Sozialgericht Aachen Urteil, 23. Feb. 2016 - S 18 SB 1135/15

ECLI:ECLI:DE:SGAC:2016:0223.S18SB1135.15.00
bei uns veröffentlicht am23.02.2016

Tenor

Der Bescheid vom 07.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2015 wird insoweit aufgehoben, wie er feststellt, dass die gesundheitli-chen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" nicht mehr vorliegen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.


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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 31 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemei

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 39 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 69 Kontinuität der Bemessungsgrundlage


Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 33 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. (2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, w

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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 3 Vorrang von Prävention


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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 38 Offenbare Unrichtigkeiten im Verwaltungsakt


Die Behörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Die Behörde ist berechtigt, die Vorlage des Dokumentes z

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheids für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2006 und die Höhe der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für diesen Zeitraum.

2

Der im Jahre 1969 geborene Kläger arbeitete nach seinen eigenen Angaben zunächst als Fernsehredakteur. Er lebt mit seinem im Dezember 2003 geborenen Sohn in einem Haushalt. Seit 2005 bezieht er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 29.3.2006 (Änderungsbescheid vom 7.4.2006) Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2006, dabei für die Monate September und Oktober 2006 in Höhe von 966 Euro, wobei der Kläger eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro (100 vH) monatlich bezog. Der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten überreichte dem Kläger am 6.7.2006 im Rahmen eines "ausführlichen Beratungsgesprächs" zwei Vermittlungsvorschläge, darunter einen für eine Vollzeittätigkeit bei der Zukunftswerkstatt K Nach Angaben des Klägers wurde laut Stellenbeschreibung ein Erzieher zur Anleitung anderer ABM-Helfer mit viel Erfahrung in sozialen und organisatorischen Bereichen sowie in der Betreuung an Grundschulen gesucht. Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit. Auf diese Stelle bewarb sich der Kläger nicht. Auf ein Anhörungsschreiben des Beklagten hin antwortete der Kläger am 21.7.2006, dass er den Vermittlungsvorschlag in seinen Unterlagen abgelegt und dort vergessen habe.

3

Der Beklagte erließ am 26.7.2006 einen Bescheid zur Absenkung des Arbeitslosengelds II (Alg II) gemäß § 31 SGB II. Darin hieß es wörtlich: "Der Ihnen zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II wird unter Wegfall des eventuell zustehenden Zuschlages nach § 24 SGB II für die Zeit vom 1.9.2006 bis 30.11.2006 monatlich um 30 % der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages, abgesenkt. Daraus ergibt sich eine Absenkung in Höhe von maximal 104,00 Euro monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wird insoweit ab dem 1.9.2006 gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben." Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe die ihm am 6.7.2006 angebotene, zumutbare Arbeit als Erzieher bei der Firma Zukunftswerkstatt K trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht angenommen, indem er sich nicht beworben habe.

4

Mit Bescheid vom 1.11.2006 (Änderungsbescheid vom 24.11.2006) bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 1.11.2006 bis April 2007. Ausweislich der Berechnungsbögen wurde dabei durch den Änderungsbescheid vom 24.11.2006 für den Monat November 2006 von einem Minderungsbetrag von 104 Euro ausgegangen. Bewilligt wurden dem Kläger Leistungen in Höhe von 841,40 Euro.

5

Bereits am 17.8.2006 hatte der Kläger Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 eingelegt. Diesen wies der Beklagte durch Bescheid vom 24.11.2006 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, trotz eines zuvor geführten intensiven Gesprächs hinsichtlich der Bewerbungsstrategie und einer Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger sich nicht bei der Zukunftswerkstatt beworben. Er habe hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass er die Aufnahme der angebotenen Tätigkeit verweigere. Einen wichtigen Grund hierfür habe er nicht nachgewiesen. Die Tätigkeit sei angesichts seiner beruflichen Laufbahn auch angemessen und zumutbar gewesen. Die Voraussetzungen für die Absenkung des Alg II um 30 % der maßgebenden Regelleistung seien daher erfüllt. Für den Kläger betrage die Regelleistung 345 Euro, woraus sich ein Absenkungsbetrag in Höhe von gerundet 104 Euro ergebe. Die Sanktion umfasse die Kalendermonate September bis November 2006. Für diesen Zeitraum sei die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung teilweise aufzuheben gewesen.

6

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 den Bescheid des Beklagten vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2006 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt gewesen. Es müsse aus dem Sanktionsbescheid von vornherein klar werden, in welcher Höhe eine Absenkung erfolgen werde. Der Umfang der Kürzung müsse deshalb konkret und unmissverständlich dem Bescheid zu entnehmen sein. Durch die Formulierung in dem Bescheid vom 26.7.2006 "30 % höchstens in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages und Absenkung von maximal 104,00 Euro monatlich" sei dem Kläger lediglich eine Obergrenze mitgeteilt worden. Es fehle an einem konkreten und unmissverständlichen Minderungsbetrag. Die mangelnde Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes könne auch nicht nach § 41 SGB X geheilt werden, denn es handele sich hierbei nicht um einen Formmangel. Eine hinreichende Bestimmtheit sei vorliegend auch nicht durch andere Bescheide hergestellt worden. Allein aus der durch den Änderungsbescheid vom 21.8.2006 festgesetzten Änderung für den Monat Oktober 2006 habe der Kläger nicht den Schluss ziehen können, dass der Minderungsbetrag 104 Euro betrage. Es könne dahinstehen, inwieweit nicht die Wertung des § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II für eine Unzumutbarkeit der angebotenen Vollzeittätigkeit spreche. Aus dieser Vorschrift folge, dass ein Hilfebedürftiger, der ein unter dreijähriges Kind betreue und erziehe, nicht zur Aufnahme einer Arbeit verpflichtet werden könne.

7

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten den Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Ausgangsbescheid wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit gemäß § 33 Abs 1 SGB X rechtswidrig gewesen sei. Jedenfalls sei diese mangelnde Bestimmtheit im Widerspruchsverfahren durch den Erlass des Widerspruchsbescheids in entsprechender Anwendung des § 41 SGB X geheilt worden. Des Weiteren liege auch ein Sachverhalt vor, der den Eintritt einer Sanktion zur Folge habe. Der Kläger sei durch den Vermittlungsvorschlag über die Rechtsfolgen einer Arbeitsverweigerung ausreichend belehrt gewesen. Er habe sich auch geweigert, eine Arbeit aufzunehmen. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass die angebotene Arbeit für den Kläger unzumutbar gewesen wäre. Gemäß § 10 Abs 1 SGB II sei dem Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar. Auch der Umstand, dass der Kläger allein seinen damals noch nicht dreijährigen Sohn erzogen habe, führe nicht zur Unzumutbarkeit der angebotenen Stelle. Die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet habe, sei in der Regel nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege sichergestellt sei. Vorliegend sei eine solche Gefährdung der Kindeserziehung nicht ersichtlich. Der Kläger selbst habe diesen Einwand erstmals im Klageverfahren vorgebracht. Dies überzeuge bereits deshalb nicht, weil der Kläger in seinen früheren Stellungnahmen und Widersprüchen besonders betont habe, wie sehr er sich um eine Arbeit bemühe, ohne seine angeblich eingeschränkte Vermittelbarkeit auch nur anzudeuten. Auch die vom Kläger geschlossene Eingliederungsvereinbarung enthalte keinerlei einschränkende Bedingungen.

8

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision. Er rügt eine Verletzung der §§ 33, 41 SGB X und des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c, § 31 Abs 6, § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II sowie des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er geht zunächst mit dem SG davon aus, dass der Ausgangsbescheid vom 26.7.2006 nicht hinreichend inhaltlich bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X gewesen sei. Die mangelnde Bestimmtheit des Sanktionsbescheids sei auch nicht durch andere oder spätere Bescheide geheilt worden. Er habe sich auch nicht geweigert, eine ihm angebotene Arbeit anzunehmen. Er habe lediglich die Arbeitsangebote in seine Mappe gelegt und dort vergessen. Die angebotene Tätigkeit als voll ausgebildeter Erzieher sei ihm nicht zumutbar gewesen, zumal dieses Angebot seine Eingliederung nicht gefördert hätte. Zwar spreche das Vermittlungsangebot nur von einem Erzieher. Da dieser jedoch Andere anleiten habe sollen, habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um einen ausgebildeten Erzieher handeln sollte. Das LSG überspanne die Anforderungen an die Hilfebedürftigen, wenn es trotzdem verlange, dass er sich zunächst einmal auf die angebotene Stelle als Erzieher hätte bewerben müssen. Schließlich sei auch die Erziehung seines unter dreijährigen Kindes gefährdet gewesen. Das LSG habe an dieser Stelle den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt, denn es sei die Betreuung seines Sohnes nur für maximal sechs Stunden täglich sichergestellt gewesen. Bei der angebotenen Stelle habe es sich zudem um eine Vollzeitstelle in K gehandelt. Von seinem Wohnort aus in R benötige er mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa eineinhalb Stunden für eine Fahrtstrecke bis nach K Darüber hinaus habe der Sanktionszeitraum auch nicht auf den November 2006 ausgedehnt werden dürfen, weil zum Zeitpunkt der Festsetzung des Sanktionszeitraums eine Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum noch nicht vorgelegen habe.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2008 aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils. Ergänzend weist er darauf hin, dass sich bereits aus dem Ausgangsbescheid vom 26.7.2006 hinreichend bestimmt die ausgesprochene Rechtsfolge ergebe.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Absenkung der Leistungen des Klägers für den Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006 zu Recht erfolgt ist (hierzu unter 3.), bzw ob dem Kläger aus anderen Gründen für diesen Zeitraum höhere Leistungen zustanden (sodann unter 4.). Zu Recht hat das LSG allerdings entschieden, dass der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 nicht wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit gemäß § 33 Abs 1 SGB X aufzuheben war(siehe unter 2.).

13

1.a) Streitgegenstand sind die vom Kläger begehrten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006. Das BSG hat insofern bereits entschieden, dass ein Sanktionsereignis bzw ein Sanktionsbescheid gemäß § 31 SGB II keinen abtrennbaren Streitgegenstand darstellt, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden kann(BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 12). Ob dem Kläger für den streitigen Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006 höhere als die abgesenkten Leistungen zustanden, kann nicht abschließend entschieden werden. Zum einen kann nicht beurteilt werden, ob der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2006) den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG insbesondere an das Vorliegen einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung genügte (sogleich unter 3.). Zum anderen könnte selbst bei einer Rechtmäßigkeit der hier bislang ausschließlich geprüften Sanktionsbescheide die Revision des Klägers dennoch begründet sein, wenn ihm aus einem anderen Grund höhere Leistungen als die abgesenkten für den streitigen Zeitraum zustanden (siehe unter 4.).

14

b) Die Anfechtungsklage des Klägers gemäß § 54 Abs 1 SGG(hierzu BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - RdNr 12) richtet sich darauf, für den streitigen Zeitraum ungekürzte bzw nicht abgesenkte Leistungen zu erhalten. Hierbei ist hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung wegen der vorherigen Leistungsbewilligung für die Monate September und Oktober 2006 zwischen diesen beiden Monaten einerseits und dem Monat November 2006 andererseits zu unterscheiden.

15

Hinsichtlich der Monate September und Oktober 2006 hatte der Beklagte dem Kläger mit den Bescheiden vom 29.3.2006 /Änderungsbescheid vom 7.4.2006 bereits Leistungen in Höhe von zuletzt 966 Euro monatlich bewilligt. Insofern zutreffend hat der Beklagte die vom Kläger ausschließlich angefochtenen Bescheide vom 26.7.2006 und 24.11.2006, mit denen er die bewilligte Leistung absenkte, auf § 48 SGB X gestützt. Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Eintritt vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung ist (mit Wirkung für die Zukunft) eingetreten, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 SGB II für eine Absenkung des Alg II vorgelegen haben.

16

Für den Zeitraum ab 1.11. bis 30.11.2006 hatte der Beklagte Leistungen lediglich unter Berücksichtigung einer um 104 Euro gekürzten Regelleistung bewilligt (Bescheid vom 1.11.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.11.2006). Für den Monat November 2006 stehen dem Kläger die Leistungen ohne Kürzung eines Betrags von 104 Euro zu, wenn er dem Grunde nach die Voraussetzungen der §§ 7, 19 SGB II für einen Anspruch auf Alg II erfüllt hat und die Regelleistung nicht nach § 31 Abs 1 SGB II abgesenkt ist. Damit der Kläger dieses Ziel erreichen kann, müssten (im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG) die Bescheide vom 1.11. bzw 24.11.2006 insofern geändert werden, was das SG unterlassen hat. Auch hierüber wird das LSG abschließend zu befinden haben.

17

Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen im Urteil des LSG kann noch mit hinreichender Klarheit entnommen werden, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II erfüllt.

18

2. Entgegen der Rechtsansicht des SG war bereits der angefochtene Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X). Es kommt mithin nicht darauf an, ob dieser Bescheid noch durch den Widerspruchsbescheid vom 24.11.2006 "geheilt" worden ist, wovon das LSG ausgegangen ist. Das BSG hat bereits entschieden, dass Sanktionsbescheide mit dem hier angefochtenen Inhalt den Bestimmtheitsanforderungen des § 33 Abs 1 SGB X genügen(vgl insbesondere Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 RdNr 13 ff). Das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 SGB X verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts klarstellende Funktion zu (BSG Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R = BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384). Unbestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten (vgl auch BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwzN). Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9). Nach diesen Maßstäben lässt sich hier die Unbestimmtheit des Aufhebungsbescheides vom 26.7.2006 nicht feststellen. Zwar verfügte der Beklagte in diesem Bescheid, dass sich der monatliche Absenkungsbetrag vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 auf 30 % der Regelleistung belaufe, woraus sich maximal 104 Euro ergeben würden. Damit hat der Beklagte zunächst unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass dem Kläger ab dem 1.9.2006 Leistungen nicht mehr in unveränderter Höhe zustehen sollten. Allerdings ist angesichts der teilweise umfangreichen Bewilligungsbescheide nicht in jedem Falle (so etwa, wenn Nebeneinkommen gemäß §§ 11, 30 SGB II zu berücksichtigen ist) unschwer ersichtlich, um welchen Betrag das Alg II abgesenkt werden soll. Hier lag hingegen ein unproblematischer Fall vor, weil der Kläger eine Regelleistung in Höhe von 100vH (damals 345 Euro) erhielt und sonst kein Nebeneinkommen vorlag. Insofern konnte der Kläger dem Verfügungssatz des Absenkungsbescheides unter Hinzuziehung seines Bewilligungsbescheids durch einfache Rechenoperation auch ohne weiteres den für ihn maßgebenden konkreten Absenkungsbetrag entnehmen. Jedenfalls für den Kläger war somit ausreichend und in nachvollziehbarer Weise erkennbar, dass und in welchem Umfang aufgrund des Sanktionsereignisses Zahlungen von Alg II ab dem 1.9.2006 erfolgen sollten. Schließlich machte der angefochtene Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 insofern auch deutlich, dass die ursprünglichen Bewilligungsbescheide insoweit gemäß § 48 SGB X aufgehoben würden (vgl hierzu BSG Urteile vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 - und - B 4 AS 30/09 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 3). Da bereits der Ausgangsbescheid mithin nicht wegen fehlender Bestimmtheit rechtswidrig war, kommt es auf die weitere Frage, ob eine eventuell fehlende Bestimmtheit im Widerspruchsverfahren bzw durch den Erlass eines Widerspruchsbescheids in entsprechender Anwendung des § 41 SGB X heilbar wäre, nicht mehr an.

