Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Aug. 2015 - 20 K 63/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt tätig und Mitglied des beklagten Versorgungswerks. Er wendet sich gegen diverse Verzugszinsfestsetzungsbescheide des Beklagten.
3Mit Bescheiden vom 29. Juli 2014 setzte der Beklagte die Beiträge des Klägers zum Versorgungswerk für die Jahre 2012, 2013 und 2014 nachträglich in Höhe des Regelpflichtbeitrages fest. Unter dem 4. September 2014 teilte er dem Kläger mit, dass dessen Konto zum 31. August 2014 Rückstände in Höhe von 26.826,31 Euro aufweise. Der Kläger wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 8. September 2014 an das beklagte Versorgungswerk und beantragte im Hinblick auf den Beitragsrückstand, „diesen Betrag nicht in einer Summe, sondern im Rahmen einer förmlichen Tilgungsabsprache zu leisten. Gerne bringe ich dabei einen Betrag von 12.000,00 Euro sofort zum Ausgleich und leiste ab dem Monat Oktober 2014 eine monatliche Rate von 500,00 Euro auf den restlichen Rückstand von 14.826,31 Euro.“
4Unter dem 10. September 2014 bot der Beklagte dem Kläger „zur einvernehmlichen Tilgung“ seines Beitragsrückstandes eine als „Tilgungsabsprache“ bezeichnete Vereinbarung an. Danach sollten Tilgungszahlungen am 22. Oktober 2014 und jeweils am 22. für 28 Folgemonate in Höhe von jeweils 500,00 Euro und am 22. März 2017 in Höhe von 326,31 Euro erfolgen. Unter Ziffer 2 der Vereinbarung heißt es: „Die Tilgung Ihres Beitragsrückstandes sowie die Zahlung der Verzugszinsen (jeweils zum 22. eines Monats) und Ihres laufenden Beitrages (jeweils zum 15. eines Monats) erfolgt ausnahmslos auf der Grundlage des hier vorliegenden SEPA-Lastschriftmandats (…).“ Ziffer 3 der Vereinbarung bestimmt: „Während der Laufzeit dieser Tilgungsabsprache unterbleiben alle Maßnahmen der Beitreibung. Die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen (§ 33 Abs. 6) bleibt unberührt. Die Nichteinlösung einer Lastschrift, deren Rückruf oder Rückgabe bewirken die sofortige Fälligkeit Ihres gesamten noch verbliebenen Rückstandes mit der Konsequenz einer Beitreibung im Wege der Zwangsvollstreckung.“ Der Kläger stimmte dieser Vereinbarung am 15. September 2014 uneingeschränkt zu.
5Mit Bescheid vom 3. Dezember 2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit, sein Konto weise zum 30. November 2014 rückständige Beiträge in Höhe von 13.826,31 Euro auf. Gleichzeitig setzte er unter Bezugnahme auf Ziffer 3. und 4. der mit dem Kläger getroffenen Tilgungsvereinbarung auf der Grundlage von § 33 Abs. 6 seiner Satzung Verzugszinsen in Höhe von 404,51 Euro fest. Hiergegen hat der Kläger am 5. Januar 2015 die vorliegende Klage erhoben.
6Mit Bescheid vom 7. Januar 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, sein Beitragskonto weise zum 31. Dezember 2014 Rückstände in Höhe von 13.326,31 Euro auf. Zugleich setzte er – wiederum auf Ziffer 3. und 4. der Tilgungsvereinbarung Bezug nehmend – Verzugszinsen in Höhe von 129,53 Euro fest. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 15. Januar 2015 erweitert.
7Mit Bescheid vom 5. Februar 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, sein Beitragskonto weise zum 31. Januar 2015 Rückstände in Höhe von 12.826,31 Euro auf. Zugleich setzte er im Hinblick auf Ziffer 3. und 4. der Tilgungsvereinbarung Verzugszinsen in Höhe von 124,74 Euro fest. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 10. Februar 2015 erweitert.
8Mit Bescheid vom 9. März 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, sein Beitragskonto weise zum 28. Februar 2015 Rückstände in Höhe von 12.326,31 Euro auf. Außerdem setzte er unter Bezugnahme auf Ziffer 3. und 4. der Tilgungsvereinbarung Verzugszinsen in Höhe von 110,76 Euro fest. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 18. März 2015 erweitert.
9Mit Bescheid vom 9. April 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, sein Beitragskonto weise zum 31. März 2015 Rückstände in Höhe von 13.326,31 Euro auf. Zugleich setzte er – wiederum auf Ziffer 3. und 4. der Tilgungsvereinbarung Bezug nehmend – Verzugszinsen in Höhe von 113,67 Euro fest. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 14. April 2015 erweitert.
10Mit Bescheid vom 6. Mai 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, sein Beitragskonto weise zum 30. April 2015 Rückstände in Höhe von 11.326,31 Euro auf. Verzugszinsen setzte er in Höhe von 106,13 Euro fest. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 11. Mai 2015 erweitert.
11Mit Bescheid vom 3. Juni 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, sein Beitragskonto weise zum 31. Mai 2015 Rückstände in Höhe von 10.826,31 Euro auf. Verzugszinsen setzte er in Höhe von 103,27 Euro fest. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 11. Juni 2015 erweitert.
12Mit Bescheid vom 3. Juli 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, sein Beitragskonto weise zum 30. Juni 2015 Rückstände in Höhe von 10.423,32 Euro auf. Verzugszinsen setzte er in Höhe von 97,01 Euro fest. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 10. Juli 2015 erweitert.
13Mit Bescheid vom 5. August 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, sein Beitragskonto weise zum 31. Juli 2015 Rückstände in Höhe von 9.826,31 Euro auf. Verzugszinsen setzte er in Höhe von 93,82 Euro fest. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 17. August 2015 erweitert.
14Zur Begründung trägt der Kläger in Bezug auf sämtliche Bescheide vor: § 33 Abs. 6 der Satzung des Beklagten stelle keine hinreichende Grundlage für die erfolgte Festsetzung der Verzugszinsen dar. Der Beklagte habe mit dem Kläger eine Tilgungsvereinbarung getroffen und ihm im Zuge dessen rückständige Beiträge gestundet. Verzug habe daher nicht eintreten können, da die für den Verzugseintritt unabdingbare Voraussetzung der Fälligkeit entfalle, wenn der Gläubiger den Anspruch stunde. Auch der Hinweis auf Ziffer 3 der Tilgungsvereinbarung, dass die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 33 Abs. 6 der Satzung unberücksichtigt bleibe, stehe dem nicht entgegen. Der Hinweis lasse nämlich nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, dass der Beklagte Verzugszinsen erheben wolle, ohne dass es auf einen Verzugseintritt ankomme. Es werde vielmehr nur auf die Geltung der satzungsgemäßen Regelung zum Verzugszins hingewiesen. Zudem komme der von dem Beklagten geforderte Verzugszins einem Stundungszins im Sinne des § 234 AO gleich, für dessen Festsetzung es in der Satzung des Beklagten offensichtlich keine Grundlage gebe.
15Es liege nicht lediglich eine vollstreckungshemmende Tilgungsvereinbarung vor, sondern eine Teilzahlungsvereinbarung. Insoweit komme es auf den tatsächlichen Inhalt der Vereinbarung an unabhängig davon, ob § 33 der Satzung eine Stundung vorsehe oder nicht. Inhaltlich seien die Fälligkeiten für die Zahlung rückständiger Beiträge zum Versorgungswerk auf vereinbarte künftige Zeitpunkte abgeändert worden. Insoweit habe der Beklagte mit dem Kläger eine einvernehmliche Tilgung des Beitragsrückstandes durch monatliche Zahlungen von 500,00 Euro ab dem 22. Oktober 2014 vereinbart. Dies stelle eine Teilzahlungsvereinbarung dar. Der Beklagte habe sich mit einer späteren Leistung durch den Kläger einverstanden erklärt, womit zivilrechtlich der Verzug beendet worden sei. Dass der Beklagte damit auf bereits entstandene Verzugszinsen nicht verzichtet habe, sei in der Vereinbarung klargestellt und auch von dem Kläger so verstanden worden. Dies aber betreffe lediglich Verzugszinsen bis zum Abschluss der Teilzahlungsvereinbarung oder einen neuerlichen Verzug mit den vereinbarten Teilzahlungen.
16Es sei auch zu berücksichtigen, dass einem Verzugszins immer ein Strafcharakter für die verspätete Zahlung innewohne. Durch Abschluss der Teilzahlungsvereinbarung sei Sinn und Zweck einer solchen Strafe entfallen, da sich die Parteien auf eine künftige Zahlung der Beiträge in Raten geeinigt hätten. Ein Strafzins von 12 % p. a. sei daher weder erforderlich noch angemessen, zumal dem Beklagten durch die Teilzahlung seitens des Klägers keine Nachteile entstünden. Es hätte dem Beklagten freigestanden, in § 33 Abs. 8 der Satzung im Hinblick auf die Vereinbarung zur Tilgung von Beitragsrückständen auch eine Regelung zur Geltendmachung von Stundungszinsen festzulegen. Der Beklagte habe dies jedoch nicht getan und könne die fehlende Rechtsgrundlage nicht durch eine „Umetikettierung“ einer Teilzahlungsvereinbarung in eine angeblich nur vollstreckungsbeschränkende Tilgungsvereinbarung ersetzen.
17Es sei nicht erkennbar, weshalb im Falle einer verspäteten Zahlung Zinsgewinne bei den Mitgliedern, mit denen eine Teilzahlung von Beitragsrückständen vereinbart sei, abgeschöpft werden sollten. Der verspäteten Beitragszahlung stehe der Nachteil einer erst verspätet eintretenden Anwartschaft auf Leistungen aus dem Versorgungswerk entgegen, weshalb eine willentliche Nichtzahlung durch den Beitragszahler keinen Sinn mache. Auch das Argument, wonach die Solidargemeinschaft zur Erwirtschaftung des zugesagten Rechnungszinses darauf angewiesen sein solle, dass die Beitragspflicht zum Fälligkeitszeitpunkt erfüllt werde, könne der Beklagte nicht ins Feld führen. Denn dieser werde Anlageinvestitionen erst dann tätigen, wenn die dafür erforderlichen Mittel von Seiten der Beitragszahler eingezahlt worden seien. Da der Beklagte auf den Mitgliederbestand und die Höhe der entrichteten Beiträge keinen Einfluss habe, verbiete sich jede andere Vorgehensweise.
18Der Einwand des Beklagten, durch Erhebung von Verzugszinsen solle auch unter der Tilgungsvereinbarung ein Druckmittel bestehen bleiben, streite für die Argumentation des Klägers. Nur wenn das Versorgungswerk Verzugszinsen erhebe, mithin im Falle eines erneuten Verzugs mit Ableistung der Tilgungsraten, werde der Beitragszahler motiviert, den Tilgungsplan einzuhalten. Anderenfalls könne er mit den vereinbarten Teilzahlungen in Rückstand geraten, ohne einen Verzugszins befürchten zu müssen, denn dieser werde ja bereits – unabhängig von einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Teilzahlungsplans – fällig.
