangene Vorhaben sowohl technisch als auch rechtlich vom Stammbetrieb abtrennbar sei und es keine notwendigen (genehmigungsbedürftigen) gemeinsamen Betriebseinrichtungen gebe. Denn einer Trennung von mehreren Vorhaben können objektiv rechtliche Grenzen entgegenstehen, selbst wenn ihre selbständige Benutzbarkeit gewährleistet ist. Zudem kommt es nicht darauf an, ob die Anlagen abstrakt betrachtet selbständig benutzbar sind, sondern, wie sie vom Bauherrn konkret zur Genehmigung gestellt worden sind. Insoweit ist die Antragstellerin aber von einer betrieblichen Einheit ausgegangen.

18

b) Nach diesen Maßstäben ist von einer Änderung der bestehenden baulichen Anlage L... Straße …./Z... Weg durch eine Erweiterung um das Grundstück Z... Weg auszugehen:

19

aa) Die Beigeladene hat in ihrem Bauantrag vom 14. August 2013 das Vorhaben zwar als Errichtung eines Neubaus Lkw-Werkstatt mit Lager bezeichnet. In ihrem Befreiungsantrag vom 3. Dezember 2013 spricht sie aber von dem 2. Bauabschnitt zu dem bestehenden Fuhrbetrieb bzw. davon, der bestehende Fuhrbetrieb an der L… Straße/Z... Weg.. solle um die Fläche Z... Weg... erweitert werden. Die neu geplante Lkw-Werkstatt und das zugehörige Lager dienten allein der eigenen Betriebsnutzung des bestehenden Fuhrbetriebes. In allen (zeichnerischen) Bauvorlagen wird das Bauvorhaben folgerichtig als Lkw-Werkstatt mit Lager, 2. BA Z... Weg, L... Straße..., bezeichnet. Daher handelt es sich nach dem Willen der Bauherrin um ein einheitliches Gesamtvorhaben, das aus zwei Bauabschnitten besteht, von dem einer bereits verwirklicht worden ist.

20

Wenn die Beigeladene hiervon nunmehr abrücken will, indem sie vorträgt, die Angabe in dem Befreiungsantrag vom 3. Dezember 2013, die Lkw-Werkstatt auf dem Grundstück Z... Weg... solle allein dem vorhandenen Betrieb auf dem Grundstück L... Straße... dienen, sei unrichtig, weil ursprünglich beabsichtigt gewesen sei, die Lkw-Werkstatt auf dem Grundstück Z... Weg .. an eine andere Firma zu vermieten (was sich aber später zerschlagen habe), verfängt dies nicht. Denn maßgeblich ist nur der erkennbare Wille des Bauherrn, wie er sich aus seinem Genehmigungsantrag ergibt. Die Vermietungsabsichten hat die Beigeladene aber erst im Beschwerdeverfahren durch die Vorlage des Grundstückskaufvertrages vom 12. September 2014 aufgezeigt. Davon abgesehen geht es nicht nur um die Nutzung der Lkw-Werkstatt, sondern auch die des Lagers. Die Zusammengehörigkeit der beiden Betriebsteile ist im Übrigen durch ihre enge räumliche Nähe - einander gegenüberliegend am Z... Weg - auch für Dritte augenfällig.

21

bb) Selbst wenn man nach dem Willen der Beigeladenen von zwei selbständigen Vorhaben ausgehen wollte, würde dem objektiv als rechtliche Grenze entgegenstehen, dass durch das Erweiterungsvorhaben die Gebietsverträglichkeit des gesamten Vorhabens in dem festgesetzten Gewerbegebiet in Frage gestellt wird, weil infolge von weiteren 12 Lkw- und 23 Pkw-Stellplätzen für das Fuhrunternehmen der Beigeladenen mit einem nicht unwesentlichen Anstieg der Geräuschimmissionen aus Kraftverkehr und Güterumschlag zu rechnen ist. Für das ungeschriebene nachbarschützende Erfordernis der Gebietsverträglichkeit ist entscheidend, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt.Die Gebietsverträglichkeit ist der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vorgelagert, so dass es auf die konkrete Bebauung in der Nachbarschaft nicht ankommt (siehe BVerwG, Urt. v. 2.2.2012, BVerwGE 142, 1, 6 f.). In diesem Zusammenhang ist es also unerheblich, wenn die Beigeladene geltend macht, die zu erwartende Immissionsbelastung durch die Betriebserweiterung würde sich auf die Grundstücksnutzung durch die Antragstellerin nicht rücksichtslos auswirken, weil insbesondere der B... Deich nur von etwa 5 % des gesamten Ziel- und Quellverkehrs für ihr Fuhrunternehmen genutzt werde.

22

Dagegen sind die Auswirkungen des Erweiterungsvorhabens der Beigeladenen überprüfungsbedürftig, weil neben dem Lkw/Pkw-An- und Abfahrtsverkehr für die schon bestehenden baulichen Anlagen an der L... Straße.../Z... Weg.. mit 17 Lkw-Stellplätzen und weiteren Pkw-Stellplätzen nunmehr noch 12 Lkw- und 23 Pkw-Stellplätze mit tags 42 und nachts 10 Lkw-An- und Abfahrten sowie tags 11 und nachts 16 Pkw-An- und Abfahrten hinzukommen sollen. Außerdem ist von einer entsprechenden Steigerung der Geräuschimmissionen für den Güterumschlag auszugehen. Aufgrund dessen steht ernsthaft in Frage, ob durch die genehmigte Betriebserweiterung nicht der Störgrad eines „nicht erheblich belästigenden“ Gewerbebetriebs i.S.d. § 8 Abs. 1 BauNVO überschritten wird. Das Gesamtvorhaben der Beigeladenen wäre dann als erheblich belästigend nur in einem Industrie- oder Sondergebiet zulässig (vgl. dazu VGH München, Beschl. v. 5.11.1998, 1 ZS/CS 98.2457, juris Rn. 14: Spedition mit max. 14 Lkw ist bei tags 6 und nachts 2 An- und Abfahrten von Lkw nicht erheblich belästigend).

