Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 16. Juli 2015 - 15 K 5677/14

bei uns veröffentlicht am16.07.2015

Tenor

Die Verwirkungsbescheide der Beklagten vom 20. Juni 2014 und vom 1. Juli 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2014 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen Zwangsgelder aufgrund einer Fahrtenbuchauflage.

2

Am 29. September 2013 überschritt das Fahrzeug der Klägerin der Marke Hyundai, amtliches Kennzeichen HH-..., in Hamburg, S.-Straße …, Richtung Innenstadt, die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften nach Toleranzabzug um 22 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit lag dort bei 30 km/h. Es wurde ein Fahrerfoto gefertigt.

3

Mit Anhörungsschreiben vom 22. Oktober 2013 verlangte die Beklagte von der Klägerin, den auf dem beigefügten Lichtbild abgebildeten männlichen Fahrer zu benennen. Die Klägerin antwortete auf das Anhörungsschreiben ebenso wenig wie auf ein unter dem 12. November 2013 übersandtes Erinnerungsschreiben.

4

Mit Bescheid vom 14. Januar 2014, zugestellt am 16. Januar 2014, verfügte die Beklagte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gegen die Klägerin, für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen HH-... oder ein an dessen Stelle verwendetes Fahrzeug vom 1. April 2014 an für einen Zeitraum von sechs Monaten, also bis zum 30. September 2014, ein Fahrtenbuch zu führen. Das Fahrtenbuch sei persönlich oder durch eine beauftragte Person in der 22., 30., 38. und 41. Kalenderwoche des Jahres 2014 vorzulegen. Für den Fall, dass die Klägerin innerhalb der genannten Zeiträume kein oder kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorlege, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € festgesetzt. Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass es den Ermittlungsbehörden nicht möglich gewesen sei, die Identität des Fahrzeugführers zu ermitteln. Die Klägerin als Fahrzeughalterin habe jedoch die Pflicht, bei der Fahrerermittlung mitzuwirken. Dieser Verpflichtung sei sie nicht nachgekommen. Die Schwere des begangenen Verkehrsverstoßes mache es daher erforderlich, dass es nach einem mit ihrem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß zukünftig jederzeit möglich sei, den verantwortlichen Fahrzeugführer zügig und zweifelsfrei zu ermitteln.

5

Gegen die Klägerin lief derzeit bereits eine früher angeordnete, bis zum 31. März 2014 befristete Fahrtenbuchauflage.

6

Mit Schreiben vom 10. Juni 2014, zugestellt am 13. Juni 2014, forderte die Beklagte die Klägerin, die in der 22. Kalenderwoche (bis Ende Mai 2014) kein Fahrtenbuch vorgelegt hatte, auf, bis zum 18. Juni 2014 das ordnungsgemäß geführte Fahrtenbuch vorzuzeigen, was diese jedoch nicht tat.

7

Mit Bescheid vom 20. Juni 2014, zugestellt am 25. Juni 2014, verfügte die Beklagte in der 26. Kalenderwoche des Jahres 2014, dass die Klägerin verpflichtet sei, das mit Bescheid vom 14. Januar 2014 festgesetzte Zwangsgeld in Höhe von 500 € innerhalb von zehn Werktagen zu zahlen, andernfalls werde es zwangsweise beigetrieben. Ferner wurde die Klägerin aufgefordert, das ordnungsgemäß geführte Fahrtenbuch nunmehr bis zum 30. Juni 2014 bei der zuständigen Polizeidienststelle zur Überprüfung vorzulegen. Ferner setzte die Beklagte ein erhöhtes Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € fest für den Fall, dass innerhalb der genannten Frist kein oder kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorgelegt werde. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin der Auflage aus dem Bescheid vom 14. Januar 2014 zur Vorlage des Fahrtenbuchs in der 22. Kalenderwoche trotz abermaliger Aufforderung am 10. Juni 2014 mit neuer Fristsetzung bis zum 18. Juni nicht nachgekommen sei. Das Zwangsgeld sei daher wirksam geworden. Es sei erforderlich, um die Klägerin zur Beachtung der Fahrtenbuchauflage anzuhalten. Die Festsetzung eines erhöhten Zwangsgeldes sei geeignet und erforderlich, um der Fahrtenbuchauflage die erforderliche Durchsetzungskraft zu verleihen.

8

Mit Bescheid vom 1. Juli 2014, zugestellt am 3. Juli 2014, verfügte die Beklagte in der 27. Kalenderwoche des Jahres 2014, dass die Klägerin verpflichtet sei, innerhalb von zehn Werktagen das mit dem vorhergegangenen Bescheid festgesetzte Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € zu zahlen. Ferner wurde sie aufgefordert, das Fahrtenbuch jetzt bis zum 8. Juli 2014 vorzuzeigen. Außerdem wurde ein nochmals erhöhtes Zwangsgeld von nun 1.500 € festgesetzt für den Fall, dass innerhalb der genannten Frist kein oder kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorgelegt werde. Die Beklagte wies ferner darauf hin, dass bis zu sechs Wochen Erzwingungshaft angeordnet werden könnten, wenn ein Zwangsgeld erfolglos bleibe und eine Wiederholung dessen keinen Erfolg verspreche. Zur Begründung des Bescheides führte die Beklagte aus, dass eine Vorlage des Fahrtenbuchs trotz mehrfacher Aufforderung nicht erfolgt sei, so dass auch das erhöhte Zwangsgeld wirksam geworden sei. Das Zwangsgeld sei weiterhin erforderlich, um die Klägerin zur Beachtung der Fahrtenbuchauflage anzuhalten.

9

Mit Anwaltsschriftsatz vom 9. Juli 2014 legte die Klägerin am 10. Juli 2014 Widerspruch gegen „die Bescheide vom 14. Januar 2014“ ein. Für das parallele Bußgeldverfahren teilte sie mit, dass der Bruder ihres Ehemannes auf dem Fahrerfoto abgebildet sei.

10

Mit Bescheid vom 10. Juli 2014 forderte die Beklagte die Klägerin auf, das erhöhte Zwangsgeld von 1.500 € zu zahlen und das Fahrtenbuch nunmehr bis zum 18. Juli 2014 vorzulegen. Ferner setzte sie ein nochmals erhöhtes Zwangsgeld von 3.000 € fest.

11

Am 21. Juli 2014 – in der 30. Kalenderwoche – legte der Ehemann der Klägerin nachträglich das verlangte Fahrtenbuch bei der Beklagten vor.

12

Am 25. Juli 2014 teilte die Beklagte der Klägerin per Telefax mit, dass sich der Bescheid vom 10. Juli 2014 durch Vorlage des Fahrtenbuchs am 21. Juli 2014 erledigt habe und gegenstandslos geworden sei. Das Zwangsgeld in Höhe von 1.500 € sei daher niederzuschlagen.

13

Mit Schriftsatz vom gleichen Tag nahm die Klägerin ihren Widerspruch vom 9. Juli 2014 zurück, soweit Erledigung eingetreten sei.

14

Am 17. September 2014 konkretisierte die Klägerin, dass sich ihr Widerspruch vom 9. Juli 2014 auf die Bescheide vom 14. Januar, vom 10. und 20. Juni sowie vom 1. Juli 2014 beziehe. Sie habe das Fahrtenbuch regelmäßig beim Polizeikommissariat 16 eingereicht, wo es wohl verschwunden sei. Sofern ihr von der Beklagten telefonisch mitgeteilt worden sei, dass sie die bereits festgesetzten Zwangsgelder bezahlen müsse, gebe es hierfür keine Rechtsgrundlage. Es handele sich um ein Beuge- und nicht um ein Sanktionsmittel. Spätestens seit dem 21. Juli 2014 sei die Vorlage des Fahrtenbuches unstreitig erfolgt. Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr gebe es nicht. Es sei nicht verhältnismäßig, die Beitreibung des Zwangsgeldes zu veranlassen, wenn ausgeschlossen sei, dass sie, die Klägerin, erneut gegen das Verbot verstoße.

15

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2014, zugestellt am 31. Oktober 2014, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 14. Januar 2014 als unzulässig und im Übrigen die Widersprüche als unbegründet zurück. Außerdem führte sie aus, dass gegen den Bescheid vom 10. Juli 2014 kein Widerspruch eingelegt worden sei und dieser damit bestandskräftig und zu beachten sei. Zur Begründung gab sie an: Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Januar 2014 sei verfristet und daher unzulässig. Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 10. Juni, 20. Juni und 1. Juli 2014 seien unbegründet, da die Bescheide rechtmäßig seien. Auch wenn die Verpflichtung zur Vorlage des Fahrtenbuches in der 22. Kalenderwoche des Jahres 2014 und binnen der anschließend hierfür gesetzten Fristen durch Zeitablauf erledigt sei, bleibe eine Zahlungsfrist weiter bestehen. Die Vorlagepflicht sei rechtlich nicht zu beanstanden. Sie folge aus § 31a Abs. 3 StVZO. Durch die Vorlagepflicht werde die Klägerin angehalten, das Fahrtenbuch ordentlich zu führen, und sie ermögliche die Kontrolle des Fahrtenbuchs durch die Beklagte. Es bestehe Grund zu der Besorgnis, dass ein künftig mit dem Fahrzeug der Klägerin begangener Verkehrsverstoß ohne Rückgriff auf das Fahrtenbuch nur schwer aufzuklären sei. Eine regelmäßige Kontrolle des Fahrtenbuchs sei deshalb verhältnismäßig. Der Bescheid vom 10. Juni 2014 habe die nicht erfüllte Pflicht der Vorlage des Fahrtenbuchs in der 22. Kalenderwoche 2014 konkretisiert. Der Bescheid vom 20. Juni 2014 sei rechtmäßig, da die Klägerin gegen den Bescheid vom 10. Juni 2014 verstoßen habe. Die Aufforderung der Vorlage bis zum 30. Juni 2014 sei eine weitere Konkretisierung der Pflicht zur Vorlage in der 22. Kalenderwoche 2014 und beruhe im Übrigen auf § 31a Abs. 3 Buchst. a StVZO. Der Bescheid vom 1. Juli sei aus vergleichbaren Gründen rechtmäßig. Die Pflicht zur Vorlage des Fahrtenbuchs in der 22. Kalenderwoche habe sich durch Zeitablauf erledigt. Die Klägerin habe mit der Vorlage des Fahrtenbuchs in der 30. Kalenderwoche nicht ihre Pflicht zur Vorlage in der 22. Kalenderwoche erfüllt, sondern eine weitere Pflicht aus dem Bescheid vom 14. Januar 2014. Obwohl der Zweck des Verwaltungsaktes aufgrund von Zeitablaufs nicht mehr erreicht werden könne, bleibe die Pflicht der Klägerin zur Zahlung der Zwangsgelder bestehen. Dieses ergebe sich aus der analogen Anwendung des § 28 Abs. 2 HmbVwVG. So handele es sich vorliegend um eine Handlungspflicht, welche planwidrig vom Gesetzgeber in § 28 Abs. 2 HmbVwVG nicht geregelt worden sei, obwohl eine vergleichbare Interessenlage bestehe. Die Gesetzesbegründung zu § 28 Abs. 2 HmbVwVG beziehe sich darauf, dass die pflichtige Person die Erledigung selbst herbeigeführt habe, indem sie ihrer Pflicht zuwider gehandelt habe. Das Zwangsgeld werde seinem Beugecharakter nicht gerecht, wenn sich der Pflichtige durch bloßes Zuwiderhandeln der Pflicht entziehen könne, ohne Konsequenzen zu befürchten. Dies müsse auch für Handlungspflichten gelten. Würde § 28 Abs. 2 HmbVwVG nicht analog auf Handlungspflichten angewandt, wären Anordnungen zu einmaligem termingebundenen Handeln nicht durchsetzbar. Der Pflichtige könne sich dann von vornherein ausrechnen, wann das Zwangsgeld nicht beigetrieben werden könne, so dass dieses Zwangsmittel als Druckmittel versage. Zudem bleibe das Zwangsgeld auch dann eine präventive Maßnahme, wenn es erst nach dem Verstoß des Handlungspflichtigen beigetrieben werde, da die Zahlungspflicht zuvor auf den Willen der Handlungspflichtigen eingewirkt habe, der Handlungspflicht zu entsprechen.

16

Am Montag, dem 1. Dezember 2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Ergänzend trägt sie vor, dass die Beklagte widersprüchlich agiere. Sie habe entgegen ihrer Ausführungen im Widerspruchsbescheid den Bescheid vom 10. Juli 2014 bereits eingestellt. Die Argumentation der Beklagten sei auch fehlerhaft, da eine analoge Anwendung von § 28 Abs. 2 HmbVwVG bereits mangels Regelungslücke nicht geboten sei. Eine Analogie verstoße im Bereich hoheitlicher Eingriffe außerdem gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 GG. Außerdem bestehe zwischen Handlungs- und Duldungs- bzw. Unterlassungspflichten keine vergleichbare Interessenlage.

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Die Klägerin beantragt,

18

die Verwirkungsbescheide der Beklagten vom 20. Juni 2014 und vom 1. Juli 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2014 aufzuheben.

19

Die Beklagte beantragt

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die Klage abzuweisen.

21

Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2014 und den Inhalt der Verwaltungsakte.

22

Am 16. Juli 2015 ist in der Sache mündlich verhandelt worden. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Die Sachakte der Beklagten ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

I.

23

Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist gem. § 42 Abs. 1 VwGO die Anfechtungsklage.

