Verwaltungsgericht Arnsberg Beschluss, 23. Feb. 2016 - 5 L 242/16.A
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt I. , I1. , wird abgelehnt.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Prozesskostenhilfeantrag hat keinen Erfolg. Nach § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, weil das einstweilige Rechtsschutzverfahren, wie sich aus den Gründen zu II. ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und im Übrigen die erforderlichen Formularanträge und Belege nicht vorgelegt worden sind.
4II.
5Der - sinngemäße - Antrag der Antragsteller,
6die aufschiebende Wirkung der Klage 5 K 500/16.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Januar 2016 unter Ziffer 5 enthaltene Abschiebungsandrohung sowie gegen die unter Ziffern 6 und 7 verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbote anzuordnen,
7hat keinen Erfolg.
8Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung ist der Antrag zulässig - insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt -, er ist jedoch unbegründet.
9Nach § 75 AsylG hat die Anfechtungsklage gegen die vom Bundesamt ausgesprochene Abschiebungsandrohung keine aufschiebende Wirkung. Zwar kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Das setzt aber nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes voraus. Solchen ernstlichen Zweifeln unterliegt die unter Ziffer 5 des mit der Klage angegriffenen Bescheides vom 25. Januar 2016 verfügte Abschiebungsandrohung nicht.
10Rechtsgrundlage für die erlassene Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind die §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. den §§ 59 und 60 Abs. 10 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Danach erlässt das Bundesamt die Abschiebungsandrohung unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche, wenn der Asylantrag und der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Ausländers als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden und er nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das Bundesamt ist in der angegriffenen Entscheidung - auf die entsprechend § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird - zu Recht davon ausgegangen, dass die Asylanträge der Antragsteller offensichtlich unbegründet sind und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen. Dies erweist sich auch im gegenwärtigen, für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt - vgl. § 77 Abs. 1 AsylG - als rechtsfehlerfrei.
11Die Voraussetzungen für die Asylanerkennung gemäß Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) bzw. § 3 Abs. 1 und 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft greifen offensichtlich nicht zugunsten der Antragsteller ein. Gemäß § 29a Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, d.h. u.a. einem Staat gemäß § 29a Abs. 2 i.V.m. Anlage II AsylG stammt, es sei denn, die von ihm angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
12Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Antragsteller stammen aus Albanien und mithin einem sicheren Herkunftsstaat nach den vorbezeichneten Bestimmungen in deren maßgeblicher Fassung zum jetzigen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
13Das Vorbringen der Antragsteller begründet nicht die Annahme, dass ihnen abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Zur Ausräumung der Vermutung ist nur ein Vorbringen zugelassen, das die Furcht vor politischer Verfolgung auf ein individuelles Verfolgungsschicksal des Asylbewerbers gründet. Dabei kann er seine Furcht vor politischer Verfolgung auch dann auf ein persönliches Verfolgungsschicksal stützen, wenn dieses seine Wurzel in allgemeinen Verhältnissen hat. Die Vermutung ist aber erst ausgeräumt, wenn der Asylbewerber die Umstände seiner politischen Verfolgung schlüssig und substantiiert vorträgt. Dieser Vortrag muss vor dem Hintergrund der Feststellung des Gesetzgebers, dass in dem jeweiligen Staat im Allgemeinen keine politische Verfolgung stattfindet, der Erkenntnisse der Behörden und Gerichte zu den allgemeinen Verhältnissen des Staates und der Glaubwürdigkeit des Antragstellers glaubhaft sein. Zur Substantiierung trägt insoweit bei, wenn der Asylbewerber die Beweismittel vorlegt oder benennt, die nach den Umständen von ihm erwartet werden können.
14Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 14. Mai 1996
15- 2 BvR 1507, 1508/93 -, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 94, 115.
16Die Antragsteller haben mit ihrem Vorbringen diese Vermutung nicht ausräumen können. Der Antragsteller zu 1. hat sich in der Anhörung vor dem Bundesamt am 19. Mai 2014 dahingehend eingelassen, im Gegensatz zu seiner Ehefrau, der Antragstellerin zu 2., sei er Angehöriger der Roma. Aus diesem Grund sei die Familie seiner Ehefrau mit der Hochzeit, die im Jahr 2002 stattgefunden habe, nicht einverstanden gewesen. Er sei bedroht, bespuckt und geschlagen worden. Zudem sei der Bruder seiner Ehefrau eineinhalb Monate vor der Ausreise aus dem Gefängnis entlassen worden. Dieser habe während seines Gefängnisaufenthalts seine Freunde zu ihm, dem Antragsteller zu 1., geschickt. Diese hätten dann das Haus umstellt und gesagt, er, der Antragsteller zu 1., solle seine Ehefrau verlassen, ansonsten würden die gemeinsamen Kinder vor dessen Augen verbrannt. Die Antragstellerin zu 2. hat in der Anhörung vor dem Bundesamt am 19. Mai 2014 mitgeteilt, ihre Eltern seien wegen der unterschiedlichen Volkszugehörigkeiten nicht mit der Hochzeit einverstanden gewesen. Zudem habe ihr Bruder sie durch seine Freunde bedrohen lassen. Er habe angekündigt, ihre, der Antragstellerin zu 2., Kinder umzubringen.
17Aus diesem Vorbringen folgt offensichtlich keine politische Verfolgung. Denn das Vorbringen ist augenscheinlich unglaubhaft. Die Schilderungen erschöpfen sich in Gänze in den bezeichneten Behauptungen und sind damit vage, oberflächlich sowie unsubstantiiert geblieben. Die Angaben der Antragsteller zu 1. und 2. zur vermeintlichen Bedrohungslage sind derart detailarm, dass sie nicht geeignet sind, ein auch nur ansatzweise nachvollziehbares Bild eines realen Geschehensablaufs zu vermitteln. Insbesondere hinsichtlich der für die Ausreise aus Albanien (vermeintlich) ursächlich gewesenen, vom Bruder der Antragstellerin zu 2. ausgehenden Gefahr haben die Antragsteller zu 1. und 2. weitgehend auf die Schilderung situationstypischer Details verzichtet und die angeblichen Vorfälle stattdessen auf einzelne Kernfakten reduziert, so dass allenfalls ein Handlungsgerüst, aber kein kohärenter Geschehensablauf erkennbar ist.
18Unbeschadet des Umstandes, dass das Vorbringen der Antragsteller offensichtlich unglaubhaft ist, hätten sie selbst dann, wenn unterstellt würde, ihre Schilderungen seien glaubhaft, offensichtlich weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch einen solchen auf Anerkennung als Asylberechtigte.
19Von einer asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich bedeutsamen „Verfolgung“ kann nur ausgegangen werden, wenn die Furcht des Asylsuchenden begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland Bedrohungen seines Lebens, seiner Freiheit oder anderer in Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 2011/95/EU (zuvor: Richtlinie 2004/83/EG) geschützter Rechtsgüter wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt ist
20vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - (juris)
21und ihm gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen, so dass der davon Betroffene gezwungen ist, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es hingegen regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsstaat zu erleiden hat, etwa in Folge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen.
22Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 13. November 2013 - 8 A 2228/07.A - und vom 2. Juli 2013 - 8 A 2632/06.A - (jeweils juris und www.nrwe.de).
23Danach muss auch eine kriminelle Verfolgung an ein in § 3 AsylG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können.
24Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2014 - 1 A 1139/13.A - und Beschluss vom 28. März 2014 - 13 A 1305/13.A - (jeweils juris und www.nrwe.de).
25An einer solchen Anknüpfung fehlt es hier offensichtlich, denn nach dem Vorbringen der Antragsteller drohte ihnen allenfalls, Opfer kriminellen Unrechts zu werden.
26Ungeachtet dessen könnte den Antragstellern selbst dann, wenn ihre Schilderungen eine politische Verfolgung umschreiben würden, die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden. Für den Fall einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ist diese allein dann relevant, wenn u.a. der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 3c Nr. 3 AsylG). Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Natur sein (§ 3d Abs. 2 Satz 1 AsylG). Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn u.a. der Staat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat (§ 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG).
27Es ist nicht ersichtlich, dass in Albanien kein staatlicher Schutz vor Verfolgung geboten wird. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen,
28vgl. dazu: Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien (Stand: Mai 2015) vom 10. Juni 2015,
29die in der - das Herkunftsland Albanien betreffenden - verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung
30vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 - 11 A 334/14.A - (www.nrwe.de und juris); Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Beschluss vom 28. Oktober 2015 - 17 L 2938/15.A - (www.nrwe.de und juris)
31Zustimmung gefunden haben, ist zwar in Albanien das Tätigwerden staatlicher Organe - auch der Polizei und Justiz - nicht in der Form effektiv, wie es etwa in den Ländern der Europäischen Union zu erwarten wäre. Indessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass gegen kriminelles Unrecht kein staatlicher Schutz zu erlangen wäre. Im Übrigen haben die Antragsteller nicht einmal erwähnt, um polizeilichen Schutz nachgesucht zu haben.
32Anhaltspunkte dafür, dass den Antragstellern subsidiärer Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu gewähren ist, liegen nicht vor.
33Ferner ist nicht ersichtlich, dass der Abschiebung der Antragsteller nach Albanien Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG entgegenstehen.
34Auch der von der Antragstellerin zu 2. geltend gemachte Umstand, sie leide an verschiedenen Erkrankungen, führt zu keiner anderen Bewertung.
35Für den Fall einer Erkrankung sind die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dann erfüllt, wenn sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort faktisch unzureichend sind. Die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung muss dabei zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führen, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lassen; das wäre dann der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand alsbald nach der Rückkehr wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde.
36vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab: BVerwG, Beschluss vom 22. März 2012
37- 1 C 3.11 - (juris) und Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.15 -, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 2007, 254 sowie OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 - 13 A 1201/12.A - (www.nrwe.de und juris).
38Ob eine behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt, bedarf der - Mindestanforderungen erfüllenden - Darlegung durch den jeweiligen Antragsteller.
39Besondere Voraussetzungen gelten für die Darlegung psychischer Erkrankungen. So ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass zur Substantiierung eines Vorbringens einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung - sowie auch eines entsprechenden Beweisantrages - angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes und seiner vielfältigen Symptome regelmäßig die Vorlage eines Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests gehört. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
40Vgl. dazu: BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2012 - 10 B 21.12 - (juris) und Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2008, 330.
41Diesen Mindestanforderungen, die auch für die Darlegung und Glaubhaftmachung anderer psychischer Erkrankungen mit Behandlungsbedarf gelten,
42vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 11. November 2014 - A 11 S 1778/14 -, DVBl. 2015, 118 sowie VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 5. Juni 2015 - 13 L 1253/15.A - und vom 7. April 2015 - 13 L 742/15.A - (jeweils www.nrwe.de und juris),
43genügen die von der Antragstellerin zu 2. eingereichten ärztlichen Stellungnahmen nicht.
44Ausweislich des fachärztlichen Attests des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Herrn Dr. med. N. , vom 25. November 2015 leidet die Antragstellerin zu 2. an einer rezidivierenden Episode einer reaktiven Depression (F33.8G), einem depressiven Adaptationssyndrom (F43.2G) und einer nichtorganischen Hyposomnie (F51.0G). In dem fachärztlichen Attest wird u.a. Folgendes festgestellt:
45„Anamnese (nur auszugsweise):
46Psych. Belastungen, Symptomatik / Problematik bzw. psych. Befinden: Psych. Belastung, denn: Sie hat erhebliche familiäre Probleme. Sie hat Probleme mit ihrem Bruder, ihrem Vater und ihrer Mutter. Ihr Ehemann gehört zu den Roma, ihr Bruder und ihre Familie haben ihn deshalb nie richtig akzeptiert. Ihr Bruder drohte ihr deshalb früher, sie zu schlagen. Sie muss sich um die Versorgung ihrer 3 schulpflichtigen Kinder kümmern. Sie ist seit Frühjahr 2013 in Deutschland. Oft Schlafstörungen. Rez. starke Deprimiertheit. BA: Sie ist ALO. Zum Teil auch rezidivierende Ängste. Gedrückte Stimmung, innere Unruhe. Mangelnde Fähigkeit zur pos. emotionalen Reaktion, Stimmungstiefs. Bisherige psych. Medikation: DIAZEPAM ca. 9mg/Tag.
47Therapie: Supportive / beratende Krisenintervention und Thematisierung konstruktiver Kognitionen. Psych. Medikation: Wie besprochen. CITALOPRAM 30 MG FTA (1/2 bis 1,-,-,-).
48Aufgrund einer ausgeprägten depressiven Symptomatik ist die o.g. Patientin aktuell und im absehbaren Zeitraum nicht reisefähig und es ist eine gezielte fachärztliche psychopharmakologische medikamentöse Therapie erforderlich und indiziert.“
49Erhebliche Zweifel an dem Aussagegehalt des fachärztlichen Attests bestehen schon deshalb, da in diesem Kernfakten - wie zum Beispiel Ein- und Ausreisedaten – unzutreffend angegeben sind. Die Antragstellerin zu 2. befindet sich nicht seit dem Frühjahr 2013 in Deutschland. Sie ist vielmehr erst am 24. April 2014 aus Albanien ausgereist. Im Übrigen ist es wenig plausibel, dass eine beratende bzw. supportive Krisenintervention stattfinden soll. Es ist nicht ersichtlich, wie diese Art der Behandlung, die im Wesentlichen in Form einer Gesprächstherapie durchgeführt wird,
50vgl. im Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Krisenintervention,
51bei der vorhandenen Sprachbarriere erfolgen kann, da die Antragstellerin nach eigenen Angaben lediglich über albanische Sprachkenntnisse verfügt. Darüber hinaus wird das fachärztliche Attest den von der Rechtsprechung aufgestellten Mindestanforderungen nicht ansatzweise gerecht. Es fehlt an nachvollziehbaren Angaben dazu, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt worden ist. Im Übrigen wird nicht erläutert, ob die von der Antragstellerin zu 2. geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde auch bestätigt werden. Ferner wird nicht dargelegt, seit wann und wie häufig sich die Antragstellerin zu 2. in ärztlicher Behandlung befunden hat.
52Soweit in dem fachärztlichen Attest schließlich ausgeführt wird, die Antragstellerin sei nicht reisefähig, ist dies rechtlich ohne Belang, da es sich insofern (allein) um ein inländisches Vollstreckungshindernis handelt, das von der zuständigen Ausländerbehörde zu prüfen ist.
53Vgl. dazu: OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2006 - 18 B 586/06 - (www.nrwe.de und juris).
54Die weitere fachärztliche Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Herrn Dr. med. N. , vom 1. Februar 2016, ausweislich der die Antragstellerin zu 2. (weiterhin) an einer rezidivierenden Episode einer reaktiven Depression (F33.8G), einem depressiven Adaptationssyndrom (F43.2G) und einer nichtorganischen Hyposomnie (F51.0G) leidet, erfüllt die vorgenannten Anforderungen ebenfalls nicht. In der aktuellen fachärztlichen Bescheinigung wird u.a. ausgeführt:
55„Anamnese (nur auszugsweise):
56Psych. Belastungen, Symptomatik / Problematik bzw. psych. Befinden: Psych. Belastung, denn: Sie hat erhebliche familiäre Probleme. Sie hat Probleme mit ihrem Bruder, ihrem Vater und ihrer Mutter. Ihr Ehemann gehört zu den Roma, ihr Bruder und ihre Familie haben ihn deshalb nie richtig akzeptiert. Ihr Bruder drohte ihr deshalb früher, sie zu schlagen. Sie muss sich um die Versorgung ihrer 3 schulpflichtigen Kinder kümmern. In dem Heim, in dem sie wohnt, sind oft starke Lärmbelästigungen. Sie ist seit Frühjahr 2013 in Deutschland. Oft Schlafstörungen. Rez. starke Deprimiertheit. BA: Sie ist ALO. Zum Teil auch rezidivierende Ängste. Gedrückte Stimmung, innere Unruhe. Mangelnde Fähigkeit zur pos. emotionalen Reaktion, Stimmungstiefs. Bisherige psych. Medikation: DIAZEPAM ca. 9mg/Tag.
57Therapie: Supportive / beratende Krisenintervention und Thematisierung konstruktiver Kognitionen. Psych. Medikation: Wie besprochen. Trimipramin 25 mg (-,-,-, 1 bis 3).
58Aufgrund einer ausgeprägten depressiven Symptomatik ist die o.g. Patientin aktuell und im absehbaren Zeitraum nicht reisefähig und es ist eine gezielte fachärztliche psychopharmakologische medikamentöse Therapie erforderlich und indiziert.“
59Die fehlende Aussagekraft des fachärztlichen Attests ergibt sich bereits daraus, dass dieses bis auf zwei - durch Unterstreichungen hervorgehobene - Ausnahmen mit der ersten fachärztlichen Bescheinigung wortlautidentisch ist. Mithin leidet auch die aktuelle fachärztliche Stellungnahme an den vorgenannten inhaltlichen Mängeln.
60Darüber hinaus deckt der Vergleich der beiden fachärztlichen Stellungnahmen weitere Plausibilitätsdefizite auf. Ausweislich der Stellungnahme vom 25. November 2015 bestand die „bisherige psych. Medikation“ in der Gabe von Diazepam. Diese Medikation wurde dann (wohl) auf Citalopram umgestellt. Dennoch führte auch die Stellungnahme vom 1. Februar 2016 aus, die „bisherige psych. Medikation“ bestehe in der Verabreichung von Diazepam.