23

2. Anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat, spricht nach summarischer Prüfung vieles dafür, dass die Erfolgsaussichten der Widersprüche der Antragstellerin insoweit offen sind, als sie geltend macht, durch die angefochtene Baugenehmigung in Form der Ergänzungsbescheide Nr. 1 und 2 und des Änderungsbescheides Nr. 1 in ihren Rechten aus dem sog. Gebietserhaltungsanspruch verletzt zu sein.

24

a) Eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs der Antragstellerin kommt zunächst insoweit ernsthaft in Betracht, als sie rügt, die im Ergänzungsbescheid Nr. 2 vom 23. Oktober 2015 gemäß § 31 Abs. 1 BauGB nunmehr ausdrücklich erteilte Ausnahme von § 2 Nr. 2 Satz 3 B-PlanG B…3 sei rechtswidrig, weil das Gewerbegebiet dadurch in einen „Logistikstandort“ umgewandelt werde. Nach § 2 Nr. 2 Satz 3 B-PlanG B...3… können in den Gewerbegebieten Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Lagerbetriebe und Fuhrunternehmen ausnahmsweise zugelassen werden.

25

aa) Die von der Antragsgegnerin erteile Ausnahme von § 2 Nr. 2 Satz 3 B-PlanG B...3. betrifft eine Festsetzung zur sog. Feinsteuerung nach § 1 Abs. 5 BauNVO, der nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 17.6.2013, NVwZ-RR 2013, 990, 992 f.) ohne weiteres nachbarschützende Wirkung zukommt, d.h. ohne dass es auf die Gründe ankommt, die den Plangeber zu einer Änderung der zulässigen Nutzungsarten im Baugebiet bewogen haben. Die Beschwerdeerwiderung der Beigeladenen gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung Abstand zu nehmen, zumal sie in der jüngeren Literatur auch auf Zustimmung gestoßen ist (so Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 8 Rn. 56 m.w.N. zum Streitstand; Fehling/Waldmann, ZJS 2014, 428, 434).

26

Es besteht keine Veranlassung zu der Annahme, dass die nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung ohne Rücksicht auf den im Wege einer Feinsteuerung festgesetzten konkreten Planinhalt auf das in den §§ 2 ff. BauNVO normierte Baugebietstypische beschränkt ist. Der bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses: Weil und soweit der einzelne Eigentümer gemeinsam mit anderen Eigentümern in der Ausnutzung seines Grundstücks öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er grundsätzlich auch deren Beachtung im Verhältnis zu den anderen Eigentümern verlangen. Der Hauptanwendungsfall für diesen Grundsatz sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Durch sie werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Daher darf das Ausgleichsverhältnis nicht einseitig aufgehoben werden. Der gewollte Interessenausgleich würde sonst aus dem Gleichgewicht gebracht, denn ein Grundeigentümer würde über die normierte Beschränkung seiner Baufreiheit hinaus nochmals durch eine nicht zulässige Nutzung eines anderen Grundeigentümers zusätzlich belastet. Diese Rechtfertigung für den nachbarschützenden Charakter der Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung gilt nicht minder, wenn der Plangeber die zulässige Art der baulichen Nutzung in einem Baugebiet im Wege der planerischen Feinsteuerung gemäß § 1 Abs. 5 ff. BauNVO modifiziert und z.B. - wie hier - bestimmt, dass in einem Gewerbegebiet allgemein zulässige Arten von Nutzungen nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Indem der Verordnungsgeber zur begrenzten Anpassung der zulässigen Nutzungen an spezielle Anforderungen der Planung und die konkreten städtebaulichen Verhältnisse ermächtigt, hat er die daraus resultierenden Abwandlungen bereits „mitbedacht“ (vgl. Stock, a.a.O). Auch bei einem Verstoß gegen eine Modifikation nach § 1 Abs. 5 BauNVO droht dem Nachbarn die Belastung durch eine unzulässige Nutzung, die ihm selbst nicht erlaubt ist, und die das Austauschverhältnis belastet (vgl. Fehling/Waldmann, a.a.O.).

27

bb) Eine Verletzung dieses Gebietserhaltungsanspruchs der Antragstellerin ist zu besorgen, weil das Gesamtvorhaben der Beigeladenen ca. 2,9 ha umfasst und damit zu einem größerem Flächenverbrauch in den Gewerbegebieten führt und es nicht ausgeschlossen erscheint, dass bereits weitere Gewerbeflächen im Plangebiet der Nutzung durch Lagerbetriebe oder Fuhrunternehmen unterliegen. Der Plangeber hat aber die Festsetzung des § 2 Nr. 2 Satz 3 B-PlanG B...3. i.V.m. § 1 Abs. 5 BauNVO gerade unter der Maßgabe getroffen, dass Lagerbetriebe und Fuhrunternehmen ausnahmsweise zugelassen werden können, „wenn sie keinen hohen Flächenverbrauch haben“. Diese Vorschrift sei notwendig, da die Gewerbeflächen baulich intensiv genutzt und vorrangig dem produzierenden Gewerbe vorbehalten werden sollten (siehe S. 8 der Begründung zum Bebauungsplan B...3..). Insoweit wird die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren aufzuklären haben, ob die Nutzung von Gewerbeflächen durch Lagerbetriebe und Fuhrunternehmen im Plangebiet bereits einen solchen Umfang erreicht hat, dass die Gewerbegebiete die ihnen vom Plangeber hauptsächlich zugedachte Funktion - für die Erweiterung bestehender und für die Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe des produzierenden Gewerbes zur Verfügung zu stehen - nicht mehr erfüllen können. In diesem Fall wäre das Gesamtvorhaben der Beigeladenen wegen eines Verstoßes gegen § 2 Nr. 2 Satz 3 B-PlanG B...3. i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig.

28

cc) Auf eine mögliche Verletzung des Gebietserhaltungsanspruch könnte sich die Antragstellerin berufen, obwohl sie ihr Grundstück überwiegend zu Wohnzwecken nutzt und Wohngebäude in Gewerbegebieten gemäß § 8 BauNVO unzulässig sind.