24

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufforderung zur Zahlung eines Zwangsgeldes von 500 € und eines erhöhten Zwangsgeldes von 1.000 €, welche im Zusammenhang mit einer Fahrtenbuchauflage festgesetzt worden waren. Diese Zahlungsaufforderungen sind Gegenstand zweier sog. Verwirkungsbescheide vom 20. Juni und vom 1. Juli 2014 und entsprechend auch Gegenstand des den hiergegen eingelegten Widerspruch zurückweisenden Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2014. Verwirkungsbescheide nach hamburgischem Verwaltungszwangsvollstreckungsrecht haben Verwaltungsaktqualität i.S. von § 35 HmbVwVfG(OVG Hamburg, Beschluss vom 7.6.2007, 2 Bs 83/07; VG Hamburg, Beschluss vom 9.10.2008, 4 E 2556/08, juris Rn. 3, und Beschluss vom 27.3.2012, 10 E 556/12, juris Rn. 14; entsprechend im hessischen Recht Hess. VGH, Beschluss vom 2.9.2004, 6 TG 1549/04, juris Rn. 5; anders im bayerischen Verwaltungsvollstreckungsrecht, dazu BayVGH, Beschluss vom 27.4.2012, 9 CS 12.56, juris Rn. 9).

25

Solange die Verwirkungsbescheide – wie hier – noch nicht bestandskräftig geworden sind, ist einer drohenden Beitreibung eines Zwangsgeldes durch deren Anfechtung mittels Widerspruchs und Anfechtungsklage entgegenzutreten. Entsteht ein Vollstreckungshindernis erst nach Eintritt der Bestandskraft eines Verwirkungsbescheides, kommt als zulässige Klageart die Verpflichtungsklage auf Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht, die einen entsprechenden vorherigen Antrag an die Behörde voraussetzt (vgl. dazu Thür. OVG, Beschluss vom 5.6.2012, 1 EO 284/12, juris Rn. 5 ff.; OVG Saarland, Beschluss vom 2.5.2014, 2 B 225/14, juris Rn. 17), möglicherweise auch die Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung (so OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.5.2011, OVG 10 B 7.10, juris Rn. 15 ff.).

26

Soweit die angefochtenen Bescheide neben der Verwirkung auch weitere Regelungsgegenstände, insbesondere die Festsetzung eines gegenüber dem verwirkten Zwangsgeld jeweils erhöhten Zwangsgeldes beinhalten, ist dies nicht Gegenstand der Klage, da sich die Klägerin nicht gegen die Festsetzung von Zwangsgeldern, sondern lediglich gegen deren Beitreibung wendet.

II.

27

Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtenen Verwirkungsbescheide vom 20. Juni und 1. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2014 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Denn die Vollstreckung der Zwangsgelder war nach § 28 Abs. 1 Nr. 4 HmbVwVG einzustellen, nachdem der Zweck der Zwangsgeldfestsetzung durch Vorlage des offenbar beanstandungsfrei geführten Fahrtenbuchs am 21. Juli 2014 erreicht worden war.

28

1. Bei Erlass begegneten die angefochtenen Verwirkungsbescheide allerdings noch keinen rechtlichen Bedenken, da damals die Voraussetzungen für die Beitreibung sowohl des Zwangsgeldes von 500 € als auch des erhöhten Zwangsgeldes von 1.000 € vorgelegen haben.

29

Die vorherige Festsetzung dieser Zwangsgelder bedarf hier keiner Überprüfung, da dies nicht Streitgegenstand ist. In Bezug auf das Zwangsgeld von 500 € wäre sie auch nicht möglich, da dieses Zwangsgeld nach § 14 Abs. 2 S. 1 HmbVwVG zugleich mit der Fahrtenbuchauflage festgesetzt wurde und zusammen mit dieser mangels Widerspruchs bestandskräftig geworden ist.

30

Rechtsgrundlage für einen Verwaltungsakt zur Beitreibung eines Zwangsgeldes ist § 14 Abs. 2 S. 2 HmbVwVG. Hiernach wird die Festsetzung eines Zwangsgeldes, das zugleich mit dem durchzusetzenden Verwaltungsakt festgesetzt worden ist, wirksam, wenn die pflichtige Person die ihr obliegende Handlung nicht fristgemäß vorgenommen hat. Dies war bei Erlass der beiden Verwirkungsbescheide der Fall.

31

Unstreitig hatte die Klägerin, die Adressatin der aus der Fahrtenbuchauflage folgenden Handlungspflicht war, am 20. Juni und am 1. Juli 2014 noch kein Fahrtenbuch vorgelegt. Im Bescheid vom 14. Januar 2014 war ihr jedoch aufgegeben worden, nicht nur ein Fahrtenbuch zu führen, sondern dieses auch persönlich oder durch eine beauftragte Person erstmals in der 22. Kalenderwoche beim Polizeikommissariat 16 zur Überprüfung vorzulegen. Die 22. Kalenderwoche endete mit dem 31. Mai 2014. Hiernach war der Klägerin zwar mit Schreiben vom 10. Juni 2014 von der Beklagten eine Nachfrist bis zum 18. Juni 2014 gesetzt worden, um das ordnungsgemäß geführte Fahrtenbuch vorzuzeigen. Jedoch auch diese war am 20. Juni 2014 bereits verstrichen, das Zwangsgeld von 500 € somit verwirkt. Mit Bescheid vom 20. Juni 2014 war zugleich unter Festsetzung eines nunmehr auf 1.000 € erhöhten Zwangsgeldes eine neue Vorlagefrist gesetzt worden. Nunmehr sollte das Fahrtenbuch bis zum 30. Juni 2014 zur Überprüfung vorgelegt werden. Auch diese Frist verstrich erfolglos.

32

Das Gericht hat keine Bedenken dahingehend, dass die jeweilig verfügten fristgebundenen Vorlagepflichten selbstständig vollstreckbare Verwaltungsakte sind. Die Vorlagepflicht ist gesetzlich ausdrücklich in § 31a Abs. 3 Buchst. a StVZO genannt. Hintergrund ist, dass nur eine regelmäßige Vorlageverpflichtung sicherstellt, dass das Fahrtenbuch auch ordnungsgemäß geführt wird und deshalb seinen Zweck erfüllen kann, fortgesetzt den Fahrer des Fahrzeuges für Dritte sicher erkennbar auszuweisen. Andernfalls könnte nicht verhindert werden, dass sich erst nach Ablauf der gesetzten Führungspflicht erweist, dass das Fahrtenbuch gar nicht oder nicht ordnungsgemäß geführt wurde und deshalb seiner Aufgabe nicht gerecht werden konnte.

33

2. Aufgrund der Vorlage des offenbar ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs am 21. Juli 2014 ist jedoch der Zweck der Vollstreckung der Vorlagepflicht mittels Zwangsgeldfestsetzungen erreicht worden. Daraus ergibt sich ein Vollstreckungshindernis nach § 28 Abs. 1 Nr. 4 HmbVwVG, das zur Rechtswidrigkeit der Zahlungsaufforderungen, die Gegenstand der angefochtenen Verwirkungsbescheide sind, führt, da die Beklagte ab diesem Zeitpunkt die beiden verwirkten Zwangsgelder nicht mehr beitreiben durfte.

34

a. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwirkungsbescheids ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts, wenn das Vollstreckungsverfahren noch nicht durch Zahlung des streitbefangenen Zwangsgeldes beendet wurde (BVerwG, Urteil vom 14.3.2006, 1 C 11/05, juris Rn. 8, zum VwVG des Bundes, daher der unterschiedliche Gebrauch des Begriffs der Festsetzung, der in Hamburg in etwa dem Begriff der Verwirkung entspräche; im Anschluss entsprechend VG Hamburg, Beschluss vom 9.10.2008, 4 E 2556/08, juris Rn. 8). Dies bedeutet, dass hier die Entwicklung der Sach- und Rechtslage bis zur Entscheidung durch die Kammer zu berücksichtigen ist, so dass die Befolgung der Fahrtenbuchauflage durch Vorlage am 21. Juli 2014 zweifellos noch rechtlich beachtlich ist.

35

Aus § 28 Abs. 1 Nr. 4 HmbVwVG folgt, dass die Vollstreckung unter anderem dann einzustellen ist, wenn der Zweck der Vollstreckung erreicht wurde. Entsprechend sieht § 14 Abs. 3 S. 2 HmbVwVG vor, dass aufgrund einer Zwangsgeldfestsetzung von dem Zeitpunkt an nicht mehr vollstreckt werden darf, zu dem der Zweck der Vollstreckung erreicht ist. Nach der Systematik des Gesetzes betrifft letztgenannte Spezialvorschrift für das Zwangsmittel Zwangsgeld allerdings lediglich den Zeitraum zwischen Festsetzung des Zwangsgeldes und Erlass des Verwirkungsbescheides. Ist dieser bereits rechtmäßig erlassen worden, kommt nur die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 28 Abs. 1 HmbVwVG in Betracht(vgl. Bürgerschafts-Drucksache 20/4579, S. 25).

36

Die nicht im Ermessen stehende Pflicht der Beklagten zur Einstellung eines Vollstreckungsverfahrens führt zur Rechtswidrigkeit eines noch nicht bestandskräftigen Verwirkungsbescheids (vgl. entsprechend Hess. VGH, Beschluss vom 2.9.2004, 6 TG 1549/04, juris Rn. 6; VG Frankfurt, Beschluss vom 19.11.2004, 9 G 2300/04, juris Rn. 8), da eine Pflicht, das Zwangsgeld zu bezahlen, für diesen Fall entfällt. Aufzuheben ist der Verwirkungsbescheid auch bei erst nachträglich eintretender Rechtswidrigkeit von Anbeginn an, „ex tunc“, da eine Zahlungspflicht nicht „in der Zeit geteilt“ werden kann (vgl. dazu BVerwGE, Urteil vom 4.10.2012, 1 C 13/11, BVerwGE 144, 230 ff., juris Rn. 21 ff.).

37

b. Durch die Vorlage des ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs der Klägerin erst nach Ablauf der hierfür gesetzten Fristen wurde gleichwohl der Zweck der Vollstreckung erreicht. Dies folgt aus der Akzessorietät der Vorlagepflicht zur Führungspflicht. Zweck der Vollstreckung einer mit der Fahrtenbuchauflage zusammen angeordneten fristgebundenen Vorlagepflicht ist allein die ordnungsgemäße Führung des Fahrtenbuchs. An der fristgemäßen, nicht anlassbezogenen Vorlage selbst besteht nur ein mittelbares Interesse der Behörde, nämlich hierdurch die Möglichkeit zu erhalten, rechtzeitig vor Ablauf der Führungspflicht prüfen zu können, ob das Fahrtenbuch tatsächlich ordnungsgemäß geführt ist. Ist dies nicht der Fall, kann wenigstens noch für die Zukunft auf eine ordnungsgemäße Führung hingewirkt werden. Ein originäres Interesse an der Vorlage eines Fahrtenbuchs nur zur Prüfungszwecken besteht nicht, erst recht nicht an der Wahrung der für die Vorlage gesetzten konkreten Fristen. Dies besteht erst dann, wenn das Fahrtenbuch anlassbezogen wegen eines Verkehrsdelikts zur Fahrerermittlung vorgelegt werden soll. Deshalb ist bei ordnungsgemäß geführtem Fahrtenbuch auch ohne Bedeutung, wenn eine versäumte Regelvorlage erst dann nachgeholt wird, wenn das Fahrtenbuch schon hätte erneut vorgelegt werden müssen. Trotz Versäumung einer Vorlagefrist kann immer noch festgestellt werden, dass ein Fahrtenbuch von Anbeginn an ordnungsgemäß geführt wurde. Aufgrund der Feststellung der Beklagten, dass dies hier offenbar der Fall war, ist deshalb der Zweck der Vollstreckung erreicht worden, wohl auch gerade vor dem Hintergrund der Bedrohung durch erhebliche Zwangsgeldzahlungen.

38

c. Anders, als die Beklagte meint, kann eine fortbestehende Zahlungspflicht der Klägerin auch nicht daraus folgen, dass die Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 2 HmbVwVG, der seinem Wortlaut nach nur für Duldungs- oder Unterlassungspflichten gilt, auch analog auf nicht fristgemäß erfüllte Handlungspflichten anzuwenden ist. Denn insoweit besteht im Gesetz weder eine planwidrige Regelungslücke, noch ist die Interessenlage vergleichbar (so entsprechend zum vergleichbaren bayerischen Recht bereits BayVGH, Beschluss vom 10.10.1991, 7 CS 91.2523, BayVBl. 1992, 22).

39

aa. Der in Hamburg neu eingefügte § 28 Abs. 2 HmbVwVG regelt den Fall, dass ein festgesetztes Zwangsgeld auch dann noch beigetrieben werden soll, wenn einer Duldungs- oder Unterlassungspflicht zuwider gehandelt wurde, deren Erfüllung durch die Festsetzung erreicht werden sollte. Bei seiner Formulierung konnte auf vergleichbare bestehende Vorschriften im Verwaltungsvollstreckungsrecht anderer Bundesländer zurückgegriffen werden (Art. 37 Abs. 4 S. 2 Halbsatz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz; § 60 Abs. 3 S. 2 Teilsatz 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen).