19

3. Es kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 gemäß § 31 SGB II rechtmäßig war und damit gemäß § 48 Abs 1 SGB X die ursprünglichen Bewilligungsbescheide vom 29.3.2006/7.4.2006 gemäß § 48 Abs 1 SGB X geändert werden bzw bei dem anschließenden Bewilligungszeitraum ab 1.11.2006 eine um 104 Euro gekürzte Regelleistung zu Grunde gelegt werden durfte (Bescheide vom 1.11.2006/24.11.2006).

20

Nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c SGB II wird das Arbeitslosengeld unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 vH der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgeblichen Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Anhand der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die von ihm selbst aufgestellten Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung iS des § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II im vorliegenden Fall erfüllt wurden (vgl grundlegend Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5).

21

a) Es bestehen aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG zunächst keine rechtlichen Zweifel daran, dass der Kläger sich geweigert hat, eine Arbeit anzunehmen. Weigern in diesem Sinne bedeutet regelmäßig die vorsätzliche, ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise dem Leistungsträger oder dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, sich an die durch das Gesetz auferlegte Pflicht zu halten. Die Aufnahme einer Tätigkeit kann mithin auch durch konkludentes Verhalten verweigert werden (statt vieler Berlit in Münder, LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 35 mwN). Insofern zutreffend hat das LSG aus den Angaben des Klägers, er habe das Angebot schlichtweg vergessen, den Schluss gezogen, er habe die konkrete Arbeit nicht antreten bzw ausführen wollen.

22

b) Das LSG wird allerdings nach der Zurückverweisung der Sache nochmals darüber zu entscheiden haben, ob die Arbeit dem Kläger tatsächlich zumutbar iS des § 10 SGB II iVm § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c SGB II war. Nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II ist die Ausübung der Arbeit auch dann zumutbar, wenn die Erziehung eines unter dreijährigen Kindes nicht gefährdet ist. Dies ist dann der Fall, soweit dessen Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder auf sonstige Weise sichergestellt ist. Insofern ist rechtlicher Maßstab für die Zumutbarkeit einer Arbeit ausschließlich, ob die Erziehung eines Kindes tatsächlich iS des § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II sichergestellt ist. Mit der vom LSG angestellten Hilfserwägung, der Kläger habe erst im Klageverfahren auf die fehlende Sicherstellung der Betreuung seines Kindes hingewiesen, zuvor aber stets sein Bemühen um Erlangung einer Arbeitsstelle betont, kann das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzung nicht nachgewiesen werden. Maßgeblich ist insofern ausschließlich die objektive Betreuungssituation, die von Amts wegen zu ermitteln ist (§ 20 SGB X iVm § 103 SGG). Eine Präklusion von Vorbringen, wovon das LSG offenbar ausgeht, ist insoweit nur in den engen Grenzen des § 106a SGG möglich, dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Soweit der Kläger darüber hinaus im Rahmen der Zumutbarkeit vorgetragen hat, eine Arbeitsstelle als Erzieher sei ihm als vormaligem Fernsehredakteur generell unzumutbar, verkennt er die Tragweite des § 10 Abs 1 Satz 1 SGB II, wonach dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar ist.

23

c) Letztlich kann dies aber dahinstehen, solange nicht ausreichend festgestellt ist, welche Rechtsfolgenbelehrung dem Kläger wann überreicht worden ist. Das LSG hat insofern lediglich festgestellt: "Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit". Aufgrund dieser Feststellung gelangt das LSG zur Subsumtion: "Der Kläger ist über die Rechtsfolgen einer Arbeitsverweigerung durch den Vermittlungsvorschlag ausreichend belehrt gewesen". Der erkennende Senat ist zu einer revisionsgerichtlichen Überprüfung der rechtlichen Grundlagen dieser Wertung nicht in der Lage, zumal der Vermittlungsvorschlag auch nicht Gegenstand der in Bezug genommenen Akten ist. Auch in den Sanktionsbescheiden des Beklagten findet sich keine inhaltliche Beschreibung bzw Wiedergabe der dem Kläger am 6.7.2006 erteilten Rechtsfolgenbelehrung. Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, welche Anforderungen das LSG seiner rechtlichen Würdigung der Rechtsfolgenbelehrung zugrunde gelegt hat. Es hätte festgestellt werden müssen, welchen konkreten Inhalt die Rechtsfolgenbelehrung hatte, die dem Kläger am 6.7.2006 ausgehändigt bzw mündlich übermittelt worden ist. Der Inhalt dieser Rechtsfolgenbelehrung ist auch nicht aus den Akten ersichtlich.

24

Der erkennende Senat hat hierzu im Anschluss an die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4 und Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 19) durch Urteil vom 18.2.2010 (B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5 RdNr 17 ff) im Einzelnen dargelegt, dass die Festsetzung von Sanktionen nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II voraussetzt, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig belehrt worden ist. Dabei kommt es auf den objektiven Erklärungswert der Belehrung an. Sämtliche in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist. Diese in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte und in der sozialrechtlichen Literatur weitgehend geteilte Auffassung (vgl die Nachweise in dem Urteil des BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5 RdNr 19) ist insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen des § 31 Abs 1 SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen aufrecht zu erhalten. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich dabei an den vom BSG zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen. Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf verweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen. Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG auch den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung zu warnen (vgl BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87 mwN). Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Dies leitet der Senat nicht zuletzt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) ab, in der das BVerfG betont hat, dass das SGB II insgesamt der Realisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums iS des Art 1 Abs 1 iVm Art 210 Abs 1 Grundgesetz (GG) diene. Entsprechende Feststellungen zum Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung und eine nachfolgende Subsumtion wird das LSG noch vorzunehmen haben.

25

d) Schließlich wird das LSG auch zu überprüfen haben, wann der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 dem Kläger bekannt gegeben worden ist. Gemäß § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II treten Absenkungen und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Gemäß § 39 Abs 1 SGB X iVm § 37 Abs 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er bekannt gegeben wurde. Nach § 37 Abs 2 SGB II gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Da der 26.7.2006 ein Mittwoch war, besteht zumindest Veranlassung zu überprüfen, ob der Bescheid nicht bereits im Juli 2006 bekannt gegeben wurde. Nach der zwingenden Rechtsfolge des § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II hätten möglicherweise Absenkung und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats eintreten müssen, der auf das Wirksamwerden folgte, was hier der August 2006 gewesen wäre. Da der Bescheid nach § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II für das Eintreten der Sanktion konstitutiv ist, könnte sich hieraus ergeben, dass jedenfalls die dann für den Monat August 2006 zwingend erforderliche Sanktion nicht mehr wirksam nachgeholt werden kann, ggf könnte auch eine Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Sanktionszeitraums insgesamt zu erwägen sein.

26

4. Ergeben die Ermittlungen und weiteren rechtlichen Würdigungen des LSG, dass der Absenkungsbescheid vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2006 rechtmäßig war und dass insofern das LSG auf die Berufung des Beklagten hin die Klage zu Recht abgewiesen hat, so wird im Einzelnen noch zu prüfen sein, ob dem Kläger nicht aus anderen Gründen eine höhere Regelleistung zustand. Insofern wären sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 19, 22 SGB II zu überprüfen und auch zu ermitteln, inwieweit die dem Kläger bewilligten Kosten der Unterkunft und ggf auch die Leistungen für den minderjährigen Sohn des Klägers richtig berechnet worden sind. Da der Kläger insofern gegen das Urteil des LSG Revision eingelegt hat, ist unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen, ob der Kläger sein Klageziel - ungekürzte Leistungen in der ursprünglich bewilligten Höhe - nicht auf andere Weise erreichen kann.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits unter Beachtung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2008 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6. Februar 2005 geändert.
2. Auf das Anerkenntnis der Beklagten werden ihre Bescheide vom 11. und 22. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2002 sowie der Bescheid vom 31. Januar 2002 aufgehoben.
3. Die Bescheide der Beklagten vom 15. Mai 2003, 2. März 2004, 15. Oktober 2004, 23. Mai 2005, 1. Juni 2007 und 9. Juni 2008 werden hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufgehoben.
4. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
5. Die Beklagte hat dem Kläger sieben Achtel seiner außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung eines Teils seiner Rentenansprüche (Nachzahlung und laufende Zahlungen) mit gegen ihn gerichteten Beitrags- und Nebenforderungen des beigeladenen Unfallversicherungsträgers.

2

Der im 1937 geborene Kläger ist verheiratet. Seine Ehefrau bezieht seit Juli 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) iHv (seinerzeit) 1 265,08 DM. Der von den Eheleuten für die gemeinsame Wohnung entrichtete Mietzins betrug ab Juni 2001 257,22 Euro, ab Oktober 2002 263,77 Euro und ab September 2004 247,35 Euro. Seit 2001 sind beim Kläger ein Grad der Behinderung von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt.

3

Der Kläger war seit Mai 1990 als selbstständiger Handwerksmeister mit eigener Firma in L. tätig.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 5.6.1996 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers über dessen Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 26.9.2002 eingestellt.

5

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10.10.1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) rückwirkend vom 1.5.1993 bis zum 31.10.1995, die allerdings aufgrund von Rehabilitationsmaßnahmen und Übergangsgeldbezug nur in der Zeit vom 29.3. bis zum 31.10.1995 zur Auszahlung kam. Seit 1.2.1996 bezog der Kläger eine Rente wegen EU auf Dauer (Bescheid vom 18.10.1996).

6

Mit Bescheiden vom 25.4.2001 stellte die Beklagte die Renten wegen BU und EU neu fest. Für die Rente wegen BU ergab sich eine Nachzahlung iHv 1 759,62 DM und für die Rente wegen EU iHv 24 727,83 DM.

7

Bereits mit Schreiben vom 23.8.1995 hatte die Beigeladene der Beklagten mitgeteilt, der Kläger schulde ihr aus seiner Mitgliedschaft "rechtswirksam festgestellte Beiträge zuzüglich Nebenforderungen (zB Säumnisgebühren, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) in Höhe von derzeit 43 982,50 DM", und die Beklagte zugleich zur Verrechnung gegen Geldleistungen ermächtigt, die der Kläger jetzt oder in Zukunft erhalte.

8

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 9.5.2001 mit, dass ihre Ansprüche, derentwegen sie die Beklagte mit Schreiben vom 23.8.1995 zur Verrechnung ermächtigt hatte, "derzeit 66 635,31 DM" (= 34 070,09 Euro) betrügen, und bat die Beklagte nunmehr auf Grund der seinerzeitigen Ermächtigung um Verrechnung.

9

Die die Renten wegen BU und EU betreffenden Verrechnungen mit Bescheiden vom 11. und 22.5.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie mit Bescheid vom 31.1.2002, gegen die der Kläger beim SG Leipzig Klage erhoben hatte (S 7 RJ 285/02), sind nach dem in der Revisionsverhandlung vom 7.2.2012 erklärten Anerkenntnis der Beklagten (s hierzu Nr 2 des Entscheidungssatzes) nicht mehr streitig.

10

Mit Bescheid vom 10.5.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1.7.2002 Regelaltersrente und verrechnete einen Betrag iHv monatlich 34,76 Euro; es verblieb ein monatlicher Auszahlungsbetrag iHv 820 Euro. Den Widerspruch des Klägers gegen die Verrechnung wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 zurück. Zur Begründung der Erhöhung des monatlichen Verrechnungsbetrags zum 1.7.2002 (gegenüber zuvor 20,80 Euro) führte die Beklagte aus, dass diese mit der Erhöhung des Rentenzahlbetrags aufgrund der Rentenanpassung zum 1.7.2002 einhergehe. Der Erhöhung des monatlichen Rentenzahlbetrags um 24,76 Euro auf 854,76 Euro stehe eine Erhöhung des aufgrund Verrechnung einbehaltenen Betrags von ca 14 Euro gegenüber. Im Ergebnis verbleibe dem Kläger ab 1.7.2002 mit monatlich 820 Euro ein höherer Rentenauszahlungsbetrag als bisher. Die besondere Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG werde nicht unterschritten; der Kläger werde nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt. Der monatliche Verrechnungsbetrag sei in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation des Klägers auch sachgerecht. Besondere Umstände, die eine für ihn günstigere Entscheidung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 51 Abs 2 SGB I bei der Festsetzung des Verrechnungsbetrags rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse an der Einbehaltung von Rententeilen zur Tilgung von Beitragsforderungen überwiege. Auch gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim SG Leipzig erhoben (S 7 RJ 558/02).

11

Das SG hat mit Beschluss vom 19.11.2004 beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

12

Wegen "Änderungen in den Rentenberechnungsgrundlagen" ergingen in der Folgezeit weitere (Verrechnungs-)Bescheide der Beklagten. Ab 1.7.2003 erhöhte sich der Verrechnungsbetrag auf monatlich 54,91 Euro (Bescheid vom 15.5.2003), ab 1.4.2004 betrug er monatlich 49,29 Euro (Bescheid vom 2.3.2004), ab 1.12.2004 monatlich 51,16 Euro (Bescheid vom 15.10.2004), ab 1.7.2005 monatlich 46,95 Euro (Bescheide vom 23.5.2005 und 1.6.2007) und ab 1.7.2008 monatlich 58,39 Euro (Bescheid vom 9.6.2008); dabei verblieb von Juli 2007 bis Juni 2008 ein auszuzahlender Betrag iHv monatlich 814,49 Euro (Bescheid vom 1.6.2007), im Übrigen jeweils monatlich 810 Euro. Im Bescheid vom 15.5.2003 hatte die Beklagte ergänzend mitgeteilt, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien. Dieser Wert werde nicht dynamisiert und betrage gegenwärtig 810 Euro. Der Bescheid vom 15.10.2004 enthielt den Hinweis, dass sich aufgrund der Senkung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung ab dem 1.12.2004 eine höhere Nettorente ergebe (861,16 Euro). Der entstehende Differenzbetrag werde zur Tilgung der Forderung herangezogen (51,16 Euro). Im Bescheid vom 9.6.2008 hat die Beklagte mit Hinweis auf die zum 1.7.2008 durchgeführte Rentenanpassung ergänzend darauf hingewiesen, dass der monatliche Selbstbehalt des Klägers bei 810 Euro liege, sodass der "abzutrennende Betrag" sich ab 1.7.2008 auf 58,39 Euro erhöhe.

13

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 6.1.2005 (nicht - wie im Tenor versehentlich angegeben - vom 6.2.2005) die Klagen abgewiesen.

14

Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 14.10.2008 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die seit Juli 2001 von der Beklagten vorgenommene Verrechnung von Beitragsforderungen der Beigeladenen mit Rentenzahlungsansprüchen des Klägers sei rechtmäßig. Keine Bedenken bestünden gegen die Durchführung der Verrechnung durch Verwaltungsakt.

