Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 27. Jan. 2016 - 17 K 295/15

bei uns veröffentlicht am27.01.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt den Zugang zu Informationen, die die Beklagte über sie im Rahmen der Tätigkeit der sog. Arbeitsgruppe Scientology erhalten hat.

2

Die Klägerin ist ein im Jahre 1990 in der Rechtsform des eingetragenen Vereins gegründeter und nunmehr in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierter Träger der freien Jugendhilfe. Verbindungen zu Scientology hat die Klägerin nicht.

3

Die Beklagte richtete im Jahre 1993 bei der Behörde für Inneres eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag ein, sich näher mit Scientology und ihr nahestehenden Organisationen auseinanderzusetzen. Diese Arbeitsgruppe führte auch eine Akte über den Rechtsvorgänger der Klägerin. Mit Schreiben vom 11. April 2005, das im August 2009 im Internet unter der Adresse „http://farm4.static.flickr.com“ öffentlich zugänglich war, bat die Arbeitsgruppe Scientology das Registergericht um Übersendung der zum Rechtsvorgänger der Klägerin geführten Vereinsregisterakte.

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In der Fernsehsendung „Guten Abend RTL“ vom 7. Dezember 2009 wurde nach Ausführungen eines Sprechers, die Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology, U. C., habe Hinweise erhalten, der Rechtsvorgänger der Klägerin solle angeblich Kontakte zu Scientology haben, ein Redebeitrag von Frau C. ausgestrahlt, in dem sie wörtlich äußerte:

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„Ja, also ne Scientology-Verbindung haben wir bisher nicht feststellen können. Äh. Insofern gehen wir mal davon aus, dass die da nicht zwischenhängen. Aber vom gesamten Aufbau, von der Struktur her, von diesem Absolutheitsanspruch der Führung dieses Vereins, auch die Vorgehensweise mit Mitarbeitern und Ähnlichem und was da alles so läuft. Die Klagefreudigkeit. Das Für-sich-in-Anspruch-nehmen, sie können sich über bestimmte Sachen hinwegsetzen. Weil sie die einzige Wahrheit gepachtet haben wie jetzt mit Müttern und Kindern umzugehen ist, das sind alles so Elemente, die man bei sektenähnlichen Gemeinschaften öfter vorfindet.“

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Einen auf das Hamburgische Informationsfreiheitgesetz und das Hamburgische Datenschutzgesetz gestützten Antrag des Rechtsvorgängers der Klägerin auf Auskunft zu den der Untersuchung der Arbeitsgruppe Scientology zu Grunde liegenden Anhaltspunkten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2009 und Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2010 ab. Das Verwaltungsgericht Hamburg wies die anschließend erhobene Klage mit Urteil vom 13. Juli 2011 (Az. 5 K 524/10) ab und führte zur Begründung u. a. unter Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15. Januar 2010 (Az. 7 K 539/08) aus, der Ausschlusstatbestand in § 3 Abs. 2 Nr. 7 HmbIFG sei verfassungskonform. Nachdem das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz außer Kraft und das Hamburgische Transparenzgesetz in Kraft getreten war, lehnte das Hamburgische Oberverwaltungsgericht den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 30. August 2013 (Az. 3 Bf 148/11.Z) ab.

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Unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Beklagten vom 23. September 2009, in dem diese mitgeteilt hatte, an sie sei immer wieder die Frage herangetragen worden, ob der Rechtsvorgänger der Klägerin bzw. dessen Mitarbeiter mit Scientology in Zusammenhang ständen, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 25. August 2014 erneut, ihr durch Akteneinsicht Auskunft über die der Beklagten insoweit vorliegenden Informationen zu erteilen. Ein solcher Anspruch stehe ihr nunmehr aus dem Hamburgischen Transparenzgesetz sowie aus § 25 SGB X und § 23 HmbVerfSchG zu.

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Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 16. September 2014 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, einem Anspruch aus dem Hamburgischen Transparenzgesetz stehe entgegen, dass die begehrten Informationen dem Ausnahmetatbestand in § 5 Nr. 3 HmbTG unterfielen. § 25 SGB X sei nach § 1 SGB X als Anspruchsgrundlage nicht anwendbar, weil Verwaltungstätigkeit auf Basis des SGB nicht ausgeübt worden sei. Ein Antrag nach § 23 HmbVerfSchG sei nicht an sie, sondern an das Landesamt für Verfassungsschutz zu richten; die Akten der Arbeitsgruppe Scientology lägen dort jedoch nicht vor.

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Die Klägerin legte mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 gegen den ablehnenden Bescheid Widerspruch ein. § 5 Nr. 3 HmbTG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine einzelfallbezogene Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen sei. Andernfalls verletze die Vorschrift sie in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses schütze vor der fälschlichen Zuschreibung von Mitgliedschaften zu Vereinigungen oder Gruppen, sofern diese Zuschreibung Bedeutung für die Persönlichkeit und das Bild in der Öffentlichkeit habe. Sie wolle herausfinden, wer sie mit Scientology in Verbindung gebracht und wer die Nachforschungen der Arbeitsgruppe Scientology öffentlich gemacht habe, um diese Personen auf Unterlassung in Anspruch nehmen zu können. Daran habe sie ein schützenswertes Interesse, weil sie auch nach Auffassung der Beklagten keinerlei Verbindungen zu Scientology habe. Schützenswerte Interessen der Informanten ständen nicht entgegen, weil diese falsche Tatsachen geäußert hätten.

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Daneben bestehe ein Auskunftsanspruch aus § 25 SGB X. Der Anwendungsbereich des SGB X sei eröffnet, weil die Arbeitsgruppe Scientology auch oberste Landesjugendbehörde für den Jugendschutz bezüglich neuer religiöser und ideologischer Gemeinschaften und Psychogruppen sei und an sie nach eigenen Angaben der Beklagten auch in dieser Funktion Anfragen zu ihr – der Klägerin – gerichtet worden seien. Der Auskunftsanspruch könne überdies auf § 23 HmbVerfSchG gestützt werden, da die Aufgaben der Arbeitsgruppe Scientology vom Landesamt für Verfassungsschutz übernommen worden seien.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. § 5 Nr. 3 HmbTG sei auch ohne einzelfallbezogene Interessenabwägung verfassungsgemäß, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Hamburg zur Verfassungskonformität des § 3 Abs. 2 Nr. 7 HmbIFG gälten entsprechend. Beide Vorschriften berührten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber selbst eine Abwägung im Gesetzgebungsverfahren vornehme. § 5 Nr. 3 HmbTG hindere die Klägerin nicht, gegen unzutreffende Behauptungen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Den Trägern der öffentlichen Verwaltung obliege es aber nicht, durch Informationsgewährung die Inanspruchnahme von Rechtsschutz gegenüber unzutreffenden Behauptungen Privater zu erleichtern.

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Nach § 25 SGB X bestehe ein Auskunftsanspruch ebenfalls nicht. Die Anfrage an das Registergericht sei allein in Ausübung der Funktion als Arbeitsgruppe Scientology und nicht auf Basis des § 1 SGB X erfolgt. Auch sei die Klägerin nicht Beteiligte im Sinne von § 12 SGB X und fehle es an einem verfahrensbezogenen berechtigten Interesse. Im Übrigen sei sie gemäß § 25 Abs. 3 SGB X nicht zur Akteneinsicht verpflichtet, weil die Vorgänge wegen berechtigter Interessen ihrerseits und von Seiten Dritter geheim bleiben müssten. Der Auskunft nach § 23 HmbVerfSchG stehe auch entgegen, dass diese gemäß § 23 Abs. 2 HmbVerfSchG zu unterbleiben habe, wenn die begehrten Informationen nach einer anderen Rechtsvorschrift, wie hier nach § 5 Nr. 3 HmbTG, nicht zugänglich gemachten werden dürften.

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Am 19. Januar 2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt sie im Wesentlichen vor, die Beklagte könne sich auch deshalb nicht auf § 5 Nr. 3 HmbTG berufen, weil diese Norm lediglich die Informationspflicht und nicht die Auskunftspflicht betreffe. Sofern eine verfassungskonforme Auslegung ausscheide, sei eine Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 GG einzuholen. Zu berücksichtigen sei, dass § 5 Nr. 3 HmbTG dem Schutz der Allgemeinheit diene. Die Nichtvorlage der über sie vorliegenden Informationen schütze die Allgemeinheit nicht, weil sie unstreitig mit Scientology nichts zu tun habe. Zudem sei auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 6.4.2011, 20 F 20/10, juris) hinzuweisen, in der dieses einer Klage des Scientology-Vereins teilweise stattgegeben habe. Sie halte es für absurd, wenn Scientology Auskunft über die sie betreffenden Daten zu geben sei, nicht aber ihr selbst. Im Übrigen ergäben sich die Auskunftsansprüche auch aus § 25 SGB X und § 23 HmbVerfSchG.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. September 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2014 zu verpflichten, ihr sämtliche sie oder ihren Rechtsvorgänger betreffende Informationen, die bei der Tätigkeit der „Arbeitsgruppe Scientology“ angefallen sind, zugänglich zu machen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist die Beklagte auf ihre Entscheidungen. Ergänzend trägt sie im Wesentlichen vor, § 5 Nr. 3 HmbTG sei mit der Vorgängervorschrift in § 3 Abs. 2 Nr. 7 HmbIFG weitgehend inhaltsgleich. Soweit § 5 Nr. 3 HmbTG nunmehr auf den „Arbeitsbereich“ Scientology Bezug nehme, sei dies darauf zurückzuführen, dass die Arbeitsgruppe Scientology aufgelöst und die Aufgabenwahrnehmung verlagert worden sei. Erfasst seien alle Informationen, die mit der früheren Arbeitsgruppe Scientology und den nachfolgenden Bereichen einschließlich des Landesamtes für Verfassungsschutz zusammenhingen. § 5 Nr. 3 HmbTG schließe auch die Auskunftspflicht aus. Die Informationspflicht stelle nach § 1 Abs. 2 HmbTG den Oberbegriff für die Auskunfts- und die Veröffentlichungspflicht dar.

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Im Übrigen fiele eine Interessenabwägung ebenfalls zu Lasten der Klägerin aus. Das Interesse, dritte Personen auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen, sei im Hinblick auf den Zweck des Hamburgischen Transparenzgesetzes, der Förderung der demokratischen Meinungs- und Willensbildung sowie der Kontrolle staatlichen Handelns, nicht schützenswert. Im Übrigen könne es bei einer Abwägung nicht darauf ankommen, ob sich die Vermutung einer dritten Person im Hinblick auf eine Verbindung zu Scientology bestätigt habe oder nicht. Andernfalls müssten diese die Herausgabe ihrer Daten befürchten und würden von Anfragen Abstand nehmen. Dadurch wäre die Arbeitsfähigkeit des Arbeitsbereichs Scientology nicht unerheblich beeinträchtigt.

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Die Gerichtsakten zum Verfahren 5 K 524/10 (3 Bf 148/11.Z) sowie die Sachakten der Beklagten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.

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Der den klägerischen Antrag vom 25. August 2014 ablehnende Bescheid vom 16. September 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zugang zu den sie oder ihren Rechtsvorgänger betreffenden Informationen, die im Rahmen der Tätigkeit der „Arbeitsgruppe Scientology“ angefallen sind. Ein solcher Anspruch lässt sich mit Erfolg weder auf das Hamburgische Transparenzgesetz (hierzu unter 1.) noch auf § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X (hierzu unter 2.) oder § 23 Abs. 1 Satz 1 HmbVerfSchG (hierzu unter 3.) stützen.

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1. Aus dem Hamburgischen Transparenzgesetz ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Zugang zu den sie oder ihren Rechtsvorgänger betreffenden Informationen, die im Rahmen der Tätigkeit der „Arbeitsgruppe Scientology“ der Beklagten angefallen sind, nicht.

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Dem Anspruch der Klägerin nach den §§ 1 Abs. 2, 12 Abs. 1 HmbTG steht der Ausschlusstatbestand in § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG entgegen (hierzu unter a)), ohne dass die Klägerin dadurch in ihren verfassungsrechtlich geschützten Rechten verletzt wäre (hierzu unter b)).

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a) § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG schließt den Anspruch der Klägerin auf Zugang zu den begehrten Informationen aus. Nach diesem Ausschlusstatbestand besteht für Informationen, die im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung des Arbeitsbereichs Scientology bei der Behörde für Inneres und Sport stehen, keine Informationspflicht nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz. Diese Vorschrift greift hier ein.

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aa) § 5 HmbTG gilt für die Informationspflicht insgesamt, die gemäß § 2 Abs. 9 HmbTG die Auskunfts- und die Veröffentlichungspflicht umfasst (vgl. zu § 5 Nr. 4 HmbTG: OVG Hamburg, Urt. v. 17.12.2013, 3 Bf 236/10, juris, Rn. 22).

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bb) Die von der Klägerin begehrten Informationen unterfallen § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG.

28

(I) § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG ist dahingehend auszulegen, dass er auch Informationen erfasst, die die Beklagte im Rahmen der mittlerweile aufgelösten Arbeitsgruppe Scientology erhalten hat (ebenso Maatsch/Schnabel, HmbTG, 2015, § 5, Rn. 14).

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(1) Erforderlich ist bei der nicht institutionell, sondern gegenständlich gefassten Ausnahme dem Wortlaut nach lediglich ein „Zusammenhang“ mit der Aufgabenwahrnehmung des Arbeitsbereichs Scientology. Ein solcher besteht auch bei den von der früheren Arbeitsgruppe Scientology erlangten Informationen.

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(2) Gestützt wird das Auslegungsergebnis durch Ausführungen in der Begründung zum Gesetzentwurf. Danach sollten ausdrücklich Informationen vom Anspruch auf Informationszugang ausgenommen werden, die von, über oder im Auftrag der Arbeitsgruppe Scientology in der Behörde für Inneres und Sport erlangt oder für diese zusammengestellt worden seien, sowie die von der Arbeitsgruppe Scientology für das Sammeln und Verbreiten von Informationen genutzten Informationswege (Bü-Drs. 20/4466, S. 17).

31

(3) Entstehungsgeschichtlich ist ergänzend zu berücksichtigen, dass § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG die Weiterentwicklung des § 3 Abs. 2 Nr. 7 HmbIFG darstellt.

32

Nach dieser Vorschrift war ein Anspruch auf Informationszugang für Informationen, die im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung der „Arbeitsgruppe Scientology“ bei der Behörde für Inneres und Sport standen, ausgeschlossen. Die Ersetzung des Begriffs der „Arbeitsgruppe Scientology“ in § 3 Abs. 2 Nr. 7 HmbIFG durch den Begriff des „Arbeitsbereichs Scientology“ in § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG trägt der zwischenzeitlich erfolgten Auflösung der Arbeitsgruppe Scientology und der Umorganisation der Aufgabenwahrnehmung in der Behörde für Inneres und Sport Rechnung.

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(4) Teleologische Auslegungsgesichtspunkte rechtfertigen ein abweichendes Auslegungsergebnis nicht.

34

Die Regelung des § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG bezweckt zum einen den Erhalt der Arbeitsfähigkeit des Arbeitsbereichs Scientology (wenngleich in der Begründung zum Gesetzentwurf fälschlicherweise vom Erhalt der Arbeitsfähigkeit der Arbeitsgruppe Scientology die Rede ist, s. Bü-Drs. 20/4466, S. 17), der durch eine große Anzahl von Anträgen nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz in seiner eigentlichen Aufgabenwahrnehmung eingeschränkt sein könnte, und zum anderen den Schutz der Möglichkeit ungehinderter Sachaufklärung. Beide Zwecke haben im Hinblick auf die im Rahmen der aufgelösten Arbeitsgruppe Scientology erlangten Informationen zwar an Bedeutung eingebüßt, diese jedoch nicht vollständig verloren. Auch Informationszugangsbegehren, die sich auf Informationen der aufgelösten Arbeitsgruppe Scientology beziehen, wären geeignet, die Arbeitsfähigkeit des Arbeitsbereichs Scientology einzuschränken, wenngleich die Wahrscheinlichkeit einer großen Anzahl von Anträgen mit fortschreitendem Zeitablauf abnehmen dürfte. Die Sachaufklärung des Arbeitsbereichs Scientology könnte beeinträchtigt werden, wenn Informationen der aufgelösten Arbeitsgruppe Scientology öffentlich würden, da potenzielle Quellen dadurch veranlasst sein könnten, ihre Erkenntnisse nicht mehr zu offenbaren und die Gewinnung zusätzlicher Quellen dadurch, auch wenn die sie selbst betreffenden Informationen vom Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG erfasst wären, erschwert werden könnte.

35

(II) Gemessen an diesem Auslegungsergebnis steht § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG dem Anspruch der Klägerin entgegen, da sie Zugang zu Informationen begehrt, die die Beklagte im Rahmen der Tätigkeit der Arbeitsgruppe Scientology über sie oder ihren Rechtsvorgänger erhalten hat.

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cc) Dieses Ergebnis steht mit der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 6.4.2011, 20 F 20/10, juris) nicht im Widerspruch. Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht nicht einer Klage des Scientology-Vereins teilweise stattgegeben, sondern im sog. in camera Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage von behördlichen Unterlagen gegenüber dem Hauptsachegericht rechtswidrig war (BVerwG, Beschl. v. 6.4.2011, 20 F 20/10, juris, Rn. 11). Der im dortigen Verfahren herangezogene, in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO niedergelegte Prüfungsmaßstab ist von § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG grundverschieden. Es kommt daher auch nicht zu dem in der Sprache der Klägerin „absurden“ Ergebnis, dass Scientology Auskunft über die sie betreffenden Daten zu geben sei, nicht aber ihr selbst. Vielmehr stände auch einem von Scientology nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz gestellten Antrag auf Zugang zu Informationen der Arbeitsgruppe Scientology der Ausschlusstatbestand in § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG entgegen.

37

b) Die Klägerin ist durch die auf § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG gestützte Ablehnung ihres Informationszugangsbegehren nicht in ihren verfassungsrechtlich geschützten Rechten und insbesondere nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.

38

aa) Zwar ist der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eröffnet.

39

(I) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Einzelnen gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen bzw. personenbezogenen Daten, also der Einzelangaben zu den persönlichen oder sachlichen Verhältnissen einer bestimmten Person (BVerfG, Urt. v. 24.11.2010, 1 BvF 2/05, Gentechnikgesetz, juris, Rn. 156; BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u. a., Volkszählung, Mikrozensus, juris, Rn. 149).

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Eine juristische Person kann sich angesichts der Regelung in Art. 19 Abs. 3 GG, wonach die Grundrechte auch für inländische juristische Personen gelten, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind, auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berufen, wenn sie durch die informationelle Maßnahme einer Gefährdung ihrer spezifischen Freiheitsausübung ausgesetzt ist. Es kommt insoweit insbesondere auf die Bedeutung der betroffenen Informationen für den grundrechtlich geschützten Tätigkeitskreis der juristischen Person sowie auf den Zweck und die möglichen Folgen der Maßnahme an (BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u. a., Kontenabfrage, juris, Rn. 157; BVerfG, Urt. v. 24.11.2010, 1 BvF 2/05, Gentechnikgesetz, juris, Rn. 154).

41

Der durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vermittelte Grundrechtsschutz erschöpft sich nicht in einem Abwehrrecht. Das Grundrecht schützt auch das Interesse des Einzelnen, von staatlichen informationsbezogenen Maßnahmen zu erfahren, die ihn in seinen Grundrechten betreffen (BVerfG, Beschl. v. 10.3.2008, 1 BvR 2388/03, Rasterfahndung, Steuergeheimnis, behördliche Datensammlung, juris, Rn. 58). Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergeben sich daher auch Auskunftspflichten der Verwaltung gegenüber dem Bürger: Er hat grundsätzlich ein Recht zu erfahren, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn erfahren hat. Dabei erstreckt sich der verfassungsrechtlich anerkannte Auskunftsanspruch nicht nur auf den Inhalt personenbezogener Daten, sondern auch auf deren Quelle: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt auch denjenigen, der die Ungewissheit über die Identität eines Informanten beseitigen möchte (zum Landesverfassungsrecht: VerfGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 4.11.1998, VGH B 5/98, VGH B 5/98,B 5/98, juris, Rn. 15).

42

(II) Nach diesem Maßstab ist der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eröffnet.

43

Bei den begehrten Informationen zur vermeintlichen Nähe der Klägerin oder ihres Rechtsvorgängers zu Scientology handelt es sich um personenbezogene Daten. Die vermeintliche Zugehörigkeit zu Scientology hat erhebliche Persönlichkeitsrelevanz, da das Ansehen des Einzelnen nicht allein von seinen individuellen Eigenschaften und Leistungen, sondern auch von der Einschätzung der Gruppen abhängt, denen er angehört oder zu denen er Verbindungen hat. Dies gilt im Besonderen für Gruppen oder Vereinigungen, die sich religiös oder weltanschaulich definieren, und zwar in gesteigertem Maß, wenn sie nicht zu den traditionellen Religions- oder Weltanschauungsgruppen zählen, sondern eine Minderheitenposition einnehmen und in der Gesellschaft kritisch oder gar, wie bei Scientology der Fall, ablehnend betrachtet werden (vgl. zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht: BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998, 1 BvR 1531/96, Scientology, juris, Rn. 43).

44

Die Klägerin kann sich als juristische Person auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berufen. Dabei ist auf ihren Tätigkeitskreis als Trägerin der freien Jugendhilfe und Betreiberin insbesondere von Kindertagesstätten sowie Mutter-Kind-Einrichtungen abzustellen. Die Freiheitsausübung der Klägerin in diesem Bereich ist gefährdet, wenn sie von unbekannten Personen in die Nähe der Scientology Organisation gerückt wird, gegen jene Personen mangels Kenntnis des Namens jedoch nicht vorgehen kann und diese Informationen von der Beklagten aufgrund der Regelung in § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG auch nicht herausverlangen kann. Die vermeintliche Nähe eines Trägers der freien Jugendhilfe zu einer vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation wie Scientology kann sich auf die Wahl der Kinderbetreuungseinrichtung durch Eltern ebenso wie auf Geschäftsbeziehungen zu Banken und anderen Geschäftspartner erheblich negativ auswirken.

45

bb) Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt ebenfalls vor.

46

(I) Die Verweigerung von Auskünften stellt jedenfalls dann einen Eingriff dar, wenn die Auskunft mit einem Eingriff in Zusammenhang steht (Jarass/Pieroth, GG, 13. Auflage 2014, Art. 2, Rn. 55). Die Erhebung, die Sammlung, die Speicherung, die Verwendung und die Weitergabe personenbezogener Daten sind als Eingriffe zu qualifizieren (Jarass/Pieroth, GG, 13. Auflage 2014, Art. 2, Rn. 55; BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u. a., Volkszählung, Mikrozensus, juris, Rn. 149; BVerfG, Urt. v. 17.7.1984, 2 BvE 11/83 u. a., juris, Rn. 136; BVerfG, Beschl. v. 10.3.2008, 1 BvR 2388/03, Rasterfahndung, Steuergeheimnis, behördliche Datensammlung, juris, Rn. 62).

47

(II) Vorliegend greift die auf § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG gestützte Ablehnung der Auskunftserteilung in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein, da die begehrte Auskunft mit Eingriffen der Beklagten in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Zusammenhang steht.

48

Bei den Informationen zu möglichen Beziehungen der Klägerin oder ihres Rechtsvorgängers zu Scientology handelt es sich um sensible Daten. Diese hat die Beklagte infolge der Übermittlung durch Dritte erhoben und gespeichert. Auf der Grundlage dieser Informationen hat die Arbeitsgruppe Scientology öffentlichkeitswirksam die registergerichtlichen Akten des Rechtsvorgängers der Klägerin angefordert. Die Leiterin jener Arbeitsgruppe sah sich veranlasst, auf angebliche Ähnlichkeiten von dessen Auftreten mit dem Gebaren von Sekten hinzuweisen.

49

Der Annahme eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die auf § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG gestützte Ablehnung des Auskunftsbegehrens steht nicht entgegen, dass sich Konkretisierungen für personenbezogene Auskunftspflichten in spezielleren Gesetzen, wie z. B. § 18 HmbDSG, finden und diese nach § 15 HmbTG unberührt bleiben, sofern sie einen weitergehenden Zugang zu Informationen gewähren. Das Hamburgische Transparenzgesetz ist auch hinsichtlich personenbezogener Informationen anwendbar und wird von spezielleren Gesetzen zur Auskunftserteilung über personenbezogene Informationen nur verdrängt, soweit diese weitergehende Informationszugangsrechte einräumen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin kann sich als juristische Personen bereits deshalb nicht mit Erfolg auf ein Auskunftsrecht nach § 18 Abs. 1 HmbDSG berufen, weil nur natürliche Personen Betroffene im Sinne von § 4 Abs. 1 HmbDSG sein können (OVG Hamburg, Urt. v. 23.6.2015, 3 Bf 275/13, n. v., S. 11 UA).

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cc) Der in der Informationsverweigerung liegende Eingriff der Beklagten in den Schutzbereich des Grundrechts der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

51

Das Grundrecht ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfG, Urt. v. 24.11.2010, 1 BvF 2/05, Gentechnikgesetz, juris, Rn. 165). Diesen Anforderungen genügt § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG hinsichtlich des dadurch ermöglichten Eingriffs in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung.

52

(I) § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG steht mit dem Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit im Einklang.

53

(1) Dieses Gebot soll sicherstellen, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können; ferner erlauben die Klarheit und Bestimmtheit der Norm, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann (BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u. a., Kontenabfrage, juris, Rn. 94; s. auch VG Hamburg, Urt. v. 29.4.2015, 17 K 1672/13, juris, Rn. 87).

54

(2) Das Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit ist bei Anwendung dieses Maßstabs nicht verletzt. Aus § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG ergibt sich hinreichend klar und bestimmt, dass für Informationen, die im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung des Arbeitsbereichs Scientology bei der Behörde für Inneres und Sport stehen, keine Informationspflicht nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz besteht und dass dies auch für Informationen gilt, die die Beklagte im Rahmen der mittlerweile aufgelösten Arbeitsgruppe Scientology erhalten hat.

55

(II) § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG erweist sich hinsichtlich des Eingriffs in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung auch als verhältnismäßig.

56

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u. a., Kontenabfrage, juris, Rn. 116). Diesen Erfordernissen entspricht § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG hinsichtlich des von der Klägerin begehrten und durch die Norm ausgeschlossenen Informationszugangs.

57

(1) § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG dient dem Schutz der Möglichkeit ungehinderter Sachaufklärung und dem Erhalt der Arbeitsfähigkeit des Arbeitsbereichs Scientology der Beklagten. Dabei handelt es sich um legitime Zwecke.

58

(2) Der in der Norm angeordnete Ausschluss der Informationspflicht für Informationen, die im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung des Arbeitsbereichs Scientology bei der Behörde für Inneres und Sport stehen, ist geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

59

Der Arbeitsbereich Scientology kann ungehindert Informationen erheben, ohne diese sowie die Informationsgewinnung offenlegen zu müssen und sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren, ohne Anträge nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz ggf. zeitintensiv prüfen zu müssen.

60

(3) Die Regelung in § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG ist auch erforderlich.

61

Ein milderes, zur Erreichung der Ziele in Gestalt des Schutzes der Möglichkeit ungehinderter Sachaufklärung und des Erhalts der Arbeitsfähigkeit des Arbeitsbereichs Scientology gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich.

62

(4) Hinsichtlich des hier begehrten Informationszugangs erweist sich § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG zudem als angemessen.

63

Dieses Gebot verlangt, dass die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen darf. Der Gesetzgeber hat das Individualinteresse, das durch einen Grundrechtseingriff beschnitten wird, den Allgemeininteressen, denen der Eingriff dient, angemessen zuzuordnen. Die Prüfung an diesem Maßstab kann dazu führen, dass ein an sich geeignetes und erforderliches Mittel zur Durchsetzung von Allgemeininteressen nicht angewandt werden darf, weil die davon ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen schwerer wiegen als die durchzusetzenden Interessen. Ist das Gewicht der Grundrechtsbeeinträchtigung jedoch geringer, kann sie mit Rücksicht auf wichtige Ziele des Gesetzes eher als verhältnismäßig hinzunehmen sein (BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u. a., Kontenabfrage, juris, Rn. 125).

64

(a) Zwar bestehen Zweifel, ob der ausnahmslose Ausschluss von Ansprüchen auf Zugang zu Informationen, die im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung des Arbeitsbereichs Scientology stehen, abstrakt-generell den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen an derartige Ausschlusstatbestände für alle denkbaren Fallgestaltungen genügt.

65

(aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt das Grundgesetz, soweit die Grundrechte die Möglichkeit des Einzelnen schützen, von einer ihn betreffenden informationsbezogenen Maßnahme des Staates Kenntnis zu erlangen, zwar nicht vor, wie dies im Einzelnen gesetzlich auszugestalten ist. Der Gesetzgeber hat jedoch unter Beachtung der Grundrechte der Betroffenen eine hinreichende Chance auf Kenntnisnahme zu gewährleisten (BVerfG, Beschl. v. 10.3.2008, 1 BvR 2388/03, Rasterfahndung, Steuergeheimnis, behördliche Datensammlung, juris, Rn. 67).

66

Bei der Ausgestaltung des Zugangs zu Informationen hat der Gesetzgeber zu berücksichtigen, welche Bedeutung dem für den Grundrechtsschutz des Betroffenen zukommt. Hierfür sind insbesondere die Art und die Eingriffsintensität der jeweiligen informationsbezogenen Maßnahme von Bedeutung, über die oder über deren Ergebnisse der Betroffene informiert werden will (BVerfG, Beschl. v. 10.3.2008, 1 BvR 2388/03, Rasterfahndung, Steuergeheimnis, behördliche Datensammlung, juris, Rn. 70).

67

Soweit gegenläufige Geheimhaltungsinteressen des Staates oder Dritter der Information entgegenstehen können, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, geeignete Ausschlusstatbestände zu schaffen, die den einander gegenüberstehenden Interessen Rechnung tragen (BVerfG, Beschl. v. 10.3.2008, 1 BvR 2388/03, Rasterfahndung, Steuergeheimnis, behördliche Datensammlung, juris, Rn. 74 unter Verweis auf Globig, in: Festschrift für Walter Rudolf, 2001, S. 441, 455 ff.). Gesetzliche Ausnahmetatbestände müssen sicherstellen, dass die betroffenen Interessen einander umfassend und auch mit Blick auf den Einzelfall zugeordnet werden (BVerfG, Beschl. v. 10.3.2008, 1 BvR 2388/03, Rasterfahndung, Steuergeheimnis, behördliche Datensammlung, juris, Rn. 75).

68

(bb) Es ist zweifelhaft, ob der in § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG erfolgte ausnahmslose Ausschluss von Ansprüchen auf Informationszugang für im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung des Arbeitsbereichs Scientology bei der Behörde für Inneres und Sport stehende Informationen, der unabhängig von einer Abwägung zwischen Geheimhaltungs- und Informationsinteresse im Einzelfall ist, diesen Anforderungen gerecht wird. Die Annahme, bei diesen Informationen überwiege das Geheimhaltungsinteresse das Informationsinteresse stets, so dass es einer Interessenabwägung im konkreten Einzelfall nicht bedürfe und von der Aufnahme einer Abwägungsklausel in der Norm abgesehen werden könne, begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken.

69

Jedenfalls nicht ausgeschlossen scheint, dass das Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall bei offensichtlichem Missbrauch und aktueller schwerer Betroffenheit des durch öffentlich gewordene Behauptungen nicht bestehender Verbindungen zu Scientology in seinem Ruf beschädigten Grundrechtsträgers, der ohne ein Auskunftsrecht nicht gegen Urheber der falschen Verdächtigungen vorgehen könnte, hinter dem Informationsinteresse zurückzutreten hätte.

70

(b) Im konkret-individuellen Fall des von der Klägerin begehrten Informationszugangs zu den sie oder ihren Rechtsvorgänger betreffenden Informationen, die die Beklagte im Rahmen der Tätigkeit der Arbeitsgruppe Scientology erhalten hat, steht die Schwere des durch den Ausschlusstatbestand in § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG ermöglichten Eingriffs bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung jedoch nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe. Dem liegen folgende Erwägungen zu Grunde:

71

(aa) Der Ausschlusstatbestand in § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG dient Allgemeininteressen von erheblicher Bedeutung.

72

Das dem Ausschlusstatbestand zugrunde liegende Geheimhaltungsinteresse hat angesichts des damit bezweckten Schutzes der Möglichkeit ungehinderter Sachaufklärung sowie des Erhalts der Arbeitsfähigkeit des Arbeitsbereichs Scientology aufgrund der besonderen Qualität der von Scientology ausgehenden Gefahren trotz mittlerweile wohl verminderter Aktivität und Anziehungskraft dieser Organisation (s. Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 162) erhebliches Gewicht.

73

Scientology wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Es liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Organisation Bestrebungen verfolgt, die darauf gerichtet sind, die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte und das Recht des Volkes, die Volksvertretung in allgemeiner und gleicher Wahl zu wählen, zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen (OVG Münster, Urt. v. 12.2.2008, 5 A 130/05, juris, Rn. 269). Angesichts dessen liegt es im allgemeinen Interesse, sich behördlicherseits mit Scientology und der weiteren Entwicklung der Organisation kritisch auseinanderzusetzen.

74

Hierzu ist es aufgrund der von Scientology verfolgten Strategie, Gegner und Kritiker massiv unter Druck zu setzen und zu bekämpfen (s. hierzu die auszugsweise wiedergegebenen Quellen in OVG Münster, Urt. v. 12.2.2008, 5 A 130/05, juris, Rn. 2-208, insbesondere Rn. 85, 122 und 185), unerlässlich, in den Bereichen der sich kritisch mit Scientology befassenden behördlichen Stellen besondere Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dies schließt den Schutz der diesen behördlichen Stellen vorliegenden Informationen sowie der zu Grunde liegenden Quellen vor dem unmittelbaren oder mittelbaren Zugriff durch Scientology ein.

75

(bb) Hinsichtlich des Gewichts des Eingriffs in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Klägerin ist zunächst zu berücksichtigen, dass dieses Grundrecht sich, soweit es auf juristische Personen angewandt wird, allein auf Art. 2 Abs. 1 GG und nicht auf Art. 1 Abs. 1 GG stützt (BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u. a., Kontenabfrage, juris, Rn. 153; Jarass/Pieroth, GG, 13. Auflage 2014, Art. 2, Rn. 52, 63) und sein Schutz bei juristischen Personen wie der Klägerin deshalb weniger gewichtig ist als bei natürlichen Personen (BVerfG, Beschl. v. 18.11.2004, 1 BvR 2252/04, juris, Rn. 10; s. auch BGH, Urt. v. 3.6.1986, VI ZR 102/85, juris, Rn. 18).

76

Gleichwohl ist auch der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Klägerin als juristischer Person angesichts des ihrerseits erklärtermaßen verfolgten und nur durch eine Auskunft der Beklagten erreichbaren Ziels, gegen deren Informanten vorgehen zu wollen, die sie bzw. ihren Rechtsvorgänger gegenüber der Beklagten in die Nähe zu Scientology gerückt und die Tätigkeit des Arbeitskreises Scientology öffentlich gemacht haben, aufgrund der gravierenden Folgen einer falschen Verdächtigung insbesondere in dem Bereich der Tätigkeit der Klägerin als Trägerin der freien Jugendhilfe, von einigem Gewicht.

77

(cc) Die vorzunehmenden Gesamtabwägung ergibt jedoch, dass die Schwere des durch den Ausschlusstatbestand in § 5 Nr. 3 Alt. 2 HmbTG ermöglichten Eingriffs in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Allgemeininteressen steht.

78

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Klägerin auch nach Auffassung der Beklagten keine Verbindungen zu Scientology unterhält. Dieser Umstand vermag das erhebliche Gewicht des Geheimhaltungsinteresses jedoch nicht zu beseitigen. Es ist gleichwohl nicht auszuschließen, dass Scientology bei Zugang der Klägerin zu den ihrerseits begehrten Informationen mittelbar die Identität von Informanten der Beklagten erführe und diese infolgedessen einer Gefahr ausgesetzt wären. Hinzukommt, dass die Beklagte auf die Zusammenarbeit mit Informanten angewiesen ist. Diese werden zu möglicherweise sachdienlichen Hinweisen verstärkt bereit sein, wenn sie, auch falls sich die Hinweise im Ergebnis nicht bestätigen sollten, darauf vertrauen können, dass diese vertraulich behandelt werden.

79

Ausschlaggebend für die Kammer ist, dass die Beklagte bereits mehrfach erklärt hat, zwischen der Klägerin und Scientology beständen keine Verbindungen und sie so zur Wiederherstellung des beeinträchtigten Rufes der Klägerin in der Öffentlichkeit beigetragen hat. Überdies liegen die in Rede stehenden Vorgänge bereits mehrere Jahre zurück und betrafen sie die Klägerin selbst nicht unmittelbar, sondern ihren – mit Ausnahme der Rechtsform namensgleichen – Rechtsvorgänger. So erfolgte die Anforderung der Akte des Rechtsvorgängers der Klägerin durch die Arbeitsgruppe Scientology beim Registergericht bereits am 11. April 2005, öffentlich im Internet zugänglich war dieses Schreiben im August 2009. Ein Unterlassungsanspruch, den die Klägerin nach ihrem Vortrag gegen diejenigen, die zu diesen Vorgängen Anlass gegeben und sie öffentlich gemacht haben, zu verfolgen gedenkt, setzt analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB das Vorliegen einer konkreten Wiederholungsgefahr voraus. Eine solche erscheint angesichts des mittlerweile erheblichen Zeitablaufs fernliegend.

80

2. Ein verfahrensbezogenes Akteneinsichtsrecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X steht der Klägerin hinsichtlich der sie oder ihren Rechtsvorgänger betreffenden Informationen, die im Rahmen der Tätigkeit der „Arbeitsgruppe Scientology“ der Beklagten angefallen sind, ebenfalls nicht zu.

81

a) Nach dieser Regelung hat die Behörde den Beteiligten eines Verfahrens Einsicht in die dieses Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt nur innerhalb eines nach § 18 SGB X eingeleiteten konkreten Verwaltungsverfahrens (Siefert, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 25, Rn. 6). Verwaltungsverfahren im Sinne des SGB X ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist (§ 8 Halbs. 1 SGB X).

82

b) Die Voraussetzungen des verfahrensbezogenen Akteneinsichtsrechts nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor.

83

Es fehlt hinsichtlich der seitens der Beklagten im Rahmen der Tätigkeit der Arbeitsgruppe Scientology über die Klägerin oder ihren Rechtsvorgänger erhaltenen Informationen an einem konkreten nach § 18 SGB X eingeleiteten Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 Halbs. 1 SGB X. Eine nach außen wirkende Tätigkeit der Beklagten, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist, ist in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen.

84

3. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 HmbVerfSchG kann die Klägerin den Zugang zu den sie oder ihren Rechtsvorgänger betreffenden Informationen, die im Rahmen der Tätigkeit der „Arbeitsgruppe Scientology“ der Beklagten angefallen sind, ebenfalls nicht beanspruchen.

85

a) Danach ist den Betroffenen vom Landesamt für Verfassungsschutz auf Antrag gebührenfrei Auskunft zu erteilen u. a. über die zu ihrer Person gespeicherten Daten (Nr. 1) und die Herkunft der Daten (Nr. 3).

86

b) Nach dieser Vorschrift ist das Informationsbegehren der Klägerin nicht begründet.

87

aa) Zum einen bedürfte es in formell-rechtlicher Hinsicht eines Antrags beim zuständigen Landesamt für Verfassungsschutz. Die Klägerin hat ihren Antrag jedoch nicht an dieses gerichtet, sondern an die Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Inneres und Sport, Amt für Verwaltung und Planung, Abteilung für Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten. Diese Stelle ist für die Bearbeitung von Anträgen nach § 23 HmbVerfSchG nicht zuständig, worauf die Beklagte im Bescheid vom 16. September 2014 hingewiesen hat.

88

bb) Zum anderen liegen die begehrten Informationen dem Landesamt für Verfassungsschutz nach den nicht bestrittenen Angaben im Bescheid vom 16. September 2014 sowie im Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2014 nicht vor.

89

II. Die Klägerin trägt als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

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(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

(1) Sieht eine Rechtsvorschrift vor, dass für die Feststellung der erheblichen Tatsachen deren Glaubhaftmachung genügt, kann auch die Versicherung an Eides statt zugelassen werden. Eine Tatsache ist dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.

(2) Die Behörde darf bei der Ermittlung des Sachverhalts eine Versicherung an Eides statt nur verlangen und abnehmen, wenn die Abnahme der Versicherung über den betreffenden Gegenstand und in dem betreffenden Verfahren durch Gesetz oder Rechtsverordnung vorgesehen und die Behörde durch Rechtsvorschrift für zuständig erklärt worden ist. Eine Versicherung an Eides statt soll nur gefordert werden, wenn andere Mittel zur Erforschung der Wahrheit nicht vorhanden sind, zu keinem Ergebnis geführt haben oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern. Von eidesunfähigen Personen im Sinne des § 393 der Zivilprozessordnung darf eine eidesstattliche Versicherung nicht verlangt werden.

(3) Wird die Versicherung an Eides statt von einer Behörde zur Niederschrift aufgenommen, sind zur Aufnahme nur der Behördenleiter, sein allgemeiner Vertreter sowie Angehörige des öffentlichen Dienstes befugt, welche die Befähigung zum Richteramt haben. Andere Angehörige des öffentlichen Dienstes kann der Behördenleiter oder sein allgemeiner Vertreter hierzu allgemein oder im Einzelfall schriftlich ermächtigen.

(4) Die Versicherung besteht darin, dass der Versichernde die Richtigkeit seiner Erklärung über den betreffenden Gegenstand bestätigt und erklärt: "Ich versichere an Eides statt, dass ich nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe." Bevollmächtigte und Beistände sind berechtigt, an der Aufnahme der Versicherung an Eides statt teilzunehmen.

(5) Vor der Aufnahme der Versicherung an Eides statt ist der Versichernde über die Bedeutung der eidesstattlichen Versicherung und die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen eidesstattlichen Versicherung zu belehren. Die Belehrung ist in der Niederschrift zu vermerken.

(6) Die Niederschrift hat ferner die Namen der anwesenden Personen sowie den Ort und den Tag der Niederschrift zu enthalten. Die Niederschrift ist demjenigen, der die eidesstattliche Versicherung abgibt, zur Genehmigung vorzulesen oder auf Verlangen zur Durchsicht vorzulegen. Die erteilte Genehmigung ist zu vermerken und von dem Versichernden zu unterschreiben. Die Niederschrift ist sodann von demjenigen, der die Versicherung an Eides statt aufgenommen hat, sowie von dem Schriftführer zu unterschreiben.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach diesem Gesetzbuch ausgeübt wird. Für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Ausführung von besonderen Teilen dieses Gesetzbuches, die nach Inkrafttreten der Vorschriften dieses Kapitels Bestandteil des Sozialgesetzbuches werden, gilt dies nur, soweit diese besonderen Teile mit Zustimmung des Bundesrates die Vorschriften dieses Kapitels für anwendbar erklären. Die Vorschriften gelten nicht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten.

(2) Behörde im Sinne dieses Gesetzbuches ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach diesem Gesetzbuch ausgeübt wird. Für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Ausführung von besonderen Teilen dieses Gesetzbuches, die nach Inkrafttreten der Vorschriften dieses Kapitels Bestandteil des Sozialgesetzbuches werden, gilt dies nur, soweit diese besonderen Teile mit Zustimmung des Bundesrates die Vorschriften dieses Kapitels für anwendbar erklären. Die Vorschriften gelten nicht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten.

(2) Behörde im Sinne dieses Gesetzbuches ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1) Beteiligte sind

1.
Antragsteller und Antragsgegner,
2.
diejenigen, an die die Behörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat,
3.
diejenigen, mit denen die Behörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat,
4.
diejenigen, die nach Absatz 2 von der Behörde zu dem Verfahren hinzugezogen worden sind.

(2) Die Behörde kann von Amts wegen oder auf Antrag diejenigen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, als Beteiligte hinzuziehen. Hat der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für einen Dritten, ist dieser auf Antrag als Beteiligter zu dem Verfahren hinzuzuziehen; soweit er der Behörde bekannt ist, hat diese ihn von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen.

(3) Wer anzuhören ist, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, wird dadurch nicht Beteiligter.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

(1) Sieht eine Rechtsvorschrift vor, dass für die Feststellung der erheblichen Tatsachen deren Glaubhaftmachung genügt, kann auch die Versicherung an Eides statt zugelassen werden. Eine Tatsache ist dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.

(2) Die Behörde darf bei der Ermittlung des Sachverhalts eine Versicherung an Eides statt nur verlangen und abnehmen, wenn die Abnahme der Versicherung über den betreffenden Gegenstand und in dem betreffenden Verfahren durch Gesetz oder Rechtsverordnung vorgesehen und die Behörde durch Rechtsvorschrift für zuständig erklärt worden ist. Eine Versicherung an Eides statt soll nur gefordert werden, wenn andere Mittel zur Erforschung der Wahrheit nicht vorhanden sind, zu keinem Ergebnis geführt haben oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern. Von eidesunfähigen Personen im Sinne des § 393 der Zivilprozessordnung darf eine eidesstattliche Versicherung nicht verlangt werden.

(3) Wird die Versicherung an Eides statt von einer Behörde zur Niederschrift aufgenommen, sind zur Aufnahme nur der Behördenleiter, sein allgemeiner Vertreter sowie Angehörige des öffentlichen Dienstes befugt, welche die Befähigung zum Richteramt haben. Andere Angehörige des öffentlichen Dienstes kann der Behördenleiter oder sein allgemeiner Vertreter hierzu allgemein oder im Einzelfall schriftlich ermächtigen.

(4) Die Versicherung besteht darin, dass der Versichernde die Richtigkeit seiner Erklärung über den betreffenden Gegenstand bestätigt und erklärt: "Ich versichere an Eides statt, dass ich nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe." Bevollmächtigte und Beistände sind berechtigt, an der Aufnahme der Versicherung an Eides statt teilzunehmen.

(5) Vor der Aufnahme der Versicherung an Eides statt ist der Versichernde über die Bedeutung der eidesstattlichen Versicherung und die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen eidesstattlichen Versicherung zu belehren. Die Belehrung ist in der Niederschrift zu vermerken.

(6) Die Niederschrift hat ferner die Namen der anwesenden Personen sowie den Ort und den Tag der Niederschrift zu enthalten. Die Niederschrift ist demjenigen, der die eidesstattliche Versicherung abgibt, zur Genehmigung vorzulesen oder auf Verlangen zur Durchsicht vorzulegen. Die erteilte Genehmigung ist zu vermerken und von dem Versichernden zu unterschreiben. Die Niederschrift ist sodann von demjenigen, der die Versicherung an Eides statt aufgenommen hat, sowie von dem Schriftführer zu unterschreiben.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, dessen Zweck nach seiner Satzung die Pflege und Verbreitung der sogenannten Scientology-Religion ist. Mit dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Verfahren begehrt er auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG) unter Anfechtung des ablehnenden Bescheids des Bundesverwaltungsamtes vom 7. April 2006 sowie des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 28. März 2007 die Verpflichtung des Bundesverwaltungsamtes zur Neubescheidung seines Antrags auf Einsicht in die dort vorliegenden Informationen zu Scientology und L. Ron Hubbard. Dem Bundesverwaltungsamt sind mit Erlass des Bundesministeriums für Frauen und Jugend vom 12. November 1993 die Aufgaben einer Informationsstelle "Sogenannte Jugendsekten und Psychogruppen" übertragen worden. Zu den Aufgaben der Informationsstelle gehören die Dokumentation, die Bereitstellung von Informationen und das Erstellen von Berichten für die Bundesregierung sowie die Koordinierung eines Bund-Länder-Gesprächskreises und einer interministeriellen Arbeitsgruppe. In dieser Eigenschaft sammelt das Bundesverwaltungsamt u.a. Material über den Antragsteller und andere Scientology-Organisationen.

2

Auf die gerichtliche Bitte um Konkretisierung des in Rede stehenden Aktenbestandes legte die Antragsgegnerin dem Hauptsachegericht zunächst eine zweiseitige Liste der beim Bundesverwaltungsamt insoweit gesammelten Unterlagen vor, die sich nach dortigen Angaben auf insgesamt 355 Bände (Ordner, Materialhefte, Bücher etc.) belaufen. Nach Durchführung eines Erörterungstermins und der gerichtlichen Aufforderung zur genaueren Beschreibung der Unterlagen reichte die Antragsgegnerin eine spezifizierte Liste (Stand September 2009) ein, auf deren Grundlage der Antragsteller sein Auskunftsbegehren eingrenzte und im Übrigen für erledigt erklärte. Daraufhin legte die Antragsgegnerin ein aktualisiertes Verzeichnis (Stand Januar 2010) vor, in dem die noch in Rede stehenden verschiedenen Materialsammlungen (Positionen 7, 9, 16 bis 24, 26, 28a, 28b, 29 bis 32, 34 und 35) und ihr jeweiliger Umfang bezeichnet, der Inhalt stichwortartig erläutert und Ausschlussgründe durch Angabe von Vorschriften des IFG angeführt werden. Nach weiterem Schriftwechsel erließ das Gericht der Hauptsache am 29. Juni 2010 einen Beschluss, mit dem es der Antragsgegnerin aufgab, die in der Liste vom September 2009 angeführten Akten und sonstigen Unterlagen mit Ausnahme des bereits erledigten Teils vorzulegen. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Kenntnis des genauen Inhalts der Akten zur Entscheidung über das Vorliegen von Ausschlussgründen nach dem IFG erforderlich sei und die Antragsgegnerin wiederholten Aufforderungen zur Aktenvorlage oder einer aussagekräftigen Spezifikation über den Inhalt der Akten nicht nachgekommen sei.

3

Der Beigeladene gab unter dem 21. Juli 2010 eine Sperrerklärung ab und verweigerte die Vorlage im selben Umfang wie zuvor die Antragsgegnerin. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die in Gänze nicht vorgelegten Positionen Nr. 7, 9, 16 bis 24 und 26 seien aus Gründen des Schutzes von behördlichen Entscheidungsprozessen vertraulich. Es handele sich um interne Arbeitsunterlagen, deren Offenlegung dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten würde, weil sie die Arbeitsweise und den Erkenntnisstand der Informationsstelle und des von ihr koordinierten Bund-Länder-Gesprächskreises sowie der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Scientology-Organisation offenbaren und Hinweise auf Interessen- und Arbeitsschwerpunkte geben würde. Der Schutz von behördlichen Entscheidungsprozessen sei im Falle einer Offenlegung nicht mehr gewahrt und der informelle Austausch zwischen Bund und Ländern und damit das Regierungshandeln beeinträchtigt. Die Unterlagen zu Position 22 seien als Materialien des Bundesamtes für Verfassungsschutz zudem überwiegend als Verschlusssachen (NfD) eingestuft; sie seien zum Schutz von Informationsquellen und der Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden geheim zu halten. Alle Unterlagen enthielten ferner von dritten Stellen stammende oder diese betreffende Dokumente, die auch für diese Drittbetroffenen vertraulich seien; deren Beiladung sei jedoch nicht vorgesehen.

4

Die Positionen Nr. 28a, 28b, 29 bis 32, 34 und 35 enthielten personenbezogene Daten Dritter, die sich im berechtigten Vertrauen auf eine Wahrung der Vertraulichkeit an staatliche Stellen gewandt und ihnen Material überlassen hätten. Der Antragsteller sei bekannt dafür, vermeintliche Gegner auszuforschen. Darüber hinaus wäre es ihm möglich, aus dem Kontext Rückschlüsse auf weitere Beobachtungsfelder, die Arbeitsweise und den Erkenntnisstand der Informationsstelle zu ziehen. Eine Teilschwärzung der Namen sei als milderes Mittel erwogen, jedoch verworfen worden, weil sich der Antragsteller die Namen angesichts des engen Kreises der in Betracht kommenden Personen aus anderen Umständen und Angaben erschließen könnte. Bei Offenlegung wären Quellen gefährdet; die Gewinnung weiterer Quellen, insbesondere von Aussteigern, würde erschwert oder sogar unmöglich gemacht. Das würde die Aufgabe der Informationsbeschaffung seitens der Dokumentationsstelle beeinträchtigen. Im Übrigen ziehe das Informationsfreiheitsgesetz dem geltend gemachten Informationsanspruch Grenzen, die nicht durch eine gerichtlich unanfechtbare Vorlageverfügung mit der Folge eines Akteneinsichtsrechts nach § 100 VwGO obsolet gemacht werden dürften.

5

Der Antragsteller hat am 17. September 2010 einen Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung vom 21. Juli 2010 gestellt. Der Beigeladene hat dem Senat auf Aufforderung für die in der Sperrerklärung bezeichneten Positionen insgesamt 153 Aktenordner und Schuber sowie 7 CD-ROM vorgelegt.

II.

6

Der Antrag, über den gemäß § 99 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 i.V.m. § 189 VwGO der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts beschließt, hat Erfolg.

7

1. Der für eine Sachentscheidung des Fachsenats erforderlichen Bejahung der Entscheidungserheblichkeit der zurückgehaltenen Akten durch das Gericht der Hauptsache ist mit dem Beweisbeschluss vom 29. Juni 2010 Genüge getan.