40

Die Norm geht auf den Gedanken zurück, dass das Zwangsgeld zur Erzwingung einer Unterlassung ein „stumpfes Schwert“ wäre, wenn es nicht nachträglich noch beigetrieben werden könnte. In Bayern und Nordrhein-Westfalen wurde die Regelung bereits früher eingeführt, weil die Androhung eines Zwangsgeldes gerade bei kurz befristeten Unterlassungsgeboten, insbesondere Wohnungsverweisungen, ansonsten praktisch wirkungslos sei, weil nahezu risikolos gegen das Unterlassungsgebot verstoßen werden könne (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9.2.2012, 5 A 2152/10, juris Rn. 33). Noch unabweisbarer sei das Zwangsgeld als Druckmittel in Fällen, in denen ein Unterlassungsgebot durch einen Verstoß gegenstandslos werde, zum Beispiel beim Abriss eines denkmalgeschützten Hauses, so dass der Betroffene die Fortgeltung der Unterlassungspflicht durch rechtswidriges Verhalten selbst beenden könne (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9.2.2012, 5 A 2152/10, juris Rn. 35). In anderen Fällen würde die Zwangsgeldandrohung als psychologisches Druckmittel versagen, wenn der Pflichtige die berechtigte Erwartung haben könnte, einer Zwangsmittelbeitreibung im Falle bloßen Abbruchs der auf Dauer verbotenen Zuwiderhandlung vor der tatsächlichen Vollstreckung nicht mehr ausgesetzt zu sein (VG Ansbach, Beschluss vom 24.11.2009, AN 4 E 09.01669, juris Rn. 22). Er könne dann folgenlos die Früchte aus dem verbotenen Handeln ziehen und dieses ggf. nach Einstellung der Zwangsvollstreckung wieder fortsetzen. Der Vorschrift wird deshalb zur Durchsetzung von Verboten eine zumindest mittelbare Beugefunktion beigemessen, die es von einer repressiven Sanktion unterscheide (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9.2.2012, 5 A 2152/10, juris Rn. 37 f.; vgl. auch OVG Saarland, Urteil vom 27.11.2001, 2 R 9/00, NVwZ-RR 2003, 87 f., juris Rn. 30; App, Jus 2004, 786 [791]). Zudem wird darauf hingewiesen, dass gerade Zuwiderhandlungen gegen ein Verbot durch eine aktive Handlung einen Willen zu nicht rechtstreuem Verhalten dokumentierten (VG Ansbach, Beschluss vom 24.11.2009, AN 4 E 09.01669, juris Rn. 22) und deshalb einen besonderen Unwertgehalt hätten.

41

Auch in der Begründung des neuen § 28 Abs. 2 HmbVwVG wird darauf hingewiesen, dass für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung wegen Erledigung kein Anlass bestehe, wenn die pflichtige Person die Erledigung selbst herbeigeführt habe, indem sie gegen das Gebot zum Beispiel durch Fällen eines Baumes oder Abriss eines Gebäudes selbst verstoßen habe. Zwar seien dann weitere Verstöße zwangsläufig nicht mehr zu erwarten, da sie unmöglich geworden seien. Ohne die Möglichkeit der Beitreibung könne das Zwangsgeld in solchen Fällen seinem Beugecharakter aber kaum gerecht werden, wenn sich die pflichtige Person durch bloßes Zuwiderhandeln von ihrer Pflicht befreien könne, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen (Bürgerschafts-Drucksache 20/4579, S. 32).

42

Letztlich dürfte der Rechtsgedanke des § 28 Abs. 2 HmbVwVG dem Zwangsvollstreckungsrecht der ZPO entstammen. Dort kann im Gegensatz zum Zwangsgeld für nicht vertretbare Handlungen (§ 888 ZPO) ein Ordnungsgeld gem. § 890 ZPO angeordnet werden, wenn einer Duldungs- oder Unterlassungspflicht zuwider gehandelt wird(vgl. App/Wetlaufer, Praxishandbuch Verwaltungsvollstreckungsrecht, 5. Auflage 2011, § 37 Rn. 26, und Troidl in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, § 15 VwVG Rn. 14).

43

Diese gesetzliche Verschiedenbehandlung von Verstößen gegen Gebote und Verstößen gegen Verbote unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (so aber Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 15 VwVG Rn. 64), da es hierfür hinreichende sachliche Gründe gibt (vgl. zu den § 28 Abs. 2 HmbVwVG entsprechenden landesgesetzlichen Normen anderer Bundesländer z.B. BayVGH, Beschluss vom 5.10.2006, 14 ZB 06.1133, juris Rn. 5; VG Ansbach, Beschluss vom 24.11.2009, AN 4 E 09.01669, juris Rn. 22; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9.2.2012, 5 A 2152/10, juris Rn. 31 ff.). Eine entsprechende Praxis in Bundesländern ohne vergleichbar konkrete gesetzliche Grundlage ist allerdings im Hinblick auf die bloße Beugefunktion des Zwangsgeldes hoch umstritten (kritisch Nieds. OVG, Beschluss vom 23.4.2009, 11 ME 478/08, juris Rn. 40 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.3.1996, 1 S 2856/95, juris Rn. 16 ff.; so auch Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 15 VwVG Rn. 44 ff.; a. A. aber OVG Saarland, Urteil vom 27.11.2001, 2 R 9/00, NVwZ-RR 2003, 87 f., juris Rn. 29 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.3.1998, 2 L 60/95, Leitsatz in juris; Troidl in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, § 15 VwVG Rn. 14; App, Jus 2004, 786 [791]).

44

bb. Gegen die von der Beklagten geforderte analoge Anwendung der Regelung des § 28 Abs. 2 HmbVwVfG auch auf Handlungspflichten, gegen die bereits aufgrund des für die Eingriffsverwaltung geltenden Gesetzesvorbehalts verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden könnten(vgl. z.B. entsprechend zum Besoldungsrecht BVerwG, Urteil vom 27.3.2014, 2 C 2/13, juris Rn. 22, und zum Abgaben- und Gebührenrecht BVerwG, Urteil vom 24.3.1999, 8 C 27/97, BVerwGE 108, 364 ff., juris Rn. 18), spricht jedenfalls, dass eine planwidrige Regelungslücke (vgl. zuletzt hierzu BVerwG, Urteil vom 17.7.2014, 5 C 20/13, juris Rn. 16 f., 27 ff.) nicht ersichtlich ist.

45

Die Vorschrift ist gerade zweieinhalb Jahre alt und wurde unter Beteiligung der hiervon betroffenen Fachkreise in das neue Verwaltungsvollstreckungsgesetz aufgenommen. Ihr Wortlaut ist eindeutig und schließt – im Umkehrschluss – die Anwendung auf Handlungspflichten aus. Auch spricht die Gesetzgebungsgeschichte dagegen, dass die Formulierung der Vorschrift lediglich auf einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers beruhen könnte und die Handlungspflichten einfach vergessen wurden. Angesichts der Vielzahl öffentlich-rechtlicher Handlungspflichten kann deren Vollstreckung nicht aus dem Blick geraten sein. Die Hamburger Regelung entspricht, wie oben ausgeführt, außerdem wörtlich dem Landesrecht anderer Bundesländer. Die nachträgliche Beitreibung von Zwangsgeldern nach einem Verstoß gegen Handlungspflichten wird dort gerade nicht praktiziert.

46

Schließlich deutet auch nichts darauf hin, dass die Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 2 HmbVwVG lediglich exemplarisch die Zuwiderhandlung gegen Duldungs- oder Unterlassungspflicht nennt, der Behörde zugleich aber die Möglichkeit belassen will, auch bei Verstößen gegen Handlungspflichten nach allgemeinen Grundsätzen ein Zwangsgeld noch nach der Zweckerreichung beizutreiben.

47

cc. Ferner stünde einer analogen Anwendung des § 28 Abs. 2 HmbVwVG auch auf Handlungspflichten entgegen, dass es gute Gründe dafür gibt, diese Ausnahmevorschrift nur auf Verstöße gegen Unterlassungspflichten und nicht auch auf solche gegen Handlungspflichten anzuwenden. Denn auf Handlungspflichten sind allenfalls wenige Gesichtspunkte anwendbar, die für eine nachgehende Beitreibung des Zwangsgeldes bei Verstoß gegen Unterlassungspflichten sprechen. Angesichts des Umstandes, dass das Zwangsgeld ein Beugemittel zum Erzwingen einer Handlung oder eines Unterlassens ist, aber keine Sanktion für den Verstoß gegen eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, gäbe es keinen hinreichenden Anlass, auch bei Verstößen gegen Handlungspflichten generell die nachträgliche Beitreibung eines Zwangsgeldes zuzulassen.

48

Vom Grundsatz her sind Verstöße gegen Unterlassungspflichten dadurch gekennzeichnet, dass regelmäßig durch absichtliches Handeln verstoßen wird, während bei Verstößen gegen Handlungspflichten eine Vielzahl von Ursachen denkbar ist, welche vom absichtlichen Unterlassen bis zu bloßer Ignoranz, Problemverdrängung oder sogar Verhinderung und Unmöglichkeit reichen. Auch ist kaum denkbar, dass der einmalige oder kurzfristige Verstoß gegen eine Handlungspflicht als solcher bereits geeignet ist, aktiv die Erledigung der Handlungspflicht herbeizuführen.

49

Übrig dürfte für eine vergleichbare Interessenlage deshalb lediglich der Fall bleiben, in dem eine Handlungspflicht binnen so kurzer Zeit befolgt werden muss, dass eine Beitreibung eines Zwangsgelds vor der Erledigung des Bedarfs an der geforderten Handlung faktisch nicht möglich ist (vgl. dazu insbesondere Troidl in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, § 15 VwVG Rn. 14). Für diesen Fall könnte das Wissen darum, dass bei Verstoß gegen die Handlungspflicht das Zwangsgeld in jedem Fall zu zahlen ist, die Bereitschaft zu pflichtgemäßem Verhalten sicherlich steigern.

50

Speziell bei Fahrtenbuchauflagen wird dies jedoch regelmäßig kein unlösbares Problem darstellen, da diese für Zeiträume von mindestens 6 Monaten verfügt werden und die erste Vorlage bereits bald nach Beginn der Führungspflicht stattfinden kann. Wird das Fahrtenbuch dann nicht fristgemäß vorgelegt, bleibt bis zum Ablauf der für die Führung des Fahrtenbuchs gesetzten Frist meist ausreichend Zeit, die Vorlage durch Beitreibung eines Zwangsgelds zu erwirken. Auch lässt die übliche Dauer einer Fahrtenbuchauflage es regelmäßig zu, dass bei Nichtbefolgung der Führungs- oder Vorlagepflicht wiederholte erhöhte Zwangsgelder festgesetzt und beigetrieben werden, um den Pflichtigen zur Befolgung seiner Handlungspflichten zu zwingen.

51

Sollte im Einzelfall die für eine Zwangsvollstreckung mittels Zwangsgelds nötige Zeit bis zum Ablauf der Fahrtenbuchauflage nicht vorhanden sein, macht auch dies die Behörde nicht handlungsunfähig. Insoweit ist zu bedenken, dass diese Schwäche des Zwangsgelds, welches als Zwangsmittel zur Durchsetzung unvertretbarer Handlungen – mit Ausnahme der Erzwingungshaft als ultima ratio –, alternativlos ist, durch Maßnahmen außerhalb des Zwangsvollstreckungsrechts ausgeglichen werden kann. Speziell im Bereich der Fahrtenbuchauflagen gilt, dass jeder Verstoß gegen die Vorlagepflicht eine Ordnungswidrigkeit darstellt und eine Geldbuße von 100 € nach sich zieht (Nr. 190 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV). Allein ein deutlicher Hinweis hierauf dürfte die meisten betroffenen Kraftfahrzeughalter veranlassen, das Fahrtenbuch ordentlich zu führen und zu den festgesetzten Terminen vorzulegen, da sich die Geldbußen nicht durch nachträgliche Vorlage des Fahrtenbuchs erledigen. Zudem ist zu erwägen, jenen Zeitraum, über den das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt worden ist, der vorab bestimmten Auflagendauer nachträglich hinzuzufügen (vgl. z.B. BayVGH, Beschluss vom 20.7.2009, 11 CS 09.1258, juris Rn. 18). In diesem Fall könnte der betroffene Kraftfahrzeughalter aus einer zeitweisen Verweigerung, das Fahrtenbuch ordnungsgemäß zu führen, keinen Vorteil ziehen.

III.

52

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

53

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

54

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten bereits im Widerspruchsverfahren war angesichts der rechtlichen Schwierigkeit der Sache erforderlich (§ 162 Abs. 2 S. 2 VwGO).

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Tenor Der Antrag des Antragstellers wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.137,50 € festgesetzt. Gründe I. 1 Der Antragsteller wendet sich im Rahmen des einstweiligen Rechts

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(1) Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen.

(2) Der Fahrzeughalter oder sein Beauftragter hat in dem Fahrtenbuch für ein bestimmtes Fahrzeug und für jede einzelne Fahrt

1.
vor deren Beginn
a)
Name, Vorname und Anschrift des Fahrzeugführers,
b)
amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs,
c)
Datum und Uhrzeit des Beginns der Fahrt und
2.
nach deren Beendigung unverzüglich Datum und Uhrzeit mit Unterschrift einzutragen.

(3) Der Fahrzeughalter hat

a)
der das Fahrtenbuch anordnenden oder der von ihr bestimmten Stelle oder
b)
sonst zuständigen Personen
das Fahrtenbuch auf Verlangen jederzeit an dem von der anordnenden Stelle festgelegten Ort zur Prüfung auszuhändigen und es sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, aufzubewahren.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8.4.2014 – 5 L 440/14 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 85,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer des mit einem mehrstöckigen Gebäude bebauten Anwesens E.-Straße 47 – 49 in A-Stadt (Parzelle Nr. 24/24 in Flur 7 der Gemarkung A-Stadt).