19Der Kläger beantragt,
20die Bescheide des Beklagten vom 3. Dezember 2014, 7. Januar 2015, 5. Februar 2015, 9. März 2015, 9. April 2015, 6. Mai 2015, 3. Juni 2015, 3. Juli 2015 und 5. August 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Folgen einer etwaigen Vollziehung des Bescheides rückgängig zu machen.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderliche gesetzliche Grundlage für die Geltendmachung von Verzugszinsen finde sich in § 7 Abs. 2 RAVG NRW, § 33 Abs. 6 seiner Versorgungssatzung. Soweit der Kläger die Unangemessenheit des Verzugszinssatzes reklamiere, sei in Erinnerung zu rufen, dass es sich bei dem beklagten Versorgungswerk nicht um ein Geldinstitut handele. Über die geltend gemachten Verzugszinsen werde daher, vor dem Hintergrund der satzungsgemäß zu gewährenden Leistungen, die Unmöglichkeit der Bewirtschaftung fälliger Beiträge im Interesse der Solidargemeinschaft aller Mitglieder erfasst.
24Die im September 2014 getroffene Tilgungsvereinbarung stehe der Verzugszinsfestsetzung nicht entgegen. Anders als in dem vom OVG Lüneburg entschiedenen Fall sei zwischen den Parteien keine Stundungsvereinbarung zustande gekommen. Eine solche sehe die Versorgungssatzung, wie § 33 zeige, nicht vor. Die Parteien hätten vielmehr nur und ausschließlich eine Tilgungsvereinbarung getroffen. Intention einer solchen Vereinbarung sei, dass die Beitreibung der fälligen Forderungen unterbleibe, solange die Vereinbarung bedient werde. Genau dies sei in Ziffer 3 Satz 1 der Vereinbarung ausdrücklich festgehalten. Ausdrücklich festgehalten sei weiter in Ziffer 3 Satz 2, dass die sich aus § 33 Abs. 6 der Satzung erhebenden Möglichkeiten unberührt blieben und Verzugszinsen zu zahlen seien.
25Die Argumentation der Einheitlichkeit der Rechtsordnung sei nicht zielführend, da im Verwaltungsrecht Grundsätze des Zivilrechts nicht ohne weiteres einschlägig seien. Dies gelte insbesondere zur Verzinsungspflicht rückständiger Beiträge, wie sich aus § 7 Abs. 2 RAVG NRW und § 33 Abs. 6 der Satzung ergebe. Die Tilgungsvereinbarung sei nicht selektiv, sondern insgesamt zu lesen. In Ziffer 2 heiße es eindeutig, dass die Tilgung des Beitragsrückstandes sowie die Zahlung der Verzugszinsen des laufenden Betrages ausnahmslos per Lastschrift zu erfolgen haben. Unter Ziffer 3 werde klargestellt, dass die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen unberührt bleibe. Insoweit ergebe sich aus der getroffenen Vereinbarung in aller Deutlichkeit, dass auch „unter“ der Tilgungsvereinbarung für die rückständigen Beträge Zinsen zu zahlen seien. Das beklagte Versorgungswerk habe sich lediglich bereit erklärt, den Rückstand aktuell nicht beizutreiben und sich mit der ratenweisen Tilgung (unter laufenden Zinsen) einverstanden erklärt.
26Bei § 33 Abs. 6 Satz 2 handele es sich nicht um eine intendierte, sondern um eine vorgegebene Handhabung des Satzungsgebers. Der Satzungsgeber habe einen Mindestzinssatz konzipieren dürfen, der es für die Mitglieder unattraktiv mache, Beiträge verspätet zu zahlen. Nur so könne gegenüber den pünktlichen Beitragszahlern ein nicht ausgewogenes und ungerechtes Ergebnis vermieden werden. Zudem dürften Zinsgewinne bei Mitgliedern, die einer verspäteten Beitragszahlung gegenüberstehen, abgeschöpft werden. Der Kläger übersehe in seiner Argumentation, dass die Solidargemeinschaft zur Erwirtschaftung des zugesagten Rechnungszinses darauf angewiesen sei, dass die Beitragspflicht zum Fälligkeitszeitpunkt erfüllt werde. Nur so könnten im Raume stehende Anlagemöglichkeiten im Interesse der Solidargemeinschaft perspektivisch genutzt werden. Zudem bleibe das sich auch unter einer Tilgungsvereinbarung ergebende Druckmittel bestehen, das Mitglied zur Einhaltung des Tilgungsplans nachdrücklich zu motivieren und ggf. auch außerhalb des Plans Zahlungen zu leisten. Hiervon zu trennen sei die Frage, ob der Kläger selbst durch die verspätete Beitragszahlung Nachteile erleide. Dies sei der Fall, da für nicht entrichtete Beiträge kein Versicherungsschutz gewährt werde. Vor diesem Hintergrund sei der von dem Satzungsgeber statuierte Mindestverzugszinssatz gerechtfertigt und angemessen und stelle sich eben nicht als „Strafzins“ dar.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die durch Einbeziehung der im Tatbestand aufgeführten Bescheide des Beklagten in das Klageverfahren vorgenommene Klageerweiterung ist als Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 und 2 VwGO zulässig. Sie ist sachdienlich, weil es insgesamt um die Begleichung ausstehender Zinsforderungen des Beklagten geht. Der Streitstoff bleibt also auch nach Klageerweiterung im Wesentlichen derselbe; dies dient der endgültigen Beilegung des Rechtsstreits. Überdies hat der Beklagte in die Klageänderung eingewilligt, indem er sich, ohne zu widersprechen, in der mündlichen Verhandlung auf sie eingelassen hat.
30Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Die angegriffene Verzugszinsfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
31Gemäß § 33 Abs. 6 S. 2 bis 4 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen – im Folgenden: SVR – sind bei Zahlungsverzug von mehr als drei Monaten Zinsen ab Fälligkeit in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz, mindestens aber 12 % p.a. zu berechnen. Säumniszuschlag und Zinsen werden mit Bescheid festgesetzt. Das Mitglied hat die durch Einziehung der Beiträge entstanden Kosten zu tragen.
32Diese Voraussetzungen liegen vor. Im Zeitpunkt der Zinsfestsetzung befand sich der Kläger mehr als drei Monate mit der Zahlung auf seine – mittlerweile bestandskräftigen – Beitragsforderungen aus den Jahren 2012, 2013 und 2014 in Verzug, so dass die Zinsfestsetzung in Höhe von 12 % bezogen auf die jeweilige Beitragsforderung nicht zu beanstanden ist.
33Die Fälligkeit der zugrunde liegenden Beitragsforderungen richtet sich nach § 33 Abs. 1 Satz 2 SVR. Danach sind die Pflichtbeiträge bis zum 15. eines jeden Monats zu entrichten. Dies zugrundegelegt, bestehen keine Zweifel, dass sich der Kläger mit der Entrichtung seiner Beiträge für die Jahre 2012, 2013 und 2014 zum Zeitpunkt des ersten streitgegenständlichen Beitragsbescheides vom 3. Dezember 2014 in Verzug befand.
34Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beteiligten unter dem 10. September 2014 eine „Tilgungsabsprache“ getroffen haben. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich der Vereinbarung nicht entnehmen, dass die Fälligkeit der von dem Kläger geschuldeten Leistung hinausgeschoben und dadurch der bereits eingetretene Verzug rückgängig gemacht wurde.
35Zwar ist – auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – geklärt, dass der Schuldner dann nicht in Verzug gerät, wenn die zunächst festgelegte Leistungszeit vor deren Ablauf einvernehmlich hinausgeschoben, die Erfüllung dieser Leistungspflicht also gestundet wird. Auch besteht Einigkeit darüber, dass ein bereits eingetretener Verzug geheilt wird, wenn der Gläubiger dem Schuldner die Leistung nachträglich stundet.
36Vgl. etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 14. Juli 2011 – 8 ME 113/11 –; BGH, Urteil 24. Oktober 1990 – VIII ZR 305/89 –; zitiert nach juris.
37Eine solche Stundungsvereinbarung haben die Beteiligten entgegen der Auffassung des Klägers jedoch nicht getroffen.
38Unter einer Stundung ist das Hinausschieben der Fälligkeit einer Forderung bei bestehenbleibender Erfüllbarkeit zu verstehen. Sie verschafft dem Schuldner eine Einrede und schließt den Schuldnerverzug für ihre Dauer aus.
39Kerwer in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 271 BGB Rdn. 12.
40Die Stundung setzt nach allgemeiner Ansicht einen Vertrag der Parteien voraus. Ein bloßes einseitiges Angebot genügt nicht. Die Parteien müssen sich vielmehr - durch Angebot und dessen Annahme - einig geworden sein. Notwendig ist dabei insbesondere ein rechtlicher Bindungswille der Parteien. Auf Seiten des Gläubigers genügt es vor allem nicht, dass er Leistungsverweigerungen des Schuldners oder entsprechende Ankündigungen nur resignierend hinnimmt. Es muss vielmehr der Wille feststellbar sein, sich hinsichtlich der Durchsetzbarkeit seiner Forderung rechtlich zu beschränken. Das ist unter umfassender Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, bei der sich - über den Gebrauch des Wortes „Stundung“ hinaus, der aber nicht notwendig ist - zwingende Kriterien kaum angeben lassen. Selbst die Vereinbarung höherer Zinsen für den Fall der Nichtleistung lässt nicht unwiderleglich den Schluss zu, dass die Durchsetzbarkeit der Forderung eingeschränkt sein soll.
41Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, 2014, § 205 Rdn. 8.
42Von der Stundungsvereinbarung ist das Versprechen des Gläubigers zu unterscheiden, eine bereits fällige Forderung zeitweise nicht geltend zu machen (sog. pactum de non petendo). Soll nur die prozessuale Geltendmachung ausgeschlossen sein, so gewährt das pactum de non petendo dem Schuldner eine prozesshindernde Einrede, mit der Folge, dass die Klage als zurzeit unzulässig abgewiesen wird. Möglich ist allerdings auch, dass die materiell-rechtliche Durchsetzung der Forderung beschränkt und dem Schuldner eine materielle Einrede gewährt werden soll; in diesem Fall ist eine Klage als zurzeit unbegründet abzuweisen. In jedem Fall wird aber nicht die Fälligkeit der Forderung, sondern lediglich ihre Durchsetzbarkeit berührt. Eine Stundung ist im Zweifel auch dann nicht gegeben, wenn der Gläubiger verspricht, aus einem Titel bis zum Eintritt der Rechtskraft nicht zu vollstrecken. Eine solche Abrede ist in der Regel rein vollstreckungsrechtlicher Natur und ändert nichts an der Fälligkeit der Forderung und einem möglichen Verzug.
43Vgl. Kerwer in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 271 BGB Rdn. 12.
44So liegt es hier. Entgegen der Auffassung des Klägers haben die Beteiligten keine Stundungsvereinbarung, sondern eine reine Tilgungsabsprache getroffen, durch die die Fälligkeit der von dem Kläger geschuldeten Leistung nicht berührt worden ist.