8

Vor Einleitung des Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO bedarf es zur Klarstellung seines Gegenstandes in der Regel einer förmlichen Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache, dass es die von der Behörde als geheimhaltungsbedürftig zurückgehaltenen Akten, Unterlagen oder Dokumente für die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts benötigt (vgl. allg. zu dieser Voraussetzung Beschlüsse vom 31. August 2009 - BVerwG 20 F 10.08 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 55 Rn. 3 und vom 22. Januar 2009 - BVerwG 20 F 5.08 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 53 Rn. 2). Ein grundsätzlich erforderlicher Beweisbeschluss oder eine vergleichbare förmliche Äußerung des Hauptsachegerichts zur Klärung der rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits ist nur ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn die zurückgehaltenen Unterlagen zweifelsfrei rechtserheblich sind. Das ist dann der Fall, wenn die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten bereits Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache ist und die dortige Entscheidung von der allein anhand des Inhalts der umstrittenen Akten zu beantwortenden Frage abhängt, ob die Akten, wie von der Behörde geltend gemacht, geheimhaltungsbedürftig sind (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 19. April 2010 - BVerwG 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 4). Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt jedoch nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das "in-camera"-Verfahren. Dies gilt zunächst mit Blick auf prozedurale Geheimhaltungsgründe, die sich aus dem jeweiligen den Informationszugang regelnden Fachgesetz ergeben und die - unabhängig vom Inhalt der Akten - darauf zielen, die Art und Weise des Zustandekommens behördlicher Akten und Unterlagen zu schützen, mithin dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses dienen (s. dazu Beschlüsse vom 25. Juni 2010 - BVerwG 20 F 1.10 - NVwZ 2010, 1495 Rn. 7 und vom 31. August 2009 a.a.O. Rn. 4). Zudem kann es Konstellationen geben, bei denen auch für die Feststellung materieller Geheimhaltungsgründe der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein muss (vgl. Beschluss vom 2. November 2010 - BVerwG 20 F 2.10 - NVwZ 2011, 233 Rn. 13). Das Hauptsachegericht muss daher zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation wird es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle gegebenenfalls auffordern müssen, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen. Hat das Hauptsachegericht einen Beweisbeschluss erlassen, der diesen Anforderungen genügt, entfaltet die mit dem Beschluss dokumentierte Auffassung des Gerichts über die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Akten grundsätzlich Bindungswirkung für den Fachsenat (Beschluss vom 25. Juni 2010 a.a.O. Rn. 7).

9

Diesen Maßstäben genügt der Beweisbeschluss vom 29. Juni 2010. Das Gericht der Hauptsache hat vor Erlass des Beschlusses die ihm zu Gebote stehenden Mittel ausgeschöpft, um sich nähere Kenntnis vom Inhalt der zurückgehaltenen Unterlagen zu verschaffen und um feststellen zu können, ob über das Vorliegen der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Geheimhaltungsgründe gegebenenfalls auch ohne Einsicht in die betreffenden Unterlagen entschieden werden kann. So hat es, nachdem die Antragsgegnerin zunächst nur eine rudimentäre Übersicht vorgelegt hatte, zur näheren Aufklärung einen Erörterungstermin durchgeführt und die Antragsgegnerin wiederholt um eine nähere Spezifikation der Dokumente gebeten, die indes in der gebotenen Form ausgeblieben ist. Auf der Grundlage der spezifizierten Liste vom September 2009 und dem aktualisierten Verzeichnis vom Januar 2010 konnte das Hauptsachegericht nicht erkennen, welcher Geheimhaltungsgrund für welche Teile der Materialsammlungen gelten soll. Dass die Ordner Bezeichnungen tragen, aus denen sich ergibt, dass es sich um behördlich zusammengestellte Unterlagen handelt, genügt nicht. Auch das aktualisierte Verzeichnis lässt - mit der Spalte "Ausschlussgrund"- keine ausreichende Zuordnung der möglichen fachgesetzlichen Ausschlussgründe erkennen, zumal dort für zahlreiche Positionen unterschiedliche (materielle wie prozedurale) Gründe angeführt werden, ohne deutlich zu machen, auf welche Teile der jeweiligen (mitunter zahlreiche Aktenordner umfassenden) Materialsammlung sie sich beziehen sollen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, aus abstrakten Bezeichnungen Rückschlüsse auf mögliche fachgesetzliche Geheimhaltungsgründe zu ziehen. Vielmehr muss zunächst die aktenverweigernde Stelle nachvollziehbar und differenziert mit Blick auf die konkreten Unterlagen darlegen, auf welchen fachgesetzlichen Geheimhaltungsgrund sie sich stützt. Erst auf dieser Grundlage ist das Gericht der Hauptsache überhaupt in der Lage, zu erkennen, ob es in tatsächlicher Hinsicht über hinreichende Angaben verfügt, und daher in Anlegung seines Rechtsmaßstabs den Einzelfall - ohne Vorlage der Akten - entscheiden kann.

10

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Hauptsachegericht in dem Beweisbeschluss nur darauf abgestellt hat, dass der genaue Inhalt der Akten für die Entscheidung über das Vorliegen von Ausschlussgründen erforderlich ist und eine solche Entscheidung auf der Grundlage der bisherigen Angaben der Antragsgegnerin nicht getroffen werden könne. Damit hat es zugleich hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es die Vorlageverweigerung nicht etwa für gerechtfertigt erachtet, weil - wie allerdings die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 5. Februar 2010 angenommen hat - die Materialsammlungen der Willensbildung der Regierung dienten und als Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung einer Offenlegung per se und vollständig entzogen seien. Die dahinter stehende Ansicht des Hauptsachegerichts, Regierungstätigkeit sei nicht pauschal vom Anwendungsbereich des IFG ausgenommen, ist nicht offensichtlich unzutreffend (vgl. zur Frage der Anwendbarkeit des IFG auf Regierungstätigkeit Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 84; Sitzen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 111 ff.) und deshalb für den Senat bindend.

11

2. Die Verweigerung der Vorlage der Unterlagen ist rechtswidrig. Der Beigeladene führt in der Sperrerklärung vom 21. Juli 2010 zwar teilweise Gesichtspunkte an, die eine Verweigerung der Vorlage von Akten in einem gerichtlichen Verfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen können. Die Geheimhaltungsgründe sind aber insoweit den verschiedenen Aktenbestandteilen nicht hinreichend zugeordnet und im Übrigen nicht hinreichend belegt.

12

2.1 Hinsichtlich der Positionen Nr. 28a, 28b, 29 bis 32, 34 und 35 führt der Beigeladene in der Sperrerklärung Gründe an, die eine Verweigerung der Vorlage von Akten in einem gerichtlichen Verfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO grundsätzlich rechtfertigen können. Bei personenbezogenen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Diese Vorgänge müssen ihrem Wesen nach geheim gehalten werden. Das gilt auch im Fall des Quellenschutzes für sogenannte "Aussteiger". Grundrechtlicher Anknüpfungspunkt ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen umfasst, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <41 f.>). Ob Vertraulichkeit zugesichert worden ist, ist im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO unerheblich. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die zur Identifikation der Person führen können, sondern unter den Umständen dieses Falles auch die Mitteilungen und Äußerungen der Person, weil es sich dabei um Informationen zum persönlichen Lebenszuschnitt im besonders sensiblen Bereich religiöser Überzeugungen handelt (Beschluss vom 25. Juni 2010 a.a.O. Rn. 15). Darüber hinaus sind alle Informationen geschützt, die ihrer Art nach, etwa durch die Zusammenstellung oder den Zeitpunkt ihrer Erlangung, Rückschlüsse auf die Person zulassen, die sich an die Informationsstelle gewandt hat oder von der Unterlagen über die Scientology-Organisation oder ihr Umfeld zur Verfügung gestellt worden sind.

13

Die Durchsicht der unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsschutzes gesperrten Akten hat jedoch ergeben, dass die Materialsammlungen zu den Positionen 28a, 28b, 29 bis 32, 34 und 35 in weitem Umfang Dokumente enthalten, bei denen ein Bezug zu persönlichen Daten nicht zu erkennen ist. So enthält zum Beispiel der als Beiakte 103 geführte Ordner zur Position 28b ("Bereiche Finanzen, Familie, Gesundheit, Status SO als Religion, KöR u.a.") neben Protokollen über Sitzungen zahlreiche Internetausdrucke, Parlamentsdokumente, Presseartikel oder sonstige öffentliche Verlautbarungen. Der als Beiakte 70 geführte Ordner zu Position 32 ("Unterlagen zu Gliederungen der SO, Mitglieder, Firmen, Vereine usw.") besteht praktisch ausschließlich aus Broschüren und Veröffentlichungen der Scientology-Organisation. Auch insoweit ist nicht nachvollziehbar, warum deren Offenlegung Persönlichkeitsrechte Dritter beeinträchtigen könnte. Diese Beispiele stehen exemplarisch für die Materialsammlungen insgesamt. Die Sperrerklärung mangelt insoweit daran, dass sie den geltend gemachten Geheimhaltungsgrund des Schutzes persönlicher Daten nur pauschal anführt, ohne ihn anhand des konkreten Inhalts der umfangreichen Materialsammlungen zu konkretisieren und plausibel zu machen. Die Verweigerung der Vorlage von Akten in einem gerichtlichen Verfahren erfordert indes eine konkrete Zuordnung der Geheimhaltungsgründe zu den jeweiligen Aktenbestandteilen (vgl. zur Notwendigkeit einer Sichtung und Ordnung nach den jeweiligen Geheimhaltungsinteressen Beschlüsse vom 19. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und vom 8. März 2010 - BVerwG 20 F 11.09 - juris Rn. 13 m.w.N.). Dass umfangreiche Aktenbestände betroffen sind, weil die Behörde weitgreifend Informationen zusammengetragen hat, ist kein Grund, in einer Sperrerklärung nur pauschale oder zusammenfassende Erklärungen ausreichen zu lassen.

14

3. Hinsichtlich der übrigen Positionen (Nr. 7, 9, 16 bis 24 und 26) hat der Beigeladene als Geheimhaltungsgrund geltend gemacht, dass ein Bekanntwerden des Inhalts dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten würde. Dieser Geheimhaltungsgrund ist mit dem Hinweis auf einen notwendigen Schutz behördlicher Entscheidungsprozesse und die Vermeidung einer Offenlegung der Arbeitsweise und des Erkenntnisstands der Informationsstelle nicht hinreichend belegt und vermag erst recht keine pauschale Sperrung des gesamten insoweit angesprochenen Aktenbestandes zu rechtfertigen. Der Senat hat in einem Fall, der ebenfalls die Verweigerung der Vorlage von Dokumenten der Informationsstelle "Sogenannte Jugendsekten und Psychogruppen" betraf, bereits Zweifel geäußert, dass das Wohl des Bundes eine Zurückhaltung der dortigen Materialsammlungen zu rechtfertigen vermag, und darauf hingewiesen, dass insoweit ein strenger Maßstab anzulegen ist, der sich an den zum Merkmal des Nachteilbereitens i.S.d. § 96 StPO in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen zu orientieren hat (Beschluss vom 25. Juni 2010 a.a.O. Rn. 17; s. ferner Beschluss vom 29. Juli 2002 - BVerwG 2 AV 1.02 - BVerwGE 117, 8 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 27). Nach diesen Grundsätzen ist ein Nachteil für das Bundeswohl hier zwar nicht ausgeschlossen; allerdings reichen die Darlegungen des Beigeladenen bislang nicht aus, um das Vorliegen dieses Geheimhaltungsgrundes für konkrete Unterlagen tatsächlich annehmen zu können. Dazu im Einzelnen:

15

Nachteile für das Wohl des Bundes setzen Beeinträchtigungen wesentlicher Bundesinteressen voraus. Dazu zählen namentlich Gefährdungen des Bestandes oder der Funktionsfähigkeit des Bundes sowie Bedrohungen der äußeren oder inneren Sicherheit. Ein Nachteil in diesem Sinne ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats insbesondere dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich ihrer Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährden würde (vgl. u.a. Beschlüsse vom 29. Juli 2002 a.a.O., vom 25. Februar 2008 - BVerwG 20 F 43.07 - juris Rn. 10, vom 3. März 2009 - BVerwG 20 F 9.08 - juris Rn. 7 und vom 2. Juli 2009 - BVerwG 20 F 4.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 54 Rn. 8; s. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 57, 250 <284>).

16

Der Beigeladene beruft sich zwar darauf, dass durch eine Offenlegung der von der Informationsstelle gesammelten Unterlagen die künftige Erfüllung ihrer Aufgaben gefährdet würde. Die als Referat des Bundesverwaltungsamtes geführte Informationsstelle ist jedoch keine Sicherheitsbehörde in dem vorgenannten Sinne. Ihr obliegen anders als etwa Polizeibehörden oder den Verfassungsschutzämtern, deren Befugnisse gesetzlich bestimmt sind, weder Aufgaben der Gefahrenabwehr im Bereich der inneren Sicherheit noch überhaupt gesetzlich zugewiesene Aufgaben. Der Hinweis auf vom Antragsteller verfolgte verfassungsfeindliche Ziele führt deshalb nicht weiter. Solche können Anlass für eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter sein (vgl. etwa den Verfassungsschutzbericht 2009 des Bundesministeriums des Innern, S. 366 ff.), aber nicht für eine Datensammlung durch das Bundesverwaltungsamt. Erkennbarer Zweck der dort eingerichteten Informationsstelle ist vielmehr, wie die Antragsgegnerin selbst ausführt, die Beratung und Unterrichtung der Bundesregierung zu Fragen der Psycho- und Jugendsekten sowie die Koordinierung eines Bund-Länder-Gesprächskreises zu diesem Thema und einer interministeriellen Arbeitsgruppe zur Scientology-Organisation.

17

Nun liegen allerdings auch diese Aufgaben im Gemeinwohlinteresse; dabei geht es zwar nicht um Gefahrenabwehr im ordnungsrechtlichen Sinne durch Verwaltungshandeln, sondern darum, dass die Bundesregierung durch ihre Informationsarbeit den Beitrag in der Auseinandersetzung mit neuen religiösen und weltanschaulichen Gruppierungen leistet, den der Bundestag und die Bevölkerung von ihr als staatsleitendem Organ erwarteten. Von der Staatsleitung in diesem Sinne wird nicht nur die Aufgabe erfasst, durch rechtzeitige öffentliche Information die Bewältigung von Konflikten in Staat und Gesellschaft zu erleichtern, sondern auch, auf diese Weise neuen, oft kurzfristig auftretenden Herausforderungen entgegenzutreten und auf Besorgnisse der Bürger sachgerecht zu reagieren sowie diesen zu Orientierungen zu verhelfen (vgl. zu alledem BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <301 f.>; vgl. ferner zum Informationshandeln als Aufgabe der Staatsleitung Beschlüsse vom 4. Mai 1993 - BVerwG 7 B 149.92 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 54 und vom 8. November 2004 - BVerwG 7 B 19.04 - juris Rn. 16). Durch die Einrichtung der Informationsstelle im Bundesverwaltungsamt ist die Unterstützung der Bundesregierung bei der Information der Öffentlichkeit auf diesem Themenfeld institutionalisiert worden, ebenso die Zusammenarbeit mit den Ländern. Eine Beeinträchtigung der Möglichkeiten der Informationsstelle, ihren Aufgaben nachzukommen, kann also das Handeln der Bundesregierung als Aufgabe der Staatsleitung beeinträchtigen. Daraus kann ein relevanter Nachteil für das Bundeswohl im Sinne einer Beeinträchtigung wesentlicher Bundesinteressen erwachsen, wenn und soweit durch eine Veröffentlichung von Dokumenten überhaupt eine Beeinträchtigung der Arbeit der Informationsstelle droht und der Informationsarbeit der Bundesregierung oder den mit ihr auf diesem Gebiet zusammenarbeitenden Ländern in Bezug auf die Scientology-Organisation eine erhebliche Bedeutung zukommt, etwa wegen eines besonderen Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit, der Größe oder dem Einfluss der Gruppierung oder etwa wegen besonderer Gefährdungen, die von ihr für Einzelne oder gesellschaftliche Bereiche ausgehen.

18

Der Beigeladene hat in der Sperrerklärung indes keine verwertbaren konkreten Angaben gemacht, um anhand der aufgezeigten Kriterien Nachteile für das Wohl des Bundes darzulegen. Hinzu kommt, dass die insoweit zurückgehaltenen Akten aus Dokumenten unterschiedlichster Art bestehen, die eine differenzierte Betrachtung und Begründung ihrer Geheimhaltung erfordern. Die vom Beigeladenen befürchtete Erschwerung der künftigen Arbeit der Informationsstelle, die - wie dargelegt - Grundlage des Handelns der Bundesregierung ist, mag als Nachteil für das Bundeswohl in Betracht kommen, soweit es um die Veröffentlichung von Unterlagen geht, die den Meinungsbildungsprozess innerhalb der Informationsstelle oder der von ihr koordinierten Arbeitsgruppen betreffen. Eine offene Erörterung und Bewertung innerhalb der Informationsstelle - und damit im Ergebnis eine effektive Beratung der Bundesregierung - könnten möglicherweise gestört werden, wenn jederzeit eine Offenlegung der internen Entscheidungsfindung drohte. Die in Rede stehenden Materialsammlungen enthalten aber nicht nur vorbereitende Arbeiten, vorläufige Einschätzungen oder Beratungsprotokolle, deren Geheimhaltung unter Berücksichtigung ihres Stellenwertes und ihrer Aktualität insoweit in Betracht kommt, sondern in weitem Umfang auch andere Dokumente, namentlich solche, die nicht den internen Meinungsbildungsprozess wiedergeben, sondern lediglich als Grundlagen der Meinungsbildung dienen oder gedient haben (Broschüren und sonstige Medien der Scientology-Organisation, den Ausdruck einer Diplomarbeit, Presseberichte etc.). Die Sperrerklärung mangelt auch insoweit daran, dass sie den geltend gemachten Geheimhaltungsgrund nur pauschal anführt, ohne ihn anhand des konkreten Inhalts der umfangreichen Materialsammlungen zu konkretisieren und plausibel zu machen.

19

Soweit der Beigeladene hinsichtlich der Materialsammlung zu Position 22 (drei Ordner) geltend macht, es handele sich um Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die als vertraulich einzustufen seien, ergibt sich daraus kein selbstständiger Grund für eine Vorlageverweigerung. Akten und Unterlagen der Sicherheitsbehörden sind nicht schon ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig; vielmehr richtet sich die Geheimhaltungsbedürftigkeit nach den materiellen Maßstäben des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, im Falle der Geltendmachung von Amtsgeheimnissen also danach, ob dem Wohl des Bundes ein Nachteil bereitet würde (vgl. nur Urteil vom 19. August 1986 - BVerwG 1 C 7.85 - BVerwGE 75, 1 <14 f.> = Buchholz 306 § 96 StPO Nr. 2). Es kommt deshalb nicht in Betracht, allein die Zuordnung von Verwaltungsvorgängen zu einer Sicherheitsbehörde unabhängig von der Schutzbedürftigkeit ihres Inhalts als Grund für eine Vorlageverweigerung zu nehmen. Dasselbe gilt für eine formale Einstufung als Verschlusssache (s. dazu Beschluss vom 19. April 2010 a.a.O. Rn. 23).

20

Der Beigeladene macht unter dem Gesichtspunkt des Bundeswohls ferner geltend, dass die Unterlagen der Informationsstelle auch Dokumente von anderen Behörden enthalten, denen die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, durch eine Beiladung zum Hauptsacheverfahren ihre Rechte auf Zurückhaltung von Akten geltend zu machen. Abgesehen davon, dass damit kein weitergehender Geheimhaltungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufgezeigt wird, berücksichtigt der Beigeladene insoweit nicht hinreichend, dass es seine Aufgabe ist, im Rahmen der Entscheidung über die Sperrung oder Offenlegung der Akten der Informationsstelle des Bundesverwaltungsamtes die Interessen und Rechte möglicherweise betroffener Dritter mit in den Blick zu nehmen. Das gilt für drittbetroffene Personen, deren Daten in den Akten enthalten sind, ebenso wie für andere Behörden, die Unterlagen zur Verfügung gestellt haben, die im Falle der Offenlegung in Bezug auf die andere Behörde einen Geheimhaltungsgrund nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO begründen. Das muss freilich dargelegt werden; der bloße Hinweis darauf, dass Unterlagen von anderen Behörden stammten, reicht dazu nicht aus. Soweit der Beigeladene darauf verweist, nach dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz bestehe kein Anspruch auf Informationen, die im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung der Arbeitsgruppe Scientology bei der Behörde für Inneres stehen (§ 3 Abs. 2 Nr. 7 IFG HH vom 17. Februar 2009, § 1 Abs. 3 Nr. 3 IFG HH vom 11. April 2006), wird nicht beachtet, dass die Klägerin ihren Anspruch auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes stützt, und überdies verkannt, dass es für eine Vorlageverweigerung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht genügt, geltend zu machen, es liege ein fachgesetzlicher Weigerungsgrund vor.

21

3. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich eine fehlerhafte Ausübung des dem Beigeladenen nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eingeräumten Ermessens.

22

Durch die Ermessenseinräumung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 1. August 2007 - BVerwG 20 F 10.06 - juris Rn. 5). Soweit die Aktenvorlage auch Gegenstand des Rechtsstreits selbst ist, sind die Gründe, die eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen können, von denjenigen Gründen zu unterscheiden, die im Verfahren der Hauptsache zur Verweigerung der Aktenvorlage angeführt werden. Die oberste Aufsichtsbehörde ist im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gefordert, in besonderer Weise in den Blick zu nehmen, welche rechtsschutzverkürzende Wirkung die Verweigerung der Aktenvorlage im Prozess für den Betroffenen haben kann. Darin liegt die Besonderheit ihrer Ermessensausübung nach dieser Verfahrensbestimmung. Dementsprechend ist der obersten Aufsichtsbehörde auch in den Fällen Ermessen zugebilligt, in denen das Fachgesetz der zuständigen Fachbehörde kein Ermessen einräumt (Beschluss vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - BVerwGE 130, 236 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 46).

23

Diesen Anforderungen genügt die Sperrerklärung des Beigeladenen schon deshalb nicht, weil er ausgehend von unzutreffenden Erwägungen über die Reichweite der angeführten Geheimhaltungsgründe auf eine nähere Differenzierung und Präzisierung nach der Art des Akteninhalts und der verschiedenen Geheimhaltungsgründe verzichtet und stattdessen den gesamten Akteninhalt als geheimhaltungsbedürftig angesehen hat. Demgemäß hat der Beigeladene auch keine tragfähigen Erwägungen dazu angestellt, ob das Aufklärungsinteresse des Antragstellers und des Gerichts es rechtfertigt, zumindest bestimmte Teile offenzulegen. Es genügt als Ermessenserwägung vor allem nicht, wie der Beigeladene in seiner Sperrerklärung zusammenfassend unter der Überschrift "Gesamtwürdigung" ausführt, lediglich auf die prozessualen Folgen des § 100 VwGO und die Probleme hinzuweisen, die sich aus einem von ihm als Umgehung der fachgesetzlichen Geheimhaltungsgründe dargestellten Verständnis der Pflicht zur Vorlage von Akten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergeben. Der Gesetzgeber hat die vom Beigeladenen kritisierte Anwendbarkeit des § 100 VwGO als unvermeidbare Folge des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO in Kauf genommen. Statt einer darauf zielenden Auseinandersetzung erfordert die Ermessensbetätigung im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine Berücksichtigung und Abwägung der dargestellten Belange. Hiernach bedarf keiner Vertiefung, ob die weiteren Erwägungen des Beigeladenen zu einem Auseinanderfallen der prozessualen und fachgesetzlichen Geheimhaltungsgründe in der Sache zutreffen. Allerdings spricht nichts dafür, dass die von der Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Ausschlussgründe des IFG anders als die Geheimhaltungsgründe des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine pauschale Zurückhaltung des gesamten Aktenbestands der Informationsstelle des Bundesverwaltungsamtes zu einer bestimmten Gruppierung rechtfertigen könnten.

24

4. Die dargestellten Mängel führen zur Gesamtrechtswidrigkeit der Sperrerklärung. Die gebotene Sichtung und Ordnung des Aktenmaterials nach verschiedenen Geheimhaltungsinteressen, die Beurteilung der Auswirkungen einer Offenbarung der Unterlagen für das Wohl des Bundes anhand des aufgezeigten Maßstabes sowie die differenzierende (Ermessens-)Entscheidung darüber, ob und inwieweit eine teilweise Zurückhaltung oder Schwärzungen ausreichen, um einem gebotenen Geheimschutz hinreichend Rechnung zu tragen, kann der Fachsenat nicht originär anstelle der dazu berufenen obersten Aufsichtsbehörde vornehmen. Dies muss vielmehr in der Sperrerklärung geleistet werden (vgl. nur Beschluss vom 19. April 2010 a.a.O. Rn. 32; Beschluss vom 8. März 2010 a.a.O. Rn. 13 m.w.N.).

25

Die Feststellung des beschließenden Senats, dass die Sperrerklärung rechtswidrig ist, hindert den Beigeladenen nicht, erneut eine Sperrerklärung abzugeben und dann bei der Einstufung der Dokumente der Informationsstelle als geheimhaltungsbedürftig und bei der Ermessensausübung anhand der dargestellten Maßstäbe und Begründungsanforderungen zwischen den einzelnen Teilen der Materialsammlungen zu differenzieren. Angesichts des Verhaltens der Antragsgegnerin in einem ähnlich gelagerten Verfahren, das ebenfalls eine Einsicht in die Dokumente der Informationsstelle des Bundesverwaltungsamtes betraf, hat der Senat allerdings Anlass darauf hinzuweisen, dass sich die Antragsgegnerin ihrer prozessualen Verpflichtung aus § 99 Abs. 1 VwGO wie auch dem materiellen Anspruch des Antragstellers nicht durch eine Vernichtung der streitbefangenen Akten entziehen darf. Dabei bedarf keiner Vertiefung, dass ein solches Vorgehen den einfachrechtlichen Vorgaben über die Führung und Aufbewahrung von Behördenakten widerspricht; denn es gerät jedenfalls in Konflikt mit der aus dem Rechtsstaatsgebot folgenden Verpflichtung staatlicher Stellen, die Möglichkeiten des Einzelnen zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereiteln.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

§ 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung vom 1. April 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 499) geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Der Normenkontrollantrag betrifft die Vereinbarkeit von Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993, BGBl I S. 2066; zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2542) mit dem Grundgesetz. Angegriffen werden Regelungen über die Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), über das Standortregister (§ 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG), über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG), welche auf das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts (im Folgenden: Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 - GenTNeuOG 2004) vom 21. Dezember 2004 (BGBl I 2005 S. 186) und das Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung (im Folgenden: Gentechnikänderungsgesetz 2008 - GenTÄndG 2008) vom 1. April 2008 (BGBl I S. 499) zurückgehen.

I.

2

1. Die gezielte Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen mit technischen Methoden (Gentechnik; vgl. BTDrucks 11/5622, S. 19) eröffnet die Möglichkeit, planmäßig Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um Organismen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen, die mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht herstellbar wären. Dementsprechend ist ein gentechnisch veränderter Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt (§ 3 Nr. 3 GenTG).

3

Der Normenkontrollantrag betrifft vornehmlich den Einsatz von Gentechnik bei Kulturpflanzen sowohl zu kommerziellen Zwecken, etwa in der Landwirtschaft und der Saatgutproduktion, als auch zu Forschungszwecken. Durch diese umgangssprachlich als "grüne" Gentechnik bezeichnete Anwendung sollen agronomisch wünschenswerte Ergebnisse wie Produktivitätssteigerungen oder Reduktionen von Umweltbeeinträchtigungen erzielt werden. Pflanzen sollen beispielsweise ernährungsphysiologische Vorteile und einen besseren Geschmack erhalten, eine längere Lagerfähigkeit aufweisen, Rohstoffe liefern oder Arzneimittel produzieren. Risiken und Chancen dieser Nutzung der Gentechnik sind umstritten und nicht abschließend geklärt. Durch den Transfer von Genmaterial auch über Artgrenzen hinweg können einerseits wünschenswerte Eigenschaften gezielt beeinflusst werden, andererseits besteht das Risiko, dass es zu unerwünschten Nebenfolgen kommt. Indem gentechnisch veränderte Organismen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt ausgebracht werden, können sie sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten. Diese Auswirkungen können unumkehrbar sein.

4

Vor diesem Hintergrund dient eine umfangreiche Gesetzgebung dazu, die mit dem gezielten Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt verbundenen Risiken zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu kontrollieren und sowohl eine Grundlage für den Einsatz der neuen Technologie zu schaffen als auch die Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft zu wahren. Wesentliche rechtliche Vorgaben des Unionsgesetzgebers sind festgelegt in der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 2001/18/EG) und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EU Nr. L 268, S. 1; im Folgenden: Verordnung Nr. 1829/2003).

5

Bundesrechtliche Grundlage für das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt sind in erster Linie das 1990 in Kraft getretene und nachfolgend mehrfach geänderte Gentechnikgesetz und dessen Bestimmungen über Freisetzungen solcher Organismen und das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen.

6

2. Das am 4. Februar 2005 in Kraft getretene Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 beruht auf einer im Mai 2004 in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlage der Bundesregierung (BTDrucks 15/3088). Nach einer ersten Lesung, Überweisung an die Ausschüsse und Durchführung einer Expertenanhörung empfahl der federführende Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die Annahme des Entwurfs der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung (BTDrucks 15/3344). Insbesondere waren zustimmungspflichtige Teile aus der Gesetzesvorlage herausgenommen worden, um eine zügige Verabschiedung des Gesetzes mit den materiellen Regelungen zu gewährleisten. Den Ländervollzug betreffende Verfahrensvorschriften sollten in einem späteren, zustimmungspflichtigen Gesetz vorgelegt werden. In der Ausschussfassung wurde der Gesetzentwurf vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 15/115, S. 10517 B). Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes an (Bundesrat, Plenarprotokoll, 802. Sitzung, S. 361 D) und legte nach Abschluss des Verfahrens gegen das Gesetz Einspruch ein (Bundesrat, Plenarprotokoll, 805. Sitzung, S. 544 A; BTDrucks 15/4159). Der Bundestag wies den Einspruch zurück (Plenarprotokoll 15/143, S. 13338 D). Das Gesetz wurde am 21. Dezember 2004 ausgefertigt und im Februar 2005 im Bundesgesetzblatt verkündet.

7

Schwerpunkt des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 war die Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG und die Gewährleistung einer Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen.

8

a) Mit einer Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG, Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c GenTNeuOG 2004) wollte der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 2 Nr. 2 und 4 der Richtlinie 2001/18/EG klarstellen, dass insbesondere auch Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderter Organismen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenTG darstellen (BTDrucks 15/3344, S. 39) und, selbst wenn sie auf eine genehmigte Freisetzung zurückgehen, unter den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des § 3 Nr. 6 GenTG und damit in den Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes2 Abs. 1 Nr. 4 GenTG) und seiner Vorschriften über das Inverkehrbringen fallen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 56). Hintergrund war die vor dem Inkrafttreten des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 umstrittene Frage, ob Produkte aus konventioneller Produktion, die infolge eines unbeabsichtigten Eintrages von gentechnisch veränderten Organismen Eigenschaften aufweisen, die auf gentechnischen Veränderungen beruhen, einer gentechnikrechtlichen Genehmigung bedürfen, wenn sie in Verkehr gebracht werden sollen.

9

b) Auf der Grundlage von Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG, eingefügt durch Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, sollte durch mehrere Instrumente das unbeabsichtigte Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen in anderen Produkten verhindert und eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen gewährleistet werden. Damit verbunden war das Anliegen, die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu sichern und jenseits der Risikodiskussion zu einer gesellschaftlichen Befriedung zu gelangen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der großflächige Anbau einer gentechnisch veränderten Kulturpflanze ebenso wie eine Freisetzung in kleinerem Maßstab zu Auskreuzungen auf benachbarte Grundstücke führen und damit Wirtschaftsteilnehmer betreffen kann, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichten wollen oder nach den geltenden Vorschriften über den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung von ökologisch erzeugten Produkten verzichten müssen. Um diesen Entwicklungen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft Rechnung zu tragen, wurde der Koexistenzbelang als Gesetzeszweck aufgenommen (§ 1 Nr. 2 GenTG). Zweck des Gentechnikgesetzes gemäß § 1 GenTG ist nunmehr,


10

1. unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen,

11

2. die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können,

12

3. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen.

13

Das Ziel der Gewährleistung der Koexistenz wurde mit den angegriffenen Bestimmungen über das Standortregister, über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen weiter konkretisiert.

14

aa) Zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG und als Beitrag zur Sicherung der Koexistenz wurde ein Standortregister eingerichtet (§ 16a GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004). Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 GenTG werden in dem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als zuständiger Bundesoberbehörde (vgl. § 31 Satz 2 GenTG) geführten Standortregister die gemeldeten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen für das gesamte Bundesgebiet zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit erfasst. Soll eine genehmigte Freisetzung durchgeführt werden, so hat der Betreiber (vgl. § 3 Nr. 7 GenTG) spätestens drei Werktage vor der Durchführung die Freisetzung, die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, das Grundstück der Freisetzung und die Größe der Freisetzungsfläche und den Freisetzungszeitraum dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden (§ 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GenTG). Soll eine zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden, muss der Bewirtschafter (vgl. § 3 Nr. 13a GenTG) dieses Vorhaben spätestens drei Monate vor dem Anbau dem Bundesamt melden sowie die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche mitteilen (§ 16a Abs. 3 Satz 1 und 2 GenTG). Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen (§ 16a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 GenTG). Das Standortregister ist zum Teil allgemein zugänglich. Auskünfte über die Bezeichnung und - im Fall des Anbaus - der spezifische Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße werden durch automatisierten Abruf über das Internet erteilt (§ 16a Abs. 4 GenTG). Über die im Übrigen nicht allgemein zugänglichen Informationen wird grundsätzlich Auskunft erteilt, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat (§ 16a Abs. 5 GenTG). Zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen (§ 16a Abs. 6 Satz 1 GenTG). Die Daten des Bundesregisters werden nach Ablauf von 15 Jahren nach ihrer erstmaligen Speicherung gelöscht (§ 16a Abs. 6 Satz 2 GenTG).

15

bb) Als weiterer Beitrag zur Gewährleistung der Koexistenz wurden eine Vorsorgepflicht und Anforderungen an die gute fachliche Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eingeführt (§ 16b GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004), wodurch Einträge dieser Organismen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden sollen. § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG verpflichtet denjenigen zur Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange, der mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, auf näher bestimmte Art und Weise umgeht oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG wird für die Bereiche des Umgangs mit gentechnisch veränderten Pflanzen und der Haltung von gentechnisch veränderten Tieren durch Bestimmungen über eine gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 2 und 3 GenTG präzisiert. Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG in seiner bis zum 4. April 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F.) waren Handlungen ausdrücklich unzulässig, soweit aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Erreichung der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange nicht gewährleistet war. Ergänzend zu den Verhaltenspflichten des § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG trifft § 16b Abs. 4 GenTG eine Regelung über die zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderliche Eignung von Person und Ausstattung desjenigen, der zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken mit den Produkten umgeht. Der vorliegend nicht angegriffene § 16b Abs. 5 GenTG verpflichtet denjenigen, der die Produkte in den Verkehr bringt, eine Produktinformation mitzuliefern, die neben den Bestimmungen der Genehmigung auch Angaben zur Erfüllung der Pflichten nach § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG enthalten muss. Der ebenfalls nicht beanstandete § 16b Abs. 6 GenTG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung einzelne Aspekte zu § 16b Abs. 3, 4 und 5 GenTG näher zu regeln. § 16a und § 16b GenTG finden auch Anwendung, wenn das Inverkehrbringen durch Rechtsvorschriften geregelt ist, die den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes über Freisetzung und Inverkehrbringen vorgehen (vgl. § 14 Abs. 2 GenTG).

16

cc) Das private Nachbarrecht wurde schließlich durch eine Regelung über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen konkretisiert und ergänzt, um sicherzustellen, dass bei wesentlichen Nutzungsbeeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen ein zivilrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch besteht (§ 36a GenTG, Art. 1 Nr. 24 GenTNeuOG 2004).

17

(1) Im privaten Nachbarrecht kann ein Eigentümer von dem Störer gemäß § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl I S. 42 und 2909, BGBl I 2003, S. 738) die Beseitigung oder die Unterlassung einer Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird oder eine künftige Beeinträchtigung zu besorgen ist. Gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Eigentümer jedoch zur Duldung verpflichtet und sein Abwehranspruch ausgeschlossen, wenn die Benutzung seines Grundstücks durch die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und durch ähnliche grenzüberschreitende Einwirkungen nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Eigentümer auch eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Fall kann der Eigentümer aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 155, 99<102 f.> m.w.N.). Die Vorschrift des § 906 BGB konkretisiert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im öffentlichen Nachbarrecht den Maßstab dessen, was ein Grundstückseigentümer oder -besitzer bei Immissionen von hoher Hand entschädigungs- und schadensersatzlos hinnehmen muss (BGHZ 91, 20<21 f.>; 97, 97 <104>). Vor Einführung des § 36a GenTG war umstritten, ob und inwieweit nach dieser Maßgabe Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf benachbarte Flächen als mögliche "ähnliche Einwirkung" im Sinn von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB Abwehr- und Ausgleichsansprüche auslösen können.

18

(2) Mit § 36a GenTG ist nunmehr festgelegt, dass die in den §§ 1004, 906 BGB geregelten Duldungs-, Abwehr- und Ausgleichsansprüche sowohl für die Übertragung der auf gentechnischen Arbeiten beruhenden Eigenschaften eines Organismus wie für sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen gelten (§ 36a Abs. 1 GenTG).

19

(a) In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG wird der Anwendungsbereich von § 906 BGB hinsichtlich der dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" durch die Benutzung eines anderen Grundstücks (§ 36a Abs. 1 GenTG), der einem Grundstücksbenutzer "wirtschaftlich zumutbaren" Maßnahmen zur Verhinderung einer Beeinträchtigung (§ 36a Abs. 2 GenTG) und der "ortsüblichen" Benutzung eines Grundstücks (§ 36a Abs. 3 GenTG) konkretisiert.

20

Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen insbesondere dann eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinn von § 906 BGB dar, wenn die Erzeugnisse des betroffenen Nutzungsberechtigten deswegen nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG) oder ihre beabsichtigte Vermarktung aufgrund der geltenden Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten nur eingeschränkt möglich oder ausgeschlossen ist (§ 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG). Soweit in den einzelnen Fallgruppen Schwellenwerte bestehen, etwa für die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, sollen diese maßgeblicher Bezugspunkt für die Frage sein, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist (BTDrucks 15/3088, S. 31). Die in § 36a Abs. 1 GenTG aufgezählten Fälle sind nicht abschließend; wertungsmäßig vergleichbare Fälle sollen entsprechend in die Regelung einbezogen werden (BTDrucks 15/3344, S. 41). Wenn kein Fall des § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und auch keine vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt, ist der Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbarflächen unwesentlich und darf gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verboten werden.

21

§ 36a Abs. 2 GenTG knüpft an § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB an, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden ist, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Gemäß § 36a Abs. 2 GenTG gilt die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 GenTG als wirtschaftlich zumutbar in diesem Sinne.

22

§ 36a Abs. 3 GenTG modifiziert das Kriterium der Ortsüblichkeit im Sinn von § 906 BGB dahingehend, dass es für die Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

23

(b) § 36a Abs. 4 GenTG ergänzt das private Nachbarrecht um eine Regelung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises. § 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG enthält eine Ursachenvermutung nach dem Vorbild von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer möglicher Verursacher nach § 840 Abs. 1 BGB führt. § 36a Abs. 4 Satz 2 GenTG bestimmt den Vorrang der anteiligen Haftung, soweit eine jeweils nur anteilige Verursachung mehrerer Nachbarn feststeht und eine Aufteilung des Ausgleichs nach § 287 ZPO möglich ist.

24

3. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 beruht ebenfalls auf einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung. Diese brachte im Oktober 2007 Entwürfe für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (BTDrucks 16/6814) und für die Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes (BTDrucks 16/6557) in den Bundestag ein. Nach einer ersten Lesung und Überweisung an die Ausschüsse wurde der Gesetzentwurf auf Empfehlung des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Artikelgesetz ausgestaltet (BTDrucks 16/7868). Art. 1 des Gesetzes enthielt das zum Teil geänderte Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Art. 2 fügte ein weiteres Gesetz zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes an, in welchem die Maßgaben für die Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" geregelt wurden, und Art. 3 hob die entsprechende Vorgängerregelung in der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung auf. In dieser Textfassung wurde das Gentechnikänderungsgesetz 2008 vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 16/140, S. 14792 B) und passierte unverändert den Bundesrat, der den Vermittlungsausschuss nicht anrief (Bundesrat, Plenarprotokoll, 841. Sitzung, S. 9 C, BRDrucks 52/08). Das Gesetz wurde am 1. April 2008 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Sein Artikel 1 ist am 5. April 2008, die Artikel 2 und 3 sind am 1. Mai 2008 in Kraft getreten.

25

Ziel dieser jüngsten Novellierung des Gentechnikrechts war es, Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland zu fördern. Dabei sollten aber der Schutz von Mensch und Umwelt entsprechend dem Vorsorgegrundsatz oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben und die Wahlfreiheit der Landwirte und der Verbraucher sowie die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen weiterhin gewährleistet werden. Vor diesem Hintergrund wurden Verfahrenserleichterungen für Arbeiten in gentechnischen Anlagen vorgenommen und Ausnahmeregelungen für bestimmte gentechnisch veränderte Organismen ausgedehnt. Eine Verwertung von Produkten, die Anteile von nicht zum Inverkehrbringen zugelassenen Organismen aufweisen, wurde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.

26

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. wurde ersatzlos gestrichen und stattdessen in § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht geregelt (bezüglich § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG im Folgenden: n.F.). Die Pflicht zur Vorsorge muss nunmehr hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachtet werden, als dieser durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder auf Anfrage des Vorsorgepflichtigen die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient (§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F.). Eine zulässige Abweichung von der guten fachlichen Praxis ist der zuständigen Behörde gemäß § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen und nach Maßgabe des neu eingefügten § 16b Abs. 1a GenTG an das Standortregister (§ 16a GenTG) zu melden. Insoweit hat der Bewirtschafter ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2 GenTG spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstücks dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. oder die Tatsache mitzuteilen, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis aufgrund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen (§ 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG). Die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe über Abweichungen von der guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG) wird allgemein zugänglich gemacht. Im Übrigen gilt für die nach § 16b Abs. 1a GenTG erhobenen Daten § 16a GenTG entsprechend (§ 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG).

II.

27

Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 machte die Antragstellerin ursprünglich die Unvereinbarkeit von Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c, Nr. 14 und Nr. 24 GenTNeuOG 2004 mit dem Grundgesetz geltend. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gentechnikänderungsgesetz 2008 rügt sie zuletzt nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15. Januar 2009 die Unvereinbarkeit von "§ 3 Nr. 3 und 6, § 16a Absätze 1, 3, 4 und 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a GenTG" in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung mit dem Grundgesetz. Soweit die angegriffenen Normen wesentliche Änderungen erfahren haben, stellt die Antragstellerin die alte Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 ausdrücklich nicht mehr zur Überprüfung und wendet sich insbesondere gegen § 16b Abs. 1 GenTG nur in seiner Neufassung nach dem Gentechnikänderungsgesetz 2008. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin klargestellt, dass § 16b Abs. 1a GenTG Gegenstand der Überprüfung sein soll, soweit der allgemein zugängliche Teil des Standortregisters die auf das betroffene Grundstück des Nachbarn bezogene Angabe umfasst (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG). § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG stellt sie umfänglich und damit auch hinsichtlich solcher Angaben zur Prüfung, die aufgrund des ausdrücklich nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind.

28

Die nach dieser Maßgabe angegriffenen Vorschriften sowie § 16a Abs. 2 GenTG lauten:

29

§ 3

30

Begriffsbestimmungen

31

Im Sinne dieses Gesetzes sind

32

33

3. gentechnisch veränderter Organismus

34

ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind,

35

36

6. Inverkehrbringen

37

die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, soweit die Produkte nicht zu gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen oder für genehmigte Freisetzungen bestimmt sind; jedoch gelten

38

a) unter zollamtlicher Überwachung durchgeführter Transitverkehr,

39

b) die Bereitstellung für Dritte, die Abgabe sowie das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck einer genehmigten klinischen Prüfung

40

nicht als Inverkehrbringen,

...

41

§ 16a

42

Standortregister

43

(1) Zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit werden die nach Absatz 2 mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen und die nach Absatz 3 mitzuteilenden Angaben über den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in einem Bundesregister erfasst. Das Register wird von der zuständigen Bundesoberbehörde geführt und erfasst die nach Absatz 2 oder Absatz 3 gemeldeten Angaben für das gesamte Bundesgebiet. Das Register muss nach Maßgabe des Absatzes 4 allgemein zugänglich sein.

44

(2) Der Betreiber hat die tatsächliche Durchführung der genehmigten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen spätestens drei Werktage vor der Freisetzung der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

45

1. die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus,

46

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

47

3. das Grundstück der Freisetzung sowie die Größe der Freisetzungsfläche,

48

4. den Freisetzungszeitraum.

49

Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen.

50

(3) Der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen ist von demjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, spätestens drei Monate vor dem Anbau der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

51

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

52

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

53

3. den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet,

54

4. das Grundstück des Anbaus sowie die Größe der Anbaufläche.

55

Änderungen in den Angaben sind unverzüglich mitzuteilen.

56

(4) Der allgemein zugängliche Teil des Registers umfasst:

57

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

58

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

59

3. das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße.

60

Auskünfte aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers werden im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt.

61

(5) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers Auskunft auch über die personenbezogenen Daten, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat.

...


62

§ 16b

63

Umgang mit

64

in Verkehr gebrachten Produkten

65

(1) Wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet, soweit es sich um Tiere handelt, hält, oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt, hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Er muss diese Pflicht hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachten, als dieser durch schriftliche Vereinbarung mit ihm auf seinen Schutz verzichtet oder ihm auf Anfrage die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient. In der schriftlichen Vereinbarung oder der Anfrage ist der andere über die Rechtsfolgen der Vereinbarung oder die Nichterteilung der Auskünfte aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass er zu schützende Rechte Dritter zu beachten hat. Die zulässige Abweichung von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis sind der zuständigen Behörde rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen.

66

(1a) Der Bewirtschafter hat ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2

67

1. die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 oder

68

2. die Tatsache, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis auf Grund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen,

69

der zuständigen Bundesoberbehörde spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mitzuteilen. Der allgemein zugängliche Teil des Registers nach § 16a Abs. 1 Satz 1 umfasst zusätzlich zu der Angabe nach § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe nach Satz 1. Im Übrigen gilt § 16a entsprechend.


70

(2) Beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung von Tieren wird die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt.

71

(3) Zur guten fachlichen Praxis gehören, soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist, insbesondere

72

1. beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen die Beachtung der Bestimmungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen nach § 16 Abs. 5a,

73

2. beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und bei der Herstellung und Ausbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke zu verhindern sowie Auskreuzungen in andere Kulturen benachbarter Flächen und die Weiterverbreitung durch Wildpflanzen zu vermeiden,

74

3. bei der Haltung gentechnisch veränderter Tiere die Verhinderung des Entweichens aus dem zur Haltung vorgesehenen Bereich und des Eindringens anderer Tiere der gleichen Art in diesen Bereich,

75

4. bei Beförderung, Lagerung und Weiterverarbeitung gentechnisch veränderter Organismen die Verhinderung von Verlusten sowie von Vermischungen und Vermengungen mit anderen Erzeugnissen.

76

(4) Wer mit Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, für erwerbswirtschaftliche, gewerbsmäßige oder vergleichbare Zwecke umgeht, muss die Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und Ausstattung besitzen, um die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erfüllen zu können.

...

77

§ 36a

78

Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen

79

(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, wenn entgegen der Absicht des Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags Erzeugnisse insbesondere

80

1. nicht in Verkehr gebracht werden dürfen oder

81

2. nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen oder

82

3. nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre.

83

(2) Die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 gilt als wirtschaftlich zumutbar im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

84

(3) Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt es nicht darauf an, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

85

(4) Kommen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehrere Nachbarn als Verursacher in Betracht und lässt es sich nicht ermitteln, wer von ihnen die Beeinträchtigung durch seine Handlung verursacht hat, so ist jeder für die Beeinträchtigung verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn jeder nur einen Teil der Beeinträchtigung verursacht hat und eine Aufteilung des Ausgleichs auf die Verursacher gemäß § 287 der Zivilprozessordnung möglich ist.

86

Die Antragstellerin hält diese Vorschriften für materiell verfassungswidrig. Sie trägt im Wesentlichen zur Begründung vor:

87

1. Mit § 36a GenTG habe der Gesetzgeber erheblich in das von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägte, ausgeglichene Haftungsregime der §§ 906, 1004 und 823 BGB eingegriffen und ein über die bislang geltenden Regelungen hinausgehendes Haftungssonderrecht für den Einsatz von Gentechnik geschaffen.§ 36a Abs. 1 GenTG verweise offen und unbestimmt auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten und schaffe damit ein unkalkulierbares und voraussichtlich nicht versicherbares Haftungsrisiko. § 36a Abs. 2 und 3 GenTG schlössen die Ortsüblichkeit einer Nutzung und die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Gegenmaßnahmen zu Lasten des Verwenders von Gentechnik aus. Mit § 36a Abs. 4 GenTG werde eine gesamtschuldnerische Haftung ohne Kausalitätsnachweis eingeführt. Der Nachbarschaftsausgleich werde nunmehr regelmäßig nach Maßgabe des bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgen, der häufig auf volle Schadloshaltung gerichtet sei. Verschulden des Verwenders von Gentechnik sei nicht erforderlich, so dass es sich insgesamt um eine verdeckte Gefährdungshaftung handle.

88

a) Diese stehe nicht mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Gentechnik verwendenden Landwirte und Saatguthersteller in Einklang. Die Vorschrift schränke die Freiheit der Berufsausübung gezielt zugunsten des ökologischen Landbaus ein. Sie führe zu Sorgfaltspflichten, die über die Genehmigungsanforderungen und die gute fachliche Praxis hinausgingen, und aufgrund des hohen Haftungsrisikos zu einem faktischen Ausschluss des beruflichen Einsatzes von Gentechnik. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt.

89

§ 36a Abs. 1 GenTG verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, da eine wesentliche Beeinträchtigung nicht nur in den aufgezählten, sondern auch in wertungsmäßig vergleichbaren Fällen vorliegen könne, ohne dass die für die Gleichstellung maßgeblichen Gesichtspunkte genannt würden. § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verletze das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der "dynamischen Verweisung" auf Rechtsvorschriften über die nationale Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" und die europäische Produktkennzeichnung mit Bezug auf ökologischen Landbau würden keine klaren Haftungsvoraussetzungen festgelegt. Der Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stehe der Annahme einer wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung durch zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen entgegen. Von diesen gehe kein Risiko für Gesundheit, Umwelt und Eigentum aus. Vielmehr legitimiere die Genehmigung für ein Inverkehrbringen die Verbreitung dieser Organismen im offenen ökologischen System, stelle diese einem natürlichen Organismus gleich und schaffe einen Vertrauenstatbestand zugunsten ihrer Verwender. Der Koexistenzbelang (§ 1 Nr. 2 GenTG) gewährleiste ihre wirtschaftliche Nutzung.

90

Da von dem Anbau zum Inverkehrbringen zugelassener gentechnisch veränderter Organismen keine Gefahr ausgehe, genüge die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des § 36a GenTG nicht den allgemeinen, aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen an Haftungsbestimmungen. Die Haftung für die von vornherein mitbedachten, produktionsbedingten und zufällig eintretenden Folgen des Anbaus müsse jedenfalls durch einen Haftungsfonds oder die Möglichkeit, das Haftungsrisiko zu versichern, gemildert werden. Unverhältnismäßig sei ferner, dass der Verwender von Gentechnik sich weder durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis noch durch ein unabwendbares Ereignis oder ein Mitverschulden des Gläubigers entlasten könne und ihm ein individueller Verursachungsbeitrag nicht nachgewiesen werden müsse.

91

Gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG sei § 36a GenTG auch unverhältnismäßig. Die Haftungsregelung wirke wie eine objektive Einschränkung der Berufswahlfreiheit, da Landwirte aufgrund des nicht einschätzbaren Haftungsrisikos den sich herausbildenden Beruf des "GVO-anbauenden Landwirts" meiden würden. Die mit § 36a GenTG verfolgte Zielsetzung, die Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Produkten und Produktionsmitteln für Verbraucher und Produzenten zu erhalten und den ökologischen Landbau besonders zu schützen, besitze keinen verfassungsrechtlichen Rang und könne bereits aus diesem Grund die wirtschaftlich erdrosselnde Haftung nicht rechtfertigen. § 36a GenTG sei zur Erreichung des Koexistenzzieles auch weder geeignet noch erforderlich. Denn es werde einseitig der konventionelle und ökologische Landbau geschützt, der gentechnische Landbau jedoch im Wesentlichen verhindert, ohne dass es dieser Haftung bedürfte. Bereits durch die gute fachliche Praxis könnten unbeabsichtigte Auskreuzungen auf das unvermeidbare Maß reduziert werden und eine Haftung sei nur bei Verletzung dieser Bestimmungen geboten. Die Haftung müsse nicht an der Kennzeichnung von Produkten ausgerichtet werden. Man hätte auch einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einrichten können, um die Rahmenbedingungen für die angestrebte Koexistenz zu schaffen. Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Das Haftungsrisiko werde einseitig auf die Verwender von Gentechnik verlagert. Hingegen träfen konventionell oder ökologisch arbeitende Landwirte keine Schutz- und Vorsorgepflichten, obwohl gerade Feldbestände in der ökologischen Landwirtschaft eine besondere Empfindlichkeit aufwiesen, die nur aus den Vermarktungsbedingungen für ökologisch erzeugte Produkte resultiere. Damit könne der Geschädigte den Umfang seines Schadensersatzanspruchs nach seinen subjektiven Verwendungswünschen bestimmen. Auch wenn man das nachbarliche Eigentum als zu schützendes Recht ansehe, ergebe sich kein angemessener Ausgleich.