Nachdem es seit März 2012 zu massiven Beschwerden von Bewohnern im Obergeschoss des Hauses wegen Belästigungen durch eine – genehmigte(vgl. den Bauschein der Antragsgegnerin vom 31.3.2011 – Nr. 20100945 –betreffend die entsprechende Umnutzung des Ladenlokals im Haus 45-47, wobei nach den darin in Bezug genommenen Auflagen des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz vom 20.12.2010 durch den Betrieb der Spielhalle bei Geräuschübertragungen innerhalb des Gebäudes die Richtwerte in fremden Wohnräumen von 35 dB(A) am Tag und 25 dB(A) in der Nacht nicht überschritten werden dürfen) – Spielhalle gekommen war, gab die Antragsgegnerin den Antragstellern mit Bescheid vom 21.2.2013 unter anderem mit dem Hinweis auf bisher erfolglose Schlichtungsversuche und die fehlende Erkennbarkeit eines Willens zur dauerhaften und angemessenen Beseitigung des Problems sowie konkrete Gesundheitsgefährdungen unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auf,

„für die Räume der Spielhallen in der E.-Str. 45 – 47, 66 A-Stadt den Nachweis der Einhaltung der bautechnischen Anforderungen an den Schallschutz gem. DIN 4109 zu erbringen und dabei insbesondere die Anforderungen der DIN 4109 zu Räumen mit erhöhter Schutzbedürftigkeit zu beachten“.

In der Begründung wurde auf die nach einem Hinweis im Bauschein zu beachtenden eingeführten technischen Baubestimmungen (§ 3 Abs. 1 LBO 2004) verwiesen. Weiter heißt es dort unter anderem, die „Erbringung des Schallschutznachweises“ sei als mildestes Mittel behördlichen Handelns einzuordnen. Durch die Anordnung würden die Antragsteller als Eigentümer angehalten, die ihnen obliegenden Pflichten zur Einhaltung der einschlägigen Schallschutzbestimmungen zu überprüfen „und gegebenenfalls nachzubessern“. Daher sei dieses Mittel geeignet, eine erhebliche Beeinträchtigung geschützter Rechtsgüter Dritter zu beenden.

Für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung bis zum18.4.2013 drohte die Antragsgegnerin den Antragstellern ein Zwangsgeld in Höhe von 900,- EUR an.

Die Antragsteller haben dagegen Widerspruch erhoben und zu dessen Begründung auf verschiedene ihrerseits getroffene beziehungsweise veranlasste Maßnahmen und weitere Bemühungen gegenüber dem Betreiber der Spielhalle hingewiesen.(vgl. den Widerspruch vom 28.3.2013 und das Begründungsschrieben vom 16.4.2013)

Unter dem 2.1.2014 setzte die Antragsgegnerin unter Verweis auf die Nichtbefolgung der Anordnung zur Vorlage des geforderten Schallschutznachweises ein Zwangsgeld in Höhe von 700,- EUR gegen die Antragsteller fest. Gleichzeitig wurde unter Fristsetzung zum 27.2.2014 für die Vorlage des geforderten Nachweises ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- EUR angedroht und aufschiebend bedingt festgesetzt.

Gegen die ihnen am 7.1.2014 zugestellte Festsetzung erhoben die Antragsteller mit Eingang vom 6.2.2014 ebenfalls Widerspruch. Im März 2014 beantragten die Antragsteller, die Vollstreckung des festgesetzten Zwangsgeldes auszusetzen. Zur Begründung verwiesen sie auf einen im Februar 2014 erteilten Auftrag an die Firma PAN AKUSTIK GmbH (Blieskastel) zur Erstellung des Nachweises der Einhaltung der bautechnischen Anforderungen an den Schallschutz gem. DIN 4109.

Nachdem die Antragsgegnerin dies abgelehnt hatte,(vgl. das Schreiben vom 19.3.2014 – 20130100 –) beantragten die Antragsteller beim Verwaltungsgericht,

„die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs … gegen den Bescheid über die Zwangsgeldfestsetzung und Androhung eines weiteren Zwangsgeldes vom 6.1.2014 anzuordnen.“

Hierüber hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden. Einen gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung des Zwangsgeldes bis zur Entscheidung in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, hat das Verwaltungsgericht hingegen zurückgewiesen.

Gegen diese Zwischenentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 8.4.2014 – 5 L 440/14 – ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat darin den Erlass der von den Antragstellern begehrten Zwischenregelung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Aussetzungsantrag (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) zu Recht abgelehnt. Das den Prüfungsumfang auch in derartigen Beschwerdeverfahren entsprechend § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO begrenzende Beschwerdevorbringen der Antragsteller gebietet keine abweichende Entscheidung.

Nach der Rechtsprechung des Senats sind derartige Zwischenregelungen in Aussetzungsverfahren unter unmittelbarem Rückgriff auf die Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG nur sachgerecht, wenn eine offensichtliche Aussichtslosigkeit des Begehrens im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht feststellbar ist und zusätzlich befürchtet werden muss, dass bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über dieses Begehren – hier im Verfahren 5 L 440/14 – „vollendete Tatsachen“ geschaffen werden.(vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 18.1.2013 – 2 B 7/13 –, SKZ 2013, 166, Leitsatz Nr. 18 = NVwZ-RR 2013, 356, und – grundlegend – vom 15.12.1992 – 2 W 36/92 -, BRS 54 Nr. 165) Ersteres erscheint bereits sehr zweifelhaft, zumindest letzteres ist nicht erkennbar.

Das Verwaltungsgericht hat insoweit in dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Senats bei einer in Verfahren auf Anordnung der nach den §§ 80 Abs. 2 VwGO, 20 AGVwGO bei Rechtsbehelfen gegen im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung ergehende Verwaltungsakte – hier konkret die Androhung beziehungsweise Festsetzung von Zwangsgeldern (§§ 19, 20 SVwVG) – jedenfalls in Fällen offener Erfolgsaussicht in der Hauptsache gebotenen Interessenabwägung eine Aussetzungsentscheidung mit Blick auf den nur vorübergehenden Verlust der Dispositionsmöglichkeiten des Vollstreckungsschuldners hinsichtlich des Betrags des Zwangsgeldes „eher nicht in Betracht“ komme. Diese Erwägungen müssen für die hier zu treffende Entscheidung über lediglich eine Zwischenregelung für das Eilrechtsschutzverfahren mit absehbar deutlich geringerer Dauer als der Anfechtungsstreit in der Hauptsache erst recht gelten. Eine solche Regelung unter Rückgriff auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) kommt daher allenfalls in Fällen in Betracht, in denen bereits der vergleichsweise kurzfristige Verlust des Geldbetrages bei dem Pflichtigen (§ 15 SVwVG) zu einem irreparablen Schaden führt. Das kann angesichts der hier zur Rede stehenden Beträge nicht angenommen werden und wird so von den Antragstellern auch im Beschwerdeverfahren nicht einmal geltend gemacht. Bereits deswegen kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Soweit die Antragsteller im Beschwerdeverfahren erneut das Nichtvorliegen der allgemeinen Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung beziehungsweise das Fehlen eines vollziehbaren Grundverwaltungsakts im Sinne des § 18 Abs. 1 SVwVG reklamieren, ist daher lediglich ergänzend auf Folgendes hinzuweisen: Zu vollstreckender Grundverwaltungsakt ist die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.2.2013 unter I. getroffene Anordnung zur Vorlage der dort näher bezeichneten bautechnischen Unterlagen. Dieser Verwaltungsakt ist auch im Sinne des § 18 Abs. 1 SVwVG vollstreckbar, nachdem die Antragsgegnerin insoweit in dieser Verfügung nach Maßgabe des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO deren sofortige Vollziehbarkeit angeordnet hat. Die Vollstreckbarkeit ist auch nicht nachträglich entfallen. Die Antragsteller haben zwar möglicherweise auch dagegen bereits im März 2013 Widerspruch erhoben. Diesem Rechtsbehelf kommt allerdings kein Suspensiveffekt zu, da insoweit bisher eine behördliche Aussetzungsentscheidung nach Maßgabe des § 80 Abs. 4 VwGO nicht getroffen und die aufschiebende Wirkung auch nicht nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Verwaltungsgericht wiederhergestellt worden ist. Letztlich bezieht sich zumindest der dort anhängige Aussetzungsantrag – wohl bedingt durch die Verkennung dieses rechtlichen Zusammenhangs – nur auf Androhungen und Festsetzungen der Zwangsgelder beziehungsweise auf die dagegen gerichteten Rechtsbehelfe, bezüglich derer die „Anordnung“ der aufschiebenden Wirkung begehrt wird. Die Frage der materiellen inhaltlichen Rechtmäßigkeit eines sofort vollziehbaren Grundverwaltungsakts erlangt vollstreckungsrechtlich hingegen in aller Regel keine Bedeutung. Das ergibt sich ohne weiteres aus dem die Voraussetzungen für die Anwendung des Verwaltungszwangs insoweit regelnden § 18 Abs. 1 SVwVG. Soweit die Antragsteller im Rahmen des Aussetzungsverfahrens eine „rechtsfehlerhafte Anordnung der sofortigen Vollziehung“ geltend machen, wäre das Gegenstand eines entsprechenden (eigenen) Aussetzungsbegehrens auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Vor dessen Erfolg bleibt es vollstreckungsrechtlich bei der Vollziehbarkeit. Auf die Darlegungen der Beteiligten zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Sofortvollzugsanordnung kommt es insoweit nicht an.

Darüber hinaus unterliegt keinen Zweifeln und wird auch von den Antragstellern letztlich nicht einmal eingewandt, dass im Zeitpunkt der Festsetzung des – im Vergleich zur Androhung betragsmäßig reduzierten – Zwangsgeldes von 700,- EUR und der Androhung eines weiteren Zwangsgeldes im Januar 2014 die vollziehbare Verpflichtung zur Vorlage der geforderten Unterlagen von den Antragstellern nicht, nicht einmal teilweise, erfüllt worden war (§ 20 Abs. 1 SVwVG). Ob und inwieweit den in der Antragsschrift geschilderten, sicherlich gravierenden gesundheitlichen Problemen des Antragsstellers im Zusammenhang mit der Nichtvorlage der von ihm letztlich nicht persönlich zu fertigenden Nachweise vollstreckungsrechtlich Bedeutung zukommen kann, bedarf jedenfalls hier keiner Vertiefung. Die Möglichkeit der von der Antragsgegnerin getroffenen gleichzeitigen aufschiebend bedingten Festsetzung des weiteren Zwangsgeldes (1.000,- EUR) sieht der § 20 Abs. 2 SVwVG – sogar in Kombination mit dem Grundverwaltungsakt – ausdrücklich vor. Die allein am Maßstab der §§ 13 ff. SVwVG zu beurteilende Rechtmäßigkeit dieser Vollstreckungsverwaltungsakte unterliegt daher zumindest insoweit keinen ernsthaften Zweifeln. Die nach dem neuesten Vortrag der Antragsteller beziehungsweise ihrem Verweis auf eine zwischenzeitliche Vorlage eines Schallschutznachweises nach DIN 4109 „für den Umbau eines Gebäudes in Skelettbauweise“ geltend gemachte zwischenzeitliche Befolgung könnte deswegen allenfalls im Rahmen der Geltendmachung eines Anspruchs auf Vollstreckungsschutz gegen die Vollsteckungsbehörde auf Einstellung weiterer, noch nicht umgesetzter Vollstreckungsmaßnahmen, hier der Beitreibung der festgesetzten Zwangsgelder wegen „Zweckerreichung“, auf der Grundlage des § 10 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 SVwVG Bedeutung erlangen. Inwieweit in dem Zusammenhang vom vollstreckungsrechtlich formalisierten Ansatz her – in der ein oder anderen Richtung – eine Prüfung der von der Antragsgegnerin verneinten inhaltlichen Qualität oder Tauglichkeit dieses Nachweise geboten ist, mag hier dahinstehen. Für die beantragte Zwischenregelung, die im Übrigen den vorliegend „zur Hauptsache“ im Aussetzungsverfahren von den Antragstellern bestimmten Streitgegenstand nicht überschreiten kann, muss dem nicht nachgegangen werden. Die in der Beschwerdebegründung weiter aufgeworfene Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens eines „überwiegenden Vollziehungsinteresses“ ist Gegenstand des im Streit um die Zwischenregelung nicht vorwegzunehmenden, beim Verwaltungsgericht anhängigen Aussetzungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, 100 ZPO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 GKG. Für Verfahren betreffend Zwischenregelungen im Bereich des Eilrechtsschutzes ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Zehntel des hier in Anlehnung an die Ziffern 1.5 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013) zu bestimmenden Streitwerts des Verfahrens im vorläufigen Rechtsschutz in Ansatz zu bringen.(vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 29.3.2007 – 2 B 144/07 –, m.w.N., für den baurechtlichen Nachbarstreit)

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.

(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.

(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.

(1) Das Zwangsmittel wird der Festsetzung gemäß angewendet.

(2) Leistet der Pflichtige bei der Ersatzvornahme oder bei unmittelbarem Zwang Widerstand, so kann dieser mit Gewalt gebrochen werden. Die Polizei hat auf Verlangen der Vollzugsbehörde Amtshilfe zu leisten.