45Anhaltspunkte für einen Rechtsbindungswillen der Beteiligten, eine verzugsbeendende Stundungsabrede zu treffen, lassen sich der Vereinbarung nicht entnehmen. Schon die äußere Form der zwischen den Beteiligten geschlossenen Vereinbarung spricht gegen die Annahme, dass dieser nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien fälligkeits- und damit verzugsausschließender Charakter zukommen sollte. Hierfür spricht neben der von dem Beklagten verwendeten Bezeichnung „Tilgungsabsprache“ insbesondere der Wortlaut der Vereinbarung. Da in Ziffer 1 nicht etwa ein „Hinausschieben“ mit der Begleichung des rückständigen Beitrages – wie für eine Stundung typisch – vereinbart wurde, sondern die sofort beginnende Begleichung der (vollständigen) Schuld in einzelnen Raten, spricht bereits insoweit vieles dafür, von dem Vorliegen einer bloßen Tilgungsabsprache ohne Modifizierung der satzungsgemäß eintretenden Fälligkeit auszugehen. Eine verzugshemmende Vereinbarung ist hierin nicht zu sehen.
46Für eine solche Betrachtungsweise spricht auch der dem streitbefangenen Vertragswerk zu Grunde liegende Antrag des Klägers vom 8. September 2014. Wie die getroffene Tilgungsabsprache enthält auch dieser in sprachlicher Hinsicht keinen Hinweis auf das Vorliegen einer Stundungsvereinbarung. Der Kläger beantragte im Hinblick auf den Beitragsrückstand vielmehr lediglich, „diesen Betrag nicht in einer Summe, sondern im Rahmen einer förmlichen Tilgungsabsprache zu leisten“ und zu diesem Zwecke zusätzlich zu einem Anzahlungsbetrag in Höhe von 12.000,00 Euro ab dem Monat Oktober 2014 monatliche Raten in Höhe von 500,00 Euro auf den restlichen Rückstand zu leisten. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des klägerischen Schreibens, das ausdrücklich von einer Tilgungsabsprache, nicht aber von einer Stundung spricht, streitet auch insoweit einiges dafür, dass es dem Kläger nicht um ein Hinausschieben der Fälligkeit ging, sondern darum, die von ihm geschuldete Leistung ratenweise begleichen zu können.
47Dafür, dass die Beteiligten lediglich eine Tilgungsabsprache ohne verzugshemmende Wirkung getroffen haben, sprechen auch systematische Gründe. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die in Ziffer 3 Satz 3 der Vereinbarung enthaltene Formulierung, „die Nichteinlösung einer Lastschrift, deren Rückruf oder Rückgabe bewirken die sofortige Fälligkeit des „gesamten noch verbliebenen Rückstandes mit der Konsequenz einer Beitreibung im Wege der Zwangsvollstreckung“, gegen eine bestehende Fälligkeit des gesamten rückständigen Beitrages sprechen könnte. Indes wird in Ziffer 3 Satz 2 SVR – also systematisch vorstehend – ausdrücklich auf die bestehende Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 33 Abs. 6 SVR hingewiesen. Angesichts dessen kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass der in Ziffer 3 Satz 2 enthaltene Verweis auf die Regelung des § 33 Abs. 6 SVR lediglich allgemeiner Natur und ohne konkreten Bezug auf die zwischen den Beteiligten geschlossene Vereinbarung ist.
48Schließlich ist die Annahme einer Stundungsvereinbarung auch angesichts des Sinn und Zwecks der getroffenen Absprache sowie der Interessen der Beteiligten fernliegend. Die Möglichkeit des Abschlusses einer Stundungsvereinbarung ist in der Versorgungssatzung des Beklagten nicht vorgesehen. Diese bestimmt in § 33 Abs. 8 vielmehr: „Das Versorgungswerk kann zur Tilgung von Beitragsrückständen Absprachen treffen. In besonderen Härtefällen können Beitragsrückstände und auf Antrag Säumniszuschläge ganz oder teilweise niedergeschlagen werden.“ Der Abschluss einer Stundungsvereinbarung, wie von dem Kläger angenommen, ist dort ausdrücklich nicht erwähnt und entspricht auch nicht den Interessen der Versichertengemeinschaft. Denn eine Stundung bedeutet aus Sicht des Versorgungswerks einen Verzicht auf ein wirksames Druckmittel gegenüber einem säumigen Mitglied, fällige und damit grundsätzlich vollstreckbare Beiträge beizutreiben. Der Kläger konnte und durfte gemäß §§ 133, 157 BGB nicht zuletzt angesichts der beträchtlichen Höhe seines Beitragsrückstandes nicht davon ausgehen, dass sich das Versorgungswerk dieses Druckmittels begeben würde.
49Soweit der Kläger sich schließlich gegen die Höhe der festgesetzten Verzugszinsen zur Wehr setzt, vermag diese die Grenze zum verfassungsrechtlichen Übermaßverbot nach Einschätzung des erkennenden Gerichts noch nicht zu überschreiten.
50Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes ergeben sich als übergreifende Leitregeln allen staatlichen Handelns zwingend aus dem Rechtsstaatsprinzip und haben deshalb Verfassungsrang. Jeder Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich steht unter dem rechtsstaatlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit des Mittels, das sich im Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst ergibt, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist. Das gewählte Mittel und der gewollte Zweck müssen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Das bedeutet, dass der Eingriff zur Erreichung des vom Gesetzgeber erstrebten Zieles geeignet, aber auch erforderlich sein muss, mithin das Ziel nicht auf eine andere, den Einzelnen weniger belastende Weise ebenso gut erreicht werden kann und dass schließlich das Maß der den Einzelnen treffenden Belastung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den ihm und der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Die Unzumutbarkeit einer Regelung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist allerdings nur dann gegeben, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von ihm hinzunehmenden Einbußen steht.
51Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 7. Aufl. 1975, 68. Lieferung 05.2015, Art. 20 GG Rdn. 776 m.w.N.
52Eine unzumutbare Belastung des Klägers, die zur Verfassungswidrigkeit der in § 33 Abs. 6 SVR normierten Verzugszinsfestsetzung führt, liegt nicht vor. Sie steht insbesondere nicht außer Verhältnis zu dem von den Versorgungswerken mit der Erhebung der Zinsen verfolgten Zweck.
53Im Steuerrecht ist anerkannt, dass Säumniszuschlägen regelmäßig eine doppelte Zielrichtung innewohnt. Zum einen sind sie ein Druckmittel eigener Art, das den Schuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Darüber hinaus verfolgen sie den Zweck, vom Schuldner eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Beträge zu erhalten und Verwaltungsaufwendungen abzugelten, die bei den verwaltenden Körperschaften regelmäßig entstehen, wenn Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß bezahlen.
54BFH, Urteil vom 16.07.1997 – XI R 32/96 –; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28.04.2006 – 19 K 7049/03 –; zitiert nach juris; Kammer, Urteil vom 29. August 2007 – 20 K 3446/05 –.
55Diese Zielrichtungen liegen auch der Verzugszinsfestsetzung des § 33 Abs. 6 SRV zugrunde.
56Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28.04.2006 a.a.O. –, Kammer, Urteil vom 29. August 2007 – 20 K 3446/05 –.
57Den mit ihnen verbundenen Nachteilen auf Seiten des Mitglieds in Form einer nicht unerheblichen finanziellen Belastung stehen die berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft gegenüber. Im Gegensatz zu den in der Rechtsprechung behandelten Steuertatbeständen dienen diese nämlich nicht allgemein der Finanzierung eines Gemeinwesens, sondern einem konkret festgelegten Zweck, nämlich der Versorgung der ihnen zugehörigen Mitglieder. Dem Beitragsaufkommen ist infolgedessen eine solidarische Zielrichtung immanent. Der Zusammenschluss als Versicherten- und Solidargemeinschaft führt dazu, dass das Versorgungswerk im Interesse alle Mitglieder die Anlagemöglichkeiten und damit die Bewirtschaftung der Beiträge zukunftssicher kalkulieren kann. Entgegen der Auffassung des Klägers verbietet sich vor diesem Hintergrund eine isolierte Betrachtung seines eigenen Mitgliedsverhältnisses: Zwar erleidet die Versorgungsgemeinschaft durch die fehlende Entrichtung keinen unmittelbaren Nachteil, da der fälligen Beitragsschuld eine verzögerte Entstehung seiner Rentenanwartschaften gegenübersteht. Gehen die von ihm zu entrichtenden Mitgliedsbeiträge indes nicht zu dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt bei dem Versorgungswerk ein, beeinflusst dies die Anlagemöglichkeiten der Versichertengemeinschaft und damit die sichere Gewährleistung zugesagter Rentenanwartschaften.
58Auch die Entscheidung des Satzungsgebers, den in § 33 Abs. 6 SVR normierten Zinssatz nicht an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen, begegnet zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen (verfassungs-)rechtlichen Bedenken.
59In der verwaltungs- und finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist im Zusammenhang mit der Höhe der Verzinsungsregelungen nach §§ 233a ff. der Abgabenordnung (AO) inzwischen geklärt, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf eine von ihm statuierte öffentlich-rechtliche Zinsfestsetzung zur Korrektur einer typisierenden Regelung verpflichtet sein kann, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, die Grundlage einer zulässigen Typisierung waren, durchgreifend ändern.
60Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 – 14 A 1196/13 –; VG Köln, Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2015 – 24 K 3933/14 –; siehe auch BVerfG, Urteil vom 26. März 1980 – 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76 – zur Rentenbesteuerung; Urteil vom 28. November 1984 – 1 BvR 1157/82 – zur Anhebung des Rechnungszinsfußes bei Pensionsrückstellungen –; zitiert nach juris.
61Das Bundesverfassungsgericht hat eine solche Anpassungspflicht im Bereich der Rentenbesteuerung allerdings nicht grenzenlos statuiert. Vielmehr führen nach der vornehmlich zu Art. 3 GG entwickelten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vorhandene Ungleichheiten nicht in jedem Fall zur sofortigen Verfassungswidrigkeit und werden dem Gesetzgeber zur Beseitigung solcher Ungleichheiten in bestimmten Fällen Fristen eingeräumt. Das ist einmal dann der Fall, wenn der Gesetzgeber sich bei Neuregelung eines komplexen Sachverhaltes zunächst mit einer gröber typisierenden und generalisierenden Regelung begnügt, um diese nach hinreichender Sammlung von Erfahrungen allmählich durch eine entsprechend fortschreitende Differenzierung zu verbessern. Zum anderen gilt dies auch dann, wenn die tatsächlichen Verhältnisse sich im Rahmen einer langfristigen Entwicklung in einer Weise verändert haben, dass die Beseitigung der Unstimmigkeiten durch eine einfache und daher schnell zu verwirklichende Anpassung nicht möglich ist.
62Vgl. BVerfG, Urteil vom 26. März 1980 – 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76 –; zitiert nach juris.
63Vor dem Hintergrund, dass Zinssätze mit Rücksicht auf wirtschaftliche und politische Implikationen Schwankungen unterliegen, wie sie sich in der Vergangenheit stets abgebildet haben, ist dem Gesetzgeber danach eine gewisse Beobachtungszeit zuzubilligen, bevor eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse unumgänglich wird.
64Vgl. FG Hamburg, Urteil vom 23. Mai 2013 – 2 K 50/12 –; zitiert nach juris.