92

b) § 36a GenTG greife ungerechtfertigt in das Eigentum der Verwender von Gentechnik und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der von der Haftung betroffenen Landwirte und Saatguthersteller ein (Art. 14 Abs. 1 GG). Aufgrund der hohen Sorgfaltspflichten und der nicht einschätzbaren Haftung würden Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen unterbunden und geplante Freisetzungen und kommerzieller Anbau unterlassen. Für das Ziel, die Existenz des ökologischen und konventionellen Anbaus zu sichern und das Eigentum des beeinträchtigten Landwirts zu schützen, sei der Eingriff weder erforderlich noch angemessen. Der Intensität, Tragweite und Schwere des Eingriffs stünden nur geringe Einschränkungen auf Seiten des Nachbarn gegenüber, die einem zufälligen Ereignis gleichzustellen seien. Zudem hätten Landwirtschaftsflächen keinen besonderen sozialen Bezug.

93

c) § 36a GenTG verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Vorschrift führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von gentechnisch wirtschaftenden Landwirten auf der einen und gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten auf der anderen Seite.

94

2. Das in § 16a GenTG geregelte Standortregister verletze die Verwender von Gentechnik in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Indem personenbezogene Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und den Namen, die Anschrift und das Grundeigentum der Betroffenen erhoben und gespeichert würden sowie Dritten - zum Teil öffentlich - zugänglich seien, werde politisch motivierte Feldzerstörung begünstigt und das Eigentum der Verwender von Gentechnik gefährdet. Demgegenüber sei das Standortregister weder geeignet noch erforderlich, um das Ziel der Überwachung etwaiger Auswirkungen verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen auf die Umwelt, die angestrebte Transparenz und die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen zu erreichen. Insbesondere wäre dieser Zielsetzung und den Vorgaben des Europarechts bereits mit einer Veröffentlichung der Gemeinde des jeweiligen Standortes Genüge getan. Zur Sicherung der Koexistenz müsse ein berechtigtes Interesse an Auskünften über die nicht allgemein zugänglichen Informationen nur dann anerkannt werden, wenn eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung und darüber hinaus substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn drohten.Die Regelungen seien auch nicht angemessen. Transparenz sei kein Wert von Verfassungsrang und könne die Veröffentlichung der genauen Standortdaten gemäß § 16a Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 16a Abs. 4 Nr. 3 GenTG nicht rechtfertigen. Nur durch eine Geheimhaltung der genauen Standortdaten könne der Betroffene zuverlässig vor dem Verlust seines Eigentums und seiner Betriebsmittel geschützt werden. Indem der Staat mit dem Anbauregister gezielt die Möglichkeit eröffne, dass Dritte durch Sachbeschädigungen gegen die Anbauflächen vorgingen, verstoße er gegen seine verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Unangemessen sei ferner, dass Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil gemäß § 16a Abs. 5 GenTG ohne eine vorherige Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Auskunftsinteresses erteilt werden könnten und zudem die Kriterien für eine Interessenabwägung nicht vorgegeben seien. Schließlich müssten unter dem Gesichtspunkt der Kooperation und Rücksichtnahme die konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte ebenso zur Auskunft verpflichtet werden, denn auch der gentechnisch wirtschaftende Landwirt müsse wissen, ob benachbarte empfindliche Feldbestände aufgebaut und eine gezielte Verdrängung des gentechnischen Landbaus betrieben werde.

95

§ 16a GenTG verletze auch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der genaue Standort und die Art von gentechnisch veränderten Organismen stellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Diese würden jedenfalls dann durch die Auskunftserteilung aus dem Standortregister nach Maßgabe des § 16a Abs. 4 und 5 GenTG beeinträchtigt, wenn zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden. Der Eingriff sei aus den genannten Gründen unverhältnismäßig.

96

3. Die in § 16b Abs. 1 bis 4 GenTG geregelte Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung seien mit der Berufsfreiheit aller Personen, die verkehrszugelassene gentechnisch veränderte Organismen anbauten, weiterverarbeiteten oder in Verkehr brächten, unvereinbar. Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis (§ 16b Abs. 1 bis 3 GenTG) seien für den bezweckten Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter nicht erforderlich. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter würden durch das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen ausreichend geschützt. Vorsorgemaßnahmen bräuchten über das zur Sicherung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) Erforderliche auch nicht hinauszugehen. Die mit § 16b Abs. 4 GenTG eingeführten Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Ausstattung kämen einer subjektiven Berufszugangsregelung nahe. Ob jedoch ein wichtiges Gemeinschaftsgut von Verfassungsrang durch den Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen überhaupt betroffen sein könne, sei fraglich. Jedenfalls sei es nicht erforderlich, unabhängig von dem Eintritt einer Gefahr für den Koexistenzbelang und über die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen sowie die nach § 16b Abs. 5 GenTG mitzuliefernde Produktinformation hinaus weitere Anforderungen an die Person und die Ausstattung des Anwenders von gentechnisch veränderten Organismen zu stellen. § 16b Abs. 4 GenTG verletze auch den Bestimmtheitsgrundsatz. Es sei unklar, in welcher Weise die Landwirte den geforderten Nachweis ihrer Fähigkeiten und Ausstattung erbringen können und ob ihre Fähigkeiten abstrakt beurteilt oder durch Inspektionen und Stichprobenkontrollen nachgewiesen würden.

97

4. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG seien im Hinblick auf das Begriffsverständnis des Inverkehrbringens im Zusammenhang mit der Definition des gentechnisch veränderten Organismus mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn ein genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen liege auch dann vor, wenn ein konventionell oder ökologisch anbauender Landwirt Erzeugnisse abgebe oder bereithalte, die zufällig oder technisch unvermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer genehmigten Freisetzung vermischt worden seien. Es bestünden dann die Abwehr- und Ausgleichsansprüche nach § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG, von denen eine massiv abschreckende Wirkung ausgehe. Dadurch werde insbesondere die Durchführung von Freisetzungsversuchen zum Zweck der Erforschung und Entwicklung transgener Pflanzen durch universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erheblich erschwert, wenn nicht verhindert. Der Eingriff werde nicht durch entgegenstehende Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt. Dem Koexistenzbelang komme ein solcher Stellenwert nicht zu. Das Eigentum des Nachbarn sei nicht betroffen, da es an einer Substanz- und Gebrauchsbeeinträchtigung fehle. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter seien durch die Freisetzungsgenehmigung hinreichend geschützt. Die Regelung schränke zudem die Berufsfreiheit der an der Forschung beteiligten Unternehmen mit der Wirkung einer objektiven Regelung der Berufswahl ein, ohne dass nachweisbare oder höchstwahrscheinliche, schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erkennbar seien. Doch auch eine reine Einschränkung der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig, da mit der Freisetzungsgenehmigung die Ungefährlichkeit der Organismen für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter festgestellt sei. Der Gesetzgeber habe auch nicht lediglich zwingende Vorgaben des Europarechts umgesetzt, sondern von einem eigenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Die Richtlinie 2001/18/EG fordere und rechtfertige dieses Begriffsverständnis des Inverkehrbringens nicht. Gleichermaßen zwinge sie nicht zu der Erweiterung des Begriffs "gentechnisch veränderter Organismus".

III.

98

Zu dem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 Stellung genommen haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., das Öko-Institut e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V. und die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.

99

Im Hinblick auf die Novellierung des Gentechnikrechts durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 haben sich die Bundesregierung, der Deutsche Bauernbund e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. geäußert; der Deutsche Bundestag hat das Protokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. November 2007 zur Novelle des Gentechnikgesetzes und der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen zu diesem Gesetz übersandt.

100

In der mündlichen Verhandlung haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. ihre Stellungnahmen ergänzt. Geäußert haben sich darüber hinaus die Bundestagsabgeordneten Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und Miersch (SPD), Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie des Bundesamtes für Naturschutz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V.

101

1. Die Bundesregierung hält die angegriffenen Bestimmungen für verfassungsgemäß. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 wirke sich auf die maßgebenden Rechtsfragen nicht aus.

102

Mit der Neugestaltung des Gentechnikrechts habe der Gesetzgeber die Rechtsstellung aller Beteiligten gestärkt. Das Gesetz fördere die Koexistenz der unterschiedlichen Produktionsmethoden und den verantwortbaren Umgang mit der Gentechnik. Es schütze in angemessener Weise vor möglichen Beeinträchtigungen durch die Gentechnik und stärke dabei die Akzeptanz neuer Techniken. Das Gesetz schaffe einen angemessenen Ausgleich der Grundrechte aller Beteiligten. Dabei schütze es die natürlichen Lebensgrundlagen.

103

a) Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 17, 20 und 26 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG.

104

b) Die Klarstellung der Begriffe "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG) sei verfassungsgemäß und verletze insbesondere nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Zur Sicherung der durch mittelbare Auswirkungen gentechnischer Veränderungen besonders gefährdeten Schutzgüter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG und des § 1 GenTG sei es geboten, auch indirekt durch Kreuzung oder natürliche Rekombination entstandene Organismen in den Begriff "gentechnisch veränderter Organismus" einzubeziehen sowie als "Inverkehrbringen" auch die von einer Freisetzungsgenehmigung nicht gedeckte Abgabe von Produkten zu verstehen, die unbeabsichtigt mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer benachbarten Freisetzung vermischt wurden. Demgegenüber seien die Forschung und die Berufsausübung im Zusammenhang mit der Gentechnik weiterhin angemessen möglich; insbesondere könnten gegen unerwünschte Auswirkungen geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Vor dem Hintergrund der zuvor streitigen Rechtslage würden die Präzisierungen in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG der Rechtssicherheit dienen und darüber hinaus den verbindlichen europarechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2001/18/EG entsprechen.

105

c) Das Standortregister (§ 16a GenTG) gewährleiste angemessenen Datenschutz. Es diene dazu, den Schutz- und Vorsorgezweck (§ 1 Nr. 1 GenTG) und das Koexistenzprinzip (§ 1 Nr. 2 GenTG) zu verwirklichen und durch Information der Öffentlichkeit eine Transparenz zu schaffen, die letztlich auch zur Akzeptanz einer verantwortbaren Gentechnik und zur Befriedung beitrage. Diese Rechtsgüter und Belange fänden ihre Grundlage in verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten und Staatszielbestimmungen. Die angegriffenen Bestimmungen seien zur Zweckerreichung geeignet, angemessen und erforderlich. Aufgrund der erhobenen Angaben über geplante Freisetzungen und den geplanten Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (§ 16a Abs. 2 und 3 GenTG) könnten Gefahrenlagen erkannt, Schadensverläufe nachvollzogen, zukünftige Schäden vermieden und Ersatzansprüche leichter durchgesetzt werden. Ohne diese Angaben sei es erheblich schwieriger, wenn nicht unmöglich, Einträge zu vermeiden oder ihren Verlauf, ihre Ursachen und ihre Wirkungen festzustellen.Demgegenüber sei die ohne erheblichen Aufwand mögliche Mitteilung der Angaben zumutbar. Die Ausgestaltung der Zugänglichkeit zum Standortregister gewährleiste einen angemessenen Schutz von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen. Insbesondere bleibe die Anonymität personenbezogener Daten im allgemein zugänglichen Teil des Registers gewahrt. Die Kenntnis der genauen Standortangabe und der weiteren allgemein zugänglichen Informationen (§ 16a Abs. 4 GenTG) sei für alle potentiell Betroffenen erforderlich, um ihre Rechtsgüter zu schützen. Vor diesem Hintergrund sei es den Betroffenen nicht zumutbar, zunächst ein überwiegendes Interesse an der Auskunft darzulegen. Zudem überwiege das Informationsinteresse der konventionell wirtschaftenden Nachbarn regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse angesichts der von Gentechnik potentiell ausgehenden Gefahren. Auch wäre der erforderliche Verwaltungsaufwand für eine Mitteilung der flurstückgenauen Standortangabe im Antragsverfahren unverhältnismäßig hoch. Der Gesetzgeber dürfe hier typisieren Schließlich sei das Register zur Wahrung des Koexistenzprinzips erforderlich; insbesondere könnten Betroffene ihrerseits Schutzmaßnahmen treffen. Dies läge gerade auch im Interesse des Verwenders von Gentechnik.Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (§ 16a Abs. 5 GenTG) dürften nur aufgrund einer Abwägung des berechtigten Interesses des Antragstellers mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen erteilt werden. Wenn es im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gebe, dass gewaltbereite Gentechnikgegner Felder der Betroffenen verwüsten würden, sei dies zu berücksichtigen.

106

d) Die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an Person und Ausstattung beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) würden die Berufsausübung in Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG regeln und mit gut nachvollziehbaren Verpflichtungen Rechtssicherheit schaffen. Die Vorsorgepflicht diene dem Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG beschriebenen hochrangigen Rechtsgüter. Die einzelnen Maßnahmen entsprächen dem, was für den verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und in Teilbereichen auch mit Erzeugnissen allgemein erforderlich sei und könnten mit den in Betrieben vorhandenen technischen Möglichkeiten bewältigt werden. Die Regelungen seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Auch nach Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen müsse der Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter in der weiteren Praxis im Rahmen des vernünftig Möglichen gewährleistet bleiben. Die näheren Vorgaben zur guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 3 GenTG) stünden allerdings ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sie zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderlich seien. Auch die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Fähigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG) seien zum Schutz der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter zumutbar und Sachkundenachweise bei vergleichbaren Tätigkeiten ohnehin üblich. Mit geringeren Anforderungen sei die Einhaltung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall nicht sicherzustellen; eine großflächige staatliche Überwachung wäre insoweit nicht durchführbar und eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.

107

e) Das in § 36a GenTG geschaffene Haftungssystem diene dem Grundsatz der Koexistenz unterschiedlicher Produktionsweisen. Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbargrundstücke seien durch die bisher bekannten Maßnahmen grundsätzlich nicht vollständig zu vermeiden. Anwender müssten aber geeignete Maßnahmen treffen, um solche Einträge einzudämmen. Die Konkretisierung der zivilrechtlichen Unterlassungs- und Haftungsregelungen in § 36a GenTG sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung dieses legitimen Zweckes. § 36a GenTG füge sich in das geltende deutsche Nachbar- und Haftungsrecht ein. Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung von Einträgen auf Nachbargrundstücke berge die Gefahr, dass nicht veränderte Organismen von gentechnisch veränderten Organismen verdrängt würden. Dann würde eine Koexistenz nicht mehr bestehen und unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte eingegriffen. Die damit gegebene Lastenverteilung schütze zwar spezifisch die konventionelle und ökologisch arbeitende Landwirtschaft. Dies entspreche aber der Wertentscheidung des Gesetzgebers und den europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Vergleichbarkeit von gentechnisch veränderten und konventionellen Produkten.

108

Es sei verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn nicht zwingend, den Anwender von Gentechnik mit Maßnahmen zur Verhinderung von Einträgen und der Haftung für dadurch erfolgte Einträge zu belasten.

109

Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Bestimmung der Ortsüblichkeit (§ 36a Abs. 3 GenTG) differenziere bereits nicht, sondern erfasse alle Eigentümer und Produzenten gleichermaßen. Im Übrigen folge die Zuordnung der Haftung Unterschieden zwischen den Betroffenen von großem Gewicht, welche die unterschiedlichen Haftungsrisiken rechtfertige.

110

Mit § 36a Abs. 1 GenTG habe der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums normiert (Art. 14 Abs. 1 GG). Dynamische Verweisungen auf außerhalb des Gentechnikgesetzes festgelegte Standards seien zulässig und der Begriff "insbesondere" entspreche dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit es letztlich zu einer Gefährdungshaftung komme, sei diese ein allgemein anerkanntes Prinzip. Gentechnisch veränderte Kulturen stünden aufgrund der in aller Regel auftretenden Auskreuzungen und Einträge in andere Kulturen in einem besonders ausgeprägten Sozialbezug. Die Präzisierung der wesentlichen Beeinträchtigung in § 36a Abs. 1 GenTG und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit in § 36a Abs. 2 GenTG sichere die Grundrechte der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und sei Konsequenz der staatlichen Schutzpflicht für die Grundrechte der Nachbarn. Auch der Betrieb ökologischer und konventioneller Landwirtschaft stelle insoweit einen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruf dar.

111

§ 36a Abs. 4 GenTG normiere eine zulässige und systemgerechte Vermutung der Verursachung. Die Beweislastverteilung stimme mit den herkömmlichen Regeln überein und die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer möglicher Verursacher entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche. Die Verteilung der Verantwortung sei verfassungsgemäß. Ein Grundstückseigentümer müsse für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren einstehen, auch wenn er diese weder verursacht noch verschuldet habe. Der Gesetzgeber sei insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20a GG verpflichtet, Dritte oder die Allgemeinheit angemessen vor den von einem Grundstück ausgehenden Gefahren zu schützen. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten (§ 254 BGB) bleibe möglich. Für einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt bestehe nach der zugrunde liegenden Risikoverteilung kein Raum, zumal sich in der Übertragung von gentechnisch veränderten Organismen auf ein benachbartes Grundstück nur das typische Risiko ihrer Verwendung realisiere. Auch sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen weder verpflichtet, eine Haftungshöchstgrenze einzuführen oder einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, noch müsse jedes Haftungsrisiko versicherbar sein.

112

2. Die Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und des Bundesamtes für Naturschutz haben zu bestehenden gesundheitlichen und ökologischen Risiken sowie zu Nachteilen für die gentechnikfreie Landwirtschaft Stellung genommen.

113

3. Der Deutsche Bauernbund e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., das Öko-Institut e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. treten dem Normenkontrollantrag entgegen.

114

4. Der Deutsche Bauernverband e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V., die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V. unterstützen den Normenkontrollantrag.

B.

115

Soweit die Antragstellerin § 16b Abs. 1a GenTG zur Überprüfung stellt, ist der Normenkontrollantrag unzulässig; die Vorschrift ist jedoch wegen ihres engen Regelungszusammenhanges zu § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (I). Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig (II). Darüber hinaus ist § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung einzubeziehen (III).

I.

116

Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG zu begründen. Hierzu ist substantiiert darzutun, aus welchen rechtlichen Erwägungen die angegriffene Norm mit welcher höherrangigen Norm für unvereinbar gehalten wird (vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 61 ; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35). Diese Anforderungen sind in Bezug auf § 16b Abs. 1a GenTG nicht gewahrt. Die Antragstellerin hat mit ihrem letzten Antrag vom 15. Januar 2009, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, § 16b Abs. 1a GenTG in das Verfahren einbezogen, ohne ihre Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz darzulegen. Damit ist § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht genügt.

117

§ 16b Abs. 1a GenTG ist gleichwohl wegen des bestehenden Regelungszusammenhanges zu § 16a GenTG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfassungswidrigkeit von § 16b Abs. 1a GenTG auf zulässigerweise angegriffene Bestimmungen ausstrahlt oder die Norm notwendiger Bestandteil einer Gesamtregelung ist (vgl. BVerfGE 39, 96 <106>; 40, 296 <309 f.>; 109, 279 <374>). So liegt es hier. Der Umfang und die Tragweite der über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilenden und zu verarbeitenden Angaben erschließt sich erst, wenn die ergänzende Bestimmung in § 16b Abs. 1a GenTG in die Betrachtung einbezogen wird. Die nach § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden und zu veröffentlichenden Angaben werden erst im Kontext der Angaben nach § 16a Abs. 1, 3 und 4 GenTG verständlich.

II.

118

Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig. Die Frage nach dem erforderlichen objektiven Interesse an einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit der früheren Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 stellt sich nicht mehr, nachdem die Antragstellerin klargestellt hat, dass sie nur die Unvereinbarkeit der nach dem Inkrafttreten des Gentechnikänderungsgesetzes 2008 bestehenden Rechtslage mit dem Grundgesetz rügt (vgl. hierzu BVerfGE 110, 33 <45> m.w.N.).

III.

119

Über den Normenkontrollantrag hinaus ist auch § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzubeziehen. Dies ist wegen des inneren Zusammenhangs der angegriffenen Bestimmungen über die nach § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG mit dem nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG notwendig.

C.

120

Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. § 3 Nr. 3 und 6, § 16a Abs. 1, 2, 3, 4 und 5, § 16b Abs. 1, 1a, 2, 3 und 4 sowie § 36a GenTG in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

121

Die angegriffenen Vorschriften sind formell verfassungsgemäß.

122

1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der angegriffenen Normen folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) und in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG n.F.).

123

a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) in das Grundgesetz eingefügt, um den Bund mit einer klaren Zuständigkeitsgrundlage für den Bereich der Gentechnologie bezogen auf Menschen, Tiere und Pflanzen mit Ausnahme der künstlichen Befruchtung auszustatten (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 34 f.; BTDrucks 12/6633, S. 9).

124

Der Kompetenztitel ist weit zu verstehen. Er deckt neben der Humangentechnik auch die Gentechnik in Bezug auf Tiere und Pflanzen und begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Rechts der Gentechnik. Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG umfasst daher nicht nur Vorschriften, die Forschung und Entwicklung unter Einsatz gentechnischer Verfahren betreffen, sondern auch sonstige die Verwendung von und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen regelnde Normen. Danach bewegen sich nicht nur die angegriffenen Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), sondern auch die rechtlich und funktional in das Gentechnikrecht eingebetteten Bestimmungen über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG) und über das Standortregister (§ 16a GenTG) sowie die Ergänzung und Konkretisierung der zivilrechtlichen Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG) in den Grenzen der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG.

125

Ein anderes Verständnis würde zu einer Zersplitterung des Gentechnikrechts in Kernkompetenzen des Bundes nach Art. 72 Abs. 1 GG sowie Erforderlichkeitskompetenzen und Abweichungskompetenzen nach Art. 72 Abs. 2 und Abs. 3 GG in ihrer seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung führen. Eine solche Differenzierung liefe dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers zuwider, den Bund durch die Einführung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG mit einer hinreichend klaren Zuständigkeit für das Gebiet der Gentechnik auszustatten.

126

b) Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. und des Art. 72 Abs. 2 GG n.F. liegen vor. Unter Beachtung der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative (vgl. BVerfGE 111, 226 <255> m.w.N.) ist eine bundeseinheitliche Regelung vorliegend im gesamtstaatlichen Interesse jedenfalls zur Wahrung der Rechtseinheit (vgl. BVerfGE 111, 226 <253 f.> m.w.N.) erforderlich.

127

2. Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 und das Gentechnikänderungsgesetz 2008 sind auch ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Gesetzen war nicht notwendig.

128

a) Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 bedurfte insbesondere nicht deshalb der Zustimmung des Bundesrates, weil der in den Bundestag ursprünglich eingebrachte Regierungsentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das hier zu prüfende, nicht zustimmungsbedürftige Gesetz und in Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren der Länder aufgeteilt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 1 2. Halbsatz GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung), welche nachträglich in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz verankert werden sollten (vgl. BVerfGE 105, 313 <338> m.w.N.).

129

b) Mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 wurden zwar auch von den Landesbehörden zu beachtende Verfahrensvorschriften novelliert. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 84 Abs. 1 GG n.F.) wird den Belangen der Länder nunmehr jedoch durch die Möglichkeit zur abweichenden Gesetzgebung nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG n.F. Rechnung getragen. Weil der Bund vorliegend das Recht zur Abweichungsgesetzgebung für das Verwaltungsverfahren nicht nach Maßgabe von Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. durch eine ausdrückliche Regelung ausgeschlossen hat, bedurfte es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG n.F. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 ursprünglich zustimmungspflichtige Verfahrensvorschriften geändert wurden. Eine Zustimmungspflicht wurde hierdurch nicht ausgelöst, weil die Änderungen ihrerseits keinen Abweichungsausschluss nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. enthalten.

II.

130

Die angegriffenen Vorschriften sind materiell verfassungsgemäß.

131

1. Das Bundesverfassungsgericht kann über den Antrag ohne Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV entscheiden. Zwar wollte der Gesetzgeber insbesondere mit der Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sowie mit der Einrichtung des Standortregisters gemäß § 16a GenTG entsprechende Vorgaben aus Art. 2 Nr. 2 und 4 und Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG umsetzen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 26). Nachdem jedoch sämtliche angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind, kommt es auf die Auslegung gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlicher Bestimmungen nicht entscheidungserheblich an. Eine Vorlage ist in diesem Fall weder geboten noch zulässig (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, NJW 2010, S. 833 <835> Rn. 185).

132

2. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und mit der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit vereinbar.

133

a) Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um erwünschte Eigenschaften von Organismen zu erzeugen, wie es mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht möglich wäre, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Auf der anderen Seite birgt die Forschung und Produktion von gentechnisch veränderten Organismen auch erhebliche Chancen. Vor allem können mit Hilfe solcher Organismen größere Ernteerträge erzielt und die Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten erhöht werden.

134

Neben den Chancen der Gentechnik sind die gesundheitlichen und ökologischen Risiken und insbesondere auch Nachteile für die gentechnikfreie Landwirtschaft zu bedenken. Eine gentechnische Modifikation kann zu verschiedenen nicht beabsichtigten Effekten führen, die sich nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die landwirtschaftliche Anbaupraxis auswirken können. So sind gegebenenfalls auch konventionell oder ökologisch angebaute Kulturen - bei zufälligem oder technisch nicht zu vermeidendem Vorkommen von gentechnisch veränderten Organismen oberhalb der im europäischen Recht festgesetzten Toleranzschwelle - entsprechend zu kennzeichnen. Auch kann eine Kennzeichnung mit Bezug auf eine ökologische beziehungsweise biologische Produktion oder mit dem noch strengeren Vorgaben unterliegenden Hinweis "Ohne Gentechnik" unzulässig werden. Dadurch bedingt kann der Marktpreis von Erzeugnissen gemindert oder der Absatz erschwert werden. Außerdem können Produzenten zusätzliche Kosten entstehen, weil sie Überwachungssysteme und Maßnahmen zur Minimierung der Vermischung von genetisch veränderten und nicht veränderten Kulturen einführen müssen.

135

Angesichts einer hochkontroversen gesellschaftlichen Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung von Gentechnik bei Kulturpflanzen und eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft insbesondere bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen und langfristigen Folgen eines solchen Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber auf diesem Gebiet eine besondere Sorgfaltspflicht. Der Gesetzgeber muss bei der Rechtsetzung nicht nur die von der Nutzung der Gentechnik einerseits und deren Regulierung andererseits betroffenen Interessen, welche insbesondere durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt werden, in Ausgleich bringen. Sondern er hat gleichermaßen den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (vgl. BVerfGE 118, 79 <110>). Dieser Auftrag kann sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Risikovorsorge gebieten. Zu den nach dieser Maßgabe von Art. 20a GG geschützten Umweltgütern gehören auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Sicherung eines artgerechten Lebens bedrohter Tier- und Pflanzenarten.

136

b) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen nicht Art. 12 Abs. 1 GG.

137

aa) Bei den angegriffenen Vorschriften handelt es sich um Definitionen, die im Zusammenwirken mit weiteren Normen zu Grundrechtseingriffen führen können. Die Freiheit der Berufsausübung ist mittelbar berührt. In der Klarstellung, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderte Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind, hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass das Gentechnikgesetz auch in diesen Fällen als rechtlicher Rahmen für die Berufsausübung unter Einsatz von Gentechnik dient und sich damit auf das Gentechnikgesetz gestützte Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG auch auf diese erstrecken.

138

bb) Soweit in die Freiheit der Berufsausübung mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

139

Die angegriffenen Änderungen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG dienen legitimen Zielen des Gemeinwohls. Sie bezwecken nicht nur eine begriffliche Klarstellung vor dem Hintergrund einer zuvor umstrittenen Rechtslage und dienen damit der Rechtssicherheit, sondern sie stellen auch sicher, dass das Gentechnikgesetz (§ 3 Nr. 3 GenTG) und die besonderen Bestimmungen über das Inverkehrbringen von Produkten (§ 3 Nr. 6 GenTG) möglichst umfassend und insbesondere auch auf die Zufallsnachkommen von legal freigesetzten gentechnisch veränderten Organismen Anwendung finden. Damit dienen die Änderungen den legitimen Zwecken des Gentechnikgesetzes aus § 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und dem Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG).

140

Bei einer Beschränkung der Definition des gentechnisch veränderten Organismus in § 3 Nr. 3 GenTG und damit des Anwendungsbereichs des Gentechnikgesetzes auf gezielt und unmittelbar herbeigeführte gentechnische Veränderungen wären die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von vornherein von jeder gentechnikrechtlichen Kontrolle freigestellt. Dies betrifft nicht nur das Inverkehrbringen (§§ 14 ff., § 16d GenTG), sondern auch den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG), ihre Beobachtung (§ 16c GenTG), ihre Kennzeichnung (§ 17b GenTG), die Mitteilungspflichten der Betreiber und sonstiger Beteiligter (§ 21 GenTG) und die behördlichen Befugnisse (§§ 20, 25, 26, 28 ff. GenTG). Der bezweckte Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange wäre jedoch durch das allgemeine, nicht auf Risikovorsorge, sondern auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Polizei- und Ordnungsrecht nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Der Gesetzgeber durfte auch die Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen im Allgemeinen und die durch zufällige Auskreuzung entstandenen gentechnisch veränderten Organismen im Besonderen als mit einem allgemeinen Risiko behaftet ansehen und sie mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 GenTG den gentechnikrechtlichen Vorschriften unterstellen. Die Annahme eines solchen "Basisrisikos" (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 B 33/07 -, juris Rn. 76; VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07- , NuR 2009, S. 67 <72>; Mecklenburg, NuR 2006, S. 229 <232>) liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und setzt keinen wissenschaftlich-empirischen Nachweis des realen Gefährdungspotentials der gentechnisch veränderten Organismen und ihrer Nachkommen voraus. Denn in einer wissenschaftlich ungeklärten Situation wie der vorliegenden ist der Gesetzgeber befugt, die Gefahrenlagen und Risiken zu bewerten, zumal die geschützten Rechtsgüter verfassungsrechtlich verankert sind und ein hohes Gewicht haben. Insbesondere vermindert der Umstand, dass es sich in den Anwendungsfällen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG um nicht beabsichtigte oder technisch nicht zu vermeidende Vorgänge handeln kann, nicht das mit dem Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt und der Vermarktung gentechnisch veränderter Produkte bestehende Risiko unerwünschter oder schädlicher, gegebenenfalls unumkehrbarer Auswirkungen, das im Sinn einer größtmöglichen Vorsorge beherrscht werden soll (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2001/18/EG). Der Gesetzgeber liefe zudem Gefahr, seiner Verantwortung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) nicht gerecht zu werden, wenn er die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen keiner Kontrolle unterstellen würde.

141

c) Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit betroffener Landwirte (Art. 14 Abs. 1 GG) aufgrund der Genehmigungspflicht für das Inverkehrbringen von zufällig oder technisch nicht vermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigten Produkten durch § 3 Nr. 3 und 6 GenTG kommt aus diesen Gründen ebenfalls nicht in Betracht.

142

d) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen auch nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

143

aa) Die Wissenschaftsfreiheit ist allerdings im Zusammenwirken mit anderen Eingriffsnormen des Gentechnikgesetzes berührt. Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 35, 79 <112>; 95, 193 <209>). In diesen Freiraum des Wissenschaftlers fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe (vgl. BVerfGE 35, 79 <112>; 47, 327 <367>; 90, 1 <11 f.>; 111, 333 <354>).

144

Danach ist die Erforschung von gentechnisch veränderten Organismen vom Schutzbereich erfasst, auch soweit lebende Organismen zu experimentellen Zwecken in die Umwelt - sei es im Rahmen von Freisetzungsversuchen oder im Rahmen wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbaus verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen - eingebracht werden und sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten können. Art. 5 Abs. 3 GG ist also auch betroffen, wenn die Forschung außerhalb des geschlossenen Systems stattfindet und die Umwelt einschließlich der Rechtsgüter Dritter in das kontrollierte Experiment einbezieht. Dies gilt jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten.

145

Mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderten Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen im Gegensatz zu den für eine Freisetzung bestimmten Organismen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind. Hiermit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass wissenschaftliche Freilandversuche und ihre unbeabsichtigten Folgen den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen des Staates und der Folgenverantwortung der Forschung nach Maßgabe des Gentechnikgesetzes unterfallen. Er hat die Rahmenbedingungen der Forschung abgesteckt und auf die praktische Durchführung, Fragestellung und Methodik von Forschungsprojekten Einfluss genommen. Selbst wenn man in der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG nur eine Klarstellung dessen sehen wollte, was den Normen zuvor durch Auslegung zu entnehmen war, hätte der Gesetzgeber zumindest eine umstrittene Rechtslage im Sinne dieser Auslegung geklärt und einer anderen Interpretation durch die Gerichte entzogen.

146

bb) Soweit in die Wissenschaftsfreiheit mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

147

Die Wissenschaftsfreiheit kann, wie andere vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht beschränkt werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich hierzu einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>). Ein Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten ist unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 122, 89 <107>).

148

Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener und der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die nicht nur eine Beschränkung der Berufsfreiheit und des Eigentums (vgl. oben b und c), sondern auch der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

149

3. Die Bestimmungen über das Standortregister in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind, soweit sie an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfen, mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar (a bis d).Nichts anderes gilt, soweit § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen betreffen, die nach dem ebenfalls nicht zu beanstandenden § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind (e).

150

a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wird durch die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Vorschriften über das Standortregister nicht verletzt.

151

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46>; 115, 320 <341>). Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>).

152

aa) Bezugspersonen der im Standortregister gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG erfassten und nach Maßgabe von § 16a Abs. 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG zugänglichen Informationen über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen sind die Bewirtschafter der Anbauflächen und ihre in § 16b Abs. 1a GenTG bezeichneten "Nachbarn". Die Pflicht zur Mitteilung der erforderlichen Angaben an die registerführende Stelle trifft gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG die Bewirtschafter der Anbauflächen.

153

Bewirtschafter ist gemäß § 3 Nr. 13a GenTG "eine juristische oder natürliche Person oder nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die die Verfügungsgewalt und tatsächliche Sachherrschaft über eine Fläche zum Anbau von gentechnisch veränderten Organismen besitzt". Nachbar ist, wer nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder die zu seinem Schutz erforderlichen Auskünfte nicht erteilt hat.

154

Handelt es sich bei den Betroffenen um natürliche Personen, sind diese Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Juristische Personen des privaten Rechts sind als Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt, soweit dieses Grundrecht auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist (vgl. BVerfGE 118, 168 <203>). Auf diese Unterschiede in der Reichweite des Schutzes zwischen natürlichen und juristischen Personen kommt es im vorliegenden Fall einer abstrakten Normenkontrolle jedoch nicht an, da in jedem Fall auch natürliche Personen betroffen sind und der Schutz juristischer Personen nicht weiter reicht.

155

bb) Gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG werden im Standortregister personenbezogene Daten erfasst.

156

Vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur persönliche oder personenbezogene Daten umfasst (vgl. BVerfGE 118, 168 <184> m.w.N.). Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>).

157

Das trifft zunächst auf die nach § 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben über Namen und Anschrift desjenigen zu, der die Anbaufläche bewirtschaftet und auf entsprechende Informationen zum Nachbarn gemäß § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG. Auskunft über sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer Personen erteilen die Angaben über die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften sowie das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 und 4 GenTG) sowie die grundstücksbezogenen Informationen über eine Einschränkung von Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu einem Dritten (§ 16b Abs. 1a GenTG). Die Bezugsperson geht für die registerführende Stelle jeweils aus der Mitteilung, welche die Angaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse der Betroffenen miteinander verbindet, und der gemeinsamen Speicherung der Daten eindeutig hervor.

158

Auf den Wert oder die Sensibilität eines Datums kommt es dabei nicht an. Zwar beschränken sich Name und Anschrift einer Person auf elementare Informationen, die zur Identifizierung benötigt werden. Auch sind die im allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters erfassten Angaben über die Bezeichnung, den spezifischen Erkennungsmarker und die gentechnisch veränderten Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 GenTG) bereits nach internationalem und europäischem Recht zur Bekanntgabe an die Öffentlichkeit vorgesehen und können im Internet insbesondere über das Register für veränderte Organismen der Informationsstelle für biologische Sicherheit ("Biosafety Clearing-House", Art. 20 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl II 2003 S. 1506) und über das Gemeinschaftsregister für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (Art. 28 der Verordnung Nr. 1829/2003) abgerufen werden. Schließlich sind Lage und Größe einer Anbaufläche regelmäßig öffentlich wahrnehmbar, denn Landwirtschaft wird nicht im privaten, sondern im sozialen Raum betrieben. Die Anbaufläche ist in der Natur allerdings im Allgemeinen weder im Hinblick auf den Bewirtschafter noch in Bezug auf den Anbau eines bestimmten Organismus ohne weiteres bestimmbar. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst jedoch alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen können. Er erstreckt sich auch auf Basisdaten wie Name und Anschrift sowie auf offenkundige oder allgemein zugängliche Informationen. Unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung gibt es grundsätzlich kein "belangloses" Datum mehr (vgl. BVerfGE 65, 1 <45>). Durch ihre Verknüpfung erlangen die im Standortregister erfassten Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einen neuen Stellenwert. Zusammengeführt informieren sie insbesondere darüber, dass ein bestimmter gentechnisch veränderter Organismus auf einer bestimmten Fläche von einer bestimmten Person angebaut wird.

159

cc) Die hier zu prüfenden Bestimmungen über das Standortregister ermächtigen die registerführende Stelle zur Erhebung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und greifen damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.

160

Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung können insbesondere in der Beschaffung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Informationen liegen.

161

(1) Die Bestimmungen über das Mitteilen (Erheben) und Erfassen (Speichern) der personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a GenTG und über die Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (Weitergabe) in § 16a Abs. 5 GenTG stellen demgemäß einen Grundrechtseingriff dar.

162

(2) Die Erteilung von Auskünften aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers gemäß § 16a Abs. 4 und § 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG über personenbezogene Daten durch den automatisierten Abruf über das Internet stellt eine Sonderform der staatlichen Datenübermittlung und damit eine Form der Datenverarbeitung dar (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl I S. 66). Ist auf diesem Weg die Weitergabe personenbezogener Daten vorgesehen, so liegt darin ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

163

Der Gesetzgeber hat allerdings für den allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters nur Angaben vorgesehen, die sachliche Verhältnisse beschreiben (§ 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG). Informationen über persönliche Verhältnisse wie Name und Anschrift einer Person sind hingegen im nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erfasst und werden vom Gesetzgeber als "personenbezogene Daten" bezeichnet (§ 16a Abs. 5 GenTG). Durch diese Aufteilung verlieren die in das Internet eingestellten Daten jedoch nicht ihren Personenbezug. Dieser besteht fort, solange die Bezugsperson "bestimmbar" oder "individualisierbar" bleibt. Daher ist - unbeschadet der vom Gesetzgeber gewählten Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten in § 16a Abs. 5 GenTG und anderen Daten in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG - für die Frage des Grundrechtseingriffs allein die Grenze zwischen Bestimmbarkeit und Nichtbestimmbarkeit der Bezugsperson entscheidend. Danach können vorliegend personenbezogene Informationen über das Internet abgerufen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine unbestimmte Zahl von Empfängern über Zusatzwissen verfügt, das es ihnen ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand ermöglicht, die Bezugsperson zu identifizieren. Insbesondere Ortsansässigen kann ohne weiteres bekannt sein, wer welche landwirtschaftlich genutzten Flurstücke in einer Gemarkung bewirtschaftet. Jedenfalls für diese Übermittlungsvorgänge wird die registerführende Stelle durch § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG zur Weitergabe personenbezogener Daten ermächtigt.

164

dd) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

165

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (1) und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (2). Zudem bedarf der effektive Grundrechtsschutz einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens (3).

166

(1) Die Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gemäß § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG entsprechen dem Gebot der Normklarheit und -bestimmtheit.

167

Dieses Gebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG selbst. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <359 f., 372>; 110, 33 <53>; 113, 348 <375>; 118, 168 <186 f.>). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.

168

Nach § 16a Abs. 1 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG dient die Datenerhebung und Datenverarbeitung dem Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange und dem Zweck der Information der Öffentlichkeit.

169

Das Register wird gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 GenTG von der nach § 31 Satz 2 GenTG zuständigen Bundesoberbehörde geführt, der gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a GenTG die erforderlichen Informationen mitzuteilen sind und die gemäß § 16a Abs. 4 und 5, § 16b Abs. 1a Satz 2 und 3 GenTG die Auskünfte aus dem Register erteilt. In § 16a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und in § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG ist dabei präzise bestimmt, wer welche Angaben wann mitzuteilen hat. Des Weiteren ist in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG angegeben, welche Informationen auf welche Weise aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers abgerufen werden können.

170

§ 16a Abs. 5 (ggf. i.V.m. § 16b Abs. 1a Satz 3) GenTG umschreibt schließlich hinreichend präzise die Voraussetzungen für eine Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers. Soweit der Gesetzgeber sich dabei unbestimmter Rechtsbegriffe bedient hat, steht das Bestimmtheitsgebot dem nicht entgegen. Die Begriffe "berechtigtes Interesse" und "überwiegendes schutzwürdiges Interesse" stehen in dem begrenzenden Kontext der Vorschriften zu dem Standortregister und lassen sich in diesem hinreichend konkretisieren.

171

(2) Die zu prüfenden Regelungen über die Erhebung und Verarbeitung der Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind verhältnismäßig.

172

(a) Mit diesen Bestimmungen verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele. Sie dienen der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, der Schaffung einer angemessenen Transparenz sowie den Zwecken des § 1 GenTG. Sie finden eine verfassungsrechtliche Grundlage insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG.

173

Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG dient das Standortregister der Information der Öffentlichkeit. Für die Allgemeinheit soll das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt durch Freisetzungen und Anbau transparent gemacht werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 26). Die Schaffung von Transparenz stellt in diesem Zusammenhang einen eigenständigen und legitimen Zweck der Gesetzgebung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die im Standortregister erfassten und veröffentlichten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen leisten innerhalb der demokratischen, pluralistischen Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Der öffentliche Meinungsaustausch und die Einbeziehung der Gesellschaft in diese umweltrelevanten Entscheidungen und ihre Umsetzung schützen nicht nur den Einzelnen, sondern stärken die effektive Kontrolle staatlichen Handelns. Um solche Transparenz herzustellen, ist es legitim, bestimmte Daten der Öffentlichkeit allgemein und insoweit ohne weitere Bindung an bestimmte Zwecke zugänglich zu machen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schließt die Schaffung allgemein öffentlicher Dateien - auch solcher mit Personenbezug - nicht generell aus. Insbesondere entspricht das Standortregister dem hohen Stellenwert, den die Richtlinie 2001/18/EG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit beimisst. Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG untersagt, im Genehmigungsverfahren vorgelegte Informationen über eine allgemeine Beschreibung von gentechnisch veränderten Organismen, den Namen und die Anschrift des Anmelders, Zweck und Ort der Freisetzung (vgl. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2001/18/EG) sowie die beabsichtigten Verwendungszwecke als vertrauliche Informationen zu behandeln. In seinem Urteil vom 17. Februar 2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass der Mitteilung der in Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG genannten Informationen kein Vorbehalt zugunsten des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder anderer gesetzlich geschützter Interessen entgegengehalten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - C-552/07 -, Slg. 2009, S. I-987 <1029 f.> Rn. 55 und Tenor Ziffer 2).

174

Das Standortregister kommt auch der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter zugute (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es dient damit insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und fremden Eigentums vor schädlichen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Kulturpflanzen und der Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren.

175

Das Standortregister soll ferner die Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf den Koexistenzbelang gemäß § 1 Nr. 2 GenTG und die Information potentiell betroffener Dritter über den geplanten Anbau sicherstellen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des zugrunde liegenden europäischen Koexistenzkonzeptes (hierzu: Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Das Ziel eines verträglichen Nebeneinanders der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden findet seine verfassungsrechtliche Grundlage nicht nur in der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Freiheit anderer Erzeuger zur selbstbestimmten Nutzung ihres Eigentums, sondern auch in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung.

176

Das Standortregister dient schließlich dem Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Insbesondere kann die Information der Öffentlichkeit über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt ein eigenes Urteil über den staatlich genehmigten und überwachten Einsatz von Gentechnik schaffen und die Akzeptanz der staatlichen Entscheidungen verbessern.

177

(b) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

178

Das Standortregister kann die effektive Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange unterstützen und trägt damit zur Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sowie zur Gewährleistung von Koexistenz bei.

179

Die Information der zuständigen Behörden über die Anbauflächen gentechnisch veränderter Kulturen ermöglicht diesen insbesondere, den Anbau und seine Umweltauswirkungen zu beobachten und zu überwachen, Produktionsprozesse gezielt zu kontrollieren, die ordnungsgemäße Anwendung von Koexistenzmaßnahmen sicherzustellen und standortbezogene wissenschaftliche Begleituntersuchungen durchzuführen, um langfristige oder unvorhergesehene Effekte zu erfassen.

180

Das Standortregister ist geeignet, die Öffentlichkeit und mögliche Betroffene über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt zu informieren und damit die gewünschte Transparenz, Koexistenz und gesellschaftliche Befriedung zu befördern. Insbesondere können sich Nachbarbetriebe und andere mögliche Betroffene rechtzeitig über den beabsichtigten Anbau solcher Organismen informieren und Maßnahmen zum Schutz vor Einträgen in ihre Erzeugnisse ergreifen.

181

(c) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist ein ebenso wirksamer, aber die Betroffenen weniger belastender Weg der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nicht ersichtlich.

182

Die zuständigen staatlichen Stellen verfügen über keine vergleichbaren Informationen, auf die sie zur Erfüllung der Zwecke des Standortregisters zurückgreifen könnten. Diese liegen insbesondere nicht schon aufgrund des Genehmigungsverfahrens zum Inverkehrbringen vor. Das Genehmigungsverfahren ist nicht auf den Bewirtschafter von Anbauflächen, sondern auf denjenigen bezogen, der ein Produkt erstmals in Verkehr bringt (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 GenTG).

183

Auch die Mitteilungsfrist von drei Monaten vor dem Anbau gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1 GenTG durfte der Gesetzgeber für erforderlich halten, um das Konzept einer abgestimmten Anbauplanung umzusetzen. Denn bis zur Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen hat nicht nur die Mitteilung an das Standortregister zu erfolgen. Es ist auch der Nachbar zu unterrichten und dessen Angaben sind gegebenenfalls durch eine Anpassung der Anbaupläne zu berücksichtigten. Zudem können schriftliche Vereinbarungen über die gute fachliche Praxis getroffen werden. Diese Änderungen und Vereinbarungen sind wiederum dem Standortregister zu melden. Ferner sind innerbetriebliche Abweichungen von der guten fachlichen Praxis den zuständigen Behörden zu melden.

184

Desgleichen ist die Datenverarbeitung nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 4 und 5, § 16a Abs. 1a GenTG zur Zweckerreichung erforderlich. Ein Antragsverfahren für die Erteilung von Auskünften über die genauen Anbaustandorte würde die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecke nicht ebenso wirksam umsetzen. Das angestrebte hohe Maß an Transparenz könnte nicht erreicht werden, wenn nur die Gemeinde oder Gemarkung des Standortes gemäß § 16a Abs. 4 GenTG in das Internet eingestellt würde. Auch die Möglichkeit der frühzeitigen Planung, Abstimmung und Koordination konkurrierender Nutzungsinteressen und die Wirtschaftlichkeit der Auskunftserteilung wären mit einem Antragsverfahren nicht gleichermaßen gewährleistet.

185

Eine Begrenzung des berechtigten Interesses an der Auskunftserteilung gemäß § 16a Abs. 5 GenTG auf Fälle, in denen eine "wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung" sowie "substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn" drohen, wäre nicht geeignet, die Information möglicher Betroffener in dem vom Gesetzgeber gewollten Umfang sicherzustellen. Insbesondere in der Phase der Anbauplanung dürfte regelmäßig nicht absehbar sein, ob solche Nachteile zu erwarten sind mit der Folge, dass Auskünfte über Namen und Anschrift der Bewirtschafter nicht oder nur in geringem Maße erteilt werden dürften. Die Möglichkeit, mit Hilfe des Standortregisters lokale Erzeugungsstrukturen durch Anbauplanung aufeinander abzustimmen und die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Kulturen zu koordinieren, wäre dann nicht vergleichbar gegeben.

186

(d) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG wahren auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

187

Erheben und Verarbeiten von personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der vorgesehenen Form führen allerdings zu einem Eingriff von Gewicht.

188

Die nach § 16a Abs. 3 und § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden Daten werden im Standortregister verknüpft, so dass neue, über die Einzelangabe hinausgehende Informationen entstehen. Die Datenerhebung erlangt zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie nach Maßgabe von § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG bußgeldbewehrt ist. Auch stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG durch automatisierten Abruf über das Internet eine besonders weitgehende Form des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die Daten können nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken - auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil eines Bewirtschafters oder Nachbarn - verwendet werden.

189

Das Gewicht des Eingriffs wird jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten gemildert.

190

Den Anlass für den Grundrechtseingriff geben die Betroffenen selbst mit einem Verhalten, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Rechtsgüter Dritter haben kann und daher das Bedürfnis nach staatlicher Überwachung und ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Auch ist der mit der Datenerhebung verbundene Aufwand verhältnismäßig gering. Soweit nach § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn eine Mitteilung nach § 16a Abs. 3 Satz 1 oder 3 GenTG nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gemacht wird, ist ein ordnungsgemäßes Verhalten für den Bewirtschafter mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die gemäß § 16a Abs. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben betreffen ausschließlich den Bewirtschafter und seine berufliche Tätigkeit und können von ihm auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Das in der Bekanntgabe über das Internet liegende Gewicht wird schließlich dadurch relativiert, dass die Empfänger den Personenbezug erst durch Zusatzwissen oder eine aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erteilte Auskunft herstellen können. Für die überwiegende Zahl der weltweit in Betracht kommenden Informationsempfänger bleiben die Bezugspersonen anonym. Diese Empfänger werden regelmäßig auch kein Interesse daran haben, den konkreten Anbau einer bestimmten Person zuzuordnen.

191

Angesichts der legitimen Gemeinwohlinteressen, denen das Standortregister dient, ist der Eingriff daher nicht unangemessen. Mit der Aufteilung des Registers in einen allgemein zugänglichen und einen nicht allgemein zugänglichen Teil hat der Gesetzgeber einen tragfähigen und aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Staates und der Öffentlichkeit einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der Bezugspersonen andererseits gefunden.

192

Der gesetzlichen Regelung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass durch die Einrichtung des Standortregisters die Wahrscheinlichkeit mutwilliger Zerstörungen von Anbaukulturen erhöht werde. Bereits vor der Einführung des Standortregisters kam es wiederholt zu Behinderungen von Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen, denen mit dem Einsatz des Polizei- und Strafrechts zu begegnen war. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber sein Konzept eines verträglichen Nebeneinanders der unterschiedlichen Produktionsweisen und einer gesellschaftlichen Befriedung umgesetzt und fortentwickelt. Bestandteil des Konzeptes ist - unbeschadet der ohnehin bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - die transparente Information der Öffentlichkeit über den Einsatz von Gentechnik auf der einen Seite und der Schutz der Nutzer von Gentechnik vor den von dieser Öffentlichkeit ausgehenden Gefahren durch einen nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters und mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts auf der anderen Seite. Der Staat ist, wie auch in anderen Fällen einer Behinderung der Eigentums-, Berufs- oder Forschungsfreiheit durch Dritte verpflichtet, die ungehinderte Betätigung der Grundrechte im Einzelfall zu fördern und zu schützen. Bisher ist nicht erkennbar, dass durch das Standortregister eine Situation so hoher Gefährdung für Bewirtschafter entstanden wäre, dass der Gesetzgeber evident zur Schaffung weitergehender Schutzmechanismen gegen rechtswidrige und strafbare Feldzerstörungen verpflichtet wäre.

193

Auch die Bestimmungen über den nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters in § 16a Abs. 5 GenTG schränken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen ein. Gemäß § 16a Abs. 5 GenTG darf eine Auskunft aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat. Den Rechtsanwender trifft damit die Pflicht zur Abwägung, durch die eine einzelfallbezogene Beurteilung erreicht werden kann.

194

(3) Der Grundrechtsschutz ist schließlich auch durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert.

195

Die Verwendung personenbezogener Daten muss auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt sein (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Auch sind Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten von Bedeutung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt.

196

Die Information der Betroffenen vor der Datenerhebung darüber, welche Daten über das Internet abgerufen werden können und unter welchen Voraussetzungen Auskünfte über die mitgeteilten persönlichen Daten erteilt werden können, ist durch die insoweit klare Gesetzeslage sichergestellt. Dass hierbei bestimmte Daten zur Herstellung von Transparenz der allgemeinen Öffentlichkeit auch ohne weitere Zweckbindung zugänglich gemacht werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

197

Eine Information des gemäß § 16b Abs. 1a GenTG betroffenen Nachbarn über die Mitteilung an das Standortregister kann im Rahmen der Aufklärung über die Rechtsfolgen der schriftlichen Vereinbarung oder der Nichterteilung von Auskünften gemäß § 16b Abs. 1 Satz 3 GenTG erfolgen. Jedenfalls ist der Nachbar ausreichend dadurch geschützt, dass die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten in § 16b Abs. 1a GenTG durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dementsprechend besteht gemäß § 19a Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine Pflicht zur Benachrichtigung eines Betroffenen, ohne dessen Kenntnis die Daten aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erhoben wurden.

198

Eine Benachrichtigung des Betroffenen über den Abruf von Daten aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers erübrigt sich, weil der Betroffene bereits bei der Datenerhebung weiß, welche Daten veröffentlicht werden und sich entsprechend darauf einstellen kann. Im Übrigen sind weitreichende Auskunftspflichten über erhobene und weitergegebene Daten in § 19 BDSG vorgesehen, der gemäß § 16a Abs. 7 GenTG für juristische Personen entsprechend gilt. Gegen § 19 BDSG bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BVerfGE 120, 351 <365>).

199

Der auf ein bestimmtes Vorhaben bezogene und begrenzte Zweck der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gebietet ferner die Löschung aller nicht oder nicht mehr zur Zweckerreichung erforderlichen Daten (vgl. BVerfGE 113, 29 <58>). Dem ist vorliegend durch die gesetzlich angeordnete Löschung der Daten 15 Jahre nach ihrer erstmaligen Speicherung gemäß § 16a Abs. 6 Satz 2, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG genügt.