61Selbst wenn die Antragstellerin zu 2. an einer rezidivierenden Episode einer reaktiven Depression (F33.8G), einem depressiven Adaptationssyndrom (F43.2G) und einer nichtorganischen Hyposomnie (F51.0G) leiden sollte, rechtfertigte dies nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die dann notwendige medizinische Versorgung der Antragstellerin zu 2. in Albanien wäre für diese erlangbar.
62Die medizinische Versorgung in Albanien ist grundsätzlich gesichert. Auch wenn die Ausstattung und Hygiene medizinischer Einrichtungen zu wünschen übrig lässt, sind Ärzte gut ausgebildet. Komplizierte Behandlungen können in Tirana und den größeren Städten durchgeführt werden. Die Medikamentenversorgung stellt kein Problem dar.
63Vgl. Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien (Stand: Mai 2015) vom 10. Juni 2015.
64Insbesondere Medikamente zur Behandlung psychischer Krankheiten sind in ganz Albanien verfügbar.
65Vgl. Amtliche Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Tirana an das Bundesamt vom 29. März 2013.
66Auch die Finanzierung der Medikamente ist gesichert. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt die anfallenden Kosten.
67Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien (Stand: Mai 2015) vom 10. Juni 2015.
68Die Behandelbarkeit der Erkrankungen im Heimatland wird auch nicht durch das Vorbringen der Antragstellerin zu 2. im gerichtlichen Verfahren in Frage gestellt. Danach soll eine ärztliche Behandlung in Albanien nicht möglich sein, da die familiären Auseinandersetzungen unmittelbar nach der Einreise wieder beginnen würden und die Antragstellerin zu 2. dann erneut in die Situation geriete, die Auslöser für die aktuellen Erkrankungen gewesen sei. Im Übrigen seien die jetzigen Symptome bereits in Albanien aufgetreten, hätten dort jedoch nicht behandelt werden können. Dieser Vortrag übersieht zunächst, dass die Antragstellerin zu 2. während der Anhörung vor dem Bundesamt am 19. Mai 2014 weder erwähnt hat, dass sie an einer psychischen Erkrankung leidet, noch, dass sie vergebens versucht hätte, eine adäquate Behandlung in Albanien zu erhalten. Vielmehr hat sich die Antragstellerin zu 2. dahingehend eingelassen, ihr gehe es gesundheitlich gut. Damit einhergehend hat die Antragstellerin zu 2. auch nicht unmittelbar nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland einen Facharzt aufgesucht, sondern erst - im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat - ca. 21 Monate später. Letztlich folgt auch aus den vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen nicht ansatzweise, dass eine Behandlung der Antragstellerin zu 2. in Albanien ausscheidet.
69Falls das Vorbringen der Antragstellerin zu 2. dahingehend verstanden werden soll, die ärztliche Versorgung im Bundesgebiet sei qualitativ hochwertiger als diejenige in Albanien, ist darauf hinzuweisen, dass der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht dazu dient, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht.
70Vgl. dazu: OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Juli 2006 - 18 B 586/06 - und vom 14. Juni 2005 - 11 A 4518/02.A - (jeweils www.nrwe.de und juris).
71Soweit die Antragstellerin zu 2. schließlich ausweislich der ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin, Herrn Dr. med. T. , vom 25. August 2015 an Fibromyalgie, Migräne und Schlaflosigkeit leidet, ist dies rechtlich ohne Relevanz, da die Bescheinigung knapp sechs Monate alt und mithin nicht mehr aktuell ist. Damit einhergehend hat sich die Antragstellerin zu 2. im gerichtlichen Verfahren auch nicht mehr auf diese physischen Leiden berufen, sondern ihren Vortrag auf das Vorliegen psychischer Erkrankungen beschränkt.
72Soweit sich der Eilantrag gegen die Einreise- und Aufenthaltsverbote aus Ziffern 6 und 7 des angegriffenen Bescheides richtet, ist er - ungeachtet der Fragen, ob ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft ist und ob jeweils das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis vorliegt (§ 11 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) - jedenfalls unbegründet.
73Dies gilt zunächst für die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG. Das Bundesamt hat ausweislich der Begründung des Bescheides richtig erkannt, dass ihm mit Blick auf die Frage, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet wird, Ermessen eröffnet ist. In die Ermessenserwägungen hat das Bundesamt zutreffend eingestellt, ob zu Gunsten der Antragsteller schutzwürdige Belange zu berücksichtigen sind. Da solche Umstände weder von den Antragstellern vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, durfte das Bundesamt das Einreise- und Aufenthaltsverbot in rechtmäßiger Weise anordnen.
74Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate weist ebenfalls keine Ermessensfehler auf. Die Bemessung der Frist auf 10 Monate steht im Einklang mit § 11 Abs. 7 Satz 5 AufenthG. Im Übrigen hat das Bundesamt alle insofern in die Ermessensentscheidung einzustellenden Umstände berücksichtigt. Auch die Antragsteller haben nicht konkret vorgetragen, welche Umstände das Bundesamt unberücksichtigt gelassen hat.
75Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots aus § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf 30 Monate ist ebenfalls rechtmäßig, da sie den Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG entspricht. Die Antragsteller haben keine Umstände benannt, nach denen eine kürzere Befristung in Betracht käme.
76Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO.
77Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83b AsylG.
78Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.
(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.
(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.
(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.
(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:
- 1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2, - 2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.
(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.
(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.
(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.
(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
- 1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, - 2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, - 2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, - 3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und - 4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Artikels 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Herkunftsstaat) ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.
(2) Sichere Herkunftsstaaten sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die in Anlage II bezeichneten Staaten.
(2a) Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre, erstmals zum 23. Oktober 2017 einen Bericht darüber vor, ob die Voraussetzungen für die Einstufung der in Anlage II bezeichneten Staaten als sichere Herkunftsstaaten weiterhin vorliegen.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage II bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Herkunftsstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. März 2013 – 23 K 6544/10.A – wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 17. August 1990 geborene Klägerin ist angolanische Staatsangehörige katholischen Glaubens. Sie reiste nach ihren Angaben auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und meldete sich am 29. Februar 2008 als Asylsuchende.
3In der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) trug sie im Wesentlichen vor: Ihre Mutter sei bei ihrer Geburt gestorben, ihr Vater neun Jahre später. Seitdem habe sie bei ihrem Onkel, einem einfachen Berufssoldaten, in M. gelebt. Ihre Ausbildung an einer Fachhochschule für Gesundheit habe sie im Jahre 2006 abbrechen müssen, weil ihr Onkel diese nicht weiter habe finanzieren können. Zu ihrem 16. Geburtstag habe ihr Onkel ihre Verlobung mit dem General P. I. arrangiert. Da sie damit nicht einverstanden gewesen sei, sei sie im Juni oder Juli 2007 in die Sekte „D. F. “ geschickt worden, um ihren Widerstand zu brechen und ihre Beschneidung vorzubereiten. In einem unbeobachteten Moment habe sie durch eine geöffnete Tür fliehen können. Sie sei weglaufen und später von Unbekannten zu einer Mission gebracht worden. In katholischen Missionen sei sie versteckt mit Auto und Flugzeug über I1. nach M1. gebracht worden. Von dort sei sie nach Deutschland geflogen.
4Das Bundesamt lehnte es mit Bescheid vom 18. Januar 2010 ab, der Klägerin Asyl zu gewähren sowie die Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) festzustellen. Außerdem forderte es die Klägerin auf auszureisen und drohte ihr die Abschiebung nach Angola an. Der Bescheid wurde der Klägerin am 20. September 2010 zugestellt.
5Am 1. Oktober 2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat ergänzend vorgetragen, sie habe vergeblich von Deutschland aus versucht, Kontakt zu ihrem Zwillingsbruder aufzunehmen. In Angola habe sie niemanden mehr.
6Die Klägerin hat beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Januar 2010 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen sowie ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz vorliegen,
8hilfsweise, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 Aufenthaltsgesetz besteht,
9weiter hilfsweise, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz besteht.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom 3. Juli 2013 zugelassen. Zur Begründung hat die Klägerin im Wesentlichen auf ihren bisherigen Vortrag Bezug genommen und ergänzt, die Zwangsverlobung habe von vornherein nicht in eine Ehe münden sollen. Ziel sei nur gewesen, sie dem General zur Verfügung zu stellen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie ihre Angaben weiter vertieft.
13Die Klägerin beantragt,
14das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Januar 2010 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen,
15hilfsweise, ihr subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
16weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gemäß § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheiden.
22Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte sie als Asylberechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 GG anerkennt (dazu I.) und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuerkennt (dazu II.). Daher kann auch die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides keinen Bestand haben.
23Maßgebliche Rechtslage für die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende. Dies sind u. a. die seit dem 1. Dezember 2013 geltenden §§ 3 ff. AsylVfG, welche die Richtlinie 2011/95/EU ins deutsche Recht umsetzen.
24I. Die Klägerin ist als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG anzuerkennen.
251. Nach dieser Vorschrift genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Voraussetzungen und Umfang des politischen Asyls sind wesentlich bestimmt von der Unverletzlichkeit der Menschenwürde.
26Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Dezember 2012 – 2 BvR 2954/09 –, NVwZ 2013, 500 = juris, Rn. 24, vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 38 ff., und vom 2. Juli 1980 – 1 BvR 147/80 u. a. –, BVerfGE 54, 341 = NJW 1980, 2641 = juris, Rn. 46.
27Zu den unverfügbaren Merkmalen im eben genannten Sinne zählt auch die Geschlechtszugehörigkeit.
28Vgl. VG Kassel, Urteil vom 26. März 2012 – 4 K 782/10.KS.A –, juris (Zwangsverheiratung); VG Stuttgart, Urteil vom 9. März 2006 – A 11 K 11112/04 –, juris, Rn. 26 f. (Verfolgung durch einen gewalttätigen Ehemann); VG Frankfurt, Urteil vom 23. August 2005 – 12 E 194/05.A –, juris, Rn. 12 (drohender Ehrenmord); VG Berlin, Urteil vom 3. September 2003 – 1 X 23.03 –, juris, Rn. 22 f. (Genitalverstümmelung); VG Aachen, Urteil vom 12. August 2003 – 2 K 1924/00.A –, juris, Rn. 49 (Genitalverstümmelung); VG Frankfurt, Urteil vom 29. August 2001 – 3 E 30495/98.A (2) –, NVwZ-RR 2002, 460 = juris, Rn. 41 (Genitalverstümmelung); VG München, Urteil vom 20. Juni 2001 – M 21 K 98.50394 –, juris, Rn. 92 ff. (Genitalverstümmelung).
29Die Rechtsverletzung, aus der der Asylbewerber seine Asylberechtigung herleitet, muss ihm gezielt, d. h. gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale zugefügt worden sein. Hieran fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsstaat zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen. Die in diesem Sinne gezielt zugefügte Rechtsverletzung muss von einer Intensität sein, die sich nicht nur als Beeinträchtigung, sondern als ausgrenzende Verfolgung darstellt, so dass der davon Betroffene gezwungen war, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen.
30Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 43 ff. m. w. N.
31Politische Verfolgung gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung. "Private" Handlungen können jedoch dann als "politische" Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG anzusehen sein, wenn der Staat Einzelne oder Gruppen zu Verfolgungsmaßnahmen anregt oder derartige Handlungen unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit dem Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt, weil er hierzu nicht willens oder nicht in der Lage ist. Anders liegt es, wenn die Schutzgewährung die Kräfte eines konkreten Staates übersteigt; jenseits der ihm an sich zur Verfügung stehenden Mittel endet seine asylrechtliche Verantwortlichkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass keine staatliche Ordnungsmacht einen lückenlosen Schutz vor Unrecht und Gewalt zu garantieren vermag.
32Vgl. BVerfG, Urteile vom 23. Januar 1991 – 2 BvR 902/85 u. a. – BVerfGE 83, 216 = NVwZ 1991, 768 = juris, Rn. 44, vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 40, 46 f., und vom 2. Juli 1980 – 1 BvR 147/80 u.a. –, BVerfGE 54, 341 = NJW 1980, 2641 = juris, Rn. 48.
33Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schutzsuchender asylberechtigt ist, gelten unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist. Im erstgenannten Fall ist Asyl schon dann zu gewähren, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann. Hat der Ausländer sein Heimatland jedoch unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von Nachfluchttatbeständen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht.
34Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 67 ff.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2011 – 10 C 29.10 –, BVerwGE 141, 161 = NVwZ 2012, 1042 = juris, Rn. 24.
35Asyl nach Art. 16 a Abs. 1 GG wird nicht gewährt, wenn für den Betroffenen eine inländische Fluchtalternative in anderen Landesteilen existiert. Dies setzt voraus, dass er in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und am Herkunftsort so nicht bestünden. Der Asylsuchende kann auch dann auf eine inländische Fluchtalternative verwiesen werden, wenn er dort in anderer Weise als durch politische Verfolgung existenziell gefährdet wäre und eine gleichartige existenzielle Gefährdung auch am Herkunftsort bestände. In einem solchen Fall liegt nämlich nicht in einer am Herkunftsort drohenden politischen Verfolgung, sondern in der auch in anderen Landesteilen drohenden sonstigen existenziellen Gefährdung der eigentliche Grund dafür, dass außerhalb des für die Schutzgewährung in erster Linie zuständigen Herkunftsstaates Schutz gesucht wird. Das Fehlen des wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort einer inländischen Fluchtalternative ist also nur asylerheblich, wenn es verfolgungsbedingt ist.
36Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003 – 2 BvR 32/03 –, DVBl. 2004, 111 = juris, Rn. 2 f.; BVerwG, Urteil vom 9. September 1997 – 9 C 43.96 –, BVerwGE 105, 204 = DVBl. 1998, 274 = juris, Rn. 26.
37Es ist Sache des Asylbewerbers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, so schildert, dass der behauptete Asylanspruch davon lückenlos getragen wird. Das Gericht muss beurteilen, ob eine solche Aussage des Asylbewerbers glaubhaft ist. Dies gehört zum Wesen der richterlichen Rechtsfindung, vor allem der freien Beweiswürdigung. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts sind u. a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Asylbewerbers zu berücksichtigen.
38Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. August 1990– 9 B 45.90 –, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 225 = juris, Rn. 2, vom 26. Oktober 1989– 9 B 405.89 –, InfAuslR 1990, 38 = juris, Rn. 8, und vom 21. Juli 1989 – 9 B 239.89 –, InfAuslR 1989, 349 = juris, Rn. 3 f.
392. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Klägerin aufgrund der besonderen Umstände ihres Einzelfalls als Asylberechtigte anzuerkennen. Das Gericht glaubt der Klägerin ihr Vorbringen (dazu a)). Sie ist wegen ihres Geschlechts von Privaten verfolgt worden und ihr droht bei einer Rückkehr erneut politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG (dazu b)). Diese Verfolgung ist dem angolanischen Staat zuzurechnen (dazu c)). Der Klägerin stand keine inländische Fluchtalternative in Angola zur Verfügung (dazu d)). Art. 16 a Abs. 2 GG steht dem Asylanspruch nicht entgegen (dazu e)).
40a) Das Gericht hält den Vortrag der Klägerin für insgesamt glaubhaft. Diese hat in der mündlichen Verhandlung detailliert, in sich schlüssig und sichtlich emotional berührt ihr Schicksal geschildert. Ihre Aussagen passen in den wesentlichen Punkten zu ihren bisherigen Angaben in der Anhörung vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sowie zu den Erkenntnissen des Senats über Angola.
41Der Senat geht von folgendem Sachverhalt aus: Zunächst wurde die Klägerin an ihrem 16. Geburtstag ohne ihre Zustimmung von ihrem Onkel, einem einfachen Berufssoldaten, nach einer sogenannten Verlobungsfeier dem General P. I. , dem Vorgesetzten des Onkels, der Sache nach überlassen, blieb aber weiter bei ihrem Onkel wohnen. Der General wollte die Klägerin nicht heiraten. Die angebliche Verlobung diente ihm vielmehr als Vorwand, sie gegen ihren Willen immer wieder, auch über Nacht, mitzunehmen und nach Belieben über sie zu verfügen.
42Die Angaben der Klägerin über ihre sogenannte Verlobung decken sich mit den Erkenntnissen des Senats zu Angola. Dort werden innerhalb des Landes Frauen und Mädchen zum Zwecke der gewerbsmäßigen sexuellen Ausbeutung gehandelt.
43Vgl. Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 52.
44Die Klägerin sollte zwar keiner gewerbsmäßigen Prostitution nachgehen, aber dem General persönlich zu sexuellen Zwecken zur Verfügung stehen. Unabhängig davon, ob das Ansinnen, die Klägerin dem General zu überlassen, vom General oder vom Onkel der Klägerin ausging, erscheint plausibel, dass ein einfacher Berufssoldat mit Geldnöten sich seinem Vorgesetzten insoweit nicht widersetzt, zumal es nicht um seine eigene Tochter ging und er offenbar keine Skrupel hatte, seine Nichte zu verkaufen.