15

Die Voraussetzungen für eine Verrechnung lägen vor: Die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen mit Schreiben vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) sei hinreichend bestimmt. Art und Umfang der Forderung seien so genau bezeichnet, dass die Beklagte in die Lage versetzt worden sei, eine substantiierte Verrechnungserklärung abzugeben.

16

Es bestehe eine Verrechnungslage. Die Forderungen der Beigeladenen seien bestandskräftig festgestellt. Gegen die entsprechenden Bescheide habe der Kläger Widerspruch nicht erhoben. Die Rentenansprüche, mit denen verrechnet worden sei, seien gleichartige Forderungen, die bindend bewilligt und fällig gewesen seien.

17

Entgegen der Ansicht des Klägers hindere das über sein Vermögen durchgeführte Gesamtvollstreckungsverfahren die Verrechnung nicht.

18

Ebenso wenig stehe der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der Vollstreckungsschutz des § 18 Abs 2 S 3 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) entgegen. Denn diese Norm bewirke Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung, zu denen die Verrechnung nicht zähle. Zudem werde die Regelung des § 18 Abs 2 S 3 GesO - soweit wie hier mit Beitragsansprüchen verrechnet werde - durch die Sonderregelung des § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) verdrängt.

19

Der Kläger sei aufgrund der Verrechnung nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab Januar 2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden. Ausgehend von den im Freistaat Sachsen für den Haushaltsvorstand geltenden Regelsätzen und Mehrbedarfszuschlägen nach § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG (bis 30.6.2002) und nach § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG (ab 1.7.2002) sowie den auf ihn entfallenden anteiligen Unterkunftskosten von 125 Euro (inklusive Heizkosten) seien dem Kläger nach Abzug der jeweiligen Verrechnungsbeträge monatliche Geldmittel verblieben, die den Eintritt einer sozialhilferechtlichen Notlage ausschlössen. Im gesamten Verrechnungszeitraum bis zum 31.12.2004 habe er einen monatlichen Rentenauszahlungsbetrag erhalten, der seinen sozialhilferechtlichen Bedarf nach dem BSHG sogar bei bedarfssteigernder Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen überstiegen habe. Nach der ab Januar 2005 geltenden Rechtslage sei der Kläger verpflichtet, nachzuweisen, dass durch die Verrechnung Bedürftigkeit nach dem SGB XII eingetreten sei. Trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise habe er diesbezügliche Nachweise nicht vorgelegt.

20

Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich. Sie habe das ihr eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Dem öffentlichen Interesse an der Begleichung von Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der Versicherungssysteme habe sie Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Rente gegeben, weil bei diesem keine außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation vorgelegen habe.

21

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 52 SGB I. Die Beklagte hätte die von der Beigeladenen geltend gemachten Forderungen nicht durch Verwaltungsakt mit seinen Rentenansprüchen verrechnen dürfen. Insoweit beruft er sich auf die Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 (B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1).

22
        

Auf Anfragebeschluss des erkennenden Senats vom 5.2.2009 (B 13 R 31/08 R) hat der 4. Senat mit Beschluss vom 22.9.2009 (B 4 SF 1/09 S) erklärt, er halte an seiner Auffassung fest, dass die Verrechnung nach § 52 SGB I nicht durch Verwaltungsakt erfolge. Der daraufhin vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 25.2.2010 (B 13 R 76/09 R) angerufene Große Senat (GrS) hat durch Beschluss vom 31.8.2011 (GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen) entschieden:    

"Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln."

23

Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.

24

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14.10.2008 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6.1.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002, den Bescheid vom 31.1.2002, den Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002, die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufzuheben.

25
        

In der Revisionsverhandlung am 7.2.2012, in der der Kläger nicht mehr vertreten war, hat die Beklagte das folgende Anerkenntnis abgegeben:        

        

Die Beklagte hebt folgende Bescheide hinsichtlich der aufgrund Verrechnung einbehaltenen Beträge auf:
die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie den Bescheid vom 31.1.2002.

26

Im Übrigen hat sie beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

27

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie sieht sich durch die Entscheidung des GrS in ihrer Rechtsauffassung zur Erklärung einer Verrechnung durch Verwaltungsakt bestätigt.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Revision des Klägers ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang begründet.

29

Soweit die Beklagte die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 und den Bescheid vom 31.1.2002 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung aus den Renten des Klägers wegen BU/EU einbehaltenen Beträge aufgehoben hat, war sie nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 S 1 ZPO ihrem Anerkenntnis entsprechend - ohne weitere Sachprüfung - zu verurteilen(vgl BSG vom 12.7.1988 - SozR 6580 Art 5 Nr 4 S 10 f; BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 62/02 R - juris RdNr 18; Senatsurteil vom 6.5.2010 - SozR 4-1300 § 48 Nr 19 RdNr 21 mwN, stRspr).

30

Auch das Begehren des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung für die Zeit ab 1.7.2003 aus seiner Altersrente einbehaltenen Beträge aufzuheben, hat Erfolg. Die genannten Bescheide erweisen sich insoweit als rechtswidrig. Richtige Klageart ist hier die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Alt 1 SGG). Denn mit der Aufhebung der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte steht fest, dass die verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an den Kläger auszuzahlen sind.

31

Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 ist hinsichtlich des für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 aufgrund Verrechnung aus seiner Regelaltersrente jeweils einbehaltenen monatlichen Betrags iHv 34,76 Euro rechtmäßig.

32

1. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden und hier insoweit noch maßgeblichen Fassung (aF) Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

33

Dem steht nicht entgegen, dass diese nicht den mit der Klage (ursprünglich) angefochtenen Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) abgeändert oder ersetzt hat, sondern andere Verrechnungszeiträume erfassen. Denn nach der bis zum 31.3.2008 geltenden Rechtslage hatte das BSG in ständiger Rechtsprechung eine entsprechende Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) im Interesse einer sinnvollen Anwendung der Prozessökonomie bzw eines schnellen und zweckmäßigen Verfahrens dann zugelassen, wenn der ursprüngliche Bescheid zwar nicht abgeändert oder ersetzt wurde, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses erging und ein streitiges Rechtsverhältnis regelte, das im Kern dieselbe Rechtsfrage betraf und sich an den vom ursprünglichen Bescheid erfassten Zeitraum anschloss(vgl etwa BSG vom 17.11.2005 - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 16 f mwN). Diese Voraussetzungen werden von den Verrechnungs-Folgebescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005 und 1.6.2007 erfüllt.

34

Ob auch der Bescheid vom 9.6.2008 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) noch Gegenstand des Verfahrens geworden ist, kann dahingestellt bleiben. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger eine Rechtsposition erworben hätte, die ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer Anwendung des § 96 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung begründen könnte. Denn eine analoge Anwendung des § 96 SGG für nicht ändernde oder ersetzende Folgebescheide scheidet seit 1.4.2008 durch die mit Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) neu eingeführte Fassung aus (BSG vom 16.12.2009 - B 7 AL 146/09 B - RdNr 7 f).

35

Dies bedarf hier aber keiner näheren Erörterung. Die Nichtanwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG schließt es nämlich nicht aus, dass ein Folgebescheid im Wege einer (gewillkürten) Klageänderung nach § 99 Abs 1 iVm Abs 2 SGG zum Gegenstand des anhängigen Prozesses gemacht wird, wenn die übrigen Beteiligten - wie hier - nicht widersprochen und sich auf die Klageerweiterung, die auch im Berufungsverfahren noch möglich ist(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 99 RdNr 12), eingelassen haben (vgl BSG vom 21.3.1978 - SozR 4600 § 143d Nr 3 S 9 f; BSG vom 7.2.1996 - SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 75 f; BSG vom 20.3.1996 - BSGE 78, 98, 103 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 38 f; Leitherer, aaO, § 96 RdNr 9b, 11e).

36

Allerdings hätte das LSG über die während des Berufungsverfahrens ergangenen und Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheide der Beklagten vom 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" entscheiden müssen (vgl BSG vom 30.1.1963 - BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr 17 zu § 96 SGG; BSG vom 27.1.1999 - SozR 3-2400 § 18b Nr 1 S 3; Senatsurteil vom 20.10.2010 - SozR 4-6480 Art 22 Nr 2 RdNr 23, stRspr).

37

2. Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also den Kläger - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und - wie hier - mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (bis 31.12.2004); ab 1.1.2005 kann der zuständige Leistungsträger entsprechend aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs 2 SGB I in der jeweiligen Fassung).

38

3. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 sowie ihre Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 - jeweils über Verrechnungen mit der Regelaltersrente des Klägers - waren nicht deswegen rechtswidrig und aufzuheben, weil die Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt hätte erfolgen dürfen. Vielmehr konnte die Beklagte die Verrechnung einseitig nur in dieser Handlungsform (und nicht durch sog öffentlich-rechtliche Willenserklärung) vornehmen (dazu unter a). Es bestand eine Verrechnungslage (dazu unter b). Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken. Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter c). Die Beklagte hat bei der mit dem Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführten Verrechnung das ihr gemäß § 52 iVm 51 Abs 2 SGB I zustehende Ermessen erkannt und pflichtgemäß ausgeübt(§ 39 Abs 1 SGB I). Dies gilt jedoch nicht für die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008; diese erweisen sich vielmehr als ermessensfehlerhaft. Denn es fehlen Ausführungen, die eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung erkennen lassen (dazu unter d). Dahingestellt bleiben kann, ob die letztgenannten Bescheide auch deshalb rechtswidrig sind, weil die Beklagte vor ihrem Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X; dazu unter e). Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 vorgenommene Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem verbleibenden Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig nach den hier noch maßgeblichen Bestimmungen des BSHG zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (dazu unter f).

39

a) Die Beklagte war berechtigt, auf die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995, in der Forderungshöhe aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001, deren Beitrags- und Nebenforderungen iHv insgesamt 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro) mit Rentenansprüchen des Klägers durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zu verrechnen (dazu unter aa). Die Verrechnungs-Verwaltungsakte waren auch inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X(dazu unter bb).

40

aa) Die Beklagte hat die Verrechnung zu Recht durch Verwaltungsakt geregelt (vgl BSG - GrS - vom 31.8.2011 - GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen - RdNr 15 ff).

41

(1) Nach § 31 S 1 SGB X ist ein "Verwaltungsakt … jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt bei einem Verrechnungs-Bescheid darin, dass die durch sie erklärte Verrechnung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten (hier des Klägers) hat, diesen nämlich hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise der Erfüllung (dh - wie in der Regel, vgl § 47 SGB I - durch Überweisung auf das dort benannte Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut) modifiziert(vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB X) und zum Erlöschen bringt, soweit die Verrechnung reicht und wirksam wird (Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 17; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 15). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" in § 31 S 1 SGB X ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Gestaltung von Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger (wie die Beklagte) ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten - dem Sozialleistungsempfänger - in dieser Form ihrer Art nach zusteht(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - aaO; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO). Im Übrigen ist - anders als im Zivilrecht - nach dem SGB I die Verrechnung (§ 52 SGB I) ebenso wie die Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht nur davon abhängig, dass sich der verrechnende (aufrechnende) Leistungsträger hierfür frei entscheidet und dies erklärt. Vielmehr ist ihre Ausübung an die Betätigung pflichtgemäßen Ermessens gebunden (§ 52 iVm § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I: "kann") und zudem gemäß § 51 Abs 1 Halbs 2 SGB I an die Pfändbarkeit der Geldleistungen bzw gemäß § 51 Abs 2 SGB I an die Höhenbegrenzung (bis zur Hälfte der laufenden Geldleistungen) sowie das Nichteintreten von Hilfebedürftigkeit aufgrund der Verrechnung (Aufrechnung).

42

(2) Auch der Gesetzgeber sieht in der Durchführung einer Verrechnung nach § 52 SGB I einen Verwaltungsakt. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) mit Wirkung ab 18.6.1994 eingefügt wurde. Spätestens mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klarstellend von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Verrechnung (Aufrechnung) für den Bereich des Sozialrechts der Handlungsform "Verwaltungsakt" zu unterstellen.

43

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist (nur) vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zur Äußerung zu geben; dies gilt jedoch nach Abs 2 Nr 7 der Vorschrift nicht, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als (in der ursprünglichen Fassung: 100 DM, jetzt:) 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass - unabhängig von der Höhe - die Verrechnung nach § 52 SGB I (ebenso wie die Aufrechnung nach § 51 SGB I) durch Verwaltungsakt zu erklären ist(vgl ferner die Entwurfsbegründung zu § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, BT-Drucks 12/5187 S 35 - Zu Art 6, Zu Nr 1, wonach "materielle Einwände gegen die Aufrechnung bzw Verrechnung … im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden" können). An den hierin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers sind die Gerichte gemäß Art 20 Abs 3 GG selbst dann gebunden, wenn sie eine solche Zuordnung aufgrund rechtssystematischer Erwägungen für unzutreffend oder aus praktischen Überlegungen heraus für unerwünscht halten sollten (vgl Wolff/Brink in Bader/Ronellenfitsch, Komm zum VwVfG, 2010, § 35 RdNr 28 f; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 13 - beide unter Hinweis auf BVerwGE 70, 77, 82; zur Respektierung der gesetzgeberischen Grundentscheidung s auch BVerfGE 128, 193, 210).

44

Im Übrigen hat der Gesetzgeber erst jüngst in § 42a Abs 2 S 2 bzw § 43 Abs 4 S 1 SGB II(mit Wirkung ab 1.4.2011 idF von Art 2 Nr 32 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) ausdrücklich angeordnet, dass Aufrechnungen im Sozialleistungsbereich des SGB II "durch Verwaltungsakt zu erklären" sind. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber damit für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine vom allgemeinen Sozialverwaltungsverfahrensrecht abweichende Sonderregelung hat treffen wollen, finden sich in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren an keiner Stelle (vgl BT-Drucks 17/3404 S 117 - zu § 43, zu Abs 3; BT-Drucks 17/3958 S 19 - zu Art 2 Nr 32 <§ 42a Abs 2 S 2 SGB II>; BT-Drucks 17/4095 S 35 - zu Buchst n, zu Doppelbuchst cc <§ 42a Abs 2 SGB II>).

45

(3) Einer über die Bestimmung des § 52 SGB I hinausgehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass eines Verwaltungsakts mit dem Inhalt der Verrechnung bedarf es nicht(s hierzu BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 16 ff).

46

bb) Die Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten waren iS des § 33 Abs 1 SGB X "inhaltlich hinreichend bestimmt".

47

Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss ( BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38; BSG vom 17.12.2009 - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN, stRspr).

48

Nach diesen Maßstäben sind die angefochtenen Verrechnungs-Bescheide inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn sie erklären die Verrechnung bestimmter, von der Beklagten dem Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer - nach Art und Umfang - bestimmten, weil betragsmäßig im Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 genau bezifferten (Gesamt-)Forderung der Beigeladenen aus rückständigen Beiträgen zuzüglich Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) iHv (insgesamt) 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro).