200

b) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

201

aa) Die Verpflichtung zur Mitteilung von Angaben über den Anbau an das Standortregister nach Maßgabe von § 16a Abs. 3 GenTG verletzt die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

202

Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. BVerfGE 115, 205 <229>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.

203

Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei den gemäß § 16a Abs. 3 GenTG zu erhebenden Daten über den gentechnisch veränderten Organismus und seinen Standort weder um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse noch erscheint die Erhebung und Verarbeitung dieser Daten geeignet, empfindliche Wettbewerbsnachteile nach sich zu ziehen. Da der Anbau im öffentlichen Raum stattfindet, ist seine Wahrnehmung und Kenntnis von vornherein nicht auf einen begrenzten Kreis von Personen beschränkt, der einem landwirtschaftlichen Betrieb oder Unternehmen zugerechnet werden könnte. Der gentechnisch veränderte Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und der spezifische Erkennungsmarker sind, ohne dass es auf das Standortregister ankommt, im Internet veröffentlicht. Zudem muss der Geheimhaltungswille berechtigten wirtschaftlichen Interessen entspringen, so dass es unerheblich ist, ob ein Unternehmen ein negatives Image, das mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sein mag, abwenden will.

204

bb) Die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben an die registerführende Behörde zu übermitteln, stellt eine Berufsausübungsregelung dar, die aber durch die dargestellten Gemeinwohlbelange von überragendem Gewicht gerechtfertigt ist.

205

Im Übrigen bietet das Grundrecht der Berufsfreiheit grundsätzlich keinen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinausgehenden Schutz vor staatlichen informationellen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 118, 168 <205>).

206

c) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder der Gefahr von Eigentumsverletzungen durch Gentechnikgegner kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht.

207

d) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.

208

Erfolgt der Anbau zu wissenschaftlichen Zwecken, so betrifft die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben über den Anbau an die registerführende Behörde zu übermitteln, auch die Bedingungen für die Durchführung des Forschungsprojektes und berührt damit den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die darin liegende Einschränkung weist jedoch in Bezug auf die Forschungsfreiheit kein hohes Gewicht auf und ist durch den Schutz der dargestellten kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt.

209

e) Aus denselben Erwägungen sind die in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG enthaltenen Bestimmungen über die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit durch den Betreiber nach Maßgabe von § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Aus den dargestellten Gründen bestehen auch gegen § 16a Abs. 2 GenTG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

210

4. § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Auch eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht festgestellt werden.

211

a) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG in ihrer zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

212

aa) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG greifen in die Berufsfreiheit ein. Der Gesetzgeber regelt mit diesen Bestimmungen den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. § 16b Abs. 4 und § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG in der Alternative des Inverkehrbringens knüpfen insoweit unmittelbar an die Betätigung zu Erwerbszwecken an; die weiteren angegriffenen Bestimmungen weisen jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Denn sie betreffen typischerweise den erwerbswirtschaftlichen oder gewerbsmäßigen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten und verstehen sich in erster Linie als rechtliche Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Die Pflicht, Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange zu treffen, geht dabei über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus und verlagert die Eingriffsbefugnisse der Behörde im Vergleich zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr zeitlich und sachlich nach vorn.

213

bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

214

(1) Die Regelungen sind hinreichend bestimmt.

215

In § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG definiert der Gesetzgeber den Inhalt und das Ziel der Vorsorgepflicht dahingehend, dass bestimmte Rechtsgüter und Belange "nicht wesentlich beeinträchtigt" werden dürfen. Wann eine Beeinträchtigung wesentlich ist, kann mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln bestimmt werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen europäische Schwellenwerte zur Kennzeichnungspflicht Orientierung bieten und der Begriff durch die in § 36a Abs. 1 GenTG vorgegebenen Interpretationsregeln näher festgelegt werden (BTDrucks 15/3088, S. 27). § 36a Abs. 1 GenTG knüpft an den Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung in § 906 BGB an. Interpretationsgrundsätze, die sich in diesem Regelungszusammenhang herausgebildet haben, können daher auch bei der Auslegung von § 36a Abs. 1 GenTG herangezogen werden.

216

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu beanstanden. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ausgesprochene Rechtsfolge sind für die Betroffenen in zumutbarer Weise zu erkennen. Sie lassen sich jedenfalls im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen. Die Möglichkeiten einer weitergehenden Regelung sind zudem nach der Eigenart des geregelten Lebenssachverhalts begrenzt. Ob und inwieweit die Vorsorgepflicht im Einzelfall abdingbar ist, kann letztlich nur für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse vor Ort geklärt werden. Die sich aus einer Anwendung von § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ergebenden haftungsrechtlichen Fragen hat der Gesetzgeber in § 16b GenTG nicht geregelt. Insoweit konnte er es bei der allgemeinen vertraglichen und außervertraglichen Haftung und den hierzu - auch im Zusammenhang mit einem vertraglichen Verzicht auf eine günstige Rechtsposition - entwickelten Grundsätzen belassen. Insgesamt begegnet § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. in Bezug auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitserfordernis keinen durchgreifenden Bedenken.

217

Auch § 16b Abs. 2 und 3 GenTG sind hinreichend bestimmt gefasst. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in § 16b Abs. 3 GenTG nicht erschöpfend geregelt hat ("insbesondere"). Der Gesetzgeber durfte mit der offenen Fassung dieser Grundsätze der Vielgestaltigkeit des geregelten Lebenssachverhalts Rechnung tragen. Der Begriff der guten fachlichen Praxis ist einerseits offen genug für neue Entwicklungen und andererseits geeignet, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen die Landwirte handeln können und müssen. Was im Einzelfall zur guten fachlichen Praxis gehört, lässt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere auch in Anlehnung an die hinter den Regelbeispielen liegenden Wertungen, mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend bestimmen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 16b Abs. 6 GenTG die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen, die die Grundsätze der guten fachlichen Praxis weiter konkretisieren kann.

218

Schließlich sind die in § 16b Abs. 4 GenTG an die Eignung von Person und Ausstattung gestellten Anforderungen ausreichend bezeichnet. Bei der Umschreibung dieser Anforderungen bedient sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe wie "Zuverlässigkeit" und "Kenntnisse", die seit jeher in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Gesetzen verwendet werden (z. B. § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gaststättengesetz). Diese Begriffe sind in einer langen Tradition von Gesetzgebung, Verwaltungshandeln und Rechtsprechung so ausgefüllt worden, dass an ihrer rechtsstaatlichen Bestimmtheit nicht zu zweifeln ist, mögen sie auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erfordern (vgl. BVerfGE 49, 89 <134>). Ebenso sind die in § 16b Abs. 4 GenTG verwandten Begriffe "Fertigkeiten" und "Ausstattung" mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend zu präzisieren. Wozu die Eignung von Person und Ausstattung dienen soll, ist mit dem Verweis auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht gemäß § 16b Abs. 1 GenTG hinreichend geregelt.

219

(2) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verhältnismäßig.

220

(a) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind als Regelungen der Berufsausübung statthaft, weil sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls legitimiert werden, zur Erreichung der Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich sind und den Betroffenen nicht unzumutbar belasten (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 36, 47 <59>; 61, 291 <312>; 68, 272 <282>; 103, 1 <10>; stRspr). Auch die Sachkundeanforderungen des § 16b Abs. 4 GenTG sind Berufsausübungsregelungen.

221

(b) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung dienen legitimen Gemeinwohlzielen.

222

Mit der Vorsorgepflicht soll ein verantwortungsvoller Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und dadurch einer wesentlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG durch Einträge dieser Organismen vorgebeugt werden (§ 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG). Diesem Ziel dienen auch die Grundsätze der guten fachlichen Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung, welche jeweils auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht bezogen sind (§ 16b Abs. 2, 3 und 4 GenTG). Mit der Vorsorgepflicht trägt der Gesetzgeber der - auch bezogen auf den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen bestehenden - Erkenntnis- und Prognoseunsicherheit Rechnung, die aus dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und dort bestehenden Ungewissheiten resultiert. Die Ausbreitung solcher Organismen soll durch die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis von vornherein möglichst vermieden oder, wenn unvermeidbar, auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Die Anforderungen an die Person und Ausstattung (§ 16b Abs. 4 GenTG) sollen sicherstellen, dass der Anwender hierzu fähig und willens ist und damit die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit gewährleisten (BTDrucks 15/3088, S. 27).

223

§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG dienen damit dem Zweck, Vorsorge gegen schädliche Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte für das Leben und die Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter zu treffen (§ 1 Nr. 1 GenTG). Die Vorschriften konkretisieren zudem die Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) und dienen insoweit insbesondere dem Schutz der Berufs- und Eigentumsfreiheit potentieller Betroffener und dem Ziel, durch die Gewährleistung eines verträglichen Nebeneinanders der landwirtschaftlichen Produktionsformen die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu wahren, Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen und eine gesellschaftliche Befriedung zu erreichen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 27). Schließlich verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG).

224

(c) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

225

Soweit der Gesetzgeber das in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. geregelte Verbot koexistenzgefährdender Handlungen durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 gestrichen und zugunsten der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen durch eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht ersetzt hat, bewegt sich die Änderung innerhalb des ihm zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs. Sie führt nicht zu einer fehlenden Eignung der Regelung wegen einer nicht hinreichend konsequenten Verfolgung des Vorsorgeziels.

226

(d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist kein gleich wirksames, aber die Betroffenen weniger belastendes Mittel erkennbar, um den angestrebten verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu erreichen.

227

Die Erforderlichkeit der Regelungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis kann insbesondere nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter bereits durch das Bewertungs- und Genehmigungsverfahren im Rahmen der Inverkehrbringensgenehmigung sichergestellt werde. Zwar ist die Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen grundsätzlich mit der Einschätzung verbunden, dass unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter wie die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GenTG). Es handelt sich jedoch um eine Prognoseentscheidung, welche das Auftreten von nicht vorhergesehenen schädlichen Auswirkungen etwa auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht ausschließen kann. Der Zweck der auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG bezogenen Vorsorgepflicht liegt gerade darin, ergänzend zu den Genehmigungsbedingungen für ein Inverkehrbringen einen verantwortungsvollen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und damit einen möglichst umfassenden und lückenlosen Rechtsgüterschutz nach der Marktfreigabe zu gewährleisten.

228

(e) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung sind auch im engeren Sinn verhältnismäßig.

229

Die in § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG normierten öffentlichrechtlichen Verpflichtungen enthalten strenge Vorgaben für die Berufsausübung unter Einsatz von zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und greifen daher mit nicht unerheblichem Gewicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein.

230

Die hiermit verbundene Belastung wird schon dadurch begrenzt, dass das Gesetz zugunsten des Einsatzes der "grünen" Gentechnik eine Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen hinnimmt, die nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG führt. Das Gewicht des Eingriffs wird auch durch die nach § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG n.F. bestehende Möglichkeit gemildert, im Einzelfall aufgrund schriftlicher Zustimmung oder Schweigen des Nachbarn ausschließlich zum Schutz der wirtschaftlichen Koexistenz des anderen (§ 1 Nr. 2 GenTG) bestehende Vorgaben nicht zu beachten. Zudem gehören die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen nur zur guten fachlichen Praxis, "soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist". Sie enthalten - derzeit ergänzt und konkretisiert durch die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung - GenTPflEV - vom 7. April 2008, BGBl I S. 655), die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) - normative Vorgaben, auf die sich ein Verwender von gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie ein möglicher Betroffener einstellen kann. Damit hat sich die Rechts- und Planungssicherheit auch für die Anwender verbessert.Ferner können die zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Betriebsführungsmaßnahmen auf bereits bestehenden Trennungspraktiken oder -verfahren und bisherigen Erfahrungen mit der Behandlung identitätsgeschützter Pflanzensorten und den Saatguterzeugungspraktiken aufbauen. Schließlich besteht die Möglichkeit, mit Nachbarbetrieben zusammenzuarbeiten. Management und Erzeugung können koordiniert und zum Beispiel Sorten mit unterschiedlichen Blütezeiten verwendet, unterschiedliche Aussaatzeiten vereinbart oder Fruchtfolgen aufeinander abgestimmt werden. Bereits auf diesem Weg können die Kosten für die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen erheblich gesenkt, das Risiko von Auskreuzungen in benachbarte Kulturen minimiert, die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte für Lebensmittel und Futtermittel ermöglicht und letztlich auch Haftungsfälle von vornherein vermieden werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 27 unter Verweis auf die Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen - 2003/556/EG -, ABl EU 2003 Nr. L 189, S. 36).

231

Demgegenüber überwiegen die legitimen Gemeinwohlziele, die den Gesetzgeber zur Normierung der Vorsorgepflicht, der guten fachlichen Praxis und der Eignung von Person und Ausstattung veranlasst haben. Sie könnten, unbeschadet der Einordnung von § 16b Abs. 4 GenTG als Berufsausübungsregelung, sogar eine Regelung der Berufswahl rechtfertigen. Der Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge sind verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 20a GG verankert. Die flankierenden, oben dargestellten Regelungsziele dienen ebenfalls wichtigen Belangen des Gemeinwohls und sind wie beispielsweise der Verbraucherschutz auch im Unionsrecht anerkannt.

232

Bei der Verwirklichung dieser Ziele muss dem Gesetzgeber gerade vor dem Hintergrund der breiten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte um den Einsatz von Gentechnik und seine angemessene staatliche Regulierung ein großzügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden.

233

Setzt man diese betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Rechte und Interessen zueinander ins Verhältnis und bezieht die weiteren flankierenden Regelungsziele in die Abwägung ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung nicht zu beanstanden.

234

Weder beeinträchtigen die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung die am Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen Beteiligten unzumutbar (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) noch stehen die Anforderungen an Person und Ausstattung außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG).

235

Der Gesetzgeber hat den Behörden und Fachgerichten auch genügend Spielraum belassen, um eine verhältnismäßige Anwendung von § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG im Einzelfall sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, was im Einzelfall zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis gehört. Die allgemein gehaltenen Vorgaben zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis lassen es zu, die tatsächlichen Rahmenbedingungen des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen im Einzelfall, insbesondere an den konkreten Anbaustandorten, angemessen zu berücksichtigen und den Inhalt der Pflichten auf das Maß zu beschränken, welches jeweils zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG erforderlich ist.

236

Der den Rechtsanwendern belassene Spielraum wahrt dabei die Grenzen der Zumutbarkeit. Die erforderlichen Standards sind sukzessive durch administrative und gerichtliche Vorgaben unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuformen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Gentechnik grundsätzlich zugelassen ist und nach dem Willen des Gesetzgebers möglich bleiben soll. § 16b GenTG verlangt keine Vorkehrungen, die mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschließen sollen und damit faktisch auf ein Verbot des Umgangs mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen hinauslaufen können. Die Ausbreitung dieser Organismen soll vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Anforderungen dürfen daher nach der Gesetzeslage nur so weit gehen, wie sie nach den Gegebenheiten des Einzelfalls erforderlich und zumutbar sind. Innerhalb dieses Rahmens geben derzeit die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) den Beteiligten weitere Maßstäbe für die Konkretisierung der angegriffenen Bestimmungen an die Hand. Verbleibende Unsicherheiten führen nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen.

237

Die mit § 16b Abs. 4 GenTG verbundenen Beschränkungen sind aus der Sache heraus legitimiert. Sie beruhen darauf, dass es besonderer theoretischer und praktischer Kenntnisse und einer entsprechenden Betriebsorganisation bedarf, um Einträge in andere Kulturen zu vermeiden oder so weit wie möglich zu reduzieren, und dass die Ausübung des jeweiligen Berufes ohne solche Voraussetzungen unsachgemäß wäre und Gefahren für die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG mit sich bringen würde.

238

b) § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind auch mit der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar.

239

aa) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sind an der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit zu messen, soweit sie nicht ausschließlich für den Umgang zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken gelten. Der Schutzbereich ist insoweit jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten eröffnet.

240

bb) Die Vorgaben der Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis für den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen greifen in die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit ein, die Fragestellung und Methodik einschließlich der praktischen Durchführung eines Forschungsprojektes frei zu bestimmen.

241

cc) Die legitimen Gemeinwohlbelange, die den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, die Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die aus den schon genannten Gründen auch einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

242

c) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG verletzen nicht Art. 2 Abs. 1 GG.

243

Art. 2 Abs. 1 GG kommt als Prüfungsmaßstab für die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von ausländischen Personen und die Verpflichtung von Privatpersonen, die nicht erwerbswirtschaftlich mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen, in Betracht, die nicht unter den Schutz der Berufsfreiheit fallen (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist jedoch aus den zu Art. 12 Abs. 1 GG genannten Gründen gerechtfertigt (oben C II 4 a bb).

244

Soweit § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. an das Schweigen Rechtsfolgen anknüpft, ist hiermit keine unzumutbare Belastung für den Nachbarn verbunden. Selbst wenn man die Regelung als Fall einer fingierten Willenserklärung und Eingriff in die Privatautonomie ansieht, ist sie jedenfalls gerechtfertigt.

245

Die Anknüpfung von Rechtswirkungen an das Schweigen gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. beseitigt Ungewissheiten über die Zustimmung zu einer bestimmten Anbauplanung und verbessert damit die Planungs- und Rechtssicherheit bei den nach § 3 GenTPflEV mitteilungspflichtigen und nach § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG anzeigepflichtigen Grundstücksnutzungen. Damit verbunden ist das Anliegen des Gesetzgebers, die Abstimmung der Anbauplanung als Mittel zur Sicherung der Koexistenz zu fördern und gleichzeitig den Verwender von Gentechnik zugunsten geschützter Interessen nicht mehr als nötig zu belasten. § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist zur Erreichung dieser legitimen Zielsetzung geeignet und erforderlich.

246

Auch die Angemessenheit ist gewahrt. Der Gesetzgeber wertet typisierend diejenigen Personen, denen der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilen ist, als schutzbedürftig. Wer konventionell oder ökologisch wirtschaftet, soll darauf vertrauen dürfen, dass möglicherweise beeinträchtigender Anbau mitgeteilt und abgestimmt wird. Andererseits verlangt der Gesetzgeber von den so Geschützten, sich auf konkrete Anfrage des Verwenders von gentechnisch veränderten Organismen innerhalb einer Monatsfrist über ihr Schutzbedürfnis zu erklären. Andernfalls wird unterstellt, dass kein Schutzbedarf besteht, so dass der Verwender den geplanten Anbau umsetzen kann. Er wird damit auch von der Unsicherheit der Prüfung entlastet, ob in dem Schweigen ein konkludenter Verzicht liegt. Dieser Ausgleich der möglicherweise gegenläufigen Interessen bewegt sich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

247

d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung verletzen auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht.

248

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von Gentechnik im Vergleich zu konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirten folgt aus den besonderen Eigenschaften der Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung legitime Gemeinwohlziele, die so gewichtig sind, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch die Ungleichbehandlung rechtfertigen.

249

Soweit § 16b GenTG zwischen denjenigen, die erwerbswirtschaftlich oder vergleichbar mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen und anderen Verwendern von Gentechnik differenziert, beruht dies zum einen darauf, dass gentechnisch veränderte Organismen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken regelmäßig in größerem Umfang als zu anderen Zwecken eingesetzt werden und die Schutzgüter damit in größerem Ausmaß gefährdet sind. Zum anderen stehen den zusätzlichen Anforderungen im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Umgangs typischerweise auch größere Vorteile aus der Nutzung der Gentechnologie gegenüber. Diese Umstände rechtfertigen die Ungleichbehandlung.

250

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen im Vergleich zu denjenigen, die solche Organismen zu Versuchszwecken freisetzen, knüpft schließlich daran an, dass in der Freisetzungsgenehmigung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall und auf den jeweiligen Versuch und Standort angepasst vorgegeben werden können (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG). Eine angemessene Berücksichtigung konkreter Anbaubedingungen ist hingegen in der Genehmigung zum Inverkehrbringen regelmäßig nicht möglich, da diese für eine Vielzahl von Anbaustandorten und allgemeingültig für jeden Mitgliedstaat erteilt wird. Dieser Umstand rechtfertigt die Differenzierung.

251

5. § 36a GenTG ist mit Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

252

a) Nach der nachbarrechtlichen Konzeption des § 36a GenTG sind Haftungsadressaten die Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks, soweit sie die beeinträchtigende Nutzungsart bestimmen und, wenn die Störung von einer Anlage ausgeht, diejenigen, welche die Anlage halten und von deren Willen die Beseitigung abhängt (vgl. BGHZ 155, 99 <102>).

253

Von § 36a GenTG betroffen sind daher in erster Linie die Verwender von gentechnisch veränderten Organismen in Forschung, Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Zum Kreis der Haftenden gehören ferner juristische Personen des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Universitäten jedenfalls dann, wenn sich die Nutzung des emittierenden Grundstücks nicht als schlicht hoheitliches, sondern privatrechtliches Handeln darstellt und sie daher der zivilrechtlichen Haftung unterliegen. Die Frage, ob sie auch bei schlicht-hoheitlichem Handeln zu den Adressaten des § 36a GenTG zählen, bedarf keiner abschließenden Klärung. Wie die bisherige Rechtsprechungspraxis zeigt, ist die Haftung staatlicher Forschungseinrichtungen nach privatem Nachbarrecht nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24. August 1999 - 14 U 57/97 -, ZUR 2000, S. 29). Insofern ist die Frage einer Verletzung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere von Universitäten in die Prüfung einzubeziehen.

254

b) § 36a GenTG ist mit Art. 14 GG vereinbar.

255

aa) Die Vorschrift regelt in Verbindung mit §§ 906, 1004 BGB, die zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehören (vgl. BVerfGE 72, 66 <75 f.>), die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn.

256

§ 36a GenTG ist keine eigenständige Haftungsregelung, sondern konkretisiert und ergänzt die bestehende verschuldensunabhängige Störerhaftung im privaten Nachbarrecht (§§ 1004, 906 BGB). § 36a GenTG stellt bei der Auslegung und Anwendung zentraler Begriffe der nachbarrechtlichen Bestimmungen durch Vorgabe zwingender Interpretationsregeln sicher, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch in den Fällen besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Benutzung eines fremden Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird (§ 36a Abs. 1 bis 3 GenTG). Ferner wird das private Nachbarrecht um eine Regelung ergänzt, die Schwierigkeiten beim Kausalitätsbeweis behebt (§ 36a Abs. 4 GenTG).

257

Diese neuen Haftungsregelungen knüpfen nicht nur dem Wortlaut nach in § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG an § 906 BGB und dessen Tatbestandsmerkmale an, sondern fügen sich auch in die Systematik der nachbarrechtlichen Störerhaftung ein. Wie bisher gilt, dass wesentliche Einwirkungen, die entweder nicht ortsüblich oder zwar ortsüblich, aber mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu verhindern sind, nicht hingenommen werden müssen. Derartige Beeinträchtigungen sind rechtswidrig. Hiergegen steht dem Betroffenen grundsätzlich ein auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteter Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Hat ein Nachbar hingegen Einwirkungen zu dulden, so kann ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB oder analog dieser Vorschrift gegeben sein (nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch). Unberührt bleiben der Anspruch auf Schutzvorkehrungen nach § 23 Satz 1 GenTG und der Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 23 Satz 2 GenTG insbesondere bei Vorliegen einer nach Anhörung (§ 18 Abs. 2 GenTG) erteilten, unanfechtbaren Freisetzungsgenehmigung.

258

Eine § 36a Abs. 4 GenTG entsprechende Regelung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwar nicht. Die Vorschrift kann jedoch als Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer emittierender Eigentümer und zur Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 BGB und § 287 ZPO auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gesehen werden (vgl. BGHZ 66, 70 <77>; 85, 375 <386 f.>; 101, 106 <111 ff.>).

259

Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien unterstützt, nach denen durch § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG zentrale Elemente der nachbarrechtlichen Bestimmungen (§§ 906, 1004 BGB) konkretisiert und mit § 36a Abs. 4 GenTG eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 Abs. 1 BGB normiert werden sollten (vgl. BTDrucks 15/3088 S. 31).

260

§ 36a GenTG stellt sich daher nach seinem Sinn und Zweck als Norm der nachbarrechtlichen Störerhaftung dar. Eine neuartige Haftung im System des privaten Nachbarrechts wird hierdurch nicht begründet. Auch die §§ 906, 1004 BGB regeln die Koexistenz von Nachbarn.

261

Der Anspruch auf angemessenen Ausgleich analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 155, 99 <103 f.>). Denn im Gegensatz zur Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn geht es bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anlage oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige, aber aus tatsächlichen Gründen zu duldende Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung. Der Ausgleich richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380> m.w.N.). Diese Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts ist mit einem Schadensersatzanspruch nicht notwendig deckungsgleich; es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380>).

262

Konkurrierende konventionell oder ökologisch wirtschaftende Landwirte sind ebenso wie andere Emittenten auch der verschuldensunabhängigen Störerhaftung im Nachbarrecht unterworfen. Die Bezugnahme auf öffentlichrechtliche Grenzwerte (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB) ist der nachbarrechtlichen Störerhaftung ebenso wenig fremd wie die Ursachenvermutung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises bei mehreren Verursachern (§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO). Dass die Risiken einer Grundstücksnutzung möglicherweise nicht angemessen kalkuliert und versichert werden können, schließt die nachbarrechtliche Störerhaftung nicht aus. Eine Freistellung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen von der verschuldensunabhängigen Haftung im Nachbarrecht würde im Ergebnis daher keine Benachteiligung beseitigen, sondern diese im Vergleich zu anderen Emittenten privilegieren.

263

bb) § 36a GenTG bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen wegen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen Abwehransprüche aus § 1004 BGB und Ausgleichsansprüche nach oder analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks geltend gemacht werden können.

264

Wie die §§ 906, 1004 BGB legt die Norm in generell-abstrakter Weise Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer fest und ist damit Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift wahrt die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung zu stellen sind.

265

(1) Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt.

266

Die Bezugnahme auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die auch von einem anderen, namentlich dem europäischen Gesetzgeber erlassen und von ihm geändert werden können, ist nicht zu beanstanden.

267

Nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG stellen die Pflicht zur Kennzeichnung von Erzeugnissen als gentechnisch verändert (Nr. 2) oder der Verlust einer Kennzeichnungsmöglichkeit hinsichtlich einer bestimmten Produktionsweise (Nr. 3) als Folge eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen eine wesentliche Beeinträchtigung des Eigentums im Sinn von § 906 BGB dar. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG setzt also die Existenz von "Vorschriften" oder "Rechtsvorschriften" über die Kennzeichnung zwar voraus, um einen Sachverhalt zu definieren, der den Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB oder den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslöst. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verweisung auf die jeweiligen Kennzeichnungsvorschriften. Diese werden weder zum Bestandteil von § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG noch ändern sich ihr Anwendungsbereich, Rang oder ihre Qualität. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine dem Anspruchssteller nachteilige Rechtslage beschrieben, deren Folgen dem Anspruchsschuldner als Verursacher zuzurechnen sind. Eine vergleichbare Regelungstechnik mit Hilfe einer Generalklausel enthält § 823 Abs. 2 BGB, der die Existenz von Schutzgesetzen voraussetzt.

268

Der Gesetzgeber hat auch im Übrigen alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Nach seinem Willen sollen der Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB und der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen, wenn der Nutzungsberechtigte eines benachbarten Grundstücks wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen mit einer gesetzlichen Pflicht zur Kennzeichnung belastet wird oder eine ihm vorteilhafte gesetzliche Möglichkeit der Kennzeichnung entfällt. Die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung können sich zwar - etwa durch Absenkung oder Anhebung bestimmter Schwellenwerte - ändern. Die für die Haftung relevante Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass eine dem Störer zuzurechnende Rechtspflicht zur Kennzeichnung oder der ihm zuzurechnende Verlust der Möglichkeit einer Kennzeichnung die Benutzung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, bleibt davon unberührt. Sie schließt auch eine Verschärfung der Haftung durch eine Absenkung von Kennzeichnungsschwellenwerten ein.

269

§ 36a Abs. 1 GenTG begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, soweit die Fallgruppen einer wesentlichen Beeinträchtigung nicht abschließend normiert wurden ("insbesondere").

270

§ 36a Abs. 1 GenTG definiert und konkretisiert den in § 906 BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der "wesentlichen Beeinträchtigung" im Zusammenhang mit dem Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen. Soweit der Gesetzgeber die Fälle wesentlicher Beeinträchtigungen nicht abschließend beschrieben hat ("insbesondere"), trägt dies der Vielzahl denkbarer, möglicherweise derzeit nicht vollständig überschaubarer Fallgestaltungen Rechnung.

271

(2) Der Gesetzgeber hat auch die Interessen der Beteiligten und das Gemeinwohl in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht (vgl. BVerfGE 87, 114 <138>; 95, 48 <58>; 98, 17 <37>; 101, 239 <259>; 102, 1 <17>).

272

(a) Mit der Aufnahme des § 36a GenTG verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele.

273

Diese ergeben sich sowohl aus der Funktion der von § 36a GenTG ergänzten und konkretisierten nachbarrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 906 BGB) als auch aus den Zielen des Gentechnikgesetzes1 GenTG).

274

(aa) Wie § 906 BGB bezweckt § 36a GenTG den notwendigen Interessenausgleich von Grundstücksnachbarn bei bestimmten Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Auch diese Norm schützt die von Einwirkungen betroffenen Grundeigentümer in ihrer von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit, den Eigentumsgegenstand nach eigenen Vorstellungen zu nutzen und über die Verwendung des Eigentumsobjekts frei zu entscheiden. Wie die §§ 1004, 906 BGB weist § 36a GenTG dem Störer die sachliche und finanzielle Verantwortung für die von seinem Grundstück ausgehenden (wesentlichen) Einwirkungen zu. Soweit er nach § 1004 BGB oder nach beziehungsweise analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Unterlassung, Beseitigung oder zum angemessenen Ausgleich verpflichtet ist, haftet er - und nicht unbeteiligte Dritte oder die Allgemeinheit - für die Kostenfolgen. Diese Zurechnung hat ihren Grund darin, dass der Störer die Beeinträchtigung veranlasst hat, dass er sie am besten und effektivsten beheben kann und dass ihm die Vorteile aus der störenden Grundstücksnutzung zugute kommen. Schließlich hat § 36a Abs. 4 GenTG wie § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ziel, eine Beweisschwierigkeit des Geschädigten zu überwinden. Dessen Ersatzanspruch soll nicht daran scheitern, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten, deren Handlung den Schaden beziehungsweise die Beeinträchtigung verursacht haben kann, der eigentliche Schädiger gewesen ist (vgl. BGHZ 55, 96 <98>; 101, 106 <111>). Dem Interesse des Eigentümers, Nutzers oder Anlagenbetreibers, zur Haftung nur insoweit herangezogen zu werden, als ihn eine (Mit)Verantwortung für die Beeinträchtigung treffen kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass die ihm zuzurechnende Einwirkung nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls geeignet gewesen sein muss, die Beeinträchtigung zu verursachen (§ 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG). Die Gesamtschuld folgt dabei dem für § 840 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilsmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre.

275

(bb) Mit dem Schutz der Nachbarn dient § 36a GenTG auch der Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des europäischen Koexistenzkonzeptes (Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Nach § 1 Nr. 2 GenTG ist Ziel des Gesetzes zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel sowohl konventionell oder ökologisch als auch unter Einsatz von Gentechnik erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Wie dargelegt, findet diese Zielsetzung ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

276

Zur Verwirklichung dieses Zwecks soll mit § 36a GenTG sichergestellt werden, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch für Fälle besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Nutzung einer fremden Sache wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 30). Während mit Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis der verantwortungsvolle Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange durch Einträge dieser Organismen von vornherein vermieden werden sollen, dient § 36a GenTG der Abwehr von (dennoch auftretenden) Eigentumsbeeinträchtigungen und dem Ausgleich damit verbundener Vermögensschäden bei benachbarten Produzenten (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Die Wahlfreiheit der Produzenten soll gewahrt und das Eigentum an den jeweiligen Kulturen geschützt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19). Die Ausübung der einen Produktionsmethode soll nicht zu einer wirtschaftlichen Bedrohung der Personen führen, die eine andere Methode anwenden.

277

Mit der Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) soll ferner die Wahlfreiheit für Verbraucher durch Bereitstellung einer breiten, transparent gekennzeichneten Produktpalette gewahrt, Rechts- und Planungssicherheit für alle Seiten sichergestellt und jenseits der Risikodiskussion ein gesellschaftliches Nebeneinander der unterschiedlichen Produktionsweisen sowie eine gesellschaftliche Befriedung erzielt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21).

278

Schließlich wird mit § 36a GenTG das europäische Koexistenzkonzept auf nationaler Ebene umgesetzt. Dies verleiht den mit § 36a GenTG verfolgten Zwecken zusätzliches Gewicht. Insbesondere das Ziel, den Landwirten eine freie Entscheidung zwischen konventionellen oder ökologischen Anbaumethoden oder gentechnisch veränderten Kulturen unter Einhaltung der Regeln für Etikettierung und/oder Sortenreinheit zu ermöglichen, als auch das Ziel, den Verbrauchern die freie Wahl zwischen gentechnikfreien und mit Gentechnik hergestellten Produkten zu garantieren, sind zentrale Anliegen auch auf europäischer Ebene (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Soweit § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG das wegen eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen ohne entsprechende Marktzulassung geltende Verbot des Inverkehrbringens als wesentliche Beeinträchtigung definiert, entspricht dies dem europarechtlich geltenden Anbau- und Vermarktungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen, die als Produkte oder in Produkten nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (Art. 6 Abs. 9, Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG).

279

(cc) § 36a GenTG fördert außerdem die Ziele von § 1 Nr. 1 GenTG und damit den Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG). § 36a GenTG kommt diesen Zielen nicht nur als präventives Instrument zur Durchsetzung von Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis zugute. Auch die für den Nachbarn mit der Konkretisierung und Ergänzung der nachbarrechtlichen Vorschriften gewährleistete Möglichkeit, (bestimmte) Einträge abzuwehren, dient dem Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Güter vor möglichen Gefahren der Gentechnik. Dies gilt insbesondere, soweit die Organismen noch nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG).

280

(dd) § 36a GenTG setzt auch den Zweck um, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Die Freisetzung und der Anbau gentechnisch veränderter Kulturen werden grundsätzlich akzeptiert. Nachbarn haben Beeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen im Regelfall zu dulden, soweit gesetzliche Toleranzwerte nicht überschritten oder die Methoden guter fachlicher Praxis gewahrt sind. Die haftungsrechtliche Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit dem herkömmlichen Anbau (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann den großräumigen Einsatz gentechnisch veränderter Kulturen fördern.

281

(b) Die Konkretisierung und Ergänzung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist angesichts des breiten Spielraums, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gibt (vgl. BVerfGE 53, 257 <293>), zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich.

282

Es ist auch kein ebenso geeignetes, aber weniger belastendes Mittel erkennbar, das der Gesetzgeber hätte wählen können. Lösungsansätze wie die Einführung eines Mediationsverfahrens und spezieller Anbaugebiete für gentechnisch veränderte Kulturen und für ökologische Erzeugnisse folgen einer anderen Konzeption für die Bewältigung der Koexistenzproblematik und sind nicht geeignet, die mit § 36a GenTG verfolgten Zwecke in ihrer Gesamtheit vergleichbar umzusetzen.

283

Die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Möglichkeit eines freiwilligen Haftungsfonds der Wirtschaft wurde von der Saatgutindustrie abgelehnt (vgl. Deutscher Bundestag, Wortprotokoll der 61. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. November 2007 - Protokoll Nr. 16/61 -, S. 12 Frage Nr. 3). Die Einrichtung eines zumindest teilweise staatlich finanzierten Haftungsfonds stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, um die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele zu verwirklichen. Ein Haftungsfonds dient anderen Zielen. Rechtlich würden die Verwender von Gentechnik von der sie als Störer treffenden Folgenverantwortung zumindest teilweise befreit und damit im Vergleich zu ihren Konkurrenten in der konventionellen und ökologischen Produktion besser gestellt. Volkswirtschaftlich entfiele für sie der Anreiz, neben privaten oder betriebswirtschaftlichen Kosten negative externe Effekte bei ihren Aktivitäten zu berücksichtigen. Schädigende Wirkungen der Grundstücksnutzung für Dritte würden über den staatlichen Haftungsfonds von der Allgemeinheit getragen und damit gentechnisch veränderte Produkte bezuschusst werden.

284

(c) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG stellt schließlich einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der betroffenen Interessen dar.

285

(aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts durch § 36a GenTG gibt einerseits der Nutzung von Grundstücken für genehmigte Freisetzungen und genehmigten Anbau zum Inverkehrbringen strengere Rahmenbedingungen vor. Insbesondere bestehen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt, nachbarrechtliche Ansprüche auch dann, wenn Einträge von gentechnisch veränderten Organismen mit den Methoden guter fachlicher Praxis nicht zu verhindern sind.

286

(bb) Auf der anderen Seite führt die Vorgabe zwingender Interpretationsregeln für zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Bestimmungen zu mehr Rechts- und Planungssicherheit auch für die Verwender von Gentechnik. Die Gerichte haben vor Einführung des § 36a GenTG die §§ 1004, 906 BGB auf Einträge von DNA durch Pollen, Samen oder auf sonstige Weise angewandt, wobei sich eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht herausbilden konnte. Durch bestehende Auslegungsspielräume war die Rechtslage nicht nur für mögliche Betroffene, sondern auch für die Verwender unklar und damit das Haftungsrisiko schwer zu kalkulieren. Diese Lage hat sich nunmehr verbessert. So knüpfen § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung an gemeinschaftsrechtlich wie auch im deutschen Recht festgelegte Grenzwerte, also an normative Standards an, die für den betroffenen Nutzungsberechtigten gelten und auf die sich ein Nachbar ebenso einstellen kann. Mit der haftungsrechtlichen Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und des herkömmlichen Anbaus (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann der flächendeckende Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in bestimmten Gebieten ermöglicht und gefördert werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwender von Gentechnik eine vergleichsweise strengere "Sonderhaftung" trifft und sie Einwirkungen der benachbarten Landwirtschaft schutzlos gegenüberstehen. Sie können wesentliche Beeinträchtigungen nach §§ 1004, 906 BGB, die von gentechnikfrei bewirtschafteten Nachbarfeldern ausgehen, ebenfalls abwehren oder, sofern sie zur Duldung verpflichtet sind, einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen. Die verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Störerhaftung gibt insoweit auch die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung der konventionell oder ökologisch arbeitenden Landwirte vor. Hinsichtlich der in § 36a Abs. 4 GenTG geregelten Beweiserleichterung gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vergleichbare Grundsätze nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften (vgl. BGHZ 101, 106 <108>).

287

Die haftenden Grundstückseigentümer und -nutzer haben eine etwaige Störung zudem veranlasst, von ihrem Willen hängt die Beseitigung der Störung ab und ihnen kommen die Vorteile aus der störenden Nutzung zu. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers findet ihren Grund in der Sachherrschaft über das Eigentum und den damit verbundenen Vorteilen, aber auch Lasten. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache im Übrigen selbst dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist (vgl. BVerfGE 102, 1 <19>).

288

(cc) Mit dem bezweckten Interessenausgleich zwischen Grundstücksnachbarn, der Sicherung der Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugungsformen sowie dem Schutz und der Vorsorge vor den Gefahren der Gentechnik werden insbesondere Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt als andernfalls gefährdete Güter von Verfassungsrang geschützt. Weitere wichtige, auch europarechtlich anerkannte Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Verbraucher werden gestärkt. Stellt man diese Schutzgüter in die Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

289

c) § 36a GenTG greift in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist jedoch auch insoweit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

290

aa) Die wirtschaftliche Nutzung eines emittierenden Grundstücks zu Erwerbszwecken fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG. Die von § 36a GenTG geregelten Sachverhalte betreffen zwar nicht ausschließlich, jedoch typischerweise ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten. § 36a GenTG gibt die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die individuelle Erwerbs- und Leistungstätigkeit unter Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen vor und dient dem Gesetzgeber auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit diesen Organismen. Insoweit unterscheidet sich § 36a GenTG von § 906 BGB, der gleichermaßen berufsbezogene wie private Grundstücksnutzungen erfasst.

291

§ 36a GenTG ist daher neben Art. 14 Abs. 1 auch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.

292

bb) § 36a GenTG enthält zwar keinen unmittelbaren Eingriff. Der Grundrechtsschutz ist aber nicht auf unmittelbare Eingriffe beschränkt. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung dabei auch gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, jedoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 95, 267 <302>; 97, 228 <254>; 111, 191 <213>; stRspr).

293

Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie berufliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen eines Haftungsfalls, die einzelne Verwender von Gentechnik erheblich treffen und von entscheidender Bedeutung für deren weitere berufliche Tätigkeit sein können. Darüber hinaus wird denjenigen, die ein Grundstück erwerbswirtschaftlich nutzen, ein Anreiz vermittelt, einen Haftungsfall durch Einhaltung der guten fachlichen Praxis (§ 16b GenTG) zu vermeiden und die anfallenden Kosten bei ihren Entscheidungen im Rahmen der Berufsausübung und der Marktteilhabe zu veranschlagen. Dies kann die Wahl der Mittel, des Umfangs und der gegenständlichen Ausgestaltung der Betätigung ebenso beeinflussen wie die Entscheidungen über Art, Qualität und Preis der für den Markt produzierten Güter. Die Ergänzung und Konkretisierung nachbarrechtlicher Vorschriften erfasst dabei typischerweise die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte erwerbswirtschaftliche Nutzung von Grundstücken und setzt die Rahmenbedingungen für die entsprechende Berufsausübung. Die Haftung dient dem Gesetzgeber nicht nur zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Grundstücksnachbarn, sondern auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und zur Gewährleistung der Koexistenz verschiedener Anbauformen in der Landwirtschaft.

294

Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man in § 36a GenTG nur eine Konkretisierung dessen sehen würde, was nach § 906 BGB und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin gegolten hätte. Die allgemeinen Regeln des Nachbarrechts sind zwar für die Berufsausübung Rahmenbedingungen, welche diese nur reflexhaft treffen. § 36a GenTG kommt jedoch eine gegenüber § 906 BGB eigenständige und nicht nur reflexartig berufsregelnde Wirkung zu. In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG hat der Gesetzgeber zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Haftung nach §§ 1004, 906 BGB durch zwingende Interpretationsregeln konkretisiert und insoweit der Auslegung und einzelfallbezogenen Anwendung durch die Gerichte entzogen. Dies geschieht gerade in Bezug auf Sachverhalte, die typischerweise auf der beruflichen Nutzung von Grundstücken beruhen. Die der Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises dienende Regelung in § 36a Abs. 4 GenTG ist im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts für alle Rechtsanwender verbindlich normiert, während das Bürgerliche Gesetzbuch eine entsprechende Vorschrift neben den von der Rechtsprechung analog angewendeten Bestimmungen in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO nicht kennt.

295

cc) Der mittelbare Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

296

(1) Keine rechtsstaatlichen Bedenken gegen § 36a GenTG bestehen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, vermittelt durch eine Genehmigung zum Inverkehrbringen. Genehmigungsinhaber dürfte beim kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bereits regelmäßig nicht der nach §§ 1004, 906 BGB, § 36a GenTG haftende Landwirt, sondern der Hersteller des zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes sein. Jedenfalls darf ein Genehmigungsinhaber aufgrund der öffentlichrechtlichen Genehmigung nicht mit Wirkung für Dritte darauf vertrauen, dass die genehmigte Nutzung keine Beeinträchtigungen oder Schäden verursachen wird.

297

Die Genehmigung trifft, mit Ausnahme der ausdrücklichen Präklusion von Abwehransprüchen in § 23 Satz 1 GenTG, für die zivilrechtliche Haftung keine Aussage, überträgt keine Verantwortung für Beeinträchtigungen auf den Staat und schafft keinen Vertrauenstatbestand, der einer späteren Haftung entgegensteht. Dementsprechend bestimmen Art. 7 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, dass die Erteilung der Zulassung die allgemeine zivil- und strafrechtliche Haftung der Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer hinsichtlich des betreffenden Lebens- oder Futtermittels nicht einschränkt. Es kommt auch nicht darauf an, ob dem Inhaber einer gentechnikrechtlichen Genehmigung öffentlichrechtliche Vorgaben gemacht und diese eingehalten wurden. Solche öffentlichrechtlichen Pflichten sollen im Interesse der Allgemeinheit die Risiken der Veränderung von Erbmaterial gering halten. Sie haben jedoch nicht die Funktion, einen Störer oder Schädiger von seiner zivilrechtlichen Verantwortung freizustellen.

298

(2) § 36a GenTG ist eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung.

299

Aus den gleichen Gründen, aus denen die Vorschrift als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums für die Nutzung von Grundstückseigentum anzusehen ist, dient sie auch unter dem Gesichtspunkt der Regelung der Berufsausübung legitimen Gemeinwohlzielen und ist für deren Verfolgung geeignet, erforderlich und angemessen.

300

dd) Soweit nicht vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Personen in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden können, liegt darin ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der aus denselben Gründen gerechtfertigt ist.

301

d) Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit ist gleichfalls nicht verletzt.

302

aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie wissenschaftliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Die Norm bestimmt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Folgenverantwortung von Wissenschaftlern und verändert damit die Rahmenbedingungen für eine freie Forschung. Das konkrete Haftungsrisiko, die Folgen eines Haftungsfalls und die für Vorsorgemaßnahmen entstehenden Aufwendungen sind Faktoren, welche für die Entscheidung über Fragestellung, Umfang und praktische Ausführung eines Forschungsprojektes von maßgeblicher Bedeutung sein können. Mit der strengen, verschuldensunabhängigen Haftung kann Forschung dahingehend gesteuert werden, dass Risiken frühzeitig bedacht und Experimente so organisiert und durchgeführt werden, dass Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf andere Grundstücke und damit verbundene Nachteile für Dritte und die Allgemeinheit vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden.

303

bb) Dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist gerechtfertigt.

304

Im Bereich der Grundstücksnutzung für Forschungsarbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen stehen sich verschiedene Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen gegenüber. Denn die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele finden eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG. Diese sind Verfassungswerte, die auch die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

305

Der Gesetzgeber war um einen Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen bemüht. Dieses Anliegen verdeutlichen nicht nur die mit § 36a GenTG verfolgten Gemeinwohlziele, sondern auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gentechnikänderungsgesetz 2008. Die Regelungen des Gentechnikrechts sollten danach so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland fördern. Gleichzeitig sollte aber der Schutz von Mensch und Umwelt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen sollten gewahrt bleiben (BTDrucks 16/6814, S. 10).

306

Diesen Zielsetzungen entsprechend dienen dem Gesetzgeber neben der grundsätzlichen Akzeptanz von Freisetzung und Anbau gentechnisch veränderter Kulturen insbesondere Verfahrenserleichterungen dazu, die Forschung auf dem Gebiet der "grünen" Gentechnik voranzubringen. Andererseits setzt der Gesetzgeber der Forschung mittels einer strengen zivilrechtlichen Haftung dort Grenzen, wo Rechte Dritter gefährdet oder beeinträchtigt werden.

307

Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung berücksichtigt die beteiligten verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter in ausreichendem Maße und wahrt die verfassungsrechtlichen Vorgaben.

308

Zwar unterwirft § 36a GenTG die freie Wissenschaft und Forschung zum Schutz kollidierender Rechtsgüter derselben strengen Haftung, wie sie auch für den sonstigen Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen gilt. Werden nicht zum Inverkehrbringen zugelassene Organismen zu Forschungszwecken freigesetzt, können bereits Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und der damit verbundenen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG). Werden zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen untersucht und erprobt, sind die Methoden guter fachlicher Praxis zu beachten (§ 16b Abs. 2 und 3 GenTG). Diese gelten gemäß § 36a Abs. 2 GenTG als wirtschaftlich zumutbar. Auch die Forschung ist nicht von der Haftung freigestellt, soweit eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bereits durch Schutzmaßnahmen und gute fachliche Praxis verhindert werden kann. Das Risiko eines gewissen, beim Anbau auf offenen Feldern möglicherweise nicht zu vermeidenden Gentransfers tragen auch im Forschungsbereich die Benutzer des emittierenden Grundstücks. Geeignete Standorte für das experimentelle Einbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt müssen von ihnen daher besonders sorgfältig ausgewählt werden. Der Gesetzgeber geht jedoch trotz dieser strengen Haftung davon aus, den Förderungszweck des § 1 Nr. 3 GenTG umsetzen und einen Beitrag für die Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland leisten zu können. Seine Annahme, die Forschung bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Umwelt und Wahrung der Koexistenz fördern zu können, ist vertretbar.

309

Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zugunsten der Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 47, 327 <369 f.>). Die Forschung im Bereich der "grünen" Gentechnik, sei es Sicherheitsforschung, Entwicklungsforschung oder Begleitforschung, ist zudem von hoher Bedeutung für das Gemeinwohl und dient regelmäßig dem Schutz wesentlicher Belange wie der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von solchen Organismen abgeleitet sind oder diese enthalten (vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach dem "Stufenprinzip" dürfen die Einschließung solcher Organismen nur dann stufenweise gelockert und ihre Freisetzung ausgeweitet werden, wenn die Bewertung der vorherigen Stufe in Bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergeben hat, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann (vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie 2001/18/EG). Gentechnisch veränderte Organismen in Produkten oder als Produkte dürfen für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn sie zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von ihrer Anwendung betroffen sein können, ausreichend praktisch erprobt wurden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach der Zulassung findet eine Überwachung und marktbegleitende Beobachtung statt. Neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse über Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt können einen Mitgliedstaat berechtigen, den Einsatz und Verkauf eines gentechnisch veränderten Organismus als Produkt oder in einem Produkt vorübergehend einzuschränken oder zu verbieten. Forschung mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann der Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen dienen, indem sie die Grundlagen für die Entwicklung einer guten fachlichen Praxis liefert. Schließlich ist die Wechselwirkung des in die Umwelt eingebrachten gentechnisch veränderten Organismus mit einem umgebenden Ökosystem nicht nur unbeabsichtigte Nebenfolge, sondern unverzichtbarer Gegenstand der Untersuchung. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen wissenschaftlicher Projekte Basisdaten zur Koexistenz von Anbauformen mit oder ohne Gentechnik erhoben, ausgewertet und in Empfehlungen für die Praxis umgesetzt werden sollen. Aber auch in der Entwicklungs- und Sicherheitsforschung kann die Verbreitung des gentechnisch veränderten Organismus in der Umwelt notwendiger Teil eines Experimentes sein.

310

Zugunsten der kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang - Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt - ist in die Abwägung einzustellen, dass die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen sie gefährden kann. Insbesondere die Sicherheits- und Entwicklungsforschung vor der Marktzulassung eines gentechnisch veränderten Organismus kann ein hohes Risikopotential bergen, da noch unklar sein kann, wie dieser Organismus funktioniert und welche Schäden er für Menschen, Pflanzen, Tiere und Biodiversität verursacht. Der Erprobungsanbau von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann das verträgliche Nebeneinander der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen einerseits durch die Erlangung von Daten zur Koexistenz fördern, andererseits durch Auskreuzungen oder andere Einträge dieser Organismen auf benachbarte Flächen die kollidierenden Belange (insbesondere Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) beeinträchtigen. Für jeden Forschungsbereich gilt, dass einmal in die Umwelt absichtlich eingebrachte oder durch einen Störfall freigesetzte Organismen unter Umständen nicht mehr zurückgeholt werden und Beeinträchtigungen oder Schäden an Rechtsgütern Dritter oder der Umwelt damit irreversibel sein können.

311

Bezieht man diese Gesichtspunkte in die Betrachtung ein, so ist die vom Gesetzgeber in § 36a GenTG vorgenommene Gewichtung zugunsten der kollidierenden Gemeinwohlbelange nicht zu beanstanden. Die Grenze der Zumutbarkeit ist auch für die zu Forschungszwecken handelnden Grundstückseigentümer oder Grundstücksnutzer nicht überschritten.

312

e) § 36a GenTG verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.

313

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.

314

In § 36a Abs. 1, 2 und 4 GenTG werden diejenigen, die ein Grundstück unter Einsatz von Gentechnik nutzen und daher in den Anwendungsbereich der das private Nachbarrecht konkretisierenden und ergänzenden Bestimmungen fallen, ungleich behandelt im Vergleich zu anderen Emittenten, die nach allgemeinem zivilrechtlichen Nachbarrecht haften. Auch wenn die Haftungsbestimmungen damit jeweils andere Personengruppen betreffen, geht es um die unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte, nämlich den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen im Unterschied zur sonstigen Grundstücksnutzung. Daher ist der Gesetzgeber nur an den Willkürmaßstab gebunden.

315

Der Gesetzgeber hat die Differenzierung nach sachbezogenen Kriterien vorgenommen. § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine für die betroffenen Nutzungsberechtigten im Zusammenhang mit Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen geltende Rechtslage und daraus resultierende Nachteile an. Vergleichbare Genehmigungs- und Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Produkte, die durch Einträge aus konventioneller oder ökologischer Produktion ausgelöst werden könnten, bestehen derzeit nicht. In § 36a Abs. 2 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine besondere Rechtslage an, die nur für diejenigen gilt, die mit verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen umgehen. § 36a Abs. 4 GenTG beruht auf dem Anliegen, die von der Rechtsprechung im Rahmen der allgemeinen nachbarrechtlichen Störerhaftung für andere Emittenten entwickelten Grundsätze für den Bereich des Gentechnikrechts gesetzlich zu regeln.

316

Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung die bereits dargestellten, verfassungsrechtlich verankerten legitimen Gemeinwohlziele. Diese sind so gewichtig, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Emittenten und erst recht die unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten rechtfertigen.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

§ 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung vom 1. April 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 499) geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Der Normenkontrollantrag betrifft die Vereinbarkeit von Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993, BGBl I S. 2066; zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2542) mit dem Grundgesetz. Angegriffen werden Regelungen über die Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), über das Standortregister (§ 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG), über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG), welche auf das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts (im Folgenden: Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 - GenTNeuOG 2004) vom 21. Dezember 2004 (BGBl I 2005 S. 186) und das Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung (im Folgenden: Gentechnikänderungsgesetz 2008 - GenTÄndG 2008) vom 1. April 2008 (BGBl I S. 499) zurückgehen.