29

Denn nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 993; v. 28.5.2013, 2 Bs 23/15, juris Rn. 18; insoweit nicht abgedruckt in NordÖR 2015, 427 ff.) ist von einer anspruchsvernichtenden Aufhebung des den Gebietserhaltungsanspruch begründenden Austauschverhältnisses jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn auf dem Nachbargrundstück zwar planwidrige Nutzungen (wie hier die Wohnnutzung) ausgeübt werden, daneben aber auch plankonforme Nutzungen vorhanden sind.

30

Das Wohngebäude auf dem Grundstück der Antragstellerin wird aber im gesamten Erdgeschoss von einer GmbH als Fotostudio mit dazugehörigem Büro genutzt, was gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO einer plankonformen Nutzung durch einen Gewerbebetrieb entspricht. Der Umstand, dass diese gewerbliche Nutzung ungenehmigt ist, ist unschädlich. Denn für das Bestehen eines Austauschverhältnisses unter den Nachbarn ist entscheidend, dass sie den gleichen materiellen Beschränkungen bei ihrer Grundstücksnutzung unterworfen sind. Auf das Vorliegen einer Baugenehmigung kommt es insoweit nicht an (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 28.5.2015, juris Rn. 17).

31

b) Die Erfolgsaussichten der Widersprüche der Antragstellerin sind auch insoweit offen, wie sie geltend macht, dass das Gesamtvorhaben der Beigeladenen als erheblich belästigend im Gewerbegebiet nicht gebietsverträglich sei.

32

aa) Der Eigentümer eines Grundstücks im festgesetzten Gewerbegebiet hat kraft Bundesrechts einen Abwehranspruch gegen die Zulassung einer nicht gebietsverträglichen Nutzung. Da der Gebietserhaltungsanspruch auf Gegenseitigkeit beruht, kann er nur Eigentümern im selben Baugebiet zustehen (siehe Pützenbacher in: Bönker/Bischopink, Bau-NVO, 2014, § 8 Rn. 47 f.). Die Beigeladene vertritt zu Unrecht die Ansicht, das Grundstück der Antragstellerin liege nicht im selben Baugebiet, weil der Plangeber im Bebauungsplan B...3.. westlich und östlich des B... zwei unterschiedliche Gewerbegebiete ausgewiesen habe. So werde in der Planbegründung auch ausdrücklich von mehreren Gewerbegebieten gesprochen. Die zulässige Bauweise sei in den beiden Gewerbegebieten vom Plangeber unterschiedlich festgesetzt worden. Der Straße B...3…. Deich komme für die beiden Gewerbegebiete eine trennende Wirkung zu.

33

Das den Gebietserhaltungsanspruch begründende Austauschverhältnis bezieht sich auf dasselbe Baugebiet in einem Bebauungsplan. Bei zwei Gewerbegebieten handelt es sich aber um dasselbe Baugebiet i.S.d. § 1 Abs. 2 BauNVO. Der schlichten Trennung der beiden Gewerbegebiete durch eine Straße lässt sich normativ nicht die Wertung entnehmen, dass dadurch die Wechselbezüglichkeit der jeweiligen Nutzungsbeschränkungen aufgehoben werden sollte. Da das Austauschverhältnis nur hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung besteht, kommt es auf unterschiedliche Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung in den Gewerbegebieten nicht an. Dass der Plangeber im Bebauungsplan B...3. mehrere Gewerbegebiete ausgewiesen hat, ist der Tatsache geschuldet, dass er die Bauweise bzw. das Maß der baulichen Nutzung unterschiedlich festgesetzt hat und die Gewerbegebiete durch die Notwendigkeit der Ausweisung von Straßenverkehrsflächen ohnehin getrennt sind. All dies ist aber normativ betrachtet unerheblich für den Zusammenschluss der Grundstückseigentümer in den Gewerbegebieten zu einer Schicksalsgemeinschaft in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung ihrer Grundstücke.

34

bb) Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand lässt sich nicht feststellen, dass das Gesamtvorhaben der Beigeladenen im Gewerbegebiet gebietsverträglich sein wird, weil der Störgrad „nicht erheblich belästigend“ (§ 8 Abs. 1 BauNVO) mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird.

35

In Gewerbegebieten sind gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO nur nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe zulässig, was eine Obergrenze für Immissionen begründet und die Gewerbe- von den Industriegebieten abgrenzt, die eine solche Immissionsobergrenze nicht kennen. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in Gewerbegebieten auch Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude allgemein zulässig sind (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO), denen ein gewisses Bedürfnis nach Arbeitsruhe eigen ist. Diese Anlagen müssen in den üblichen Bürostunden unter zumutbaren Bedingungen genutzt werden können (siehe VGH Mannheim, Urt. v. 9.12.1983, BRS 40 Nr. 77). Andererseits ist zu konstatieren, dass Wirtschaftsverkehr in Gewerbegebieten ein typisches Verkehrsaufkommen ist. Ein im Gewerbegebiet an sich regelhaft zulässiges Vorhaben (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO), wie das Gesamtvorhaben der Beigeladenen, gefährdet den Gebietscharakter und ist gebietsunverträglich, wenn es - bezogen auf den Gebietscharakter des Gewerbegebiets - aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Ausgangspunkt und Gegenstand dieser typisierenden Betrachtungsweise ist das jeweils zur Genehmigung gestellte Vorhaben. Die Zulässigkeit von Nutzungen in den einzelnen Baugebieten hängt insbesondere von deren Immissionsverträglichkeit ab. Gegenstand der Betrachtung sind die Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art, insbesondere dem vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr sowie der zeitlichen Dauer dieser Auswirkungen und ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachzeiten ausgehen (siehe BVerwG, Beschl. v. 28.2.2008, Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19 m.w.N.). So ist in der Rechtsprechung im Fall einer Bauschuttrecyclinganlage angenommen worden, dass der Anlieferungs- und Abfuhrverkehr von 108 Lkw pro Tag in einem Gewerbegebiet von erheblichem Störpotential ist, weil typischerweise mit erheblichen Lärmbelästigungen für die Umgebung zu rechnen ist (so OVG Münster, Beschl. v. 27.11.2009, DVBl 2010, 444, 447).