45Die Klägerin, die regelmäßig den katholischen Gottesdienst besuchte, erzählte dem Priester ihrer Gemeinde von den Vorfällen. Nachdem dieser ihren Onkel zur Rede gestellt hatte, verbot der Onkel der Klägerin, weiter zur Kirche zu gehen. Als der General die Abneigung der Klägerin gegen ihn bemerkte, ließ er sie in eine geschlossene Sekte außerhalb der Stadt verbringen. Die Klägerin sollte dort zunächst durch „Beten“ gefügig gemacht werden. Außerdem war geplant, sie nach Ablauf einiger Monate zu beschneiden. Berücksichtigt man, dass eine Heirat ohnehin nicht beabsichtigt war, der General sie immer wieder abgeholt hat, wenn er in M. war, und sie dann einige Zeit, auch über Nacht, mit ihm verbringen musste, erklärt sich auch ihre Aussage in der Anhörung vor dem Bundesamt (Seite 5 des Protokolls), die Beschneidung habe verhindern sollen, dass sie mit einem anderen Mann schlafe, wenn der General nicht in M. gewesen sei: Der General wollte die Klägerin wie einen persönlichen Besitz für sich allein beanspruchen und drohte mit einer Genitalverstümmelung, um dieses Ziel durchzusetzen. Außerdem bedrohte er sie mit dem Tod, sollte sie sich weigern, sich auf ihn einzulassen.
46Die Aussagen der Klägerin zur geplanten Genitalverstümmelung stimmen mit den Berichten überein, nach denen in seltenen Fällen weibliche Genitalverstümmelung in den östlichen Provinzen von Angola bzw. in abgelegenen Gegenden praktiziert wird.
47Vgl. United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2012, zu Angola, S. 30; United Kingdom Border Agency, Country of Origin Information Report, Angola, 1. September 2010, S. 50.
48M. , der Wohnsitz des Onkels der Klägerin und der Ort der Sekte, liegt im Osten von Angola.
49Die Klägerin wurde während des Aufenthaltes bei der Sekte krank. Da sie geschwächt war, wurde sie nicht mehr so streng bewacht wie vorher. Dabei gelang ihr in einem unbeobachteten Moment die Flucht. Da sie einen speziellen Kittel der Sekte trug, war sie ohne Weiteres als Sektenangehörige erkennbar. Menschen, die der Klägerin außerhalb des Areals der Sekte begegneten, brachten sie auf ihren Wunsch zu einer katholischen Gemeinde. Dort traf sie den Priester ihrer Heimatgemeinde, der bereits nach ihr gesucht hatte, nachdem sie nicht mehr zur Kirche gekommen war. Er organisierte eine Fahrt mit dem Auto und Begleitern nach I1. , von wo aus die Klägerin nach M1. flog. Dort wurde sie von den dortigen katholischen Missionen aufgenommen, die schließlich den Flug der Klägerin nach Deutschland organisierten. Auf diesem Flug begleitete sie eine angolanische Familie.
50Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin sprechen insbesondere nicht ihre Aussagen zum Zeitablauf ihres Schulbesuchs. Die Klägerin hat in der Anhörung erklärt, sie sei mit 6 Jahren eingeschult worden. Da die Schule nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Januar beginnt und da die Klägerin im August 1996 6 Jahre alt geworden ist, muss ihr Schulbesuch im Januar 1997 begonnen haben. Sie hat in der Anhörung vor dem Bundesamt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und in der mündlichen Verhandlung des Senats angegeben, sie sei 8 Jahre lang zur Schule gegangen. Dies muss etwa bis zum Januar 2006 gewesen sein. Damals war die Klägerin 15 Jahre alt. Anschließend hat sie die gesundheitstechnische Schule in M. etwa drei Monate lang besucht, bis ihr Onkel nicht mehr gezahlt hat. Dies kann zeitlich ohne Weiteres vor ihrem 16. Geburtstag am 17. August 2006 erfolgt sein, an dem ihr Onkel sie aus finanziellen Gründen verkauft hat. Soweit im Erstgespräch beim Jugendamt der Stadt E. am 7. März 2008 protokolliert wurde, die Klägerin habe 11 Jahre lang eine Schule besucht, hat die Klägerin dies mit einem Missverständnis erklärt. Im Hinblick darauf, dass ihre Angaben glaubhaft sind und die Klägerin damals erst kurz in Deutschland war, so dass sie die deutschen Angaben mangels Sprachkenntnissen nicht selbst überprüfen konnte, ist dies plausibel, zumal damals ausweislich des Protokolls keine Rückübersetzung erfolgte.
51b) Die Klägerin ist wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit verfolgt worden. Ihre Menschenwürde ist grob missachtet worden, indem sie als Frau zum Handelsobjekt herabgewürdigt worden ist. Außerdem ist mit der angekündigten Genitalverstümmelung auch ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit bedroht worden. Beides erfolgte in Anknüpfung an ihre Geschlechtszugehörigkeit. Der General, der nach den Angaben der Klägerin immer junge Frauen suchte, nur eine Zeitlang mit einer Frau zusammen war und ihrer dann wohl überdrüssig wurde, war an der Klägerin nur interessiert, weil sie eine Frau war und weil sie jung war. Auf diese Weise wurde die Klägerin als sozial minderwertiges Wesen ohne eigene Rechte behandelt und aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgegrenzt. Indem der General ihr die Genitalverstümmelung ankündigte und diese plante, um zu verhindern, dass sie mit anderen Männern als mit ihm schläft, reduzierte er sie auf ein bloßes Sexualobjekt.
52Vgl. zur drohenden Beschneidung bei Männern als asylrelevanter Verfolgung BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 – 9 C 118.90 –, BVerwGE 89, 162 = NVwZ 1992, 582 = juris, Rn. 10: „…ergibt sich in rechtlicher Hinsicht, dass der Kläger politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ist, weil ihm bei einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, während des Wehrdienstes zwangsbeschnitten zu werden.“ und Rn. 13: „Es kann weiterhin auch nicht zweifelhaft sein, dass eine gegen den Willen des Betroffenen durchgeführte Beschneidung ihrer Intensität nach einen asylrechtlich erheblichen Eingriff in seine physische und psychische Integrität darstellt. Das Berufungsgericht führt in dieser Hinsicht zu Recht aus, dass - abgesehen von dem körperlichen Eingriff - der von einer Zwangsbeschneidung Betroffene unter Missachtung seines religiösen und personalen Selbstbestimmungsrechts zum bloßen Objekt erniedrigt wird.“
53Durch die Bedrohung mit dem Tod war auch das Recht der Klägerin auf Leben gefährdet. Auch dies hängt unmittelbar mit ihrer Verfolgung als Frau zusammen. Der General nahm es der Klägerin nach ihren glaubhaften Angaben persönlich übel, dass sie ihn ablehnte, und drohte ihr deshalb mit dem Tod. Dabei handelte es sich nicht nur um einen privaten kriminellen Racheakt ohne politische Motive. Die Todesdrohung ist hier vielmehr vor dem Hintergrund der sie begleitenden politischen Verfolgung wegen des Geschlechts zu sehen. Ohne diese hätte der General die Klägerin nicht mit dem Tod bedroht. Bei lebensnaher Betrachtung ist davon auszugehen, dass die Todesdrohung sich nicht durch die Ausreise der Klägerin und eine mehrjährige Abwesenheit im Ausland erledigt hat. Denn der General hatte bereits nach der Klägerin suchen lassen, nachdem sie aus der Sekte entkommen war. Er hatte für sie bezahlt und wollte sich die Gegenleistung nicht entgehen lassen. Außerdem dürfte er es in seiner Stellung als hoher Vertreter des Militärs gewohnt sein, seine Interessen und Ziele durchzusetzen, und war beleidigt wegen der Flucht der Klägerin. Es erscheint plausibel, dass er seine Rache auch aus Gründen der Machtdemonstration in jedem Fall durchzusetzen versucht. Die vorverfolgt ausgereiste Klägerin wäre bei einer Rückkehr nach Angola aus diesen Gründen nicht hinreichend sicher vor erneuter Verfolgung wegen ihres Geschlechts, zumindest in Form der Bedrohung mit dem Tod.
54c) Diese Verfolgung ist dem angolanischen Staat zuzurechnen. Dieser ist entweder nicht in der Lage oder nicht willens, der Klägerin Schutz zu bieten. Wenn die Klägerin sich an die Polizei oder Gerichte gewandt hätte, wäre nicht zu erwarten gewesen, dass sie als Waise von dort effektive Hilfe gegen ihren Onkel als ihren Betreuer und gegen den General als einen hohen Vertreter des Militärs, dem als solchen wesentlich mehr gesellschaftliche und finanzielle Einflussmöglichkeiten zustehen dürften als der Klägerin, erhält. Dies ergibt sich aus Folgendem:
55Kindesmissbrauch („child abuse“) ist weit verbreitet und von den angolanischen Behörden weitgehend toleriert. Insbesondere schutzbedürftige Kinder („vulnerable children“) wie Waisen laufen Gefahr, von ihren Betreuern missbraucht zu werden. Die angolanische Regierung verfügt über keine Strategie, um solche Kinder zu schützen. Sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern zwischen 12 und 18 Jahren sind zwar als sexueller Missbrauch strafbewehrt. Eingeschränkte Ermittlungsmöglichkeiten und ein unzureichendes Justizsystem verhindern jedoch in den meisten Fällen eine Strafverfolgung.
56Vgl. United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2012, zu Angola, S. 32 f.; Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 51.
57Häusliche Gewalt gegenüber Frauen ist verbreitet und allgegenwärtig. Sie ist nicht illegal. Trotzdem wird sie gelegentlich als Vergewaltigung, Beleidigung oder Körperverletzung verfolgt.
58Vgl. Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 51; UK Border Agency, Country of Origin Information Report, Angola, 1. September 2010, S. 49.
59Die meisten Fälle häuslicher Gewalt werden von den betroffenen Frauen jedoch nicht angezeigt. Dies geschieht wegen des den Behörden grundsätzlich entgegengebrachten starken Misstrauens und der unangemessenen Einstellung der Polizei zu Fällen häuslicher Gewalt. Die Anzeige eines solchen Falles würde für die betreffende Frau einen sie frustrierenden, beschämenden und zeitraubenden Vorgang darstellen. Zudem sind Richter häufig nachsichtig, wenn es um die Verurteilung eines Mannes geht, der sich der Gewalt gegenüber einer Frau schuldig gemacht hat.
60Vgl. Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 51 f.
61Verfahrensrechte laufen aufgrund des materiell schlecht ausgestatteten, langsam arbeitenden und korruptionsanfälligen Justizsystems vielfach leer. Der Justizweg ist allenfalls eingeschränkt gewährleistet. Ermittlungsbehörden und Polizei sind überlastet, unterbezahlt, ineffektiv und korruptionsanfällig.
62Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Angola vom 26. Juni 2007, S. 6; United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2012, zu Angola, S. 9; United Kingdom Border Agency, Country of Origin Information Report, Angola, 1. September 2010, S. 28; nach den Informationen von Dalichau, Angola: Ungelöste innenpolitische Herausforderungen, Juni 2011, S. 4, gehört der Perzeptionsindex für Korruption zu den höchsten der Welt.
63Da der angolanische Staat nach diesen Auskünften schon für den Regelfall einer Misshandlung einer jungen Frau durch ihre Familie bzw. einen hohen Militärangehörigen keinen wirksamen Schutz zur Verfügung stellt, entlastet es ihn nicht, dass kein Staat der Welt lückenlosen Schutz vor politischer Verfolgung durch Private bieten kann.
64d) Der Klägerin stand keine inländische Fluchtalternative in anderen Landesteilen von Angola zur Verfügung. Es ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass der General als hoher Vertreter des Militärs im Hinblick auf seine gesellschaftliche Stellung und die allgegenwärtige Korruption im Land die Möglichkeit hat und diese nutzen würde, die Klägerin mit Hilfe des Militärs oder anderer Beziehungen auch in anderen Teilen von Angola ausfindig zu machen, um sich an ihr zu rächen. Er hatte bereits nach ihr suchen lassen, während sie in M1. bei den katholischen Missionen versteckt war.
65Unabhängig davon könnte die Klägerin als alleinstehende Frau ohne Unterstützung einer Familie ihren Lebensunterhalt nicht in zumutbarer Weise sichern. Der größere Teil der angolanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.
66Vgl. Die Zeit: „Auf nach Afrika!“ vom 18. April 2013: über die Hälfte; taz: „Je reicher das Land, desto mächtiger der Chef“ vom 5. April 2012: Zwei Drittel leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von 2 Dollar am Tag; ebenso Dalichau: „Angola: Ungelöste innenpolitische Herausforderungen“ von Juni 2011, S. 3; Der Spiegel: „Die Revolution ist beerdigt“ vom 15. Juni 2009; Spiegel online: „Mit Hühnern gegen Raubtierkapitalismus“ vom 29. März 2009; Le Monde diplomatique: „Reiches Land mit armen Leuten“ vom 9. Mai 2008.
67Die Lebenshaltungskosten in Angola und insbesondere in der Hauptstadt M1. sind extrem hoch. Insbesondere, wenn kein familiärer Rückhalt besteht, der zumindest für den Beginn Unterstützung gewährt, ist es zum Teil äußerst schwierig, wenn nicht sogar ausgeschlossen (abhängig von den persönlichen Fähigkeiten/Verhältnissen), „Fuß zu fassen“.
68So die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 22. September 2009.
69Das Fehlen des wirtschaftlichen Existenzminimums in anderen Landesteilen von Angola ist hier auch asylerheblich, weil es verfolgungsbedingt ist. Die asylrechtlich relevante Verfolgung der Klägerin hatte ihren Ursprung darin, dass ihr Onkel sie dem General zur Verfügung stellte, u. a. zur sexuellen Ausbeutung. Daher ist es ihr unzumutbar, zu ihrem Onkel zurückzukehren. Zu dem einzigen anderen Familienangehörigen der Klägerin in Angola, ihrem Zwillingsbruder, hat sie keinen Kontakt mehr, weil sie seinen Aufenthalt nicht mehr kennt. Die Klägerin verfügt zwar über eine 8-jährige angolanische Schulbildung und ist nach ihren Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dabei, ihren Realschulabschluss zu erwerben. Auch spricht sie ziemlich gut Deutsch. Allerdings verfügt sie nicht über eine Berufsausbildung. Wenn sie nach Angola zurückkehrte, ist ohne familiäre Unterstützung und ohne gesicherte Anlaufstelle nicht ersichtlich, wie sie in ihrem besonderen Einzelfall ihren Lebensunterhalt, gerade in der ersten Zeit nach der Rückkehr, in zumutbarer Weise sichern könnte.
70e) Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG stehen dem Asylanspruch der Klägerin nicht entgegen. Danach erhält kein Asyl, wer aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist. Dazu zählen alle an Deutschland angrenzenden Staaten, so dass Asyl für diejenigen ausgeschlossen ist, die auf dem Landweg einreisen.
71Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin auf dem Luftweg nach Deutschland gekommen ist. Sie hat glaubhaft geschildert, wie sie von M1. mit einer südafrikanischen Fluglinie und einem Zwischenstopp in Afrika nach Deutschland geflogen ist. Dass der Zwischenstopp in Afrika stattfand, ergibt sich für das Gericht aufgrund der glaubhaften Angaben der Klägerin, dass die Menschen auf diesem Flughafen afrikanisch gewesen seien. Aufgrund der hier vorliegenden besonderen Umstände des Einzelfalles macht es ihr Vorbringen nicht unglaubhaft, dass sie ihren Pass, den Namen, auf den dieser Pass ausgestellt war, und die Sitznummer im Flugzeug nicht kannte. Ebenso wenig ist ihr vorzuhalten, dass sie nicht bereits auf dem deutschen Ankunftsflughafen Asyl beantragt hat. Denn die Klägerin war wegen ihrer persönlichen Situation damals kaum in der Lage, die konkrete Ausgestaltung der Flucht nach Deutschland selbst in die Hand zu nehmen. Sie verließ sich vielmehr auf ihre erwachsenen Reisebegleiter: Die Klägerin war bei der Ausreise aus Angola 17 Jahre alt. Sie hatte bis zu ihrer Flucht nie ohne ihre Familie gelebt und ihr Leben nie völlig selbstständig organisiert. Sie reiste zum ersten Mal aus Angola aus. Sie war ganz auf sich allein gestellt, nachdem ihr Onkel sie verkauft und sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Zwillingsbruder hatte. Sie war von den vorangegangenen Ereignissen emotional beeinträchtigt. Die katholische Mission hatte ihre Ausreise zusammen mit einer Familie organisiert, an die sie sich halten sollte. Ihren Pass hatte der Vater dieser Familie, der sie sich angeschlossen hatte. Sie folgte daher deren Anweisungen, als sie am Flughafen von einem Mann mit einem Auto abgeholt wurden und als sie sich in C. in einem bestimmten Büro melden sollte. Dabei ging sie davon aus, dass die Familie, wie angekündigt, folgen würde, und wartete vergeblich auf diese. In einer solchen Situation ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin nicht alle Einzelheiten ihrer Ausreise wiedergeben konnte.
72II. Der Klägerin steht auch Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zu.
731. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
74Gemäß § 3 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG gelten Handlungen als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3 a Abs. 2 AsylVfG können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 u. a. folgende Handlungen gelten: die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (Nr. 1) sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen (Nr. 6). Nach § 3 b Abs. 1 Nr. 4 Teilsatz 1 AsylVfG gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe u. a. angeborene Merkmale gemein haben und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der die umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht anknüpft (§ 3 b Abs. 1 Nr. 4 Teilsatz 4 AsylVfG).
75Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind gemäß § 3 c AsylVfG der Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatliche Akteure, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Schutz vor Verfolgung kann nach § 3 d Abs. 1 AsylVfG nur geboten werden vom Staat (Nr. 1) oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten (Nr. 2). Nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift muss der Schutz vor Verfolgung wirksam und nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat (§ 3 d Abs. 2 Satz 2 AsylVfG).
76Gemäß § 3 e Abs. 1 AsylVfG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).
77Bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen, unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Die Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, nicht durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen. Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
78Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2011– 10 C 29.10 –, BVerwGE 141, 161 = NVwZ 2012, 1042 = juris, Rn. 23 ff.; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, juris, Rn. 35 ff. m. w. N. (jeweils zur entsprechenden Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG).
792. Die Klägerin ist aus den unter I. 2. genannten Gründen aufgrund der Besonderheiten ihres Einzelfalls als junge, unverheiratete und elternlose Minderjährige wegen ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht verfolgt worden. Ihr „Verkauf“ an den General ist unauflöslich mit sexueller Gewalt und Ausbeutung verbunden. Er zielt auf den Genderstatus der Frau, ihr Alter, Geschlecht, ihre wirtschaftliche und soziale Stellung wie auch ihre sexuelle Verwertbarkeit zu wirtschaftlichen Zwecken.
80Vgl. Marx, Furcht vor Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Art. 10 I Bst. d RL 2004/83/EG), ZAR 2005, 177 (184); zur geschlechtsspezifischen Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG; Hess. VGH, Urteil vom 23. März 2005 – 3 UE 3457/04.A –, NVwZ-RR 2006, 504 = juris, Rn. 38 ff., 43 ff. (Genitalverstümmelung); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. Juli 2013 – 5a K 4418/11.A –, juris, Rn. 62 ff. (Zwangsverheiratung); VG Magdeburg, Urteil vom 18. September 2012 – 5 A 182/11 MD –, juris (Zwangsverheiratung); VG Kassel, Urteil vom 26. März 2012 – 4 K 782/10.KS.A –, juris, (Zwangsverheiratung); VG Würzburg, Urteil vom 19. September 2005 – W 8 K 04.30919 –, juris, Rn. 13 (Zwangsprostitution); Ziffer 60.1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 nennt als Beispiele für an das Geschlecht anknüpfende Verfolgungshandlungen drohende Genitalverstümmelung und Fälle schwerer häuslicher Gewalt; siehe auch Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Jan. 2014, § 60 Rn. 187, nach dem die Gruppe der minderjährigen oder der unverheirateten Frauen eine soziale Gruppe darstellen kann.
81Unter Berücksichtigung der oben angeführten Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für Vorverfolgte droht der Klägerin bei einer Rückkehr nach Angola mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneute Verfolgung, zumindest in Form der Bedrohung mit dem Tod durch den General. Stichhaltige Anhaltspunkte dafür, dass der General von seiner angekündigten Rache gegenüber der Klägerin Abstand nehmen könnte, sind nicht ersichtlich.
82Schutz vor dieser Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 3 c Nr. 3 AsylVfG ist vom angolanischen Staat nicht zu erwarten. Aus den oben genannten Gründen bietet der angolanische Staat keinen wirksamen und dauerhaften Schutz vor der Verfolgung im Sinne des § 3 d AsylVfG. Ein interner Schutz in anderen Teilen von Angola im Sinne von § 3 e AsylVfG besteht ebenfalls nicht, weil der General die Klägerin dort finden würde und – unabhängig davon – weil die Klägerin als alleinstehende Frau ohne Familienangehörige ihren Lebensunterhalt nicht in zumutbarer Weise sichern könnte.
83III. Die Feststellung in Nr. 3 des angefochtenen Bescheides, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, ist aufzuheben. Einer Entscheidung über die mit den Hilfsanträgen geltend gemachten Abschiebungsverbote bedarf es nach der Asylanerkennung und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG).
84Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010– 8 A 4063/06.A –, juris, Rn. 117 ff.
85IV. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides war aufzuheben. Da die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen ist und ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, darf eine Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht ergehen.
86Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 83 b AsylVfG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
87Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. März 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Kosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
21. Die auf § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 6 VwGO gestützte Rüge, das verwaltungsgerichtliche Urteil sei hinsichtlich der entscheidungstragenden Annahme, die Kläger seien vor ihrer Ausreise keiner vom afghanischen Staat oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehenden Verfolgung ausgesetzt gewesen, nicht mit Gründen versehen, greift nicht durch. § 138 Nr. 6 VwGO knüpft an den notwendigen formellen Inhalt eines Urteils an. Nach § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO müssen im Urteil die Gründe schriftlich niedergelegt werden, die für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblich waren. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung nur dann, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermitteln, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend waren, und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung zu überprüfen. Das ist nur anzunehmen, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstands fehlen oder sich als derart verworren oder unverständlich darstellen, dass sie unbrauchbar sind
3Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2013
4- 1 B 8.13 -, juris, und Beschluss vom 4. Dezember 1998 - 8 B 187.98 -, NVwZ-RR 2000, 257 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2010 - 5 A 961/10.A -.
5Das ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG bzw. des § 60 Abs. 1 AufenthG ausgeführt, dass die von den Klägern geschilderte Entführung des Klägers zu 1. aus Gründen der Lösegelderpressung sowie die angeblichen Übergriffe und Drohungen des Paschtunen aus Rache für die Zurückweisung der Heirat mit der Klägerin zu 2. erkennbar nicht an flüchtlingsrelevante Merkmale anknüpften, sondern es sich vielmehr um kriminell motivierte Maßnahmen und Drohungen nichtstaatlicher Akteure handele. Angesichts dieser Ausführungen kann nicht die Rede davon sein, dass in dem angefochtenen Urteil auf einzelne Ansprüche oder einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel überhaupt nicht eingegangen wird oder dass die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils in sich gänzlich lückenhaft sind. Die nach Auffassung der Kläger mangelnde Begründungstiefe macht die Urteilsgründe nicht unbrauchbar.
62. Die Berufung ist auch nicht wegen einer geltend gemachten Divergenz im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG zuzulassen. Die Darlegung einer Abweichung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG setzt voraus, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung eines in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG genannten Divergenzgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat.
7Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2007 - 1 B 271.06 -, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014 - 13 A 1705/13.A -, und vom 2. April 2004 - 15 A 1298/04.A -, juris.
8Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht nicht von den von den Klägern in Bezug genommenen Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2010 - 9 C 28.99 - und vom 10. Dezember 2009 - 3 C 25.08 - ab. Allein aus dem Umstand, dass abstrakte Rechtssätze im Einzelfall nicht zur Anwendung kommen, ergibt sich keine Divergenz im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG.
9Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2011 - 10 B 2.12 -, juris.
103. Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht zu.
11Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte, für die erstinstanzliche oder für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird. Zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
12Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Februar 2013 ‑ 13 A 2871/12.A -, juris, und vom 9. Januar 2013 - 13 A 2090/12.A -, juris.
13Eine solche Frage legen die Kläger nicht dar.
14Hinsichtlich der von den Klägern aufgeworfenen Fragen,
15„a) ob eine Drohung mit einer schweren Verletzung und/oder Tötung, die aus Rache aus verletztem Stolz gegen einen männlichen Mitbewerber um eine Frau erfolgt, an deinen Verfolgungsgrund des Art. 10 QRL bzw. an den Verfolgungsgrund des Art. 10 Abs. 1 lit. d), die bestimmte soziale Gruppe anknüpfen kann oder anknüpft?
16Hilfsweise ob eine Drohung mit einer schweren Verletzung und/oder Tötung in Anknüpfung an das „Mannsein“ an deinen Verfolgungsgrund des Art. 10 QRL bzw. an den Verfolgungsgrund des Art. 10 Abs. 1 lit. d), die bestimmte soziale Gruppe anknüpfen kann oder anknüpft,
17b) ob die Entführung oder drohende Entführung eines wohlhabenden Menschen wegen von den Entführern vermuteten möglich zu erwartenden Lösegeldes eine Verfolgungshandlung in Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund des Art. 10 QRL bzw. des Art. 10 Abs. 1 lit. d), eine soziale Gruppe ist bzw. sein kann“,
18ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass sie sich in einem Berufungsverfahren stellen könnten. Denn das Verwaltungsgericht hat auch ausgeführt, dass die von den Klägern geschilderten fluchtauslösenden Umstände - nämlich die Entführung des Klägers zu 1. und die die damit verbundene Lösegelderpressung sowie die Misshandlungen und Drohungen durch den zurückgewiesenen Bewerber um die Klägerin zu 2. - insgesamt nicht glaubhaft seien. Dem sind die Kläger nicht entgegengetreten.
19Grundsätzliche Bedeutung hat auch nicht die von den Klägern formulierte Frage,
20„ob die Anerkennung als Flüchtling nach Art. 13 QRL mit der Begründung abgelehnt werden darf, es handele sich um eine kriminell motivierte Verfolgung bzw. mit kriminellem Hintergrund oder ob gerade umgekehrt eine gegen eine Person gerichtete kriminelle Handlung ein Indiz für einen Verfolgungsgrund i. S. von Art. 10 QRL ist“.
21Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG - unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - zuzuerkennen ist, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland Bedrohungen seines Lebens, seiner Freiheit oder anderer in Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 2011/95/EU (zuvor: Richtlinie 2004/83/EG) geschützter Rechtsgüter wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt ist.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris.
23Von einer „Verfolgung" kann dabei nur ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen, so dass der davon Betroffene gezwungen ist, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es hingegen regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsstaat zu erleiden hat, etwa in Folge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen.
24Vgl. OVG NRW, Urteile vom 13. November 2013 ‑ 8 A 2228/07.A -, vom 2. Juli 2013 - 8 A 2632/06.A -, juris, vom 10. Mai 2011 - 3 A 133/10.A -, und vom 14. Dezember 2010 - 19 A 2999/06.A -, hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.
25Danach muss auch eine kriminelle Verfolgung an ein in § 3 AsylVfG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können.
26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2014 - 1 A 1139/13.A -, juris; OVG des Saarlandes, Urteil vom 1. Juni 2011 - 3 A 451/08 -, juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 6. Januar 2004 - 3 L 6/99 -, juris.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
28Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) wird nicht entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt.
4Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung muss eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufgeworfen werden, die entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts einer Klärung bedarf.
5Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 ff., und Beschlüsse vom 2. Oktober 1984 - 1 B 114.84 -, InfAuslR 1985, 130 f., sowie vom 19. Juli 2011 - 10 B 10.11, 10 PKH 10 PKH 4.11 -, juris, Rn. 3.
6Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
7Die von den Klägern aufgeworfenen Fragen,
8„Handelt es sich bei polizeilichen Übergriffen in Albanien gegenüber Personen, die aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen oder Protesten festgenommen wurden, um dem Staat zurechenbare Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 1 und 2 AsylVfG oder um nicht zurechenbare Amtswalterexzesse?
9Spielt die ethnische Zugehörigkeit eine Rolle bei dem Risiko, durch Polizeikräfte in menschenrechtswidriger Art und Weise behandelt zu werden?“,
10bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Sie lassen sich auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden und allgemein - etwa im Internet - zugänglichen aktuellen Erkenntnisquellen beantworten. Danach können die von den Klägern behaupteten polizeilichen Übergriffe auf Teilnehmer an Demonstrationen und Protesten nicht als dem albanischen Staat zurechenbare Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 1 und 2 AsylVfG qualifiziert werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der albanische Staat grundsätzlich nicht willens und in der Lage ist (vgl. § 3d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylVfG), vor solchen Übergriffen Schutz zu bieten bzw. dagegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rats war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u. a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt, Fortschritte im Kampf gegen die Korruption erreicht sowie auch Maßnahmen zur Anerkennung der Rechte von Minderheiten unternommen hat. Die Lebensbedingungen, der Zugang zu Bildung, Beschäftigung und Gesundheits- sowie Sozialfürsorge von Roma müssen allerdings noch weiter verbessert werden.
11Vgl. hierzu European Commission, Albania, Progress Report, October 2014, Enlargement, S. 1; European Commission, Brussels, 8.10.2014, Commission Staff Working Document, Albania 2014 Progress Report, Enlargement Strategy and Main Challenges 2014 - 2015, u. a. S. 12 f., 49 f., 53 f., und Auswärtiges Amt, EU-Perspektive für Albanien, www.auswaertiges-amt.de.
12Mit Blick darauf kann, auch wenn nach den Feststellungen der EU-Kommission in Albanien noch weitere Reformmaßnahmen erforderlich sind, eine grundsätzlich dem albanischen Staat zurechenbare Verfolgung durch polizeiliche Übergriffe auf Demonstrationsteilnehmer oder ethnische Minderheiten wie den Roma nicht bejaht werden. Denn der albanische Staat hat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht. Soweit der von den Klägern beigebrachte Bericht des Menschenrechtskommissars des Europäischen Rats vom 16. Januar 2014
13- Commissioner for Human Rights, Straßbourg, 16 January 2014, Report by Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, Following his visit to Albania from 23 to 27 September 2013 ‑
14anderes aufzeigt und etwa „an die Einhaltung der Null-Toleranz-Politik in Bezug auf die Menschenrechte erinnert, an die Einführung einer Antikorruptionspolitik und von Kontrollmechanismen, die in Übereinstimmung stehen mit den Empfehlungen des European Code of Policy Ethics“, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Der Bericht bezieht sich auf einen dem Status Albaniens als Beitrittskandidat zur Europäischen Union vorangegangenen Zeitraum und ist damit nicht nur zeitlich, sondern - wie sich aus den oben wiedergegebenen Ausführungen aus den benannten Erkenntnissen ergibt - auch inhaltlich weitestgehend überholt, sodass er jedenfalls keinen Anlass zur Klärung der von den Klägern aufgeworfenen Fragen in einem Berufungsverfahren bieten kann.
15Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, 100 ZPO 83b AsylVfG.
16Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
Der am 1. September 2015 sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 5956/15.A gegen die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 3. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. August 2015 in Gestalt des lediglich isoliert den Tenor zu Ziffer 1. klarstellenden und insoweit nicht zu beanstandenden Abänderungsbescheides vom 29. September 2015 anzuordnen, wird abgelehnt. Gem. § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz -AsylG- darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen. Daran fehlt es hier. Das Gericht folgt mit der Maßgabe, dass nach Art. 15 Abs. 1 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I, 1722) insoweit nicht die Normen des bis zum Ablauf des 23. Oktober 2015 geltenden Asylverfahrensgesetzes, sondern die des nunmehr geltenden Asylgesetzes Anwendung finden (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG), den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des angegriffenen ausführlichen Bescheides, dem die Antragsteller nichts erhebliches mehr entgegengesetzt haben, und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Durchgreifende Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, bestehen nicht.
Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, der albanische Staat sei grundsätzlich nicht willens und in der Lage (vgl. §§ 3c Nr. 3, 3d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylG), vor den befürchteten Übergriffen der Privatperson (Schwiegervater des Antragstellers zu 1.) Schutz zu bieten (vgl. zu Übergriffen OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn.8). Etwas substantiiert Abweichendes haben die Antragsteller nicht vorgetragen, insbesondere ist nicht dargelegt, weshalb es ihnen nicht möglich gewesen sein soll, um aktuellen Schutz bei der Polizei nachzusuchen oder, dass dieser Schutz ihnen erwiesenermaßen verweigert worden wäre. Etwaigen beachtlichen Gefahren für Leib oder Leben können die Antragsteller ungeachtet dessen jedenfalls auch durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, abwenden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, Stand: Mai 2015, S. 11; vgl. ebenso den Beschluss betreffend des Kindes der Antragsteller im Parallelverfahren VG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Oktober 2015 - 6 L 2939/15.A).
1
beschlossen:
2Der am 1. September 2015 sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 5956/15.A gegen die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 3. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. August 2015 in Gestalt des lediglich isoliert den Tenor zu Ziffer 1. klarstellenden und insoweit nicht zu beanstandenden Abänderungsbescheides vom 29. September 2015 anzuordnen, wird abgelehnt. Gem. § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz -AsylG- darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen. Daran fehlt es hier. Das Gericht folgt mit der Maßgabe, dass nach Art. 15 Abs. 1 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I, 1722) insoweit nicht die Normen des bis zum Ablauf des 23. Oktober 2015 geltenden Asylverfahrensgesetzes, sondern die des nunmehr geltenden Asylgesetzes Anwendung finden (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG), den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des angegriffenen ausführlichen Bescheides, dem die Antragsteller nichts erhebliches mehr entgegengesetzt haben, und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Durchgreifende Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, bestehen nicht.
3Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, der albanische Staat sei grundsätzlich nicht willens und in der Lage (vgl. §§ 3c Nr. 3, 3d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylG), vor den befürchteten Übergriffen der Privatperson (Schwiegervater des Antragstellers zu 1.) Schutz zu bieten (vgl. zu Übergriffen OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn.8). Etwas substantiiert Abweichendes haben die Antragsteller nicht vorgetragen, insbesondere ist nicht dargelegt, weshalb es ihnen nicht möglich gewesen sein soll, um aktuellen Schutz bei der Polizei nachzusuchen oder, dass dieser Schutz ihnen erwiesenermaßen verweigert worden wäre. Etwaigen beachtlichen Gefahren für Leib oder Leben können die Antragsteller ungeachtet dessen jedenfalls auch durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, abwenden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, Stand: Mai 2015, S. 11; vgl. ebenso den Beschluss betreffend des Kindes der Antragsteller im Parallelverfahren VG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Oktober 2015 - 6 L 2939/15.A).
4Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Antragsteller (§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-, § 83b AsylG).
5Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter Beiordnung von Rechtsanwalt Salami aus Aachen wird mangels hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgelehnt (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung).
6Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
7Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. März 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der 1992 in der afghanischen Provinz Ghazni geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan im Mai/Juni 2009 lebte er ledig in dem Dorf L. R. im Bezirk R. in der Provinz Ghazni. Dort betätigte er sich eigenen Angaben zufolge - nachdem er die Schule nach der sechsten Klasse verlassen hatte - damit, seinem Vater bei Polsterarbeiten zu helfen.