I.

2

1. Die gezielte Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen mit technischen Methoden (Gentechnik; vgl. BTDrucks 11/5622, S. 19) eröffnet die Möglichkeit, planmäßig Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um Organismen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen, die mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht herstellbar wären. Dementsprechend ist ein gentechnisch veränderter Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt (§ 3 Nr. 3 GenTG).

3

Der Normenkontrollantrag betrifft vornehmlich den Einsatz von Gentechnik bei Kulturpflanzen sowohl zu kommerziellen Zwecken, etwa in der Landwirtschaft und der Saatgutproduktion, als auch zu Forschungszwecken. Durch diese umgangssprachlich als "grüne" Gentechnik bezeichnete Anwendung sollen agronomisch wünschenswerte Ergebnisse wie Produktivitätssteigerungen oder Reduktionen von Umweltbeeinträchtigungen erzielt werden. Pflanzen sollen beispielsweise ernährungsphysiologische Vorteile und einen besseren Geschmack erhalten, eine längere Lagerfähigkeit aufweisen, Rohstoffe liefern oder Arzneimittel produzieren. Risiken und Chancen dieser Nutzung der Gentechnik sind umstritten und nicht abschließend geklärt. Durch den Transfer von Genmaterial auch über Artgrenzen hinweg können einerseits wünschenswerte Eigenschaften gezielt beeinflusst werden, andererseits besteht das Risiko, dass es zu unerwünschten Nebenfolgen kommt. Indem gentechnisch veränderte Organismen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt ausgebracht werden, können sie sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten. Diese Auswirkungen können unumkehrbar sein.

4

Vor diesem Hintergrund dient eine umfangreiche Gesetzgebung dazu, die mit dem gezielten Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt verbundenen Risiken zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu kontrollieren und sowohl eine Grundlage für den Einsatz der neuen Technologie zu schaffen als auch die Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft zu wahren. Wesentliche rechtliche Vorgaben des Unionsgesetzgebers sind festgelegt in der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 2001/18/EG) und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EU Nr. L 268, S. 1; im Folgenden: Verordnung Nr. 1829/2003).

5

Bundesrechtliche Grundlage für das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt sind in erster Linie das 1990 in Kraft getretene und nachfolgend mehrfach geänderte Gentechnikgesetz und dessen Bestimmungen über Freisetzungen solcher Organismen und das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen.

6

2. Das am 4. Februar 2005 in Kraft getretene Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 beruht auf einer im Mai 2004 in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlage der Bundesregierung (BTDrucks 15/3088). Nach einer ersten Lesung, Überweisung an die Ausschüsse und Durchführung einer Expertenanhörung empfahl der federführende Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die Annahme des Entwurfs der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung (BTDrucks 15/3344). Insbesondere waren zustimmungspflichtige Teile aus der Gesetzesvorlage herausgenommen worden, um eine zügige Verabschiedung des Gesetzes mit den materiellen Regelungen zu gewährleisten. Den Ländervollzug betreffende Verfahrensvorschriften sollten in einem späteren, zustimmungspflichtigen Gesetz vorgelegt werden. In der Ausschussfassung wurde der Gesetzentwurf vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 15/115, S. 10517 B). Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes an (Bundesrat, Plenarprotokoll, 802. Sitzung, S. 361 D) und legte nach Abschluss des Verfahrens gegen das Gesetz Einspruch ein (Bundesrat, Plenarprotokoll, 805. Sitzung, S. 544 A; BTDrucks 15/4159). Der Bundestag wies den Einspruch zurück (Plenarprotokoll 15/143, S. 13338 D). Das Gesetz wurde am 21. Dezember 2004 ausgefertigt und im Februar 2005 im Bundesgesetzblatt verkündet.

7

Schwerpunkt des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 war die Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG und die Gewährleistung einer Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen.

8

a) Mit einer Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG, Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c GenTNeuOG 2004) wollte der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 2 Nr. 2 und 4 der Richtlinie 2001/18/EG klarstellen, dass insbesondere auch Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderter Organismen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenTG darstellen (BTDrucks 15/3344, S. 39) und, selbst wenn sie auf eine genehmigte Freisetzung zurückgehen, unter den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des § 3 Nr. 6 GenTG und damit in den Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes2 Abs. 1 Nr. 4 GenTG) und seiner Vorschriften über das Inverkehrbringen fallen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 56). Hintergrund war die vor dem Inkrafttreten des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 umstrittene Frage, ob Produkte aus konventioneller Produktion, die infolge eines unbeabsichtigten Eintrages von gentechnisch veränderten Organismen Eigenschaften aufweisen, die auf gentechnischen Veränderungen beruhen, einer gentechnikrechtlichen Genehmigung bedürfen, wenn sie in Verkehr gebracht werden sollen.

9

b) Auf der Grundlage von Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG, eingefügt durch Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, sollte durch mehrere Instrumente das unbeabsichtigte Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen in anderen Produkten verhindert und eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen gewährleistet werden. Damit verbunden war das Anliegen, die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu sichern und jenseits der Risikodiskussion zu einer gesellschaftlichen Befriedung zu gelangen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der großflächige Anbau einer gentechnisch veränderten Kulturpflanze ebenso wie eine Freisetzung in kleinerem Maßstab zu Auskreuzungen auf benachbarte Grundstücke führen und damit Wirtschaftsteilnehmer betreffen kann, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichten wollen oder nach den geltenden Vorschriften über den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung von ökologisch erzeugten Produkten verzichten müssen. Um diesen Entwicklungen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft Rechnung zu tragen, wurde der Koexistenzbelang als Gesetzeszweck aufgenommen (§ 1 Nr. 2 GenTG). Zweck des Gentechnikgesetzes gemäß § 1 GenTG ist nunmehr,


10

1. unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen,

11

2. die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können,

12

3. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen.

13

Das Ziel der Gewährleistung der Koexistenz wurde mit den angegriffenen Bestimmungen über das Standortregister, über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen weiter konkretisiert.

14

aa) Zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG und als Beitrag zur Sicherung der Koexistenz wurde ein Standortregister eingerichtet (§ 16a GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004). Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 GenTG werden in dem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als zuständiger Bundesoberbehörde (vgl. § 31 Satz 2 GenTG) geführten Standortregister die gemeldeten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen für das gesamte Bundesgebiet zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit erfasst. Soll eine genehmigte Freisetzung durchgeführt werden, so hat der Betreiber (vgl. § 3 Nr. 7 GenTG) spätestens drei Werktage vor der Durchführung die Freisetzung, die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, das Grundstück der Freisetzung und die Größe der Freisetzungsfläche und den Freisetzungszeitraum dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden (§ 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GenTG). Soll eine zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden, muss der Bewirtschafter (vgl. § 3 Nr. 13a GenTG) dieses Vorhaben spätestens drei Monate vor dem Anbau dem Bundesamt melden sowie die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche mitteilen (§ 16a Abs. 3 Satz 1 und 2 GenTG). Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen (§ 16a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 GenTG). Das Standortregister ist zum Teil allgemein zugänglich. Auskünfte über die Bezeichnung und - im Fall des Anbaus - der spezifische Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße werden durch automatisierten Abruf über das Internet erteilt (§ 16a Abs. 4 GenTG). Über die im Übrigen nicht allgemein zugänglichen Informationen wird grundsätzlich Auskunft erteilt, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat (§ 16a Abs. 5 GenTG). Zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen (§ 16a Abs. 6 Satz 1 GenTG). Die Daten des Bundesregisters werden nach Ablauf von 15 Jahren nach ihrer erstmaligen Speicherung gelöscht (§ 16a Abs. 6 Satz 2 GenTG).

15

bb) Als weiterer Beitrag zur Gewährleistung der Koexistenz wurden eine Vorsorgepflicht und Anforderungen an die gute fachliche Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eingeführt (§ 16b GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004), wodurch Einträge dieser Organismen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden sollen. § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG verpflichtet denjenigen zur Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange, der mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, auf näher bestimmte Art und Weise umgeht oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG wird für die Bereiche des Umgangs mit gentechnisch veränderten Pflanzen und der Haltung von gentechnisch veränderten Tieren durch Bestimmungen über eine gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 2 und 3 GenTG präzisiert. Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG in seiner bis zum 4. April 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F.) waren Handlungen ausdrücklich unzulässig, soweit aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Erreichung der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange nicht gewährleistet war. Ergänzend zu den Verhaltenspflichten des § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG trifft § 16b Abs. 4 GenTG eine Regelung über die zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderliche Eignung von Person und Ausstattung desjenigen, der zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken mit den Produkten umgeht. Der vorliegend nicht angegriffene § 16b Abs. 5 GenTG verpflichtet denjenigen, der die Produkte in den Verkehr bringt, eine Produktinformation mitzuliefern, die neben den Bestimmungen der Genehmigung auch Angaben zur Erfüllung der Pflichten nach § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG enthalten muss. Der ebenfalls nicht beanstandete § 16b Abs. 6 GenTG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung einzelne Aspekte zu § 16b Abs. 3, 4 und 5 GenTG näher zu regeln. § 16a und § 16b GenTG finden auch Anwendung, wenn das Inverkehrbringen durch Rechtsvorschriften geregelt ist, die den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes über Freisetzung und Inverkehrbringen vorgehen (vgl. § 14 Abs. 2 GenTG).

16

cc) Das private Nachbarrecht wurde schließlich durch eine Regelung über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen konkretisiert und ergänzt, um sicherzustellen, dass bei wesentlichen Nutzungsbeeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen ein zivilrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch besteht (§ 36a GenTG, Art. 1 Nr. 24 GenTNeuOG 2004).

17

(1) Im privaten Nachbarrecht kann ein Eigentümer von dem Störer gemäß § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl I S. 42 und 2909, BGBl I 2003, S. 738) die Beseitigung oder die Unterlassung einer Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird oder eine künftige Beeinträchtigung zu besorgen ist. Gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Eigentümer jedoch zur Duldung verpflichtet und sein Abwehranspruch ausgeschlossen, wenn die Benutzung seines Grundstücks durch die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und durch ähnliche grenzüberschreitende Einwirkungen nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Eigentümer auch eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Fall kann der Eigentümer aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 155, 99<102 f.> m.w.N.). Die Vorschrift des § 906 BGB konkretisiert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im öffentlichen Nachbarrecht den Maßstab dessen, was ein Grundstückseigentümer oder -besitzer bei Immissionen von hoher Hand entschädigungs- und schadensersatzlos hinnehmen muss (BGHZ 91, 20<21 f.>; 97, 97 <104>). Vor Einführung des § 36a GenTG war umstritten, ob und inwieweit nach dieser Maßgabe Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf benachbarte Flächen als mögliche "ähnliche Einwirkung" im Sinn von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB Abwehr- und Ausgleichsansprüche auslösen können.

18

(2) Mit § 36a GenTG ist nunmehr festgelegt, dass die in den §§ 1004, 906 BGB geregelten Duldungs-, Abwehr- und Ausgleichsansprüche sowohl für die Übertragung der auf gentechnischen Arbeiten beruhenden Eigenschaften eines Organismus wie für sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen gelten (§ 36a Abs. 1 GenTG).

19

(a) In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG wird der Anwendungsbereich von § 906 BGB hinsichtlich der dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" durch die Benutzung eines anderen Grundstücks (§ 36a Abs. 1 GenTG), der einem Grundstücksbenutzer "wirtschaftlich zumutbaren" Maßnahmen zur Verhinderung einer Beeinträchtigung (§ 36a Abs. 2 GenTG) und der "ortsüblichen" Benutzung eines Grundstücks (§ 36a Abs. 3 GenTG) konkretisiert.

20

Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen insbesondere dann eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinn von § 906 BGB dar, wenn die Erzeugnisse des betroffenen Nutzungsberechtigten deswegen nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG) oder ihre beabsichtigte Vermarktung aufgrund der geltenden Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten nur eingeschränkt möglich oder ausgeschlossen ist (§ 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG). Soweit in den einzelnen Fallgruppen Schwellenwerte bestehen, etwa für die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, sollen diese maßgeblicher Bezugspunkt für die Frage sein, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist (BTDrucks 15/3088, S. 31). Die in § 36a Abs. 1 GenTG aufgezählten Fälle sind nicht abschließend; wertungsmäßig vergleichbare Fälle sollen entsprechend in die Regelung einbezogen werden (BTDrucks 15/3344, S. 41). Wenn kein Fall des § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und auch keine vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt, ist der Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbarflächen unwesentlich und darf gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verboten werden.

21

§ 36a Abs. 2 GenTG knüpft an § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB an, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden ist, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Gemäß § 36a Abs. 2 GenTG gilt die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 GenTG als wirtschaftlich zumutbar in diesem Sinne.

22

§ 36a Abs. 3 GenTG modifiziert das Kriterium der Ortsüblichkeit im Sinn von § 906 BGB dahingehend, dass es für die Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

23

(b) § 36a Abs. 4 GenTG ergänzt das private Nachbarrecht um eine Regelung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises. § 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG enthält eine Ursachenvermutung nach dem Vorbild von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer möglicher Verursacher nach § 840 Abs. 1 BGB führt. § 36a Abs. 4 Satz 2 GenTG bestimmt den Vorrang der anteiligen Haftung, soweit eine jeweils nur anteilige Verursachung mehrerer Nachbarn feststeht und eine Aufteilung des Ausgleichs nach § 287 ZPO möglich ist.

24

3. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 beruht ebenfalls auf einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung. Diese brachte im Oktober 2007 Entwürfe für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (BTDrucks 16/6814) und für die Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes (BTDrucks 16/6557) in den Bundestag ein. Nach einer ersten Lesung und Überweisung an die Ausschüsse wurde der Gesetzentwurf auf Empfehlung des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Artikelgesetz ausgestaltet (BTDrucks 16/7868). Art. 1 des Gesetzes enthielt das zum Teil geänderte Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Art. 2 fügte ein weiteres Gesetz zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes an, in welchem die Maßgaben für die Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" geregelt wurden, und Art. 3 hob die entsprechende Vorgängerregelung in der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung auf. In dieser Textfassung wurde das Gentechnikänderungsgesetz 2008 vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 16/140, S. 14792 B) und passierte unverändert den Bundesrat, der den Vermittlungsausschuss nicht anrief (Bundesrat, Plenarprotokoll, 841. Sitzung, S. 9 C, BRDrucks 52/08). Das Gesetz wurde am 1. April 2008 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Sein Artikel 1 ist am 5. April 2008, die Artikel 2 und 3 sind am 1. Mai 2008 in Kraft getreten.

25

Ziel dieser jüngsten Novellierung des Gentechnikrechts war es, Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland zu fördern. Dabei sollten aber der Schutz von Mensch und Umwelt entsprechend dem Vorsorgegrundsatz oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben und die Wahlfreiheit der Landwirte und der Verbraucher sowie die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen weiterhin gewährleistet werden. Vor diesem Hintergrund wurden Verfahrenserleichterungen für Arbeiten in gentechnischen Anlagen vorgenommen und Ausnahmeregelungen für bestimmte gentechnisch veränderte Organismen ausgedehnt. Eine Verwertung von Produkten, die Anteile von nicht zum Inverkehrbringen zugelassenen Organismen aufweisen, wurde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.

26

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. wurde ersatzlos gestrichen und stattdessen in § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht geregelt (bezüglich § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG im Folgenden: n.F.). Die Pflicht zur Vorsorge muss nunmehr hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachtet werden, als dieser durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder auf Anfrage des Vorsorgepflichtigen die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient (§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F.). Eine zulässige Abweichung von der guten fachlichen Praxis ist der zuständigen Behörde gemäß § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen und nach Maßgabe des neu eingefügten § 16b Abs. 1a GenTG an das Standortregister (§ 16a GenTG) zu melden. Insoweit hat der Bewirtschafter ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2 GenTG spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstücks dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. oder die Tatsache mitzuteilen, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis aufgrund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen (§ 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG). Die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe über Abweichungen von der guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG) wird allgemein zugänglich gemacht. Im Übrigen gilt für die nach § 16b Abs. 1a GenTG erhobenen Daten § 16a GenTG entsprechend (§ 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG).

II.

27

Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 machte die Antragstellerin ursprünglich die Unvereinbarkeit von Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c, Nr. 14 und Nr. 24 GenTNeuOG 2004 mit dem Grundgesetz geltend. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gentechnikänderungsgesetz 2008 rügt sie zuletzt nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15. Januar 2009 die Unvereinbarkeit von "§ 3 Nr. 3 und 6, § 16a Absätze 1, 3, 4 und 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a GenTG" in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung mit dem Grundgesetz. Soweit die angegriffenen Normen wesentliche Änderungen erfahren haben, stellt die Antragstellerin die alte Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 ausdrücklich nicht mehr zur Überprüfung und wendet sich insbesondere gegen § 16b Abs. 1 GenTG nur in seiner Neufassung nach dem Gentechnikänderungsgesetz 2008. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin klargestellt, dass § 16b Abs. 1a GenTG Gegenstand der Überprüfung sein soll, soweit der allgemein zugängliche Teil des Standortregisters die auf das betroffene Grundstück des Nachbarn bezogene Angabe umfasst (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG). § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG stellt sie umfänglich und damit auch hinsichtlich solcher Angaben zur Prüfung, die aufgrund des ausdrücklich nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind.

28

Die nach dieser Maßgabe angegriffenen Vorschriften sowie § 16a Abs. 2 GenTG lauten:

29

§ 3

30

Begriffsbestimmungen

31

Im Sinne dieses Gesetzes sind

32

33

3. gentechnisch veränderter Organismus

34

ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind,

35

36

6. Inverkehrbringen

37

die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, soweit die Produkte nicht zu gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen oder für genehmigte Freisetzungen bestimmt sind; jedoch gelten

38

a) unter zollamtlicher Überwachung durchgeführter Transitverkehr,

39

b) die Bereitstellung für Dritte, die Abgabe sowie das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck einer genehmigten klinischen Prüfung

40

nicht als Inverkehrbringen,

...

41

§ 16a

42

Standortregister

43

(1) Zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit werden die nach Absatz 2 mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen und die nach Absatz 3 mitzuteilenden Angaben über den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in einem Bundesregister erfasst. Das Register wird von der zuständigen Bundesoberbehörde geführt und erfasst die nach Absatz 2 oder Absatz 3 gemeldeten Angaben für das gesamte Bundesgebiet. Das Register muss nach Maßgabe des Absatzes 4 allgemein zugänglich sein.

44

(2) Der Betreiber hat die tatsächliche Durchführung der genehmigten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen spätestens drei Werktage vor der Freisetzung der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

45

1. die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus,

46

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

47

3. das Grundstück der Freisetzung sowie die Größe der Freisetzungsfläche,

48

4. den Freisetzungszeitraum.

49

Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen.

50

(3) Der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen ist von demjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, spätestens drei Monate vor dem Anbau der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

51

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

52

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

53

3. den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet,

54

4. das Grundstück des Anbaus sowie die Größe der Anbaufläche.

55

Änderungen in den Angaben sind unverzüglich mitzuteilen.

56

(4) Der allgemein zugängliche Teil des Registers umfasst:

57

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

58

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

59

3. das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße.

60

Auskünfte aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers werden im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt.

61

(5) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers Auskunft auch über die personenbezogenen Daten, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat.

...


62

§ 16b

63

Umgang mit

64

in Verkehr gebrachten Produkten

65

(1) Wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet, soweit es sich um Tiere handelt, hält, oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt, hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Er muss diese Pflicht hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachten, als dieser durch schriftliche Vereinbarung mit ihm auf seinen Schutz verzichtet oder ihm auf Anfrage die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient. In der schriftlichen Vereinbarung oder der Anfrage ist der andere über die Rechtsfolgen der Vereinbarung oder die Nichterteilung der Auskünfte aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass er zu schützende Rechte Dritter zu beachten hat. Die zulässige Abweichung von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis sind der zuständigen Behörde rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen.

66

(1a) Der Bewirtschafter hat ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2

67

1. die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 oder

68

2. die Tatsache, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis auf Grund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen,

69

der zuständigen Bundesoberbehörde spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mitzuteilen. Der allgemein zugängliche Teil des Registers nach § 16a Abs. 1 Satz 1 umfasst zusätzlich zu der Angabe nach § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe nach Satz 1. Im Übrigen gilt § 16a entsprechend.


70

(2) Beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung von Tieren wird die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt.

71

(3) Zur guten fachlichen Praxis gehören, soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist, insbesondere

72

1. beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen die Beachtung der Bestimmungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen nach § 16 Abs. 5a,

73

2. beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und bei der Herstellung und Ausbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke zu verhindern sowie Auskreuzungen in andere Kulturen benachbarter Flächen und die Weiterverbreitung durch Wildpflanzen zu vermeiden,

74

3. bei der Haltung gentechnisch veränderter Tiere die Verhinderung des Entweichens aus dem zur Haltung vorgesehenen Bereich und des Eindringens anderer Tiere der gleichen Art in diesen Bereich,

75

4. bei Beförderung, Lagerung und Weiterverarbeitung gentechnisch veränderter Organismen die Verhinderung von Verlusten sowie von Vermischungen und Vermengungen mit anderen Erzeugnissen.

76

(4) Wer mit Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, für erwerbswirtschaftliche, gewerbsmäßige oder vergleichbare Zwecke umgeht, muss die Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und Ausstattung besitzen, um die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erfüllen zu können.

...

77

§ 36a

78

Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen

79

(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, wenn entgegen der Absicht des Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags Erzeugnisse insbesondere

80

1. nicht in Verkehr gebracht werden dürfen oder

81

2. nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen oder

82

3. nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre.

83

(2) Die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 gilt als wirtschaftlich zumutbar im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

84

(3) Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt es nicht darauf an, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

85

(4) Kommen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehrere Nachbarn als Verursacher in Betracht und lässt es sich nicht ermitteln, wer von ihnen die Beeinträchtigung durch seine Handlung verursacht hat, so ist jeder für die Beeinträchtigung verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn jeder nur einen Teil der Beeinträchtigung verursacht hat und eine Aufteilung des Ausgleichs auf die Verursacher gemäß § 287 der Zivilprozessordnung möglich ist.

86

Die Antragstellerin hält diese Vorschriften für materiell verfassungswidrig. Sie trägt im Wesentlichen zur Begründung vor:

87

1. Mit § 36a GenTG habe der Gesetzgeber erheblich in das von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägte, ausgeglichene Haftungsregime der §§ 906, 1004 und 823 BGB eingegriffen und ein über die bislang geltenden Regelungen hinausgehendes Haftungssonderrecht für den Einsatz von Gentechnik geschaffen.§ 36a Abs. 1 GenTG verweise offen und unbestimmt auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten und schaffe damit ein unkalkulierbares und voraussichtlich nicht versicherbares Haftungsrisiko. § 36a Abs. 2 und 3 GenTG schlössen die Ortsüblichkeit einer Nutzung und die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Gegenmaßnahmen zu Lasten des Verwenders von Gentechnik aus. Mit § 36a Abs. 4 GenTG werde eine gesamtschuldnerische Haftung ohne Kausalitätsnachweis eingeführt. Der Nachbarschaftsausgleich werde nunmehr regelmäßig nach Maßgabe des bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgen, der häufig auf volle Schadloshaltung gerichtet sei. Verschulden des Verwenders von Gentechnik sei nicht erforderlich, so dass es sich insgesamt um eine verdeckte Gefährdungshaftung handle.

88

a) Diese stehe nicht mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Gentechnik verwendenden Landwirte und Saatguthersteller in Einklang. Die Vorschrift schränke die Freiheit der Berufsausübung gezielt zugunsten des ökologischen Landbaus ein. Sie führe zu Sorgfaltspflichten, die über die Genehmigungsanforderungen und die gute fachliche Praxis hinausgingen, und aufgrund des hohen Haftungsrisikos zu einem faktischen Ausschluss des beruflichen Einsatzes von Gentechnik. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt.

89

§ 36a Abs. 1 GenTG verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, da eine wesentliche Beeinträchtigung nicht nur in den aufgezählten, sondern auch in wertungsmäßig vergleichbaren Fällen vorliegen könne, ohne dass die für die Gleichstellung maßgeblichen Gesichtspunkte genannt würden. § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verletze das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der "dynamischen Verweisung" auf Rechtsvorschriften über die nationale Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" und die europäische Produktkennzeichnung mit Bezug auf ökologischen Landbau würden keine klaren Haftungsvoraussetzungen festgelegt. Der Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stehe der Annahme einer wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung durch zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen entgegen. Von diesen gehe kein Risiko für Gesundheit, Umwelt und Eigentum aus. Vielmehr legitimiere die Genehmigung für ein Inverkehrbringen die Verbreitung dieser Organismen im offenen ökologischen System, stelle diese einem natürlichen Organismus gleich und schaffe einen Vertrauenstatbestand zugunsten ihrer Verwender. Der Koexistenzbelang (§ 1 Nr. 2 GenTG) gewährleiste ihre wirtschaftliche Nutzung.

90

Da von dem Anbau zum Inverkehrbringen zugelassener gentechnisch veränderter Organismen keine Gefahr ausgehe, genüge die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des § 36a GenTG nicht den allgemeinen, aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen an Haftungsbestimmungen. Die Haftung für die von vornherein mitbedachten, produktionsbedingten und zufällig eintretenden Folgen des Anbaus müsse jedenfalls durch einen Haftungsfonds oder die Möglichkeit, das Haftungsrisiko zu versichern, gemildert werden. Unverhältnismäßig sei ferner, dass der Verwender von Gentechnik sich weder durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis noch durch ein unabwendbares Ereignis oder ein Mitverschulden des Gläubigers entlasten könne und ihm ein individueller Verursachungsbeitrag nicht nachgewiesen werden müsse.

91

Gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG sei § 36a GenTG auch unverhältnismäßig. Die Haftungsregelung wirke wie eine objektive Einschränkung der Berufswahlfreiheit, da Landwirte aufgrund des nicht einschätzbaren Haftungsrisikos den sich herausbildenden Beruf des "GVO-anbauenden Landwirts" meiden würden. Die mit § 36a GenTG verfolgte Zielsetzung, die Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Produkten und Produktionsmitteln für Verbraucher und Produzenten zu erhalten und den ökologischen Landbau besonders zu schützen, besitze keinen verfassungsrechtlichen Rang und könne bereits aus diesem Grund die wirtschaftlich erdrosselnde Haftung nicht rechtfertigen. § 36a GenTG sei zur Erreichung des Koexistenzzieles auch weder geeignet noch erforderlich. Denn es werde einseitig der konventionelle und ökologische Landbau geschützt, der gentechnische Landbau jedoch im Wesentlichen verhindert, ohne dass es dieser Haftung bedürfte. Bereits durch die gute fachliche Praxis könnten unbeabsichtigte Auskreuzungen auf das unvermeidbare Maß reduziert werden und eine Haftung sei nur bei Verletzung dieser Bestimmungen geboten. Die Haftung müsse nicht an der Kennzeichnung von Produkten ausgerichtet werden. Man hätte auch einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einrichten können, um die Rahmenbedingungen für die angestrebte Koexistenz zu schaffen. Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Das Haftungsrisiko werde einseitig auf die Verwender von Gentechnik verlagert. Hingegen träfen konventionell oder ökologisch arbeitende Landwirte keine Schutz- und Vorsorgepflichten, obwohl gerade Feldbestände in der ökologischen Landwirtschaft eine besondere Empfindlichkeit aufwiesen, die nur aus den Vermarktungsbedingungen für ökologisch erzeugte Produkte resultiere. Damit könne der Geschädigte den Umfang seines Schadensersatzanspruchs nach seinen subjektiven Verwendungswünschen bestimmen. Auch wenn man das nachbarliche Eigentum als zu schützendes Recht ansehe, ergebe sich kein angemessener Ausgleich.

92

b) § 36a GenTG greife ungerechtfertigt in das Eigentum der Verwender von Gentechnik und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der von der Haftung betroffenen Landwirte und Saatguthersteller ein (Art. 14 Abs. 1 GG). Aufgrund der hohen Sorgfaltspflichten und der nicht einschätzbaren Haftung würden Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen unterbunden und geplante Freisetzungen und kommerzieller Anbau unterlassen. Für das Ziel, die Existenz des ökologischen und konventionellen Anbaus zu sichern und das Eigentum des beeinträchtigten Landwirts zu schützen, sei der Eingriff weder erforderlich noch angemessen. Der Intensität, Tragweite und Schwere des Eingriffs stünden nur geringe Einschränkungen auf Seiten des Nachbarn gegenüber, die einem zufälligen Ereignis gleichzustellen seien. Zudem hätten Landwirtschaftsflächen keinen besonderen sozialen Bezug.

93

c) § 36a GenTG verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Vorschrift führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von gentechnisch wirtschaftenden Landwirten auf der einen und gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten auf der anderen Seite.

94

2. Das in § 16a GenTG geregelte Standortregister verletze die Verwender von Gentechnik in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Indem personenbezogene Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und den Namen, die Anschrift und das Grundeigentum der Betroffenen erhoben und gespeichert würden sowie Dritten - zum Teil öffentlich - zugänglich seien, werde politisch motivierte Feldzerstörung begünstigt und das Eigentum der Verwender von Gentechnik gefährdet. Demgegenüber sei das Standortregister weder geeignet noch erforderlich, um das Ziel der Überwachung etwaiger Auswirkungen verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen auf die Umwelt, die angestrebte Transparenz und die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen zu erreichen. Insbesondere wäre dieser Zielsetzung und den Vorgaben des Europarechts bereits mit einer Veröffentlichung der Gemeinde des jeweiligen Standortes Genüge getan. Zur Sicherung der Koexistenz müsse ein berechtigtes Interesse an Auskünften über die nicht allgemein zugänglichen Informationen nur dann anerkannt werden, wenn eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung und darüber hinaus substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn drohten.Die Regelungen seien auch nicht angemessen. Transparenz sei kein Wert von Verfassungsrang und könne die Veröffentlichung der genauen Standortdaten gemäß § 16a Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 16a Abs. 4 Nr. 3 GenTG nicht rechtfertigen. Nur durch eine Geheimhaltung der genauen Standortdaten könne der Betroffene zuverlässig vor dem Verlust seines Eigentums und seiner Betriebsmittel geschützt werden. Indem der Staat mit dem Anbauregister gezielt die Möglichkeit eröffne, dass Dritte durch Sachbeschädigungen gegen die Anbauflächen vorgingen, verstoße er gegen seine verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Unangemessen sei ferner, dass Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil gemäß § 16a Abs. 5 GenTG ohne eine vorherige Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Auskunftsinteresses erteilt werden könnten und zudem die Kriterien für eine Interessenabwägung nicht vorgegeben seien. Schließlich müssten unter dem Gesichtspunkt der Kooperation und Rücksichtnahme die konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte ebenso zur Auskunft verpflichtet werden, denn auch der gentechnisch wirtschaftende Landwirt müsse wissen, ob benachbarte empfindliche Feldbestände aufgebaut und eine gezielte Verdrängung des gentechnischen Landbaus betrieben werde.

95

§ 16a GenTG verletze auch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der genaue Standort und die Art von gentechnisch veränderten Organismen stellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Diese würden jedenfalls dann durch die Auskunftserteilung aus dem Standortregister nach Maßgabe des § 16a Abs. 4 und 5 GenTG beeinträchtigt, wenn zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden. Der Eingriff sei aus den genannten Gründen unverhältnismäßig.

96

3. Die in § 16b Abs. 1 bis 4 GenTG geregelte Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung seien mit der Berufsfreiheit aller Personen, die verkehrszugelassene gentechnisch veränderte Organismen anbauten, weiterverarbeiteten oder in Verkehr brächten, unvereinbar. Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis (§ 16b Abs. 1 bis 3 GenTG) seien für den bezweckten Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter nicht erforderlich. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter würden durch das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen ausreichend geschützt. Vorsorgemaßnahmen bräuchten über das zur Sicherung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) Erforderliche auch nicht hinauszugehen. Die mit § 16b Abs. 4 GenTG eingeführten Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Ausstattung kämen einer subjektiven Berufszugangsregelung nahe. Ob jedoch ein wichtiges Gemeinschaftsgut von Verfassungsrang durch den Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen überhaupt betroffen sein könne, sei fraglich. Jedenfalls sei es nicht erforderlich, unabhängig von dem Eintritt einer Gefahr für den Koexistenzbelang und über die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen sowie die nach § 16b Abs. 5 GenTG mitzuliefernde Produktinformation hinaus weitere Anforderungen an die Person und die Ausstattung des Anwenders von gentechnisch veränderten Organismen zu stellen. § 16b Abs. 4 GenTG verletze auch den Bestimmtheitsgrundsatz. Es sei unklar, in welcher Weise die Landwirte den geforderten Nachweis ihrer Fähigkeiten und Ausstattung erbringen können und ob ihre Fähigkeiten abstrakt beurteilt oder durch Inspektionen und Stichprobenkontrollen nachgewiesen würden.

97

4. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG seien im Hinblick auf das Begriffsverständnis des Inverkehrbringens im Zusammenhang mit der Definition des gentechnisch veränderten Organismus mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn ein genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen liege auch dann vor, wenn ein konventionell oder ökologisch anbauender Landwirt Erzeugnisse abgebe oder bereithalte, die zufällig oder technisch unvermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer genehmigten Freisetzung vermischt worden seien. Es bestünden dann die Abwehr- und Ausgleichsansprüche nach § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG, von denen eine massiv abschreckende Wirkung ausgehe. Dadurch werde insbesondere die Durchführung von Freisetzungsversuchen zum Zweck der Erforschung und Entwicklung transgener Pflanzen durch universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erheblich erschwert, wenn nicht verhindert. Der Eingriff werde nicht durch entgegenstehende Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt. Dem Koexistenzbelang komme ein solcher Stellenwert nicht zu. Das Eigentum des Nachbarn sei nicht betroffen, da es an einer Substanz- und Gebrauchsbeeinträchtigung fehle. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter seien durch die Freisetzungsgenehmigung hinreichend geschützt. Die Regelung schränke zudem die Berufsfreiheit der an der Forschung beteiligten Unternehmen mit der Wirkung einer objektiven Regelung der Berufswahl ein, ohne dass nachweisbare oder höchstwahrscheinliche, schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erkennbar seien. Doch auch eine reine Einschränkung der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig, da mit der Freisetzungsgenehmigung die Ungefährlichkeit der Organismen für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter festgestellt sei. Der Gesetzgeber habe auch nicht lediglich zwingende Vorgaben des Europarechts umgesetzt, sondern von einem eigenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Die Richtlinie 2001/18/EG fordere und rechtfertige dieses Begriffsverständnis des Inverkehrbringens nicht. Gleichermaßen zwinge sie nicht zu der Erweiterung des Begriffs "gentechnisch veränderter Organismus".

III.

98

Zu dem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 Stellung genommen haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., das Öko-Institut e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V. und die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.

99

Im Hinblick auf die Novellierung des Gentechnikrechts durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 haben sich die Bundesregierung, der Deutsche Bauernbund e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. geäußert; der Deutsche Bundestag hat das Protokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. November 2007 zur Novelle des Gentechnikgesetzes und der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen zu diesem Gesetz übersandt.

100

In der mündlichen Verhandlung haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. ihre Stellungnahmen ergänzt. Geäußert haben sich darüber hinaus die Bundestagsabgeordneten Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und Miersch (SPD), Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie des Bundesamtes für Naturschutz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V.

101

1. Die Bundesregierung hält die angegriffenen Bestimmungen für verfassungsgemäß. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 wirke sich auf die maßgebenden Rechtsfragen nicht aus.

102

Mit der Neugestaltung des Gentechnikrechts habe der Gesetzgeber die Rechtsstellung aller Beteiligten gestärkt. Das Gesetz fördere die Koexistenz der unterschiedlichen Produktionsmethoden und den verantwortbaren Umgang mit der Gentechnik. Es schütze in angemessener Weise vor möglichen Beeinträchtigungen durch die Gentechnik und stärke dabei die Akzeptanz neuer Techniken. Das Gesetz schaffe einen angemessenen Ausgleich der Grundrechte aller Beteiligten. Dabei schütze es die natürlichen Lebensgrundlagen.

103

a) Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 17, 20 und 26 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG.

104

b) Die Klarstellung der Begriffe "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG) sei verfassungsgemäß und verletze insbesondere nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Zur Sicherung der durch mittelbare Auswirkungen gentechnischer Veränderungen besonders gefährdeten Schutzgüter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG und des § 1 GenTG sei es geboten, auch indirekt durch Kreuzung oder natürliche Rekombination entstandene Organismen in den Begriff "gentechnisch veränderter Organismus" einzubeziehen sowie als "Inverkehrbringen" auch die von einer Freisetzungsgenehmigung nicht gedeckte Abgabe von Produkten zu verstehen, die unbeabsichtigt mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer benachbarten Freisetzung vermischt wurden. Demgegenüber seien die Forschung und die Berufsausübung im Zusammenhang mit der Gentechnik weiterhin angemessen möglich; insbesondere könnten gegen unerwünschte Auswirkungen geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Vor dem Hintergrund der zuvor streitigen Rechtslage würden die Präzisierungen in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG der Rechtssicherheit dienen und darüber hinaus den verbindlichen europarechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2001/18/EG entsprechen.

105

c) Das Standortregister (§ 16a GenTG) gewährleiste angemessenen Datenschutz. Es diene dazu, den Schutz- und Vorsorgezweck (§ 1 Nr. 1 GenTG) und das Koexistenzprinzip (§ 1 Nr. 2 GenTG) zu verwirklichen und durch Information der Öffentlichkeit eine Transparenz zu schaffen, die letztlich auch zur Akzeptanz einer verantwortbaren Gentechnik und zur Befriedung beitrage. Diese Rechtsgüter und Belange fänden ihre Grundlage in verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten und Staatszielbestimmungen. Die angegriffenen Bestimmungen seien zur Zweckerreichung geeignet, angemessen und erforderlich. Aufgrund der erhobenen Angaben über geplante Freisetzungen und den geplanten Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (§ 16a Abs. 2 und 3 GenTG) könnten Gefahrenlagen erkannt, Schadensverläufe nachvollzogen, zukünftige Schäden vermieden und Ersatzansprüche leichter durchgesetzt werden. Ohne diese Angaben sei es erheblich schwieriger, wenn nicht unmöglich, Einträge zu vermeiden oder ihren Verlauf, ihre Ursachen und ihre Wirkungen festzustellen.Demgegenüber sei die ohne erheblichen Aufwand mögliche Mitteilung der Angaben zumutbar. Die Ausgestaltung der Zugänglichkeit zum Standortregister gewährleiste einen angemessenen Schutz von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen. Insbesondere bleibe die Anonymität personenbezogener Daten im allgemein zugänglichen Teil des Registers gewahrt. Die Kenntnis der genauen Standortangabe und der weiteren allgemein zugänglichen Informationen (§ 16a Abs. 4 GenTG) sei für alle potentiell Betroffenen erforderlich, um ihre Rechtsgüter zu schützen. Vor diesem Hintergrund sei es den Betroffenen nicht zumutbar, zunächst ein überwiegendes Interesse an der Auskunft darzulegen. Zudem überwiege das Informationsinteresse der konventionell wirtschaftenden Nachbarn regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse angesichts der von Gentechnik potentiell ausgehenden Gefahren. Auch wäre der erforderliche Verwaltungsaufwand für eine Mitteilung der flurstückgenauen Standortangabe im Antragsverfahren unverhältnismäßig hoch. Der Gesetzgeber dürfe hier typisieren Schließlich sei das Register zur Wahrung des Koexistenzprinzips erforderlich; insbesondere könnten Betroffene ihrerseits Schutzmaßnahmen treffen. Dies läge gerade auch im Interesse des Verwenders von Gentechnik.Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (§ 16a Abs. 5 GenTG) dürften nur aufgrund einer Abwägung des berechtigten Interesses des Antragstellers mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen erteilt werden. Wenn es im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gebe, dass gewaltbereite Gentechnikgegner Felder der Betroffenen verwüsten würden, sei dies zu berücksichtigen.

106

d) Die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an Person und Ausstattung beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) würden die Berufsausübung in Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG regeln und mit gut nachvollziehbaren Verpflichtungen Rechtssicherheit schaffen. Die Vorsorgepflicht diene dem Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG beschriebenen hochrangigen Rechtsgüter. Die einzelnen Maßnahmen entsprächen dem, was für den verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und in Teilbereichen auch mit Erzeugnissen allgemein erforderlich sei und könnten mit den in Betrieben vorhandenen technischen Möglichkeiten bewältigt werden. Die Regelungen seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Auch nach Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen müsse der Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter in der weiteren Praxis im Rahmen des vernünftig Möglichen gewährleistet bleiben. Die näheren Vorgaben zur guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 3 GenTG) stünden allerdings ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sie zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderlich seien. Auch die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Fähigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG) seien zum Schutz der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter zumutbar und Sachkundenachweise bei vergleichbaren Tätigkeiten ohnehin üblich. Mit geringeren Anforderungen sei die Einhaltung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall nicht sicherzustellen; eine großflächige staatliche Überwachung wäre insoweit nicht durchführbar und eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.

107

e) Das in § 36a GenTG geschaffene Haftungssystem diene dem Grundsatz der Koexistenz unterschiedlicher Produktionsweisen. Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbargrundstücke seien durch die bisher bekannten Maßnahmen grundsätzlich nicht vollständig zu vermeiden. Anwender müssten aber geeignete Maßnahmen treffen, um solche Einträge einzudämmen. Die Konkretisierung der zivilrechtlichen Unterlassungs- und Haftungsregelungen in § 36a GenTG sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung dieses legitimen Zweckes. § 36a GenTG füge sich in das geltende deutsche Nachbar- und Haftungsrecht ein. Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung von Einträgen auf Nachbargrundstücke berge die Gefahr, dass nicht veränderte Organismen von gentechnisch veränderten Organismen verdrängt würden. Dann würde eine Koexistenz nicht mehr bestehen und unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte eingegriffen. Die damit gegebene Lastenverteilung schütze zwar spezifisch die konventionelle und ökologisch arbeitende Landwirtschaft. Dies entspreche aber der Wertentscheidung des Gesetzgebers und den europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Vergleichbarkeit von gentechnisch veränderten und konventionellen Produkten.

108

Es sei verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn nicht zwingend, den Anwender von Gentechnik mit Maßnahmen zur Verhinderung von Einträgen und der Haftung für dadurch erfolgte Einträge zu belasten.

109

Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Bestimmung der Ortsüblichkeit (§ 36a Abs. 3 GenTG) differenziere bereits nicht, sondern erfasse alle Eigentümer und Produzenten gleichermaßen. Im Übrigen folge die Zuordnung der Haftung Unterschieden zwischen den Betroffenen von großem Gewicht, welche die unterschiedlichen Haftungsrisiken rechtfertige.

110

Mit § 36a Abs. 1 GenTG habe der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums normiert (Art. 14 Abs. 1 GG). Dynamische Verweisungen auf außerhalb des Gentechnikgesetzes festgelegte Standards seien zulässig und der Begriff "insbesondere" entspreche dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit es letztlich zu einer Gefährdungshaftung komme, sei diese ein allgemein anerkanntes Prinzip. Gentechnisch veränderte Kulturen stünden aufgrund der in aller Regel auftretenden Auskreuzungen und Einträge in andere Kulturen in einem besonders ausgeprägten Sozialbezug. Die Präzisierung der wesentlichen Beeinträchtigung in § 36a Abs. 1 GenTG und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit in § 36a Abs. 2 GenTG sichere die Grundrechte der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und sei Konsequenz der staatlichen Schutzpflicht für die Grundrechte der Nachbarn. Auch der Betrieb ökologischer und konventioneller Landwirtschaft stelle insoweit einen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruf dar.

111

§ 36a Abs. 4 GenTG normiere eine zulässige und systemgerechte Vermutung der Verursachung. Die Beweislastverteilung stimme mit den herkömmlichen Regeln überein und die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer möglicher Verursacher entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche. Die Verteilung der Verantwortung sei verfassungsgemäß. Ein Grundstückseigentümer müsse für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren einstehen, auch wenn er diese weder verursacht noch verschuldet habe. Der Gesetzgeber sei insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20a GG verpflichtet, Dritte oder die Allgemeinheit angemessen vor den von einem Grundstück ausgehenden Gefahren zu schützen. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten (§ 254 BGB) bleibe möglich. Für einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt bestehe nach der zugrunde liegenden Risikoverteilung kein Raum, zumal sich in der Übertragung von gentechnisch veränderten Organismen auf ein benachbartes Grundstück nur das typische Risiko ihrer Verwendung realisiere. Auch sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen weder verpflichtet, eine Haftungshöchstgrenze einzuführen oder einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, noch müsse jedes Haftungsrisiko versicherbar sein.

112

2. Die Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und des Bundesamtes für Naturschutz haben zu bestehenden gesundheitlichen und ökologischen Risiken sowie zu Nachteilen für die gentechnikfreie Landwirtschaft Stellung genommen.

113

3. Der Deutsche Bauernbund e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., das Öko-Institut e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. treten dem Normenkontrollantrag entgegen.

114

4. Der Deutsche Bauernverband e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V., die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V. unterstützen den Normenkontrollantrag.

B.

115

Soweit die Antragstellerin § 16b Abs. 1a GenTG zur Überprüfung stellt, ist der Normenkontrollantrag unzulässig; die Vorschrift ist jedoch wegen ihres engen Regelungszusammenhanges zu § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (I). Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig (II). Darüber hinaus ist § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung einzubeziehen (III).

I.

116

Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG zu begründen. Hierzu ist substantiiert darzutun, aus welchen rechtlichen Erwägungen die angegriffene Norm mit welcher höherrangigen Norm für unvereinbar gehalten wird (vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 61 ; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35). Diese Anforderungen sind in Bezug auf § 16b Abs. 1a GenTG nicht gewahrt. Die Antragstellerin hat mit ihrem letzten Antrag vom 15. Januar 2009, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, § 16b Abs. 1a GenTG in das Verfahren einbezogen, ohne ihre Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz darzulegen. Damit ist § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht genügt.

117

§ 16b Abs. 1a GenTG ist gleichwohl wegen des bestehenden Regelungszusammenhanges zu § 16a GenTG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfassungswidrigkeit von § 16b Abs. 1a GenTG auf zulässigerweise angegriffene Bestimmungen ausstrahlt oder die Norm notwendiger Bestandteil einer Gesamtregelung ist (vgl. BVerfGE 39, 96 <106>; 40, 296 <309 f.>; 109, 279 <374>). So liegt es hier. Der Umfang und die Tragweite der über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilenden und zu verarbeitenden Angaben erschließt sich erst, wenn die ergänzende Bestimmung in § 16b Abs. 1a GenTG in die Betrachtung einbezogen wird. Die nach § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden und zu veröffentlichenden Angaben werden erst im Kontext der Angaben nach § 16a Abs. 1, 3 und 4 GenTG verständlich.

II.

118

Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig. Die Frage nach dem erforderlichen objektiven Interesse an einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit der früheren Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 stellt sich nicht mehr, nachdem die Antragstellerin klargestellt hat, dass sie nur die Unvereinbarkeit der nach dem Inkrafttreten des Gentechnikänderungsgesetzes 2008 bestehenden Rechtslage mit dem Grundgesetz rügt (vgl. hierzu BVerfGE 110, 33 <45> m.w.N.).

III.

119

Über den Normenkontrollantrag hinaus ist auch § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzubeziehen. Dies ist wegen des inneren Zusammenhangs der angegriffenen Bestimmungen über die nach § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG mit dem nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG notwendig.

C.

120

Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. § 3 Nr. 3 und 6, § 16a Abs. 1, 2, 3, 4 und 5, § 16b Abs. 1, 1a, 2, 3 und 4 sowie § 36a GenTG in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

121

Die angegriffenen Vorschriften sind formell verfassungsgemäß.

122

1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der angegriffenen Normen folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) und in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG n.F.).

123

a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) in das Grundgesetz eingefügt, um den Bund mit einer klaren Zuständigkeitsgrundlage für den Bereich der Gentechnologie bezogen auf Menschen, Tiere und Pflanzen mit Ausnahme der künstlichen Befruchtung auszustatten (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 34 f.; BTDrucks 12/6633, S. 9).

124

Der Kompetenztitel ist weit zu verstehen. Er deckt neben der Humangentechnik auch die Gentechnik in Bezug auf Tiere und Pflanzen und begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Rechts der Gentechnik. Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG umfasst daher nicht nur Vorschriften, die Forschung und Entwicklung unter Einsatz gentechnischer Verfahren betreffen, sondern auch sonstige die Verwendung von und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen regelnde Normen. Danach bewegen sich nicht nur die angegriffenen Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), sondern auch die rechtlich und funktional in das Gentechnikrecht eingebetteten Bestimmungen über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG) und über das Standortregister (§ 16a GenTG) sowie die Ergänzung und Konkretisierung der zivilrechtlichen Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG) in den Grenzen der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG.

125

Ein anderes Verständnis würde zu einer Zersplitterung des Gentechnikrechts in Kernkompetenzen des Bundes nach Art. 72 Abs. 1 GG sowie Erforderlichkeitskompetenzen und Abweichungskompetenzen nach Art. 72 Abs. 2 und Abs. 3 GG in ihrer seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung führen. Eine solche Differenzierung liefe dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers zuwider, den Bund durch die Einführung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG mit einer hinreichend klaren Zuständigkeit für das Gebiet der Gentechnik auszustatten.

126

b) Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. und des Art. 72 Abs. 2 GG n.F. liegen vor. Unter Beachtung der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative (vgl. BVerfGE 111, 226 <255> m.w.N.) ist eine bundeseinheitliche Regelung vorliegend im gesamtstaatlichen Interesse jedenfalls zur Wahrung der Rechtseinheit (vgl. BVerfGE 111, 226 <253 f.> m.w.N.) erforderlich.

127

2. Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 und das Gentechnikänderungsgesetz 2008 sind auch ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Gesetzen war nicht notwendig.

128

a) Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 bedurfte insbesondere nicht deshalb der Zustimmung des Bundesrates, weil der in den Bundestag ursprünglich eingebrachte Regierungsentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das hier zu prüfende, nicht zustimmungsbedürftige Gesetz und in Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren der Länder aufgeteilt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 1 2. Halbsatz GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung), welche nachträglich in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz verankert werden sollten (vgl. BVerfGE 105, 313 <338> m.w.N.).

129

b) Mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 wurden zwar auch von den Landesbehörden zu beachtende Verfahrensvorschriften novelliert. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 84 Abs. 1 GG n.F.) wird den Belangen der Länder nunmehr jedoch durch die Möglichkeit zur abweichenden Gesetzgebung nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG n.F. Rechnung getragen. Weil der Bund vorliegend das Recht zur Abweichungsgesetzgebung für das Verwaltungsverfahren nicht nach Maßgabe von Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. durch eine ausdrückliche Regelung ausgeschlossen hat, bedurfte es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG n.F. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 ursprünglich zustimmungspflichtige Verfahrensvorschriften geändert wurden. Eine Zustimmungspflicht wurde hierdurch nicht ausgelöst, weil die Änderungen ihrerseits keinen Abweichungsausschluss nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. enthalten.

II.

130

Die angegriffenen Vorschriften sind materiell verfassungsgemäß.

131

1. Das Bundesverfassungsgericht kann über den Antrag ohne Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV entscheiden. Zwar wollte der Gesetzgeber insbesondere mit der Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sowie mit der Einrichtung des Standortregisters gemäß § 16a GenTG entsprechende Vorgaben aus Art. 2 Nr. 2 und 4 und Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG umsetzen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 26). Nachdem jedoch sämtliche angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind, kommt es auf die Auslegung gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlicher Bestimmungen nicht entscheidungserheblich an. Eine Vorlage ist in diesem Fall weder geboten noch zulässig (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, NJW 2010, S. 833 <835> Rn. 185).

132

2. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und mit der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit vereinbar.

133

a) Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um erwünschte Eigenschaften von Organismen zu erzeugen, wie es mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht möglich wäre, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Auf der anderen Seite birgt die Forschung und Produktion von gentechnisch veränderten Organismen auch erhebliche Chancen. Vor allem können mit Hilfe solcher Organismen größere Ernteerträge erzielt und die Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten erhöht werden.

134

Neben den Chancen der Gentechnik sind die gesundheitlichen und ökologischen Risiken und insbesondere auch Nachteile für die gentechnikfreie Landwirtschaft zu bedenken. Eine gentechnische Modifikation kann zu verschiedenen nicht beabsichtigten Effekten führen, die sich nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die landwirtschaftliche Anbaupraxis auswirken können. So sind gegebenenfalls auch konventionell oder ökologisch angebaute Kulturen - bei zufälligem oder technisch nicht zu vermeidendem Vorkommen von gentechnisch veränderten Organismen oberhalb der im europäischen Recht festgesetzten Toleranzschwelle - entsprechend zu kennzeichnen. Auch kann eine Kennzeichnung mit Bezug auf eine ökologische beziehungsweise biologische Produktion oder mit dem noch strengeren Vorgaben unterliegenden Hinweis "Ohne Gentechnik" unzulässig werden. Dadurch bedingt kann der Marktpreis von Erzeugnissen gemindert oder der Absatz erschwert werden. Außerdem können Produzenten zusätzliche Kosten entstehen, weil sie Überwachungssysteme und Maßnahmen zur Minimierung der Vermischung von genetisch veränderten und nicht veränderten Kulturen einführen müssen.

135

Angesichts einer hochkontroversen gesellschaftlichen Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung von Gentechnik bei Kulturpflanzen und eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft insbesondere bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen und langfristigen Folgen eines solchen Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber auf diesem Gebiet eine besondere Sorgfaltspflicht. Der Gesetzgeber muss bei der Rechtsetzung nicht nur die von der Nutzung der Gentechnik einerseits und deren Regulierung andererseits betroffenen Interessen, welche insbesondere durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt werden, in Ausgleich bringen. Sondern er hat gleichermaßen den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (vgl. BVerfGE 118, 79 <110>). Dieser Auftrag kann sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Risikovorsorge gebieten. Zu den nach dieser Maßgabe von Art. 20a GG geschützten Umweltgütern gehören auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Sicherung eines artgerechten Lebens bedrohter Tier- und Pflanzenarten.