36

Unter dieser Maßgabe wird die Frage Gebietsverträglichkeit des Gesamtvorhabens der Beigeladenen von der Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren zu klären sein. Die bislang vorliegende schalltechnische Untersuchung vom 7. Mai 2015 befasst sich lediglich mit dem Erweiterungsvorhaben am Z... Weg..., nimmt aber nicht das Gesamtvorhaben und dessen Gebietsverträglichkeit an sich in den Blick. Dementsprechend enthält der Änderungsbescheid Nr. 1 vom 21. Mai 2015 auch nur immissionsschutzrechtliche Auflagen, die das Erweiterungsvorhaben am Z... Weg... betreffen bzw. allein dem Schutz von zwei Nachbarn dienen. Die Beigeladene hat zwar mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2015 die vorhabenbedingten Verkehrsströme auf den beiden Betriebsgrundstücken im Einzelnen erläutert und dabei hervorgehoben, dass der B..., wo das Grundstück der Antragstellerin liegt, nur von etwa 5 % des gesamten betrieblichen Ziel- und Quellverkehrs genutzt werde. Zudem werde der Lieferverkehr für das Betriebsgrundstück L... Straße.../Z... Weg.. zu 80 % über die L… Straße und nur zu 20 % über den Z... Weg.., der deutlich näher zum Grundstück der Antragstellerin gelegen ist, abgewickelt. Diese Darlegungen sind jedoch unverbindlich, weil sie nicht Bestandteil etwa einer genehmigten Betriebsbeschreibung sind. Vor allem lassen sie aber keine umfassenden Rückschlüsse darauf zu, welche Geräuschauswirkungen von dem Gesamtvorhaben zu erwarten sind. Hierzu müssen insbesondere Umfang und Zeiten des An- und Abfahrtsverkehrs und des Güterumschlags auf dem bereits vorhandenen Betriebsgrundstück L... Straße.../Z... Weg.. im Einzelnen bekannt sein.

37

3. Da die Erfolgsaussichten der Widersprüche der Antragstellerin offen sind, hat das Beschwerdegericht unter Abwägung aller Umstände zu prüfen, ob das Interesse der Bauherrin an der sofortigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung das Interesse der Nachbarin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs überwiegt. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass der in § 212a Abs. 1 BauGB bestimmte Entfall der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ein erhebliches Gewicht zugunsten der Beigeladenen hat, so setzt sich dennoch das Aufschubinteresse der Antragstellerin durch. Ihr Interesse, die Schaffung vollendeter Interessen zu verhindern, richtet sich sowohl gegen die Errichtung des Baukörpers wie gegen die Nutzung der baulichen Anlage. Das Interesse der Beigeladenen ist lediglich auf eine Erweiterung ihres bereits vorhandenen Betriebes gerichtet, ohne dass dies zeitlich besonders dringlich erscheint. Da die aufschiebende Wirkung nur längstens bis zum Abschluss des Widerspruchverfahrens angeordnet wird, ist die eintretende zeitliche Verzögerung des Bauvorhabens der Beigeladenen überschaubar. Die Beigeladene hat zudem die Möglichkeit, den Fortgang des Widerspruchsverfahrens zu beschleunigen, indem sie selbst zur Aufklärung der Frage der Gebiets- bzw. Immissionsverträglichkeit des Gesamtvorhabens beiträgt.

38

4. Dagegen werden die Widersprüche der Antragstellerin im Übrigen voraussichtlich keinen Erfolg haben, so dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung bis zu einer Entscheidung über die Hauptsache ausscheidet. Der Aussetzungsantrag der Antragstellerin ist daher insoweit abzulehnen.

39

aa) Die Antragstellerin wird ihre Widersprüche nicht bereits mit Erfolg darauf stützen können, dass die im Baugenehmigungsbescheid vom 7. Juli 2014 gemäß § 31 Abs. 2 BauGB erteilte Befreiung von § 2 Nr. 4 B-PlanG B... objektiv rechtswidrig sei, weil sie gegen die Grundzüge der Planung verstoße und kein Befreiungsgrund vorliege. Nach § 2 Nr. 4 B-PlanG B...3… sind in den Gewerbegebieten südlich der Straße R….. B.../ beiderseits der Straße B... Deich (Einwirkungsbereich des Mittelwellensenders M...) explosionsgefährdete Betriebe, in denen zündfähige Flüssigkeiten und Gase verwendet, erzeugt, gelagert (ohne Heizöl-Eigenbedarf) oder umgeschlagen werden, sowie Tankstellen und Fuhrunternehmen unzulässig.

40

Diese Festsetzung vermittelt der Antragstellerin keine nachbarschützende Wirkung. Bei ihr handelt es sich nicht um eine Festsetzung zur Feinsteuerung der zulässigen Art der baulichen Nutzung i.S.v. § 1 Abs. 5 ff. BauNVO, der bereits kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung zukäme. Die Festsetzung dient lediglich dem Ziel, dass durch die Planung infolge der engen Nachbarschaft zu dem Mittelwellensender M... keine Gefahrentatbestände geschaffen werden. Der in § 2 Nr. 4 B-PlanG B...3. festgesetzte Ausschluss dient der Sicherheit vor Explosionsgefahren, die durch elektromagnetische Energiefelder verursacht werden können, die von dem Mittelwellensender M... ausgestrahlt werden.

41

Die Begründung zum Bebauungsplan B...3. (Seite 9 f.) verhält sich zu der Frage einer nachbarschützenden Wirkung von § 2 Nr. 4 B-PlanG B...3. nicht. Die Festsetzung dient der Gefahrenabwehr zugunsten der Menschen, die sich im Einwirkungsbereich des Mittelwellensenders M... aktuell aufhalten. Dies trifft aber nicht nur auf die planunterworfenen Grundstückseigentümer oder die ansässige Wohn- oder Arbeitsbevölkerung zu, sondern auf die Allgemeinheit. Dem Tatbestand des § 2 Nr. 4 B-PlanG B...3… lässt sich kein Personenkreis entnehmen, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet. Dies schließt einen Drittschutz durch die Vorschrift aus, weil es bei ihr nicht um den Schutz bestimmter individueller Interessen geht.