(3) Der Vollzug ist einzustellen, sobald sein Zweck erreicht ist.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Höhe des kinderbezogenen Familienzuschlags bei geschiedenen Beamten, deren Kind bei beiden Eltern zu gleichen Anteilen im wöchentlichen Wechsel wohnt.

2

Der 1974 geborene Kläger ist Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A 10) im Dienst des Beklagten. Er ist Vater eines im Jahr 2004 geborenen ehelichen Kindes. Die Ehe ist seit Juli 2010 rechtskräftig geschieden, der Kläger ist seiner geschiedenen Ehefrau nicht zum Unterhalt verpflichtet. Beide wohnen in derselben Kleinstadt. Nach einer notariell beglaubigten Vereinbarung üben die Eltern das Sorgerecht gemeinsam aus. Der Aufenthalt erfolgt im wöchentlichen Wechsel: In den geraden Wochen ist die Tochter beim Kläger - wo sie auch gemeldet ist -, in den ungeraden Wochen hält sie sich bei ihrer Mutter auf, die als Bundesbeamtin beschäftigt ist. Der Kindesunterhalt wird durch die jeweilige Betreuung und die damit verbundenen Sach- und Arbeitsleistungen erbracht, das Kindergeld wird der Mutter ausbezahlt.

3

Seit August 2010 wird dem Kläger der ehegattenbezogene Anteil des Familienzuschlags nicht mehr gewährt. Er erhält aber - ebenso wie seine geschiedene Ehefrau - wegen der anteiligen Kinderbetreuung den Familienzuschlag der Stufe 1 zur Hälfte. Den auf volle Zahlung des kinderbezogenen Zuschlags gerichteten Antrag lehnte der Beklagte ab.

4

Nach erfolglosem Widerspruch hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, dem Kläger den vollen Familienzuschlag der Stufe 1 ab August 2010 zu gewähren. Die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine anteilige Kürzung des Familienzuschlags sehe das Gesetz nur im Falle der von mehreren Anspruchsberechtigten gemeinsam bewohnten Wohnung vor. Eine analoge Anwendung der Kürzungsbestimmungen komme nicht in Betracht. Weder liege die hierfür erforderliche planwidrige Lücke vor noch sei die Kostensituation des praktizierten "Wechselmodells" mit derjenigen einer gemeinsamen Wohnung vergleichbar.

5

Mit der Revision beantragt der Beklagte,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. Dezember 2012 und des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 10. Januar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Es hat den Beklagten vielmehr zu Recht verpflichtet, den vollen Familienzuschlag der Stufe 1 auch nach dem 1. August 2010 weiter zu gewähren. Der Kläger erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für eine volle Zuschlagsgewährung (1.). Die Bestimmungen zur anteiligen Zuschlagsgewährung sind nicht einschlägig und können auch im Wege einer analogen Anwendung nicht herangezogen werden (2.).

8

1. Rechtsgrundlage für den Anspruch im Zeitraum von 1. August 2010 bis zum 31. März 2011 sind §§ 39 Abs. 1, 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2006 (BGBl I S. 1466). Diese Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes galten durch die in § 1 Abs. 2 Satz 1 LBesG Sachsen-Anhalt in der Fassung des Gesetzes vom 25. Juli 2007 (GVBl LSA S. 236) enthaltene Verweisung auch nach der Einführung der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für die Besoldung der Beamten in Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I S. 2034) als Landesrecht fort.

9

Seit dem 1. April 2011 enthält § 38 Abs. 2 LBesG Sachsen-Anhalt in der Fassung des Gesetzes vom 8. Februar 2011 (GVBl LSA S. 68) eine eigenständige Regelung des Familienzuschlagsrechts, die § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG a.F. mit Ausnahme einer sprachlichen Berücksichtigung der weiblichen Form wörtlich entspricht.

10

a) Danach erhalten die nicht von § 40 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BBesG a.F. bzw. § 38 Abs. 2 Satz 1 LBesG erfassten Beamten den Familienzuschlag der Stufe 1, die eine andere Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben und ihr Unterhalt gewähren, weil sie gesetzlich oder sittlich dazu verpflichtet sind oder aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen.

11

b) Der Kläger ist zwar geschieden, seiner früheren Ehefrau aber nicht zum Unterhalt verpflichtet und damit ein anderer Beamter im Sinne der genannten Vorschriften.

12

Er hat das Kind auch "nicht nur vorübergehend" in seine Wohnung aufgenommen. Nicht nur vorübergehend in die Wohnung aufgenommen ist eine andere Person, wenn die Wohnung auch für den Aufgenommenen zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen im Sinne des § 7 BGB wird und es hierdurch zur Bildung einer häuslichen Gemeinschaft kommt (Beschluss vom 12. Dezember 1990 - BVerwG 2 B 116.90 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 22). Ein derartiger Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten bestehen (§ 7 Abs. 2 BGB). Minderjährige Kinder, deren Eltern das gemeinsame Sorgerecht haben, aber getrennt leben, können demnach einen Doppelwohnsitz haben (§ 11 Satz 2 BGB; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1994 - XII ARZ 33/94 - NJW 1995, 1224 sowie BFH, Urteil vom 28. April 2010 - III R 79/08 - NJW 2010, 3263). Daher kann auch die nicht nur vorübergehende Wohnungsaufnahme ausnahmsweise in mehrere Wohnungen erfolgen (vgl. Nr. 40.1.9 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz - BBesGVwV - D II 3 - 221 710/1 sowie bereits Beschluss vom 12. Dezember 1990 a.a.O. Rn. 6). Dies ist nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hier der Fall, weil das Kind zu gleichen Anteilen in den Wohnungen beider Elternteile lebt.

13

Schließlich gewährt der Kläger seiner Tochter auch Unterhalt aufgrund der gesetzlich angeordneten Verpflichtung des § 1601 BGB und nach Maßgabe der zwischen den Eltern getroffenen notariell beglaubigten Vereinbarung, ohne dass die Eigenmittelgrenze aus § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 BBesG a.F. bzw. § 38 Abs. 2 Satz 3 LBesG überschritten wird.

14

2. Nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a.F. bzw. § 38 Abs. 2 Satz 5 LBesG wird der Betrag der Stufe 1 des für den Beamten maßgebenden Familienzuschlages nach der Zahl der Berechtigten nur anteilig gewährt, wenn mehrere Anspruchsberechtigte wegen der Aufnahme einer anderen Person in die gemeinsam bewohnte Wohnung einen Familienzuschlag der Stufe 1 oder eine entsprechende Leistung beanspruchen.

15

a) Die Voraussetzungen dieser Konkurrenzregelung liegen nicht vor, weil der Kläger und seine geschiedene Ehefrau keine gemeinsam bewohnte Wohnung haben. Eine Auslegung, die - wie von der Beklagten vorgeschlagen - dieses Tatbestandsmerkmal ignoriert, würde die Wortlautgrenze überschreiten und sich damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Unübersteigbare Grenze der Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der mögliche Wortsinn der Vorschrift. Jenseits dessen wird trotz des formalen Rekurses auf die Norm nicht mehr die vom Gesetzgeber verantwortete Regelung, sondern ein anderes, durch die Deutung des Gerichts geschaffenes Recht angewendet (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <259> und vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 <209 f.>).

16

b) Die Bestimmungen zur anteiligen Zuschlagsgewährung bei gemeinsamer Wohnung der Zuschlagsberechtigten können auch nicht in analoger Anwendung herangezogen werden.

17

aa) Die analoge Anwendung der von einer Norm angeordneten Rechtsfolge auf Sachverhalte, die dieser Norm nicht unterfallen, setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Der Anwendungsbereich der Norm muss wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig sein. Eine derartige Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (stRspr; vgl. Urteil vom 28. Juni 2012 - BVerwG 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 24).

18

Im Regelungsbereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts sind einer analogen Anwendung aber besonders enge Grenzen gesetzt. Nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums unterliegen Besoldungsleistungen dem Vorbehalt des Gesetzes. Sie dürfen nur zugesprochen werden, wenn und soweit sie gesetzlich vorgesehen sind (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG und § 3 Abs. 1 BeamtVG). Dies gilt auch, wenn die sich aus dem Gesetz ergebende Besoldung verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 1/52 u.a. - BVerfGE 8, 1 <18 f.>; BVerwG, Urteile vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <310> und vom 27. Mai 2010 - BVerwG 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 8 m.w.N. zur stRspr). Die Korrektur verfassungswidriger oder fehlerhafter Besoldungsfestsetzungen ist Aufgabe des Besoldungsgesetzgebers, der dabei einen weiten Spielraum politischen Ermessens hat und das Besoldungsgefüge als Ganzes sowie das Recht der öffentlichen Haushalte in den Blick nehmen muss (Urteil vom 14. Mai 1964 - BVerwG 2 C 133.60 - BVerwGE 18, 293 <295>). Durch die Gesetzesbindung der Besoldung ist es daher auch den Gerichten verwehrt, Beamten eine gesetzlich nicht geregelte Besoldung zu gewähren.

19

Das schließt es zwar nicht generell aus, eine im Besoldungsgesetz versehentlich nicht getroffene Regelung nach dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers im Wege der Analogie zu schließen (Urteil vom 18. November 1982 - BVerwG 6 C 38.78 - Buchholz 235 § 28 BBesG Nr. 7 S. 9 m.w.N.). Grundlage einer auf die analoge Anwendung einer bestehenden Regelung gestützten Gerichtsentscheidung bleibt die gesetzliche Norm. Die Methode der Analogie geht zwar über die Auslegung im engeren Sinne hinaus, weil deren Anwendungsbereich auf einen Fall erstreckt wird, der vom Anwendungsbereich der Norm gerade nicht erfasst ist (BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990 - 1 BvR 1186/89 - BVerfGE 82, 6 <12>; vgl. zur Charakterisierung als "Fortsetzung der Auslegung": Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 366). Die darin liegende Rechtsfortbildung ist aber den Wertungen des Gesetzes entnommen und stellt, sofern die methodischen Grenzen eingehalten sind, keine unzulässige richterliche Eigenmacht dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 <210 f.>; Urteil vom 11. Juli 2012 - 1 BvR 3142/07 u.a. - BVerfGE 132, 99 <127>).

20

Der analogen Anwendung besoldungsgesetzlicher Regelungen auf Sachverhalte, die nach dem Ergebnis der Auslegung nicht erfasst werden, sind aber besonders enge Grenzen gesetzt. Dies gilt gleichermaßen für die Zuerkennung von Besoldungsleistungen im Wege der Analogie als auch für deren Ausschluss oder Beschränkung:

21

Zum einen liegen planwidrige Gesetzeslücken im Bereich der geltenden Beamtenbesoldung angesichts des regelmäßig abschließenden Charakters der getroffenen Bestimmungen nur ganz ausnahmsweise vor. Durch die besoldungsrechtlichen Vorschriften werden der Kreis der Anspruchsberechtigten, Grund und Höhe der einzelnen Bezüge sowie ihre Berechnung regelmäßig ausdrücklich und detailliert durch zwingende Vorschriften mit vielfach stark kasuistischem Inhalt festgelegt. Regelungen dieser Art sind nach dem darin erkennbaren Willen des Gesetzgebers regelmäßig abschließend konzipiert, so dass der Möglichkeit einer analogen Anwendung schon das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke entgegensteht (vgl. Urteile 30. Mai 1967 - BVerwG 2 C 27.67 - BVerwGE 27, 159 <161>, vom 20. Juni 1974 - BVerwG 2 C 28.73 - BVerwGE 45, 201 <203> und vom 15. Oktober 1980 - BVerwG 6 C 25.78 - BVerwGE 61, 79 <81> zur Gesamtkonzeption des § 6 BBesG sowie Urteil vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 C 43.04 - BVerwGE 125, 79 <80 f.> zum Familienzuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG).

22

Zum anderen darf die Analogie nicht zur Umgehung des verfassungsrechtlich fundierten Gesetzesvorbehalts im Besoldungsrecht führen. Es muss ausgeschlossen sein, dass letztlich die Gerichte durch großzügige Interpretationen des mutmaßlichen Willens des Gesetzgebers Besoldungsleistungen zusprechen, ausschließen oder beschränken, obwohl sich dies dem Besoldungsgesetz nicht im Wege der Gesetzesauslegung entnehmen lässt.

23

Aus diesen Gründen kommt die Erweiterung des Anwendungsbereichs besoldungsrechtlicher Normen im Wege der Analogie nur in Betracht, wenn der erkennbare Wille des Gesetzgebers in den gesetzlichen Vorschriften nur unvollkommen Ausdruck gefunden hat, wie etwa im Falle eines Redaktionsversehens (Urteile vom 24. November 1960 - BVerwG 2 C 6.58 - BVerwGE 11, 263 <264 ff.> und vom 28. Dezember 1971 - BVerwG 6 C 17.68 - BVerwGE 39, 221 <227 f.>).

24

Von der analogen Anwendung einer Norm, die ein mit dem Zweck der Norm unvereinbares Regelungsversäumnis des Normgebers voraussetzt (Urteil vom 28. Juni 2012 - BVerwG 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 24), sind die Fälle zu unterscheiden, in denen eine Norm im Hinblick auf nachträglich eingetretene Rechtsentwicklungen angewendet wird, um einen Widerspruch zu der bei Erlass der Regelung unmissverständlich zum Ausdruck gekommenen Zielsetzung des Normgebers auszuschließen (Urteil vom 29. September 2005 - BVerwG 2 C 44.04 - BVerwGE 124, 227 <230 ff.>).