65Ungeachtet der Zweifel, ob sich die genannten Grundsätze uneingeschränkt auf die Verzinsung von Beitragsrückständen im Bereich der berufsständischen Versorgungswerke übertragen lassen, sieht das erkennende Gericht die Grenze zum verfassungsrechtlichen Übermaßverbot nicht als verletzt an. Zwar hat sich – anders als in den letzten vier Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts mit erheblichen Zinsschwankungen – nunmehr ersichtlich ein Niedrigzinsniveau stabilisiert, so dass davon auszugehen sein könnte, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den Gegebenheiten bei Einführung des Zinssatzes von 12 Prozent per anno entscheidend verändert haben. Jedoch ist nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung bereits nicht davon auszugehen, dass sich hieraus insgesamt eine dauerhafte Entwicklung herleiten lässt, die den Verzinsungsregelungen der § 233a ff. AO ihre Grundlage entziehen würde.
66Vgl. BFH, Beschluss vom 29. Mai 2013 – X B 233/12 –; zitiert nach juris.
67Für die streitbefangene Verzugszinsregelung des § 33 Abs. 6 SVR muss dies erst recht gelten. Anders als die der genannten Rechtsprechung zugrundeliegenden Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO, die erhoben werden, wenn die Festsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder –erstattung auf Seiten des Steuerschuldners führt und die damit gewissermaßen durch einen kurzfristigen bzw. wenig vorhersehbaren Tatbestand gekennzeichnet sind, liegt der Beitragsberechnung der berufsständischen Versorgungswerke – und ihnen folgend die Verzugszinsfestsetzungen im Falle von Beitragsrückständen – eine langfristige versicherungsmathematische Kalkulation zu Grunde. Im sogenannten offenen Deckungsplanverfahren, welches der Beklagte betreibt, führen die Beiträge der Mitglieder zu Rentenansprüchen, ohne dass dabei das Alter berücksichtigt wird, in dem die Beiträge geleistet werden. Für die Finanzierung durch den Beklagten ergeben sich durch die unterschiedlich lange Zinswirkung der Beiträge jedoch erhebliche Unterschiede. Versicherungsmathematisch werden durch die Beiträge der jüngeren Mitglieder Gewinne erzielt, mit denen die Beitragsstabilität für ältere Mitglieder gesichert werden kann. Durch die Zinswirkung der geleisteten Versorgungsabgaben tragen die Beiträge der jüngeren Mitglieder damit diejenigen der älteren mit.
68Vgl. Kammer, Urteil vom 5. September 2012 – 20 K 5747/11 –.
69Dieses Deckungssystem wird durch säumige Mitglieder gefährdet, da ihm durch ein fehlendes Beitragsaufkommen gleichermaßen die Substanz entzogen wird. Es erscheint daher auch im Lichte von Art. 20 Abs. 3 GG gerechtfertigt, die in § 33 Abs. 6 SVR niedergelegte Pflicht zur Entrichtung von Verzugszinsen in Höhe von 12 % als verfassungsrechtlich zulässige Typisierung anzusehen.
70Vgl. zur Zulässigkeit typisierender Zinsregelungen im Abgabenrecht BVerfG, Beschluss vom 3. September 2009 – 1 BvR 2539/07 –; BFH, Urteil vom 20. April 2011 – I R 80/10 –; Beschluss vom 29. Mai 2013 – X B 233/12 – jeweils zu § 233 AO –; zitiert nach juris.
71Aus den vorstehenden Erwägungen wird eine Anpassung der Verzugszinsfestsetzung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) von Verfassung wegen nicht verlangt. Denn eine solche würde die Versichertengemeinschaft angesichts regelmäßiger Schwankungen des Marktzinses vor erhebliche praktische Schwierigkeiten stellen, da unter anderem jeweils für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären.
72Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. September 2009 – 1 BvR 2539/07 –; VG Köln, Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2015 – 24 K 3933/14 – jeweils zu § 233 AO; zitiert nach juris.
73Nach alledem kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden, dass der Satzungsgeber hier die verfassungsmäßigen Grenzen seines Gestaltungsspielraums überschritten hat. Ob und inwieweit die in der Satzung niedergelegte Zinshöhe angesichts des gleichbleibend niedrigen Zinsniveaus künftig einer Anpassung bedarf, bedarf zum jetzigen Zeitpunkt keiner Entscheidung.
74Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist für einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch des Klägers kein Raum. Die Klage muss daher insgesamt der Abweisung unterliegen.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
76Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 VwGO.
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(1) Für die Dauer einer gewährten Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis werden Zinsen erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ablauf der Stundung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.
(2) Auf die Zinsen kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.
(3) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 124.913,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Ausweislich der Begründung des Zulassungsantrages vom 7. Juni 2013 wendet sich die Klägerin weder gegen die Zulässigkeit einer Typisierung im Rahmen der Verzinsungsregelung des § 233a der Abgabenordnung - AO - noch gegen das den Verzinsungsregelungen der Abgabenordnung zugrunde liegende Prinzip der Vollverzinsung. Sie wendet sich vielmehr ausdrücklich nur gegen die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe der Zinsen von einhalb Prozent für jeden Monat.
4Unter anderem die Festsetzung der Zinshöhe in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO hat das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung,
5vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.9. 2009 - 1 BvR 2539/07 -, BFH-NV 2009, 2115, juris; BFH, Urteil vom 20.4.2011 - 1 R 80/10 -,
6BFH-NV 2011, 1654; juris,
7als verfassungsgemäß angesehen, wobei die in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätze durch die nachfolgende Rechtsprechung,
8vgl. BGH, Urteil vom 24.4.2012 - XI ZR 360/11 -, NJW 2012, 2266; juris; BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1; juris,
9bestätigt worden seien.
10Die mit der Zulassungsbegründung vom 7. Juni 2013 geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - liegen nicht vor oder sind bereits nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt.
11Dies gilt zunächst hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
12Ernstliche Zweifel lassen sich nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht sich, wie die Klägerin meint, im Rahmen der Entscheidungsgründe unter Bezugnahme auf die genannte Rechtsprechung im Wesentlichen mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 233a AO betreffend die Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen beschäftigt habe, während sich die Einwendungen ausschließlich gegen die Höhe des Zinssatzes richteten.
13Richtig ist, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs als Ausgangspunkt der rechtlichen Erwägungen die Regelung des § 233a AO nennen. Es wird aber in diesem Zusammenhang auch jeweils die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe des Zinssatzes in die rechtliche Überprüfung einbezogen. So hat das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 u. a. ausgeführt: "… erweist sich die Verzinsung nach dieser Vorschrift - auch im Hinblick auf den über § 238 AO anzuwendenden Zinssatz von 0,5 % je Monat - als verfassungsgemäß" (juris, Rn. 13). Auch der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 20. April 2011 die Höhe des Zinssatzes in seine Erwägungen eingestellt, was bereits Satz 2 des Leitsatzes (juris) deutlich macht, wo es heißt: "Der Gesetzgeber ist nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO enthaltenen Zinssatz an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen."
14Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben sich auch nicht infolge der allgemeinen Zinsentwicklung zumindest, wie die Klägerin meint, seit dem Jahr 2009, also für den Zeitraum nach dem Ergehen des o. a. Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009.
15Daraus, dass es nicht ersichtlich ist, ob das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht betreffend den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verzinsungszeitraum bis März 2006 auch für den folgenden Zeitraum aufrecht erhalten hätte, lässt sich nichts für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten gesetzlichen Zinshöhe herleiten.
16Aus der allgemeinen Zinsentwicklung folgt auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer allgemeinen Anpassung der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinshöhe oder zu einer Anpassung beschränkt auf die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO. Eine solche Verpflichtung würde voraussetzen, dass der gesetzlichen Regelung durch eine Änderung hier der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die allgemeine Zinsentwicklung die für ihren Erlass, also für die Festsetzung auf einhalb Prozent für jeden Monat, maßgebliche Grundlage entzogen wäre.
17Vgl. nur BVerfG, Urteil vom 25.7.2012 - 2 BvE 9/11 u. a. - BVerfGE 131, 316; juris (zum Wahlrecht), m. w. N.
18Wie die Klägerin selbst ausführt, würde dies voraussetzen, dass der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe dauerhaft völlig auseinanderfielen.
19Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass ausweislich ihrer Aufstellungen die Zinsen betreffend die Geldmarktsätze, den EURIBOR und die Umlaufrendite zumindest seit dem Jahr 2009, worauf auch die Klägerin abstellt, erheblich gefallen sind. Daraus lässt sich jedoch keine dauerhafte Entwicklung herleiten, die der gesetzlichen Regelung ihre Grundlage entziehen würde. Die Entwicklung des Zinsniveaus betreffend die genannten dem Geld- und Kapitalmarkt entnommenen Sätze, wie sie die Klägerin anführt, sind, für sich gesehen, nicht geeignet, die hier in Rede stehende Höhe von Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO entscheidungserheblich in Frage zu stellen, und damit erst recht nicht allgemein die Zinshöhe gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betreffend sämtliche Verzinsungstatbestände. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil durch die wörtliche Wiedergabe von Passagen aus dem o. a. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.9.2009 - 1 BvR 2539/07 - auf den Sinn und Zweck der Zinsfestlegung in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO abgestellt. Danach sollen durch die Sollverzinsung u. a. der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen bemisst sich jedoch gerade nicht ausschließlich anhand des Zinsniveaus, das sich in den Geldmarktsätzen, dem EURIBOR und den Umlaufkrediten widerspiegelt. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht in dem vom Verwaltungsgericht dem Urteil zugrunde gelegten und damit auch vom Senat im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu berücksichtigenden Nichtannahmebeschluss vom 3.9.2009 ausgeführt hat (vgl. juris, Rn. 29), hängt es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen ab, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. So beschränkt sich der Einsatz von zunächst für die Begleichung von Steuerforderungen nicht benötigtem Kapital nicht auf Anlagen, die als Rendite lediglich den Geldmarktzinssatz ergeben. Vielmehr kommen regelmäßig auch andere Anlagen etwa in Form von Investitionen in Betracht, die weitaus höhere Rendite erwarten lassen und auch ergeben dürften. Auch kann sich ein Liquiditätsvorteil in der Entbehrlichkeit einer ansonsten erforderlichen Kreditaufnahme oder der Ermöglichung der Rückzahlung bereits aufgenommener Kredite niederschlagen, so dass der ersparte Kreditzins den Vorteil richtig widerspiegelt. Andererseits liegt es nahe, etwa bei vorhandenem, aber zunächst nicht benötigtem Kapital soweit wie möglich hohe Vorausleistungen zu entrichten, um dann bei zu erwartenden Steuererstattungen mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO erheblich über dem Marktzinssatz liegende Rendite zu erzielen. Lediglich in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger wegen eines reinen, nicht weiter nutzbaren Liquiditätsüberschusses von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen kann, dürfte der Vorteil in dem erzielbaren Geldmarktzins liegen. Sollte ein solcher Ausnahmefall vorliegen, mag an einen Teilerlass der Zinszahlungspflicht aus sachlichen Billigkeitsgründen gedacht werden können.