49

Aus den Verfügungssätzen der hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte konnte der Kläger ohne weiteres den jeweiligen (monatlichen) Verrechnungsbetrag und den ihm aufgrund der Verrechnung mit den Forderungen der Beigeladenen noch verbleibenden (monatlichen) Rentenauszahlungsbetrag entnehmen. Damit war für ihn klar ersichtlich, dass und in welchem Umfang seine Rentenzahlungsansprüche gegen die Beklagte und damit korrespondierend die gegen ihn bestehenden Forderungen der Beigeladenen durch die Verrechnung jeweils erloschen waren (entsprechend § 389 BGB).

50

Unschädlich ist insoweit, dass der - aufgehobene - (Ausgangs-)Bescheid vom 11.5.2001 und der - ebenfalls aufgehobene - Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 in der Höhe der zur Verrechnung gestellten (Gesamt-)Forderung insoweit differieren, als der Bescheid von einer "offene(n) Forderung in Höhe von derzeit 66.635,31 DM zuzüglich weiterer Kosten wie Zinsen, Säumniszuschläge usw." spricht, während nach dem Widerspruchsbescheid - entsprechend der in der Forderungshöhe aktualisierten Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen - die genannte Summe neben den Beiträgen auch die "Säumniszuschläge und sonstige Nebenforderungen" erfasst. Denn ausschlaggebend ist der (mit der Klage angefochtene) "ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 95 SGG).

51

Dass die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide die zur Verrechnung gestellte Forderung der Beigeladenen nicht mehr beziffern, steht ihrer hinreichenden Bestimmtheit iS des § 33 Abs 1 SGB X nicht entgegen, da sich deren Ausgangshöhe (für den Kläger klar erkennbar) aus dem Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 ergab und deshalb - auf Verlangen des Klägers jederzeit - auch "bestimmt" werden konnte, in welchem Umfang die Gesamtforderung der Beigeladenen iHv 66 635,31 DM durch die bis dahin erfolgte Verrechnung mit den Rentenzahlungsansprüchen des Klägers bereits erloschen war.

52

Für die hinreichende Bestimmtheit der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten ist nicht notwendig, dass sie die zur Verrechnung gestellte(n) Forderung(en) der Beigeladenen im Einzelnen - nach Umfang, Entstehungszeitpunkt, Bezugszeitraum oder Fälligkeit - aufschlüsseln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die bezifferte Gesamtsumme ohne Weiteres mit bestehenden, ihr Art nach benannten Einzelforderungen aufgefüllt werden kann. Insoweit ist ausreichend, dass die zur Verrechnung gestellten Forderungen des anderen Leistungsträgers bestimmbar sind. Denn eine Verrechnung kann - ebenso wie eine Aufrechnung - bei Bestehen mehrerer Forderungen (auch) erklärt werden, ohne (zunächst) im Einzelnen aufzeigen zu müssen, mit welcher (Einzel-)Forderung zuerst verrechnet werden soll (vgl BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 10 f; BFH vom 6.2.1990 - BFHE 160, 108, 112; BFH vom 4.2.1997 - BFHE 182, 276, 278; alle zur Aufrechnung).

53

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass dadurch die Rechtsverteidigung gegen Verrechnungs-Verwaltungsakte unzumutbar beeinträchtigt werde. Denn dem insoweit Beschwerten bleibt es unbenommen, im Vor- und Klageverfahren geltend zu machen, die zur Verrechnung gestellte (Gesamt-)Forderung des anderen Leistungsträgers bestehe nach Grund oder Höhe ganz oder teilweise nicht (bzw nicht mehr). Dann mag der verrechnende Leistungsträger darlegen und nachweisen, welche Forderungen ihm aufgrund der Ermächtigung des anderen Leistungsträgers zur Verrechnung zur Verfügung gestanden haben. Ist streitig, ob (und ggf welche) bzw in welchem Umfang Forderungen durch Verrechnung (bereits) erloschen sind, so ist die Konkretisierung (bzw Individualisierung) der Forderungen, mit denen die Verrechnung durch Verwaltungsakt erklärt wurde, unumgänglich. Denn nur auf diese Weise kann festgestellt werden, ob und inwieweit eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB)bestanden hat und wann bei mehreren Forderungen welche (ggf in entsprechender Anwendung des § 396 Abs 1 S 2 iVm § 366 Abs 2 BGB) durch Verrechnung - ganz oder teilweise - erloschen sind.

54

b) Vorliegend bestand ab 1.7.2002 objektiv eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB).

55

Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die (durch Einbehaltung mittels Verwaltungsakts) verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch des Klägers aus der Regelaltersrente gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (vgl BSG vom 5.9.2006 - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 26).

56

Diese Voraussetzungen lagen hier ab dem oben genannten Zeitpunkt vor. Die von der Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) erfassten und gegen den Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beiträge (und der Nebenforderungen) iHv insgesamt 66 635,31 DM waren entstanden und fällig; sie sind von der Beigeladenen gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakte bestandskräftig festgestellt worden (§ 77 SGG). Die Zahlungsansprüche des Klägers aus der ihm bindend mit Rentenbescheid vom 10.5.2002 zuerkannten Regelaltersrente waren am Ersten eines jeden Monats jeweils entstanden und erfüllbar (vgl § 272a Abs 1 SGB VI idF des 3. SGB VI-ÄndG vom 27.12.2003 ).

57

c) Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken (dazu unter aa). Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter bb).

58

aa) Die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen war nicht deshalb rechtswidrig, weil die monatlichen Rentenzahlungsansprüche ab 1.1.2002 durchgängig unter der gemäß § 850c Abs 1 S 1 ZPO iVm § 54 Abs 4 SGB I für den Kläger maßgeblichen Pfändungsfreigrenze von monatlich 930 Euro (ab 1.7.2005: 985,15 Euro) lagen. Denn mit den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber den Sozialleistungsträgern zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen die Möglichkeit eröffnet, ohne Bindung an die Pfändungsfreigrenzen der ZPO auch mit dem unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab 1.1.2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II aufzurechnen bzw zu verrechnen.

59

Die Regelungen in §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bezwecken eine Privilegierung der Sozialleistungsträger(vgl grundlegend BSG vom 19.1.1978 - BSGE 45, 271, 273 ff = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 4 ff; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 10 f; BSG vom 27.3.1996 - BSGE 78, 132, 135 f = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 17 f), wenn dem Versicherten bestimmte "systemerhaltende" Gegenansprüche (Beitragsansprüche, Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen) des zuständigen oder eines anderen Leistungsträgers entgegengehalten werden können. Die oben genannten Grenzen (höchstens bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung, kein Hervorrufen der Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG) hat die Beklagte bei der Verrechnung der laufenden Zahlungsansprüche des Klägers auf Regelaltersrente mit den Beitragsansprüchen der Beigeladenen im hier (noch) maßgeblichen Zeitraum nicht überschritten (s dazu näher unter f).

60

bb) Nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens stand der Verrechnung die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO nicht entgegen.

61

Zwar mag die Möglichkeit eines Rentenversicherungsträgers, Beitrags- und Erstattungsforderungen eines anderen Leistungsträgers mit dem unpfändbaren Teil des Rentenzahlungsanspruchs nach Maßgabe des § 51 Abs 2 SGB I verrechnen zu können, zu Friktionen mit der in § 18 Abs 2 S 3 GesO geregelten (begrenzten) Restschuldbefreiung führen, wonach eine "Vollstreckung" hinsichtlich der "Altschulden" grundsätzlich nur stattfindet, "soweit der Schuldner über ein angemessenes Einkommen hinaus zu neuem Vermögen gelangt" ist.

62

Das LSG hat aber zu Recht einen Vollstreckungsschutz des Klägers nach § 18 Abs 2 S 3 GesO verneint.

63

Dies folgt bereits daraus, dass diese Vorschrift schon nach ihrem Wortlaut Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der "Vollstreckung" bietet (LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 28; Brandenburgisches OLG vom 20.5.1998 - 13 U 35/97 - juris RdNr 15; OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 53). Auch nach Art 108 Abs 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (InsO) ist die "Vollstreckungsbeschränkung" des § 18 Abs 2 S 3 GesO nach dem 31.12.1998 nur bei einer "Zwangsvollstreckung" gegen einen Schuldner, über dessen Vermögen ein Gesamtvollstreckungsverfahren durchgeführt worden ist, zu beachten. Die Verrechnung ist aber - ebenso wie die Aufrechnung - keine Maßnahme der "Vollstreckung" iS der Vorschriften der ZPO oder anderer Verfahrensgesetze über die Zwangsvollstreckung (vgl BGH vom 26.5.1971 - NJW 1971, 1563; BVerwG vom 13.10.1971 - DÖV 1972, 573, 574; BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 9 f; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 22, 28; FG Düsseldorf vom 10.11.2004 - 18 K 321/04 AO - juris RdNr 21; Martini in juris PR-InsR 19/2009 vom 24.9.2009, Anm 1 unter C).

64

Zwar ist die Verrechnung - ebenso wie die Aufrechnung - ein der Zwangsvollstreckung ähnlicher, außergerichtlicher Zugriff auf die Gegenforderung, eine Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe (vgl BGH vom 26.5.1971, aaO; BGH vom 13.6.1995 - BGHZ 130, 76, 80 mwN). Mit der Vorschrift des § 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber jedoch - wie oben aufgezeigt - die Sozialleistungsträger bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Aufrechnung bzw Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, denen (bereits) durch die Unpfändbarkeit die Möglichkeit versperrt ist, ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Dass das (beschränkte) Restschuldbefreiungsverfahren des § 18 Abs 2 S 3 GesO darauf abzielt, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen (OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 105),steht der sich aus § 51 Abs 2 SGB I ergebenden Aufrechnungs- bzw Verrechnungsbefugnis nicht entgegen. Denn anderenfalls wäre den Sozialleistungsträgern im Falle einer Privatinsolvenz des Versicherten bzw Schuldners (sogar) nach Abschluss des Gesamtvollstreckungsverfahrens stets die Möglichkeit versperrt, den unpfändbaren Teil der Ansprüche auf laufende Rentenleistungen mit Beitrags- und Erstattungsforderungen aufrechnen bzw verrechnen zu können, obwohl diese unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegenden Rentenzahlungen zuvor nicht zur Gesamtvollstreckungsmasse (vgl § 1 Abs 1 S 2 GesO) gehörten und somit während des Gesamtvollstreckungsverfahrens grundsätzlich gemäß §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit aufgerechnet bzw verrechnet werden konnten. Dann aber würde es einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens in der Restschuldbefreiungsphase das Postulat einer - zuvor nicht bestehenden - Gläubigergleichbehandlung ein Verrechnungsverbot bedingen sollte (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 27.7.2009 - L 33 R 204/09 B ER, L 33 R L 33 R 207/09 B PKH - juris RdNr 26; SG Dortmund vom 21.2.2008 - S 26 R 320/06 - juris RdNr 41, beide zur Zulässigkeit der Verrechnung bzw Aufrechnung während der Restschuldbefreiungsphase nach der InsO). Auch wären die Grenzen zwischen einer Aufrechnung bzw Verrechnung mit Erstattungs- oder Beitragsforderungen nach § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) und einer solchen mit sonstigen Geldforderungen nach § 51 Abs 1 SGB I(iVm § 52 SGB I) verwischt und das damit verbundene Privileg des mit Beitrags- oder Erstattungsansprüchen aufrechnenden bzw verrechnenden Sozialleistungsträgers in der Privatinsolvenz (faktisch) aufgehoben.

65

d) Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht - ebenso wie die Aufrechnung - im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers; insoweit handelt es sich bei dem "Kann" in § 52 Halbs 1 und § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I um ein sog "Ermessens-Kann"(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 18; vgl bereits BSG vom 16.9.1981 - BSGE 52, 98, 102 = SozR 1200 § 51 Nr 11 S 27; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11; BSG vom 21.7.1988 - BSGE 64, 17, 23 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 39; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.6.2009 - L 17 R 48/09 - juris RdNr 52; LSG Baden-Württemberg vom 2.7.2009 - L 10 R 2467/08 - juris RdNr 19; ebenso Seewald in Kasseler Komm, SGB I, § 51 RdNr 13a, Stand Einzelkommentierung Oktober 2010; Pflüger in juris PK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 51 RdNr 64-67, Stand Einzelkommentierung Januar 2012 mwN - unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 51 SGB I in BT-Drucks 7/868, S 32: "Der Leistungsträger hat bei der Ausübung seines Ermessens, ob und in welchem Umfang er aufrechnet, auch den Zweck der einzelnen Sozialleistung zu berücksichtigen; …").

66

Mit der Einräumung "echten Ermessens" steht dem die Verrechnung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalls und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 S 1 SGB I). Damit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 S 2 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl § 54 Abs 2 S 2 SGG).

67

Die Anforderungen an eine Ermessensentscheidung sind für die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführte Verrechnung (noch) zu bejahen (dazu unter aa), nicht hingegen für die in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 getroffenen Verrechnungs-Entscheidungen (dazu unter bb). Die Beklagte durfte in diesen Bescheiden auch nicht ausnahmsweise auf eine Begründung verzichten (dazu unter cc).

68

aa) Nach der Begründung im Widerspruchsbescheid (vgl § 95 SGG) hat die Beklagte erkannt, dass ihr im Rahmen der nach § 52 SGB I zu treffenden Verrechnungs-Entscheidung Ermessen zusteht und sie nicht verpflichtet ist, den für die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen nach § 51 Abs 2 SGB I gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Fall auszuschöpfen(vgl in diesem Sinne bereits BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11). Zwar hat sie die Beitragsforderungen der Beigeladenen mit unpfändbaren Rentenzahlungsansprüchen des Klägers verrechnet; sie hat sich jedoch bei der Festsetzung der monatlichen Verrechnungsbeträge ausdrücklich an der besonderen - für den Kläger eigentlich nicht einschlägigen - Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG orientiert. Dem Kläger verblieb in dem hier maßgeblichen Verrechnungszeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 damit deutlich mehr als die zulässige Grenze der laufenden Sozialhilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (s hierzu unter f). Im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen hat die Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Begleichung der Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der im Wesentlichen beitragsfinanzierten Sozialversicherungssysteme nur insoweit den Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Altersrente gegeben. Eine über die ohnehin von Gesetzes wegen zu beachtende Sozialhilfebedürftigkeitsgrenze hinausgehende außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation hatte der Kläger nicht vorgetragen; sie ist auch nicht ersichtlich.

69

bb) Demgegenüber sind in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 keinerlei Ermessenserwägungen der Beklagten zu den dort von ihr geregelten Verrechnungen enthalten.

70

Die Ausführungen in den Bescheiden geben keine Hinweise darauf, dass die Beklagte überhaupt erkannt hat, dass es sich auch bei den dortigen (Folge-)Verrechnungen um Ermessensentscheidungen handelt; sie hat jedenfalls keine entsprechenden Begründungen (mehr) gegeben, obwohl sie zB im Bescheid vom 15.5.2003 den ab 1.7.2003 einbehaltenen Verrechnungsbetrag von zuvor monatlich 34,76 Euro auf monatlich 54,91 Euro und damit um 20,15 Euro (ca 58 %) erhöht sowie den Rentenauszahlungsbetrag von zuvor monatlich 820 Euro auf monatlich 810 Euro reduziert hat. Der pauschale Hinweis der Beklagten, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien, dieser Wert nicht dynamisiert werde und gegenwärtig 810 Euro betrage, reicht nicht aus. Entsprechendes gilt für die Hinweise zu den Verrechnungen in den Bescheiden vom 15.10.2004 und 9.6.2008 im Hinblick auf die Senkung des Beitragssatzes (zur Krankenversicherung) bzw die Rentenanpassung.