25

bb) Diese Voraussetzungen sind für die Ausdehnung der in § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a.F. bzw. § 38 Abs. 2 Satz 5 LBesG angeordneten Kürzung des Familienzuschlags der Stufe 1 auf die dort nicht geregelten Fälle mehrerer Wohnungen nicht gegeben.

26

Zwar ist in allen nicht durch § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG a.F. bzw. § 38 Abs. 2 Satz 2 LBesG geregelten Fällen des kinderbezogenen Familienzuschlags durch die Anknüpfung an den Kindergeldbezug sichergestellt, dass der Zuschlag höchstens einmal gewährt werden kann. Dass der Gesetzgeber damit ein ausnahmslos geltendes Prinzip hatte statuieren wollen, kann aber nicht festgestellt werden. Die Abweichung für den Fall des Doppelwohnsitzes eines Kindes geschiedener Beamten ist vielmehr durch Sinn und Zweck der Anspruchsberechtigung aus § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG a.F. bzw. § 38 Abs. 2 Satz 2 LBesG begründet (vgl. zur Privilegierung der Alleinerziehenden durch § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG bereits BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. November 2007 - 2 BvR 375/06 - BVerfGK 12, 453 Rn. 18 f.).

27

Dem Familienzuschlag kommt eine soziale, nämlich ehe- und familienbezogene Ausgleichsfunktion zu. Er tritt zu den leistungsbezogenen Besoldungsbestandteilen hinzu, um diejenigen Mehraufwendungen auszugleichen, die typischerweise durch Ehe und Familie entstehen. Der kinderbezogene Bestandteil des Familienzuschlags ist dazu bestimmt, den von Kindern verursachten Mehrbedarf einschließlich der Mehraufwendungen für Unterkunft und Heizung zu decken (Urteil vom 9. Mai 2006 - BVerwG 2 C 12.05 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 37 Rn. 19; Beschluss vom 8. Juni 2011 - BVerwG 2 B 76.11 - juris Rn. 6).

28

Der ehe- und familienbezogene Zweck des Familienzuschlags rechtfertigt es, dass er insgesamt nur einmal gezahlt wird, auch wenn beide Ehegatten besoldungsberechtigt sind (stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 24. September 2013 - BVerwG 2 C 52.11 - juris Rn. 12). Dies wird durch die sog. Halbierungsregelung des § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG oder durch die Anknüpfung der Zuschlagsgewährung an die Kindergeldberechtigung nach § 40 Abs. 5 BBesG erreicht. Sinn und Zweck dieser Regelungen ist es, zu verhindern, dass derselbe Bedarf aus öffentlichen Kassen doppelt abgegolten wird (vgl. BTDrucks 7/4127, S. 40 sowie Urteil vom 1. September 2005 - BVerwG 2 C 24.04 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 33 Rn. 15).

29

Die Einschränkung findet beim Ausgleich kinderbezogener Mehraufwendungen ihre sachliche Berechtigung darin, dass diese auch dann, wenn beide Elternteile zuschlagsberechtigt sind, regelmäßig nur einmal anfallen. Diese Annahme trifft zwar bei Ehegatten zu, bei geschiedenen Eltern verhält sich die Sachlage aber typischerweise anders. Sofern eine gemeinsam bewohnte Wohnung mehrerer Anspruchsberechtigter nicht vorliegt, fällt tatsächlich bei jedem Zuschlagsberechtigten ein Mehrbedarf für die Wohnungsaufnahme an (vgl. zur Orientierung der Alimentierung am tatsächlichen Unterhaltsaufwand auch BVerfG, Beschluss vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <267>). Die Anspruchsgewährung aus § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG, die regelmäßig alleinerziehenden Eltern bei Aufnahme ihrer Kinder in den Haushalt zugute kommt (BTDrucks 17/7142, S. 24), trägt dieser durch die Wohnungsaufnahme typischerweise entstehenden wirtschaftlichen Mehrbelastung Rechnung (vgl. Urteile vom 31. Mai 1990 - BVerwG 2 C 43.88 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 19 und vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 C 43.04 - BVerwGE 125, 79 = Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 36 jeweils Rn. 19).

30

Die Einschränkung der Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 BBesG a.F. bzw. § 38 Abs. 2 Satz 5 LBesG auf die Aufnahme in die "gemeinsam bewohnte Wohnung" entspricht daher der Zweckbestimmung der Regelung. Sie stellt sicher, dass in den Fällen, in denen nur eine (gemeinsame) Kinderbetreuung stattfindet, insgesamt nur ein - anteilig aufgespaltener - Familienzuschlag gewährt wird. Sofern das Kind aber nicht in eine gemeinsame Wohnung aufgenommen wird und damit tatsächlich zweimal entsprechender Mehrbedarf entsteht, wird dieser auch berücksichtigt.

31

cc) Dass der Gesetzgeber die Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 im Falle der nicht nur vorübergehenden Aufnahme in mehrere Wohnungen pauschal geregelt und eine anteilige Kürzung im Hinblick auf die nur anteilig entstehenden Mehraufwendungen (wie etwa Verpflegung oder Heizkosten) nicht vorgesehen hat, obliegt seinem politischen Gestaltungsspielraum (stRspr; vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 - BVerfGE 131, 239 <258>; BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - BVerwG 2 C 49.11 - juris Rn. 36). Folge dieser Regelungstechnik ist, dass die auf die Ermittlung der tatsächlichen Aufwendungsanteile gerichtete Aufklärungsrüge des Beklagten auf unerhebliche Tatsachenfragen bezogen ist.

32

Die Einschränkung der Zuschlagsberechtigung erfolgt in den Fällen der Gewährung nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG a.F. bzw. § 38 Abs. 2 Satz 2 LBesG allein durch die Voraussetzung, dass die Wohnung auch für den Aufgenommenen zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen geworden sein muss. Liegt die nicht nur vorübergehende Wohnungsaufnahme aber bei Kindern, deren geschiedenen Eltern das Sorgerecht gemeinsam obliegt, ausnahmsweise im Hinblick auf mehrere Wohnungen vor, so hat dies - auf Grundlage dieses Gesetzesstandes - auch eine jeweilige Gewährung des Familienzuschlags zur Folge.

33

Die Neufassung der Zuschlagsgewährung durch § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG in der Fassung des Gesetzes vom 15. März 2012 (BGBl I S. 462), die den Anspruch an den Kindergeldbezug knüpft, steht dem nicht entgegen. Durch die statische Verweisung in § 1 Abs. 2 Satz 1 LBesG a.F. ist diese Änderung für das Landesrecht nicht anwendbar. Sie ist auch nicht inhaltlich begründet, sondern allein dem Anliegen geschuldet, den Verwaltungsaufwand und die Fehleranfälligkeit zu reduzieren (BTDrucks 17/7142, S. 24).

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Berechnung einer Entschädigung für die Enteignung von Binnenschiffen.

2

Für den bis 1955 in der Deutschen Demokratischen Republik eingetretenen Verlust von zwei Eimerkettenbaggern und sieben Spül- bzw. Baggerschuten, die im Schiffsregister eingetragen waren, steht dem Kläger als vermögensrechtlich Berechtigtem ein Entschädigungsanspruch zu.

3

Mit Bescheid vom 6. März 2012 erkannte ihm der Beklagte einen Entschädigungsbetrag von insgesamt 21 331,10 € (einschließlich Zinsen) zu, den er nach den Grundsätzen der Entschädigung für bewegliche Sachen berechnete.

4

Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger eine höhere Entschädigung mit der Begründung begehrt, aus einer Zusammenschau der gesetzlichen Vorschriften ergebe sich, dass im Schiffsregister eingetragene Schiffe wie Grundvermögen zu behandeln seien. Bemessungsgrundlage müsse deshalb hier - wie für Geschäftsgrundstücke nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Entschädigungsgesetz (EntschG) - das 7fache des vor der Schädigung festgestellten Wertes sein.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Schiffe seien vom Beklagten zu Recht als bewegliche Sachen nach § 5a EntschG und nicht wie Grundvermögen entschädigt worden. Dass für bewegliche Sachen hinsichtlich der Bemessungsgrundlage eine Höchstgrenze von 40 000 DM gelte, sei nicht zu beanstanden.

6

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 3 EntschG sowie der Art. 3 und 14 des Grundgesetzes (GG). Das Verwaltungsgericht habe die Anwendung der Entschädigungsregelung für Grundstücke rechtsirrig abgelehnt. Durch die Berechnung des Beklagten sei er - der Kläger - im Verhältnis zu Grundstückseigentümern ohne zureichenden Grund ungleich behandelt worden, was zugleich einer entschädigungslosen Teilaufopferung bzw. Teilenteignung gleichkomme.

7

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angegriffene Urteil steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) in Einklang, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Die in dem Schiffsregister eingetragenen Binnenschiffe, für deren Verlust dem Kläger eine Entschädigung zusteht (1.), unterfallen der Entschädigungsregelung für bewegliche Sachen (§ 5a des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen - Entschädigungsgesetz - in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juli 2004 - BGBl I S. 1658 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Mai 2011 - BGBl I S. 920 -). Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Entschädigungsregelung für Geschäftsgrundstücke (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EntschG) hier nicht anwendbar (2.). § 5a EntschG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (3.). Der angegriffene Bescheid hält auch im Übrigen einer revisionsgerichtlichen Kontrolle stand (4.).

9

1. Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 EntschG erfüllt sind und dem Kläger damit dem Grunde nach ein Anspruch auf Entschädigung für die ihm bis 1955 in der Deutschen Demokratischen Republik entzogenen Binnenschiffe zusteht. Auf der Grundlage der gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist der Kläger wegen der entschädigungslosen Enteignung der Binnenschiffe als Berechtigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 2005 (BGBl I S. 205), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Oktober 2013 (BGBl I S. 3719), anzusehen. Dies ergibt sich aus dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen vermögensrechtlichen Bescheid des Beklagten vom 1. September 2004, der nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bestandskräftig geworden ist und dessen Festlegungen von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen worden sind.

10

2. Dem Kläger ist nicht darin zu folgen, dass für die Bemessung der Entschädigung die Entschädigungsregelung für Geschäftsgrundstücke (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EntSchG) anwendbar sei.

11

Die zwischen den Beteiligten allein streitige Höhe der Entschädigung bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 EntschG nach der Bemessungsgrundlage (§§ 3 bis 5a EntschG). Hier ist nicht § 3 Abs. 1 Satz 1 EntschG einschlägig. Diese Bestimmung ist weder unmittelbar (a) noch auf der Grundlage einer Analogie (b) anzuwenden.

12

a) Eine unmittelbare Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 1 EntschG auf (im Schiffsregister eingetragene) Schiffe scheidet aus. Nach dieser Vorschrift ist Bemessungsgrundlage der Entschädigung für Grundvermögen einschließlich Gebäudeeigentum sowie für land- und forstwirtschaftliches Vermögen der vor der Schädigung zuletzt festgestellte Einheitswert, vervielfältigt mit einem Multiplikator, der - in fünf Gruppen gestaffelt - je nach Grundstücksart differiert und etwa für Geschäftsgrundstücke 7 (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EntSchG) beträgt.

13

Binnenschiffe werden von § 3 Abs. 1 Satz 1 EntSchG auch dann nicht erfasst, wenn diese im Schiffsregister eingetragen sind. Bei Schiffen handelt es sich um bewegliche Sachen (vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, Überbl. vor § 90 Rn. 3). Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass sie den in der Bestimmung verwendeten Begriffen des Gebäudeeigentums, des land-und forstwirtschaftlichen Vermögens sowie des Grundstücks nicht unterfallen.

14

Schiffe können auch nicht dem Begriff des Grundvermögens zugeordnet werden. Wie sich aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang des § 3 Abs. 1 Satz 1 EntSchG ergibt, nimmt der entschädigungsrechtliche Begriff des Grundvermögens auf das steuerliche Bewertungsrecht Bezug. Er stimmt mit dem bewertungsrechtlichen Begriff des Grundvermögens überein (vgl. Urteil vom 26. Januar 2011 - BVerwG 5 C 3.10 - BVerwGE 138, 385 = Buchholz 428.41 § 3 EntschG Nr. 10, jeweils Rn. 13). Dieser erstreckt sich nicht auf Schiffe.

15

b) Die Schiffe, für die der Kläger Entschädigung begehrt, sind hinsichtlich der Bemessungsgrundlage auch nicht im Wege der Analogie als Grundstücke zu behandeln.

16

Jede Art der gesetzesimmanenten richterlichen Rechtsfortbildung - hier die Analogie - setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (vgl. Urteile vom 12. September 2013 - BVerwG 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 27 und vom 18. April 2013 - BVerwG 5 C 18.12 - Buchholz 436.511 § 93 SGB VIII Nr. 5 Rn. 22, jeweils m.w.N.). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine eigene Lösung ersetzen. Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (vgl. Urteile vom 12. September 2013 a.a.O. und vom 18. April 2013 a.a.O., jeweils m.w.N.).

17

Liegt eine Gesetzeslücke vor, ist diese im Fall der Einzelanalogie durch Übertragung der Rechtsfolge einer Bestimmung zu schließen, wenn der ungeregelte Sachverhalt wegen einer vergleichbaren Sach- und Interessenlage dem geregelten Fall ähnlich ist (vgl. Urteil vom 12. September 2013 a.a.O. Rn. 36). Bei der Lückenschließung im Wege der Gesamtanalogie wird mehreren gesetzlichen Bestimmungen, die an verschiedene Tatbestände anknüpfen, ein "allgemeiner Rechtsgrundsatz" entnommen, der auf den im Gesetz nicht geregelten Tatbestand wertungsmäßig ebenso zutrifft wie auf die geregelten Tatbestände (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 384). An den vorstehenden Grundsätzen gemessen sind die in Rede stehenden Schiffe nicht wie Grundstücke zu entschädigen.