20Dass unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte der gesetzliche Zinssatz von 0.5 % je Monat sich als verfassungswidrig erweisen könnte, ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen und auch nicht sonst wie ersichtlich.
21Unabhängig davon ist die mit den Aufstellungen der Klägerin geltend gemachte Zinsentwicklung zwar in ihrer Gesamtheit durch eine abfallende Tendenz beginnend mit dem Jahr 1993 gekennzeichnet. Diese abfallende Tendenz, in deren Rahmen bereits im Jahr 1994 der Geldmarktsatz die Grenze von 6 % pro Jahr unterschritten hatte, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht als Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinshöhe in Zweifel zu ziehen, obwohl das in den Aufstellungen der Klägerin bezeichnete allgemeine Zinsniveau bis zum Jahr 2006, also innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren, unter der Grenze von 6 % pro Jahr verblieben war.
22Hinreichender Anlass, dies nunmehr im Hinblick auf die seit dem eingetretene Entwicklung in Frage zu stellen, besteht nicht. Die Entwicklung seit dem Jahr 2006 ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst in den Jahren 2007 und 2008 im Vergleich zu den Vorjahren 2002 bis 2006 eine erhebliche Steigerung des allgemeinen Zinsniveaus zu verzeichnen war, bevor erst im Jahr 2009 eine signifikante gegenteilige Entwicklung einsetzte. Dies gilt umso mehr, als der den vorliegenden Bescheid vom 17. August 2012 zugrunde liegende Verzinsungszeitraum die Zeit zwischen dem 1. April 2005 und dem 20. August 2012 betraf, für den die von der Klägerin ebenfalls in Bezug genommene nachfolgende Zinsentwicklung noch nicht maßgeblich war.
23Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt dem Hinweis der Klägerin auf die Entwicklung des Basiszinssatzes gemäß § 247 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - keine streitentscheidende Bedeutung zu. Lediglich ergänzend weist der Senat insoweit beispielshaft darauf hin, dass bei einer der häufigsten Anwendungsbereiche des Basiszinssatzes, nämlich bei der Berechnung von Verzugszinsen. die gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen, auch unter Berücksichtigung des variablen Basiszinssatzes sich die Zinshöhe in den Jahren 2002 bis 2009 im Bereich von über 6 % bewegt, in den Jahren 2009 bis 2011 mit mehr als 5 % der Grenze von 6 % nahekommt.
24Vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 30. Mai 2014 - 14 A 923/14 -.
25Soweit die Klägerin im Rahmen der Zulassungsbegründung auf die Möglichkeit der Regelung eines variablen Zinssatzes abstellt, lassen sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO herleiten. Dass dem Gesetzgeber eine derartige Regelung offensteht, lässt nicht den Rückschluss zu, dass damit andere Regelungen, wie hier die des feststehenden Zinssatzes, verfassungswidrig wären.
26Da entsprechend dem voranstehenden Ausführungen keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe des Zinssatzes vom 6 % pro Jahr gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen, lässt sich unter diesem Gesichtspunkt auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO herleiten.
27Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Finanzgericht Düsseldorf,
28vgl. Urteil vom 13.7.2010 - 6 K 4585/07 AO -, EFG 2010, 1969; juris (dem Urteil des BFH vom 20.4.2011 - I R 80/10 - vorausgehend),
29die Revision zugelassen hatte, weil der Bundesfinanzhof die Revision zurückgewiesen hat. Im Übrigen ergibt sich keine Verpflichtung des Senats, der Einschätzung des Finanzgerichts Düsseldorf zu folgen, zumal das Finanzgericht Düsseldorf in der Sache von einer Verfassungsmäßigkeit des in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinssatzes ausgegangen ist.
30Gleiches gilt für die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. November 2013 erwähnte Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg,
31vgl. Urteil vom 25.5.2013 - 2 K 50/12 -, EFG 2013, 1734; juris,
32zumal diese Entscheidung Aussetzungszinsen im Sinne von § 237 AO betraf und nicht Nachforderungszinsen im Sinne von § 233a AO wie im vorliegenden Fall.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3 sowie 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheides beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der im Rahmen der Verzinsungsregelungen nach §§ 233a ff. der Abgabenordnung (AO) festzusetzenden Zinsen.
3Mit Zerlegungsbescheid vom 24. Juni 2014 setzte das Finanzamt Paderborn den für das Veranlagungsjahr 2012 auf die Beklagte entfallenden Gewerbesteuermessbetrag auf 786,63 Euro fest.
4Hiervon ausgehend veranlagte die Beklagte die Klägerin mit Gewerbesteuerbescheid vom 10. Juli 2014 zur Gewerbesteuer für das Jahr 2012 in Höhe von 3.736,49 Euro.
5Mit Gewerbesteuerzinsbescheid vom 10. Juli 2014 setzte die Beklagte Nachzahlungszinsen für das Veranlagungsjahr 2012 in Höhe von 55,00 Euro fest. Sie legte der Berechnung einen zu verzinsenden Betrag in Höhe von 3.700,00 Euro, einen Zinslauf vom 1. April bis 14. Juli 2014 (3 volle Monate) sowie einen monatlichen Zinssatz von 0,50 % zugrunde.
6Die Klägerin hat am 22. Juli 2014 Klage gegen den Gewerbesteuerzinsbescheid erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass der Zinssatz von 6 % pro Jahr seit geraumer Zeit nicht mehr marktüblich sei.
7Zugleich hat sie unter Hinweis auf ein bei dem Finanzgericht Düsseldorf anhängiges Klageverfahren (neu - 6 K 2497/12 -) einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens gestellt.
8Die Klägerin beantragt sinngemäß,
9den Gewerbesteuerzinsbescheid der Beklagten vom 10. Juli 2014 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass die Festsetzung von Zinsen in Höhe von monatlich 0,5 % der gesetzlichen Vorgabe des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO entspreche. Die Höhe des Zinssatzes stelle keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot dar. Es solle nach der Absicht des Gesetzgebers kein konkreter Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall ermittelt werden müssen, da dieser unabhängig von den Schwankungen des Marktes von subjektiven Entscheidungen des jeweiligen Steuerpflichtigen abhänge und damit kaum ermittelbar sei. Zudem wirke der festgesetzte Zinssatz gleichermaßen zugunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen.
13Da die Gesetzeslage eindeutig und mit einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht zu rechnen sei, sei sie mit einem Ruhen des Verfahrens nicht einverstanden.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe
16Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung sowie den Einzelrichter entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist und keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 84 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
17Dem Antrag der Klägerin, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, war nicht nachzukommen. Nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass diese Anordnung wegen des Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen zweckmäßig ist. Hier fehlt es bereits an einem entsprechenden Antrag der Beklagten, da diese sich dem Antrag der Klägerin nicht angeschlossen hat.
18Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
19Der Gewerbesteuerzinsbescheid der Beklagten vom 10. Juli 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
20Die Zinsfestsetzung beruht auf § 233a AO i.V.m. §§ 238, 239 AO, die nach § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 3 Abs. 2 AO auch für die Gewerbesteuer als Realsteuer Anwendung finden. Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sind Steuern zu verzinsen, wenn die Festsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder -erstattung führt. Der Zinslauf beginnt nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Die Gewerbesteuer entsteht mit dem Ablauf des Erhebungszeitraumes, der mit dem jeweiligen Kalenderjahr gleichgesetzt ist (§ 18, § 14 Satz 2 GewStG). Der Zinslauf endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird, § 233a Abs. 2 Satz 3 AO. Die Zinsen betragen nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden vollen Monat einhalb Prozent. Rechnerische Bedenken gegen die Zinsfestsetzung gemäß Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2014 hat die Klägerin weder geltend gemacht noch sind diese ersichtlich. Die Klägerin wendet sich ausschließlich gegen die Höhe der Zinsen gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO von 6 % jährlich.
21Der nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgelegte Zinssatz begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
22Die typisierende Festlegung des Zinssatzes durch den Gesetzgeber ist mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar,
23vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris; Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 20. April 2011 – I R 80/10 -, und Beschluss vom 29. Mai 2013 – X B 233/12 -, beide juris.
24Nach der Absicht des Gesetzgebers soll der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen,
25vgl. Bundestagsdrucksache (BTDrucks) 8/1410, S. 13 und 11/2157, S. 194.
26Die Verzinsung selbst knüpft allein an die objektive Möglichkeit an, dass Zins- oder Liquiditätsvorteile entstehen, ohne dass diese konkretisiert oder nachgewiesen werden müssten. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wurde seitens des Gesetzgebers und auch in der Folgezeit bereits deshalb nicht in Betracht gezogen, weil die Schwankungen des Marktzinses zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führten, da unter anderem im einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären,
27vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris unter Bezugnahme auf BTDrucks 8/1410, S. 13.
28Unabhängig davon ist in vielen Fällen eine solche Ermittlung auch deshalb nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet.
29Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Zinssatz des § 238 AO im Rahmen des § 233a AO sowohl für Steuernachforderung wie auch für Steuererstattungen und damit gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt,
30Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris,
31mit der Folge, dass auch Erstattungsansprüche unabhängig davon, ob und in welcher Höhe dem Berechtigten tatsächlich Zinsen entgangen sind, mit monatlich 0,5 % verzinst werden.
32Aus der allgemeinen Zinsentwicklung folgt auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer allgemeinen Anpassung der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinshöhe oder zu einer Anpassung beschränkt auf die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO. Eine solche Verpflichtung würde voraussetzen, dass der gesetzlichen Regelung durch eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - hier im Hinblick auf die allgemeine Zinsentwicklung - die für ihren Erlass, also für die Festsetzung auf einhalb Prozent für jeden Monat, maßgebliche Grundlage entzogen wäre, mithin der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe dauerhaft völlig auseinanderfielen,
33vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 - unter Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom 25. Juli 2012 - 2 BvE 9/11 u. a. - BVerfGE 131, 316, juris (zum Wahlrecht), m.w.N.
34Zwar sind die Zinsen zumindest seit dem Jahr 2009 erheblich gefallen, daraus lässt sich jedoch keine dauerhafte Entwicklung herleiten, die der gesetzlichen Regelung ihre Grundlage entziehen würde,
35vgl. BFH, Beschluss vom 29. Mai 2013 – X B 233/12 -, juris für Zinszahlungsräume ab 2009.
36Zudem kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die im Rahmen des § 233a AO abzuschöpfenden Liquiditätsvorteile gerade bei Geschäftsleuten nicht nur in Gestalt von Zinsen bestehen,
37zur Beschaffenheit von Liquiditätsvorteilen vgl. BFH, Urteil vom 12. April 2000 – XI R 21/97 –, juris Rn. 14, sowie OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -, juris Rn. 17.
38und darüber hinaus in die Vergleichsbetrachtung nicht nur der Anlagezinssatz, sondern auch der Darlehenszinssatz mit einzubeziehen ist,
39vgl. BFH, Beschluss vom 29. Mai 2013 – X B 233/12 -, juris.
40Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 - ausgeführt:
41„Die Entwicklung des Zinsniveaus betreffend die genannten dem Geld- und Kapitalmarkt entnommenen Sätze, wie sie die Klägerin anführt, sind, für sich gesehen, nicht geeignet, die hier in Rede stehende Höhe von Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO entscheidungserheblich in Frage zu stellen, und damit erst recht nicht allgemein die Zinshöhe gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betreffend sämtliche Verzinsungstatbestände. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil durch die wörtliche Wiedergabe von Passagen aus dem o.a. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.9.2009 - 1 BvR 2539/07 - auf den Sinn und Zweck der Zinsfestlegung in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO abgestellt. Danach sollen durch die Sollverzinsung u.a. der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen bemisst sich jedoch gerade nicht ausschließlich anhand des Zinsniveaus, das sich in den Geldmarktsätzen, dem EURIBOR und den Umlaufkrediten widerspiegelt. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht in dem ... Nichtannahmebeschluss vom 3.9.2009 ausgeführt hat (vgl. juris, Rn. 29), hängt es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen ab, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. So beschränkt sich der Einsatz von zunächst für die Begleichung von Steuerforderungen nicht benötigtem Kapital nicht auf Anlagen, die als Rendite lediglich den Geldmarktzinssatz ergeben. Vielmehr kommen regelmäßig auch andere Anlagen etwa in Form von Investitionen in Betracht, die weitaus höhere Rendite erwarten lassen und auch ergeben dürften. Auch kann sich ein Liquiditätsvorteil in der Entbehrlichkeit einer ansonsten erforderlichen Kreditaufnahme oder der Ermöglichung der Rückzahlung bereits aufgenommener Kredite niederschlagen, so dass der ersparte Kreditzins den Vorteil richtig widerspiegelt. Andererseits liegt es nahe, etwa bei vorhandenem, aber zunächst nicht benötigtem Kapital soweit wie möglich hohe Vorausleistungen zu entrichten, um dann bei zu erwartenden Steuererstattungen mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO erheblich über dem Marktzinssatz liegende Rendite zu erzielen. Lediglich in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger wegen eines reinen, nicht weiter nutzbaren Liquiditätsüberschusses von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen kann, dürfte der Vorteil in dem erzielbaren Geldmarktzins liegen. Sollte ein solcher Ausnahmefall vorliegen, mag an einen Teilerlass der Zinszahlungspflicht aus sachlichen Billigkeitsgründen gedacht werden können.
42Dass unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte der gesetzliche Zinssatz von 0.5 % je Monat sich als verfassungswidrig erweisen könnte, ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen und auch nicht sonst wie ersichtlich.
43Unabhängig davon ist die mit den Aufstellungen der Klägerin geltend gemachte Zinsentwicklung zwar in ihrer Gesamtheit durch eine abfallende Tendenz beginnend mit dem Jahr 1993 gekennzeichnet. Diese abfallende Tendenz, in deren Rahmen bereits im Jahr 1994 der Geldmarktsatz die Grenze von 6 % pro Jahr unterschritten hatte, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht als Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinshöhe in Zweifel zu ziehen, obwohl das in den Aufstellungen der Klägerin bezeichnete allgemeine Zinsniveau bis zum Jahr 2006, also innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren, unter der Grenze von 6 % pro Jahr verblieben war.
44Hinreichender Anlass, dies nunmehr im Hinblick auf die seit dem eingetretene Entwicklung in Frage zu stellen, besteht nicht. Die Entwicklung seit dem Jahr 2006 ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst in den Jahren 2007 und 2008 im Vergleich zu den Vorjahren 2002 bis 2006 eine erhebliche Steigerung des allgemeinen Zinsniveaus zu verzeichnen war, bevor erst im Jahr 2009 eine signifikante gegenteilige Entwicklung einsetzte. ...
45Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt dem Hinweis der Klägerin auf die Entwicklung des Basiszinssatzes gemäß § 247 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - keine streitentscheidende Bedeutung zu. Lediglich ergänzend weist der Senat insoweit beispielshaft darauf hin, dass bei einer der häufigsten Anwendungsbereiche des Basiszinssatzes, nämlich bei der Berechnung von Verzugszinsen, die gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen, auch unter Berücksichtigung des variablen Basiszinssatzes sich die Zinshöhe in den Jahren 2002 bis 2009 im Bereich von über 6 % bewegt, in den Jahren 2009 bis 2011 mit mehr als 5 % der Grenze von 6 % nahekommt.
46Vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 30. Mai 2014 - 14 A 923/14 -.“
47Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO normierten Zinssatz nicht an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen, begegnet damit keinen (verfassungs)rechtlichen Bedenken.
48Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin hier ausnahmsweise keinerlei Vorteile erlangt hat, sind weder ersichtlich noch von der Klägerin vorgetragen.
49Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
50Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1, § 709 Satz 2 ZPO.
51Anlass, die Berufung gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, bestand nicht.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Gründe
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1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind der Auffassung, die Rechtsfrage, ob der durch § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) auf 0,5 % pro Monat festgelegte gesetzliche Zinssatz für Zinszahlungszeiträume ab 2009 den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Typisierung standhalte, sei von grundsätzlicher Bedeutung.
- 2
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Es bestehen bereits Zweifel, ob die Begründung der von den Klägern erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt. Denn sie setzt sich sowohl mit den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entwickelten allgemeinen Anforderungen an gesetzliche Typisierungen als auch mit der bisher ergangenen Rechtsprechung zur Zulässigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO getroffenen Typisierung allenfalls oberflächlich auseinander.
- 3
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Letztlich kann dies aber offenbleiben, da die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, so dass sie nicht zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO führen kann.
- 4
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2. Das BVerfG hat --bezogen auf die Zinszahlungszeiträume 2003 bis 2006-- zu der gesetzlichen Typisierung ausgeführt (Beschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115, unter III.1.b bb): "Indem der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt hat, ist dies jedenfalls rechtsstaatlich unbedenklich und stellt insbesondere keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot dar. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im Einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 13). In vielen Fällen ist eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. Zudem ist auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz des § 233a in Verbindung mit § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt."
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Die vom BVerfG herangezogenen Erwägungen gelten gleichermaßen auch für Zinszahlungszeiträume ab 2009. Auch hier wäre eine Ermittlung der jeweiligen Marktzinssätze mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden; der gesetzliche Zinssatz gilt weiterhin sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen.
- 6
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3. Soweit der Kläger meint, für den Vergleich mit dem gesetzlichen Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO sei ausschließlich der jeweils aktuelle Zinssatz für Festgeldanlagen heranzuziehen, trifft dies nicht zu.
- 7
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Bereits das BVerfG hat in der oben zitierten Entscheidung ausgeführt, es sei von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziere oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwende. Daraus folgt, dass sowohl der Anlagezinssatz (Verwendung von Kapital) als auch der Darlehenszinssatz (Finanzierung von Steuernachzahlungen) für einen Vergleich mit dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geeignet sind.
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In diesem Zusammenhang weist das Finanzgericht zutreffend darauf hin, dass auch in den Jahren ab 2009 die gesetzlichen Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) und § 288 Abs. 2 BGB (acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) sowie die banküblichen Sollzinsen für Dispositionskredite über bzw. jedenfalls nicht wesentlich unter dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO genannten Zinssatz von 0,5 % pro Monat (6 % pro Jahr) lagen.
- 9
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4. Darüber hinaus können die von den Klägern --ohne Quellenangabe-- genannten Zinssätze, mit denen sie die fehlende Realitätsnähe des im Rahmen der Vollverzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis anzuwendenden gesetzlichen Zinssatzes belegen wollen, vom Senat nicht nachvollzogen werden.
- 10
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a) Soweit die Kläger behaupten, der Kapitalmarktzins habe in den Jahren 2009 bis 2011 um den Wert von 1 % geschwankt, verwechseln sie möglicherweise den Kapitalmarktzins mit dem Geldmarktzins. Die für den Kapitalmarktzins maßgebenden Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen haben in diesem Zeitraum jedenfalls zwischen 1,9 % und 3,5 % gelegen (Quelle: Deutsche Bundesbank, Zeitreihe BBK01.WU0017).
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b) Unzutreffend ist auch die Behauptung, bei der Einführung des § 233a AO (durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988, BGBl I 1988, 1093) habe der Zinssatz für Monatsgelder bei 9 % gelegen. Tatsächlich lag der Durchschnittszinssatz für Festgelder mit einer Laufzeit von einem Monat im Juli 1988 bei 2,89 % (Quelle: Deutsche Bundesbank, Zeitreihe BBK01.SU0061); die Umlaufrendite inländischer Inhaberschuldverschreibungen lag zu diesem Zeitpunkt bei 6,3 % (Quelle: Deutsche Bundesbank, Zeitreihe BBK01.WU0017).
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5. Von einer Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.
(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.
(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.
(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Tatbestand
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I. Die Beteiligten streiten über die verfassungsrechtliche Beurteilung der Vollverzinsung gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO).
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer AG, die für das Streitjahr (1996) zur Körperschaftsteuer veranlagt wurde. Dabei erging zunächst ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Steuerbescheid, der unter Berücksichtigung geleisteter Vorauszahlungen zu einem Unterschiedsbetrag zu Gunsten der Klägerin führte; dieser Unterschiedsbetrag wurde gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO (Karenzfrist) nicht verzinst.
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Mit Bescheid vom 1. Februar 2002 wurde die Körperschaftsteuer der AG gegenüber der Klägerin von zuvor … € auf … € herabgesetzt. Es ergab sich ein Unterschiedsbetrag zu Gunsten der Klägerin, woraufhin für die Zeit vom 1. April 1998 bis zum 4. Februar 2002 Erstattungszinsen festgesetzt wurden.
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Nachdem zu Beginn des Jahres 2005 das Ende einer u.a. das Streitjahr betreffenden, in 1999 begonnenen Betriebsprüfung noch nicht absehbar war, beantragte die Klägerin eine Heraufsetzung der Steuer im Umfang der sich voraussichtlich durch die Prüfung ergebenden Nachzahlungen. Daraufhin erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Körperschaftsteuer des Streitjahres, was unter Berücksichtigung der zuvor erfolgten Erstattung zu einem Unterschiedsbetrag zu Lasten der Klägerin führte. Dem entsprechend setzte das FA mit Bescheid vom 31. März 2005 für den Zeitraum vom 1. April 1998 bis zum 4. April 2005 Zinsen fest, was unter Berücksichtigung zuvor festgesetzter Erstattungszinsen zu einem Nachzahlungsbetrag führte. Nach Abschluss der Betriebsprüfung setzte das FA die Körperschaftsteuer erneut herauf, woraus sich ein zusätzlicher Unterschiedsbetrag zu Lasten der Klägerin ergab, was wiederum zu einer zusätzlichen Festsetzung von Zinsen für die Zeit vom 1. April 1998 bis zum 28. November 2005 führte. Schließlich erging am 15. Dezember 2006 ein erneut geänderter Körperschaftsteuerbescheid, aus dem sich ein Unterschiedsbetrag zu Gunsten der Klägerin ergab. Darauf beruht wiederum ein Bescheid über die Festsetzung eines Zinserstattungsbetrags; dieser ergibt sich aus einer Minderung der ursprünglich festgesetzten Nachzahlungszinsen und einer Berücksichtigung von Erstattungszinsen für die Zeiträume vom 23. Mai 2005 bzw. vom 28. Dezember 2005 bis zum 18. Dezember 2006.