3Der Kläger ist als damals 16-jähriger am 20. Juni 2009 nach ungefähr einmonatiger Landwegreise über den Iran, die Türkei und Griechenland und von dort kommend auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist. Hier beantragte er am 17. August 2009 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
4Am 2. September 2009 und am 30. September 2010 wurde der Kläger vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angehört, wo er u.a. folgende Angaben machte: Er habe in Afghanistan Bodybuilding betrieben und dabei einen Unfall verursacht. Während er mit einer Langhantel mit aufgesteckten ungesicherten Gewichtscheiben trainiert habe, seien zwei Scheiben mit einem Gewicht von jeweils 15 kg abgerutscht und auf das Gesicht und die Brust eines Mannes gefallen, der auf dem Rücken liegend in seiner Nähe trainiert habe. Als er dessen blutüberströmtes Gesicht gesehen und der Mann keine Reaktion gezeigt habe, sei er aus Angst davon gelaufen. Er habe einer anderen Person - die er bei der zweiten Anhörung als seinen Cousin bezeichnet hat - von dem Vorfall erzählt. Auf den Rat und mit der finanziellen Hilfe dieser Person sei er wenig später nach Kabul gereist. Dort habe er sich einige Zeit bei der ersten Frau seines Onkels aufgehalten. Anlass dafür sei gewesen, dass es sich bei dem Vater des Verletzten um I. A. , der so etwas Ähnliches wie ein einflussreicher Politiker sei, handele. Kurz darauf sei sein eigener Vater auf dessen Anzeige hin inhaftiert und ungefähr eine Woche später auf Initiative des Ältestenrates wieder freigelassen worden. Er gehe davon aus, in Afghanistan von dem Vater des Verletzten, dem I. A. , Tag und Nacht verfolgt zu werden.
5Mit Bescheid vom 6. Dezember 2010 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers mit der Begründung ab, dass dieser nicht geltend gemacht habe, aufgrund asylrelevanter Persönlichkeitsmerkmale verfolgt zu werden. Gleichzeitig stellte es fest, dass angesichts dessen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen. Ferner enthält der Bescheid die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a. F.) nicht gegeben sind. Ob dem Kläger aufgrund der von ihm geschilderten Ereignisse eine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 2 AufenthG (a. F.) drohe, könne dahin stehen, da er die Möglichkeit habe, in Afghanistan, namentlich in Herat oder Kabul, internen Schutz zu erlangen. Entsprechendes gelte bezogen auf Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (a. F.). Dass der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer extremen allgemeinen Gefahr ausgesetzt sei, sei nicht feststellbar. Da kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn anhängig sei, müsse er auch nicht die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 60 Abs. 3 AufenthG) befürchten. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls er nach Afghanistan oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben werde.
6Der Kläger hat am 28. Dezember 2010 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen vor dem Bundesamt wiederholt und vertieft und ergänzend u.a. Folgendes vorgetragen hat: Seine Familie habe vergebens versucht, sich von der zu erwartenden Rache frei zu kaufen. Obwohl der Vater des Verletzten, dessen Machtbasis in der Provinz Nangarhar angesiedelt gewesen sei, im Februar 2010 bei einem Bombenattentat zu Tode gekommen sei, bestehe für ihn weiterhin ein Verfolgungsrisiko. Denn es wäre überraschend, wenn das Verlangen nach Rache nicht auf Seiten der gesamten Familie des Opfers bestünde. Deswegen könne unterstellt werden, dass diese nach wie vor ein Interesse daran habe, ihn zu bestrafen, wobei damit zu rechnen sei, dass dies mit Misshandlungen einhergehe und rechtsstaatliche Prinzipien dabei außer Acht blieben. Für ihn bestehe keine inländische Fluchtalternative. Denn der Zuzug in eine Stadt würde sich in einer auf informellen Strukturen fußenden Gesellschaft wie der afghanischen schnell herumsprechen. Dass vorliegend ein nicht nur lokales Verfolgungsinteresse bestehe, ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass die Familie des Opfers provinzübergreifend tätig geworden sei. Seine eigene Familie hingegen verfüge nicht über ausreichend Macht und Einfluss, um ihm Schutz zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 1. März 2012 hat der Kläger ergänzend mitgeteilt, dass das Opfer sich zwar schwere, teilweise wohl bleibende Verletzungen zugezogen, den Unfall aber überlebt habe. Dies ändere aber nichts an der fortbestehenden Verfolgungsgefahr durch dessen Familie und daran, dass er selbst - wie sich aus den dem Schriftsatz beigefügten Attesten ergebe - traumatisiert und im Falle einer erzwungenen Rückkehr nach Afghanistan gefährdet sei, retraumatisiert zu werden.
7Der Kläger hat beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Dezember 2010‑ zugestellt am 14. Dezember 2010 - Aktenzeichen 5386602 - 423 - zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
9hilfsweise
10die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG vorliegen,
11weiter hilfsweise
12die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 4, 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. März 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter oder auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Ferner stehe ihm kein Anspruch darauf zu, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, 4, 5 und 7 Satz 2 AufenthG festgestellt werden. Insoweit werde zur Vermeidung von Wiederholungen auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Seine Schilderung des fluchtauslösenden Vorfalls im Sportstudio, dessentwegen er der Blutrache ausgesetzt sein wolle, sei nicht glaubhaft. Die attestierte posttraumatische Belastungsstörung stelle keine den § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (gemeint gewesen sein dürfte § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) auslösende Anomalie dar. Der Kläger habe trotz gerichtlicher Nachfrage keine Auswirkungen der Traumatisierung auf alltägliche Verrichtungen aufgezeigt. Angstzustände oder Schlafstörungen stellten keine Besonderheiten dar, die eine
16extreme Gefahr begründen könnten. Im Ergebnis könne der Kläger ohne Gefährdung nach Afghanistan zurückkehren.
17Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat mit Beschluss vom 22. März 2013 (nur) hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten nach
18§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (a.F.) zugelassenen Berufung, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend weist er darauf hin, das Verwaltungsgericht habe die Schilderungen zu seinem Verfolgungsschicksal zu Unrecht als unglaubhaft bewertet. Zu folgen sei insoweit der Beurteilung der Beklagten, die die Abläufe nicht in Frage gestellt habe. Wegen der in Afghanistan herrschenden Strukturen sei es ihm auch nicht möglich, dort „unterzutauchen“. Aufgrund drohender Rache bestehe für ihn eine Gefahr, die gleichermaßen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und die des § 60 Abs. 5 AufenthG erfülle. Seine Gefährdung ergebe sich zum einen aus dem Umstand, dass er nach wie vor wegen der von ihm verursachten Körperverletzung Vergeltungsabsichten ausgesetzt sei, und zum anderen daraus, dass er unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom leide. Eine Weiterbehandlung dieser Erkrankung sei schon aufgrund der Gefahr der Retraumatisierung in Afghanistan nicht möglich.
19Die Kläger beantragt,
20das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. März 2012 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Dezember 2010 zu verpflichten, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Der Senat hat mit Beschluss vom 18. September 2014 Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie Dr. med. K. T. dazu erhoben, ob der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, diese ggf. behandlungsbedürftig ist und ob im Falle einer Abschiebung mit einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung zu rechnen wäre. In der Sitzung am 27. Januar 2014 hat der Sachverständige sein Gutachten mündlich erläutert. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 7. Dezember 2014 und das Sitzungsprotokoll vom 27. Januar 2014 verwiesen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die nur hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens nationaler Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG eingelegte Berufung hat keinen Erfolg.
27Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der ablehnende Bescheid des Bundesamts ist in diesem Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung in seiner Person begründeter Abschiebungsverbote gemäß
28§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (1) und § 60 Abs. 5 AufenthG (2).
29Für die Entscheidung über die Berufung ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage maßgebend. Das ist hier die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9; im Folgenden: QRL II) vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) am 1. Dezember 2013 geltende Fassung des Aufenthalts- und des Asylverfahrensgesetzes. Eine Änderung des Streitgegenstandes ist durch diese Neufassung nicht eingetreten.
30Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. Januar 2014 - 9 A 2561/10.A - und vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11 -, jeweils juris; Sächsisches OVG, Urteil vom 29. April 2014 A - 4 A 104/14 -, juris.
31(1) Der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht dem Kläger nicht zu. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Umständen sie beruht. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr" im Sinne dieser Vorschrift genügt aber nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit wie im Asylrecht der Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit" anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem ergibt sich aus dem Element der „Konkretheit" der Gefahr für „diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer auf den Einzelfall bezogenen, individuell bestimmten und erheblichen, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretenden Gefährdungssituation. Schließlich muss es sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 - sowie Beschlüsse vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 - und vom 4. Februar 2004 - 1 B 291.03 -, jeweils juris.
33Allerdings erfasst § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen allgemein ausgesetzt ist bzw. sind, werden bei Entscheidungen über eine vorübergehende Abschiebung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne unterfallen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individuali-sierbar zu treffen drohen. Angesichts der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur dann beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr in sein Heimatland aufgrund der dortigen Existenzbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
34Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung damit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden muss, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 ‑ 10 C 24.10 -, juris.
36Bezogen auf krankheitsbedingte Verschlechterungen des Gesundheitszustands eines Ausländers bei Rückkehr in sein Heimatland muss daher ernsthaft zu befürchten stehen, dass sich sein Gesundheitszustand in seinem Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, etwa weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seines Leidens angewiesen wäre und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte. Erforderlich ist, dass die drohende Gesundheitsgefahr von besonderer Intensität ist und die zu erwartende Gesundheitsverschlechterung alsbald nach Rückkehr in den Zielstaat einzutreten droht.
37Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05 - und vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 -, jeweils juris.
38Dementsprechend kann von einer abschiebungsschutzrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht schon dann gesprochen werden, wenn „lediglich" eine Heilung eines Krankheitszustandes des Ausländers im Abschiebungsfall nicht zu erwarten ist. Eine solche Gefahr ist auch nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur, wenn außergewöhnlich schwere körperliche oder psychische Schäden alsbald nach der Einreise des Betroffenen in den Zielstaat drohen.
39Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Oktober 2006 - 13 A 2820/04.A - und vom 30. Dezember 2004 - 13 A 1250/04.A -, jeweils juris.
40Diese Befürchtung kann auch dann begründet sein, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation im Herkunftsland des Ausländers zwar allgemein zur Verfügung steht, sie dem betroffenen Ausländer im Einzelfall jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. Die mögliche Unterstützung durch Angehörige ist dabei in die gerichtliche Prognose, ob eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes droht, einzubeziehen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 -, juris.
42Ausgehend hiervon ist nicht feststellbar, dass für den Kläger eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG besteht. Eine den Anforderungen dieser Vorschrift genügende individuelle, also gerade in den persönlichen Eigenschaften und Verhältnissen des Klägers angelegte Gefahr ist in Anknüpfung an das von ihm geschilderte Vorfluchtschicksal nicht gegeben (a). Ferner sind keine schwerwiegenden gesundheitlichen Nachteile im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan feststellbar (b). Ebenso wenig besteht eine hohe oder auch nur beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger in diesem Fall mit einer extremen Gefahrenlage, die ihrer Dimension nach geeignet wäre, die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AsylVfG zu durchbrechen, konfrontiert wäre (c).
43(a) Die Schilderungen des Klägers zu seinem Vorfluchtschicksal rechtfertigen die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht. Das gilt unabhängig davon, ob sie - wenngleich hieran erhebliche Bedenken bestehen - der Wahrheit entsprechen oder nicht. Denn seine Darlegungen erlauben bereits für sich genommen nicht die Prognose einer erheblichen konkreten Gefahr i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Einschätzung des Klägers, dass sein Leben in Afghanistan aufgrund des geschilderten Vorfalls im Fitnessstudio in Gefahr sei, ist spekulativ. Sein Vorbringen vor dem Bundesamt und im Klageverfahren beinhaltet keine tragfähigen Anknüpfungstatsachen dafür, sondern erschöpft sich in Vermutungen. Danach haben weder tätliche Übergriffe auf den Kläger stattgefunden noch ist er in irgendeiner Form persönlich bedroht worden. Der Umstand, dass sein eigener Vater auf die Anzeige des Vaters des Verletzten hin eine Woche von der Polizei festgehalten und anschließend nach Aufklärung durch den Ältestenrat wieder freigelassen worden sein soll, begründet kein Indiz dafür, dass der Kläger in Afghanistan von der Familie des Verletzten verfolgt wird. Im Gegenteil wird daran allenfalls deutlich, dass dessen Familie jedenfalls keine Vergeltung außerhalb des staatlichen Strafverfolgungssystems sucht. Hinzu kommt, dass nach dem Vorfall einerseits zwischenzeitlich beinahe sechs Jahre verstrichen sind und andererseits mittlerweile bekannt geworden ist, dass der Trainingskollege des Klägers bei dem Unfall nicht verstorben ist, womit zugleich das vom Kläger angenommene Motiv für etwaige Verfolgungsmaßnahmen entfallen ist. Angesichts dessen, dass überdies diejenige Person, die der Kläger als mutmaßlichen Verfolger benannt und mit deren Einfluss er die vermutete Gefahr begründet hat, zwischenzeitlich verstorben ist, kann nicht von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Gefahr ausgegangen werden. Der pauschale Hinweis des Klägers, die „Familie des Verletzten“ habe gegenüber seinen zwischenzeitlich wieder in Ghazni lebenden Eltern geäußert, sie werde seine Rückkehr abwarten, um Rache zu üben, ist nicht hinreichend substantiiert und führt deswegen zu keiner anderen Bewertung. Mangels feststellbarer Gefahrensituation kann dahinstehen, ob die Familie des Verletzten tatsächlich die vom Kläger ohne nähere Erläuterung behaupteten Einflussmöglichkeiten hat.
44(b) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats ebenfalls fest, dass dem Kläger keine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen wesentlichen Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes, namentlich der Verschlechterung einer bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung droht. Diese Überzeugung beruht auf dem Gutachten des Sachverständigen Dr. med. K. T. vom 7. Dezember 2014 und seinen ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2015. Hierin ist der Sachverständige in Beantwortung der vom Senat mit Beweisbeschluss vom 18. September 2014 gestellten Fragen zu folgenden Aussagen gelangt: Er habe seiner Begutachtung die Befunde von Frau Dr. med. N. aus Oktober 2010 und Januar 2012 zugrunde gelegt. Es sei davon auszugehen, dass die anfänglich bestehende posttraumatische Belastungsstörung durch die stattgefundene therapeutische Behandlung deutlich rückläufig sei, so dass nunmehr diagnostisch festgestellt werden könne, dass es sich um eine posttraumatische Belastungsstörung in weitgehender Teilremission handele. Dieser Befund sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass eine Vollremission grundsätzlich nicht erreichbar sei, da das Trauma - erkrankungsspezifisch - bestehen bleibe. Die einzig verbliebenen Symptome seien die Alpträume und die Kopfschmerzen. Kognitive Beeinträchtigungen seien während der beiden durchgeführten Untersuchungen nicht feststellbar gewesen. Für die therapeutische Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung seien in der Regel zwischen fünf und fünfzehn Sitzungen ausreichend. Im Anschluss daran komme es maßgebend auf die Vermittlung lebenspraktischer Fertigkeiten und Fähigkeiten an. Der Kläger habe - seiner Einschätzung zufolge - an mehr als fünfzehn therapeutischen Sitzungen teilgenommen. Die bisherige Behandlung sei intensiv, adäquat und vorbildlich gewesen und habe zu einem weitgehenden Rückgang der Symptomatik geführt. Die Symptome seien nur noch in verdünnter Form vorhanden und beeinträchtigten den Kläger nicht mehr so wie früher.
45Erste Maßnahme bei einer posttraumatischen Belastungsstörung sei das Herstellen einer sicheren Umgebung. In der zweiten Phase erfolge dann die Stabilisierung, in der der Proband lerne, im Alltag besser mit den bestehenden Symptomen umzugehen. Beides sei bei dem Kläger intensiv erfolgt und gelungen. In der dritten Phase werde versucht, das Trauma zu überwinden, hierzu müsse aber zunächst eine gewisse emotionale Stabilität vorliegen. Unter der Anleitung von Frau L1. und in dem geschützten Bereich des Internats habe sich der Kläger mit seinen inneren Traumata auseinandergesetzt. Er habe diese analysiert und auch ansatzweise verarbeitet. Eine zwingende Notwendigkeit zur Weiterführung dieser Therapie sei aus psychiatrisch-forensischer Sicht nicht zu erkennen. Eine medikamentöse Behandlung sei zu keiner Zeit durchgeführt worden und sei auch nicht indiziert gewesen. Eine wesentliche Gesundheitsverschlechterung sei mit der Abschiebung nicht zwangsläufig verbunden. Es liege auf der Hand, dass sich die psychopathologischen Symptome Angst, Gereiztheit, Schreckhaftigkeit und auch vegetative Übererregbarkeit nach einer Rückkehr mit unsicherer Perspektive zwangsläufig wieder verstärken würden. Dies seien aber vorübergehende Änderungen, die in einer sicheren Umgebung mit familiärer und sozialer Unterstützung im Zeitverlauf rückläufig seien dürften. Demgegenüber könne es bei einer direkten Konfrontation mit dem traumaauslösenden Ereignis zu einer Retraumatisierung kommen.