71

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 überhaupt kein Ermessen (mehr) ausgeübt hat oder ihr betätigtes Ermessen in diesen Bescheiden lediglich nicht begründet hat. Denn in beiden Fällen treten dieselben Rechtsfolgen der Anfechtung ein; die Bescheide sind im Hinblick auf die Ermessensausübung nicht hinreichend begründet iS des § 35 Abs 1 S 3 SGB X(vgl BSG vom 18.4.2000 - SozR 3-2700 § 76 Nr 2 S 5).

72

cc) Die Voraussetzungen des § 35 Abs 2 SGB X, bei deren Vorliegen ausnahmsweise auf eine (gesonderte) Begründung verzichtet werden kann, liegen hier nicht vor. Danach bedarf es keiner Begründung - außer in anderen, vorliegend von vornherein nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen -, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar war (Nr 2 aaO).

73

Dem Kläger mag zwar durch den Hinweis im Bescheid vom 11.5.2001 zur Verrechnung mit den Zahlungsansprüchen aus seiner Rente wegen EU bekannt gewesen sein, dass der mit der Rente zu verrechnende Betrag bei jeder Änderung der Rentenhöhe (zB durch Rentenanpassungen, Neufeststellungen) von der Beklagten "neu ermittelt" werde. Unabhängig davon, dass bezüglich der Erkennbarkeit (… "ohne weiteres erkennbar" …) iS des § 35 Abs 2 Nr 2 SGB X ein strenger Maßstab(vgl Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 35 RdNr 12; Waschull in LPK, SGB X, 3. Aufl 2011, § 35 RdNr 12) anzulegen ist, ergibt sich jedenfalls allein aus einer solchen pauschalen Mitteilung nicht, welche konkreten Umstände die Beklagte im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens dazu bewogen haben, gerade mit dem jeweils konkret einbehaltenen ("abgetrennten") Betrag zu verrechnen.

74

Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 lässt sich nicht entnehmen, dass - und ggf in welchem Umfang - die dortigen Ermessenserwägungen - etwa im Sinne einer "vorweggenommenen Ermessensausübung" - auf von ihm nicht erfasste Verrechnungszeiträume "fortwirken" sollen; umgekehrt nehmen die nachfolgenden Verrechnungs-Bescheide auch nicht auf die dortigen Ausführungen zum Ermessen (ergänzend) Bezug. Unabhängig davon haben sich diese Bescheide auch nicht innerhalb der Verrechnungs-Entscheidungen im Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (Verrechnung monatlich 34,76 Euro; Auszahlungsbetrag 820 Euro) gehalten, sondern sind zu Ungunsten des Klägers davon abgewichen.

75

e) Angesichts dessen kann offen bleiben, ob die Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 sämtlich oder zum Teil auch deshalb rechtswidrig waren, weil die Beklagte vor deren Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X).

76

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

77

aa) Trotz unterbliebener Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheids vom 10.5.2002 war jedenfalls dieser hinsichtlich der dort geregelten Verrechnung nicht rechtswidrig. Denn dieser Verfahrensfehler ist hier gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Der Kläger hat sich mit seinem Widerspruch zu den für die Verrechnungs-Entscheidung der Beklagten in diesem Bescheid maßgeblichen Tatsachen geäußert. Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 wird zudem deutlich, dass die Beklagte die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Verrechnung zur Kenntnis genommen und bei ihrer (ablehnenden) Entscheidung in Erwägung gezogen, wenn auch nicht für durchschlagend erachtet hat.

78

bb) Demgegenüber hat die Beklagte den Kläger hinsichtlich ihrer Verrechnungs-Entscheidungen in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 weder angehört noch dies mit heilender Wirkung nachgeholt. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob von einer Anhörung zur Verrechnung in Rentenanpassungsbescheiden dann abgesehen werden kann, wenn sich der monatliche Auszahlungsbetrag nicht vermindert. Denn bereits mit Bescheid vom 15.5.2003 wurde ein niedrigerer Betrag (810 Euro) festgesetzt als zuvor mit Bescheid vom 10.5.2002 (820 Euro).

79

f) Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 verfahrensfehlerfrei (s oben bei d aa und e aa) geregelte Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem ihm noch verbleibenden monatlichen Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig im Sinne der hier noch maßgeblichen Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (vgl hierzu BSG vom 15.12.1992 - SozR 3-1200 § 51 Nr 3 S 6).

80

Bei der Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit als Zulässigkeitsgrenze für die Verrechnung nach § 52 iVm § 51 Abs 2 SGB I mit Beitragsforderungen der Beigeladenen ist zunächst festzustellen, welcher Bedarf dem Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum (1.7.2002 bis zum 30.6.2003) gemäß der Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des BSHG zusteht.

81

Der Umfang der Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt war in den §§ 11 ff BSHG geregelt. Nach § 22 Abs 2 BSHG iVm § 2 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) stand dem im Freistaat Sachsen lebenden Kläger(nach der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Anhebung der Regelsätze und der Grundbeträge nach dem BSHG sowie zur Höhe der Blindenhilfe vom 31.5.2002, Sächsisches Amtsblatt 2002, 707) ab 1.7.2002 als Haushaltsvorstand ein monatlicher Regelsatz iHv 279 Euro zu. Zudem hatte der Kläger wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und des Merkzeichens "G" gemäß § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG Anspruch auf einen Mehrbedarf iHv monatlich 55,80 Euro. Zum notwendigen Lebensunterhalt zählen ferner die laufenden Kosten für die Unterkunft (vgl § 12 Abs 1 BSHG, § 3 Regelsatzverordnung). Diese betrugen nach den Feststellungen des LSG für die Mietwohnung des Klägers und seiner Ehefrau im hier maßgeblichen Zeitraum ab 1.10.2002 monatlich 263,77 Euro (zuvor monatlich 257,22 Euro). Für die mit dem Kläger zusammenlebende Ehefrau war als Haushaltsangehörige nach § 2 Abs 3 Nr 4 der Regelsatzverordnung iVm der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 31.5.2002 (aaO) im Freistaat Sachsen ab 1.7.2002 ein monatlicher Bedarf iHv 223,00 Euro anzusetzen.

82

Dem danach berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro ist gemäß § 11 Abs 1 S 2 Halbs 1 BSHG das monatliche Einkommen und das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau gegenüberzustellen. Nach § 76 Abs 1 BSHG gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem BSHG, der Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und der Rente oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden am Leben sowie an Körper und Gesundheit gewährt werden. Der Kläger verfügte im hier maßgeblichen Zeitraum über eine monatliche Nettoaltersrente iHv 820 Euro. Die Ehefrau des Klägers erhielt nach den Feststellungen des LSG eine Rente wegen EU iHv monatlich 646,83 Euro (= 1 265,08 DM). Danach verfügten der Kläger und seine Ehefrau über ein Monatseinkommen iHv 1 466,83 Euro. Dieser Betrag überstieg den berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro deutlich, und zwar um 645,26 Euro.

83

Anhaltspunkte für einen konkret zu beziffernden weiteren Bedarf des Klägers oder seiner Ehefrau nach §§ 11 ff BSHG oder vom vorgenannten anzurechnenden Einkommen gemäß § 76 Abs 2 BSHG abzugsfähige Belastungen (oder für anrechenbares Vermögen des Klägers oder seiner Ehefrau) ergeben sich für den Senat aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht; da gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vom Kläger vorgebracht worden sind, sind sie für den Senat bindend (§ 163 SGG).

84

Damit erweist sich der Verrechnungs-Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (§ 95 SGG) auch insoweit als rechtmäßig.

85

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte sein Recht verwirkt hat, die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers aufzuheben.

2

Beim Kläger wurde im Juni 1992 ein bösartiges Geschwür des rechten Hoden diagnostiziert, der ebenso wie die dazugehörigen Lymphknoten entfernt werden musste. Wegen dieser Krebserkrankung stellte das Versorgungsamt U. auf Antrag des Klägers dessen Grad der Behinderung (GdB) mit 50 seit dem 1.6.1992 fest (Bescheid vom 20.1.1993) und stellte dem Kläger einen bis zum 30.6.1997 befristen Schwerbehindertenausweis aus. Zugrunde lag eine versorgungsärztliche Stellungnahme die ua vermerkt hatte, im Juni 1997 sei eine Nachprüfung erforderlich.

3

Ein im Dezember 1994 wegen einer Knochenzyste gestellter Neufeststellungsantrag des Klägers blieb erfolglos (Bescheid vom 17.1.1995). Auch die in diesem Zusammenhang erstellte versorgungsärztliche Stellungnahme erinnerte daran, der GdB von 50 müsse im Juni 1997 wegen einer möglichen Heilungsbewährung überprüft werden. Trotzdem unterblieb die Nachprüfung. Stattdessen wurde der Schwerbehindertenausweis des Klägers jeweils am 18.6.1997 und am 3.7.2002 befristet und am 28.6.2007 unbefristet verlängert. Auf dem Formular der letzten internen Ausweisverfügung des Beklagten war "Nachprüfung nicht erforderlich" angekreuzt.

4

Am 21.12.2011 leitete das Landratsamt O. von Amts wegen eine Nachprüfung ein, hörte den Kläger dazu an und hob den Bescheid vom 20.1.1993 nach § 48 SGB X auf. Nach Heilungsbewährung liege seit dem 3.6.2012 kein GdB von mindestens 20 mehr vor (Bescheid vom 31.5.2012 idF des Widerspruchsbescheids vom 7.8.2012). Das SG hat medizinisch ermittelt und auf dieser Grundlage den Aufhebungsbescheid des Beklagten (Land Baden-Württemberg) seinerseits aufgehoben. Zwar sei der GdB an sich nur noch mit weniger als 20 zu bemessen, weil der Zeitraum der Heilungsbewährung abgelaufen und keine nennenswerten Gesundheitsstörungen hinzugetreten seien. Der Beklagte habe aber sein Aufhebungsrecht verwirkt und sei daher an die ursprüngliche höhere Feststellung gebunden (Urteil vom 28.2.2014).

5

Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Klage gegen den Aufhebungsbescheid abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 1 SGB X lägen wegen der erfolgreichen Heilungsbewährung vor. § 48 Abs 4 S 1 SGB X iVm § 45 Abs 3 S 3 SGB X stehe der Aufhebung nicht entgegen, sondern schließe nach Ablauf von zehn Jahren lediglich eine rückwirkende Aufhebung aus. Der Senat folge insoweit der vom BSG (Urteil vom 11.12.1992 - 9a RV 20/90) vertretenen Auffassung. Für sie spreche auch die inzwischen erfolgte Erweiterung des § 45 Abs 3 SGB X. Verwirkt habe der Beklagte das Aufhebungsrecht nicht; es fehle jedenfalls an der erforderlichen Vertrauensbetätigung des Klägers (Urteil vom 30.1.2015).

6

Mit seiner Revision macht der Kläger weiterhin geltend, der Beklagte habe sein Aufhebungsrecht verwirkt. Dieser habe in den Jahren 2002 und 2007 zweimal seine Schwerbehinderteneigenschaft bestätigt und danach den Schwerbehindertenausweis unbefristet verlängert. Er habe daher nicht mehr von einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ausgehen können, sondern auf das Fortbestehen seiner Eigenschaft als Schwerbehinderter vertrauen können. Sein Vertrauen verdiene Schutz, weil die Schwerbehinderteneigenschaft seinen Kündigungsschutz verstärkt, ihm einen steuerlichen Vorteil sowie die Option einer früheren Rente verschafft habe. Fehler habe allein der Beklagte begangen.

7

Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30. Januar 2015 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Ulm vom 28. Februar 2014 zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er beruft sich auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§170 Abs 1 S 1 SGG), weil die vom Kläger nach § 54 Abs 1 Alt 1 SGG zulässig erhobene isolierte Anfechtungsklage gegen die Aufhebung seiner Schwerbehinderteneigenschaft unbegründet ist. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 31.5.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.8.2012 war rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte durfte seinen Aufhebungsbescheid auf § 48 SGB X stützen(1.); seine Aufhebungsbefugnis ist nicht verwirkt (2.).

11

1. Der Beklagte hat den Ausgangsbescheid vom 20.1.1993 zu Recht gemäß § 48 Abs 1 S 1 SGB X aufgehoben. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

12

Die erforderlichen formellen Voraussetzungen der Aufhebung hat der Beklagte erfüllt, indem er den Kläger vorab ordnungsgemäß schriftlich angehört und seinen Bescheid ausreichend begründet hat, § 24 Abs 1 und § 35 Abs 1 SGB X.

13

Auch die materiellen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 48 Abs 1 S 1 SGB X lagen im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids als letzter maßgeblicher Verwaltungsentscheidung(vgl Zeihe, SGG, Stand April 2015, § 54 RdNr 2d; BSG Urteil vom 27.10.1976 - 2 RU 127/74 - SozR 2200 § 690 Nr 4 = BSGE 43, 1-9 = SozR 1500 § 131 Nr 4) vor. Bei der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Bescheid vom 20.1.1993 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung iS von § 48 SGB X(vgl BSG Urteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 - BSGE 79, 223, 225 = SozR 3-1300 § 48 Nr 57 S 128 f mwN). Seine tatsächlichen Grundlagen hatten sich durch den erfolgreichen Ablauf der Periode der Heilungsbewährung beim Kläger im Sinne dieser Vorschrift entscheidungserheblich geändert.

14

Gemäß Nr 26.1 Abs 3 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) bzw jetzt Teil B Nr 1 c der Anlage "Versorgungsmedizinische-Grundsätze" zur Versorgungsmedizin-Verordnung (Anl VersMedV) ist nach Behandlung bestimmter Krankheiten, die zu Rezidiven neigen, insbesondere bei bösartigen Geschwulsterkrankungen, eine Heilungsbewährung abzuwarten. Der Zeitraum der Heilungsbewährung beträgt in der Regel fünf Jahre, und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann. Die hinsichtlich der häufigsten und wichtigsten solcher Krankheiten angegebenen GdB/MdE/GdS-Anhaltswerte sind auf den "Zustand nach operativer oder anderweitiger Beseitigung der Geschwulst bezogen". Sie beziehen den "regelhaft verbleibenden Organ- oder Gliedmaßenschaden ein". Außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung - zB langdauernde schwere Auswirkungen einer wiederholten Chemotherapie - sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 4/10 R - Juris RdNr 22). Wegen dieser Pflicht der Versorgungsbehörden, trotz der grundsätzlich vorgesehenen Pauschalierung besonders gelagerten Einzelfallkonstellationen zu Gunsten der Betroffenen Rechnung zu tragen (vgl BSG Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 4/10 R - Juris; BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10), begegnen die Regeln über die Heilungsbewährung keinen grundsätzlichen gleichheitsrechtlichen Bedenken. Sie lassen den Versorgungsbehörden ausreichend Spielraum dafür, in jedem Einzelfall den Gleichheitsgrundsatz ausreichend zur Geltung zu bringen. Verfassungsrechtliche Erwägungen zwingen daher nicht dazu, das Modell der Heilungsbewährung zu überarbeiten.