136

b) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen nicht Art. 12 Abs. 1 GG.

137

aa) Bei den angegriffenen Vorschriften handelt es sich um Definitionen, die im Zusammenwirken mit weiteren Normen zu Grundrechtseingriffen führen können. Die Freiheit der Berufsausübung ist mittelbar berührt. In der Klarstellung, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderte Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind, hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass das Gentechnikgesetz auch in diesen Fällen als rechtlicher Rahmen für die Berufsausübung unter Einsatz von Gentechnik dient und sich damit auf das Gentechnikgesetz gestützte Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG auch auf diese erstrecken.

138

bb) Soweit in die Freiheit der Berufsausübung mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

139

Die angegriffenen Änderungen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG dienen legitimen Zielen des Gemeinwohls. Sie bezwecken nicht nur eine begriffliche Klarstellung vor dem Hintergrund einer zuvor umstrittenen Rechtslage und dienen damit der Rechtssicherheit, sondern sie stellen auch sicher, dass das Gentechnikgesetz (§ 3 Nr. 3 GenTG) und die besonderen Bestimmungen über das Inverkehrbringen von Produkten (§ 3 Nr. 6 GenTG) möglichst umfassend und insbesondere auch auf die Zufallsnachkommen von legal freigesetzten gentechnisch veränderten Organismen Anwendung finden. Damit dienen die Änderungen den legitimen Zwecken des Gentechnikgesetzes aus § 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und dem Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG).

140

Bei einer Beschränkung der Definition des gentechnisch veränderten Organismus in § 3 Nr. 3 GenTG und damit des Anwendungsbereichs des Gentechnikgesetzes auf gezielt und unmittelbar herbeigeführte gentechnische Veränderungen wären die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von vornherein von jeder gentechnikrechtlichen Kontrolle freigestellt. Dies betrifft nicht nur das Inverkehrbringen (§§ 14 ff., § 16d GenTG), sondern auch den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG), ihre Beobachtung (§ 16c GenTG), ihre Kennzeichnung (§ 17b GenTG), die Mitteilungspflichten der Betreiber und sonstiger Beteiligter (§ 21 GenTG) und die behördlichen Befugnisse (§§ 20, 25, 26, 28 ff. GenTG). Der bezweckte Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange wäre jedoch durch das allgemeine, nicht auf Risikovorsorge, sondern auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Polizei- und Ordnungsrecht nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Der Gesetzgeber durfte auch die Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen im Allgemeinen und die durch zufällige Auskreuzung entstandenen gentechnisch veränderten Organismen im Besonderen als mit einem allgemeinen Risiko behaftet ansehen und sie mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 GenTG den gentechnikrechtlichen Vorschriften unterstellen. Die Annahme eines solchen "Basisrisikos" (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 B 33/07 -, juris Rn. 76; VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07- , NuR 2009, S. 67 <72>; Mecklenburg, NuR 2006, S. 229 <232>) liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und setzt keinen wissenschaftlich-empirischen Nachweis des realen Gefährdungspotentials der gentechnisch veränderten Organismen und ihrer Nachkommen voraus. Denn in einer wissenschaftlich ungeklärten Situation wie der vorliegenden ist der Gesetzgeber befugt, die Gefahrenlagen und Risiken zu bewerten, zumal die geschützten Rechtsgüter verfassungsrechtlich verankert sind und ein hohes Gewicht haben. Insbesondere vermindert der Umstand, dass es sich in den Anwendungsfällen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG um nicht beabsichtigte oder technisch nicht zu vermeidende Vorgänge handeln kann, nicht das mit dem Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt und der Vermarktung gentechnisch veränderter Produkte bestehende Risiko unerwünschter oder schädlicher, gegebenenfalls unumkehrbarer Auswirkungen, das im Sinn einer größtmöglichen Vorsorge beherrscht werden soll (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2001/18/EG). Der Gesetzgeber liefe zudem Gefahr, seiner Verantwortung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) nicht gerecht zu werden, wenn er die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen keiner Kontrolle unterstellen würde.

141

c) Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit betroffener Landwirte (Art. 14 Abs. 1 GG) aufgrund der Genehmigungspflicht für das Inverkehrbringen von zufällig oder technisch nicht vermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigten Produkten durch § 3 Nr. 3 und 6 GenTG kommt aus diesen Gründen ebenfalls nicht in Betracht.

142

d) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen auch nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

143

aa) Die Wissenschaftsfreiheit ist allerdings im Zusammenwirken mit anderen Eingriffsnormen des Gentechnikgesetzes berührt. Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 35, 79 <112>; 95, 193 <209>). In diesen Freiraum des Wissenschaftlers fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe (vgl. BVerfGE 35, 79 <112>; 47, 327 <367>; 90, 1 <11 f.>; 111, 333 <354>).

144

Danach ist die Erforschung von gentechnisch veränderten Organismen vom Schutzbereich erfasst, auch soweit lebende Organismen zu experimentellen Zwecken in die Umwelt - sei es im Rahmen von Freisetzungsversuchen oder im Rahmen wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbaus verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen - eingebracht werden und sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten können. Art. 5 Abs. 3 GG ist also auch betroffen, wenn die Forschung außerhalb des geschlossenen Systems stattfindet und die Umwelt einschließlich der Rechtsgüter Dritter in das kontrollierte Experiment einbezieht. Dies gilt jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten.

145

Mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderten Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen im Gegensatz zu den für eine Freisetzung bestimmten Organismen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind. Hiermit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass wissenschaftliche Freilandversuche und ihre unbeabsichtigten Folgen den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen des Staates und der Folgenverantwortung der Forschung nach Maßgabe des Gentechnikgesetzes unterfallen. Er hat die Rahmenbedingungen der Forschung abgesteckt und auf die praktische Durchführung, Fragestellung und Methodik von Forschungsprojekten Einfluss genommen. Selbst wenn man in der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG nur eine Klarstellung dessen sehen wollte, was den Normen zuvor durch Auslegung zu entnehmen war, hätte der Gesetzgeber zumindest eine umstrittene Rechtslage im Sinne dieser Auslegung geklärt und einer anderen Interpretation durch die Gerichte entzogen.

146

bb) Soweit in die Wissenschaftsfreiheit mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

147

Die Wissenschaftsfreiheit kann, wie andere vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht beschränkt werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich hierzu einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>). Ein Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten ist unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 122, 89 <107>).

148

Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener und der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die nicht nur eine Beschränkung der Berufsfreiheit und des Eigentums (vgl. oben b und c), sondern auch der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

149

3. Die Bestimmungen über das Standortregister in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind, soweit sie an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfen, mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar (a bis d).Nichts anderes gilt, soweit § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen betreffen, die nach dem ebenfalls nicht zu beanstandenden § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind (e).

150

a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wird durch die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Vorschriften über das Standortregister nicht verletzt.

151

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46>; 115, 320 <341>). Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>).

152

aa) Bezugspersonen der im Standortregister gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG erfassten und nach Maßgabe von § 16a Abs. 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG zugänglichen Informationen über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen sind die Bewirtschafter der Anbauflächen und ihre in § 16b Abs. 1a GenTG bezeichneten "Nachbarn". Die Pflicht zur Mitteilung der erforderlichen Angaben an die registerführende Stelle trifft gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG die Bewirtschafter der Anbauflächen.

153

Bewirtschafter ist gemäß § 3 Nr. 13a GenTG "eine juristische oder natürliche Person oder nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die die Verfügungsgewalt und tatsächliche Sachherrschaft über eine Fläche zum Anbau von gentechnisch veränderten Organismen besitzt". Nachbar ist, wer nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder die zu seinem Schutz erforderlichen Auskünfte nicht erteilt hat.

154

Handelt es sich bei den Betroffenen um natürliche Personen, sind diese Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Juristische Personen des privaten Rechts sind als Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt, soweit dieses Grundrecht auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist (vgl. BVerfGE 118, 168 <203>). Auf diese Unterschiede in der Reichweite des Schutzes zwischen natürlichen und juristischen Personen kommt es im vorliegenden Fall einer abstrakten Normenkontrolle jedoch nicht an, da in jedem Fall auch natürliche Personen betroffen sind und der Schutz juristischer Personen nicht weiter reicht.

155

bb) Gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG werden im Standortregister personenbezogene Daten erfasst.

156

Vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur persönliche oder personenbezogene Daten umfasst (vgl. BVerfGE 118, 168 <184> m.w.N.). Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>).

157

Das trifft zunächst auf die nach § 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben über Namen und Anschrift desjenigen zu, der die Anbaufläche bewirtschaftet und auf entsprechende Informationen zum Nachbarn gemäß § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG. Auskunft über sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer Personen erteilen die Angaben über die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften sowie das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 und 4 GenTG) sowie die grundstücksbezogenen Informationen über eine Einschränkung von Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu einem Dritten (§ 16b Abs. 1a GenTG). Die Bezugsperson geht für die registerführende Stelle jeweils aus der Mitteilung, welche die Angaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse der Betroffenen miteinander verbindet, und der gemeinsamen Speicherung der Daten eindeutig hervor.

158

Auf den Wert oder die Sensibilität eines Datums kommt es dabei nicht an. Zwar beschränken sich Name und Anschrift einer Person auf elementare Informationen, die zur Identifizierung benötigt werden. Auch sind die im allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters erfassten Angaben über die Bezeichnung, den spezifischen Erkennungsmarker und die gentechnisch veränderten Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 GenTG) bereits nach internationalem und europäischem Recht zur Bekanntgabe an die Öffentlichkeit vorgesehen und können im Internet insbesondere über das Register für veränderte Organismen der Informationsstelle für biologische Sicherheit ("Biosafety Clearing-House", Art. 20 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl II 2003 S. 1506) und über das Gemeinschaftsregister für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (Art. 28 der Verordnung Nr. 1829/2003) abgerufen werden. Schließlich sind Lage und Größe einer Anbaufläche regelmäßig öffentlich wahrnehmbar, denn Landwirtschaft wird nicht im privaten, sondern im sozialen Raum betrieben. Die Anbaufläche ist in der Natur allerdings im Allgemeinen weder im Hinblick auf den Bewirtschafter noch in Bezug auf den Anbau eines bestimmten Organismus ohne weiteres bestimmbar. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst jedoch alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen können. Er erstreckt sich auch auf Basisdaten wie Name und Anschrift sowie auf offenkundige oder allgemein zugängliche Informationen. Unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung gibt es grundsätzlich kein "belangloses" Datum mehr (vgl. BVerfGE 65, 1 <45>). Durch ihre Verknüpfung erlangen die im Standortregister erfassten Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einen neuen Stellenwert. Zusammengeführt informieren sie insbesondere darüber, dass ein bestimmter gentechnisch veränderter Organismus auf einer bestimmten Fläche von einer bestimmten Person angebaut wird.

159

cc) Die hier zu prüfenden Bestimmungen über das Standortregister ermächtigen die registerführende Stelle zur Erhebung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und greifen damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.

160

Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung können insbesondere in der Beschaffung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Informationen liegen.

161

(1) Die Bestimmungen über das Mitteilen (Erheben) und Erfassen (Speichern) der personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a GenTG und über die Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (Weitergabe) in § 16a Abs. 5 GenTG stellen demgemäß einen Grundrechtseingriff dar.

162

(2) Die Erteilung von Auskünften aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers gemäß § 16a Abs. 4 und § 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG über personenbezogene Daten durch den automatisierten Abruf über das Internet stellt eine Sonderform der staatlichen Datenübermittlung und damit eine Form der Datenverarbeitung dar (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl I S. 66). Ist auf diesem Weg die Weitergabe personenbezogener Daten vorgesehen, so liegt darin ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

163

Der Gesetzgeber hat allerdings für den allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters nur Angaben vorgesehen, die sachliche Verhältnisse beschreiben (§ 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG). Informationen über persönliche Verhältnisse wie Name und Anschrift einer Person sind hingegen im nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erfasst und werden vom Gesetzgeber als "personenbezogene Daten" bezeichnet (§ 16a Abs. 5 GenTG). Durch diese Aufteilung verlieren die in das Internet eingestellten Daten jedoch nicht ihren Personenbezug. Dieser besteht fort, solange die Bezugsperson "bestimmbar" oder "individualisierbar" bleibt. Daher ist - unbeschadet der vom Gesetzgeber gewählten Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten in § 16a Abs. 5 GenTG und anderen Daten in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG - für die Frage des Grundrechtseingriffs allein die Grenze zwischen Bestimmbarkeit und Nichtbestimmbarkeit der Bezugsperson entscheidend. Danach können vorliegend personenbezogene Informationen über das Internet abgerufen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine unbestimmte Zahl von Empfängern über Zusatzwissen verfügt, das es ihnen ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand ermöglicht, die Bezugsperson zu identifizieren. Insbesondere Ortsansässigen kann ohne weiteres bekannt sein, wer welche landwirtschaftlich genutzten Flurstücke in einer Gemarkung bewirtschaftet. Jedenfalls für diese Übermittlungsvorgänge wird die registerführende Stelle durch § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG zur Weitergabe personenbezogener Daten ermächtigt.

164

dd) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

165

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (1) und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (2). Zudem bedarf der effektive Grundrechtsschutz einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens (3).

166

(1) Die Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gemäß § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG entsprechen dem Gebot der Normklarheit und -bestimmtheit.

167

Dieses Gebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG selbst. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <359 f., 372>; 110, 33 <53>; 113, 348 <375>; 118, 168 <186 f.>). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.

168

Nach § 16a Abs. 1 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG dient die Datenerhebung und Datenverarbeitung dem Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange und dem Zweck der Information der Öffentlichkeit.

169

Das Register wird gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 GenTG von der nach § 31 Satz 2 GenTG zuständigen Bundesoberbehörde geführt, der gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a GenTG die erforderlichen Informationen mitzuteilen sind und die gemäß § 16a Abs. 4 und 5, § 16b Abs. 1a Satz 2 und 3 GenTG die Auskünfte aus dem Register erteilt. In § 16a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und in § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG ist dabei präzise bestimmt, wer welche Angaben wann mitzuteilen hat. Des Weiteren ist in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG angegeben, welche Informationen auf welche Weise aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers abgerufen werden können.

170

§ 16a Abs. 5 (ggf. i.V.m. § 16b Abs. 1a Satz 3) GenTG umschreibt schließlich hinreichend präzise die Voraussetzungen für eine Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers. Soweit der Gesetzgeber sich dabei unbestimmter Rechtsbegriffe bedient hat, steht das Bestimmtheitsgebot dem nicht entgegen. Die Begriffe "berechtigtes Interesse" und "überwiegendes schutzwürdiges Interesse" stehen in dem begrenzenden Kontext der Vorschriften zu dem Standortregister und lassen sich in diesem hinreichend konkretisieren.

171

(2) Die zu prüfenden Regelungen über die Erhebung und Verarbeitung der Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind verhältnismäßig.

172

(a) Mit diesen Bestimmungen verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele. Sie dienen der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, der Schaffung einer angemessenen Transparenz sowie den Zwecken des § 1 GenTG. Sie finden eine verfassungsrechtliche Grundlage insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG.

173

Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG dient das Standortregister der Information der Öffentlichkeit. Für die Allgemeinheit soll das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt durch Freisetzungen und Anbau transparent gemacht werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 26). Die Schaffung von Transparenz stellt in diesem Zusammenhang einen eigenständigen und legitimen Zweck der Gesetzgebung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die im Standortregister erfassten und veröffentlichten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen leisten innerhalb der demokratischen, pluralistischen Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Der öffentliche Meinungsaustausch und die Einbeziehung der Gesellschaft in diese umweltrelevanten Entscheidungen und ihre Umsetzung schützen nicht nur den Einzelnen, sondern stärken die effektive Kontrolle staatlichen Handelns. Um solche Transparenz herzustellen, ist es legitim, bestimmte Daten der Öffentlichkeit allgemein und insoweit ohne weitere Bindung an bestimmte Zwecke zugänglich zu machen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schließt die Schaffung allgemein öffentlicher Dateien - auch solcher mit Personenbezug - nicht generell aus. Insbesondere entspricht das Standortregister dem hohen Stellenwert, den die Richtlinie 2001/18/EG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit beimisst. Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG untersagt, im Genehmigungsverfahren vorgelegte Informationen über eine allgemeine Beschreibung von gentechnisch veränderten Organismen, den Namen und die Anschrift des Anmelders, Zweck und Ort der Freisetzung (vgl. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2001/18/EG) sowie die beabsichtigten Verwendungszwecke als vertrauliche Informationen zu behandeln. In seinem Urteil vom 17. Februar 2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass der Mitteilung der in Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG genannten Informationen kein Vorbehalt zugunsten des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder anderer gesetzlich geschützter Interessen entgegengehalten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - C-552/07 -, Slg. 2009, S. I-987 <1029 f.> Rn. 55 und Tenor Ziffer 2).

174

Das Standortregister kommt auch der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter zugute (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es dient damit insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und fremden Eigentums vor schädlichen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Kulturpflanzen und der Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren.

175

Das Standortregister soll ferner die Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf den Koexistenzbelang gemäß § 1 Nr. 2 GenTG und die Information potentiell betroffener Dritter über den geplanten Anbau sicherstellen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des zugrunde liegenden europäischen Koexistenzkonzeptes (hierzu: Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Das Ziel eines verträglichen Nebeneinanders der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden findet seine verfassungsrechtliche Grundlage nicht nur in der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Freiheit anderer Erzeuger zur selbstbestimmten Nutzung ihres Eigentums, sondern auch in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung.

176

Das Standortregister dient schließlich dem Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Insbesondere kann die Information der Öffentlichkeit über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt ein eigenes Urteil über den staatlich genehmigten und überwachten Einsatz von Gentechnik schaffen und die Akzeptanz der staatlichen Entscheidungen verbessern.

177

(b) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

178

Das Standortregister kann die effektive Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange unterstützen und trägt damit zur Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sowie zur Gewährleistung von Koexistenz bei.

179

Die Information der zuständigen Behörden über die Anbauflächen gentechnisch veränderter Kulturen ermöglicht diesen insbesondere, den Anbau und seine Umweltauswirkungen zu beobachten und zu überwachen, Produktionsprozesse gezielt zu kontrollieren, die ordnungsgemäße Anwendung von Koexistenzmaßnahmen sicherzustellen und standortbezogene wissenschaftliche Begleituntersuchungen durchzuführen, um langfristige oder unvorhergesehene Effekte zu erfassen.

180

Das Standortregister ist geeignet, die Öffentlichkeit und mögliche Betroffene über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt zu informieren und damit die gewünschte Transparenz, Koexistenz und gesellschaftliche Befriedung zu befördern. Insbesondere können sich Nachbarbetriebe und andere mögliche Betroffene rechtzeitig über den beabsichtigten Anbau solcher Organismen informieren und Maßnahmen zum Schutz vor Einträgen in ihre Erzeugnisse ergreifen.

181

(c) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist ein ebenso wirksamer, aber die Betroffenen weniger belastender Weg der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nicht ersichtlich.

182

Die zuständigen staatlichen Stellen verfügen über keine vergleichbaren Informationen, auf die sie zur Erfüllung der Zwecke des Standortregisters zurückgreifen könnten. Diese liegen insbesondere nicht schon aufgrund des Genehmigungsverfahrens zum Inverkehrbringen vor. Das Genehmigungsverfahren ist nicht auf den Bewirtschafter von Anbauflächen, sondern auf denjenigen bezogen, der ein Produkt erstmals in Verkehr bringt (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 GenTG).

183

Auch die Mitteilungsfrist von drei Monaten vor dem Anbau gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1 GenTG durfte der Gesetzgeber für erforderlich halten, um das Konzept einer abgestimmten Anbauplanung umzusetzen. Denn bis zur Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen hat nicht nur die Mitteilung an das Standortregister zu erfolgen. Es ist auch der Nachbar zu unterrichten und dessen Angaben sind gegebenenfalls durch eine Anpassung der Anbaupläne zu berücksichtigten. Zudem können schriftliche Vereinbarungen über die gute fachliche Praxis getroffen werden. Diese Änderungen und Vereinbarungen sind wiederum dem Standortregister zu melden. Ferner sind innerbetriebliche Abweichungen von der guten fachlichen Praxis den zuständigen Behörden zu melden.

184

Desgleichen ist die Datenverarbeitung nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 4 und 5, § 16a Abs. 1a GenTG zur Zweckerreichung erforderlich. Ein Antragsverfahren für die Erteilung von Auskünften über die genauen Anbaustandorte würde die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecke nicht ebenso wirksam umsetzen. Das angestrebte hohe Maß an Transparenz könnte nicht erreicht werden, wenn nur die Gemeinde oder Gemarkung des Standortes gemäß § 16a Abs. 4 GenTG in das Internet eingestellt würde. Auch die Möglichkeit der frühzeitigen Planung, Abstimmung und Koordination konkurrierender Nutzungsinteressen und die Wirtschaftlichkeit der Auskunftserteilung wären mit einem Antragsverfahren nicht gleichermaßen gewährleistet.

185

Eine Begrenzung des berechtigten Interesses an der Auskunftserteilung gemäß § 16a Abs. 5 GenTG auf Fälle, in denen eine "wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung" sowie "substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn" drohen, wäre nicht geeignet, die Information möglicher Betroffener in dem vom Gesetzgeber gewollten Umfang sicherzustellen. Insbesondere in der Phase der Anbauplanung dürfte regelmäßig nicht absehbar sein, ob solche Nachteile zu erwarten sind mit der Folge, dass Auskünfte über Namen und Anschrift der Bewirtschafter nicht oder nur in geringem Maße erteilt werden dürften. Die Möglichkeit, mit Hilfe des Standortregisters lokale Erzeugungsstrukturen durch Anbauplanung aufeinander abzustimmen und die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Kulturen zu koordinieren, wäre dann nicht vergleichbar gegeben.

186

(d) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG wahren auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

187

Erheben und Verarbeiten von personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der vorgesehenen Form führen allerdings zu einem Eingriff von Gewicht.

188

Die nach § 16a Abs. 3 und § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden Daten werden im Standortregister verknüpft, so dass neue, über die Einzelangabe hinausgehende Informationen entstehen. Die Datenerhebung erlangt zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie nach Maßgabe von § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG bußgeldbewehrt ist. Auch stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG durch automatisierten Abruf über das Internet eine besonders weitgehende Form des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die Daten können nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken - auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil eines Bewirtschafters oder Nachbarn - verwendet werden.

189

Das Gewicht des Eingriffs wird jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten gemildert.

190

Den Anlass für den Grundrechtseingriff geben die Betroffenen selbst mit einem Verhalten, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Rechtsgüter Dritter haben kann und daher das Bedürfnis nach staatlicher Überwachung und ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Auch ist der mit der Datenerhebung verbundene Aufwand verhältnismäßig gering. Soweit nach § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn eine Mitteilung nach § 16a Abs. 3 Satz 1 oder 3 GenTG nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gemacht wird, ist ein ordnungsgemäßes Verhalten für den Bewirtschafter mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die gemäß § 16a Abs. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben betreffen ausschließlich den Bewirtschafter und seine berufliche Tätigkeit und können von ihm auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Das in der Bekanntgabe über das Internet liegende Gewicht wird schließlich dadurch relativiert, dass die Empfänger den Personenbezug erst durch Zusatzwissen oder eine aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erteilte Auskunft herstellen können. Für die überwiegende Zahl der weltweit in Betracht kommenden Informationsempfänger bleiben die Bezugspersonen anonym. Diese Empfänger werden regelmäßig auch kein Interesse daran haben, den konkreten Anbau einer bestimmten Person zuzuordnen.

191

Angesichts der legitimen Gemeinwohlinteressen, denen das Standortregister dient, ist der Eingriff daher nicht unangemessen. Mit der Aufteilung des Registers in einen allgemein zugänglichen und einen nicht allgemein zugänglichen Teil hat der Gesetzgeber einen tragfähigen und aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Staates und der Öffentlichkeit einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der Bezugspersonen andererseits gefunden.

192

Der gesetzlichen Regelung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass durch die Einrichtung des Standortregisters die Wahrscheinlichkeit mutwilliger Zerstörungen von Anbaukulturen erhöht werde. Bereits vor der Einführung des Standortregisters kam es wiederholt zu Behinderungen von Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen, denen mit dem Einsatz des Polizei- und Strafrechts zu begegnen war. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber sein Konzept eines verträglichen Nebeneinanders der unterschiedlichen Produktionsweisen und einer gesellschaftlichen Befriedung umgesetzt und fortentwickelt. Bestandteil des Konzeptes ist - unbeschadet der ohnehin bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - die transparente Information der Öffentlichkeit über den Einsatz von Gentechnik auf der einen Seite und der Schutz der Nutzer von Gentechnik vor den von dieser Öffentlichkeit ausgehenden Gefahren durch einen nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters und mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts auf der anderen Seite. Der Staat ist, wie auch in anderen Fällen einer Behinderung der Eigentums-, Berufs- oder Forschungsfreiheit durch Dritte verpflichtet, die ungehinderte Betätigung der Grundrechte im Einzelfall zu fördern und zu schützen. Bisher ist nicht erkennbar, dass durch das Standortregister eine Situation so hoher Gefährdung für Bewirtschafter entstanden wäre, dass der Gesetzgeber evident zur Schaffung weitergehender Schutzmechanismen gegen rechtswidrige und strafbare Feldzerstörungen verpflichtet wäre.

193

Auch die Bestimmungen über den nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters in § 16a Abs. 5 GenTG schränken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen ein. Gemäß § 16a Abs. 5 GenTG darf eine Auskunft aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat. Den Rechtsanwender trifft damit die Pflicht zur Abwägung, durch die eine einzelfallbezogene Beurteilung erreicht werden kann.

194

(3) Der Grundrechtsschutz ist schließlich auch durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert.

195

Die Verwendung personenbezogener Daten muss auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt sein (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Auch sind Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten von Bedeutung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt.

196

Die Information der Betroffenen vor der Datenerhebung darüber, welche Daten über das Internet abgerufen werden können und unter welchen Voraussetzungen Auskünfte über die mitgeteilten persönlichen Daten erteilt werden können, ist durch die insoweit klare Gesetzeslage sichergestellt. Dass hierbei bestimmte Daten zur Herstellung von Transparenz der allgemeinen Öffentlichkeit auch ohne weitere Zweckbindung zugänglich gemacht werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

197

Eine Information des gemäß § 16b Abs. 1a GenTG betroffenen Nachbarn über die Mitteilung an das Standortregister kann im Rahmen der Aufklärung über die Rechtsfolgen der schriftlichen Vereinbarung oder der Nichterteilung von Auskünften gemäß § 16b Abs. 1 Satz 3 GenTG erfolgen. Jedenfalls ist der Nachbar ausreichend dadurch geschützt, dass die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten in § 16b Abs. 1a GenTG durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dementsprechend besteht gemäß § 19a Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine Pflicht zur Benachrichtigung eines Betroffenen, ohne dessen Kenntnis die Daten aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erhoben wurden.

198

Eine Benachrichtigung des Betroffenen über den Abruf von Daten aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers erübrigt sich, weil der Betroffene bereits bei der Datenerhebung weiß, welche Daten veröffentlicht werden und sich entsprechend darauf einstellen kann. Im Übrigen sind weitreichende Auskunftspflichten über erhobene und weitergegebene Daten in § 19 BDSG vorgesehen, der gemäß § 16a Abs. 7 GenTG für juristische Personen entsprechend gilt. Gegen § 19 BDSG bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BVerfGE 120, 351 <365>).

199

Der auf ein bestimmtes Vorhaben bezogene und begrenzte Zweck der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gebietet ferner die Löschung aller nicht oder nicht mehr zur Zweckerreichung erforderlichen Daten (vgl. BVerfGE 113, 29 <58>). Dem ist vorliegend durch die gesetzlich angeordnete Löschung der Daten 15 Jahre nach ihrer erstmaligen Speicherung gemäß § 16a Abs. 6 Satz 2, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG genügt.

200

b) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

201

aa) Die Verpflichtung zur Mitteilung von Angaben über den Anbau an das Standortregister nach Maßgabe von § 16a Abs. 3 GenTG verletzt die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

202

Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. BVerfGE 115, 205 <229>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.

203

Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei den gemäß § 16a Abs. 3 GenTG zu erhebenden Daten über den gentechnisch veränderten Organismus und seinen Standort weder um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse noch erscheint die Erhebung und Verarbeitung dieser Daten geeignet, empfindliche Wettbewerbsnachteile nach sich zu ziehen. Da der Anbau im öffentlichen Raum stattfindet, ist seine Wahrnehmung und Kenntnis von vornherein nicht auf einen begrenzten Kreis von Personen beschränkt, der einem landwirtschaftlichen Betrieb oder Unternehmen zugerechnet werden könnte. Der gentechnisch veränderte Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und der spezifische Erkennungsmarker sind, ohne dass es auf das Standortregister ankommt, im Internet veröffentlicht. Zudem muss der Geheimhaltungswille berechtigten wirtschaftlichen Interessen entspringen, so dass es unerheblich ist, ob ein Unternehmen ein negatives Image, das mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sein mag, abwenden will.

204

bb) Die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben an die registerführende Behörde zu übermitteln, stellt eine Berufsausübungsregelung dar, die aber durch die dargestellten Gemeinwohlbelange von überragendem Gewicht gerechtfertigt ist.

205

Im Übrigen bietet das Grundrecht der Berufsfreiheit grundsätzlich keinen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinausgehenden Schutz vor staatlichen informationellen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 118, 168 <205>).

206

c) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder der Gefahr von Eigentumsverletzungen durch Gentechnikgegner kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht.

207

d) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.

208

Erfolgt der Anbau zu wissenschaftlichen Zwecken, so betrifft die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben über den Anbau an die registerführende Behörde zu übermitteln, auch die Bedingungen für die Durchführung des Forschungsprojektes und berührt damit den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die darin liegende Einschränkung weist jedoch in Bezug auf die Forschungsfreiheit kein hohes Gewicht auf und ist durch den Schutz der dargestellten kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt.

209

e) Aus denselben Erwägungen sind die in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG enthaltenen Bestimmungen über die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit durch den Betreiber nach Maßgabe von § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Aus den dargestellten Gründen bestehen auch gegen § 16a Abs. 2 GenTG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

210

4. § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Auch eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht festgestellt werden.

211

a) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG in ihrer zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

212

aa) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG greifen in die Berufsfreiheit ein. Der Gesetzgeber regelt mit diesen Bestimmungen den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. § 16b Abs. 4 und § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG in der Alternative des Inverkehrbringens knüpfen insoweit unmittelbar an die Betätigung zu Erwerbszwecken an; die weiteren angegriffenen Bestimmungen weisen jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Denn sie betreffen typischerweise den erwerbswirtschaftlichen oder gewerbsmäßigen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten und verstehen sich in erster Linie als rechtliche Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Die Pflicht, Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange zu treffen, geht dabei über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus und verlagert die Eingriffsbefugnisse der Behörde im Vergleich zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr zeitlich und sachlich nach vorn.

213

bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

214

(1) Die Regelungen sind hinreichend bestimmt.

215

In § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG definiert der Gesetzgeber den Inhalt und das Ziel der Vorsorgepflicht dahingehend, dass bestimmte Rechtsgüter und Belange "nicht wesentlich beeinträchtigt" werden dürfen. Wann eine Beeinträchtigung wesentlich ist, kann mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln bestimmt werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen europäische Schwellenwerte zur Kennzeichnungspflicht Orientierung bieten und der Begriff durch die in § 36a Abs. 1 GenTG vorgegebenen Interpretationsregeln näher festgelegt werden (BTDrucks 15/3088, S. 27). § 36a Abs. 1 GenTG knüpft an den Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung in § 906 BGB an. Interpretationsgrundsätze, die sich in diesem Regelungszusammenhang herausgebildet haben, können daher auch bei der Auslegung von § 36a Abs. 1 GenTG herangezogen werden.

216

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu beanstanden. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ausgesprochene Rechtsfolge sind für die Betroffenen in zumutbarer Weise zu erkennen. Sie lassen sich jedenfalls im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen. Die Möglichkeiten einer weitergehenden Regelung sind zudem nach der Eigenart des geregelten Lebenssachverhalts begrenzt. Ob und inwieweit die Vorsorgepflicht im Einzelfall abdingbar ist, kann letztlich nur für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse vor Ort geklärt werden. Die sich aus einer Anwendung von § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ergebenden haftungsrechtlichen Fragen hat der Gesetzgeber in § 16b GenTG nicht geregelt. Insoweit konnte er es bei der allgemeinen vertraglichen und außervertraglichen Haftung und den hierzu - auch im Zusammenhang mit einem vertraglichen Verzicht auf eine günstige Rechtsposition - entwickelten Grundsätzen belassen. Insgesamt begegnet § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. in Bezug auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitserfordernis keinen durchgreifenden Bedenken.

217

Auch § 16b Abs. 2 und 3 GenTG sind hinreichend bestimmt gefasst. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in § 16b Abs. 3 GenTG nicht erschöpfend geregelt hat ("insbesondere"). Der Gesetzgeber durfte mit der offenen Fassung dieser Grundsätze der Vielgestaltigkeit des geregelten Lebenssachverhalts Rechnung tragen. Der Begriff der guten fachlichen Praxis ist einerseits offen genug für neue Entwicklungen und andererseits geeignet, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen die Landwirte handeln können und müssen. Was im Einzelfall zur guten fachlichen Praxis gehört, lässt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere auch in Anlehnung an die hinter den Regelbeispielen liegenden Wertungen, mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend bestimmen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 16b Abs. 6 GenTG die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen, die die Grundsätze der guten fachlichen Praxis weiter konkretisieren kann.

218

Schließlich sind die in § 16b Abs. 4 GenTG an die Eignung von Person und Ausstattung gestellten Anforderungen ausreichend bezeichnet. Bei der Umschreibung dieser Anforderungen bedient sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe wie "Zuverlässigkeit" und "Kenntnisse", die seit jeher in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Gesetzen verwendet werden (z. B. § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gaststättengesetz). Diese Begriffe sind in einer langen Tradition von Gesetzgebung, Verwaltungshandeln und Rechtsprechung so ausgefüllt worden, dass an ihrer rechtsstaatlichen Bestimmtheit nicht zu zweifeln ist, mögen sie auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erfordern (vgl. BVerfGE 49, 89 <134>). Ebenso sind die in § 16b Abs. 4 GenTG verwandten Begriffe "Fertigkeiten" und "Ausstattung" mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend zu präzisieren. Wozu die Eignung von Person und Ausstattung dienen soll, ist mit dem Verweis auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht gemäß § 16b Abs. 1 GenTG hinreichend geregelt.

219

(2) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verhältnismäßig.

220

(a) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind als Regelungen der Berufsausübung statthaft, weil sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls legitimiert werden, zur Erreichung der Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich sind und den Betroffenen nicht unzumutbar belasten (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 36, 47 <59>; 61, 291 <312>; 68, 272 <282>; 103, 1 <10>; stRspr). Auch die Sachkundeanforderungen des § 16b Abs. 4 GenTG sind Berufsausübungsregelungen.

221

(b) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung dienen legitimen Gemeinwohlzielen.

222

Mit der Vorsorgepflicht soll ein verantwortungsvoller Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und dadurch einer wesentlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG durch Einträge dieser Organismen vorgebeugt werden (§ 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG). Diesem Ziel dienen auch die Grundsätze der guten fachlichen Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung, welche jeweils auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht bezogen sind (§ 16b Abs. 2, 3 und 4 GenTG). Mit der Vorsorgepflicht trägt der Gesetzgeber der - auch bezogen auf den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen bestehenden - Erkenntnis- und Prognoseunsicherheit Rechnung, die aus dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und dort bestehenden Ungewissheiten resultiert. Die Ausbreitung solcher Organismen soll durch die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis von vornherein möglichst vermieden oder, wenn unvermeidbar, auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Die Anforderungen an die Person und Ausstattung (§ 16b Abs. 4 GenTG) sollen sicherstellen, dass der Anwender hierzu fähig und willens ist und damit die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit gewährleisten (BTDrucks 15/3088, S. 27).

223

§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG dienen damit dem Zweck, Vorsorge gegen schädliche Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte für das Leben und die Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter zu treffen (§ 1 Nr. 1 GenTG). Die Vorschriften konkretisieren zudem die Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) und dienen insoweit insbesondere dem Schutz der Berufs- und Eigentumsfreiheit potentieller Betroffener und dem Ziel, durch die Gewährleistung eines verträglichen Nebeneinanders der landwirtschaftlichen Produktionsformen die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu wahren, Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen und eine gesellschaftliche Befriedung zu erreichen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 27). Schließlich verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG).

224

(c) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

225

Soweit der Gesetzgeber das in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. geregelte Verbot koexistenzgefährdender Handlungen durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 gestrichen und zugunsten der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen durch eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht ersetzt hat, bewegt sich die Änderung innerhalb des ihm zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs. Sie führt nicht zu einer fehlenden Eignung der Regelung wegen einer nicht hinreichend konsequenten Verfolgung des Vorsorgeziels.

226

(d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist kein gleich wirksames, aber die Betroffenen weniger belastendes Mittel erkennbar, um den angestrebten verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu erreichen.

227

Die Erforderlichkeit der Regelungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis kann insbesondere nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter bereits durch das Bewertungs- und Genehmigungsverfahren im Rahmen der Inverkehrbringensgenehmigung sichergestellt werde. Zwar ist die Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen grundsätzlich mit der Einschätzung verbunden, dass unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter wie die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GenTG). Es handelt sich jedoch um eine Prognoseentscheidung, welche das Auftreten von nicht vorhergesehenen schädlichen Auswirkungen etwa auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht ausschließen kann. Der Zweck der auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG bezogenen Vorsorgepflicht liegt gerade darin, ergänzend zu den Genehmigungsbedingungen für ein Inverkehrbringen einen verantwortungsvollen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und damit einen möglichst umfassenden und lückenlosen Rechtsgüterschutz nach der Marktfreigabe zu gewährleisten.

228

(e) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung sind auch im engeren Sinn verhältnismäßig.

229

Die in § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG normierten öffentlichrechtlichen Verpflichtungen enthalten strenge Vorgaben für die Berufsausübung unter Einsatz von zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und greifen daher mit nicht unerheblichem Gewicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein.

230

Die hiermit verbundene Belastung wird schon dadurch begrenzt, dass das Gesetz zugunsten des Einsatzes der "grünen" Gentechnik eine Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen hinnimmt, die nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG führt. Das Gewicht des Eingriffs wird auch durch die nach § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG n.F. bestehende Möglichkeit gemildert, im Einzelfall aufgrund schriftlicher Zustimmung oder Schweigen des Nachbarn ausschließlich zum Schutz der wirtschaftlichen Koexistenz des anderen (§ 1 Nr. 2 GenTG) bestehende Vorgaben nicht zu beachten. Zudem gehören die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen nur zur guten fachlichen Praxis, "soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist". Sie enthalten - derzeit ergänzt und konkretisiert durch die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung - GenTPflEV - vom 7. April 2008, BGBl I S. 655), die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) - normative Vorgaben, auf die sich ein Verwender von gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie ein möglicher Betroffener einstellen kann. Damit hat sich die Rechts- und Planungssicherheit auch für die Anwender verbessert.Ferner können die zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Betriebsführungsmaßnahmen auf bereits bestehenden Trennungspraktiken oder -verfahren und bisherigen Erfahrungen mit der Behandlung identitätsgeschützter Pflanzensorten und den Saatguterzeugungspraktiken aufbauen. Schließlich besteht die Möglichkeit, mit Nachbarbetrieben zusammenzuarbeiten. Management und Erzeugung können koordiniert und zum Beispiel Sorten mit unterschiedlichen Blütezeiten verwendet, unterschiedliche Aussaatzeiten vereinbart oder Fruchtfolgen aufeinander abgestimmt werden. Bereits auf diesem Weg können die Kosten für die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen erheblich gesenkt, das Risiko von Auskreuzungen in benachbarte Kulturen minimiert, die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte für Lebensmittel und Futtermittel ermöglicht und letztlich auch Haftungsfälle von vornherein vermieden werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 27 unter Verweis auf die Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen - 2003/556/EG -, ABl EU 2003 Nr. L 189, S. 36).

231

Demgegenüber überwiegen die legitimen Gemeinwohlziele, die den Gesetzgeber zur Normierung der Vorsorgepflicht, der guten fachlichen Praxis und der Eignung von Person und Ausstattung veranlasst haben. Sie könnten, unbeschadet der Einordnung von § 16b Abs. 4 GenTG als Berufsausübungsregelung, sogar eine Regelung der Berufswahl rechtfertigen. Der Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge sind verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 20a GG verankert. Die flankierenden, oben dargestellten Regelungsziele dienen ebenfalls wichtigen Belangen des Gemeinwohls und sind wie beispielsweise der Verbraucherschutz auch im Unionsrecht anerkannt.

232

Bei der Verwirklichung dieser Ziele muss dem Gesetzgeber gerade vor dem Hintergrund der breiten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte um den Einsatz von Gentechnik und seine angemessene staatliche Regulierung ein großzügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden.

233

Setzt man diese betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Rechte und Interessen zueinander ins Verhältnis und bezieht die weiteren flankierenden Regelungsziele in die Abwägung ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung nicht zu beanstanden.

234

Weder beeinträchtigen die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung die am Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen Beteiligten unzumutbar (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) noch stehen die Anforderungen an Person und Ausstattung außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG).

235

Der Gesetzgeber hat den Behörden und Fachgerichten auch genügend Spielraum belassen, um eine verhältnismäßige Anwendung von § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG im Einzelfall sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, was im Einzelfall zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis gehört. Die allgemein gehaltenen Vorgaben zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis lassen es zu, die tatsächlichen Rahmenbedingungen des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen im Einzelfall, insbesondere an den konkreten Anbaustandorten, angemessen zu berücksichtigen und den Inhalt der Pflichten auf das Maß zu beschränken, welches jeweils zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG erforderlich ist.

236

Der den Rechtsanwendern belassene Spielraum wahrt dabei die Grenzen der Zumutbarkeit. Die erforderlichen Standards sind sukzessive durch administrative und gerichtliche Vorgaben unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuformen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Gentechnik grundsätzlich zugelassen ist und nach dem Willen des Gesetzgebers möglich bleiben soll. § 16b GenTG verlangt keine Vorkehrungen, die mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschließen sollen und damit faktisch auf ein Verbot des Umgangs mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen hinauslaufen können. Die Ausbreitung dieser Organismen soll vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Anforderungen dürfen daher nach der Gesetzeslage nur so weit gehen, wie sie nach den Gegebenheiten des Einzelfalls erforderlich und zumutbar sind. Innerhalb dieses Rahmens geben derzeit die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) den Beteiligten weitere Maßstäbe für die Konkretisierung der angegriffenen Bestimmungen an die Hand. Verbleibende Unsicherheiten führen nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen.

237

Die mit § 16b Abs. 4 GenTG verbundenen Beschränkungen sind aus der Sache heraus legitimiert. Sie beruhen darauf, dass es besonderer theoretischer und praktischer Kenntnisse und einer entsprechenden Betriebsorganisation bedarf, um Einträge in andere Kulturen zu vermeiden oder so weit wie möglich zu reduzieren, und dass die Ausübung des jeweiligen Berufes ohne solche Voraussetzungen unsachgemäß wäre und Gefahren für die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG mit sich bringen würde.

238

b) § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind auch mit der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar.

239

aa) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sind an der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit zu messen, soweit sie nicht ausschließlich für den Umgang zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken gelten. Der Schutzbereich ist insoweit jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten eröffnet.

240

bb) Die Vorgaben der Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis für den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen greifen in die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit ein, die Fragestellung und Methodik einschließlich der praktischen Durchführung eines Forschungsprojektes frei zu bestimmen.

241

cc) Die legitimen Gemeinwohlbelange, die den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, die Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die aus den schon genannten Gründen auch einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

242

c) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG verletzen nicht Art. 2 Abs. 1 GG.

243

Art. 2 Abs. 1 GG kommt als Prüfungsmaßstab für die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von ausländischen Personen und die Verpflichtung von Privatpersonen, die nicht erwerbswirtschaftlich mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen, in Betracht, die nicht unter den Schutz der Berufsfreiheit fallen (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist jedoch aus den zu Art. 12 Abs. 1 GG genannten Gründen gerechtfertigt (oben C II 4 a bb).

244

Soweit § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. an das Schweigen Rechtsfolgen anknüpft, ist hiermit keine unzumutbare Belastung für den Nachbarn verbunden. Selbst wenn man die Regelung als Fall einer fingierten Willenserklärung und Eingriff in die Privatautonomie ansieht, ist sie jedenfalls gerechtfertigt.

245

Die Anknüpfung von Rechtswirkungen an das Schweigen gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. beseitigt Ungewissheiten über die Zustimmung zu einer bestimmten Anbauplanung und verbessert damit die Planungs- und Rechtssicherheit bei den nach § 3 GenTPflEV mitteilungspflichtigen und nach § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG anzeigepflichtigen Grundstücksnutzungen. Damit verbunden ist das Anliegen des Gesetzgebers, die Abstimmung der Anbauplanung als Mittel zur Sicherung der Koexistenz zu fördern und gleichzeitig den Verwender von Gentechnik zugunsten geschützter Interessen nicht mehr als nötig zu belasten. § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist zur Erreichung dieser legitimen Zielsetzung geeignet und erforderlich.

246

Auch die Angemessenheit ist gewahrt. Der Gesetzgeber wertet typisierend diejenigen Personen, denen der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilen ist, als schutzbedürftig. Wer konventionell oder ökologisch wirtschaftet, soll darauf vertrauen dürfen, dass möglicherweise beeinträchtigender Anbau mitgeteilt und abgestimmt wird. Andererseits verlangt der Gesetzgeber von den so Geschützten, sich auf konkrete Anfrage des Verwenders von gentechnisch veränderten Organismen innerhalb einer Monatsfrist über ihr Schutzbedürfnis zu erklären. Andernfalls wird unterstellt, dass kein Schutzbedarf besteht, so dass der Verwender den geplanten Anbau umsetzen kann. Er wird damit auch von der Unsicherheit der Prüfung entlastet, ob in dem Schweigen ein konkludenter Verzicht liegt. Dieser Ausgleich der möglicherweise gegenläufigen Interessen bewegt sich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

247

d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung verletzen auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht.

248

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von Gentechnik im Vergleich zu konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirten folgt aus den besonderen Eigenschaften der Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung legitime Gemeinwohlziele, die so gewichtig sind, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch die Ungleichbehandlung rechtfertigen.

249

Soweit § 16b GenTG zwischen denjenigen, die erwerbswirtschaftlich oder vergleichbar mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen und anderen Verwendern von Gentechnik differenziert, beruht dies zum einen darauf, dass gentechnisch veränderte Organismen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken regelmäßig in größerem Umfang als zu anderen Zwecken eingesetzt werden und die Schutzgüter damit in größerem Ausmaß gefährdet sind. Zum anderen stehen den zusätzlichen Anforderungen im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Umgangs typischerweise auch größere Vorteile aus der Nutzung der Gentechnologie gegenüber. Diese Umstände rechtfertigen die Ungleichbehandlung.

250

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen im Vergleich zu denjenigen, die solche Organismen zu Versuchszwecken freisetzen, knüpft schließlich daran an, dass in der Freisetzungsgenehmigung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall und auf den jeweiligen Versuch und Standort angepasst vorgegeben werden können (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG). Eine angemessene Berücksichtigung konkreter Anbaubedingungen ist hingegen in der Genehmigung zum Inverkehrbringen regelmäßig nicht möglich, da diese für eine Vielzahl von Anbaustandorten und allgemeingültig für jeden Mitgliedstaat erteilt wird. Dieser Umstand rechtfertigt die Differenzierung.

251

5. § 36a GenTG ist mit Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

252

a) Nach der nachbarrechtlichen Konzeption des § 36a GenTG sind Haftungsadressaten die Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks, soweit sie die beeinträchtigende Nutzungsart bestimmen und, wenn die Störung von einer Anlage ausgeht, diejenigen, welche die Anlage halten und von deren Willen die Beseitigung abhängt (vgl. BGHZ 155, 99 <102>).

253

Von § 36a GenTG betroffen sind daher in erster Linie die Verwender von gentechnisch veränderten Organismen in Forschung, Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Zum Kreis der Haftenden gehören ferner juristische Personen des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Universitäten jedenfalls dann, wenn sich die Nutzung des emittierenden Grundstücks nicht als schlicht hoheitliches, sondern privatrechtliches Handeln darstellt und sie daher der zivilrechtlichen Haftung unterliegen. Die Frage, ob sie auch bei schlicht-hoheitlichem Handeln zu den Adressaten des § 36a GenTG zählen, bedarf keiner abschließenden Klärung. Wie die bisherige Rechtsprechungspraxis zeigt, ist die Haftung staatlicher Forschungseinrichtungen nach privatem Nachbarrecht nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24. August 1999 - 14 U 57/97 -, ZUR 2000, S. 29). Insofern ist die Frage einer Verletzung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere von Universitäten in die Prüfung einzubeziehen.

254

b) § 36a GenTG ist mit Art. 14 GG vereinbar.

255

aa) Die Vorschrift regelt in Verbindung mit §§ 906, 1004 BGB, die zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehören (vgl. BVerfGE 72, 66 <75 f.>), die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn.

256

§ 36a GenTG ist keine eigenständige Haftungsregelung, sondern konkretisiert und ergänzt die bestehende verschuldensunabhängige Störerhaftung im privaten Nachbarrecht (§§ 1004, 906 BGB). § 36a GenTG stellt bei der Auslegung und Anwendung zentraler Begriffe der nachbarrechtlichen Bestimmungen durch Vorgabe zwingender Interpretationsregeln sicher, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch in den Fällen besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Benutzung eines fremden Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird (§ 36a Abs. 1 bis 3 GenTG). Ferner wird das private Nachbarrecht um eine Regelung ergänzt, die Schwierigkeiten beim Kausalitätsbeweis behebt (§ 36a Abs. 4 GenTG).

257

Diese neuen Haftungsregelungen knüpfen nicht nur dem Wortlaut nach in § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG an § 906 BGB und dessen Tatbestandsmerkmale an, sondern fügen sich auch in die Systematik der nachbarrechtlichen Störerhaftung ein. Wie bisher gilt, dass wesentliche Einwirkungen, die entweder nicht ortsüblich oder zwar ortsüblich, aber mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu verhindern sind, nicht hingenommen werden müssen. Derartige Beeinträchtigungen sind rechtswidrig. Hiergegen steht dem Betroffenen grundsätzlich ein auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteter Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Hat ein Nachbar hingegen Einwirkungen zu dulden, so kann ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB oder analog dieser Vorschrift gegeben sein (nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch). Unberührt bleiben der Anspruch auf Schutzvorkehrungen nach § 23 Satz 1 GenTG und der Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 23 Satz 2 GenTG insbesondere bei Vorliegen einer nach Anhörung (§ 18 Abs. 2 GenTG) erteilten, unanfechtbaren Freisetzungsgenehmigung.

258

Eine § 36a Abs. 4 GenTG entsprechende Regelung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwar nicht. Die Vorschrift kann jedoch als Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer emittierender Eigentümer und zur Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 BGB und § 287 ZPO auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gesehen werden (vgl. BGHZ 66, 70 <77>; 85, 375 <386 f.>; 101, 106 <111 ff.>).

259

Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien unterstützt, nach denen durch § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG zentrale Elemente der nachbarrechtlichen Bestimmungen (§§ 906, 1004 BGB) konkretisiert und mit § 36a Abs. 4 GenTG eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 Abs. 1 BGB normiert werden sollten (vgl. BTDrucks 15/3088 S. 31).

260

§ 36a GenTG stellt sich daher nach seinem Sinn und Zweck als Norm der nachbarrechtlichen Störerhaftung dar. Eine neuartige Haftung im System des privaten Nachbarrechts wird hierdurch nicht begründet. Auch die §§ 906, 1004 BGB regeln die Koexistenz von Nachbarn.

261

Der Anspruch auf angemessenen Ausgleich analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 155, 99 <103 f.>). Denn im Gegensatz zur Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn geht es bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anlage oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige, aber aus tatsächlichen Gründen zu duldende Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung. Der Ausgleich richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380> m.w.N.). Diese Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts ist mit einem Schadensersatzanspruch nicht notwendig deckungsgleich; es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380>).

262

Konkurrierende konventionell oder ökologisch wirtschaftende Landwirte sind ebenso wie andere Emittenten auch der verschuldensunabhängigen Störerhaftung im Nachbarrecht unterworfen. Die Bezugnahme auf öffentlichrechtliche Grenzwerte (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB) ist der nachbarrechtlichen Störerhaftung ebenso wenig fremd wie die Ursachenvermutung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises bei mehreren Verursachern (§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO). Dass die Risiken einer Grundstücksnutzung möglicherweise nicht angemessen kalkuliert und versichert werden können, schließt die nachbarrechtliche Störerhaftung nicht aus. Eine Freistellung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen von der verschuldensunabhängigen Haftung im Nachbarrecht würde im Ergebnis daher keine Benachteiligung beseitigen, sondern diese im Vergleich zu anderen Emittenten privilegieren.

263

bb) § 36a GenTG bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen wegen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen Abwehransprüche aus § 1004 BGB und Ausgleichsansprüche nach oder analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks geltend gemacht werden können.

264

Wie die §§ 906, 1004 BGB legt die Norm in generell-abstrakter Weise Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer fest und ist damit Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift wahrt die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung zu stellen sind.

265

(1) Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt.

266

Die Bezugnahme auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die auch von einem anderen, namentlich dem europäischen Gesetzgeber erlassen und von ihm geändert werden können, ist nicht zu beanstanden.