18

aa) Die entschädigungsrechtliche Gleichbehandlung dieser Schiffe mit Grundstücken kann nicht mit einer Gesamtanalogie begründet werden. Deren Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil dem gesetzten Recht kein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen ist, nach dem im Schiffsregister eingetragene (Binnen-)Schiffe rechtlich wie Grundstücke zu behandeln sind.

19

Ein solcher Grundsatz findet sich im Zivilrecht nicht. Eingetragene Schiffe werden bürgerlich-rechtlich nicht in jeder Hinsicht den Grundstücken gleichgestellt. So fehlt etwa eine Regelung im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die Schiffe als unbewegliche Sachen einordnet. Diese sind - wie bereits aufgezeigt - im zivilrechtlichen Sinn bewegliche Sachen. Es gibt auch keine Rechtsnorm des materiellen Zivilrechts oder des Zivilprozessrechts, die eine pauschale Gleichstellung mit Grundstücken anordnet. Diese Rechtsgebiete enthalten neben Spezialregelungen für Schiffe nur partielle Bezugnahmen auf das Grundstücksrecht, insbesondere auf Regelungen, die an das Grundbuch als mit dem Schiffsregister vergleichbares Register anknüpfen.

20

So richtet sich die Eigentumsübertragung von im Schiffsregister eingetragenen See- und Binnenschiffen nach dem besonderen Schiffssachenrecht, das eigene differenzierte Regelungen aufweist und dem Grundstücksrecht nur angenähert ist. Die Schiffsregisterordnung in der Fassung vom 26. Mai 1994 (BGBl I S. 1133) regelt formelle, das Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken (Schiffsregistergesetz - SchRG) vom 15. November 1940 (RGBl I, S. 1499), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 91), dagegen materielle Fragen. Danach werden eingetragene Seeschiffe durch Einigung übertragen, und ihre Eintragung im Schiffsregister ist nur deklaratorischer Natur. Bei eingetragenen Binnenschiffen ist die Eintragung konstitutiv (§ 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 SchRG). Nicht eingetragene Binnenschiffe werden nach der sachenrechtlichen Regelung über bewegliche Sachen (§ 929 BGB) übertragen. Nach § 929a Abs. 1 BGB ist zur Übertragung des Eigentums an einem Seeschiff, das nicht im Register eingetragen ist, oder an einem Anteil an einem solchen Schiff die Übergabe nicht erforderlich, wenn der Eigentümer und der Erwerber darüber einig sind, dass das Eigentum sofort übergehen soll.

21

Auch in der Zivilprozessordnung unterstellt der Gesetzgeber die Schiffe nicht pauschal dem für Grundstücke geltenden Rechtsregime, sondern trifft gesonderte Einzelregelungen mit begrenzten Verweisungen. So erfolgt nach § 870a Abs. 1 Satz 1 ZPO die Zwangsvollstreckung in ein eingetragenes Schiff oder in ein Schiffsbauwerk, das im Schiffsbauregister eingetragen ist oder in dieses Register eingetragen werden kann, durch Eintragung einer Schiffshypothek für die Forderung oder durch Zwangsversteigerung. § 870a Abs. 2 ZPO erklärt bestimmte Regelungen über die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück für entsprechend anwendbar. Anders als bei Grundstücken hat der Gesetzgeber damit jedoch die Zwangsverwaltung bei eingetragenen Schiffen nicht gestattet (vgl. Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 870a Rn. 1).

22

Auch im Steuerrecht werden im Schiffsregister eingetragene Schiffe nicht durchgängig wie Grundstücke behandelt oder diesen gleichgesetzt. Zwar werden nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom 8. Oktober 2009 (BGBl I S. 3366, 3862), vor der Verkündung dieser Entscheidung zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2013 (BGBl I S. 4318), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Schiffen, die im Schiffsregister eingetragen sind, wie solche aus unbeweglichem Vermögen behandelt, obwohl Schiffe im bürgerlich-rechtlichen Sinn bewegliche Sachen sind (vgl. BFH, Urteil vom 2. Mai 2000 - IX R 71/96 - BB 2000, 2081 <2082> m.w.N.). Der sachliche Grund für diese einkommensteuerrechtliche Gleichbehandlung von bestimmten beweglichen Sachen mit Immobilien liegt darin, dass in ein öffentliches Register eingetragene bewegliche Sachen ähnlich wie Immobilien auf Dauer als Einkunftsquellen geeignet und für Zwecke der Besteuerung einfach zu erfassen sind.

23

Soweit der Gesetzgeber die zivilprozessualen Regelungen über die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen bei im Schiffsregister eingetragenen Schiffen für anwendbar erklärt (§ 322 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung, vom 1. Oktober 2002 - BGBl I S. 3866, 2003 I S. 61 -, vor der Verkündung dieser Entscheidung zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2013 - BGBl I S. 4318 -) hat er zugleich Sonderregelungen vorgesehen, welche diese Verweisung teilweise wieder einschränken oder modifizieren (vgl. z.B. § 322 Abs. 1 Satz 3 AO).

24

Von einer pauschalen steuerrechtlichen Gleichbehandlung von eingetragenen Schiffen und unbeweglichen Sachen wurde ebenfalls abgesehen. Das zeigt sich etwa daran, dass das differenzierte Grundsteuerrecht, mit dem die Eigentümer von Grundbesitz veranlagt werden, für Schiffe nicht gilt. Nach § 2 des Grundsteuergesetzes vom 7. August 1973 (BGBl I S. 965), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2008 (BGBl I S. 2794), belastet die Grundsteuer den Grundbesitz im Sinne des Bewertungsgesetzes, d.h. Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, Betriebsgrundstücke und private Grundstücke, nicht aber den Besitz von (eingetragenen) Schiffen.

25

Im Vermögensrecht gibt es ebenfalls keine gesetzlichen Regelungen, die (eingetragene) Schiffe pauschal mit Grundstücken gleichsetzen. Im Hinblick auf die zu restituierenden Vermögenswerte unterscheidet § 2 Abs. 2 Satz 1 VermG u.a. zwischen beweglichen Sachen einerseits und bebauten und unbebauten Grundstücken sowie rechtlich selbständigen Gebäuden und Baulichkeiten, Nutzungsrechten und dinglichen Rechten an Grundstücken oder Gebäuden andererseits. Schiffe fallen zweifellos nicht unter die zweite Kategorie, sondern sind als bewegliche Sachen im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 VermG anzusehen.

26

Auch § 34 Abs. 5 VermG ist kein allgemeiner Grundsatz des Inhalts zu entnehmen, dass im Schiffsregister eingetragene Binnenschiffe entschädigungsrechtlich Grundstücken gleichzustellen sind. Die Bestimmung sieht für solche Schiffe und für im Schiffsbauregister eingetragene Schiffsbauwerke die entsprechende Anwendung des § 34 Abs. 2 VermG vor. § 34 Abs. 2 Satz 1 VermG betrifft u.a. die Rückübertragung von Eigentums- und sonstigen dinglichen Rechten an Grundstücken und regelt, dass die Behörde das Grundbuchamt um die erforderliche Berichtigung des Grundbuchs ersucht. § 34 Abs. 5 VermG trägt dem Umstand Rechnung, dass im Fall der Rückübertragung bei in den entsprechenden Registern eingetragenen Schiffen oder Schiffsbauwerken die Eintragungen unrichtig werden und zu berichtigen sind. Wegen der insoweit bestehenden Parallelität zur Notwendigkeit der Berichtigung des Grundbuchs bei der Rückübertragung von Eigentums- oder sonstigen dinglichen Rechten an Grundstücken gilt § 34 Abs. 2 VermG entsprechend. Die Bestimmung regelt eine spezielle registerrechtliche Problematik. Ihr kann der für eine Gesamtanalogie erforderliche allgemeine Rechtsgrundsatz, dass im Schiffsregister eingetragene (Binnen-)Schiffe rechtlich wie Grundstücke zu behandeln sind, nicht entnommen werden. Schließlich sind auch keine anderen vermögensrechtlichen Bestimmungen ersichtlich, aus denen ein solcher Grundsatz abzuleiten wäre.

27

bb) Die entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EntSchG kann nicht im Wege einer Einzelanalogie hergeleitet werden. Es fehlt insoweit bereits an der Planwidrigkeit einer Gesetzeslücke. Zwar enthält § 3 Abs. 1 Satz 1 EntSchG keine Regelung über die Bemessungsgrundlage der Entschädigung von Schiffen. Diese Lücke entspricht hingegen dem Willen des Gesetzgebers.

28

In diese Richtung weist bereits der Umstand, dass - wie aufgezeigt - der Gesetzgeber in anderen Rechtsbereichen einschließlich des Vermögensrechts Sonderregelungen für eingetragene Schiffe geschaffen hat. Dem ist deutlich zu entnehmen, dass die Vernachlässigung von Schiffen im Rahmen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EntSchG nicht Ausdruck eines Versehens ist, sondern dem gesetzgeberischen Plan entspricht.

29

Dieser Befund wird bestätigt von dem systematischen Zusammenhang des § 3 Abs. 1 Satz 1 EntschG mit dem steuerlichen Bewertungsrecht. Die Bestimmung ist - worauf schon hingewiesen wurde - systematisch auf das Grundvermögen im Sinne des steuerlichen Bewertungsrechts zugeschnitten. Das Bewertungsrecht erfasst jedoch - wie ebenfalls bereits aufgezeigt - Schiffe auch dann nicht, wenn sie im Schiffsregister eingetragen sind. Dementsprechend wird für Schiffe kein Einheitswert festgesetzt.

30

Vor dem geschilderten systematischen Hintergrund spricht auch die vom Gesetzgeber mit dem Bezug auf das steuerliche Bewertungsrecht im Rahmen des § 3 EntschG verfolgte Zwecksetzung dagegen, die fehlende Einbeziehung von Schiffen in den Regelungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 1 EntSchG als planwidrig anzusehen. Der von der Bestimmung vorgesehene Rückgriff auf die in der Vergangenheit verbindlich festgelegten Einheitswerte dient der Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2013 - BVerwG 5 B 71.13 - juris Rn. 6 m.w.N.). Dieser Zweck einer einfachen Wertermittlung kann bei (eingetragenen) Schiffen von vornherein nicht erreicht werden, weil diese nicht dem steuerlichen Bewertungsrecht unterliegen und unterlagen und deshalb auch in der Vergangenheit für sie keine Einheitswerte festgesetzt worden sind. Auch dies erweist sich als gewichtiger Hinweis darauf, dass es nicht der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, Schiffe in den Regelungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 1 EntSchG einzubeziehen.

31

Dies gilt gleichermaßen für die differenzierten und auf verschiedene Grundstücksarten bezogenen Regelungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 EntschG, die aufgrund der tatsächlichen Unterschiede bei (eingetragenen) Schiffen keine Entsprechung finden können.

32

Die Entstehungsgeschichte des § 5a EntschG bestätigt die Annahme, dass es der Gesetzgeber nicht versehentlich unterlassen hat, die Entschädigung von Schiffen einer gesonderten Regelung zuzuführen und wie Grundstücke im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EntSchG zu entschädigen. § 5a EntSchG regelt die Bemessungsgrundlage der Entschädigung für bewegliche Sachen. Er sieht u.a. vor, dass insoweit Bemessungsgrundlage der im Verhältnis 2 zu 1 auf Deutsche Mark umgestellte Wert der Sache zum Zeitpunkt der Entziehung ist (Abs. 1 Satz 1), und dass die Höchstgrenze der Summe der Bemessungsgrundlage für sämtliche zu entschädigenden beweglichen Sachen eines Berechtigten 40 000 Deutsche Mark beträgt (Abs. 4). Mit der Einfügung des § 5a in das Entschädigungsgesetz durch das Vermögensrechtsergänzungsgesetz vom 15. September 2000 (BGBl I S. 1382) verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, eine bis dahin fehlende Bemessungsgrundlage für die Entschädigung beweglicher Sachen, die nicht bereits Gegenstand einer Unternehmensrestitution oder -entschädigung sind (vgl. Urteil vom 19. November 1998 - BVerwG 7 C 40.97 - BVerwGE 107, 380 <385 f.> = Buchholz 428 § 9 VermG Nr. 3 S. 12<16 f.>), zu schaffen. Dabei ging er erkennbar davon aus, mit § 5a EntSchG werde die Gesetzeslücke abschließend ausgefüllt und für alle diese beweglichen Sachen eine Entschädigungsregelung geschaffen (vgl. BTDrucks 14/1932 S. 10). Dies schließt es aus, für in § 5a EntSchG nicht speziell aufgeführte bewegliche Sachen - wie etwa Schiffe - eine planwidrige Gesetzeslücke anzunehmen.

33

3. Der für die Bemessung der Entschädigung - wie sich aus dem Vorstehenden ergibt - hier einschlägige § 5a EntSchG steht mit Verfassungsrecht im Einklang.

34

a) Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.