15

Bestehen - wie beim Kläger - keine solchen außergewöhnlichen Folgen oder Begleiterscheinungen der Krebserkrankung, so legt die VersMedV die Höhe des GdB pauschal fest. Erst für die Zeit danach ist der GdB nach den konkreten Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bemessen (vgl dazu Teil A Nr 2 Anl VersMedV und BSG Beschluss vom 9.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - Juris RdNr 7). Beruht daher die Höhe des GdB auf einer Erkrankung, für welche die einschlägigen Normen einen erhöhten GdB-Wert während des Zeitraums der Heilungsbewährung ansetzen, ändert das Verstreichen dieses Zeitraums die wesentlichen, dh rechtserheblichen tatsächlichen Verhältnisse, die der Feststellung des GdB zugrunde lagen (vgl BSG Urteil vom 12.2.1997 - 9 RVs 12/95 - Juris RdNr 14 mwN).

16

So lag der Fall des Klägers. Der Beklagte hatte bei ihm wegen seiner durchlittenen Krebserkrankung (Hodentumor) nach Teil A Nr 26.13 AHP 1983 (vgl jetzt Teil B Nr 13.6., Teil B Nr 3.7 Anl VersMedV ) für die Zeit einer Heilungsbewährung von fünf Jahren einen pauschalen GdB von 50 angesetzt. Bereits 1997 war diese Zeitspanne abgelaufen. Die nunmehr anstelle pauschaler Bemessung zugrunde zu legenden tatsächlichen Umstände rechtfertigten beim Kläger nach den für den Senat bindenden Feststellungen der Instanzgerichte einen GdB-Wert von nur noch unter 20.

17

Die von § 48 Abs 4 S 1 SGB X angeordnete "entsprechende" Anwendung des § 45 Abs 3 S 3 SGB X steht einer Aufhebung der GdB-Feststellung wegen dieser Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht entgegen. Nach § 45 Abs 3 S 3 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch bei vorwerfbarem Verhalten des Begünstigten nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Das LSG hat unter Verweis auf die Rechtsprechung des Senats (BSG Urteil vom 11.12.1992 - 9a RV 20/90 - SozR 3-1300 § 48 Nr 22 = BSGE 72, 1-7 = SozR 3-3100 § 61 Nr 1) zutreffend angenommen und im Einzelnen ausgeführt, dass die entsprechende Anwendung der Zehnjahresfrist nach Systematik sowie Sinn und Zweck nicht dazu dient, einer wesentlichen Änderung nach zehn Jahren jegliche Bedeutung abzusprechen. Vielmehr verbietet sie es lediglich nach Ablauf dieser Zeit, den Leistungsbescheid rückwirkend zu ändern und damit in abgeschlossene Lebensvorgänge einzugreifen. Andererseits besteht kein überzeugender Grund, die Aufhebung des Ausgangsbescheids für die Zukunft davon abhängig zu machen, wann die Änderung eingetreten ist. Unterbliebenen Verwaltungsakten, insbesondere dem Nichterlass eines Aufhebungsbescheides, kann - anders als den von § 45 SGB X geregelten, von Anfang an unrichtigen Bescheiden - keine Bestandskraft zukommen. Im Fall der Änderung der Verhältnisse fehlt es vielmehr hinsichtlich der neuen, nunmehr maßgebenden Sach- und Rechtslage an einer Verwaltungsentscheidung, die dem Betroffenen Anlass geben könnte, sich auf die Unerheblichkeit der eingetretenen Änderung zu verlassen. Sein Interesse wird dadurch nicht unzumutbar vernachlässigt. Bis der Aufhebungsbescheid wirksam wird, verbleibt ihm die Dauerleistung, die der Gesetzgeber ihm nach der materiellen Rechtslage nicht zugedacht hatte (BSG aaO).

18

Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, dieses vom Senat 1992 gefundene Ergebnis infrage zu stellen. Die vom LSG thematisierte Gesetzesänderung im Jahre 1998 (Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 6.4.1998 - BGBl I 1998, 688) hat die entscheidungserhebliche Vorschrift des § 45 Abs 3 S 3 SGB X unberührt gelassen und ihr lediglich zwei weitere, hier nicht einschlägige Sätze angefügt. Seitdem kann nach § 45 Abs 3 S 4 SGB X in den Fällen des § 45 Abs 3 S 3 SGB X - also bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Rechtswidrigkeit bzw im Falle eines Widerrufsvorbehalts - ein rechtswidriger Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung selbst noch nach Ablauf der Zehnjahresfrist zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Zehnjahresfrist am 15.4.1998 bereits abgelaufen, ist die Aufhebung nach Satz 4 der Vorschrift nur noch für die Zukunft möglich. Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber die Rücknahme von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung auch für die Vergangenheit insbesondere in Fällen ermöglichen, in denen sich der Leistungsempfänger der Unrechtmäßigkeit der Zahlung bewusst war. Die Regelung sollte ausdrücklich auf laufende Geldleistungen beschränkt sein (BT-Drucks 13/10033 S 20). Aus dieser Ausweitung der Rücknahmemöglichkeiten ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine Absicht des Gesetzgebers, die dem Gesetzgeber bekannte Rechtsprechung des BSG und ihre Auslegung des Verweises von § 48 Abs 4 S 1 SGB X auf § 45 Abs 3 S 3 SGB X zu beseitigen und damit in bestimmten Konstellationen die Befugnisse der Behörden umgekehrt wieder einzuschränken.

19

Auch die Rechtsprechung der Landessozialgerichte (LSG für das Land Brandenburg Urteil vom 23.10.2003 - L 2 RJ 110/02 - Juris RdNr 38; LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 1.4.2003 - L 3 U 66/01 - Juris RdNr 44 entgegen und unter Aufhebung von SG Mainz Urteil vom 30.1.2001 - S 6 U 217/98 - Juris; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil vom 7.11.2001 - L 10 SB 50/01 - Juris; LSG Hamburg Urteil vom 1.9.1999 - L 3 U 50/98 - Juris) sowie die vom LSG zitierte Literatur folgen der Senatsrechtsprechung inzwischen nahezu einhellig (aA Gagel, SGb 1990, S 252, 255).

20

Der Aufhebung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte nach Ablauf der Heilungsbewährung noch erhebliche Zeit - mehr als ein Jahrzehnt - hat verstreichen lassen, bevor er daraus die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen und das Überprüfungsverfahren eingeleitet hat. Denn § 48 Abs 1 S 1 SGB X verpflichtete den Beklagten auch noch lange Zeit nach Änderung der wesentlichen Verhältnisse zur Aufhebung des begünstigenden Bescheides. Im Gegensatz zu § 48 Abs 1 S 2 SGB X bei atypischen Fällen ("soll") eröffnet § 48 Abs 1 S 1 SGB X nach seinem eindeutigen Wortlaut dem zuständigen Verwaltungsträger bei der Entscheidung über die Aufhebung des Verwaltungsakts für die Zukunft kein Ermessen ("ist"). Sind daher die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 1 SGB X erfüllt, so ist der Verwaltungsakt zwingend mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben(BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 6 KA 15/13 R - SozR 4-1300 § 47 Nr 1 RdNr 32; Brandenburg in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 RdNr 113 mwN). Die Vorschrift räumt damit der Gesetzesbindung der Verwaltung Vorrang vor individuellem Vertrauensschutz ein. Gesichtspunkte wie zögerliches Handeln der Behörde oder Gutgläubigkeit des Empfängers spielen daher für die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung keine Rolle. Mit § 46 Abs 1 S 1 SGB X aF, der dem heutigen § 48 Abs 1 S 1 SGB X entspricht, wollte der Gesetzgeber - im Gegensatz zu der im allgemeinen Verwaltungsrecht geltenden Ermessensvorschrift des § 49 Abs 2 Verwaltungsverfahrensgesetz - im leistungsrechtlich geprägten Sozialrecht bewusst eine Pflicht schaffen, den Verwaltungsakt für die Zukunft aufzuheben, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen(BT-Drucks 8/2034 S 35).

21

2. Der Beklagte hat seine Befugnis zur Korrektur der rechtswidrig gewordenen Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nicht verwirkt.

22

Das richterrechtliche Institut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Sozialversicherungsrecht ebenso wie im allgemeinen Verwaltungsrecht und im Zivilrecht anerkannt (vgl BSGE 7, 199, 200; 34, 211, 213; 41, 275, 278; 59, 87, 94 = SozR 2200 § 245 Nr 4 S 22 f; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 17 f). Eine solche Verwirkung setzt allgemein voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat, wie es der Beklagte über deutlich mehr als ein Jahrzehnt getan hat. Zum Zeitablauf müssen jedoch weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des einschlägigen Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl BVerfGE 32, 305; BVerwGE 44, 339, 343; BFHE 129, 201, 202; BSGE 34, 211, 214; 35, 91, 95 mwN). Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete - erstens - infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dieser werde das Recht nicht mehr geltend machen (Vertrauensgrundlage), - zweitens - der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, das Recht werde nicht mehr ausgeübt (Vertrauenstatbestand), und - drittens - er sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15 mwN; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 18; BVerwGE 44, 339, 343 f).

23

Allerdings enthalten die §§ 45 ff SGB X in ihrem Anwendungsbereich eine spezielle und abschließend gedachte Regelung des Vertrauensschutzes bei der Aufhebung von Verwaltungsakten. Der Gesetzgeber hat damit ein abgestuftes Vertrauensschutzkonzept geschaffen, mit dem er ua zwischen rückwirkender und allein zukunftsgerichteter Aufhebung unterscheidet sowie enge Handlungsfristen für die Aufhebung vorsieht, vgl § 45 Abs 4 SGB X. Diese passgenaue gesetzliche Interessenabwägung können die Sozialgerichte nicht pauschal durch allgemeine, aus der Generalklausel von Treu und Glauben abgeleitete Vertrauensschutzerwägungen ersetzen. Zumindest im Fall der gebundenen Aufhebung einer Statusentscheidung im Schwerbehindertenrecht wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse muss die Annahme einer Verwirkung daher auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben, in denen eine wortgetreue Anwendung der gesetzlichen Vorschriften dazu führen würde, insbesondere grundrechtlich geschützte Positionen zu verletzen (allg vgl Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S 23 ff; vgl BVerwG Urteil vom 20.12.1999 - 7 C 42/98 - BVerwGE 110, 226 ff). Da die Verwirkungsvoraussetzungen hier deshalb eng auszulegen sind, hat der Beklagte sein Aufhebungsrecht trotz seiner langen Untätigkeit nicht verwirkt. Dafür fehlt es schon an einer ausreichenden Verwirkungshandlung des Beklagten und damit auch an der erforderlichen Vertrauensgrundlage (a) sowie unabhängig davon an einem schützenswerten Vertrauensverhalten des Klägers (b).

24

a) Die lange Säumnis des Beklagten bei der erforderlichen Überprüfung des Gesundheitszustands des Klägers stellt - selbst in Verbindung mit der Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises - keine ausreichende Verwirkungshandlung dar.

25

Wie der Senat speziell für den Fall der Aufhebung einer Feststellung der Schwerbehinderung nach erfolgreicher Heilungsbewährung bereits entschieden hat, können Sozialbehörden aus einer Änderung der Verhältnisse für die Zukunft jedenfalls grundsätzlich zeitlich unbeschränkt Gestaltungsrechte ableiten (BSG Urteil vom 12.2.1997 - 9 RVs 12/95 - Juris RdNr 16). Dies fordert maßgeblich der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung, der die Wiederherstellung gesetzmäßiger Zustände und die Gleichbehandlung aller Antragsteller gebietet. Verwirken kann die zuständige Behörde ihr Recht, eine rechtswidrig gewordene Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft aufzuheben, allenfalls dann, wenn sie erkennbar auf das Verstreichen einer Phase der Heilungsbewährung Bezug nimmt und darauf hinweist, daraus auch in Zukunft keine Folgerungen mehr ziehen zu wollen (Verwirkungsverhalten, vgl BSG aaO). Bereits eine solche eindeutige Verwirkungshandlung des Beklagten hat das LSG indes nicht festgestellt. Sie liegt insbesondere nicht in der Verfügung vom 28.6.2007 über die unbefristete Verlängerung des Schwerbehindertenausweises mit dem fälschlicherweise angekreuzten Formularvermerk, eine Nachprüfung sei nicht erforderlich. Denn diese Verfügung ist nur ein behördeninterner Vorgang ohne Außenwirkung.

26

Die Umsetzung dieser Verfügung nach außen durch Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises an den Kläger stellt ebenfalls keine ausreichende Verwirkungshandlung des Beklagten dar; sie hat deshalb keine geeignete Vertrauensgrundlage für den Kläger geschaffen. Denn ein solcher Ausweis hat keine konstitutive Bedeutung für die darin verlautbarten Feststellungen (Oppermann in Hauck/Noftz, SGB IX, Stand 8/2014, K § 69 RdNr 38; Goebel in jurisPK-SGB IX, 2. Aufl 2015, § 69 RdNr 25: "deklaratorische Bedeutung"). Vielmehr weist er gemäß § 69 Abs 5 S 2 SGB IX lediglich als öffentliche Urkunde die gesondert im Ausgangsbescheid getroffene Feststellung der Schwerbehinderung gegenüber Dritten nach(vgl BSG Urteil vom 26.2.1986 - 9a RVs 4/83 - SozR 3870 § 3 Nr 21 = BSGE 60, 11-18; BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 56/10 R - Juris RdNr 25 mwN; Goebel aaO RdNr 65). Demgegenüber nahm der dem Kläger ausgestellte Ausweis weder auf das Verstreichen der Heilungsbewährung Bezug, noch wies er darauf hin, daraus auch in Zukunft keine Folgerungen ziehen zu wollen. Zwar darf nach § 6 Abs 2 S 2 Schwerbehindertenausweisverordnung der Ausweis entgegen der Sollvorschrift des § 69 Abs 5 S 3 SGB IX, die regelmäßig nur eine befristete Ausstellung vorsieht, an sich nur dann unbefristet ausgestellt werden, wenn eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen nicht zu erwarten ist. Insofern hat sich der Beklagte aber offenbar lediglich geirrt. Schützenswertes Vertrauen konnte der Kläger auf die Kundgabe dieses Irrtums nicht gründen, mag er sich auch in laienhafter Anschauung darauf verlassen haben, sich trotz der ihm bekannten Besserung seines Gesundheitszustands keiner Nachprüfung mehr stellen zu müssen. Denn nach § 69 Abs 5 S 4 SGB IX wird der Schwerbehindertenausweis eingezogen, sobald der gesetzliche Schutz schwerbehinderter Menschen erloschen ist. Die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises stand ebenso wie die zugrunde liegende Feststellung der Schwerbehinderung des Klägers von Anfang an unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bei Änderung der Verhältnisse. Dies gilt ohnehin für jede gesundheitliche Einschränkung, soweit sie einer Besserung zugänglich ist und erst recht für die Feststellung der Schwerbehinderung nach Ablauf der Zeitspanne der Heilungsbewährung.