42

Unabhängig davon dürfte das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die erteilte Befreiung von § 2 Nr. 4 B-PlanG B...3. rechtmäßig ist, weil sie nicht gegen die Grundzüge der Planung verstößt und der Befreiungsgrund des § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB vorliegt.

43

bb) Die Antragstellerin wird eine Verletzung in ihren Rechten nicht auf einen Verstoß des Vorhabens gegen § 2 Nr. 3 B-PlanG B...3 stützen können. Nach § 2 Nr. 3 B-PlanG B... 3 sind im Gewerbegebiet östlich des Spielplatzes luftbelastende und geruchsbelästigende Betriebe unzulässig.

44

Das Beschwerdegericht kann insoweit die Frage offen lassen, ob § 2 Nr. 3 B-PlanG B... 3 nachbarschützende Wirkung beizumessen ist, da es in der Begründung zum Bebauungsplan B...3. (Seite 9) heißt, der Ausschluss von emittierenden Betrieben sei nach dieser Vorschrift notwendig, weil sich in unmittelbarer Nähe zu dem Gewerbegebiet Wohnhäuser am B... Deich befänden. Denn jedenfalls liegt das Vorhaben der Beigeladenen nicht „im Gewerbegebiet östlich des Spielplatzes“, sondern nach den im Gesetz über den Bebauungsplan B...3... benutzten Formulierungen in den Gewerbegebieten „südlich der Straße R... B…../beiderseits der Straße B... Deich“. Mit den in der Planbegründung auf Seite 9 genannten „Wohnhäuser[n] am B... Deich“ ist daher die in den Mischgebieten liegende Wohnbebauung nördlich der Straße R… B.../beider-seits des B... Deichs gemeint. Hinzu kommt, dass es sich bei dem Vorhaben nicht um einen luftbelastenden oder geruchsbelästigenden Betrieb handelt, weil die Anlage nicht in Spalte 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV - i.d.F. der Neubekanntmachung vom 19. Mai 1998 m.Änd. aufgeführt ist.

45

cc) Ebenso wenig wird die Antragstellerin eine Verletzung in ihren Rechten damit begründen können, die im Baugenehmigungsbescheid vom 7. Juli 2014 erteilte Befreiung von § 2 Nr. 5 B-PlanG B...3. sei objektiv rechtswidrig. Nach § 2 Nr. 5 B-PlanG B... dürfen südlich der geplanten Erschließungsstraße in Verlängerung der Straße R…. B….. außerhalb der Bereiche, die mit 12 m Gebäudehöhe bestimmt sind, die Baukörper eine Höhe von 17 m bis 25 m (linear ansteigend mit der Entfernung zum Sendemast des Mittelwellensenders M...) über Geländeoberfläche nicht überschreiten.

46

Dieser Festsetzung kommt keine nachbarschützende Wirkung zu, wie sich aus der Begründung zum Bebauungsplan B...3. auf Seite 10 ergibt, wo es heißt, die Höhenfestlegung sei notwendig, damit eine Beeinträchtigung des Mittelwellensenders vermieden werde. Wenn es dort weiter heißt, die Bebauung in den Gewerbegebieten beiderseits des B... Deichs solle sich in ihrer Höhenentwicklung an die vorhandene, zum Teil erhaltenswerte Bebauung anpassen, so dass für diese Bereiche eine Gebäudehöhe von maximal 12 m über NN als Höchstgrenze festgesetzt werde, so gibt dies keinen Hinweis darauf, dass der Plangeber mit der Höhenfestsetzung außer städtebaulichen Gründen auch den Schutz von privaten nachbarlichen Interessen verfolgen wollte.

47

dd) Schließlich lässt sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht feststellen, dass die Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen die Antragstellerin in ihren Rechten aus §§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, 31 Abs. 2 BauGB verletzen würde, weil das Vorhaben sich rücksichtslos auf die Grundstücksnutzung durch die Antragstellerin auswirken würde.

48

aaa) Soweit die Antragstellerin befürchtet, von dem Betrieb der Beigeladenen gingen erhebliche Gefahren für Leib oder Leben aus, weil es sich bei ihm um ein explosionsgefährdeten Betrieb bzw. ein Fuhrunternehmen i.S.d. § 2 Nr. 4 B-PlanG B...3.. handele, bleibt diese Annahme angesichts der Feststellungen in der sicherheitstechnischen Stellungnahme des TÜV Nord zu dem ganz vergleichbaren Bauvorhaben der Beigeladenen L... Straße... vom 25. Mai 2009 und der Angabe in der genehmigten Bauvorlage 26 - „Im gesamten Lagerbereich wird kein Gefahrengut gelagert bzw. umgeschlagen.“ - unsubstantiiert.

49

In der Stellungnahme des TÜV Nord heißt es auf S. 9 ff. zu der Lkw-Werkstatt am Standort L... Straße..., eine Lagerung von Schweiß-Gasflachen sei nicht vorgesehen, so dass die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre in Form von Gas-Luft-Gemischen ausgeschlossen werden könne. Diesel-Kraftstoff und Bio-Diesel-Kraftstoff seien zwar grundsätzlich als brennbare Stoffe einzustufen, sie seien jedoch laut chemikalienrechtlicher Einstufung aufgrund ihres Flammpunktes von >55°C keine entzündlichen, leicht und hoch entzündlichen Flüssigkeiten und bildeten unter den in Hamburg anzunehmenden Umgebungsbedingungen (Normaldruck und Temperatur zwischen -30°C und +40°C) keine explosionsfähigen Dampf-Luft-Gemische. Die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre in Form von Kraftstoffdampf-Luft-Gemischen könne insoweit ausgeschlossen werden. Die Bildung und Freisetzung von Wasserstoff beim Ladevorgang an den Batteriestationen werde nach dem Stand der Technik durch eine Regelung des Ladestroms und der Ladespannung in Abhängigkeit vom Ladezustand der Batterien unterbunden. Die Bildung explosionsfähiger Atmosphäre in Form von Wasserstoff-Luft-Gemischen könne insoweit ausgeschlossen werden. In der Lkw-Werkstatt würden auch keine zündfähigen Materialien oberhalb von Bagatellgrenzen gehandhabt oder gebildet. Hinzu kommt, dass die Beigeladene in ihren Schriftsatz vom 1. September 2015 versichert hat, dass zündfähige Materialien in einem Umfang, der über die Annahmen des TÜV Nord in seiner Stellungnahme vom 25. Mai 2009 hinausgehe, auch in der nunmehr genehmigten Lagerhalle mit Lkw-Werkstatt nicht gelagert oder zur Anwendung kämen. Insbesondere werde eine Lagerung von Schweiß-Gasflaschen ausgeschlossen.