46Das schriftliche Gutachten des Sachverständigen enthält abschließend den Hinweis, dass bei einer Abschiebung möglicherweise eine suizidale Krise auftreten könne. Diese Anmerkung geht auf die Äußerung des Klägers zurück, er werde sich, wenn er wieder nach Afghanistan zurück müsse, vorher das Leben nehmen. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige diesen Aspekt näher erläutert: Suizid sei ein allgemeines Phänomen. Die Äußerung des Klägers sei nicht als traumaspezifische Reaktion zu werten, sondern nicht ungewöhnlich für jemanden, der aus einer sicheren Lebenslage gerissen werde und einer unsicheren Zukunft entgegengehe. Diese Suizidankündigung lasse aber derzeit nur den Rückschluss auf eine gedankliche Befassung mit der Selbsttötung im Sinne einer passiven Suizidalität zu.
47Nach diesen eindeutigen fachlichen Aussagen lässt die maßgebende gegenwärtige Gesundheitssituation des Klägers nicht den Rückschluss auf eine alsbald nach seiner Rückkehr nach Afghanistan drohende Gesundheitsgefahr von besonderer Intensität zu. Die Befunderhebung ist unter umfassender Berücksichtigung des Akteninhalts und nach ausführlicher und differenzierter Anamnese des Klägers erfolgt. Sie ist erkennbar von besonderer Fachkunde getragen und durchgehend nachvollziehbar und plausibel begründet. Das gilt insbesondere mit Bezug auf die beschriebene rückläufige Symptomatik. Diese ist angesichts dessen, dass der Kläger nach Einschätzung des Sachverständigen einerseits ideale Rahmenbedingungen vorgefunden hat, indem er ein gut betreutes Internat besucht hat, schulisch gefördert wurde und andererseits - seit nunmehr fast drei Jahren - sehr gut therapeutisch betreut wurde, nicht nur nachvollziehbar, sondern auch naheliegend, zumal die Therapie mit eben diesem Ziel begonnen wurde. Dabei ist ein weitergehender Therapieerfolg als die festgestellte weitgehende Teilremission nicht zu erwarten, denn eine Vollremission ist bei einer posttraumatischen Belastungsstörung den Erläuterungen des Sachverständigen zufolge nicht erreichbar. Darüber hinaus steht der Befund in Einklang mit den in dem Gutachten beschriebenen schulischen und beruflichen Entwicklungen des Klägers und seiner Freizeitgestaltung, hinsichtlich derer keinerlei Anhalt für krankheitsbedingte Einschränkungen besteht.
48Zudem hat der Sachverständige die Vermutung der - insoweit fachfremden - Pädagogin C. T1. in ihrer Stellungnahme von Februar 2012, der Kläger leide an einer Borderline-Störung, überzeugend widerlegt. Insofern hat er darauf hingewiesen, dass eine solche Erkrankung mit schwerwiegenden Störungen der Affektregulation einhergehe, die bei dem Kläger nicht vorlägen. Die körperliche Überbeanspruchung, der er sich beim Bodybuilding aussetze, finde sich bei sehr vielen Hochleistungssportlern und sei kein spezifisches Symptom einer psychischen Störung.
49Zudem ist keine beachtliche Gefahr für eine Retraumatisierung feststellbar.
50Hierzu hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass diese Gefahr im Fall einer direkten Konfrontation mit dem traumaauslösenden Ereignis bestehe. Es fehlen aber tatsächlichen Anknüpfungspunkte dafür, dass es dazu bei einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan kommen wird, zumal als primär trauma-auslösend der Unfall beim Krafttraining beschrieben wird, so dass eine Retraumatisierung daher in erster Linie durch die Fortführung dieses Sports und nicht durch Rückkehr des Klägers in sein Heimatland in Betracht zu ziehen wäre. Da das Vorbringen des Klägers - wie dargelegt - nichts für eine stattgefundene Verfolgung durch die Familie des Verletzten hergibt und seine Befürchtung einer solchen bei Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt zu sein, angesichts des Tatsachenvorbringens rein spekulativ ist, besteht auch für die Prognose einer Retraumatisierung aus Furcht vor Rache keine tatsächliche Grundlage. Das gilt insbesondere deswegen, weil der Hauptakteur potentieller Vergeltungsmaßnahmen zwischenzeitlich verstorben und das vom Kläger zunächst vermutete Motiv ‑ der Tod des Trainingskollegen - entfallen ist.
51Soweit der Sachverständige auf die Möglichkeit einer suizidalen Krise bei der Abschiebung hingewiesen hat, begründet dies keine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Der Begriff Suizidalität umschreibt einen psychischen Zustand, in dem Gedanken, Phantasien, Impulse und Handlungen anhaltend, wiederholt oder in bestimmten krisenhaften Zuspitzungen darauf ausgerichtet sind, gezielt den eigenen Tod herbeizuführen. Es besteht eine graduelle Differenzierung zwischen Suizidgedanken ohne den Wunsch nach Selbsttötung ‑ die ebenfalls zur Suizidalität zählen - und drängenden Suizidgedanken mit konkreten Absichten, Plänen bis hin zu Vorbereitungen eines Suizids.
52http://de.wikipedia.org/wiki/Suizidalit%C3%A4t
53Daran wird deutlich, dass schon nicht jede Form der Suizidalität geeignet ist, eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen. Jedenfalls die zeitlich begrenzte bloße innere Hinwendung zu Selbsttötungsgedanken rechtfertigt ohne das Hinzutreten äußerer damit im Zusammenhang stehender Anzeichen einer Gesundheitsverschlechterung wie Verletzungshandlungen, körperlichem Verfall oder vegetativen Auffälligkeiten die Annahme einer besonders intensiven Gesundheitsverschlechterung nicht. Der Senat hat auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen schon nicht die Überzeugungsgewissheit gewonnen, dass der Kläger im Falle einer erzwungenen Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine suizidale Krise erleiden wird, die eine abschiebungsschutzrelevante Qualität erreicht. Der Hinweis des Sachverständigen auf eine „möglicherweise“ bei der Abschiebung auftretende suizidale Krise geht auf die Äußerung des Klägers zurück, er werde sich, wenn er wieder nach Afghanistan zurück müsse, vorher das Leben nehmen. Charakteristisch für derartige Ankündigungen ist, dass damit die Möglichkeit ihrer Umsetzung erst ins Blickfeld des Adressaten rückt und dies in der Regel auch bewusst veranlasst wird. Mangels zuverlässiger Überprüfbarkeit der dahinterstehenden Motivation und Ernsthaftigkeit muss schon die Äußerung als solche regelmäßig zu der Bewertung führen, dass suizidale Handlungen nicht ausgeschlossen werden können, was gleichbedeutend damit ist, dass die Möglichkeit einer Selbsttötung besteht. In gleichem Maße besteht diese Möglichkeit aber bei demjenigen, der entsprechende Gedanken hat, diese aber nicht äußert. Die Äußerung hat deswegen isoliert betrachtet wenig Aussagekraft. Die daraus allenfalls ableitbare Möglichkeit suizidaler Handlungen kann sich nur bei Hinzutreten weiterer Indizien zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit verdichten. Wie an der vom Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten gewählten Formulierung deutlich wird, fehlt es daran hier. Der Kläger hat seine Absicht, sich bei einer erzwungenen Rückkehr nach Afghanistan das Leben zu nehmen, im Rahmen der Anamnese eher beiläufig erwähnt. Seine Äußerungen dazu sind nicht hinreichend substantiell, um anhaltende und konkretisierte Selbsttötungsgedanken und -absichten als naheliegend erscheinen zu lassen. Das gilt zumal deswegen, weil in den vorgelegten Berichten seiner behandelnden Ärztin und Psychotherapeutin keine entsprechenden Gedankeninhalte dokumentiert sind. Hinzu kommt, dass das bisherige Leben des Klägers - folgt man seinem Vorbringen - durch eine Reihe krisenhafter Situationen gekennzeichnet war, die jedoch keine suizidalen Krisen bei ihm hervorgerufen haben. Es besteht kein Vortrag und Anhalt für in der Vergangenheit aufgetretene Suizidabsichten geschweige denn für auf eine Selbsttötung gerichtete selbstverletzende Handlungen. Die mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen bestätigen diese Einschätzung. Angesichts dessen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht die im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit für die Gefahr einer Selbsttötung feststellbar.
54Abgesehen davon liegt ein Abschiebungshindernis nach dieser Vorschrift aber auch deswegen nicht vor, weil die Äußerung des Klägers, sich das Leben nehmen zu wollen, im Zusammenhang mit der Abschiebung steht. Hierauf zielt auch der Hinweis des Sachverständigen ab, dass es „bei einer Abschiebung" möglicherweise zu einer suizidalen Krise kommen könne. In diese Richtung geht auch die Äußerung des Klägers, der erklärt hat, dass er sich vor einer Rückführung nach Afghanistan das Leben nehmen werde. Die als möglich erachtete suizidale Krise steht daher in Zusammenhang mit der Abschiebung als solcher, nicht hingegen mit den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat der Abschiebung. Bei dieser Sachlage sind aber nicht die Voraussetzungen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben, sondern allenfalls diejenigen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG, das allein gegenüber der Ausländerbehörde geltend zu machen ist.
55(c) Eine extreme Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lässt sich auch nicht mit der Sicherheits- und Versorgungslage begründen, der der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift angesichts der derzeitigen Situation in der Herkunftsregion des Klägers, der Provinz Ghazni, erfüllt sind, weil Kabul als inländische Fluchtalternative den Anspruch auf die Feststellungen eines Abschiebungshindernisses ausschließt. In seinem Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2298/11 - hat der Senat die Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul zusammenfassend dargestellt. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen. Dass sich seitdem grundlegende Veränderungen ergeben haben, ist ‑ abgesehen davon, dass der Kläger hierzu nichts vorgetragen hat - auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse nicht anzunehmen.
56Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan 2014 (Stand: November 2014), S. 20; ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 13. Januar 2015
57https://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.general-security-situation-in-afghanistan-and-events-in-kabul.htm.
58Angesichts dessen muss sich der Kläger wegen seines sich als günstig erweisenden Risikoprofils auf Kabul als inländische Fluchtalternative verweisen lassen. Zwar ist die humanitäre Lage dort im Allgemeinen weiterhin äußerst schwierig. Das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen weicht indes stark voneinander ab. Jedenfalls für den Kläger als jungen, gesunden, arbeitsfähigen und alleinstehenden Mann besteht es allenfalls in einem geringfügigen Maße, denn es ist davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt nach einer Wiedereingliederungsphase zumindest auf einem nach westlichen Maßstäben niedrigen Niveau wird sicherstellen können. Der Kläger trägt keine Unterhaltslasten, muss nur für sich selbst sorgen und ist im Ausgangspunkt schon deswegen einem geringeren Armutsrisiko ausgesetzt. Die Beziehung zwischen Haushaltsgröße und Armutsrisiko ist für Afghanistan statistisch belegt. Danach steigt das Armutsrisiko bei einer Haushaltsgröße von drei Personen (11 %) bis zu einer Haushaltsgröße von neun Personen (über 40 %) kontinuierlich und liegt bei einer Haushaltsgröße von 15 Personen sogar bei über 45 %. Für eine alleinstehende Person bewegt es sich demgegenüber nur im Bereich zwischen 10 und 15 %.
59Vgl. Summary of the national risk and vulnerability assessment, 2007/8, A profile of Afghanistan, Main Report, S. 59.
60Hinzu kommt, dass der Kläger über Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt, die in Afghanistan nicht selbstverständlich sind und es ihm dort erleichtern dürften, eine Erwerbsgrundlage zu finden. Er hat in Afghanistan sechs Schuljahre beendet und kann von daher - anders als 70 % aller Afghanen - lesen und schreiben. Außerdem hat er dort handwerkliche Berufserfahrung gesammelt. Der Kläger spricht persisch, ein wenig paschtu und deutsch. Insbesondere der in Deutschland erfolgte Abschluss seiner Schulausbildung mit dem Fachabitur und die im Bereich des Einzelhandels erworbenen Berufserfahrungen dürften seine Erwerbsperspektiven in Afghanistan erheblich begünstigen. Zudem ist zu erwarten, dass anfängliche Wiedereingliederungsschwierigkeiten darüber abgefedert werden, dass eine Tante des Klägers in Kabul lebt und seine Eltern in der nahegelegenen Provinz Ghazni und er von daher über eine gewisse familiäre Anbindung verfügt.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; das Verfahren ist nach § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.
62Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
63Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 2. April 2015 bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 2511/15.A gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. März 2015 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.
5Die im summarischen Eilverfahren gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragsteller fällt zu Lasten der Antragsteller aus, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Er ist weder in formeller (I.) noch in materieller Hinsicht (II.) zu beanstanden.
6I. Entgegen der Ansicht der Antragsteller, ist der angegriffene Bescheid in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
71. Das Bundesamt war für den Erlass des Bescheides zuständig. Dies folgt aus § 5 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG, wonach über Asylanträge das Bundesamt entscheidet. Aus § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG ergibt sich unmittelbar, dass auch die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG, wie sie hier in Rede steht, eine solche Entscheidung über den Asylantrag darstellt. Ferner bestimmt § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG, dass das Bundesamt in seinem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnet. Die sich hieraus ergebende Zuständigkeit des Bundesamtes wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass in der auf § 88 Absatz 1 AsylVfG beruhenden Verordnung zur Neufassung der Asylzuständigkeitsverordnung vom 2. April 2008 (AsylZBV) die Zuständigkeit des Bundesamtes für die Ausführung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), keine Erwähnung findet. Die Vorschriften der AsylZBV lassen die bereits kraft Gesetzes bestehende Zuständigkeit des Bundesamtes für Entscheidungen nach § 27a AsylVfG unberührt. Sie regeln lediglich nähere Einzelheiten im Zusammenhang mit der Übermittlung von Auf- und Wiederaufnahmeersuchen an die anderen Mitgliedstaaten sowie die Festlegung der Modalitäten der Überstellung (§ 2 Absatz 1 Nr. 1 AsylZBV), der Entscheidung über Auf- und Wiederaufnahmeersuchen der anderen Staaten sowie die Festlegung der Modalitäten der Überstellung (Nr. 2 der Vorschrift) und den Informationsaustausch sowie die notwendigen Mitteilungen an die betroffenen Drittstaatsangehörigen (Nr. 3) und erklären hierfür ebenfalls die Zuständigkeit des Bundesamtes. Inwiefern sich an dieser Rechtslage durch das Inkrafttreten der Dublin III-VO etwas geändert haben sollte, ist nicht ersichtlich.
8VG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – 13 L 2565/14.A –, juris, Rn. 5.
92. Soweit die Antragsteller darauf hinweisen, sie seien entgegen Artikel 4 Dublin III-VO nicht über die Anwendung der Dublin-Verordnung informiert worden, vermögen sie damit nicht durchzudringen. Zwar entspricht das von der Antragsgegnerin verwendete Merkblatt über das Dublin-Verfahren nicht dem ausführlicheren Merkblatt, das die EU-Kommission in Anlage X ihrer „Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist“ vorgesehen hat. Der wesentliche Inhalt des Dublin-Verfahrens wird den Antragstellern aber durch das vom Bundesamt verwendete Merkblatt und die weiteren den Antragstellern gegebenen Informationen ausreichend näher gebracht. Insofern liegt nach Auffassung des Gerichts bereits kein Verfahrensfehler vor. Aus Artikel 4 Absatz 3 Dublin III-VO folgt insbesondere nicht, dass das Merkblatt der EU-Kommission zur Unterrichtung im Dublin-Verfahren für die Durchführung des Verfahrens von wesentlicher Bedeutung ist. Deshalb spricht auch einiges dafür, dass nach den allgemeinen, in § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätzen ein diesbezüglicher Verfahrensfehler jedenfalls unbeachtlich wäre. Nach § 46 VwVfG darf ein Verwaltungsakt nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil sie unter Verletzung von Verfahrens-, Form oder Zuständigkeitsbestimmungen zustande gekommen ist, wenn offensichtlich eine gleichlautende Entscheidung zu treffen wäre.
10VG Schwerin, Beschluss vom 17. März 2015 – 3 B 687/15 As –, juris, Rn. 9.
11Anderes folgt im vorliegenden Fall auch nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EUGH) zum harmless error principle. Danach führen wesentliche Verfahrensfehler (vgl. Artikel 263 Absatz 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]) zur Aufhebung der entsprechenden Verwaltungsentscheidung, wenn sie geeignet sind, sich auf die inhaltliche Entscheidung auszuwirken und deshalb ein Kausalzusammenhang zwischen dem Fehler und der Verwaltungsentscheidung besteht.
12Vgl. ausführlich zum Verhältnis von §§ 45, 46 VwVfG zu den vom EuGH entwickelten Verfahrensprinzipien, Kahl, VerwArch 95 (2004), 1 (22 ff.) m. umfassenden Nachweisen; ferner Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 46 Rn. 85a m. § 45 Rn. 158 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 46 Rn. 5a je m.w.N.
13Aus einer fehlenden oder unzureichenden Information zum Verfahren nach der Dublin III-VO kann nicht zwingend geschlossen werden, dass der Fehler für die spätere Entscheidung kausal gewesen ist. Das Informationsrecht nach Artikel 4 Dublin III-VO zielt darauf ab, die Antragsteller über ihre Rechte zu informieren, damit sie diese wahren können. Der maßgebende Sachverhalt wird aber erst in der persönlichen Anhörung nach Artikel 5 Dublin III-VO bzw. § 25 AsylVfG geklärt, worauf auch Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO verweist.
14VG Schwerin, Beschluss vom 17. März 2015 – 3 B 687/15 As –, juris, Rn. 11.