267

Nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG stellen die Pflicht zur Kennzeichnung von Erzeugnissen als gentechnisch verändert (Nr. 2) oder der Verlust einer Kennzeichnungsmöglichkeit hinsichtlich einer bestimmten Produktionsweise (Nr. 3) als Folge eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen eine wesentliche Beeinträchtigung des Eigentums im Sinn von § 906 BGB dar. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG setzt also die Existenz von "Vorschriften" oder "Rechtsvorschriften" über die Kennzeichnung zwar voraus, um einen Sachverhalt zu definieren, der den Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB oder den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslöst. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verweisung auf die jeweiligen Kennzeichnungsvorschriften. Diese werden weder zum Bestandteil von § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG noch ändern sich ihr Anwendungsbereich, Rang oder ihre Qualität. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine dem Anspruchssteller nachteilige Rechtslage beschrieben, deren Folgen dem Anspruchsschuldner als Verursacher zuzurechnen sind. Eine vergleichbare Regelungstechnik mit Hilfe einer Generalklausel enthält § 823 Abs. 2 BGB, der die Existenz von Schutzgesetzen voraussetzt.

268

Der Gesetzgeber hat auch im Übrigen alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Nach seinem Willen sollen der Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB und der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen, wenn der Nutzungsberechtigte eines benachbarten Grundstücks wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen mit einer gesetzlichen Pflicht zur Kennzeichnung belastet wird oder eine ihm vorteilhafte gesetzliche Möglichkeit der Kennzeichnung entfällt. Die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung können sich zwar - etwa durch Absenkung oder Anhebung bestimmter Schwellenwerte - ändern. Die für die Haftung relevante Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass eine dem Störer zuzurechnende Rechtspflicht zur Kennzeichnung oder der ihm zuzurechnende Verlust der Möglichkeit einer Kennzeichnung die Benutzung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, bleibt davon unberührt. Sie schließt auch eine Verschärfung der Haftung durch eine Absenkung von Kennzeichnungsschwellenwerten ein.

269

§ 36a Abs. 1 GenTG begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, soweit die Fallgruppen einer wesentlichen Beeinträchtigung nicht abschließend normiert wurden ("insbesondere").

270

§ 36a Abs. 1 GenTG definiert und konkretisiert den in § 906 BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der "wesentlichen Beeinträchtigung" im Zusammenhang mit dem Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen. Soweit der Gesetzgeber die Fälle wesentlicher Beeinträchtigungen nicht abschließend beschrieben hat ("insbesondere"), trägt dies der Vielzahl denkbarer, möglicherweise derzeit nicht vollständig überschaubarer Fallgestaltungen Rechnung.

271

(2) Der Gesetzgeber hat auch die Interessen der Beteiligten und das Gemeinwohl in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht (vgl. BVerfGE 87, 114 <138>; 95, 48 <58>; 98, 17 <37>; 101, 239 <259>; 102, 1 <17>).

272

(a) Mit der Aufnahme des § 36a GenTG verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele.

273

Diese ergeben sich sowohl aus der Funktion der von § 36a GenTG ergänzten und konkretisierten nachbarrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 906 BGB) als auch aus den Zielen des Gentechnikgesetzes1 GenTG).

274

(aa) Wie § 906 BGB bezweckt § 36a GenTG den notwendigen Interessenausgleich von Grundstücksnachbarn bei bestimmten Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Auch diese Norm schützt die von Einwirkungen betroffenen Grundeigentümer in ihrer von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit, den Eigentumsgegenstand nach eigenen Vorstellungen zu nutzen und über die Verwendung des Eigentumsobjekts frei zu entscheiden. Wie die §§ 1004, 906 BGB weist § 36a GenTG dem Störer die sachliche und finanzielle Verantwortung für die von seinem Grundstück ausgehenden (wesentlichen) Einwirkungen zu. Soweit er nach § 1004 BGB oder nach beziehungsweise analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Unterlassung, Beseitigung oder zum angemessenen Ausgleich verpflichtet ist, haftet er - und nicht unbeteiligte Dritte oder die Allgemeinheit - für die Kostenfolgen. Diese Zurechnung hat ihren Grund darin, dass der Störer die Beeinträchtigung veranlasst hat, dass er sie am besten und effektivsten beheben kann und dass ihm die Vorteile aus der störenden Grundstücksnutzung zugute kommen. Schließlich hat § 36a Abs. 4 GenTG wie § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ziel, eine Beweisschwierigkeit des Geschädigten zu überwinden. Dessen Ersatzanspruch soll nicht daran scheitern, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten, deren Handlung den Schaden beziehungsweise die Beeinträchtigung verursacht haben kann, der eigentliche Schädiger gewesen ist (vgl. BGHZ 55, 96 <98>; 101, 106 <111>). Dem Interesse des Eigentümers, Nutzers oder Anlagenbetreibers, zur Haftung nur insoweit herangezogen zu werden, als ihn eine (Mit)Verantwortung für die Beeinträchtigung treffen kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass die ihm zuzurechnende Einwirkung nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls geeignet gewesen sein muss, die Beeinträchtigung zu verursachen (§ 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG). Die Gesamtschuld folgt dabei dem für § 840 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilsmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre.

275

(bb) Mit dem Schutz der Nachbarn dient § 36a GenTG auch der Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des europäischen Koexistenzkonzeptes (Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Nach § 1 Nr. 2 GenTG ist Ziel des Gesetzes zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel sowohl konventionell oder ökologisch als auch unter Einsatz von Gentechnik erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Wie dargelegt, findet diese Zielsetzung ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

276

Zur Verwirklichung dieses Zwecks soll mit § 36a GenTG sichergestellt werden, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch für Fälle besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Nutzung einer fremden Sache wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 30). Während mit Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis der verantwortungsvolle Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange durch Einträge dieser Organismen von vornherein vermieden werden sollen, dient § 36a GenTG der Abwehr von (dennoch auftretenden) Eigentumsbeeinträchtigungen und dem Ausgleich damit verbundener Vermögensschäden bei benachbarten Produzenten (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Die Wahlfreiheit der Produzenten soll gewahrt und das Eigentum an den jeweiligen Kulturen geschützt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19). Die Ausübung der einen Produktionsmethode soll nicht zu einer wirtschaftlichen Bedrohung der Personen führen, die eine andere Methode anwenden.

277

Mit der Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) soll ferner die Wahlfreiheit für Verbraucher durch Bereitstellung einer breiten, transparent gekennzeichneten Produktpalette gewahrt, Rechts- und Planungssicherheit für alle Seiten sichergestellt und jenseits der Risikodiskussion ein gesellschaftliches Nebeneinander der unterschiedlichen Produktionsweisen sowie eine gesellschaftliche Befriedung erzielt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21).

278

Schließlich wird mit § 36a GenTG das europäische Koexistenzkonzept auf nationaler Ebene umgesetzt. Dies verleiht den mit § 36a GenTG verfolgten Zwecken zusätzliches Gewicht. Insbesondere das Ziel, den Landwirten eine freie Entscheidung zwischen konventionellen oder ökologischen Anbaumethoden oder gentechnisch veränderten Kulturen unter Einhaltung der Regeln für Etikettierung und/oder Sortenreinheit zu ermöglichen, als auch das Ziel, den Verbrauchern die freie Wahl zwischen gentechnikfreien und mit Gentechnik hergestellten Produkten zu garantieren, sind zentrale Anliegen auch auf europäischer Ebene (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Soweit § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG das wegen eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen ohne entsprechende Marktzulassung geltende Verbot des Inverkehrbringens als wesentliche Beeinträchtigung definiert, entspricht dies dem europarechtlich geltenden Anbau- und Vermarktungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen, die als Produkte oder in Produkten nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (Art. 6 Abs. 9, Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG).

279

(cc) § 36a GenTG fördert außerdem die Ziele von § 1 Nr. 1 GenTG und damit den Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG). § 36a GenTG kommt diesen Zielen nicht nur als präventives Instrument zur Durchsetzung von Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis zugute. Auch die für den Nachbarn mit der Konkretisierung und Ergänzung der nachbarrechtlichen Vorschriften gewährleistete Möglichkeit, (bestimmte) Einträge abzuwehren, dient dem Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Güter vor möglichen Gefahren der Gentechnik. Dies gilt insbesondere, soweit die Organismen noch nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG).

280

(dd) § 36a GenTG setzt auch den Zweck um, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Die Freisetzung und der Anbau gentechnisch veränderter Kulturen werden grundsätzlich akzeptiert. Nachbarn haben Beeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen im Regelfall zu dulden, soweit gesetzliche Toleranzwerte nicht überschritten oder die Methoden guter fachlicher Praxis gewahrt sind. Die haftungsrechtliche Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit dem herkömmlichen Anbau (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann den großräumigen Einsatz gentechnisch veränderter Kulturen fördern.

281

(b) Die Konkretisierung und Ergänzung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist angesichts des breiten Spielraums, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gibt (vgl. BVerfGE 53, 257 <293>), zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich.

282

Es ist auch kein ebenso geeignetes, aber weniger belastendes Mittel erkennbar, das der Gesetzgeber hätte wählen können. Lösungsansätze wie die Einführung eines Mediationsverfahrens und spezieller Anbaugebiete für gentechnisch veränderte Kulturen und für ökologische Erzeugnisse folgen einer anderen Konzeption für die Bewältigung der Koexistenzproblematik und sind nicht geeignet, die mit § 36a GenTG verfolgten Zwecke in ihrer Gesamtheit vergleichbar umzusetzen.

283

Die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Möglichkeit eines freiwilligen Haftungsfonds der Wirtschaft wurde von der Saatgutindustrie abgelehnt (vgl. Deutscher Bundestag, Wortprotokoll der 61. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. November 2007 - Protokoll Nr. 16/61 -, S. 12 Frage Nr. 3). Die Einrichtung eines zumindest teilweise staatlich finanzierten Haftungsfonds stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, um die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele zu verwirklichen. Ein Haftungsfonds dient anderen Zielen. Rechtlich würden die Verwender von Gentechnik von der sie als Störer treffenden Folgenverantwortung zumindest teilweise befreit und damit im Vergleich zu ihren Konkurrenten in der konventionellen und ökologischen Produktion besser gestellt. Volkswirtschaftlich entfiele für sie der Anreiz, neben privaten oder betriebswirtschaftlichen Kosten negative externe Effekte bei ihren Aktivitäten zu berücksichtigen. Schädigende Wirkungen der Grundstücksnutzung für Dritte würden über den staatlichen Haftungsfonds von der Allgemeinheit getragen und damit gentechnisch veränderte Produkte bezuschusst werden.

284

(c) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG stellt schließlich einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der betroffenen Interessen dar.

285

(aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts durch § 36a GenTG gibt einerseits der Nutzung von Grundstücken für genehmigte Freisetzungen und genehmigten Anbau zum Inverkehrbringen strengere Rahmenbedingungen vor. Insbesondere bestehen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt, nachbarrechtliche Ansprüche auch dann, wenn Einträge von gentechnisch veränderten Organismen mit den Methoden guter fachlicher Praxis nicht zu verhindern sind.

286

(bb) Auf der anderen Seite führt die Vorgabe zwingender Interpretationsregeln für zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Bestimmungen zu mehr Rechts- und Planungssicherheit auch für die Verwender von Gentechnik. Die Gerichte haben vor Einführung des § 36a GenTG die §§ 1004, 906 BGB auf Einträge von DNA durch Pollen, Samen oder auf sonstige Weise angewandt, wobei sich eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht herausbilden konnte. Durch bestehende Auslegungsspielräume war die Rechtslage nicht nur für mögliche Betroffene, sondern auch für die Verwender unklar und damit das Haftungsrisiko schwer zu kalkulieren. Diese Lage hat sich nunmehr verbessert. So knüpfen § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung an gemeinschaftsrechtlich wie auch im deutschen Recht festgelegte Grenzwerte, also an normative Standards an, die für den betroffenen Nutzungsberechtigten gelten und auf die sich ein Nachbar ebenso einstellen kann. Mit der haftungsrechtlichen Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und des herkömmlichen Anbaus (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann der flächendeckende Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in bestimmten Gebieten ermöglicht und gefördert werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwender von Gentechnik eine vergleichsweise strengere "Sonderhaftung" trifft und sie Einwirkungen der benachbarten Landwirtschaft schutzlos gegenüberstehen. Sie können wesentliche Beeinträchtigungen nach §§ 1004, 906 BGB, die von gentechnikfrei bewirtschafteten Nachbarfeldern ausgehen, ebenfalls abwehren oder, sofern sie zur Duldung verpflichtet sind, einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen. Die verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Störerhaftung gibt insoweit auch die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung der konventionell oder ökologisch arbeitenden Landwirte vor. Hinsichtlich der in § 36a Abs. 4 GenTG geregelten Beweiserleichterung gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vergleichbare Grundsätze nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften (vgl. BGHZ 101, 106 <108>).

287

Die haftenden Grundstückseigentümer und -nutzer haben eine etwaige Störung zudem veranlasst, von ihrem Willen hängt die Beseitigung der Störung ab und ihnen kommen die Vorteile aus der störenden Nutzung zu. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers findet ihren Grund in der Sachherrschaft über das Eigentum und den damit verbundenen Vorteilen, aber auch Lasten. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache im Übrigen selbst dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist (vgl. BVerfGE 102, 1 <19>).

288

(cc) Mit dem bezweckten Interessenausgleich zwischen Grundstücksnachbarn, der Sicherung der Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugungsformen sowie dem Schutz und der Vorsorge vor den Gefahren der Gentechnik werden insbesondere Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt als andernfalls gefährdete Güter von Verfassungsrang geschützt. Weitere wichtige, auch europarechtlich anerkannte Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Verbraucher werden gestärkt. Stellt man diese Schutzgüter in die Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

289

c) § 36a GenTG greift in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist jedoch auch insoweit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

290

aa) Die wirtschaftliche Nutzung eines emittierenden Grundstücks zu Erwerbszwecken fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG. Die von § 36a GenTG geregelten Sachverhalte betreffen zwar nicht ausschließlich, jedoch typischerweise ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten. § 36a GenTG gibt die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die individuelle Erwerbs- und Leistungstätigkeit unter Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen vor und dient dem Gesetzgeber auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit diesen Organismen. Insoweit unterscheidet sich § 36a GenTG von § 906 BGB, der gleichermaßen berufsbezogene wie private Grundstücksnutzungen erfasst.

291

§ 36a GenTG ist daher neben Art. 14 Abs. 1 auch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.

292

bb) § 36a GenTG enthält zwar keinen unmittelbaren Eingriff. Der Grundrechtsschutz ist aber nicht auf unmittelbare Eingriffe beschränkt. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung dabei auch gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, jedoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 95, 267 <302>; 97, 228 <254>; 111, 191 <213>; stRspr).

293

Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie berufliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen eines Haftungsfalls, die einzelne Verwender von Gentechnik erheblich treffen und von entscheidender Bedeutung für deren weitere berufliche Tätigkeit sein können. Darüber hinaus wird denjenigen, die ein Grundstück erwerbswirtschaftlich nutzen, ein Anreiz vermittelt, einen Haftungsfall durch Einhaltung der guten fachlichen Praxis (§ 16b GenTG) zu vermeiden und die anfallenden Kosten bei ihren Entscheidungen im Rahmen der Berufsausübung und der Marktteilhabe zu veranschlagen. Dies kann die Wahl der Mittel, des Umfangs und der gegenständlichen Ausgestaltung der Betätigung ebenso beeinflussen wie die Entscheidungen über Art, Qualität und Preis der für den Markt produzierten Güter. Die Ergänzung und Konkretisierung nachbarrechtlicher Vorschriften erfasst dabei typischerweise die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte erwerbswirtschaftliche Nutzung von Grundstücken und setzt die Rahmenbedingungen für die entsprechende Berufsausübung. Die Haftung dient dem Gesetzgeber nicht nur zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Grundstücksnachbarn, sondern auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und zur Gewährleistung der Koexistenz verschiedener Anbauformen in der Landwirtschaft.

294

Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man in § 36a GenTG nur eine Konkretisierung dessen sehen würde, was nach § 906 BGB und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin gegolten hätte. Die allgemeinen Regeln des Nachbarrechts sind zwar für die Berufsausübung Rahmenbedingungen, welche diese nur reflexhaft treffen. § 36a GenTG kommt jedoch eine gegenüber § 906 BGB eigenständige und nicht nur reflexartig berufsregelnde Wirkung zu. In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG hat der Gesetzgeber zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Haftung nach §§ 1004, 906 BGB durch zwingende Interpretationsregeln konkretisiert und insoweit der Auslegung und einzelfallbezogenen Anwendung durch die Gerichte entzogen. Dies geschieht gerade in Bezug auf Sachverhalte, die typischerweise auf der beruflichen Nutzung von Grundstücken beruhen. Die der Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises dienende Regelung in § 36a Abs. 4 GenTG ist im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts für alle Rechtsanwender verbindlich normiert, während das Bürgerliche Gesetzbuch eine entsprechende Vorschrift neben den von der Rechtsprechung analog angewendeten Bestimmungen in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO nicht kennt.

295

cc) Der mittelbare Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

296

(1) Keine rechtsstaatlichen Bedenken gegen § 36a GenTG bestehen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, vermittelt durch eine Genehmigung zum Inverkehrbringen. Genehmigungsinhaber dürfte beim kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bereits regelmäßig nicht der nach §§ 1004, 906 BGB, § 36a GenTG haftende Landwirt, sondern der Hersteller des zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes sein. Jedenfalls darf ein Genehmigungsinhaber aufgrund der öffentlichrechtlichen Genehmigung nicht mit Wirkung für Dritte darauf vertrauen, dass die genehmigte Nutzung keine Beeinträchtigungen oder Schäden verursachen wird.

297

Die Genehmigung trifft, mit Ausnahme der ausdrücklichen Präklusion von Abwehransprüchen in § 23 Satz 1 GenTG, für die zivilrechtliche Haftung keine Aussage, überträgt keine Verantwortung für Beeinträchtigungen auf den Staat und schafft keinen Vertrauenstatbestand, der einer späteren Haftung entgegensteht. Dementsprechend bestimmen Art. 7 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, dass die Erteilung der Zulassung die allgemeine zivil- und strafrechtliche Haftung der Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer hinsichtlich des betreffenden Lebens- oder Futtermittels nicht einschränkt. Es kommt auch nicht darauf an, ob dem Inhaber einer gentechnikrechtlichen Genehmigung öffentlichrechtliche Vorgaben gemacht und diese eingehalten wurden. Solche öffentlichrechtlichen Pflichten sollen im Interesse der Allgemeinheit die Risiken der Veränderung von Erbmaterial gering halten. Sie haben jedoch nicht die Funktion, einen Störer oder Schädiger von seiner zivilrechtlichen Verantwortung freizustellen.

298

(2) § 36a GenTG ist eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung.

299

Aus den gleichen Gründen, aus denen die Vorschrift als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums für die Nutzung von Grundstückseigentum anzusehen ist, dient sie auch unter dem Gesichtspunkt der Regelung der Berufsausübung legitimen Gemeinwohlzielen und ist für deren Verfolgung geeignet, erforderlich und angemessen.

300

dd) Soweit nicht vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Personen in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden können, liegt darin ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der aus denselben Gründen gerechtfertigt ist.

301

d) Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit ist gleichfalls nicht verletzt.

302

aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie wissenschaftliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Die Norm bestimmt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Folgenverantwortung von Wissenschaftlern und verändert damit die Rahmenbedingungen für eine freie Forschung. Das konkrete Haftungsrisiko, die Folgen eines Haftungsfalls und die für Vorsorgemaßnahmen entstehenden Aufwendungen sind Faktoren, welche für die Entscheidung über Fragestellung, Umfang und praktische Ausführung eines Forschungsprojektes von maßgeblicher Bedeutung sein können. Mit der strengen, verschuldensunabhängigen Haftung kann Forschung dahingehend gesteuert werden, dass Risiken frühzeitig bedacht und Experimente so organisiert und durchgeführt werden, dass Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf andere Grundstücke und damit verbundene Nachteile für Dritte und die Allgemeinheit vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden.

303

bb) Dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist gerechtfertigt.

304

Im Bereich der Grundstücksnutzung für Forschungsarbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen stehen sich verschiedene Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen gegenüber. Denn die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele finden eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG. Diese sind Verfassungswerte, die auch die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

305

Der Gesetzgeber war um einen Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen bemüht. Dieses Anliegen verdeutlichen nicht nur die mit § 36a GenTG verfolgten Gemeinwohlziele, sondern auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gentechnikänderungsgesetz 2008. Die Regelungen des Gentechnikrechts sollten danach so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland fördern. Gleichzeitig sollte aber der Schutz von Mensch und Umwelt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen sollten gewahrt bleiben (BTDrucks 16/6814, S. 10).

306

Diesen Zielsetzungen entsprechend dienen dem Gesetzgeber neben der grundsätzlichen Akzeptanz von Freisetzung und Anbau gentechnisch veränderter Kulturen insbesondere Verfahrenserleichterungen dazu, die Forschung auf dem Gebiet der "grünen" Gentechnik voranzubringen. Andererseits setzt der Gesetzgeber der Forschung mittels einer strengen zivilrechtlichen Haftung dort Grenzen, wo Rechte Dritter gefährdet oder beeinträchtigt werden.

307

Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung berücksichtigt die beteiligten verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter in ausreichendem Maße und wahrt die verfassungsrechtlichen Vorgaben.

308

Zwar unterwirft § 36a GenTG die freie Wissenschaft und Forschung zum Schutz kollidierender Rechtsgüter derselben strengen Haftung, wie sie auch für den sonstigen Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen gilt. Werden nicht zum Inverkehrbringen zugelassene Organismen zu Forschungszwecken freigesetzt, können bereits Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und der damit verbundenen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG). Werden zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen untersucht und erprobt, sind die Methoden guter fachlicher Praxis zu beachten (§ 16b Abs. 2 und 3 GenTG). Diese gelten gemäß § 36a Abs. 2 GenTG als wirtschaftlich zumutbar. Auch die Forschung ist nicht von der Haftung freigestellt, soweit eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bereits durch Schutzmaßnahmen und gute fachliche Praxis verhindert werden kann. Das Risiko eines gewissen, beim Anbau auf offenen Feldern möglicherweise nicht zu vermeidenden Gentransfers tragen auch im Forschungsbereich die Benutzer des emittierenden Grundstücks. Geeignete Standorte für das experimentelle Einbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt müssen von ihnen daher besonders sorgfältig ausgewählt werden. Der Gesetzgeber geht jedoch trotz dieser strengen Haftung davon aus, den Förderungszweck des § 1 Nr. 3 GenTG umsetzen und einen Beitrag für die Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland leisten zu können. Seine Annahme, die Forschung bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Umwelt und Wahrung der Koexistenz fördern zu können, ist vertretbar.

309

Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zugunsten der Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 47, 327 <369 f.>). Die Forschung im Bereich der "grünen" Gentechnik, sei es Sicherheitsforschung, Entwicklungsforschung oder Begleitforschung, ist zudem von hoher Bedeutung für das Gemeinwohl und dient regelmäßig dem Schutz wesentlicher Belange wie der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von solchen Organismen abgeleitet sind oder diese enthalten (vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach dem "Stufenprinzip" dürfen die Einschließung solcher Organismen nur dann stufenweise gelockert und ihre Freisetzung ausgeweitet werden, wenn die Bewertung der vorherigen Stufe in Bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergeben hat, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann (vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie 2001/18/EG). Gentechnisch veränderte Organismen in Produkten oder als Produkte dürfen für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn sie zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von ihrer Anwendung betroffen sein können, ausreichend praktisch erprobt wurden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach der Zulassung findet eine Überwachung und marktbegleitende Beobachtung statt. Neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse über Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt können einen Mitgliedstaat berechtigen, den Einsatz und Verkauf eines gentechnisch veränderten Organismus als Produkt oder in einem Produkt vorübergehend einzuschränken oder zu verbieten. Forschung mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann der Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen dienen, indem sie die Grundlagen für die Entwicklung einer guten fachlichen Praxis liefert. Schließlich ist die Wechselwirkung des in die Umwelt eingebrachten gentechnisch veränderten Organismus mit einem umgebenden Ökosystem nicht nur unbeabsichtigte Nebenfolge, sondern unverzichtbarer Gegenstand der Untersuchung. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen wissenschaftlicher Projekte Basisdaten zur Koexistenz von Anbauformen mit oder ohne Gentechnik erhoben, ausgewertet und in Empfehlungen für die Praxis umgesetzt werden sollen. Aber auch in der Entwicklungs- und Sicherheitsforschung kann die Verbreitung des gentechnisch veränderten Organismus in der Umwelt notwendiger Teil eines Experimentes sein.

310

Zugunsten der kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang - Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt - ist in die Abwägung einzustellen, dass die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen sie gefährden kann. Insbesondere die Sicherheits- und Entwicklungsforschung vor der Marktzulassung eines gentechnisch veränderten Organismus kann ein hohes Risikopotential bergen, da noch unklar sein kann, wie dieser Organismus funktioniert und welche Schäden er für Menschen, Pflanzen, Tiere und Biodiversität verursacht. Der Erprobungsanbau von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann das verträgliche Nebeneinander der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen einerseits durch die Erlangung von Daten zur Koexistenz fördern, andererseits durch Auskreuzungen oder andere Einträge dieser Organismen auf benachbarte Flächen die kollidierenden Belange (insbesondere Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) beeinträchtigen. Für jeden Forschungsbereich gilt, dass einmal in die Umwelt absichtlich eingebrachte oder durch einen Störfall freigesetzte Organismen unter Umständen nicht mehr zurückgeholt werden und Beeinträchtigungen oder Schäden an Rechtsgütern Dritter oder der Umwelt damit irreversibel sein können.

311

Bezieht man diese Gesichtspunkte in die Betrachtung ein, so ist die vom Gesetzgeber in § 36a GenTG vorgenommene Gewichtung zugunsten der kollidierenden Gemeinwohlbelange nicht zu beanstanden. Die Grenze der Zumutbarkeit ist auch für die zu Forschungszwecken handelnden Grundstückseigentümer oder Grundstücksnutzer nicht überschritten.

312

e) § 36a GenTG verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.

313

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.

314

In § 36a Abs. 1, 2 und 4 GenTG werden diejenigen, die ein Grundstück unter Einsatz von Gentechnik nutzen und daher in den Anwendungsbereich der das private Nachbarrecht konkretisierenden und ergänzenden Bestimmungen fallen, ungleich behandelt im Vergleich zu anderen Emittenten, die nach allgemeinem zivilrechtlichen Nachbarrecht haften. Auch wenn die Haftungsbestimmungen damit jeweils andere Personengruppen betreffen, geht es um die unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte, nämlich den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen im Unterschied zur sonstigen Grundstücksnutzung. Daher ist der Gesetzgeber nur an den Willkürmaßstab gebunden.

315

Der Gesetzgeber hat die Differenzierung nach sachbezogenen Kriterien vorgenommen. § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine für die betroffenen Nutzungsberechtigten im Zusammenhang mit Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen geltende Rechtslage und daraus resultierende Nachteile an. Vergleichbare Genehmigungs- und Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Produkte, die durch Einträge aus konventioneller oder ökologischer Produktion ausgelöst werden könnten, bestehen derzeit nicht. In § 36a Abs. 2 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine besondere Rechtslage an, die nur für diejenigen gilt, die mit verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen umgehen. § 36a Abs. 4 GenTG beruht auf dem Anliegen, die von der Rechtsprechung im Rahmen der allgemeinen nachbarrechtlichen Störerhaftung für andere Emittenten entwickelten Grundsätze für den Bereich des Gentechnikrechts gesetzlich zu regeln.

316

Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung die bereits dargestellten, verfassungsrechtlich verankerten legitimen Gemeinwohlziele. Diese sind so gewichtig, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Emittenten und erst recht die unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten rechtfertigen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen nicht kraft Gesetzes verpflichtet sind, das von dem Beklagten veranstaltete Fernsehprogramm „NDR Fernsehen“ sowie das von dem Beklagten mitveranstaltete Fernsehprogramm „Das Erste“ unentgeltlich zu verbreiten.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für jeden Gläubiger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der jeweils festzusetzenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kabelnetze betreibenden Klägerinnen begehren in erster Linie die Feststellung, gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Vertragsschluss wegen der Netzeinspeisung von ihm veranstalteter und mitveranstalteter Fernsehprogramme zu besitzen; hilfsweise wollen sie weitere auf die Verbreitung bezogene Feststellungen erlangen. Widerklagend erstrebt der Beklagte die Feststellung, die auf den Abschluss solcher Verträge gerichteten Angebote der Klägerinnen seien aus im Einzelnen geltend gemachten Gründen unzulässig.

2

Die Klägerinnen betreiben regionale Breitbandkabelnetze im Zuständigkeitsbereich der drei beigeladenen Landesmedienanstalten. Der Beklagte ist eine der in der ARD zusammengeschlossenen öffentlich-rechtlich verfassten Landesrundfunkanstalten. Er veranstaltet u.a. das Fernsehprogramm „NDR Fernsehen“ und ist Mitveranstalter des Fernsehprogramms „Das Erste“.

3

Die Klägerinnen verbreiten diese Programme neben weiteren öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rundfunkprogrammen in ihren Netzen, mit denen sie ihren Endkunden darüber hinaus zahlreiche weitere Telekommunikationsdienstleistungen anbieten. Unter den vom Beklagten genutzten Verbreitungswegen für die streitgegenständlichen Programme – terrestrische Verbreitung (DVBT), Verbreitung über Satellit sowie per Internet (Streaming) – erreichen die Netze der Klägerinnen mit über 40 % die relativ meisten Rundfunkteilnehmer. In der Vergangenheit hatte der Beklagte – wie sämtliche anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – mit den Klägerinnen über die Verbreitung ihrer Programme privatrechtliche Verträge geschlossen. Darin waren (für sämtliche Rundfunkanstalten) Einspeisegebühren in Höhe von rund ... Mio. Euro jährlich und bestimmte technische Modalitäten zur Einspeisung der Signale in die Netze der Klägerinnen vereinbart. Diese Verträge hat der Beklagte – wie sämtliche anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter – zum 31.12.2012 gekündigt. Die Wirksamkeit der Kündigungen greifen die Klägerinnen – bislang erfolglos – vor den Zivilgerichten an. Die technische Einspeisung der streitgegenständlichen Programme in die Netze der Klägerinnen erfolgt ungeachtet dessen unverändert auf die vertraglich vereinbarte Weise.

4

Die Klägerinnen haben dem Beklagten wiederholt und vergeblich Vertragsangebote über den Abschluss neuer Einspeiseverträge unterbreitet.

5

Am 30.4.2013 haben die Klägerinnen die vorliegende Klage anhängig gemacht. Sie machen geltend, der Beklagte sei wie die anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach dem gesetzlichen Auftrag verpflichtet, die Verbreitung ihrer Programme über ihre Breitbandkabelnetze, das sog. „Fernsehkabel“, sicherzustellen. Die privilegierte rechtliche Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine finanzielle Ausstattung durch die von allen Haushalten erhobenen Rundfunkbeiträge werde durch seine Aufgabe zur Versorgung der Bevölkerung mit vielfältigen Programmen und insbesondere der Grundversorgung mit Rundfunkprogrammen gerechtfertigt. Daher gehörten gemäß §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 19 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) nicht nur die Herstellung, sondern auch die Verbreitung ihrer Programme zu dem ihm obliegenden gesetzlichen Auftrag. Nach § 19 RStV könne der Beklagte dieser Aufgabe durch Nutzung geeigneter Übertragungswege nachkommen. Damit sei ihm ein Ermessen eröffnet, welches er nach dem Zweck der Ermessenseinräumung und unter Berücksichtigung ihrer Grundrechte auszuüben habe. Dabei komme es entscheidend auf die tatsächlichen Gegebenheiten des Rundfunkempfangs an. Daher könne auf die Verbreitung über die von ihnen betriebenen Netze, die mit Abstand populärste Art der Verbreitung, schlechthin nicht verzichtet werden. Dies gelte auch unter dem gemäß § 19 Satz 2 RStV maßgeblichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Der von ihnen angebotene Verbreitungsweg sei erheblich preisgünstiger als die Verbreitung über andere Infrastrukturen. Solange ein ganz wesentlicher Anteil der Rundfunkhaushalte die Programme über das Kabelnetz empfange, sei das Ermessen des Beklagten, ob er diesen Verbreitungsweg nutzen wolle, auf die allein rechtmäßige Auswahlentscheidung, nämlich die Verpflichtung seine Programme über ihre Netze zu verbreiten, reduziert. Mangels hoheitlicher Mittel zur Erfüllung dieser Verpflichtung müsse der Beklagte zur Erfüllung dieser Aufgabe mit ihnen zivilrechtliche Einspeiseverträge schließen.

6

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Vorschriften über die Plattformregulierung. In § 52b RStV und den entsprechenden landesgesetzlichen Pflichten für den mit analogen Programmen belegten Bereich des Kabels sei ihre Verpflichtung statuiert, bestimmte Kapazitäten für die in den Vorschriften näher bestimmten Programme bereitzuhalten und den jeweiligen Programmveranstaltern die Einspeisung dieser Programme zu angemessenen Bedingungen anzubieten. Das ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RStV, wonach sie als Plattformbetreiber sicherzustellen hätten, dass die erforderlichen Kapazitäten für die dort bezeichneten Programme „zur Verfügung stehen“. Hierin sei keine Pflicht zur Einspeisung oder Verbreitung der Programme zu erkennen. Ebenso wenig wie die privaten Rundfunkveranstalter könnten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit dem in § 52b RStV geregelten Must-Carry-Status ihrer Programme einen Anspruch auf kostenlose Verbreitung begründen. Dass der rundfunkrechtlichen Ausgestaltung keine Verpflichtung zur unentgeltlichen Verbreitung zugrunde liege, ergebe sich insbesondere auch daraus, dass bestimmte Programme des Bürgerfunks (offene Kanäle) nach den Landesmediengesetzen ausdrücklich kostenlos einzuspeisen seien. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass alle übrigen Programmveranstalter sich gerade nicht auf einen Anspruch auf kostenlose Verbreitung berufen könnten, sondern für die Einspeisung ein angemessenes Entgelt zu zahlen hätten. Für ihren hieraus folgenden Anspruch auf Abschluss entsprechender Einspeiseverträge sei es unerheblich, dass der Rundfunkauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht in ihrem Interesse, sondern im Interesse der Allgemeinheit bestehe. Denn die Einschränkung ihrer grundrechtlich geschützten Kabelbelegungsfreiheit wäre unverhältnismäßig, wenn die Rundfunkanstalten nicht zur Einspeisung der zur Verbreitung vorgesehenen Must-Carry-Programme verpflichtet wären. Bestünde für den Beklagten keine Pflicht zum Vertragsschluss, würde der verfassungsrechtliche Grund für ihre Angebotspflicht entfallen.

7

Darüber hinaus sei es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit den anderen von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Erfüllung ihres Verbreitungsauftrags genutzten Telekommunikationsdienstleistern geboten, dass der Beklagte mit ihnen, ebenso wie mit den Betreibern der anderen Verbreitungswege, entgeltliche Verträge schließe.

8

Die Klägerinnen beantragen,

9

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, mit ihnen einen Vertrag über die Verbreitung des von ihm veranstalteten Fernsehprogramms „NDR Fernsehen“ sowie des von ihm mitveranstalteten Fernsehprogramms „Das Erste“ unter Einschluss der Regelung eines für die Verbreitung zu entrichtenden Einspeiseentgelts zu schließen,

10

hilfsweise festzustellen, dass sie ohne Abschluss eines solchen Vertrags nicht verpflichtet sind, das von dem Beklagten veranstaltete Fernsehprogramm „NDR Fernsehen“ sowie das von dem Beklagten mitveranstaltete Fernsehprogramm „Das Erste“ zu verbreiten,

11

weiter hilfsweise festzustellen, dass sie nicht kraft Gesetzes verpflichtet sind, das von dem Beklagten veranstaltete Fernsehprogramm „NDR Fernsehen“ sowie das von dem Beklagten mitveranstaltete Fernsehprogramm „Das Erste“ unentgeltlich zu verbreiten.

12

Der Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Er wendet ein, die Klage sei bereits unzulässig. Die begehrte Feststellung sei jedenfalls im Hinblick auf die Entgeltlichkeit keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Damit sei schon der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Den Klägerinnen fehle auch das erforderliche Feststellungsinteresse. Sie setzten sich mit der vorliegenden Klage in Widerspruch zu den parallel betriebenen zivilrechtlichen Streitigkeiten. Würde der Einspeisevertrag, wie dort von den Klägerinnen geltend gemacht, fortbestehen, sei für die hier begehrte Feststellung von vornherein kein Raum. Im Hinblick darauf sei die Feststellungsklage auch subsidiär, weil der in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO geregelte Grundsatz rechtswegübergreifend gelte. In offenkundiger Ermangelung eines subjektiven öffentlichen Rechts fehle den Klägerinnen die Klagebefugnis für den Hauptantrag. Der Antrag sei zudem entgegen § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO unbestimmt, weil völlig unklar bleibe, was mit dem Begriff der Entgeltlichkeit gemeint sei. Die Klägerinnen erhielten von ihm und den anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern wertvolle Programmsignale, worin aktuell bereits eine „Entgeltlichkeit“, nämlich das Zurverfügungstellen eines werthaltigen Produktes, zu sehen sei. Im Falle einer antragsgemäßen Verurteilung wäre es ihm mangels Vorgaben zum Inhalt des Vertrages unmöglich, das Urteil zu befolgen und umzusetzen. Eine Befriedung des Rechtsstreits wäre nicht erreicht.

15

Die Klage sei überdies unzulässig, weil „Das Erste“ als Gemeinschaftsprogramm von allen ARD-Rundfunkanstalten veranstaltet werde. Es könne daher auch nur von allen diesen Anstalten gemeinschaftlich zur Verfügung gestellt werden. Insoweit sei er nicht passiv legitimiert, vielmehr bestehe eine notwendige Streitgenossenschaft.

16

Der Hauptantrag sei jedenfalls unbegründet. Für die geltend gemachte Verpflichtung fehle es an jedem Rechtsgrund. Es bestehe allenfalls seine rein objektiv-rechtliche Verpflichtung zur Verbreitung der von ihm veranstalteten Programme. Eine solche Verpflichtung könnten die Klägerinnen nicht durchsetzen, dies obliege der für ihn bestehenden Rechtsaufsicht. Der Grundversorgungsauftrag enthalte keine subjektiv-rechtliche Dimension. Er diene unter keinem Gesichtspunkt auch dem Schutz der Klägerinnen. Nach der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und der hierzu ergangenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ziele der Grundversorgungsauftrag allein auf die Versorgung der Bevölkerung als Allgemeinheit. Ein abgrenzbarer Kreis Begünstigter sei nicht zu erkennen. Dies treffe auch auf die in § 19 RStV erfolgte einfachgesetzliche Ausgestaltung zu. Die den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugewiesene Autonomie in der Veranstaltung von Rundfunk umfasse notwendigerweise auch die Modalitäten der Verbreitung der im Einzelnen veranstalteten Programme. Im Rahmen seiner Ausgestaltungskompetenz habe der Gesetzgeber sichergestellt, dass die Klägerinnen als markt- und meinungsmächtige Plattformbetreiber nicht den Rezipienten insbesondere die Vielfalt sichernden öffentlich-rechtlichen Programme vorenthielten, indem er ihnen Must-Carry-Pflichten auferlegt habe. Eine Pflicht der Rundfunkanstalten zur Zahlung von Einspeiseentgelten habe er dabei nicht normiert. Dies sei auch folgerichtig. Denn eine Zahlungspflicht könne zu nichts anderem führen als zu einer Subventionierung des Geschäftsmodells der Klägerinnen. Dieses profitiere aber ohnehin schon von der Verbreitung der werthaltigen öffentlich-rechtlichen Programme. Einem weiteren Wertzufluss in Form von Einspeiseentgelten fehle es an jeder sachlichen Rechtfertigung. Darin liege auch nicht etwa eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf andere mit der Verbreitung befasste Dienstleister. Denn im Gegensatz zu diesen verfügten die Klägerinnen über Endkundenbeziehungen, aus denen sie sich, wie die tatsächlichen Verhältnisse zeigten, außerordentlich auskömmlich finanzieren könnten.

17

Aus der Vorschrift des § 19 RStV könnten die Klägerinnen bereits deshalb nichts für sich herleiten, weil der den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dort eingeräumte Spielraum nicht als Ermessen aufzufassen sei. Hinsichtlich der technischen Ausgestaltung des Verbreitungsauftrages könne er davon ausgehen, dass die Erreichbarkeit der „Kabelkunden“ zum einen durch das wirtschaftliche Eigeninteresse der Klägerinnen an der gewinnbringenden Verbreitung und Vermarktung der wertvollen öffentlich-rechtlichen Programme und andererseits durch die gesetzlichen Must-Carry-Verpflichtungen hinlänglich abgesichert sei.

18

Aus den von den Klägerinnen in Anspruch genommenen Grundrechten aus Art. 12 GG und Art. 14 GG ergebe sich ebenfalls nichts für einen Kontrahierungsanspruch. Diese Grundrechte seien prinzipiell als reine Abwehrrechte gegenüber dem Staat ausgestaltet. Er sei jedoch selbst Grundrechtsträger. Soweit aus Art. 12 GG überhaupt Teilhaberechte abzuleiten seien, seien diese an den Gesetzgeber adressiert. Individualansprüche kämen allenfalls bei evidenter Verletzung eines Verfassungsauftrages in Betracht. Aus den Must-Carry-Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages lasse sich ebenso wenig ein Vergütungsanspruch oder ein Anspruch auf Vertragsschluss herleiten. Dies gelte schon deshalb, weil sie sich zur Frage eines solchen Anspruches offenkundig gar nicht äußern würden. Vielmehr verpflichte die Regelung des § 52b Abs. 1 Satz 1 lit. a RStV die Klägerinnen zur unbedingten Weiterverbreitung der öffentlich-rechtlichen Programme. Diese Verpflichtung umfasse nicht nur die Bereitstellung von Kapazität im Sinne einer bloßen Vorhaltung („must provide“), sondern sie fordere die tatsächliche Einspeisung und Verbreitung der Programme über die Netze der Klägerinnen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Norm („zur Verfügung stehen“ und „zu verbreiten“) sowie aus der Systematik, der Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Vorschriften. An den Abschluss eines Einspeisevertrages oder auch nur einer Vergütungsregelung sei die Verbreitungsverpflichtung nicht geknüpft. Darüber hinaus sei für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerinnen schon deshalb nichts ersichtlich, weil den Klägerinnen ihre Berufsausübung – die Belieferung und Vermarktung von Rundfunksignalen an Betreiber nachgelagerter Netze und Haushalte – gerade erst durch die Überlassung der wertvollen öffentlich-rechtlichen Programmsignale ermöglicht werde. Damit erhielten die Klägerinnen von ihm eine Leistung, die ihnen erst ihr Geschäftsmodell ermögliche. Schließlich würde die Annahme eines Kontrahierungszwangs auch unmittelbar in Grundrechte der Rundfunkveranstalter eingreifen. Dies würde zum einen einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit darstellen, für den eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich sei. Wollte man hingegen eine Vergütungspflicht annehmen, würde das zu einer enormen Belastung der Allgemeinheit führen. Denn jedes Unternehmen, welches über Telekommunikationsnetze und mehr als 10.000 angeschlossene Wohnungen verfüge, könne dann für die Verbreitung öffentlich-rechtlicher Rundfunkprogramme eine Vergütung verlangen. Dies sei angesichts der Vielzahl entsprechender Betreiber und Anbieter, von denen bislang niemand ein Einspeiseentgelt erhalten habe, ein naheliegendes und wirtschaftlich folgenreiches Risiko. Der von den Klägerinnen in Anspruch genommene Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei von vornherein nicht verletzt, weil die Klägerinnen im Gegensatz zu den anderen „Verbreitungsdienstleistern“ über Endkundenbeziehungen verfügten.

19

Die Hilfsanträge seien ebenfalls unzulässig. Er sei der falsche Klagegegner. Richtiger Klagegegner der Feststellungsklage sei derjenige, dem gegenüber das Rechtsverhältnis oder, wie hier, das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden solle. Die Must-Carry-Pflichten der Klägerinnen bestünden indes nicht ihm gegenüber. Er habe sich nie eines eigenen Anspruches gegen die Klägerinnen berühmt. Vielmehr bestünden diese Verpflichtungen lediglich im Verhältnis zu den jeweils zuständigen Beigeladenen. Die Feststellungsklage sei auch nicht im Hinblick auf ein Drittrechtsverhältnis zulässig. Das Bundesverwaltungsgericht habe dies für Fälle zugelassen, in denen die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Beklagten und einem Dritten begehrt wurde. Vorliegend solle jedoch das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Klägerinnen und einem Dritten, nämlich der jeweiligen Landesmedienanstalt, festgestellt werden. Deshalb sei auch kein Feststellungsinteresse der Klägerinnen gerade ihm gegenüber anzuerkennen. Die Klage sei auch hinsichtlich der Hilfsanträge deshalb unzulässig, weil die ARD-Rundfunkanstalten in Bezug auf diese Klagegegenstände eine notwendige Streitgenossenschaft bildeten.

20

Jedenfalls seien auch die Hilfsanträge unbegründet. Die Klägerinnen seien nämlich gesetzlich verpflichtet, die streitgegenständlichen Programme in ihre Netze einzuspeisen, soweit ihnen in diesen Netzen Must-Carry-Status zukomme. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die von den Klägerinnen mit Haupt- und Hilfsanträgen begehrten Feststellungen angesichts der rundfunk- und kartellrechtlichen Unzulässigkeit der Erhebung von Einspeiseentgelten ins Leere liefen. Die Klägerinnen könnten die von ihnen begehrten Einspeiseentgelte nicht geltend machen, da sie hierdurch gegen das Angemessenheitsgebot des § 52d Satz 2 RStV, das Missbrauchsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB sowie die Diskriminierungsverbote aus § 52d RStV, § 19 GWB verstießen.

21

Widerklagend beantragt der Beklagte und Widerkläger für den Fall des Erfolgs der Klägerinnen im Haupt- oder einem Hilfsantrag,

22

festzustellen, dass die Forderung eines Entgelts für die Einspeisung und Weiterverbreitung der Programme „NDR Fernsehen“ und „DasErste“ über die Netze der Klägerinnen unzulässig ist,

23

hilfsweise festzustellen, dass die Forderung eines Entgelts für die Einspeisung und Weiterverbreitung der Programme „NDR Fernsehen“ und „DasErste“ über die Netze der Klägerinnen unzulässig ist, solange und soweit dieses Entgelt der Höhe nach dem Saldo aus den Einspeiseentgelten und der Rückvergütung, die die privaten Rundfunkveranstalter der RTL-Gruppe und der ProSieben.SAT 1 Media-Gruppe von den Klägerinnen erhalten, je erreichter Wohneinheit übersteigt.

24

Die Klägerinnen und Widerbeklagten treten dem entgegen und beantragen,

25

die Widerklage abzuweisen.

26

Die Beigeladenen stellen ausdrücklich keinen Antrag.

27

In der Sache ziehen sie das Bestehen eines Feststellungsinteresses der Klägerinnen in Bezug auf den Hauptantrag nicht in Zweifel. Allerdings sei dieser Antrag wohl unzulässig, weil man die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage gegenüber den anhängigen zivilgerichtlichen Leistungsklagen als nachrangig anzusehen haben werde. Der Hauptantrag sei jedenfalls unbegründet, weil sich die Klägerinnen auf kein ihre Feststellungen tragendes subjektives öffentliches Recht stützen könnten. Sämtliche öffentlich-rechtlichen Normen, welche die Klägerinnen anführten, bestünden im Allgemeininteresse und vermittelten ihnen keine subjektiven Rechtspositionen. Hinsichtlich der Hilfsanträge sei das Bestehen eines der Feststellung fähigen Rechtsverhältnisses zu dem Beklagten zu bezweifeln. Zulässigkeitszweifel würden sich weiter daraus ergeben, dass die Klägerinnen die Möglichkeit hätten, die von ihnen vorliegend aufgeworfenen Rechtsfragen auch durch sie, die Beigeladenen, im Rahmen eines auf Erlass eines entsprechendes Feststellungsbescheids gerichteten Verwaltungsverfahrens klären zu lassen. Materiell-rechtlich sei es hingegen zweifelhaft, ob die Klägerinnen einer gesetzlichen Verpflichtung zur unentgeltlichen Verbreitung der streitgegenständlichen Programme unterlägen.

28

Wegen der Einzelheiten des sehr umfangreichen Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

29

Über die Frage der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges hat die Kammer mit Beschluss vom 28.5.2014 bejahend vorab entschieden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beklagten hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 8.10.2014 (4 So 62/14) zurückgewiesen.

30

Das Gericht hat mit den Klägerinnen und dem Beklagten die Sach- und Rechtslage am 28.5.2014 erörtert. Auf die Verhandlungsniederschrift (Bl. 625 ff. d.A.) wird Bezug genommen.

31

Mit Beschluss vom 14.10.2014 hat die Kammer die für das Verbreitungsgebiet der Klägerinnen zuständigen drei Landesmedienanstalten beigeladen.

32

Am 29.4.2015 hat die Kammer über den Rechtsstreit mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

33

Die Klägerinnen können mit ihrem Hauptantrag nicht durchdringen. Das hiermit angebrachte Feststellungsbegehren ist zulässig, aber unbegründet (1.). Der erste Hilfsantrag ist ebenfalls abzuweisen. Er ist bereits unzulässig (2.). Hingegen ist das mit dem zweiten Hilfsantrag verfolgte Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen zulässig und begründet (3.). Die Widerklage ist mit beiden Anträgen unzulässig und daher abzuweisen (4.).

34

1. Der Hauptantrag ist zulässig (a), aber unbegründet (b).

35

a) Der Hauptantrag ist zulässig.

36

aa) Für das Feststellungsbegehren der Klägerinnen ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, für die eine anderweitige Gerichtswegzuständigkeit nicht vorgeschrieben ist. Weiterer Ausführungen hierzu bedarf es nicht, weil der diesbezügliche Beschluss der Kammer vom 28.5.2014 nach der die Beschwerde des Beklagten zurückweisenden Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts rechtskräftig geworden ist. Zwischenzeitlich ist die in den angeführten Entscheidungen vertretene Auffassung auch vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.3.2015 – 6 B 58/14 – juris).

37

bb) Zweifel an der Zulässigkeit der Klage sind nicht wegen der vom Beklagten geltend gemachten Unbestimmtheit des Antrages veranlasst. Was unter einem „für die Verbreitung zu entrichtenden Einspeiseentgelt“ zu verstehen ist, ist eindeutig, nämlich die Gegenleistung für die von den Klägerinnen erbrachte Telekommunikationsdienstleistung. Hierdurch wird der angestrebte Vertrag kategorial als entgeltlicher gekennzeichnet. Die bloße Überlassung der Programmsignale durch den Beklagten würde ersichtlich nicht die Kategorie der Entgeltlichkeit erfüllen. Im Übrigen wäre es nach der in § 13 Satz 2 RStV enthaltenen Bewertung – dem Verbot, für vom Verbreitungsauftrag umfasste Programme ein besonderes Entgelt zu verlangen – ohnehin ausgeschlossen, die Programmsignalüberlassung als Entgelt anzusehen.

38

Dass in dem Klagantrag „Entgeltlichkeit“ als bloße Kategorie und nicht etwa als bezifferter Betrag enthalten ist, begründet ebenfalls keine Unbestimmtheit. Über die Höhe eines solchen Entgelts wäre im vorliegenden Verfahren offenkundig nicht zu befinden. Hierin kann mithin keine Unbestimmtheit des Antrages liegen.

39

cc) Die Klagebefugnis der Klägerinnen ist unter dem Gesichtspunkt eines ihr Begehren stützenden subjektiven Rechts nicht zu bezweifeln. Ob ein solches besteht, ist gerade wesentlicher sachlicher Inhalt des Rechtsstreits. Hierüber ist daher im Rahmen der Begründetheit der Klage und nicht bereits bei der Prüfung ihrer Zulässigkeit zu befinden.

40

dd) Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht der von Amts wegen zu berücksichtigende Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG entgegen. Die Vorschrift dient der Prozessökonomie und zugleich der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen. Sie setzt voraus, dass der identische Streitgegenstand bereits zur Entscheidung durch ein anderes Gericht bzw. eine andere Gerichtsbarkeit gestellt worden ist. Daran fehlt es hier. Die von dem Beklagten insoweit genannten parallelen zivilgerichtlichen Verfahren betreffen einen anderen Streitgegenstand, nämlich die Frage der Wirksamkeit der Kündigung zivilrechtlicher Verträge. Dieser Streitgegenstand ist nicht identisch mit dem vorliegenden Rechtsschutzbegehren, welches auf die Feststellung eines öffentlich-rechtlichen Kontrahierungszwanges gerichtet ist (vgl. a. OVG Hamburg, a.a.O., juris Rn 16). Einander widersprechende Gerichtsentscheidungen sind folglich nicht zu besorgen.

41

ee) Ferner bezieht sich die Klage auf ein im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten. Nach der Rechtsbehauptung der Klägerinnen soll sich aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften oder Rechtsinstituten die Verpflichtung des Beklagten ergeben, mit ihnen einen (zivilrechtlichen) Vertrag zu schließen. Ein derartiger öffentlich-rechtlicher Kontrahierungszwang würde unmittelbar Rechte bzw. Pflichten zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten begründen und stellt danach ein der (positiven) Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis dar. Das diesbezügliche Feststellungsinteresse der Klägerinnen wird auch von dem Beklagten zu recht nicht in Zweifel gezogen.

42

ff) Die Feststellungsklage ist auch nicht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig. Danach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit die Klägerinnen ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen können oder hätten verfolgen können. Die hiermit ausgesprochene Subsidiarität wirkt rechtswegübergreifend. Indes sind die parallelen zivilgerichtlichen Streitigkeiten entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO vorrangig. Dies folgt unmittelbar daraus, dass sie, wie ausgeführt, einen anderen Streitgegenstand betreffen. Die Klägerinnen können daher in diesem Verfahren auch keinen gleichwertigen und im Sinne der in Rede stehenden Vorschrift vorrangig zu verfolgenden Rechtsschutz erlangen. Denn ein der materiellen Rechtskraft zugänglicher Ausspruch des Inhalts, dass zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten ein öffentlich-rechtlicher Kontrahierungszwang besteht, ist in den zivilgerichtlichen Verfahren nicht zu erlangen.