50

bbb) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu der Bewertung gelangt, dass von dem Vorhaben der Beigeladenen keine erdrückende bzw. abriegelnde Wirkung ausgeht, obwohl es die im Bebauungsplan B...3. getroffenen Höhenfestsetzungen von 12 m bzw. von 17 m bis 25 m linear ansteigend (siehe § 2 Nr. 5 B-PlanG B...3..) nicht einhält. Maßgeblich ist hierfür nicht nur, wie vom Verwaltungsgericht im Einzelnen bereits ausgeführt, dass das Vorhaben die bauordnungsrechtlich bestimmten Abstandsflächen einhält und die Straße B... Deich zudem einen weiteren Abstand schafft, sondern auch, das dem Interesse der Antragstellerin an einer möglichst ungestörten Wohnnutzung deshalb im Ausgangspunkt ein verringertes Gewicht beizumessen ist, weil ihr Grundstück nicht in einem Wohn- sondern in einem Gewerbegebiet liegt, so dass sie zu einem höheren Maß an wechselseitiger Rücksichtnahme verpflichtet ist.

51

ccc) Der zuletzt genannte Gesichtspunkt lässt auch die Prognose, von dem Gesamtvorhaben der Beigeladenen gingen für das Grundstück der Antragstellerin unzumutbare Geräuschemissionen aus, eher unwahrscheinlich erscheinen. Der Plangeber ist vielmehr auf Seite 6 der Planbegründung davon ausgegangen, dass die Verbindung von Wohnen und Gewerbe - wenn auch in untergeordneter betriebsgebundener Form (vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) - möglich ist (Seite 6 der Planbegründung). Auf der Grundlage der vorgelegten schalltechnischen Untersuchung vom 7. Mai 2015 für das Erweiterungsvorhaben am Z... Weg... ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung der Antragstellerin. Diese Untersuchung bezieht zwar nicht - wie bei einem Gesamtvorhaben geboten, auch den bereits vorhandenen Betriebsteil L... Straße.../ Z... Weg.. ein. Die größere räumliche Entfernung dieses Betriebsteils zu dem Grundstück der Antragstellerin und die von der Beigeladenen im Schriftsatz vom 25. Oktober 2015 angegebenen betrieblichen Verkehrsströme, die den B... Deich weitgehend ausklammern, legen aber nicht nahe, das mit dem Gesamtvorhaben unzumutbare Lärmimmissionen für das Grundstück der Antragstellerin verbunden sein könnten.

52

ddd) Schließlich ist weder von einer vorhabenbedingten unzumutbaren Staubildung auf den Straßen oder einer unzumutbaren Parkplatzsituation in der näheren Umgebung des Vorhabens auszugehen. Die von der Antragstellerin zur Glaubhaftmachung insoweit vorgelegte Fotodokumentation zeigt lediglich Momentaufnahmen und belegt keine unzumutbare Nutzungseinschränkung für das Grundstück der Antragstellerin, weil sei etwa staubedingt oder wegen verbotswidrig abgestellter Lkw ihr Grundstück nicht anfahren oder verlassen könnte.

53

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 3, 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 29. Mai 2015 geändert:

Der Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 30. September 2014 gegen die beiden Baugenehmigungen vom 17. Juli 2013 jeweils in der Gestalt des Änderungsbescheides Nr. 1 vom 8. bzw. 15. April 2015 anzuordnen, wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen zwei Baugenehmigungen, die die Antragsgegnerin den Beigeladenen für die Errichtung eines Einfamilienhauses jeweils als „Doppelhaushälfte“ mit einem Stellplatz erteilt hat.

2

Die Antragsteller sind Sondereigentümer einer (unechten) Doppelhaushälfte auf dem Flurstück … der Gemarkung E... Die Beigeladenen sind Miteigentümer des Baugrundstücks G. Straße x (Flurstück ….), das im Westen an das Grundstück der Antragsteller, belegen G….. Straße y, grenzt. Das Baugrundstück liegt in einer Hanglage, deren Gefälle in zwei Ebenen verläuft: von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. Die westlich gelegenen Gebäude - wie das der Antragsteller - liegen tiefer, die östlich gelegenen Gebäude - wie das Vorhaben der Beigeladenen - liegen höher. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Baustufenplans Harburg vom 28. Dezember 1954 (Amtl.Anz. 1955 S. 141; zuletzt geändert am 13.9.1960, HmbGVBl. S. 408), der sie mit W 1 o (nur zwei Wohnungen je Haus zulässig) ausweist. Die Antragsgegnerin erteilte den Beigeladenen mit zwei Bescheiden vom 17. Juli 2013 jeweils eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses als (unechte) Doppelhaushälfte mit einem Stellplatz. Die beiden Baugenehmigungen schließen die Erteilung einer Befreiung für das Überschreiten der zulässigen bebaubaren Fläche nach Spalte 8 der Baustufentafel zu § 11 Abs. 1 BPVO um 0,01 auf 0,21 ein. Mit Schreiben vom 30. September 2014 erhoben die Antragsteller, die zuvor am Baugenehmigungsverfahren nicht beteiligt worden waren, gegen beide Baugenehmigungen Widerspruch und wandten u.a. ein, dass entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf dem Baugrundstück der Beigeladenen infolge von Aufschüttungen eine 3,50 m hohe Stützmauer errichtet werde.