153. Schließlich ist der streitgegenständliche Bescheid auch nicht aufgrund einer unzureichenden Begründung rechtswidrig. Gemäß § 31 Absatz 1 Satz 2 AsylVfG sind Entscheidungen des Bundesamtes über Asylanträge schriftlich zu begründen. In der Begründung sind gemäß § 39 Absatz 1 Satz 2 VwVfG die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Diesen Anforderungen genügt die Begründung des angegriffenen Bescheides. Die Antragsgegnerin ist auf alle für ihre Entscheidung maßgeblichen Gründe eingegangen. In dem letzten Absatz von Ziffer 1 des Bescheides gibt die Antragsgegnerin die in Artikel 29 Dublin III-VO enthaltene Regelung zur Überstellungsfrist wieder. Der Beginn und das voraussichtliche Ende der Überstellungsfrist lassen sich daher ohne Weiteres aus der Mitteilung des Zeitpunkts, in dem die ungarischen Behörden das Übernahmeersuchen angenommen haben, bestimmen. Ob die Überstellungsfrist regulär nach sechs Monaten endet, oder ob sich die Überstellungsfrist nach Artikel 29 Absatz 2 Satz 2 Dublin III-VO auf ein Jahr bzw. achtzehn Monate verlängert, steht im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung ohnehin noch nicht fest.
16II. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Das Bundesamt hat den Asylantrag der Antragsteller zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil Ungarn für dessen Prüfung zuständig ist. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
17Die Antragsgegnerin ist zutreffend davon ausgegangen, dass Ungarn grundsätzlich der für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragsteller zuständige Mitgliedstaat ist (1.). Auch steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Überstellung der Antragsteller nach Ungarn durchgeführt werden kann; das ungarische Asylverfahren insbesondere nicht an systemischen Mängeln leidet und auch keine Abschiebungshindernisse vorliegen (2.).
181. Nach den Vorschriften der Dublin III-VO ist Ungarn der zuständige Staat für die Prüfung dieser Asylanträge.
19Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 13 Absatz 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Antragsteller haben sich ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank vom 6. Februar 2015 vor ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in Ungarn aufgehalten. Auf das Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland vom 12. Februar 2015 erklärten die ungarischen Behörden unter dem 18. März 2015, und damit innerhalb der nach Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 Dublin III-VO im Falle eines Eurodac-Treffers maßgeblichen Frist von 2 Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragsteller und sich zu ihrer Wiederaufnahme bereit. Ungarn ist daher gemäß Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO grundsätzlich verpflichtet, die Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
20Lediglich vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass sich die Antragsteller auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Fristenregelung auch nicht berufen könnten, da die Vorschrift ihnen kein subjektives Recht einräumt.
21Vgl. hierzu ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris.
22Den Antragsteller bleibt es unbenommen, sich freiwillig bei den zuständigen Behörden in Italien zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Dies betreffend regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die ausweislich der der Dublin III-VO vorangestellten Erwägungen (Nr. 24) entsprechend anwendbar ist, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
23Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
24Hat es der Asylbewerber folglich selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu der von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“), sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen.
252. Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der genannten Zuständigkeit Ungarns eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, die Antragsteller nach Ungarn abzuschieben.
26Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin‑Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
27vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 57 f.; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7.
28Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO zugunsten der Antragsteller – gehindert, diese nach Ungarn zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen (vgl. Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO). Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs,
29EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, S. 413,
30der Fall wäre, liegen nicht vor.
31Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 20. März 2015 – 13 K 501/14.A und 13 K 445/14.A –, zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen.
32Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
33EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
34Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
35EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
36Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
38Bei der Bewertung der in Ungarn anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation der Antragsteller zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
39vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rn. 130.
40Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, die wie die Antragsteller vor der Ausreise aus Ungarn dort noch keinen ersten Asylantrag gestellt haben.
41Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Übrigen die regelmäßigen und übereinstimmenden Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort,
42vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C 411/10 et. al. –, juris, Rn. 90 ff.
43Letzteren Informationen kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu. Dies entspricht der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, wobei letztere bei der Auslegung der unionsrechtlichen Asylvorschriften zu beachten ist,
44vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C 528/11 –, juris, Rn. 44.
45Für die Frage, ob in Ungarn „systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber“ im Sinne der zitierten Rechtsprechung vorliegen, kommen dabei allerdings vorliegend von vorne herein nur solche Auskünfte und Berichte der genannten Organisationen in Betracht, die sich mit der Sach- und Rechtslage in Ungarn seit dem 1. Juli 2013 befassen. Für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2013, insbesondere ab dem 1. Januar 2013, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte davon auszugehen, dass die in den Jahren bis 2012 festgestellten Mängel des ungarischen Asylsystems und der Aufnahmebedingungen durch zwischenzeitliche weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen, insbesondere die vorübergehende Abschaffung der Inhaftierungsmöglichkeiten für Asylbewerber mit Wirkung zum 1. Januar 2013, entfallen sind,
46vgl. EGMR, Urteil vom 6. Juni 2013 – 2283/12 –, juris, Rn. 105, Mohammed gegen Österreich, in Auszügen veröffentlicht unter asyl.net.
47Zum 1. Juli 2013 wurde das Asylsystem Ungarns allerdings erneut verändert. Insbesondere wurden erneut umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern, sog. asylum detention – eine durch die für das Asylverfahren zuständige Behörde angeordnete Verwaltungshaft – in das Asylrecht aufgenommen.
48Der EGMR, dessen Rechtsprechung auf der Ebene des (nationalen) Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen kann,
49vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, juris, Rn. 32,
50und dessen Rechtsprechung maßgeblich für die Auslegung der Menschenrechte der EMRK ist, hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 das Vorliegen systemischer Mängel in Ungarn unter Berücksichtigung der veränderten Rechtslage verneint. Zur Begründung führte er aus:
51„The country reports showed that there is still a practice of detaining asylum-seekers, and that so-called asylum detention is also applicable to Dublin returnees. The grounds for detention are vaguely formulated, and there is no legal remedy against asylum detention. However, the reports also showed that there is no systematic detention of asylum-seekers anymore, and that alternatives to detention are now provided for by law. The maximum period of detention has been limited to six months. Turning to the conditions of detention, it is noted that while there are still reports of shortcomings in the detention system, from an overall view there seem to have been improvements.
52Moreover, the Court notes that the UNHCR never issued a position paper requesting EU member States to refrain from transferring asylum‑seekers to Hungary under the Dublin II or Dublin III Regulation (compare the situation relating to Greece discussed in M.S.S. v. Belgium and Greece, cited above, § 195, and the UNHCR recommendation of 2 January 2013 to halt transfers to Bulgaria).
53Under those circumstances and as regards the possible detention of the applicant and the related complaints, the Court concludes that in view of the recent reports cited above, the applicant would currently not be at a real and individual risk of being subjected to treatment in violation of Article 3 of the Convention upon a transfer to Hungary under the Dublin Regulation.”
54EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 –, Mohammadi gegen Österreich, Rn. 68 bis 70.
55Soweit der EGMR mit Urteil vom 10. März 2015 (14097/12, 45135/12, 73712/12, 34001/13, 44055/13, 64586/13) Ungarn wegen der Überfüllung seiner Gefängnisse zu einer Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 3.400 bis 26.000 Euro verurteilt hat, weicht er nicht von seiner vorstehend genannten Entscheidung ab. Denn der EGMR hat sich in dieser Entscheidung mit den Haftbedingungen in Strafhaftanstalten beschäftigt. Hingegen erfolgt die Inhaftierung von Asylbewerbern – wie noch weiter ausgeführt werden wird – in getrennten Haftanstalten, in denen keine vergleichbaren Verhältnisse herrschen.
56Auch das erkennende Gericht vermag nach Auswertung der im vorliegenden Verfahren eingeholten aktuellen Auskünfte des UNHCR, des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl ‑ welche dem EGMR bei seiner Entscheidung nicht vorlagen – nicht festzustellen, dass die Antragsteller Gefahr liefen, nach ihrer Rücküberstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen. Dies ergibt sich aus folgenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen:
57Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 EMRK normieren das Verbot der Folter und unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung. Eine Behandlung ist „unmenschlich”, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. „Erniedrigend” ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen. Es kann ausreichen, dass ein Opfer in seinen Augen erniedrigt ist, auch wenn andere das nicht so sehen. Ob Zweck der Behandlung war, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, ist zu berücksichtigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließt das die Feststellung einer Verletzung von Artikel 3 EMRK nicht zwingend aus.
58EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413, Rn. 220 m.w.N.
59Eine Behandlung in diesem Sinne kann nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme zumindest nicht positiv festgestellt werden.
60Zwar hat sich nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestätigt, dass Dublin-Rückkehrer flächendeckend – so der UNHCR – bzw. regelmäßig – so Pro Asyl – inhaftiert werden.
61Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 3, Seite 2; Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 3 b), Seite.
62Indes begründet die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 – wieder – Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und Ungarn auf dieser Grundlage praktisch alle Dublin-Rückkehr – so der UNHCR – bzw. regelmäßig, allerdings nicht sämtliche Dublin-Rückkehrer – so Pro Asyl – inhaftiert, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems. Vielmehr verpflichtet Artikel 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind.
63Vgl. EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, juris, Rn. 221, und 15. Juli 2002 – 47095/99 –, Rn. 95.
64Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL), enthält für die Inhaftierung von Asylbewerbern Mindeststandards, zu denen auch die Benennung von Haftgründen gehört. Anhaltspunkte dafür, dass diese Mindeststandards ihrerseits nicht genügen, um die Asylbewerber vor einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu schützen, liegen dem Gericht nicht vor. Danach darf Haft nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, im Falle notwendiger Beweissicherung, insbesondere bei Fluchtgefahr, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung (Artikel 8 Absatz 1 und 3 AufnahmeRL). Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Artikel 8 Absatz 3 bestehen, angeordnet werden (Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 AufnahmeRL). Die Haftanordnung ist zu begründen (Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL); bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen (Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL). In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen (Artikel 9 Absatz 6 AufnahmeRL). Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen (Artikel 9 Absatz 5 AufnahmeRL). Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen (Artikel 10 Absatz 1 AufnahmeRL). Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig (Artikel 11 AufnahmeRL).
65Dahingestellt bleiben kann, wann ein Verstoß gegen diese Mindeststandards die Annahme systemischer Mängel indiziert, da die gesetzlichen Regelungen Ungarns zur Inhaftierung von Asylbewerbern (Act LXXX of 2007 on Asylum, im Folgenden: Asylum Act Hungary) den vorstehend genannten Vorgaben im Wesentlichen gerecht werden:
66Gemäß § 31/B Absatz 1 Asylum Act Hungary darf eine Inhaftierung nicht alleine deswegen erfolgen, weil die Antragsteller einen Asylantrag gestellt haben. Die in § 31/A Absatz 1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe entsprechen ganz überwiegend denen des Artikel 8 Absatz 3 der AufnahmeRL; insbesondere wird auch die Fluchtgefahr als ein Haftgrund genannt (Buchstabe c). Dabei darf entsprechend den Vorgaben der AufnahmeRL nach § 31/A Absatz 3 des ungarischen Gesetzes eine Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen und nur, wenn nicht durch andere Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Asylbewerber sich dem Asylverfahren nicht entzieht. Unbegleitete Minderjährige dürfen gemäß § 31/B Absatz 2 Asylum Act Hungary nicht inhaftiert werden; Familien mit Minderjährigen dürfen nur ultima ratio inhaftiert werden, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Gemäß § 31/A Absatz 10 Asylum Act Hungary soll Asylhaft nur in speziellen Einrichtungen vollzogen werden. Dabei soll die Inhaftierung von Männern und Frauen sowie Familien mit Minderjährigen jeweils getrennt erfolgen (§ 31/F Absatz 1 Asylum Act Hungary). Die zulässige Höchstdauer von Asylhaft regelt § 31/A Absatz 7 Asylum Act Hungary. Danach soll die Haft maximal sechs Monate dauern; bei Familien mit Kindern nicht länger als 30 Tage. Gemäß § 31/A Absatz 6 Asylum Act Hungary kann die Flüchtlingsbehörde innerhalb von 24 Stunden seit der Haftanordnung die Verlängerung der Inhaftierung auf mehr als 72 Stunden bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht beantragen. Das Gericht kann die Haftdauer sodann auf höchstens 60 Tage verlängern. Eine Verlängerung auf weitere 60 Tage ist nach einem erneuten Antrag der Flüchtlingsbehörde durch das zuständige Amtsgericht möglich. Hieraus folgt, dass eine Überprüfung der Inhaftierung von Amts wegen nach 72 Stunden und anschließend nach 60 Tagen erfolgt. Darüber hinaus besteht gemäß § 31/C Absatz 3 Asylum Act Hungary die Möglichkeit gegen die Inhaftierung Einspruch einzulegen. Gemäß § 31/E Absatz 1 Asylum Act Hungary sollen inhaftierte Asylbewerber über ihre Rechte und Pflichten in ihrer Muttersprache oder einer anderen Sprache, die sie verstehen können, informiert werden. Gemäß § 31/D Absatz 4 Asylum Act Hungary soll das Gericht einen Vormund bestellen, wenn der Asylbewerber kein ungarisch spricht und nicht in der Lage ist seine Vertretung durch einen Bevollmächtigten sicherzustellen. § 31/A Absatz 8 Asylum Act Hungary zählt schließlich auf, in welchen Fällen die Inhaftierung unverzüglich zu beenden ist. Danach endet die Haft unter anderem, wenn der Haftgrund entfallen ist.
67Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden diese Vorgaben bei ihrer Entscheidung über die Inhaftierung von Asylbewerbern – speziell Dublin-Rückkehrern – nicht nur in Einzelfällen, sondern systemisch nicht beachten und sich hieraus eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im oben genannten Sinne ergibt, liegen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor.
68Das Gericht hat im Rahmen der Beweisaufnahme unter anderem danach gefragt, auf welche konkreten Haftgründe die Inhaftierungen seit dem 1. Juli 2013 gestützt werden (Frage 4).
69Pro Asyl gab an, dass laut dem Hungarian Helsinki Committee (HHC) in der Praxis vor allem der Haftgrund „risk of absconding“ (c) bzw. der Haftgrund „risk of absconding“ in Verbindung mit „establishment of identiy“ (a) Anwendung finde. Weiterhin würden Inhaftierungen auf dem Haftgrund „previous absconding“ (b) basieren.
70Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 4, Seite 3.
71Bei diesen Haftgründen, welche dazu dienen, einer bestehende Fluchtgefahr zu begegnen oder die Identität des Asylbewerbers festzustellen, handelt es sich um Haftgründe, die den in Artikel 8 Absatz 3 AufnahmeRL genannten entsprechen. Allerdings hat Pro Asyl im Rahmen der Beantwortung von Frage 9 unter Bezugnahme auf die Ausführungen des HHC angegeben, dass in der Mehrheit der Haftanordnungen weiterhin auf Gründe verwiesen werde, die nicht unter die im „Asylum Act“ definierten Haftgründe fallen würden. Das HHC führt diesbezüglich auf Seite 6 der „INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“ von Mai 2014 aus, dass viele Entscheidungen verschiedene Umstände und Gründe benennen würden, die oftmals über die zulässigen Haftgründe nach dem Asylum Act Hungary hinausgingen. Beispielsweise genannt werden der unrechtmäßige Aufenthalt, die Einreise auf irreguläre Weise, das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts und das Fehlen von Verbindungen nach Ungarn. Dahingestellt bleiben kann, inwieweit die vorstehend genannten Beispiele unter einen der in Artikel 8 Absatz 3 AufnahmeRL bzw. § 31/A Absatz 1 Asylum Act Hungary genannten Haftgründe subsumiert werden können. Zunächst liegen dem Gericht keine Erkenntnisse vor, wonach diese Haftgründe auch bei Dublin-Rückkehrern angewandt werden. Sodann bestehen nach dem oben Ausgeführten tragfähige Anhaltspunkte, die die häufige Heranziehung des auch in der AufnahmeRL aufgeführten Haftgrundes der Fluchtgefahr belegen. Schließlich lässt sich jedenfalls nicht allein aus einer etwaigen europarechtswidrigen Annahme eines Haftgrundes ohne weiteres auf das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-GR-Charta schließen. Entscheidend ist vielmehr, dass das ungarische Recht den Asylbewerbern in solchen Fällen ermöglicht, sich gegen eine unrechtmäßige Inhaftierung zu wehren.
72Zwar gibt es gemäß § 31/C Absatz 2 Asylum Act Hungary keine individuellen Rechtsmittel, sondern gemäß Absatz 3 nur die Möglichkeit eines Einspruchs („objection“), gegen die Haftanordnung.
73Vgl auch Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 9 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.
74Dahingestellt bleiben kann, inwieweit dieser Rechtsbehelf hinreichenden Rechtschutz zu gewähren vermag. Denn die Asylbewerber haben jedenfalls die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung im Rahmen der von Amts wegen erfolgenden Überprüfung nach 72 Stunden bzw. 60 Tagen vor dem Amtsgericht geltend zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Fristregelungen gegen Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL ‑ der seinerseits keine konkreten Fristvorgaben enthält – verstoßen und/oder diese Vorgaben in der Praxis nicht umgesetzt werden, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die vorgeschriebenen gerichtlichen Haftüberprüfungen nicht geeignet sind, den Asylbewerbern effektiven Rechtschutz zu gewähren. Zwar kritisieren Pro Asyl und der UNHCR, dass es in der Praxis so gut wie nie zu einer Entlassung komme.
75Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 11, Seite 10 und Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 11, Seite 7.