43

gg) Der Zulässigkeit der Klage kann schließlich auch nicht mit Erfolg der vom Beklagten geltend gemachte Einwand der fehlenden Passivlegitimation im Hinblick auf das Fernsehprogramm „Das Erste“ entgegen gehalten werden.

44

(1) Zwar handelt es sich bei diesem Fernsehprogramm fraglos um ein von allen in der eigener Rechtspersönlichkeit ermangelnden ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten gemeinschaftlich veranstaltetes Programm (vgl. § 11b Abs. 1 Ziff. 1 RStV). Doch folgt hieraus keine notwendige Streitgenossenschaft der übrigen Mitveranstalter. Dies dürfte schon deshalb gelten, weil insoweit ein der Gesamthand entsprechendes Rechtsverhältnis der in der ARD zusammengeschlossenen Anstalten anzunehmen ist. Im Außenverhältnis dürfte mithin jede Landesrundfunkanstalt als Veranstalter des Gemeinschaftsprogramms aufzufassen sein (vgl. Binder in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 11b RStV Rn. 63).

45

(2) Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn aus dem Antrag der Klägerinnen ergibt sich, dass sie gerade auf die rundfunkrechtliche Position des Beklagten als Mitveranstalter des Gemeinschaftsprogramms Bedacht nehmen. Es ist daher nicht zu erkennen, weshalb sie gehindert sein sollten, einzelne Landesrundfunkanstalten – und damit auch den Beklagten – auf den Abschluss eines solchen Vertrages als Mitveranstalter des Gemeinschaftsprogramms in Anspruch zu nehmen. Ob die Klägerinnen parallel sämtliche oder nur einzelne Landesrundfunkanstalten verklagen oder sich auf die vorliegende Klage konzentrieren, steht ihnen im Rahmen ihrer prozessualen Dispositionsbefugnis frei.

46

b) Der zulässige Hauptantrag ist jedoch unbegründet. Weder aus Vorschriften des einfachen Rechts noch aus den von den Klägerinnen in Anspruch genommenen verfassungsrechtlichen Normen lässt sich ein subjektives öffentliches Recht – und eine entsprechende Verpflichtung des Beklagten – auf den Abschluss eines die streitgegenständlichen Fernsehprogramme betreffenden Einspeisevertrages herleiten.

47

aa) Als einfachgesetzliche Grundlage für das Feststellungsbegehren der Klägerinnen kommen von vornherein nur die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages in Betracht. Kraft Übernahme dieses Vertragswerks in gleichlautenden Landesgesetzen wirkt er als bundeseinheitlich geltendes Landesrecht. Nur diese Normen können einschlägig sein, weil der Beklagte die streitgegenständlichen Fernsehprogramme ebenso wie die anderen Landesrundfunkanstalten unstreitig und unzweifelhaft nur noch in der Form digitaler Signale ausstrahlt. Die daneben geltenden Rundfunkgesetze der Länder betreffen indes nur die Übermittlung analoger Signale und scheiden daher als mögliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch aus.

48

bb) Der Rundfunkstaatsvertrag enthält keine Vorschrift, aus der sich unmittelbar und ausdrücklich eine Verpflichtung der Klägerinnen als Plattformanbieter (§ 52 RStV) und des Beklagten als Rundfunkveranstalter ergäbe, einen Vertrag über die Einspeisung und Verbreitung von dem Beklagten (mit)veranstalteter Programme gegen Entgelt zu schließen. Das ist, wie auch die Klägerinnen nicht in Abrede stellen, offenkundig und muss daher nicht weiter ausgeführt werden.

49

cc) Das nach dem Begehren der Klägerinnen festzustellende Rechtsverhältnis lässt sich indes auch nicht mittelbar aus Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages herleiten. Der Rechtsauffassung der Klägerinnen, aus dem Versorgungsauftrag des Beklagten als öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter ergebe sich (in Zusammenschau mit verfassungsrechtlichen Vorgaben) ein solches Rechtsverhältnis, vermag die Kammer nicht zu folgen.

50

(1) Allerdings folgt die Kammer den von den Klägerinnen aufgestellten Prämissen: Aus dem in § 11 Absätze 1 und 2 RStV beschriebenen Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist die wesentliche Legitimation für deren Existenz und damit für ihre bevorzugte rechtliche und ökonomische Ausstattung herzuleiten. Die überragende Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit seiner Verpflichtung zur Vielfalt und inhaltlichen Qualität – namentlich Objektivität und Unparteilichkeit – für die Meinungs- und Willensbildung der demokratischen Gesellschaft ist in der Rundfunkrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer wieder betont und ausdifferenziert worden. Die Verpflichtung des Beklagten auf die Erfüllung dieses Auftrages beinhaltet fraglos auch die Sorge für die in § 19 RStV angesprochene Verbreitung der Programme. Beides, Veranstaltung und Verbreitung, wird nach allgemeiner Auffassung von der Verfassungsverbürgung in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG umfasst (vgl. etwa Jarass, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 51 m.w.Nw.). Es obliegt dem Beklagten daher sicherzustellen, dass die von ihm (mit)veranstalteten Programme die Rundfunkteilnehmer auch tatsächlich erreichen. Maßgeblich ist dabei auf das tatsächliche Rezeptionsverhalten der Rundfunkteilnehmer abzustellen (vgl. nur Binder, a.a.O. Rn. 7, 48). Es steht insofern für die Kammer außer Frage, dass aus diesem Grund der Verbreitung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über die von den Klägerinnen betriebenen Brandbandkabelnetze eine hohe rechtliche Relevanz zukommt.

51

(2) Den hieraus von den Klägerinnen gezogenen Schlussfolgerungen vermag sich das Gericht jedoch nicht anzuschließen. Denn bei den genannten Vorgaben handelt es sich um eine dem Beklagten ausschließlich im gesellschaftlichen und damit öffentlichen Interesse obliegende Verpflichtung zur Erfüllung seines Verbreitungsauftrages. Diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgerichtig von der Programmautonomie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter umfasst. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die von den Klägerinnen zur Stützung ihres Begehrens in den Blick genommene Bestimmung des § 19 Satz 1 RStV zu verstehen, wonach die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten (und die anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter) ihrem gesetzlichen Auftrag (vgl. § 11 RStV) durch Nutzung geeigneter Übertragungswege nachkommen können. Aus dem rechtlichen Begriff „können“ lässt sich demnach keine Verpflichtung der Normadressaten begründen, bei der konkreten Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages auf subjektive Rechte Dritter im Sinne einer Ermessensbetätigung Bedacht zu nehmen.

52

Vielmehr stellt die Vorschrift zum einen klar, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter nicht etwa gehalten sind, die Verbreitung ihrer Programme ausschließlich durch eigene Mittel und Einrichtungen sicherzustellen. Vielmehr  k ö n n e n  sie hierbei die ganze Palette der zur Verfügung stehenden geeigneten Übertragungswege nutzen. Das „können“ ist insofern als weitgehend deklaratorische Ermächtigung zu verstehen. Zugleich beinhaltet die Bestimmung eine Selbstverpflichtung der (Haushalts)Gesetzgeber, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor allem zukunftsgerichtet die finanziellen, technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür zu gewähren, ihrem Versorgungsauftrag in einer ständigem Wandel unterliegenden Medienlandschaft angemessen nachkommen zu können. Damit will das Gesetz offenkundig die Erfüllung des Versorgungsauftrages sicherstellen. Insofern setzt das Normverständnis nicht nur die diesbezügliche Autonomie der Rundfunkanstalten voraus, sondern stärkt sie in der Tendenz im Sinne einer Zukunftssicherung. Das ist von Verfassungs wegen geboten, weil sich der Grundversorgungsauftrag nur erfüllen lässt, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in materieller aber auch technischer Hinsicht in seiner künftigen Entwicklung gesichert ist (vgl. etwa BVerfG, Urt. v. 5.2.1991 – sechstes Rundfunkurteil – BVerfGE 83. 238, zit. n. juris Rn. 406). Die Vorschrift des § 19 RStV dient unmittelbar dem Zweck der in diesem Sinne technischen Zukunftssicherung (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 418 zu einer insoweit inhaltsgleichen Regelung des nordrhein-westfälischen Rundfunkrechts). Schon deshalb kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Autonomie der öffentlich-rechtlichen Veranstalter in irgendeiner Weise einschränken wollte. Eine Einschränkung würde es jedoch fraglos bedeuten, die Norm als klassische verwaltungsrechtliche Ermessensvorschrift zu lesen. Es wäre deshalb gleichsam ein normimmanenter Widerspruch, die autonomen Handlungsmöglichkeiten der Rundfunkanstalten einerseits zu sichern und auszuweiten und sie auf der anderen Seite durch die Festlegung auf ein – wie stets im Verwaltungsrecht – bei der konkreten Erfüllung und Umsetzung ihres Versorgungsauftrages pflichtgemäß zu betätigendes Ermessen festzulegen.

53

Sofern vereinzelt in der Literatur geäußert wird, in § 19 Satz 1 RStV sei ein „Ermessen“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter verankert (etwa Hartstein, Rundfunkstaatsvertrag, 1999, § 19 Rn. 8) wird dies im untechnischen Sinne als Einräumung unterschiedlicher Handlungsoptionen zu verstehen sein. Jede andere Auslegung wäre, ohne durch den Normwortlaut erzwungen zu sein, mit dem Normzweck und der Regelungssystematik nicht zu vereinbaren.

54

dd) Doch selbst wenn man im von den Klägerinnen vertretenen Sinne die Vorschrift als Ermessensnorm verstehen wollte, könnten die Klägerinnen daraus nichts für ihren Rechtsstandpunkt herleiten.

55

(1) Nach der (in allen Landesverwaltungsverfahrensgesetzen gleichlautenden) Vorschrift des § 40 VwVfG ist der Adressat einer Ermessensnorm verpflichtet, dieses Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Zweck eines etwaigen Ermessens in § 19 Satz 1 RStV könnte es jedoch allenfalls sein, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter zwecks Verbreitung ihrer Programme auf die Nutzung geeigneter Übertragungswege festzulegen. Den Klägerinnen wird ohne weiteres zu konzedieren sein, dass die von ihnen betriebenen Breitbandkabelnetze geeignete Übertragungswege darstellen. Man mag ferner zugunsten der Klägerinnen annehmen, dass diese Übertragungswege durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter im Zuge einer Ermessensbetätigung infolge des tatsächlichen Rezeptionsverhaltens der Rundfunkteilnehmer schlechterdings nicht ausgeblendet werden dürften. Doch träfe den Beklagten selbst dann nicht der Vorwurf ermessenswidrigen Verhaltens, weil er diese gleichsam in der Natur der Sache liegenden Festlegungen bei einer etwaigen Ermessensbetätigung unberücksichtigt gelassen hätte. Vielmehr ist rein empirisch festzustellen, dass der Beklagte den von den Klägerinnen vorgehaltenen Übertragungsweg (weiterhin) im Sinne von § 19 RStV tatsächlich nutzt. Er verhindert keineswegs, dass die betreffenden Programme in Gestalt digitaler Signale in die Netze der Klägerinnen gelangen. Er verhält sich diesbezüglich, wie im Erörterungstermin unstreitig gestellt wurde, sogar ungeachtet der Kündigung der Einspeiseverträge weiterhin kooperativ. Insofern wäre selbst bei einer „subjektiv-rechtlichen Aufladung“ der Norm kein Ermessensfehler des Beklagten und damit keine Verletzung der Klägerinnen in eigenen subjektiven Rechten festzustellen.

56

(2) Die Frage, welche rechtlichen Implikationen mit der „Nutzung geeigneter Übertragungswege“ für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter und die Betreiber der jeweiligen Übertragungsinfrastrukturen verbunden sind, hat der Rundfunkstaatsvertragsgesetzgeber ersichtlich nicht angesprochen. Dazu besteht auch keine Notwendigkeit, weil dies von vornherein außerhalb seines Regelungsprogramms läge. Es fehlt insbesondere an jedem Anhaltspunkt dafür, dass er in die für die freiheitliche Rechts- und Wirtschaftsordnung konstitutive Privatautonomie habe regulierend eingreifen wollen, um einen rundfunkrechtlichen Kontrahierungszwang zu schaffen. Ganz abgesehen davon, dass es für einen derartigen gleichsam doppelten Freiheitseingriff, einmal in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit und zum anderen in die spezifische Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG, an jeder inneren Rechtfertigung fehlen würde, hätte für den Normgeber auch in rein tatsächlicher Hinsicht nicht der geringste Anlass bestanden, einen derartigen Kontrahierungszwang zu regeln oder auch nur vorauszusetzen. Denn die tatsächliche Umsetzung und Miterfüllung des dem Beklagten obliegenden Versorgungsauftrages durch Inanspruchnahme (auch) der von den Klägerinnen betriebenen Netze war in der Vergangenheit ohne die geringste Notwendigkeit des Rekurses auf § 19 Satz 1 RStV durch zivilrechtliche Verträge umgesetzt worden.

57

ee) Verfassungsrecht gebietet keine andere Bewertung. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährte Freiheit der Berufsausübung und nicht etwa das durch Art. 14 GG verbürgte Eigentumsrecht. Der aktuelle Betrieb der Netze ist als „dynamischer“ Erwerbsvorgang anzusehen. Alle diesbezüglich relevanten Verhaltensweisen werden vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst, während Art. 14 GG „statisch“ die Gesamtheit der erworbenen Rechtspositionen umfasst.

58

Freilich erschöpft sich der Gehalt der grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen nicht in einer bloßen Abwehr staatlicher Eingriffe. Er kann unter bestimmten Voraussetzungen auch Rechte auf Teilhabe gewähren. Für das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht der Berufsausübungsfreiheit ist anerkannt, dass für die Grundrechtsträger aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 GG auch ein Anspruch auf Marktzulassung und chancengleiche Teilhabe am Marktgeschehen erwachsen kann (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 10.12.2013 – 8 C 5/12 – juris Rn. 42 f). Doch können die Klägerinnen hieraus nichts für ihr Begehren herleiten. Weder entscheidet der Beklagte als solcher noch die Gesamtheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter in rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Hinsicht über einen Marktzugang, noch ist das Begehren der Klägerinnen als auf einen Marktzugang gerichtet zu bewerten.

59

(1) Der Beklagte disponiert in keiner Weise darüber, dass die Klägerinnen sich privatautonom am Markt der Telekommunikationsdienstleistungen betätigen können. Das ist rein empirisch offenkundig und bedarf keiner näheren Darlegung, denn die Klägerinnen haben unabhängig von irgendwelchen Entscheidungen des Beklagten an diesem Markt eine überaus starke wirtschaftliche Stellung.

60

(2) Die Klägerinnen erstreben in Wahrheit auch keineswegs den allgemeinen Marktzugang als von dem Beklagten zu treffende Entscheidung. Sie erstreben vielmehr im Rahmen des bestehenden Marktes eine auf das Herstellen einer rechtlichen Sonderverbindung mit ihnen gerichtete Entscheidung des Beklagten, der ebenso wie sie selber Teilnehmer dieses Marktes ist. Die Entscheidung eines Marktteilnehmers, ob er mit einem anderen Marktteilnehmer einen Vertrag eingeht, ist jedoch offenkundig weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht identisch mit einer solchen über den Marktzugang. Die Freiheit zu dieser Entscheidung ist, wie bereits angesprochen, von der Rechtsordnung sowohl in Form der allgemein wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie, als auch in der speziellen Ausprägung der Rundfunkfreiheit, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG, geschützt.

61

(3) Es wäre verfassungsdogmatisch schlechthin nicht begründbar, in diesen Freiheitsspielraum unter Berufung auf ein anderes Freiheitsrecht massiv beschränkend einzugreifen. Es ist nicht im Ansatz erkennbar, dass bei einem Kontrahierungszwang diese grundlegenden Freiheitsverbürgungen und die grundrechtlich geschützten Positionen der Klägerinnen im Sinne praktischer Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden könnten. Vielmehr liegt hier der für eine freiheitlich verfasste Gesellschaft gerade kennzeichnende Regelfall vor, dass ein Marktakteur, eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, allein an rundfunkpolitischen und medienökonomischen Erwägungen orientiert und nicht etwa durch rechtliche Regelungen gebunden, darüber entscheidet, ob er mit anderen Marktakteuren, den Klägerinnen als Betreiberinnen von Breitbandkabelnetzen, rechtliche Sonderverbindungen eingeht oder nicht.

62

(4) Der von den Klägerinnen ebenfalls angeführte allgemeine Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, gebietet keine andere Bewertung. Es ist von vornherein zweifelhaft, ob der Beklagte als Grundrechtsträger überhaupt etwaigen durch Art. 3 Abs. 1 GG geschaffenen Bindungen unterliegt. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob die von dem Beklagten angeführte Rechtfertigung dafür, mit anderen Telekommunikationsdienstleistern hinsichtlich der Verbreitung seiner Programme (weiterhin) Verträge zu schließen, dass diese nämlich über keine Endkundenbeziehungen verfügten, sachlich zutreffend und ggf. als tragfähiges rechtliches Differenzierungsmerkmal zu bewerten ist. Denn es ist anerkannt, dass eine Ungleichbehandlung, welche allein die Folge privatautonom ausgehandelter Verträge ist, von vornherein der Bewertung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG entzogen ist (vgl. BVerfG Urt. v.10.1.1995 – 1 BvF 1/90 - BVerfGE, 92, 26, zit. n. juris Rn. 91). Die Vertragsfreiheit hat grundsätzlich Vorrang (so bereits BAG, Urt. v. 4.5.1962, BAGE 13, 103, zit. n. juris Rn. 12.).

63

Zusammengefasst ist somit festzustellen, dass den Klägerinnen durch Vorschriften des öffentlichen Rechts kein Anspruch vermittelt wird, mit dem Beklagten einen Vertrag über die Verbreitung der streitgegenständlichen Programme zu schließen. Dem Beklagten ist es in seiner (verfassungs)rechtlich geschützten Stellung als privatautonom agierender Marktteilnehmer und zusätzlich in seiner Stellung als Träger der speziellen Rundfunkfreiheit unbenommen, seine Entscheidung, über die Verbreitung seiner Programme entgeltliche Verträge einzugehen, allein an rundfunkpolitischen und medienökonomischen Erwägungen zu orientieren. Er wird sie entsprechend in der medienpolitischen Diskussion zu vertreten und ggf. gegenüber Aufsichtsgremien zu begründen haben. Der Beklagte unterliegt dabei jedoch keiner rechtlichen Bindung, welche den Klägerinnen subjektive öffentliche Rechte vermitteln könnte.

64

2. Mit ihrem ersten Hilfsantrag können die Klägerinnen ebenfalls nicht durchdringen. Ihr Begehren festzustellen, dass sie ohne Abschluss eines Verbreitungsvertrages nicht verpflichtet seien, die streitgegenständlichen Fernsehprogramme zu verbreiten, ist bereits unzulässig. Diesbezüglich fehlt es an einem der Feststellung gemäß § 43 Abs. 1 VwGO zugänglichen Rechtsverhältnis.

65

Hierunter sind nach allgemeiner Auffassung diejenigen rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander, unter Umständen auch in Bezug auf eine Sache, ergeben (vgl. etwa Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO 4. Aufl. 2014, § 43 Rn 7 m.w.Nw.).

66

Ob zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten in Bezug auf die streitgegenständliche Verpflichtung zur Verbreitung der fraglichen Fernsehprogramme überhaupt rechtliche Beziehungen bestehen, oder ob diese nicht, wie der Beklagte einwendet, allein zwischen den Klägerinnen und den Beigeladenen existieren, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Erörterung. Denn jedenfalls liegt hinsichtlich des zur gerichtlichen Feststellung gestellten Merkmales „ohne einen solchen Vertrag“ kein feststellungsfähiger Gegenstand vor.

67

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist der Rechtsordnung gerade keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Abschluss eines privatrechtlichen Verbreitungsvertrages zu entnehmen. Mithin fehlt es an einer öffentlich-rechtlichen Norm, welche die Notwendigkeit eines Vertragsschlusses ausspricht. Damit liegt auch die Frage, wie sich die Rechtslage ohne einen solchen Vertragsschluss darstellt, außerhalb des Regelungsprogramms öffentlich-rechtlicher Normen. Es handelt sich mit der von den Klägerinnen erstrebten Feststellung der Sache nach vielmehr um eine bloße rechtliche Schlussfolgerung, dass nämlich ohne vorherigen Vertragsschluss für sie keine Verbreitungspflicht bezogen auf die streitgegenständlichen Programme bestehe. Eine solche Schlussfolgerung wird aber von vornherein nicht durch Normen des öffentlichen Rechts determiniert. Zudem würde sie sich auf einen nicht gesondert feststellungsfähigen Teilaspekt beziehen. Unterstellt, die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Verbreitungspflicht der Klägerinnen sei (auch) im Verhältnis zu dem Beklagten grundsätzlich feststellungsfähig, würde gleichwohl mit der aufgeworfenen Frage „ohne einen solchen Vertrag“ lediglich ein einzelnes Element des Rechtsverhältnisses angesprochen sein. Das aber ist einer verwaltungsgerichtlichen Feststellung nach § 43 Abs. 1 VwGO nicht zugänglich (vgl. etwa Sodan, a.a.O. Rn 28).

68

3. Der zweite Hilfsantrag der Klägerinnen führt jedoch zum Erfolg. Er erweist sich als zulässig (a) und begründet (b).

69

a) Unter Zulässigkeitsgesichtspunkten hält es die Kammer allein für problematisch, ob mit der zur gerichtlichen Feststellung gestellten Frage, dass die Klägerinnen nicht kraft Gesetzes verpflichtet seien, die streitgegenständlichen Fernsehprogramme unentgeltlich zu verbreiten, ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis gerade gegenüber dem Beklagten angesprochen ist. Das ist nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts zu bejahen.

70

Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Feststellung gemäß § 43 Abs. 1 1. Alternative VwGO kann, wie bereits angesprochen, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein, welches durch die rechtlichen Beziehungen gekennzeichnet ist, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 26.1.1996, BVerwGE 100, 262, zit. n. juris Rn 10). Dabei haben sich rechtliche Beziehungen nur dann zu einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis konkretisiert, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, ebenda). Sämtliche dieser Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

71

aa) Es geht den Klägerinnen um die Feststellung des Nichtbestehens einer Verpflichtung, für die entscheidend eine öffentlich-rechtliche Norm, nämlich die Vorschrift des § 52b RStV, maßgeblich ist. Fraglich ist, ob diese Norm die Klägerinnen unmittelbar und voraussetzungslos verpflichtet, die streitgegenständlichen Programme zu verbreiten. Entscheidend ist somit ersichtlich die Frage, ob die Klägerinnen kraft gesetzlicher Regelung etwas Bestimmtes, die Verbreitung der Programme, auf eine bestimmte Weise, nämlich unentgeltlich, tun müssen, oder ob sie dies nicht zu tun brauchen, weil das Gesetz keine diesbezügliche Verpflichtung ausspricht.

72

bb) Diese Frage betrifft auch das Verhältnis der Klägerinnen zu dem Beklagten. Denn eine etwaige gesetzliche Inpflichtnahme der Klägerinnen wäre, wie nicht weiter ausgeführt werden muss, kein Selbstzweck, sondern diente zur Erfüllung des dem Beklagten im öffentlichen Interesse obliegenden Auftrages, (auch) die streitgegenständlichen Programme zu verbreiten. Es geht demnach um die Frage, ob und in welchem Umfang in grundrechtlich geschützte Positionen der Klägerinnen durch Gesetz eingegriffen wird, um eine dem Beklagten obliegende öffentliche Aufgabe zu erfüllen. Nimmt das Gesetz jedoch einen Privaten in die Pflicht, um den im Interesse der Allgemeinheit liegenden Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers zu erfüllen, werden hierdurch unmittelbar öffentlich-rechtliche Beziehungen zwischen den genannten Beteiligten begründet.

73

cc) Unerheblich ist es für die hier anzustellende Zulässigkeitserwägung, ob ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis nicht auch zwischen den Klägerinnen und den Beigeladenen besteht. Das wird unter Einbeziehung ihrer Organe im Hinblick auf die Reglung der §§ 35 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 5 RStV ohne weiteres zu bejahen sein. Das Bestehen des vorgenannten ebenfalls feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses der Klägerinnen zu dem Beklagten und die hieran anknüpfende Eröffnung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes werden hierdurch jedoch nicht berührt. Mehrpolige Rechtsverhältnisse sind der Rechtsordnung in zahlreichen Zusammenhängen bekannt.

74

dd) Ferner ist es für die Bejahung der Zulässigkeit nicht etwa, wie der Beklagte meint, entscheidend, ob er sich bestimmter Rechtspositionen berühmt. Nach allgemeiner Auffassung, welcher die vorgenannte Definition entspricht, ist es lediglich erforderlich, dass die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts und damit auch die Frage ihrer Reichweite bezogen auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist. Das aber ist im vorliegenden Fall, wie schon die sehr ausführlichen gerade dieser Frage gewidmeten gegensätzlichen Rechtsausführungen der Beteiligten belegen, eindeutig der Fall.

75

ee) Das Bestehen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses kann auch nicht etwa deshalb in Zweifel gezogen werden, weil der Beklagte über keine exekutiven Kompetenzen zur etwaigen Durchsetzung einer unentgeltlichen Verbreitungspflicht der Klägerinnen verfügt.

76

Zum einen reicht es für die Bejahung eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses aus, allein auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Pflicht des Rechtsschutzsuchenden abzustellen (vgl. etwa Sodan, a.a.O. Rn 10). Zum anderen ist der erwähnte Umstand der verfassungsrechtlich begründeten Besonderheit geschuldet, dass der Beklagte in Ansehung der Erfüllung seines besonderen Auftrags staatsfern organisiert zu sein hat (BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11 – juris Rn. 43 ff). Damit wäre es unvereinbar, ihm auf die Erfüllung seines Auftrages bezogene exekutive Kompetenzen zuzusprechen. Folgerichtig sind diese vom Rundfunkstaatsvertragsgesetzgeber den Landesmedienanstalten, mithin den Beigeladenen, verliehen worden. Diese Besonderheit ändert indes nichts daran, dass die Klägerinnen die berechtigte Frage aufwerfen, ob sie durch das Gesetz in die unbedingte Pflicht genommen werden, zur Erfüllung des im überragenden öffentlichen Interesse bestehenden Versorgungsauftrages des Beklagten durch unentgeltliche Verbreitung seiner Programme beizutragen, oder ob dies nicht der Fall ist.

77

ff) Prozessökonomische Erwägungen gebieten keine andere Bewertung. Die Reichweite der gesetzlichen Inpflichtnahme der Klägerinnen zwecks Erfüllung des dem Beklagten obliegenden Auftrags muss grundsätzlich auch im Lichte des durch Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten effektiven Rechtsschutzes gerade gegenüber diesem Rechtsträger zur verwaltungsgerichtlichen Klärung gestellt werden können. Es gibt keine tragfähigen prozessökonomischen Erwägungen, mit denen sich begründen ließe, diese Feststellung allein im Verhältnis zu den Beigeladenen erreichen zu können. Es ist im Gegenteil gerade prozessökonomisch, dies im Zusammenhang mit dem von den Klägerinnen gestellten Hauptantrag gegenüber dem Beklagten zu klären. Denn der zweite Hilfsantrag ist in wesentlicher Hinsicht die Kehrseite der mit dem Hauptantrag verfolgten Rechtsbehauptung, es bestehe eine im öffentlichen Recht wurzelnde Verpflichtung zum Abschluss eines Verbreitungsvertrages. Auf diesen Gesichtspunkt haben die Beigeladenen zutreffend hingewiesen. Der enge und unmittelbare sachliche Zusammenhang des Hilfsantrages zu der mit dem Hauptantrag aufgeworfenen Frage liegt auf der Hand: Es geht um die Feststellung, ob, auf welche Weise und in welchem Umfang die Rechtsordnung die Erfüllung des dem Beklagten obliegenden Versorgungsauftrags unter dem Gesichtspunkt der Verbreitung seiner Programme sicherstellt. Auch wegen dieses engen sachlichen Zusammenhanges wäre es gerade nicht prozessökonomisch, die hier zu entscheidende Rechtsfrage einem gesonderten Verfahren, welches die Klägerinnen im Verhältnis zu den Beigeladenen einzuleiten hätten, zu überantworten.

78

gg) Selbst wenn man der hier vertretenen Rechtsauffassung nicht folgen wollte, wäre ein der Feststellung fähiges Rechtsverhältnis vorliegend jedenfalls nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für sogenannte Drittrechtsverhältnisse zu bejahen. Nach herrschender Meinung, welcher auch das erkennende Gericht folgt, kann nämlich Gegenstand der Feststellungsklage sowohl ein Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und einem Dritten als auch ein solches zwischen dem Kläger und einem Dritten sein (vgl. etwa Sodan, a.a.O. Rn 37). Der von dem Beklagten vertretenen Rechtsmeinung, es könne sich insoweit nur um Rechtsverhältnisse handeln, welche zwischen ihm als Beklagten und einem Dritten bestehen, ist nicht zu folgen. Um in einer Konstellation wie der vorliegenden die unnötige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes möglichst auszuschließen, mithin aus prozessökonomischen Erwägungen, wird dabei ein spezifisches berechtigtes Feststellungsinteresse verlangt. Zu fordern ist daher, dass ein individuelles Feststellungsinteresse gerade gegenüber dem Beklagten besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.1997 – 8 C 23/96 – juris Rn. 17). Das aber ist vorliegend schon deshalb zu bejahen, weil erfahrungsgemäß der Beklagte das tatsächliche Verbreitungsverhalten der Breitbandkabelnetzbetreiber gleichsam mit Argusaugen beobachtet und jede seiner Meinung nach nicht gerechtfertigte Nichterfüllung der ebenfalls seiner Meinung nach bestehenden unbedingten Verbreitungspflicht durch die Klägerinnen unmittelbar gegenüber den Beigeladenen mit dem Ziel einer rundfunkrechtlichen Sanktionierung geltend machen wird.

79

hh) Der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage, § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO, steht dem Begehren der Klägerinnen ebenfalls nicht entgegen.

80

Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerinnen ihre Rechte gleich effektiv durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen könnten. Ob der von den Beigeladenen in die Diskussion gebrachte Weg zur rechtlichen Klärung der hier zur Feststellung gestellten Rechtsfragen, nämlich die Einleitung eines auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens ihnen gegenüber, rechtlich gangbar wäre, erscheint als zweifelhaft. Eine gesetzliche Grundlage hierfür vermag die Kammer nicht zu erkennen. Es bedürfte indes einer solchen auch für den Erlass feststellender Verwaltungsakte jedenfalls dann, wenn sie auch belastende Auswirkungen entfalten könnten (vgl. nur Jarass, a.a.O. Art. 20 Rn.49). Doch muss das nicht weiter erörtert werden. Zum einen ist es, wie ausgeführt, gerade prozessökonomisch, die Frage im Verhältnis zu dem Beklagten zu klären. Zum anderen wäre mit einem präventiven Feststellungsbegehren der Klägerinnen gegenüber den Beigeladenen auch keine der nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO vorrangigen Rechtsschutzformen eröffnet.

81

b) Die zulässige Klage ist auch begründet.

82

§ 52b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 lit. a RStV ist keine Verpflichtung der Klägerinnen zu entnehmen, die streitgegenständlichen Programme unentgeltlich zu verbreiten.

83

Nach der genannten Vorschrift haben die Klägerinnen als Plattformanbieter innerhalb einer technischen Kapazität im Umfang von höchstens einem Drittel der für digitale Verbreitung von Rundfunk zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität sicherzustellen, dass die erforderlichen Kapazitäten für die bundesweite Verbreitung der gesetzlich bestimmten beitragsfinanzierten Programme sowie für die dritten Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „zur Verfügung stehen“. Die im Rahmen der dritten Programme verbreiteten Landesfenster sind nur innerhalb der Länder zu verbreiten, für die sie gesetzlich bestimmt sind.

84

aa) Bereits nach dem Normwortlaut wird keine gesetzliche Pflicht der Klägerinnen zur unentgeltlichen Verbreitung der streitgegenständlichen Programme begründet.

85

(1) Nach seinem Wortlaut nimmt das Gesetz die Klägerinnen als Plattformbetreiber in die Pflicht. Die Reichweite dieser Verpflichtung ergibt sich aus den vom Gesetzgeber verwendeten Verben. Danach haben die Klägerinnen „sicherzustellen“, dass die abstrakt umschriebenen technischen Kapazitäten ihrer Netze für die vom Gesetz benannten Zwecke „zur Verfügung stehen“. Ein ausdrücklich auf die Verbreitung der Programme gerichteter Normbefehl ist damit nicht ersichtlich. Wer als Netzbetreiber sicherzustellen hat, dass bestimmte Netzkapazitäten zwecks Verbreitung (auch) der streitgegenständlichen Programme zur Verfügung stehen, unterliegt nach allgemeinem Sprachverständnis keiner Verpflichtung zur Verbreitung der benannten Programme, sondern lediglich einer solchen zur Kapazitätsvorhaltung. Der Gesetzgeber verpflichtet die Klägerinnen mit anderen Worten dazu, in dem abstrakt beschriebenen Umfang ihre Netzkapazitäten nicht anderweitig ökonomisch zu nutzen, sondern sie für die im öffentlichen Interesse privilegierten Zwecke der Verbreitung (auch) der streitgegenständlichen Fernsehprogramme zu reservieren.

86

(2) Die Kammer vermag dem Normwortlaut auch keine implizit geregelte unbedingte Verbreitungspflicht zu entnehmen.

87

Unter der Geltung des im Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG, wurzelnden Grundsatzes der Normenklarheit sind an die eindeutige Fassung belastender, in Freiheitsrechte eingreifender gesetzlicher Bestimmungen hohe Anforderungen zu stellen. Der Normadressat muss Art und Umfang seiner Normunterworfenheit so konkret erkennen können, dass er sein Verhalten daran orientieren kann. Das Gleiche gilt unter dem Aspekt der diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 2.6.2008 – 1 BvR 394/04 – juris Rn. 23). In Ansehung dessen lässt der Normwortlaut keine andere Deutung als die einer Verpflichtung der Klägerinnen zur Kapazitätsreservierung bzw. zur Kapazitätsvorhaltung zu.

88

Dass das Gesetz, worauf der Beklagte hinweist, in § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a 2. Halbsatz RStV regelt, dass die im Rahmen der dritten Programme verbreiteten Landesfenster „nur innerhalb der Länder zu verbreiten“ seien, für welche sie gesetzlich bestimmt seien, rechtfertigt die Annahme einer implizit geregelten Verbreitungspflicht nicht. Das Gericht folgt dem Beklagten nicht, der hierin einen Widerspruch insofern sieht, als das Gesetz damit eine Verbreitungsverpflichtung für die Landesfenster angeordnet habe, während es, bei der hier vertretenen Auslegung, im Übrigen nur eine Vorhaltepflicht geregelt habe. Denn die Wendung „zu verbreiten“ ist keineswegs zwingend als Normbefehl zu verstehen. Es ist nicht ausgeschlossen, sondern liegt vielmehr nahe, sie rein deskriptiv in dem Sinne aufzufassen, dass bestimmte Programme eben nur zur Verbreitung in einem bestimmten Sendegebiet vorgesehen sind. Keineswegs ist damit mit der für einen Normbefehl erforderlichen Klarheit geregelt, dass das Gesetz selbst unmittelbar eine Verbreitungsverpflichtung begründen will.

89

bb) Systematische Erwägungen bestätigen die Richtigkeit dieser Auslegung.

90

(1) Dies wird, worauf neben den Klägerinnen auch die Beigeladenen zutreffend hinweisen, bereits durch den Umstand nahegelegt, dass der Gesetzgeber die Frage der Entgeltlichkeit in § 52d RStV angesprochen und einer Angemessenheitskontrolle unterstellt hat. Es unterstreicht ferner die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung, dass das Gesetz in § 52d Satz 5 RStV ausdrücklich auf die landesrechtlichen Sondervorschriften für Offene Kanäle Bezug nimmt, in denen durchweg die Unentgeltlichkeit der Verbreitung dieser Inhalte geregelt ist.

91

(2) Die Richtigkeit der Normauslegung durch die Kammer ergibt sich weiterhin aus verfassungssystematischen Erwägungen. Hätte der Normgeber eine unmittelbare Verbreitungspflicht der Klägerinnen als Plattformanbieter anordnen wollen, hätte er zugleich regeln müssen, ob dies unentgeltlich oder gegen angemessene Entschädigung bzw. angemessenes Entgelt zu erfolgen hat. Das folgt bereits aus dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Normenklarheit. Es muss für den Normunterworfenen hinlänglich deutlich werden, in welchem Umfang er im öffentlichen Interesse in die Pflicht genommen wird. Zum Umfang der Inpflichtnahme zählt unmittelbar auch die Frage der Entgeltlichkeit einer im öffentlichen Interesse zu erbringenden Leistung. Das jedenfalls dann, wenn diese, wie es hier der Fall ist, ihrem Wesen nach einen bezifferbaren Marktwert hat. Die Relevanz des kategorialen Unterschiedes der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit einer Leistung für eine Rechts- und Wirtschaftsordnung, die wesentlich auf dem Prinzip der Privatautonomie beruht und die privatnützige Erwerbstätigkeit ebenso schützt wie die Privatnützigkeit des Eigentums, liegt auf der Hand und muss nicht vertieft dargelegt werden.

92

Daher verfängt auch der Einwand des Beklagten nicht, die in Rede stehende Belastung sei für die Klägerinnen angesichts der von ihnen insgesamt erwirtschafteten Umsätze unerheblich. Schon die tatsächliche Stichhaltigkeit dieses Argumentes wird im Hinblick auf die in den früheren Einspeiseverträgen mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern vereinbarten Vergütungen zu bezweifeln sein. Einen Betrag von mehr als ... Mio. Euro als Äquivalent für die Programmverbreitung wird man kaum als unerheblich ansehen können. Im Übrigen trifft dieser Einwand nicht die rechtlich entscheidende Kategorie. Es geht um die Bestimmtheit einer abstrakt-generellen Regelung und die hiermit verbundene Frage, ob ein für deren Eingriffsintensität wesentlicher Aspekt, die Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit einer Inpflichtnahme, aus verfassungsrechtlichen Gründen regelungsbedürftig wäre. Was insoweit als erhebliche oder unerhebliche Belastung anzusehen ist, bedarf der Regelung durch den Gesetzgeber. Allein ihm obliegt es, die schutzwürdigen Interessen des Grundrechtsinhabers und die Belange des Gemeinwohls zu einem gerechten Ausgleich und in ein abgewogenes Verhältnis zu bringen (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 25.8.1999 – 1 BvR 1499/97 – juris Rn. 9 m.w.Nw.).

93

Auch aus diesen Erwägungen folgt, dass das vom Beklagten vertretene Normverständnis unzutreffend ist. Wollte man in die bestehende Regelung des § 52b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 RStV eine Verpflichtung der Klägerinnen zur unentgeltlichen Verbreitung (auch) der streitgegenständlichen Programme hineinlesen, würde die Bestimmung aus den dargelegten Gründen dem rechtsstaatlichen Erfordernis der Normklarheit nicht genügen. Zudem wäre dem rechtsstaatlichen Prinzip des Gesetzesvorbehalts nicht entsprochen, wonach jeder wesentliche Eingriff in Grundrechte auf der Grundlage eines förmlichen Gesetzes beruhen muss. Eine Gesetzesauslegung, die im Ergebnis zu einer verfassungsrechtlich defizitären gesetzlichen Regelung führen würde, verbietet sich jedoch nach Auffassung der Kammer gleichsam von selbst.

94

cc) Die von dem Beklagten vertretene Gesetzesauslegung im Sinne einer gesetzesunmittelbaren Verbreitungspflicht wird auch nicht etwa durch den Sinn und Zweck der in § 52b RStV geregelten Plattformbelegung gefordert.

95

(1) Die Norm dient der Vielfaltssicherung. Sie soll, kurz gesagt, gewährleisten, dass die im öffentlichen Interesse (zu Recht) für unverzichtbar gehaltenen „privilegierten“ Programme (auch) des Beklagten Berücksichtigung finden und nicht etwa durch möglicherweise ökonomisch einträglichere Inhalte verdrängt werden. Doch bedarf es hierzu nicht der von dem Beklagten für gegeben gehaltenen unmittelbaren gesetzlichen Verpflichtung der Klägerinnen als Plattformanbieter zur unentgeltlichen Verbreitung der streitgegenständlichen Programme.

96

(2) Allerdings ist dem Beklagten darin zu folgen, dass es zur Erreichung des Vielfalt sichernden Gesetzeszweckes keineswegs ausreichen würde, wenn die naturgemäß primär ihren privatnützigen ökonomischen Interessen folgenden Plattformanbieter Kapazitäten lediglich vorhielten. Selbstverständlich kommt es entscheidend auf das Ergebnis an. Das Gesetz will und muss sicherstellen, dass die vorzuhaltenden Kapazitäten auch tatsächlich zur Verbreitung der „privilegierten“ Programme genutzt werden und diese von den Rundfunkteilnehmern tatsächlich empfangen werden können. Doch lässt diese am Normzweck orientierte und für sich genommen unmittelbar einleuchtende Erwägung keineswegs den Schluss zu, der Gesetzgeber habe damit auch eine unbedingte gesetzliche Verpflichtung zur unentgeltlichen Verbreitung begründen wollen oder dies sachgerechter Weise tun müssen. Einer solchen gesetzesunmittelbaren Verpflichtung bedürfte es nämlich dann nicht, wenn aus der Sicht des Normgebers die Erfüllung des Gesetzeszwecks auf andere Weise hinlänglich sichergestellt wäre. Genau das ist vorliegend jedoch der Fall.

97

Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass die Verpflichtung der Plattformanbieter zur Kapazitätsvorhaltung ausreichen würde, um die Erfüllung des von ihm verfolgten Vielfaltszwecks sicherzustellen. Denn in der Kapazitätsreservierungsverpflichtung liegt ein unmittelbarer ökonomischer Appell an die erwerbsorientierten Plattformbetreiber, die fraglichen Ressourcen nicht etwa „brachliegen“ zu lassen, sondern sie für die Verbreitung der „privilegierten“ Programme zu nutzen. Nach der hier angesprochenen ökonomischen Logik würde dies den Abschluss entsprechender Verträge mit den öffentlich-rechtlichen Programmveranstaltern erfordern, was ein aus der gesetzgeberischen Sicht naheliegendes – und empirisch im Übrigen langjährig bewährtes – Modell wäre, um die im öffentlichen Interesse erforderliche Verbreitung der Programme (auch) des Beklagten rechtlich abzusichern.

98

(3) Ein solches Normverständnis würde zudem dem grundsätzlich unter der Geltung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gebotenen Prinzip des geringsten erforderlichen Eingriffs entsprechen. Die Verpflichtung zur Kapazitätsreservierung greift in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsrechte der Plattformbetreiber ein, insofern sie deren rechtlich geschützten „statischen“ Eigentumsbestand betrifft. Wie auch von den Klägerinnen nicht in Abrede gestellt, ist der hierin liegende Eingriff eine zulässige Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gemeinwohlbindung des Eigentums in Art. 14 Abs. 2 GG. Eine solche verfassungsunmittelbare Beschränkung durch das Gemeinwohl kennt das Grundrecht der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG nicht. Eine gesetzesunmittelbare Verpflichtung der Klägerinnen zur unentgeltlichen Verbreitung würde jedoch einen Eingriff in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht der Plattformanbieter auf freie Berufsausübung bedeuten, insofern es „dynamisch“ ihre aktuelle Erwerbstätigkeit, die Berechtigung, ihre Netze gewinnbringend zu betreiben, beträfe. Eines solch weitreichenden Eingriffes bedarf es überdies unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten dann nicht, wenn der im Allgemeininteresse verfolgte gesetzgeberische Zweck der Vielfaltssicherung auch auf weniger eingriffsintensive Weise erreicht werden könnte. Eben dies wird jedoch mit der zur Überzeugung der Kammer allein zutreffenden Auslegung des Gesetzes bewirkt. Anstelle der gesetzlichen Verpflichtung zur unentgeltlichen Verbreitung setzt die Regelung des § 52b Abs. 1 Satz 1 RStV auf die Erfüllung des Gesetzeszwecks durch ökonomischen Anreiz. Die Tauglichkeit dieses Ansatzes hat sich in der Vergangenheit erwiesen.

99

(4) Demgegenüber verfängt der Einwand des Beklagten nicht, die vermeintliche „Must-Carry-Pflicht“ der Klägerinnen schaffe taugliche und marktkonforme Rahmenbedingungen für die Auswahl unter verschiedenen Verbreitungsmodellen. Mit den Klägerinnen ist festzustellen, dass eine solche Regelung dies gerade nicht leisten würde. Sie würde nämlich den Verzicht des Beklagten und der anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter auf den Abschluss von Einspeiseverträgen für die Netze der Klägerinnen ökonomisch gerade prämieren. Abgesehen davon bezweckt die fragliche Regelung auch keineswegs die Sicherung einer Vielfalt an Verbreitungsmodellen, sondern schlicht die Sicherung der Verbreitung (auch) der streitgegenständlichen Programme. Dazu aber bedarf es keiner gesetzesunmittelbaren unentgeltlichen Verbreitungspflicht.

100

(5) Vor diesem Hintergrund hält die Kammer die Reduzierung der Gesetzesauslegung auf zwei vermeintlich gegenläufige Kategorien, die einer bloßen Vorhaltepflicht („must provide“) und die einer Verbreitungspflicht („must carry“) für unergiebig und nicht zielführend. Beide Kategorien sind vielmehr komplementär zu verstehen. Die Plattformbetreiber sollen Kapazitäten vorhalten, damit eben auf diese Weise das im Interesse der Vielfaltssicherung bestehende gesetzgeberische Anliegen der Programmverbreitung erfüllt wird. Dabei überlässt das Gesetz indes, vorbehaltlich der in § 52d RStV geregelten Entgeltkontrolle, die konkrete Ausgestaltung der Verbreitung der privatautonomen Entscheidung der Plattformanbieter auf der einen und der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter auf der anderen Seite. Man mag insofern von einem „Shall-Carry-Status“ der in § 52b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 lit. a RStV genannten Programme sprechen. Der vielfach und auch von den Beteiligten verwendete Begriff des „must carry“ ist vor dem Hintergrund der hier vertretenen Gesetzesauslegung missverständlich und in der Sache deshalb unangebracht, weil er das differenzierte, sachgerechte, effektive und verfassungsrechtlich gebotenen Beschränkungen verpflichtete Regelungsprogramm des Rundfunkstaatsvertrags verfehlt.

101

dd) Dieses Normverständnis entspricht schließlich auch dem Willen des Rundfunkstaatsvertragsgesetzgebers. Das kann mit hinlänglicher Eindeutigkeit den Gesetzesmaterialien entnommen werden. So heißt es in der amtlichen Begründung zum Zehnten Änderungsgesetz zum Rundfunkstaatsvertrag vom 22.7.2008 zu § 52d wie folgt:

102

„Der Inhalt des Verbreitungsvertrages, insbesondere das zu zahlende Entgelt, ist wesentliche Grundlage für die tatsächliche Einspeisung eines Programms und daher entscheidender Faktor für eine vielfältige Belegung der Plattform“ (Bürgerschafts-Drucksache 19/466, S. 27).“

103

Dies lässt keine Zweifel daran zu, dass der Gesetzgeber der privatautonomen Absicherung des Vielfaltszieles den Vorzug vor einer hoheitlichen Eingriffslösung gegeben hat. Hieran anknüpfend werden, soweit ersichtlich, auch im Schrifttum keine Zweifel an der sich aus der Rechtslage ergebenden Notwendigkeit geäußert, die (ökonomischen) Modalitäten der Nutzung der Übertragungswege vertraglich zu regeln (vgl. etwa Binder, a.a.O. § 19 Rn. 58; Jahn in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2014, § 52b RStV Rn. 5).

104

Zusammengenommen steht damit zur Überzeugung des Gerichts fest, dass durch den für die Verbreitung von Rundfunkprogrammen in digitaler Form maßgeblichen Rundfunkstaatsvertrag keine Verpflichtung der Klägerinnen begründet wird, die streitgegenständlichen Programme unentgeltlich zu verbreiten. Dem hierauf gerichteten Feststellungsbegehren ist mithin zu entsprechen.

105

4. Die von dem Beklagten erhobene Widerklage muss erfolglos bleiben, weil sie bereits unzulässig ist. Es fehlt diesem Rechtsschutzbegehren bereits das allgemeine, auch für eine als Widerklage erhobene Feststellungsklage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

106

Dieses ist nicht anzuerkennen, wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, welche das subjektive oder objektive Interesse an der begehrten gerichtlichen Rechtsschutzgewährung entfallen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.1989 – 9 C 44/87 – BVerwGE 81, 164, zit. n. juris Rn. 9). So verhält es sich bei den von dem widerklagenden Beklagten begehrten Feststellungen, dass die Forderung eines Entgeltes für die Einspeisung und Weiterverbreitung der streitgegenständlichen Programme über die Netze der Klägerinnen unzulässig sei, bzw. nach Maßgabe bestimmter medienökonomischer Parameter unzulässig sei. Der Beklagte ist bei der aktuell bestehenden Sachlage auf die erstrebte verwaltungsgerichtliche Feststellung unter keinem stichhaltigen Gesichtspunkt angewiesen.

107

a) Wie vorstehend dargelegt, verhalten sich rundfunkrechtliche Normen zu der Frage der rechtlichen Ausgestaltung und Umsetzung der Verbreitung der (auch) vom Beklagten veranstalteten Programme durch die Klägerinnen als Plattformanbieter nicht. Vielmehr belässt es die Rundfunkrechtsordnung aus wohlerwogenen Gründen dabei, dies der privatautonomen Ausgestaltung der beteiligten Akteure, vorliegend der Klägerinnen und des Beklagten, zu überlassen. Der Beklagte ist zur Erfüllung der sich ihm auch insoweit stellenden Aufgaben von der Rechtsordnung sowohl in ökonomischer als auch in rechtlicher Hinsicht angemessen ausgestattet worden. Da der Beklagte zudem noch über beträchtliche publizistische Wirkungsmacht verfügt, ist er als durchaus einflussreicher und mächtiger Marktteilnehmer anzusehen. So wie er keineswegs Anlass sah, davor zurückzuschrecken, die langjährige Praxis der Verbreitungsverträge mit den Klägerinnen und den anderen Breitbandkabelnetzbetreibern aufzukündigen, wird der Beklagte und Widerkläger auch imstande sein, eine von ihm als „unzulässig“ bewertete Entgeltforderung der Klägerinnen abzulehnen. Es ist ein alltäglicher und üblicher Vorgang im durch Vertragsschlüsse geprägten Wirtschaftsleben, wenn ein Marktteilnehmer die von ihm als seinen Interessen nicht entsprechend erachtete Forderung eines anderen Teilnehmers oder ein auf Abschluss eines Vertrages gerichtetes Angebot dieses anderen Teilnehmers schlicht ablehnt. Es ist nicht zu erkennen, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt der Beklagte nicht darauf verwiesen werden könnte, mit der Forderung der Klägerinnen nach einem Entgelt, welche in Form der von ihnen unterbreiteten Angebote auf Abschluss von (neuen) Verbreitungsverträgen erhoben wird, ebenso zu verfahren. Der Beklagte ist angesichts der bestehenden Rechts- und Sachlage nicht darauf angewiesen, sich gleichsam die Richtigkeit oder Berechtigung der Zurückweisung des entsprechenden Angebots der Klägerinnen etwa verwaltungsgerichtlich bestätigen zu lassen. Dies ist umso weniger veranlasst, als seine entsprechende Entscheidung nicht allein als privatautonom getroffene zu qualifizieren ist, sondern, wie dargelegt und vom Beklagten zu Recht in Anspruch genommen, eine Ausübung seiner Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG darstellt.

108

b) Für eine präventive Inhaltskontrolle der auf Abschluss eines Vertrages gerichteten Angebote der Klägerinnen auf ihre ökonomische Angemessenheit nach Maßgabe der Regelung des § 52d RStV, wie sie der Beklagte der Sache nach begehrt, ist aktuell kein Raum. Bereits im Ansatz dürfte dieses Anliegen von der Norm nicht gedeckt sein. Sie bezweckt nicht etwa die Erhaltung eines funktionsfähigen Wettbewerbs und entsprechend die Wahrung der ökonomischen Belange eines Marktteilnehmers, sondern allein die Sicherung der Medien- und Meinungsvielfalt (vgl. etwa Wagner, in Hahn/Vesting, a.a.O., § 52 d RStV Rn 9 m.w.Nw.). Abgesehen davon ist der Beklagte weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht einer unabweisbar bestehenden Entgeltforderung der Klägerinnen ausgesetzt, die er nur unter Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Feststellungsrechtsschutzes abwehren könnte.

109

Dem Beklagten ist deshalb das rechtsschutzwürdige Interesse an einer gerichtlichen Sachentscheidung über das widerklagend vorgebrachte Feststellungsbegehren abzusprechen.

II.

110

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative VwGO.

111

Die tenorierte Verteilung der Kosten entspricht dem streitwertorientierten Ausmaß des jeweiligen Obsiegens und Unterlegens der Klägerinnen/Widerbeklagten und des Beklagten/Widerklägers. Die Beigeladenen sind von der Kostenverteilung auszunehmen, weil sie keine eigenen Anträge gestellt haben, § 154 Abs. 3 1. Halbsatz VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, § 162 Abs. 3 VwGO.

112

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 709 ZPO.

III.

113

Die Berufung ist gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

Die Behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dies gilt nicht, wenn die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften

1.
von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss,
2.
nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

Die Behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dies gilt nicht, wenn die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften

1.
von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss,
2.
nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.