35

§ 5a EntschG ist nicht an Art. 14 GG zu messen. Dieses Grundrecht scheidet als Prüfungsmaßstab für die Wiedergutmachung der unter der Verantwortung der Deutschen Demokratischen Republik begangenen rechtsstaatswidrigen Vermögenseingriffe aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 22. November 2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - BVerfGE 102, 254 <297> m.w.N.) lässt sich eine Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Wiedergutmachung von Unrecht einer nicht an das Grundgesetz gebundenen Staatsgewalt nicht aus einzelnen Grundrechten herleiten. Dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG sind deshalb für die Frage, ob und in welchem Umfang die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, für derartiges Unrecht einen Ausgleich zu schaffen, keine Vorgaben zu entnehmen. Das Gleiche gilt für die Art einer Wiedergutmachung und deren Ausgestaltung im Einzelnen. So verpflichtet Art. 14 GG den Bundesgesetzgeber etwa weder zu einer Wiedergutmachung von Vermögensschäden in der Form einer Rückgabe rechtsstaatswidrig entzogener Vermögenswerte noch zur Eröffnung von Wiedererwerbsmöglichkeiten oder zu einer Entschädigung. Da Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab für die Wiedergutmachung der unter der Verantwortung der Deutschen Demokratischen Republik begangenen rechtsstaatswidrigen Vermögenseingriffe ausscheidet, kommt auch nicht in Betracht, aus der Wertentscheidung des Art. 14 Abs. 1 GG zugunsten des Privateigentums oder aus der Entschädigungsregelung des Art. 14 Abs. 3 GG Vorgaben für die Bemessung der Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz abzuleiten (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 a.a.O. <300>).

36

b) Der allgemeine Gleichheitssatz ist gleichfalls nicht verletzt. Insbesondere erweist sich die Begrenzung der Bemessungsgrundlage auf 40 000 Deutsche Mark nach § 5a Abs. 4 EntschG auch im Hinblick auf die vom Kläger angeführte Fallgruppe der zur Berufsausübung dienenden eingetragenen Schiffe als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar.

37

Der Senat geht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass dem Gesetzgeber auf dem Gebiet der Wiedergutmachung auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG ein besonders weites Beurteilungsermessen zusteht und er den Gleichheitssatz nur in seiner Bedeutung als Willkürverbot zu beachten hat. Verboten ist dem Gesetzgeber danach die willkürlich ungleiche Behandlung von Sachverhalten, die in wesentlichen Punkten gleich sind. Welche Sachverhaltselemente so wichtig sind, dass ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, unterliegt regelmäßig seiner Entscheidung. Der Spielraum des Gesetzgebers endet erst dort, wo die ungleiche Behandlung nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo mit anderen Worten ein sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 a.a.O. <299> m.w.N.). Daran gemessen liegt der von dem Kläger gerügte Grundrechtsverstoß nicht vor (vgl. Zimmermann, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Stand 2013, § 4 EntSchG Rn. 10 und Broschat, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, EntSchG, Stand Oktober 2010, § 4 Rn. 43).

38

aa) Die Ungleichbehandlung derjenigen Entschädigungsberechtigten, denen eine bewegliche Sache im Wert zum maßgeblichen Zeitpunkt der Schädigung von bis zu 40 000 Deutsche Mark entzogen wurde, gegenüber denjenigen Entschädigungsberechtigten, bei denen der Wert der entzogenen beweglichen Sache über 40 000 Deutsche Mark lag, ist nicht gleichheitswidrig. Zwar wird durch die Begrenzung der Bemessungshöhe die zuletzt genannte Gruppe im Vergleich zu der zuerst angeführten schlechter gestellt. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch noch mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar.

39

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 22. November 2000 a.a.O. <310 f. und 312 f.>) ist der Gesetzgeber auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht gehalten, die Höhe der Entschädigung vornehmlich an der Verkehrswerthöhe des verlorenen Vermögens auszurichten. Er konnte auch andere zentrale Gesichtspunkte des Entschädigungsrechts bei der Bewältigung von Folgen des Krieges und der deutschen Teilung berücksichtigen. Dazu gehört das Verhältnis dieser Vermögensentschädigung zu anderen Entschädigungs- oder Wiedergutmachungsleistungen. Die Höhe der Entschädigungsleistung für verlorenes Vermögen ist nicht allein an dessen Wert zu bemessen, sondern auch an den Entschädigungen für anderes begangenes Unrecht, das nicht minder schwer wiegt als der Verlust des Eigentums, bei dem Entschädigungen aber nur in geringem Maße zu realisieren sind. Vor diesem Hintergrund kann die Begrenzung der Entschädigung auf das in § 5a Abs. 4 EntSchG vorgesehene Maß nicht als willkürlich angesehen werden.

40

Nichts anderes gilt mit Blick darauf, dass diese Begrenzung diejenigen begünstigt, deren Schaden die Höchstgrenze nicht übersteigt. Damit hat der Gesetzgeber aus sozialen Gründen sichergestellt, dass der Vermögensverlust umso höher ausgeglichen wird, je kleiner das Vermögen gewesen ist. Das insofern verfolgte Ziel, bei der Entschädigung soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen, findet seine verfassungsrechtliche Begründung im Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG und rechtfertigt deshalb auch Differenzen zwischen dem Wert des verlorenen Vermögens und der Höhe der Entschädigungsleistung (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 a.a.O. <314>).

41

Schließlich ist die mit der Höchstgrenze einhergehende Ungleichbehandlung der hier interessierenden Vergleichsgruppe auch deshalb nicht willkürlich, weil der Gesetzgeber bei der Bewältigung der Folgen des Krieges und der deutschen Teilung auch den insoweit zentralen Gesichtspunkt der Erfüllung der für notwendig erachteten weiteren Aufbauarbeiten der deutschen Einigung in Rechnung stellen durfte. Er durfte Vorsorge dafür treffen, dass neben der Gewährung von Wiedergutmachungs- und Entschädigungsleistungen als erforderlich angesehene weitere Aufgaben aus Anlass der deutschen Einigung erfüllt werden konnten. Im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums durfte er auch darauf Rücksicht nehmen, welche finanziellen Möglichkeiten er zur Wiedergutmachung unter Berücksichtigung der sonstigen Staatsaufgaben hat. Bei der Finanzierung der mit der deutschen Einigung verbundenen Aufgaben durfte er Prioritäten zugunsten gemeinwohlorientierter Projekte setzen und um deren Realisierung willen die Summe der den Entschädigungsberechtigten zufließenden Haushaltsmittel auf ein insgesamt finanzierbares Maß zurückführen. Auch dieser Gesichtspunkt rechtfertigt die ungleiche Behandlung (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 a.a.O. <303 f. und 310 ff.>).

42

bb) Die Höchstgrenze erweist sich nicht deshalb als gleichheitswidrig, weil die Entschädigung wegen des Entzugs einer beweglichen Sache nach § 5a Abs. 4 EntSchG in der Höhe begrenzt ist, während derjenige, dem eine solche Sache rückübertragen wird, in den ungeschmälerten Genuss des Wertes der Sache gelangt.

43

Diese Ungleichbehandlung stellt sich deshalb nicht als willkürlich dar, weil der Gesetzgeber - wie aufgezeigt - berücksichtigen durfte, dass die Entschädigung anderen Unrechts als des Entzugs des Vermögens nur in geringem Maße zu realisieren ist und er im Interesse der Finanzierung mit der deutschen Einheit einhergehende gemeinwohlorientierte Projekte die Entschädigungssumme begrenzen durfte.

44

cc) § 5a EntSchG hält Art. 3 Abs. 1 GG auch mit Blick darauf stand, dass sich die Entschädigung wegen der Entziehung einer beweglichen Sache an dem Wert zum Zeitpunkt der Schädigung ausrichtet und nach § 5a Abs. 4 EntSchG höhenmäßig begrenzt ist, während diejenigen, denen ein Grundstück entzogen wurde, eine nach § 3 EntSchG ungedeckelte Entschädigung auf der Grundlage des vor der Schädigung zuletzt festgestellten und vervielfachten Einheitswerts unter Beachtung der Degressionsregelung (§ 7 EntSchG) beanspruchen können.

45

Die damit verbundene unterschiedliche Behandlung für die Entschädigung von beweglichen Sachen einerseits und Grundvermögen andererseits ist bei Zugrundelegung des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers im Wiedergutmachungsrecht nicht willkürlich. Sie knüpft insbesondere an die für die Rechtsordnung grundlegende Unterscheidung zwischen beweglichen Sachen und unbeweglichen Sachen (Grundvermögen) an und berücksichtigt in tatsächlicher Hinsicht deren typischerweise unterschiedliche Wertentwicklung.

46

Ein bedeutsamer Unterschied zwischen beweglichen Sachen einerseits und sonstigen Vermögenswerten - insbesondere Grundstücken - liegt darin, dass bewegliche Sachen in der Wirklichkeit leichter abhandenkommen, regelmäßig einem zeitbedingten Wertverlust unterliegen und bis zum Substanzverzehr abgenutzt werden können (vgl. Urteil vom 19. November 1998 - BVerwG 7 C 40.97 - BVerwGE 107, 380 <386> = Buchholz 428 § 9 VermG Nr. 3 S. 12<17>). Demgegenüber verhält es sich bei Grundvermögen erfahrungsgemäß eher umgekehrt. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung des Wertes von Grundvermögen im Beitrittsgebiet nach Herstellung der deutschen Einheit. Infolge des Wegfalls der deutschen Teilung sind die Verkehrswerte der Immobilien in den neuen Ländern im Durchschnitt erheblich gestiegen. Der Unterschied in der Wertentwicklung von Grundvermögen und beweglichen Sachen spiegelt sich in den unterschiedlichen Regelungen über Entschädigung wider.

47

Der Wertsteigerung von Grundvermögen hat der Gesetzgeber im Rahmen des § 3 EntSchG dadurch Rechnung getragen, dass sich die Bewertung solchen Vermögens an ihrem angenommenen Wert zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung orientiert. Zweck des Abstellens auf den vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes und dessen differenzierte Vervielfachung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 EntschG ist es, die Höhe der Entschädigung an den fiktiven Verkehrswert der jeweiligen Grundstücksart im Zeitpunkt der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 zu knüpfen.

48

Da bei beweglichen Sachen eine Wertsteigerung typischerweise nicht zu verzeichnen ist, verzichtet § 5a EntSchG darauf, die Bemessungsgrundlage der Entschädigung an einem fiktiven Wert zum Zeitpunkt der deutschen Einigung auszurichten. Soweit die Bemessungsgrundlage auf den Wert der Sache zum Zeitpunkt der Entziehung abstellt (§ 5a Abs. 1 Satz 1 EntSchG), hat der Gesetzgeber noch außer Betracht gelassen, dass sich der Wert von beweglichen Sachen vom Schädigungszeitpunkt während des Bestehens der Deutschen Demokratischen Republik bis zur Wiedervereinigung typischerweise deutlich verringert hätte oder gar ein Substanzverzehr zu verzeichnen gewesen wäre. Insbesondere hat er zugunsten der Berechtigten davon abgesehen, zeitlich gestufte Abschläge vorzusehen. Den Besonderheiten der Wertentwicklung bei beweglichen Sachen hat er aber nicht nur dadurch Rechnung getragen, dass er hinsichtlich der Bemessungsgrundlage nicht auf einen fiktiven Wert zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung abgestellt hat, sondern auch in der Weise, dass er die Bemessungsgrundlage auf 40 000 Deutsche Mark begrenzt hat. Aufgrund der aufgezeigten tatsächlichen Unterschiede zwischen beweglichen Sachen und Grundvermögen, erweist sich dies als willkürfrei.

49

Der Senat verkennt nicht, dass die Höchstgrenze des § 5a Abs. 4 EntSchG im Einzelfall bei bestimmten beweglichen Sachen, bei denen die typischerweise anzunehmende Wertentwicklung nicht eingetreten wäre oder deren Wert zum Zeitpunkt der Entziehung 40 000 Deutsche Mark sehr deutlich überstieg, zu Härten führen kann. Auch mit Blick auf das dem Gesetzgeber auf dem Gebiet der Wiedergutmachung zustehende besonders weite Beurteilungsermessen sind pauschalierende und typisierende Regelungen aber nicht schon dann als gleichheitswidrig anzusehen, wenn sie im Einzelfall Unzuträglichkeiten bewirken.

50

4. Der streitige Bescheid des Beklagten ist auch im Übrigen revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sind Fehler bei der auf der Grundlage des § 5a EntSchG vorgenommenen Berechnung der Entschädigungshöhe nicht ersichtlich.

(1) Das Zwangsmittel wird der Festsetzung gemäß angewendet.

(2) Leistet der Pflichtige bei der Ersatzvornahme oder bei unmittelbarem Zwang Widerstand, so kann dieser mit Gewalt gebrochen werden. Die Polizei hat auf Verlangen der Vollzugsbehörde Amtshilfe zu leisten.

(3) Der Vollzug ist einzustellen, sobald sein Zweck erreicht ist.

(1) Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 1, § 24a Absatz 1 bis 3 und § 24c Absatz 1 und 2 des Straßenverkehrsgesetzes, die in der Anlage zu dieser Verordnung (Bußgeldkatalog – BKat) aufgeführt sind, ist eine Geldbuße nach den dort bestimmten Beträgen festzusetzen. Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes, bei denen im Bußgeldkatalog ein Regelsatz von bis zu 55 Euro bestimmt ist, ist ein entsprechendes Verwarnungsgeld zu erheben.

(2) Die im Bußgeldkatalog bestimmten Beträge sind Regelsätze. Sie gehen von gewöhnlichen Tatumständen sowie in Abschnitt I des Bußgeldkatalogs von fahrlässiger und in Abschnitt II des Bußgeldkatalogs von vorsätzlicher Begehung aus.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.