76Zum einen konnte keine der drei befragten Organisationen verlässliche Auskünfte zu der Frage, wie viele der nach dem 1. Juli 2013 erlassenen Anordnungen von Asylhaft aufgrund der bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten tatsächlich aufgehoben worden sind, geben.
77Vgl. die Antworten des Auswärtigen Amtes, UNHCR und von Pro Asyl zu Frage 12 des Beweisbeschlusses.
78Zum anderen ließe sich allein aus einer geringen Erfolgsquote der Rechtsbehelfe auch nicht ohne weiteres darauf schließen, dass die ungarischen Gerichte keinen effektiven Rechtschutz gewährleisten. Dass derartige Haftprüfungsanträge durch die Gerichte angeblich mit schematisierten Entscheidungen abgelehnt werden und die Verhandlungen nur wenige Minuten dauern, muss nicht bedeuten, dass diese Rechtsbehelfe nicht individuell geprüft würden. Vielmehr kann in Haftsachen, die Massenverfahren darstellen, aus Gründen der Vereinfachung auch eine individuelle richterliche Überprüfung zu einer schematisierten Begründung führen, wenn das Gericht keine besonders begründungsbedürftigen Umstände des Einzelfalles angenommen hat, ohne dass grundlegende rechtsstaatliche Garantien verletzt wären; die Annahme von (fortbestehender) Fluchtgefahr bei Personen, die sich dem Asylverfahren bereits in der Vergangenheit entzogen haben, erscheint dem erkennenden Gericht zumindest nicht unvertretbar.
79Vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 23. September 2014 – W 1 K 14.50050 –, juris, Rn. 37.
80Gleichfalls steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern in der Praxis entgegen den Vorgaben des Artikel 8 Absatz 2 AufnahmeRL und § 31/A Absatz 2 Asylum Act Hungary erfolgt. Danach dürfen die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen es erforderlich ist, auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung den Antragsteller in Haft nehmen, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.
81Zwar spricht vieles dafür, dass die Haftanordnung regelmäßig schematisch erfolgt und eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Argumentation unter Abwägung der Rechts- bzw. Verhältnismäßigkeit in der Regel nicht stattfindet.
82Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 9, Seite 8.
83Indes lässt sich daraus bereits nicht ableiten, dass eine Einzelfallprüfung auch tatsächlich nicht stattgefunden hat. Vielmehr erscheint es dem Gericht nachvollziehbar, dass die Haftanordnungen größtenteils inhaltlich identisch aussehen und von einer individuellen Begründung absehen, da die Haftanordnung bei Dublin Rückkehrern regelmäßig auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt wird. Vor dem Hintergrund, dass die Dublin-Rückkehr bereits einmal aus Ungarn geflohen sind, erscheint diese Annahme auch nicht willkürlich (s.o.).
84Ungeachtet dessen widerlegt die Tatsache, dass es auch Fälle gibt, in denen die Haftanordnung auch individuelle Einzelheiten berücksichtigt,
85vgl. HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, Seite 6,
86die Annahme der fehlenden individuellen Einzelfallprüfung. Auch spricht für die Durchführung einer Einzelfallprüfung, dass Familien und besonders schutzbedürftige Personen in der Regel nicht inhaftiert werden, obwohl die Inhaftierung dieser Personengruppen ebenfalls rechtlich möglich wäre.
87Vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 6, Seite 6.
88Zudem wird zumindest auch in vereinzelten Fällen von den im ungarischen Recht vorgesehenen Haftalternativen Gebrauch gemacht. Laut dem HHC sei in 13 der 107 untersuchten Haftentscheidungen begründet worden, warum nicht auf Haftalternativen zurückgegriffen worden sei. Im Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis zum 17. April 2014 sei in 32 Fällen eine Kaution angeordnet worden. Die Betroffenen seien vorab gefragt worden, ob sie Geld besäßen bzw. jemand Geld schicken könne.
89Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 10, Seite 9; dem UNHCR liegen hierzu keine Informationen vor.
90Daraus geht hervor, dass die gesetzlich vorgesehenen Haftalternativen in der Praxis – wenn auch nur in Ausnahmefällen – tatsächlich angewendet werden. Dass die Anzahl von Fällen, in denen eine Kaution angeordnet wurde gering ausfällt überrascht das Gericht nicht, da Flüchtlinge in der Regel nicht über entsprechende finanzielle Mittel verfügen werden, um eine Kaution in Höhe von 962,00 und 2.000,00 Euro bezahlen zu können.
91Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 10, Seite 9.
92Unter Berücksichtigung der Funktion einer Kaution als eine Sicherheitsleistung, welche nur bei einer gewissen – für den Betroffenen spürbaren – Höhe erfüllt werden kann, bestehen keine Bedenken gegen die geforderte Höhe. Auch spricht der Umstand, dass die Höhe der geforderten Kaution variiert, dafür, dass die Höhe der Kaution im jeweiligen Einzelfall entsprechend der wirtschaftlichen Verhältnisse des Inhaftierten festgesetzt wird.
93Aus den vorstehenden Ausführungen folgt überdies, dass die Haftanordnung in Übereinstimmung mit Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL schriftlich unter Angabe der sachlichen und rechtlichen Gründe für die Haft, die letztlich eine Überprüfbarkeit gewährleisten, ergeht. Diese werden den Asylsuchenden auch verbal übersetzt.
94Vgl. Auskunft Pro Asyl an das Verwaltungsgericht München vom 30. Oktober 2014 zu Frage 1.
95Damit wird dem durch Artikel 5 Absatz 2 EMRK gewährleisteten Recht eines jeden Festgenommenen auf Unterrichtung hinreichend entsprochen. Eine mündliche Unterrichtung genügt insoweit.
96Vgl. Dörr, in: Grote/Marahun, EMRK/GG, S. 574, Rn. 36.
97Auch aus den Erkenntnissen des Gerichts zur Haftdauer lässt sich keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Dublin-Rückkehrern ableiten. Vielmehr steht die Rechtslage und tatsächlich gelebte Praxis in Ungarn auch insoweit in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Laut Auskunft von Pro Asyl beobachtete das HHC in der Vergangenheit, dass die maximale Haftdauer von sechs Monaten in vielen Fällen ausgeschöpft worden sei. Seit Kurzem würden inhaftierte Asylsuchende aus der Asylhaft entlassen, sobald das OIN im „in-merit procedure“ über das Asylgesuch entschieden hat und zwar auch dann, wenn diese Entscheidung negativ ausgefallen sei und der Betroffene Rechtmitte eingelegt habe. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass die Höchstgrenze der zulässigen Haftdauer überschritten wird.
98vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 2 Buchstabe, Seite 2.
99Es erscheint zumindest nicht unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr – bis zu einer Entscheidung über das Asylbegehren bzw. unter Umständen auch nach einer ablehnenden Entscheidung – fortlaufend gegeben ist.
100Vgl. Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 14. Juli 2014 – 1 B 862/14 –, juris, Rn. 15.
101Hinzu kommt, dass die Inhaftierung von Amts wegen alle 60 Tage überprüft wird (s.o.), die Asylbewerber mithin die Möglichkeit haben, ihre Inhaftierung auf die fortbestehende Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen.
102Schließlich kann das Gericht den aktuellen Auskünften nicht entnehmen, dass die konkreten Haftbedingungen in Ungarn systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen.
103Hinsichtlich der Haftbedingungen in den Asylhaftanstalten liegen dem Gericht im Wesentlichen die folgenden Erkenntnisse vor:
104Die Asylhafteinrichtungen seien nicht überbelegt. Die gesetzliche Mindestvorgabe von 5 m² pro Person werde in allen Einrichtungen gewahrt. Asylbewerber könnten sich innerhalb der Hafteinrichtungen zwischen 6 und 23 Uhr frei bewegen. Außerhalb der Einrichtungen, auf dem Weg zum Krankenhaus oder zum Gericht, würden die Asylbewerber hingegen an einer Leine geführt. Zur Freizeitgestaltung gebe es in den Hafteinrichtungen Computerräume mit Internetzugang, Fitnessräume und Gemeinschaftsräume, in denen ein Fernseher stehe. Bezüglich der hygienischen Verhältnisse in den Asylhafteinrichtungen lägen Mängel vor. In Békéscaba hätten einige der Toiletten keine Türen gehabt und einige Wasserhähne würden nicht funktionieren, weshalb der Zugang zu warmen Wasser nicht immer gewährleistet sei. In Nyírbátor habe eine unzureichende Versorgung mit Putzutensilien und Reinigungsmitteln zur Reinigung der Toiletten und Duschen stattgefunden. Der Waschraum im ersten Stock sei permanent dreckig gewesen und würde stinken. Auch sei das Wasser von mangelhafter Qualität gewesen, was zu Hautausschlägen geführt habe. In Debrecen seien Duschen im zweiten Stock häufig verstopft und daher unbenutzbar gewesen. Eine Versorgung mit Lebensmitteln erfolge entsprechend einer Verordnung des Innenministeriums. Religiöse und medizinische Besonderheiten würden in der Regel berücksichtigt. Kritisiert werde aber die schlechte Qualität des Essens. Eine medizinische Grundversorgung werde gewährleistet, auch wenn diese oft als unzureichend empfunden werde. Sanitäter bzw. Krankenschwestern seien permanent anwesend; Allgemeinmediziner würden die Einrichtungen zweitweise besuchen. In schwerwiegenden Fällen könne eine Zuweisung zu den Allgemein- oder Spezialeinrichtungen des Gesundheitssystems erfolgen. Die Kosten der Behandlung trage der ungarische Staat bzw. seine Gesundheitseinrichtung. In der Aufnahmeeinrichtung Békéscaba werde zudem psychologische Betreuung durch Spezialisten und Psychologen der D. Stiftung gewährt.
105Vgl. Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 31. Oktober 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 ff.; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 30. September 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19. November 2014 zu Frage 5 b) bis f), Seite 3 f.; HHC “INFORMATION NOTE ON ASYLUM-SEEKERS IN DETENTION AND IN DUBLIN PROCEDURES IN HUNGARY“, S. 15 ff.
106Obschon das Gericht nicht verkennt, dass Defizite in den Haftbedingungen bestehen, erreichen diese jedenfalls nicht das erforderliche Mindestmaß an Schwere, um von systemischen Mängeln in dem geschilderten Sinne ausgehen zu können. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab, wie die Dauer der Behandlung und ihre physischen und psychischen Wirkungen und manchmal das Geschlecht, das Alter und der Gesundheitszustand des Opfers.
107Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 – M.S. S./Belgien u. Griechenland, Rn. 219.
108Die vorstehend genannten hygienischen, medizinischen und sonstigen Mängel in den Asylhaftanstalten, insbesondere auch die Vorfälle, in denen Asylbewerber von „armed security guards“ misshandelt worden sind, sind zwar nicht zu vernachlässigen. Indes lässt sich daraus nicht ableiten, dass die inhaftierten Asylbewerber in Ungarn nicht nur vereinzelt sondern gerade systematisch einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterliegen. Vielmehr zeigt ein Vergleich mit der früheren Lage in Ungarn, dass zwischenzeitlich weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen eingetreten sind.
109So auch EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 – Mohammadi gegen Österreich, Rn. 68.
110Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren. Auch der Umstand, dass sich die Situation in Ungarn deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel.
111Vgl. EGMR, Urteil vom 3. Juli 2014 – 71932/12 – Mohammadi gegen Österreich, Rn. 69; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 30. Januar 2015 – 13 L 58/15.A –, juris, Rn. 43 m.w.N.
112Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der UNHCR – auch nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der Inhaftierungspraxis Ungarns infolge der durch das Gericht veranlassten Beweisaufnahme – keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die – bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende – Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant.
113So auch Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 26. Januar 2015 – Au 7 S 15.50015 –, juris, Rn. 31.
114Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Dublin-Rückkehrer entgegen des Refoulement-Verbots ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, wenn – wie vorliegend – noch kein Asylantrag in Ungarn gestellt worden ist. Diejenigen Antragsteller, die anlässlich ihres ersten Aufenthalts in Ungarn keinen Asylantrag gestellt haben werden im Rahmen der Einreisebefragung gefragt, ob sie das zuvor in einem Mitgliedstaat gestellte Asylbegehren in Ungarn fortführen wollen oder nicht. Sollte ersteres der Fall sein, wird entsprechend der nationalen Regelungen ein Asylverfahren initiiert und der Ausländer erhält ein Aufenthaltsrecht in Ungarn für die Dauer des Asylverfahrens. Andernfalls richtet sich die weitere Vorgehensweise nach sonstigen allgemeinen Regelungen.
115Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht München vom 2. März 2015 zu Frage 2, Seite 3.
116Steht nach alldem nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das ungarische Asylverfahren an systemischen Mängeln leidet, geht dieser Umstand – nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast – zu Lasten der Antragsteller. Bereits aus dem eingangs dargestellten Erfordernis, dass sich das Gericht zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (S. 10),
117BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 – 10 B 16.14 –, juris, S. 5,
118folgt, dass es zu Lasten des Asylbewerbers geht, wenn das Gericht – wie vorliegend – nicht zu dieser Überzeugungsgewissheit gelangt. Gleiches ergibt sich auch aus der Diktion des EuGH, wonach ein Asylbewerber seiner Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht (Hervorhebung durch das Gericht), die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta ausgesetzt zu werden.
119Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris, Rn. 62.
120Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen im Ergebnis daher keine Bedenken. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedsstaat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das ist hier der Fall. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung liegen weder zielstaatsbezogene (a) noch in der Person der Antragsteller bestehende, also inlandsbezogene (b) Abschiebungshindernisse, vor.
121a) Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis liegt bei den Antragstellern nicht vor.
122Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG in Gestalt einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn krankheitsbedingt schon keine Transportfähigkeit besteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).
123Bei einer psychischen Erkrankung, wie sie hier bei den Antragstellern in Rede steht, kann vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engeren Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings – in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen – nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.
124OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2010 – 18 B 910/10 –, juris, Rn. 15 f. m.w.N.
125Einen diesen Anforderungen genügenden Nachweis einer Vorerkrankung, die zur Annahme der Reiseunfähigkeit führen könnte, haben die Antragsteller nicht erbracht.
126Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an posttraumatischer Belastungsstörung (sowie eines entsprechenden Beweisantrages) angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
127VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. März 2015 – 13 L 937/15.A –, juris, Rn. 14.
128(1) Die vom Antragsteller zu 1.) vorgelegten Atteste genügen den vorstehend genannten Anforderungen nicht.
129Zwar werden dem Antragsteller zu 1.) in dem vorgelegten ärztlichen Attest vom 31. März 2015 eine „leichte depressive Episode, Panikstörung, Balbuties, Unruhezustand, Insomnie und Meralgia paraesthetica rechts“ diagnostiziert und eine Reiseunfähigkeit prognostiziert. Auch handelt es sich bei dem den Antragsteller zu 1.) behandelnden Dr. med. Heimbrand um einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Indes genügt diese Bescheinigung schon nicht den vorstehend dargestellten Anforderungen, die an die Substantiierung eines Vorbringens einer solchen Erkrankung zu stellen sind. Es fehlt an jeglichen Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Antragsteller zu 1.) in der ärztlicher Behandlung des Herrn Dr. med. I. befunden hat, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Insbesondere gibt das Attest nicht Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf. Überdies fehlt es auch an einer nachvollziehbaren und substantiierten Begründung, warum der Antragsteller zu 1.) „aufgrund seiner Erkrankung auf absehbare Zeit nicht reisefähig“ sein soll.
130In dem vorläufigen Arztbericht der Evangelischen Stiftung U. vom 20. Mai 2015 wird dem Antragsteller das Vorliegen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome, einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer meralgia paraesthetica diagnostiziert. Indes enthält der Arztbericht ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Reiseunfähigkeit im engeren und/oder weiteren Sinne. Insoweit ist zudem nicht ersichtlich, dass der den Antragsteller zu 1.) untersuchende J. Pourfard über die erforderliche Ausbildung verfügt, um fundiert eine am ICD-10 orientierte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung und/oder Depression bei dem Antragsteller zu 1.) stellen zu können. Über eine Facharztausbildung, die ihn zur Feststellung einer etwaigen Reiseunfähigkeit befähigen könnte, verfügt er offenbar nicht.
131VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. März 2015 – 13 L 937/15.A –, juris, Rn. 16 m.w.N.
132Dem ärztlichen Attest der Evangelischen Stiftung U. vom 21. Mai 2015 lassen sich schließlich ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Reiseunfähigkeit entnehmen. Vielmehr heißt es darin, dass sich der psychische Zustand des Antragstellers zu 1.) besserte und er sich von akuter Suizidalität ausreichend und glaubhaft distanziert habe.
133(2) Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2.) sowie den Antragstellern zu 3.) bis 5.) liegen schon keine ärztlichen Atteste vor, aus denen sich hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit ergeben könnten. Die vorgelegten Überweisungsscheine und das Schreiben des I1. Klinikums X. genügen den vorstehend dargestellten Mindestanforderungen an die Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an einer posttraumatischen Belastungsstörung bei weitem nicht. Soweit hinsichtlich der Antragstellerin zu 5.) in dem Überweisungsschein vom 21. Mai 2015 Zöliakie diagnostiziert wird, fehlt es ebenfalls an überprüfbaren Anhaltspunkten, dass sie aufgrund dessen nicht reisefähig ist.
134b) Ebenso wenig liegt ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis vor.
135Gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
136BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris Rn. 15.
137Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
138vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A –, juris Rn. 32 = NRWE.
139Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Substantiierung der (psychischen) Erkrankungen Bezug genommen. Daher kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob in Ungarn eine hinreichende Behandlung der Antragsteller gewährleistet wäre.
140Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
141Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
142Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.