- 5
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Die Klägerin hatte schon gegen den Zinsbescheid vom 31. März 2005 Einspruch eingelegt. Diesen Einspruch, den sie im Anschluss an die nachfolgenden Zinsfestsetzungen jeweils aufrechterhielt, wies das FA zurück. Die deshalb erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen (FG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juli 2010 6 K 4585/07 AO); sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1969 abgedruckt.
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Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass die Zinsen zur Körperschaftsteuer 1996 um … € herabgesetzt werden.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Der angefochtene Bescheid weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin auf.
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1. Nach § 233a Abs. 1 AO ist ein Unterschiedsbetrag, der sich u.a. bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer ergibt, zu verzinsen. Der dabei maßgebliche Zinssatz beläuft sich auf 0,5 % für jeden Monat (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Berechnung des Zinslaufs ist in § 233a Abs. 2 bis 3 und Abs. 7 AO näher geregelt. Der angefochtene Bescheid entspricht, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, den gesetzlichen Vorgaben.
- 10
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2. Das FG hat zu Recht angenommen, dass diese Vorgaben mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), der sich der erkennende Senat anschließt. Das BVerfG ist in seiner einschlägigen Entscheidung (BVerfG-Beschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115) insbesondere auf die Argumentation eingegangen, am Kapitalmarkt habe in den Jahren 2001 bis 2006 auf dem deutschen Kapitalmarkt mit einer üblichen Anlageform eine Verzinsung mit 6 % nicht erreicht werden können. Jene Entscheidung deckt mithin den Gesichtspunkt, den die Klägerin im Streitfall vor allem hervorhebt, in ausreichendem Maße ab. Angesichts dessen sieht der Senat keine Veranlassung, dazu weitere Ausführungen zu machen.
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Mit ihrem Hinweis darauf, dass die Regelungen zur Verzinsung von Steuerforderungen im Lauf der Zeit zum Nachteil der Steuerpflichtigen abgeändert worden seien und dadurch eine "Schieflage" zu Lasten von der Betriebsprüfung unterliegenden Kapitalgesellschaften entstanden sei, kann die Klägerin ebenfalls keinen Erfolg haben. Denn die erste der von der Klägerin insoweit gerügten Veränderungen besteht darin, dass die zunächst vorgesehene ertragsteuerrechtliche Abziehbarkeit von Nachforderungszinsen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) aufgehoben worden ist (vgl. dazu Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. November 2006 XI R 73/03, BFHE 216, 61, BStBl II 2007, 387); dieser Umstand kann indessen nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids über die Festsetzung von Zinsen, sondern allenfalls zur Rechtswidrigkeit des über den Abzug der Zinsen entscheidenden Ertragsteuerbescheids führen. Die zweite jener Veränderungen betrifft die Bestimmung des Zinslaufs, dessen ursprünglich vorgesehene Begrenzung auf vier Jahre durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) aufgehoben worden ist. Dabei handelt es sich jedoch, ebenso wie bei der zunächst angeordneten zeitlichen Begrenzung selbst, um eine rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers; diese Entscheidung ist, auch wenn man sie inhaltlich kritisieren können mag (vgl. dazu Loose, Steuer und Wirtschaft 2003, 377, 380; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 233a AO Rz 4), von dem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (vgl. dazu BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2009, 2115, 2117) gedeckt. Zudem musste dieser Gesichtspunkt angesichts des dort vorliegenden Sachverhalts schon in der Entscheidung des BVerfG in BFH/NV 2009, 2115 berücksichtigt werden; auch wenn jene Entscheidung keine ausdrücklichen Ausführungen dazu enthält, ist deshalb davon auszugehen, dass das BVerfG ihn seinerzeit in seine Überlegungen einbezogen hat. Der erkennende Senat hält jedenfalls die nunmehr in § 233a Abs. 2 AO getroffene Regelung für verfassungsrechtlich unbedenklich.
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3. Der Hinweis der Klägerin auf den BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 2010 1 BvL 12/07 (GmbH-Rundschau 2011, 203) zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des § 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Es trifft zwar zu, dass nach jener Entscheidung eine in einem Steuergesetz angeordnete Pauschalierung sich nicht an einem atypischen oder gar realitätsfernen Fall orientieren darf (D.III.3.b cc (1) des Beschlusses). Ebenso ist richtig, dass das BVerfG die in § 8b Abs. 5 KStG angeordnete Pauschalierung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben mit 5 % der Beteiligungserträge u.a. mit der Erwägung gerechtfertigt hat, dieser Wert orientiere sich in vertretbarer und plausibler Weise am wirtschaftlichen Regelfall (D.III.3.b cc des Beschlusses). Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass in der hier zu beurteilenden Situation die vom Gesetzgeber gewählte Pauschalierung deshalb verfassungswidrig sei, weil im Hinblick auf einen bestehenden Liquiditätsvorteil es entweder keinen "Regelfall" gebe oder der im Gesetz bestimmte Wert von 6 % allzu weit von einem etwa bestehenden Regelfall entfernt sei. Vielmehr ist insoweit zum einen zu beachten, dass das BVerfG in dem genannten Beschluss erklärtermaßen angenommen hat, ein "Regelfall" im tatsächlichen Sinne werde im Wirtschaftsleben nicht ermittelt werden können (D.III.3. b cc (2) 2. Abs. ff. des Beschlusses); insoweit ist der von ihm verwendete Begriff "Regelfall" erkennbar nicht in einem empirischen Sinne gemeint, sondern gleich bedeutend mit "in einer Bandbreite vernünftiger Werte liegend". Und zum anderen greift auch insoweit die Erwägung durch, dass das BVerfG im Hinblick auf § 233a AO ebenfalls kein Überschreiten dieser Bandbreite erkannt hat. Die Annahme, dass das BVerfG in beiden Entscheidungen mit zweierlei Maß gemessen habe und dass deshalb nunmehr die frühere Entscheidung im Lichte der späteren korrigiert werden müsse, hält der Senat für fernliegend; auch aus der Entscheidung des BVerfG zu § 8b Abs. 5 KStG ergeben sich dafür keine konkreten Anknüpfungspunkte.
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4. Sonstige Umstände, die zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids führen könnten, zeigt die Revisionsbegründung nicht auf. Die Revision ist deshalb im Ergebnis unbegründet.
Gründe
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1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind der Auffassung, die Rechtsfrage, ob der durch § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) auf 0,5 % pro Monat festgelegte gesetzliche Zinssatz für Zinszahlungszeiträume ab 2009 den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Typisierung standhalte, sei von grundsätzlicher Bedeutung.
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Es bestehen bereits Zweifel, ob die Begründung der von den Klägern erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt. Denn sie setzt sich sowohl mit den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entwickelten allgemeinen Anforderungen an gesetzliche Typisierungen als auch mit der bisher ergangenen Rechtsprechung zur Zulässigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO getroffenen Typisierung allenfalls oberflächlich auseinander.
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Letztlich kann dies aber offenbleiben, da die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, so dass sie nicht zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO führen kann.
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2. Das BVerfG hat --bezogen auf die Zinszahlungszeiträume 2003 bis 2006-- zu der gesetzlichen Typisierung ausgeführt (Beschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115, unter III.1.b bb): "Indem der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt hat, ist dies jedenfalls rechtsstaatlich unbedenklich und stellt insbesondere keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot dar. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im Einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 13). In vielen Fällen ist eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. Zudem ist auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz des § 233a in Verbindung mit § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt."
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Die vom BVerfG herangezogenen Erwägungen gelten gleichermaßen auch für Zinszahlungszeiträume ab 2009. Auch hier wäre eine Ermittlung der jeweiligen Marktzinssätze mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden; der gesetzliche Zinssatz gilt weiterhin sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen.
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3. Soweit der Kläger meint, für den Vergleich mit dem gesetzlichen Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO sei ausschließlich der jeweils aktuelle Zinssatz für Festgeldanlagen heranzuziehen, trifft dies nicht zu.
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Bereits das BVerfG hat in der oben zitierten Entscheidung ausgeführt, es sei von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziere oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwende. Daraus folgt, dass sowohl der Anlagezinssatz (Verwendung von Kapital) als auch der Darlehenszinssatz (Finanzierung von Steuernachzahlungen) für einen Vergleich mit dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geeignet sind.
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In diesem Zusammenhang weist das Finanzgericht zutreffend darauf hin, dass auch in den Jahren ab 2009 die gesetzlichen Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) und § 288 Abs. 2 BGB (acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) sowie die banküblichen Sollzinsen für Dispositionskredite über bzw. jedenfalls nicht wesentlich unter dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO genannten Zinssatz von 0,5 % pro Monat (6 % pro Jahr) lagen.
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4. Darüber hinaus können die von den Klägern --ohne Quellenangabe-- genannten Zinssätze, mit denen sie die fehlende Realitätsnähe des im Rahmen der Vollverzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis anzuwendenden gesetzlichen Zinssatzes belegen wollen, vom Senat nicht nachvollzogen werden.
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a) Soweit die Kläger behaupten, der Kapitalmarktzins habe in den Jahren 2009 bis 2011 um den Wert von 1 % geschwankt, verwechseln sie möglicherweise den Kapitalmarktzins mit dem Geldmarktzins. Die für den Kapitalmarktzins maßgebenden Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen haben in diesem Zeitraum jedenfalls zwischen 1,9 % und 3,5 % gelegen (Quelle: Deutsche Bundesbank, Zeitreihe BBK01.WU0017).
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b) Unzutreffend ist auch die Behauptung, bei der Einführung des § 233a AO (durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988, BGBl I 1988, 1093) habe der Zinssatz für Monatsgelder bei 9 % gelegen. Tatsächlich lag der Durchschnittszinssatz für Festgelder mit einer Laufzeit von einem Monat im Juli 1988 bei 2,89 % (Quelle: Deutsche Bundesbank, Zeitreihe BBK01.SU0061); die Umlaufrendite inländischer Inhaberschuldverschreibungen lag zu diesem Zeitpunkt bei 6,3 % (Quelle: Deutsche Bundesbank, Zeitreihe BBK01.WU0017).
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5. Von einer Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) werden nur verzinst, soweit dies durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union vorgeschrieben ist. Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4) und die entsprechenden Erstattungsansprüche werden nicht verzinst.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheides beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der im Rahmen der Verzinsungsregelungen nach §§ 233a ff. der Abgabenordnung (AO) festzusetzenden Zinsen.
3Mit Zerlegungsbescheid vom 24. Juni 2014 setzte das Finanzamt Paderborn den für das Veranlagungsjahr 2012 auf die Beklagte entfallenden Gewerbesteuermessbetrag auf 786,63 Euro fest.
4Hiervon ausgehend veranlagte die Beklagte die Klägerin mit Gewerbesteuerbescheid vom 10. Juli 2014 zur Gewerbesteuer für das Jahr 2012 in Höhe von 3.736,49 Euro.