27

b) Zudem hat der Kläger sein subjektiv möglicherweise gefasstes, aber objektiv nicht gerechtfertigtes Vertrauen nicht schützenswert betätigt (Vertrauensverhalten). Auch dies hat das LSG für den Senat bindend festgestellt. Die dem Kläger in der Vergangenheit gewährten Steuer- bzw Statusvorteile verbleiben ihm. Für die Zukunft hat der Kläger keine Vertrauensdispositionen getroffen, die er nicht mehr oder nur noch unter unzumutbaren Anstrengungen und Kosten rückgängig machen könnte. Die Aufhebung der rechtswidrig gewordenen Statusentscheidung berührt insbesondere keine grundrechtlich geschützten Positionen des Klägers.

28

Insgesamt erschließt sich nicht, warum die Aufhebung der Schwerbehinderteneigenschaft den Kläger für die Zukunft unzumutbar belasten sollte, obwohl sein gesundheitlicher Zustand diese Feststellung schon seit langem in keiner Weise mehr rechtfertigt und er gleichwohl während der langen Untätigkeit des Beklagten von den an den Schwerbehindertenstatus geknüpften Vorteilen und Erleichterungen profitiert hat.

29

Das LSG hat daher das stattgebende Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Anfechtungsklage des Klägers gegen die Aufhebung der Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft abgewiesen.

30

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Die Behörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Die Behörde ist berechtigt, die Vorlage des Dokumentes zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 5. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2008 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2005 sowie vom 1. Februar bis 30. April 2006 wendet.

Im Übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Landessozialgerichts vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeit-raum von Juni 2005 bis November 2006 aufgehoben und die Erstattung von insgesamt 11 771,66 Euro gefordert hat.

2

Die im Juli 1950 geborene Klägerin war im streitigen Zeitraum alleinstehend und bezog von der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden nur noch Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte gewährte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 8.4.2005) und änderte in der Folge diese Bewilligung für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 bewilligte der Beklagte wiederum Leistungen in wechselnder Höhe (Bescheid vom 11.10.2005) und änderte diese für die Zeit vom 1.2. bis 30.4.2006 (Bescheid vom 13.12.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.5.2006 bis 31.10.2006 bewilligte er Leistungen mit Bescheid vom 18.4.2006 und schließlich für die Zeit vom 1.11.2006 bis 30.4.2007 mit Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006.

3

Der Beklagte erhielt in der Folge Kenntnis davon, dass der Klägerin im Jahr 2005 mehrere kleinere Geldbeträge sowie am 14.12.2005 ein Betrag von 9693,48 Euro aus einer Erbschaft zugeflossen seien. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 hob der Beklagte "die Entscheidungen" vom "8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 11.10.2006" über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 1.6.2005 bis 31.7.2005 und vom 1.10.2005 bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9.2005 bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 vollständig auf. Es folgte die Bezifferung der Aufhebungsbeträge getrennt nach Regelleistung, Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung sowie für Leistungen für Unterkunft und Heizung, insgesamt ergab sich eine Gesamterstattungsforderung in Höhe von 11 771,66 Euro.

4

Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2008 zurückgewiesen. Der Klägerin seien im Jahr 2005 insgesamt 10 793,48 Euro aus einer Erbschaft im Zeitraum von Juni 2005 bis Dezember 2005 zugeflossen. Es ergebe sich, ausgehend von der Aufschlüsselung im Einzelnen, ein monatlich anzurechnender Betrag von 869,46 Euro. Unter Berücksichtigung der im streitbefangenen Zeitraum ausgezahlten Leistungen und der abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung folge daraus ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 11 771,66 Euro. Nicht berücksichtigt werden könnten die Darlehensverpflichtungen der Klägerin. Der Widerspruchsbescheid enthielt darüber hinaus eine Übersicht, von welchen zugeflossenen Beträgen der Beklagte im streitigen Zeitraum jeweils monatlich ausgegangen ist sowie ferner eine nach Monaten differenzierte Übersicht, wie sich der Rückforderungsbetrag nach Auffassung des Beklagten errechnet (insoweit aber ohne Aufschlüsselung nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft).

5

Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat auf die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 23.6.2010 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2008 aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Erbschaft vorliegend um Einkommen oder Vermögen gehandelt habe; ebenso könne offenbleiben, ob der Beklagte die Jahresfrist des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingehalten habe, denn der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008 sei bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil er den Anforderungen des § 33 SGB X an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten nicht genüge. Es müsse die Kennzeichnung des Regelungsgegenstands nach dem bewilligten Betrag, den begünstigten Personen und dem Bewilligungszeitraum erfolgen. Zudem müsse die Aufhebung erkennbar machen, ob sie alle von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid und seinen Änderungen geregelten Bezugsmonate betreffe oder sich auf einzelne Teilzeiträume beschränke, die dann zu benennen seien. Entsprechendes gelte hinsichtlich einer betragsmäßig vollständigen oder lediglich anteiligen Rücknahme. Vorliegend ergebe sich die mangelnde Bestimmtheit schon deshalb, weil gleich drei aufzuhebende Bescheide nicht benannt worden seien.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen seien hinreichend bestimmt. Durch die ausdrückliche Benennung des Aufhebungszeitraums und unter Heranziehung der Begründung sowie ggf vorhandener Anlagen und früher ergangener Bescheide sei der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts jedenfalls einer widerspruchsfreien Auslegung zugänglich. Zudem seien die Aufhebungszeiträume dahingehend konkretisiert worden, ob eine teilweise oder eine vollständige Aufhebung der Bewilligung erfolgt sei. Die Regelung habe nur dahingehend verstanden werden können, dass im Hinblick auf die benannten Zeiträume die Leistungen unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidungen in ihrer jeweils gültigen Fassung aufgehoben werden sollten. Die Benennung der fehlenden Änderungsbescheide sei schriftsätzlich im Klageverfahren nachgeholt worden. Im Übrigen genüge die angegriffene Entscheidung auch im Hinblick auf die Aufhebungssumme den Bestimmtheitsanforderungen, da jedenfalls im Widerspruchsbescheid eine ausführliche und detaillierte Darstellung der monatlichen Einzelbeträge erfolgt sei.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend und führt ergänzend aus, bei fehlender Aufhebung von Bescheiden komme auch keine Erstattung in Betracht.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten (§ 160 Abs 1, § 164 Sozialgerichtsgesetz) ist nur teilweise im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 sowie vom 1.2. bis 30.4.2006 war die Revision dagegen zurückzuweisen, denn insoweit fehlte es an der Aufhebung der auf diese Zeiträume entfallenden Leistungsbescheide (Änderungsbescheide), sodass das LSG insoweit die Berufung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008. Gegen die in diesem Bescheid enthaltenen Verfügungen, die zuvor ergangenen Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 über Leistungen nach dem SGB II vom 1.6. bis 31.7.2005 und vom 1.10. bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9. bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 ganz aufzuheben, und für den Gesamtzeitraum vom 1.6.2005 bis 30.11.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 7286,56 Euro (Regelleistung 5557,51 Euro, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 1729,05 Euro) und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 4485,10 Euro, also insgesamt 11 771,66 Euro zurückzufordern, wendet sich die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).

12

2. Es kann vorliegend über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der vorangegangenen Verwaltungsakte nicht abschließend entschieden werden, weil das LSG im Hinblick auf die von ihm angenommene fehlende Bestimmtheit dieser angefochtenen Verwaltungsakte die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligungsbescheide nicht weiter geprüft hat.

13

a) Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid insoweit auf § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gestützt. Ob er die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 durchgehend auf § 48 SGB X stützen konnte, kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das LSG nicht entschieden werden. Eine Anwendung des § 48 SGB X kommt in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist. § 45 SGB X, der weitergehenden Vertrauensschutz bietet(vgl § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X), findet dagegen Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deshalb geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich folglich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R).

14

Das LSG hat es bereits offen gelassen, ob es sich bei "der Erbschaft", die nach der Aufstellung im Widerspruchsbescheid in mehreren Etappen zugeflossen ist, um zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gehandelt hat; der für die Abgrenzung maßgebliche Zeitpunkt des jeweiligen Einkommenszuflusses (bzw Vermögenserwerbs) ist nicht geprüft worden. Schließlich fehlen auch Feststellungen zur Höhe ggf zu berücksichtigenden Einkommens. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, ob sämtliche Leistungsbewilligungen gemäß § 48 SGB X aufgehoben werden konnten, oder - wofür hier viel spricht - nicht jedenfalls die Bescheide betreffend die Leistungszeiträume ab dem Jahr 2006 nach dem Zufluss des Betrags von 9693,48 Euro im Dezember 2005 bereits anfänglich rechtswidrig waren und eine Aufhebung deshalb nur unter den Voraussetzungen von § 45 SGB X hätte erfolgen dürfen. Erst im Anschluss an diese Prüfung können abschließende Aussagen zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung getroffen werden. Allein der Umstand, dass der Beklagte seine Aufhebungsentscheidung vorliegend ausschließlich auf § 48 SGB X gestützt hat, führt allerdings nicht zum Erfolg der Klage, denn die §§ 45, 48 SGB X haben dasselbe Ziel, weshalb das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig ist(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 36 RdNr 17 mwN).

15

Je nachdem, welche Rechtsgrundlage einschlägig ist, wird das LSG die weiteren Voraussetzungen der jeweiligen Norm zu prüfen haben. Dabei werden auch Feststellungen zur formellen Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids nachzuholen sein, insbesondere zur Durchführung der Anhörung, wobei ungeachtet der in den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen dazu das Erfordernis einer eigenständigen, nicht notwendigerweise förmlichen Anhörung jedenfalls durch das Widerspruchsverfahren gewahrt wäre (vgl BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 17; Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 144/10 R).

16

b) Die vom LSG angenommene Rechtswidrigkeit der Aufhebungsverfügung ergibt sich aber nicht aus der mangelnden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2; Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R). Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung ist also der Empfängerhorizont, für die Beteiligten muss sich aus dem Verfügungssatz vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde will. Unschädlich ist es dabei, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Auslegungsmöglichkeiten finden allerdings ihre Grenze dort, wo es dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (so BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14 sowie BSG vom 29.4.1997 - 4 RA 25/96 - und vom 16.12.1997 - 4 RA 56/96).

17

Der Aufhebungsverwaltungsakt des Beklagten genügt den dargelegten Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis. Es geht aus dem Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides klar und unzweideutig hervor, dass der Beklagte als handelnde Behörde bestimmte, näher bezeichnete Leistungsbescheide, die allein die Klägerin betreffen, ganz oder teilweise aufhebt. Die Aufhebungsverfügungen sind auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil sie nicht monatsweise zwischen der bewilligten Regelleistung und den Leistungen für Unterkunft und Heizung unterschieden hätten. Soweit teilweise vertreten wird, ein Aufhebungsverwaltungsakt sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn er - spiegelbildlich zur Bewilligung - die aufgehobenen Leistungen monatsweise nach Leistungsarten unterscheide, insbesondere also deutlich machte, ob es sich um Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung handele (so LSG Rheinland-Pfalz vom 30.3.2010 - L 3 AS 138/08 - Juris RdNr 54 ff), folgt der Senat dem nicht (ablehnend für die Festsetzung der Erstattungsforderung nach § 50 Abs 1 SGB X bereits Urteil des Senats vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2 RdNr 37). Für den Leistungsberechtigten muss nur erkennbar sein, ob und in welchem Umfang ihm monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleiben, um sein Verhalten daran ausrichten zu können. Jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid hat der Beklagte aber im Einzelnen erkennbar gemacht, welche Bezugsmonate in welchem Umfang von der Aufhebung betroffen sind.

18

Auch die Tatsache, dass der Beklagte im Aufhebungsverwaltungsakt einen Bewilligungsbescheid statt mit "10.10.2006" mit "11.10.2006" bezeichnet hat, hat nicht zur Folge, dass der Verwaltungsakt insgesamt wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig ist. Es handelte sich bei der fehlerhaften Datumsangabe - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt - um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die jederzeit beseitigt werden kann (vgl § 38 SGB X). Die fehlende Aufzählung sämtlicher für die betreffenden Leistungszeiträume relevanter Bewilligungsbescheide ist keine Frage der Bestimmtheit, denn dies wirkt sich lediglich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung aus (dazu unter 3). Die Bestimmtheit des Verwaltungsakts ist deshalb nicht in Frage gestellt.

19

3. Der Erstattungsverwaltungsakt ist teilweise rechtswidrig und war insoweit aufzuheben. Eine Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen kann auf § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X nur gestützt werden, soweit ein Verwaltungsakt (mithin die entsprechende Leistungsbewilligung) aufgehoben worden ist. Dies hat der Beklagte vorliegend hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 versäumt. Zwar ist für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 einerseits und den Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 andererseits der zunächst maßgebliche Bewilligungsbescheid (vom 8.4.2005 bzw vom 11.10.2005) von der Aufhebung erfasst. Im laufenden Bewilligungszeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 hat der Beklagte aber ab dem 1.7.2005 aufgrund einer Änderung der Verhältnisse eine vollständig neue Leistungsbewilligung erlassen, nämlich den Änderungsbescheid vom 22.6.2005. Ebenso hat er für den Bewilligungszeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 mit Änderungsbescheid vom 13.12.2005 vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 eine neue Leistungsbewilligung vorgenommen. Diese beiden Änderungsbescheide sind im Aufhebungsbescheid nicht genannt. Damit ist eine Aufhebung dieser Bescheide nicht verfügt; die Bewilligungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 sind bestandskräftig. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 8.4.2005 und vom 11.10.2005 geht insoweit ins Leere. Eine Erstattung der Leistungen für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 und vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 auf Grundlage von § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X scheidet aus.

20

Wegen des Erstattungsverwaltungsakts im Übrigen ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich, solange nicht feststeht, inwieweit die Aufhebung der übrigen Bewilligungen Bestand hat. Auch für den Erstattungsverwaltungsakt gilt, dass seine mangelnde Bestimmtheit nicht erkennbar ist. Die übrige Prüfung, ob die Erstattungsverfügung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben. Ggf ist die gesamte Erstattungssumme im Hinblick auf die fehlende Aufhebung für einzelne Leistungszeiträume neu zu bestimmen.

21

Das LSG wird ggf über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 5. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2008 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2005 sowie vom 1. Februar bis 30. April 2006 wendet.

Im Übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Landessozialgerichts vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeit-raum von Juni 2005 bis November 2006 aufgehoben und die Erstattung von insgesamt 11 771,66 Euro gefordert hat.