3

Die Antragsteller haben am 28. Oktober 2014 beim Verwaltungsgericht einen Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Die Antragsgegnerin hat den Beigeladenen zwei Änderungsbescheide Nr. 1 vom 8. bzw. 15. April 2015 über die Anpassung der Stützmauer erteilt. Danach darf deren Höhe 2 m - gemessen vom gewachsenen Boden aus - nicht überschreiten. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 29. Mai 2015 die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die beiden Baugenehmigungen jeweils in der Gestalt der Änderungsbescheide Nr. 1 angeordnet. Zur Begründung heißt es dort u.a., der Antrag sei begründet, weil das Vorhaben voraussichtlich gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 71 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 HBauO verstoße. Bei dem Vorhaben handele es sich um eine einheitliche bauliche Anlage i.S.v. § 6 Abs. 1 HBauO, bestehend aus der Aufschüttung, der sie sichernden Stützmauer und den beiden auf der Aufschüttung zu errichtenden Gebäuden. Diese bauliche Anlage halte die erforderliche Mindestabstandsfläche von 2,50 m nicht ein. Die Betrachtung von Bauvorhaben - bei denen Gebäude auf einer die natürliche Geländeoberfläche verändernden Aufschüttung errichtet würden und wo eine Stützmauer zur Sicherung der Aufschüttung diene - als einheitliche bauliche Anlage entspreche der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 14.11.2013, 3 M 222/13, juris Rn. 10 ff.; OVG Lüneburg, Urt. v. 29.9.1988, BRS 48 Nr. 164; OVG Münster, Beschl. v. 22.5.2005, 7 A 1408/04, juris Rn. 11; v. 22.1.2001, BRS 64 Nr. 126). Bezogen auf das Vorhaben der Beigeladenen folge daraus, dass der Privilegierungstatbestand in § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO keine Anwendung finde. Denn die Stützmauer könne als Bestandteil des einheitlichen Gesamtvorhabens nicht isoliert unter einen lediglich sie, nicht jedoch die weiteren Bestandteile erfassenden Privilegierungstatbestand subsumiert werden.

II.

4

Die gemäß §§ 146 Abs. 4, 147 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht ist berechtigt und verpflichtet, ohne die Beschränkung in § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO über die Beschwerde zu entscheiden, weil die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts - die Stützmauer an der gemeinsamen Grundstücksgrenze werde von dem Privilegierungstatbestand des § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO nicht erfasst, so dass die Antragsteller in ihrem nachbarschützenden Zustimmungsrecht aus § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO verletzt würden - mit überprüfungswerten Argumenten erschüttert hat. Die Antragsgegnerin hat danach zutreffend dargelegt, dass es mit Sinn und Zweck des § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO nicht vereinbar wäre, eine Stützmauer an der Grundstücksgrenze allein deshalb abstandsflächenrechtlich für unzulässig zu erklären, weil sie mit dem zu errichtenden Gebäude bzw. mit der das Gebäude tragenden Aufschüttung eine baulich-funktionelle Einheit bilde.

6

2. Die danach eröffnete uneingeschränkte Überprüfung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts ergibt, dass der Antrag - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 30. September 2014 gegen die beiden Baugenehmigungen vom 17. Juli 2013 jeweils in der Gestalt des Änderungsbescheides Nr. 1 vom 8. bzw. 15. April 2015 anzuordnen, nach der gemäß §§ 80a Abs. 1 und 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotenen Interessenabwägung unbegründet ist. Denn der Widerspruch der Antragsteller ist mit hoher Wahrscheinlichkeit jedenfalls deshalb aussichtlos, weil sie durch die angefochtene Baugenehmigung nicht in ihren Rechten verletzt werden (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ob der Widerspruch darüber hinaus bereits unzulässig ist, kann daher offen bleiben (a). Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist nicht von einer Verletzung der Antragsteller in ihrem nachbarschützenden Zustimmungsrecht aus § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO auszugehen (b). Für eine anders begründete Verletzung subjektiver Rechte der Antragsteller durch die erteilte Baugenehmigung ist nichts ersichtlich. Das Vorhaben der Beigeladenen erweist sich insbesondere nicht als rücksichtslos (c).

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a) Das Beschwerdegericht lässt offen, ob die Antragsteller ihr Widerspruchsrecht verwirkt haben, weil sie - wie die Beigeladenen behaupten - als die Bauarbeiten vor Ort im September 2013 begonnen haben, von den beiden Baugenehmigungen vom 17. Juli 2013 zuverlässig Kenntnis hätten haben müssen, so dass der von den Antragstellern erst am 2. Oktober 2014 erhobene Widerspruch unter Umständen verspätet sein könnte.

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Selbst wenn - wie hier - eine amtliche Bekanntgabe der Baugenehmigung an die Nachbarn fehlt, kann nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, der sich insoweit aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ableitet, eine verfahrensrechtliche Verwirkung eintreten, die zur Unzulässigkeit des Widerspruchs führt. Denn ab dem Zeitpunkt, zu dem der Nachbar von der erteilten Baugenehmigung zuverlässig Kenntnis erlangt hat oder hätte haben müssen, hat er sich grundsätzlich so behandeln zu lassen, als sei ihm die Baugenehmigung wirksam bekannt gegeben worden. Ab diesem Zeitpunkt richtet sich die Frist zur Einlegung des Widerspruchs in der Regel nach den Vorschriften der §§ 70 Abs. 2 und 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO (so grundlegend BVerwG, Urt. v. 25.1.1974, BVerwGE 44, 294, 298 ff.; bestätigt im Beschl. v. 28.8.1987, BVerwGE 78, 85, 88; ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 14.1.2013, 2 Bs 261/12, n.v.). Für den Verlust des Widerspruchsrechts nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sind danach allerdings die jeweiligen Umstände des Einzelfalles maßgeblich, über die hier mangels weiterer Sachaufklärung nichts bekannt ist, so dass sich die offensichtliche Erfolgslosigkeit des Widerspruchs der Antragsteller nicht bereits mit dessen Unzulässigkeit begründen lässt.

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b) Die Antragsteller werden ihren Widerspruch - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - nicht mit Erfolg auf die Verletzung ihres nachbarschützenden Zustimmungsrechts aus § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO stützen können.