5Mit Gewerbesteuerzinsbescheid vom 10. Juli 2014 setzte die Beklagte Nachzahlungszinsen für das Veranlagungsjahr 2012 in Höhe von 55,00 Euro fest. Sie legte der Berechnung einen zu verzinsenden Betrag in Höhe von 3.700,00 Euro, einen Zinslauf vom 1. April bis 14. Juli 2014 (3 volle Monate) sowie einen monatlichen Zinssatz von 0,50 % zugrunde.
6Die Klägerin hat am 22. Juli 2014 Klage gegen den Gewerbesteuerzinsbescheid erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass der Zinssatz von 6 % pro Jahr seit geraumer Zeit nicht mehr marktüblich sei.
7Zugleich hat sie unter Hinweis auf ein bei dem Finanzgericht Düsseldorf anhängiges Klageverfahren (neu - 6 K 2497/12 -) einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens gestellt.
8Die Klägerin beantragt sinngemäß,
9den Gewerbesteuerzinsbescheid der Beklagten vom 10. Juli 2014 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass die Festsetzung von Zinsen in Höhe von monatlich 0,5 % der gesetzlichen Vorgabe des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO entspreche. Die Höhe des Zinssatzes stelle keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot dar. Es solle nach der Absicht des Gesetzgebers kein konkreter Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall ermittelt werden müssen, da dieser unabhängig von den Schwankungen des Marktes von subjektiven Entscheidungen des jeweiligen Steuerpflichtigen abhänge und damit kaum ermittelbar sei. Zudem wirke der festgesetzte Zinssatz gleichermaßen zugunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen.
13Da die Gesetzeslage eindeutig und mit einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht zu rechnen sei, sei sie mit einem Ruhen des Verfahrens nicht einverstanden.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe
16Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung sowie den Einzelrichter entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist und keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 84 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
17Dem Antrag der Klägerin, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, war nicht nachzukommen. Nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass diese Anordnung wegen des Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen zweckmäßig ist. Hier fehlt es bereits an einem entsprechenden Antrag der Beklagten, da diese sich dem Antrag der Klägerin nicht angeschlossen hat.
18Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
19Der Gewerbesteuerzinsbescheid der Beklagten vom 10. Juli 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
20Die Zinsfestsetzung beruht auf § 233a AO i.V.m. §§ 238, 239 AO, die nach § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 3 Abs. 2 AO auch für die Gewerbesteuer als Realsteuer Anwendung finden. Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sind Steuern zu verzinsen, wenn die Festsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder -erstattung führt. Der Zinslauf beginnt nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Die Gewerbesteuer entsteht mit dem Ablauf des Erhebungszeitraumes, der mit dem jeweiligen Kalenderjahr gleichgesetzt ist (§ 18, § 14 Satz 2 GewStG). Der Zinslauf endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird, § 233a Abs. 2 Satz 3 AO. Die Zinsen betragen nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden vollen Monat einhalb Prozent. Rechnerische Bedenken gegen die Zinsfestsetzung gemäß Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2014 hat die Klägerin weder geltend gemacht noch sind diese ersichtlich. Die Klägerin wendet sich ausschließlich gegen die Höhe der Zinsen gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO von 6 % jährlich.
21Der nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgelegte Zinssatz begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
22Die typisierende Festlegung des Zinssatzes durch den Gesetzgeber ist mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar,
23vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris; Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 20. April 2011 – I R 80/10 -, und Beschluss vom 29. Mai 2013 – X B 233/12 -, beide juris.
24Nach der Absicht des Gesetzgebers soll der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen,
25vgl. Bundestagsdrucksache (BTDrucks) 8/1410, S. 13 und 11/2157, S. 194.
26Die Verzinsung selbst knüpft allein an die objektive Möglichkeit an, dass Zins- oder Liquiditätsvorteile entstehen, ohne dass diese konkretisiert oder nachgewiesen werden müssten. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wurde seitens des Gesetzgebers und auch in der Folgezeit bereits deshalb nicht in Betracht gezogen, weil die Schwankungen des Marktzinses zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führten, da unter anderem im einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären,
27vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris unter Bezugnahme auf BTDrucks 8/1410, S. 13.
28Unabhängig davon ist in vielen Fällen eine solche Ermittlung auch deshalb nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet.
29Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Zinssatz des § 238 AO im Rahmen des § 233a AO sowohl für Steuernachforderung wie auch für Steuererstattungen und damit gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt,
30Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris,
31mit der Folge, dass auch Erstattungsansprüche unabhängig davon, ob und in welcher Höhe dem Berechtigten tatsächlich Zinsen entgangen sind, mit monatlich 0,5 % verzinst werden.
32Aus der allgemeinen Zinsentwicklung folgt auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer allgemeinen Anpassung der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinshöhe oder zu einer Anpassung beschränkt auf die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO. Eine solche Verpflichtung würde voraussetzen, dass der gesetzlichen Regelung durch eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - hier im Hinblick auf die allgemeine Zinsentwicklung - die für ihren Erlass, also für die Festsetzung auf einhalb Prozent für jeden Monat, maßgebliche Grundlage entzogen wäre, mithin der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe dauerhaft völlig auseinanderfielen,
33vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 - unter Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom 25. Juli 2012 - 2 BvE 9/11 u. a. - BVerfGE 131, 316, juris (zum Wahlrecht), m.w.N.
34Zwar sind die Zinsen zumindest seit dem Jahr 2009 erheblich gefallen, daraus lässt sich jedoch keine dauerhafte Entwicklung herleiten, die der gesetzlichen Regelung ihre Grundlage entziehen würde,
35vgl. BFH, Beschluss vom 29. Mai 2013 – X B 233/12 -, juris für Zinszahlungsräume ab 2009.
36Zudem kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die im Rahmen des § 233a AO abzuschöpfenden Liquiditätsvorteile gerade bei Geschäftsleuten nicht nur in Gestalt von Zinsen bestehen,
37zur Beschaffenheit von Liquiditätsvorteilen vgl. BFH, Urteil vom 12. April 2000 – XI R 21/97 –, juris Rn. 14, sowie OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -, juris Rn. 17.
38und darüber hinaus in die Vergleichsbetrachtung nicht nur der Anlagezinssatz, sondern auch der Darlehenszinssatz mit einzubeziehen ist,
39vgl. BFH, Beschluss vom 29. Mai 2013 – X B 233/12 -, juris.
40Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 - ausgeführt:
41„Die Entwicklung des Zinsniveaus betreffend die genannten dem Geld- und Kapitalmarkt entnommenen Sätze, wie sie die Klägerin anführt, sind, für sich gesehen, nicht geeignet, die hier in Rede stehende Höhe von Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO entscheidungserheblich in Frage zu stellen, und damit erst recht nicht allgemein die Zinshöhe gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betreffend sämtliche Verzinsungstatbestände. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil durch die wörtliche Wiedergabe von Passagen aus dem o.a. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.9.2009 - 1 BvR 2539/07 - auf den Sinn und Zweck der Zinsfestlegung in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO abgestellt. Danach sollen durch die Sollverzinsung u.a. der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen bemisst sich jedoch gerade nicht ausschließlich anhand des Zinsniveaus, das sich in den Geldmarktsätzen, dem EURIBOR und den Umlaufkrediten widerspiegelt. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht in dem ... Nichtannahmebeschluss vom 3.9.2009 ausgeführt hat (vgl. juris, Rn. 29), hängt es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen ab, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. So beschränkt sich der Einsatz von zunächst für die Begleichung von Steuerforderungen nicht benötigtem Kapital nicht auf Anlagen, die als Rendite lediglich den Geldmarktzinssatz ergeben. Vielmehr kommen regelmäßig auch andere Anlagen etwa in Form von Investitionen in Betracht, die weitaus höhere Rendite erwarten lassen und auch ergeben dürften. Auch kann sich ein Liquiditätsvorteil in der Entbehrlichkeit einer ansonsten erforderlichen Kreditaufnahme oder der Ermöglichung der Rückzahlung bereits aufgenommener Kredite niederschlagen, so dass der ersparte Kreditzins den Vorteil richtig widerspiegelt. Andererseits liegt es nahe, etwa bei vorhandenem, aber zunächst nicht benötigtem Kapital soweit wie möglich hohe Vorausleistungen zu entrichten, um dann bei zu erwartenden Steuererstattungen mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO erheblich über dem Marktzinssatz liegende Rendite zu erzielen. Lediglich in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger wegen eines reinen, nicht weiter nutzbaren Liquiditätsüberschusses von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen kann, dürfte der Vorteil in dem erzielbaren Geldmarktzins liegen. Sollte ein solcher Ausnahmefall vorliegen, mag an einen Teilerlass der Zinszahlungspflicht aus sachlichen Billigkeitsgründen gedacht werden können.
42Dass unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte der gesetzliche Zinssatz von 0.5 % je Monat sich als verfassungswidrig erweisen könnte, ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen und auch nicht sonst wie ersichtlich.
43Unabhängig davon ist die mit den Aufstellungen der Klägerin geltend gemachte Zinsentwicklung zwar in ihrer Gesamtheit durch eine abfallende Tendenz beginnend mit dem Jahr 1993 gekennzeichnet. Diese abfallende Tendenz, in deren Rahmen bereits im Jahr 1994 der Geldmarktsatz die Grenze von 6 % pro Jahr unterschritten hatte, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht als Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinshöhe in Zweifel zu ziehen, obwohl das in den Aufstellungen der Klägerin bezeichnete allgemeine Zinsniveau bis zum Jahr 2006, also innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren, unter der Grenze von 6 % pro Jahr verblieben war.
44Hinreichender Anlass, dies nunmehr im Hinblick auf die seit dem eingetretene Entwicklung in Frage zu stellen, besteht nicht. Die Entwicklung seit dem Jahr 2006 ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst in den Jahren 2007 und 2008 im Vergleich zu den Vorjahren 2002 bis 2006 eine erhebliche Steigerung des allgemeinen Zinsniveaus zu verzeichnen war, bevor erst im Jahr 2009 eine signifikante gegenteilige Entwicklung einsetzte. ...
45Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt dem Hinweis der Klägerin auf die Entwicklung des Basiszinssatzes gemäß § 247 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - keine streitentscheidende Bedeutung zu. Lediglich ergänzend weist der Senat insoweit beispielshaft darauf hin, dass bei einer der häufigsten Anwendungsbereiche des Basiszinssatzes, nämlich bei der Berechnung von Verzugszinsen, die gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen, auch unter Berücksichtigung des variablen Basiszinssatzes sich die Zinshöhe in den Jahren 2002 bis 2009 im Bereich von über 6 % bewegt, in den Jahren 2009 bis 2011 mit mehr als 5 % der Grenze von 6 % nahekommt.
46Vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 30. Mai 2014 - 14 A 923/14 -.“
47Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO normierten Zinssatz nicht an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen, begegnet damit keinen (verfassungs)rechtlichen Bedenken.
48Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin hier ausnahmsweise keinerlei Vorteile erlangt hat, sind weder ersichtlich noch von der Klägerin vorgetragen.
49Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
50Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1, § 709 Satz 2 ZPO.
51Anlass, die Berufung gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, bestand nicht.
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) werden nur verzinst, soweit dies durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union vorgeschrieben ist. Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4) und die entsprechenden Erstattungsansprüche werden nicht verzinst.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.