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Nach dieser Vorschrift ist die Zustimmung der Eigentümer des angrenzenden Grundstückes erforderlich bei Abweichungen von den Anforderungen an Abstandsflächen, und zwar des § 6 Abs. 5 HBauO, soweit die Mindesttiefe von 2,50 m unterschritten werden soll. Ein derartiger Fall einer Unterschreitung der Mindesttiefe von 2,50 m ohne die erforderliche Zustimmung der Antragsteller als Eigentümer des angrenzenden Grundstückes ist vom Verwaltungsgericht angenommen worden, weil die Stützmauer an der gemeinsamen Grundstücksgrenze liegt und der Privilegierungstatbestand des § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO keine Anwendung finden soll, wenn Stützmauer, Aufschüttung und das auf der Aufschüttung ruhende Gebäude eine einheitliche bauliche Anlage bildeten, die insgesamt den Mindestabstand von 2,50 m einzuhalten habe (so auch OVG Greifswald, Beschl. v. 14.11.2013, 3 M 222/13, juris Rn. 10 ff. für die Parallelvorschrift des § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 LBauO M-V). Dieser Rechtsauffassung vermag sich das Beschwerdegericht nicht anzuschließen.

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Stützmauern sind gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO in Wohngebieten mit einer Höhe bis zu 2 m - die hier nach den Änderungsbescheiden Nr. 1 vom 8. und 15. April 2015 nicht überschritten werden darf - in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden. Eine Stützmauer wird danach durch die Sonderregelung in § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO auch dann privilegiert, wenn sie an das Gebäude angebaut wird und dadurch eine baulich-funktionelle Einheit mit dem Gebäude bildet. Wird die Stützmauer - wie hier - an der Grundstücksgrenze errichtet, kann dies für die Privilegierung aber keinen Unterschied machen. Einer Stützmauer ist bereits von ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung her zu eigen, dass sie funktionell der Sicherung des natürlichen Geländes oder einer Aufschüttung dient; andernfalls würde es sich um eine Einfriedigung handeln. Eine Einschränkung, dass Stützmauern nur das natürliche Gelände gegen ein Abrutschen absichern dürfen, nicht dagegen Aufschüttungen, sieht der Hamburgische Gesetzgeber in § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO nicht vor (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 17.11.2011, 2 Bs 177/11, juris Rn. 48). Der Stützmauer unter Hinweis auf diese bauliche Sicherungsfunktion ihre Privilegierung zu versagen, widerspricht dem Willen des Gesetzgebers, der durch die Sonderregelung in § 6 Abs. 7 HBauO abstandsflächenrechtlich gerade eine angemessene erweiterte Grundstücksnutzung ermöglichen will. Von der genehmigten Aufschüttung, die durch die Stützmauer abgesichert wird, gehen auch keine gebäudegleichen Wirkungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 HBauO aus, die die Stützmauer als abstandsflächenrechtlich dysfunktional erweisen könnten. Hinzu kommt, dass das genehmigte Gebäude selbst die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 HBauO notwendige Tiefe der Abstandsfläche von 0,4 H einhält, und zwar gegenüber der natürlichen Geländeoberfläche als maßgeblicher Bemessungsgrundlage.

12

c) Die Antragsteller können ihren Widerspruch nicht mit einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme, wie es sich hier aus § 31 Abs. 2 BauGB und entsprechend § 15 Abs. 1 BauNVO ergibt, begründen.

13

Das Gebot der Rücksichtnahme beinhaltet nicht, jede Beeinträchtigung eines Nachbarn zu vermeiden. Ein Nachbar kann lediglich solche Nutzungsstörungen abwehren, die als rücksichtslos zu werten sind. Davon kann erst die Rede sein, wenn die mit dem genehmigten Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen bei der Nutzung des eigenen Grundstückes bei einer Abwägung, in der die Schutzwürdigkeit der Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung und die Interessen des Bauherrn zu berücksichtigen sind, für den Nachbarn billigerweise unzumutbar erscheinen (siehe BVerwG, Urt. v. 5.8.1983, BVerwGE 67, 334, 339; OVG Hamburg, Urt. v. 17.1.2002, NordÖR 2002, 454, 457).

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Die Antragsteller halten das Vorhaben der Beigeladenen für unzumutbar, weil von ihm eine abriegelnde bzw. erdrückende Wirkung ausgehe und es zu einer vollständigen Verschattung ihres Grundstücks führe. Bei dieser Betrachtung lassen sie aber unberücksichtigt, dass die zu erwartenden Beeinträchtigungen durch das Vorhaben im Wesentlichen auf den lagebedingten Nachteil ihres Grundstücks als Unterlieger in einer Hanglage beruhen. Dieser Nachteil wurde auch nicht dadurch aufzufangen versucht, dass bei der Bebauung ihres Grundstücks ein größerer Grenzabstand gewählt worden wäre. Die Doppelhaushälfte der Antragsteller liegt vielmehr nur ca. 2,50 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze entfernt. Von daher stand - wie jetzt bei den Beigeladenen - eine optimale wirtschaftliche Ausnutzung des Grundstücks im Vordergrund. Das Nord-Süd-Gefälle des Geländes ist im Übrigen optisch geeignet, einer abriegelnden Wirkung durch die Stützmauer entgegenzuwirken, weil diese die Geländebewegung aufnimmt. Was die Besonnung und Belichtung der Doppelhaushälfte der Antragsteller angeht, ist diese vor allem nach Süden und Nordwesten ausgerichtet und wird sie durch das Vorhaben der Beigeladenen im Osten nicht tangiert.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts entspricht es der Billigkeit, den Antragstellern als unterlegener Partei auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, obwohl diese keine Sachanträge gestellt haben. Denn eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Beigeladenen setzt keinen Sachantrag i.S.d. § 154 Abs. 3 VwGO voraus (siehe Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 17 m.w.N.). Sie kommt auch ohne einen solchen Antrag in Betracht, wenn der Beigeladene das Verfahren wesentlich gefördert hat (siehe VGH Mannheim, Beschl. v. 20.1.2011, VBlBW 2011, 279 f.; zustimmend Neumann in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 162 Rn. 133). Dies ist hier zu bejahen, weil die Beigeladenen in beiden Instanzen Sachargumente vorgetragen und dadurch an der Rechtsfindung mitgewirkt haben.

16

Die Streitwertfestsetzung bleibt einem gesonderten Beschluss vorbehalten.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.