2

Die im Juli 1950 geborene Klägerin war im streitigen Zeitraum alleinstehend und bezog von der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden nur noch Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte gewährte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 8.4.2005) und änderte in der Folge diese Bewilligung für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 bewilligte der Beklagte wiederum Leistungen in wechselnder Höhe (Bescheid vom 11.10.2005) und änderte diese für die Zeit vom 1.2. bis 30.4.2006 (Bescheid vom 13.12.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.5.2006 bis 31.10.2006 bewilligte er Leistungen mit Bescheid vom 18.4.2006 und schließlich für die Zeit vom 1.11.2006 bis 30.4.2007 mit Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006.

3

Der Beklagte erhielt in der Folge Kenntnis davon, dass der Klägerin im Jahr 2005 mehrere kleinere Geldbeträge sowie am 14.12.2005 ein Betrag von 9693,48 Euro aus einer Erbschaft zugeflossen seien. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 hob der Beklagte "die Entscheidungen" vom "8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 11.10.2006" über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 1.6.2005 bis 31.7.2005 und vom 1.10.2005 bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9.2005 bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 vollständig auf. Es folgte die Bezifferung der Aufhebungsbeträge getrennt nach Regelleistung, Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung sowie für Leistungen für Unterkunft und Heizung, insgesamt ergab sich eine Gesamterstattungsforderung in Höhe von 11 771,66 Euro.

4

Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2008 zurückgewiesen. Der Klägerin seien im Jahr 2005 insgesamt 10 793,48 Euro aus einer Erbschaft im Zeitraum von Juni 2005 bis Dezember 2005 zugeflossen. Es ergebe sich, ausgehend von der Aufschlüsselung im Einzelnen, ein monatlich anzurechnender Betrag von 869,46 Euro. Unter Berücksichtigung der im streitbefangenen Zeitraum ausgezahlten Leistungen und der abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung folge daraus ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 11 771,66 Euro. Nicht berücksichtigt werden könnten die Darlehensverpflichtungen der Klägerin. Der Widerspruchsbescheid enthielt darüber hinaus eine Übersicht, von welchen zugeflossenen Beträgen der Beklagte im streitigen Zeitraum jeweils monatlich ausgegangen ist sowie ferner eine nach Monaten differenzierte Übersicht, wie sich der Rückforderungsbetrag nach Auffassung des Beklagten errechnet (insoweit aber ohne Aufschlüsselung nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft).

5

Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat auf die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 23.6.2010 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2008 aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Erbschaft vorliegend um Einkommen oder Vermögen gehandelt habe; ebenso könne offenbleiben, ob der Beklagte die Jahresfrist des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingehalten habe, denn der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008 sei bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil er den Anforderungen des § 33 SGB X an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten nicht genüge. Es müsse die Kennzeichnung des Regelungsgegenstands nach dem bewilligten Betrag, den begünstigten Personen und dem Bewilligungszeitraum erfolgen. Zudem müsse die Aufhebung erkennbar machen, ob sie alle von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid und seinen Änderungen geregelten Bezugsmonate betreffe oder sich auf einzelne Teilzeiträume beschränke, die dann zu benennen seien. Entsprechendes gelte hinsichtlich einer betragsmäßig vollständigen oder lediglich anteiligen Rücknahme. Vorliegend ergebe sich die mangelnde Bestimmtheit schon deshalb, weil gleich drei aufzuhebende Bescheide nicht benannt worden seien.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen seien hinreichend bestimmt. Durch die ausdrückliche Benennung des Aufhebungszeitraums und unter Heranziehung der Begründung sowie ggf vorhandener Anlagen und früher ergangener Bescheide sei der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts jedenfalls einer widerspruchsfreien Auslegung zugänglich. Zudem seien die Aufhebungszeiträume dahingehend konkretisiert worden, ob eine teilweise oder eine vollständige Aufhebung der Bewilligung erfolgt sei. Die Regelung habe nur dahingehend verstanden werden können, dass im Hinblick auf die benannten Zeiträume die Leistungen unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidungen in ihrer jeweils gültigen Fassung aufgehoben werden sollten. Die Benennung der fehlenden Änderungsbescheide sei schriftsätzlich im Klageverfahren nachgeholt worden. Im Übrigen genüge die angegriffene Entscheidung auch im Hinblick auf die Aufhebungssumme den Bestimmtheitsanforderungen, da jedenfalls im Widerspruchsbescheid eine ausführliche und detaillierte Darstellung der monatlichen Einzelbeträge erfolgt sei.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend und führt ergänzend aus, bei fehlender Aufhebung von Bescheiden komme auch keine Erstattung in Betracht.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten (§ 160 Abs 1, § 164 Sozialgerichtsgesetz) ist nur teilweise im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 sowie vom 1.2. bis 30.4.2006 war die Revision dagegen zurückzuweisen, denn insoweit fehlte es an der Aufhebung der auf diese Zeiträume entfallenden Leistungsbescheide (Änderungsbescheide), sodass das LSG insoweit die Berufung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008. Gegen die in diesem Bescheid enthaltenen Verfügungen, die zuvor ergangenen Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 über Leistungen nach dem SGB II vom 1.6. bis 31.7.2005 und vom 1.10. bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9. bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 ganz aufzuheben, und für den Gesamtzeitraum vom 1.6.2005 bis 30.11.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 7286,56 Euro (Regelleistung 5557,51 Euro, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 1729,05 Euro) und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 4485,10 Euro, also insgesamt 11 771,66 Euro zurückzufordern, wendet sich die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).

12

2. Es kann vorliegend über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der vorangegangenen Verwaltungsakte nicht abschließend entschieden werden, weil das LSG im Hinblick auf die von ihm angenommene fehlende Bestimmtheit dieser angefochtenen Verwaltungsakte die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligungsbescheide nicht weiter geprüft hat.

13

a) Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid insoweit auf § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gestützt. Ob er die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 durchgehend auf § 48 SGB X stützen konnte, kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das LSG nicht entschieden werden. Eine Anwendung des § 48 SGB X kommt in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist. § 45 SGB X, der weitergehenden Vertrauensschutz bietet(vgl § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X), findet dagegen Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deshalb geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich folglich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R).

14

Das LSG hat es bereits offen gelassen, ob es sich bei "der Erbschaft", die nach der Aufstellung im Widerspruchsbescheid in mehreren Etappen zugeflossen ist, um zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gehandelt hat; der für die Abgrenzung maßgebliche Zeitpunkt des jeweiligen Einkommenszuflusses (bzw Vermögenserwerbs) ist nicht geprüft worden. Schließlich fehlen auch Feststellungen zur Höhe ggf zu berücksichtigenden Einkommens. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, ob sämtliche Leistungsbewilligungen gemäß § 48 SGB X aufgehoben werden konnten, oder - wofür hier viel spricht - nicht jedenfalls die Bescheide betreffend die Leistungszeiträume ab dem Jahr 2006 nach dem Zufluss des Betrags von 9693,48 Euro im Dezember 2005 bereits anfänglich rechtswidrig waren und eine Aufhebung deshalb nur unter den Voraussetzungen von § 45 SGB X hätte erfolgen dürfen. Erst im Anschluss an diese Prüfung können abschließende Aussagen zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung getroffen werden. Allein der Umstand, dass der Beklagte seine Aufhebungsentscheidung vorliegend ausschließlich auf § 48 SGB X gestützt hat, führt allerdings nicht zum Erfolg der Klage, denn die §§ 45, 48 SGB X haben dasselbe Ziel, weshalb das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig ist(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 36 RdNr 17 mwN).

15

Je nachdem, welche Rechtsgrundlage einschlägig ist, wird das LSG die weiteren Voraussetzungen der jeweiligen Norm zu prüfen haben. Dabei werden auch Feststellungen zur formellen Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids nachzuholen sein, insbesondere zur Durchführung der Anhörung, wobei ungeachtet der in den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen dazu das Erfordernis einer eigenständigen, nicht notwendigerweise förmlichen Anhörung jedenfalls durch das Widerspruchsverfahren gewahrt wäre (vgl BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 17; Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 144/10 R).

16

b) Die vom LSG angenommene Rechtswidrigkeit der Aufhebungsverfügung ergibt sich aber nicht aus der mangelnden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2; Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R). Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung ist also der Empfängerhorizont, für die Beteiligten muss sich aus dem Verfügungssatz vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde will. Unschädlich ist es dabei, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Auslegungsmöglichkeiten finden allerdings ihre Grenze dort, wo es dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (so BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14 sowie BSG vom 29.4.1997 - 4 RA 25/96 - und vom 16.12.1997 - 4 RA 56/96).

17

Der Aufhebungsverwaltungsakt des Beklagten genügt den dargelegten Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis. Es geht aus dem Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides klar und unzweideutig hervor, dass der Beklagte als handelnde Behörde bestimmte, näher bezeichnete Leistungsbescheide, die allein die Klägerin betreffen, ganz oder teilweise aufhebt. Die Aufhebungsverfügungen sind auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil sie nicht monatsweise zwischen der bewilligten Regelleistung und den Leistungen für Unterkunft und Heizung unterschieden hätten. Soweit teilweise vertreten wird, ein Aufhebungsverwaltungsakt sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn er - spiegelbildlich zur Bewilligung - die aufgehobenen Leistungen monatsweise nach Leistungsarten unterscheide, insbesondere also deutlich machte, ob es sich um Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung handele (so LSG Rheinland-Pfalz vom 30.3.2010 - L 3 AS 138/08 - Juris RdNr 54 ff), folgt der Senat dem nicht (ablehnend für die Festsetzung der Erstattungsforderung nach § 50 Abs 1 SGB X bereits Urteil des Senats vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2 RdNr 37). Für den Leistungsberechtigten muss nur erkennbar sein, ob und in welchem Umfang ihm monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleiben, um sein Verhalten daran ausrichten zu können. Jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid hat der Beklagte aber im Einzelnen erkennbar gemacht, welche Bezugsmonate in welchem Umfang von der Aufhebung betroffen sind.

18

Auch die Tatsache, dass der Beklagte im Aufhebungsverwaltungsakt einen Bewilligungsbescheid statt mit "10.10.2006" mit "11.10.2006" bezeichnet hat, hat nicht zur Folge, dass der Verwaltungsakt insgesamt wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig ist. Es handelte sich bei der fehlerhaften Datumsangabe - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt - um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die jederzeit beseitigt werden kann (vgl § 38 SGB X). Die fehlende Aufzählung sämtlicher für die betreffenden Leistungszeiträume relevanter Bewilligungsbescheide ist keine Frage der Bestimmtheit, denn dies wirkt sich lediglich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung aus (dazu unter 3). Die Bestimmtheit des Verwaltungsakts ist deshalb nicht in Frage gestellt.

19

3. Der Erstattungsverwaltungsakt ist teilweise rechtswidrig und war insoweit aufzuheben. Eine Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen kann auf § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X nur gestützt werden, soweit ein Verwaltungsakt (mithin die entsprechende Leistungsbewilligung) aufgehoben worden ist. Dies hat der Beklagte vorliegend hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 versäumt. Zwar ist für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 einerseits und den Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 andererseits der zunächst maßgebliche Bewilligungsbescheid (vom 8.4.2005 bzw vom 11.10.2005) von der Aufhebung erfasst. Im laufenden Bewilligungszeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 hat der Beklagte aber ab dem 1.7.2005 aufgrund einer Änderung der Verhältnisse eine vollständig neue Leistungsbewilligung erlassen, nämlich den Änderungsbescheid vom 22.6.2005. Ebenso hat er für den Bewilligungszeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 mit Änderungsbescheid vom 13.12.2005 vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 eine neue Leistungsbewilligung vorgenommen. Diese beiden Änderungsbescheide sind im Aufhebungsbescheid nicht genannt. Damit ist eine Aufhebung dieser Bescheide nicht verfügt; die Bewilligungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 sind bestandskräftig. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 8.4.2005 und vom 11.10.2005 geht insoweit ins Leere. Eine Erstattung der Leistungen für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 und vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 auf Grundlage von § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X scheidet aus.

20

Wegen des Erstattungsverwaltungsakts im Übrigen ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich, solange nicht feststeht, inwieweit die Aufhebung der übrigen Bewilligungen Bestand hat. Auch für den Erstattungsverwaltungsakt gilt, dass seine mangelnde Bestimmtheit nicht erkennbar ist. Die übrige Prüfung, ob die Erstattungsverfügung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben. Ggf ist die gesamte Erstattungssumme im Hinblick auf die fehlende Aufhebung für einzelne Leistungszeiträume neu zu bestimmen.

21

Das LSG wird ggf über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2008 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6. Februar 2005 geändert.
2. Auf das Anerkenntnis der Beklagten werden ihre Bescheide vom 11. und 22. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2002 sowie der Bescheid vom 31. Januar 2002 aufgehoben.
3. Die Bescheide der Beklagten vom 15. Mai 2003, 2. März 2004, 15. Oktober 2004, 23. Mai 2005, 1. Juni 2007 und 9. Juni 2008 werden hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufgehoben.
4. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
5. Die Beklagte hat dem Kläger sieben Achtel seiner außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung eines Teils seiner Rentenansprüche (Nachzahlung und laufende Zahlungen) mit gegen ihn gerichteten Beitrags- und Nebenforderungen des beigeladenen Unfallversicherungsträgers.

2

Der im 1937 geborene Kläger ist verheiratet. Seine Ehefrau bezieht seit Juli 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) iHv (seinerzeit) 1 265,08 DM. Der von den Eheleuten für die gemeinsame Wohnung entrichtete Mietzins betrug ab Juni 2001 257,22 Euro, ab Oktober 2002 263,77 Euro und ab September 2004 247,35 Euro. Seit 2001 sind beim Kläger ein Grad der Behinderung von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt.

3

Der Kläger war seit Mai 1990 als selbstständiger Handwerksmeister mit eigener Firma in L. tätig.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 5.6.1996 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers über dessen Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 26.9.2002 eingestellt.

5

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10.10.1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) rückwirkend vom 1.5.1993 bis zum 31.10.1995, die allerdings aufgrund von Rehabilitationsmaßnahmen und Übergangsgeldbezug nur in der Zeit vom 29.3. bis zum 31.10.1995 zur Auszahlung kam. Seit 1.2.1996 bezog der Kläger eine Rente wegen EU auf Dauer (Bescheid vom 18.10.1996).

6

Mit Bescheiden vom 25.4.2001 stellte die Beklagte die Renten wegen BU und EU neu fest. Für die Rente wegen BU ergab sich eine Nachzahlung iHv 1 759,62 DM und für die Rente wegen EU iHv 24 727,83 DM.

7

Bereits mit Schreiben vom 23.8.1995 hatte die Beigeladene der Beklagten mitgeteilt, der Kläger schulde ihr aus seiner Mitgliedschaft "rechtswirksam festgestellte Beiträge zuzüglich Nebenforderungen (zB Säumnisgebühren, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) in Höhe von derzeit 43 982,50 DM", und die Beklagte zugleich zur Verrechnung gegen Geldleistungen ermächtigt, die der Kläger jetzt oder in Zukunft erhalte.

8

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 9.5.2001 mit, dass ihre Ansprüche, derentwegen sie die Beklagte mit Schreiben vom 23.8.1995 zur Verrechnung ermächtigt hatte, "derzeit 66 635,31 DM" (= 34 070,09 Euro) betrügen, und bat die Beklagte nunmehr auf Grund der seinerzeitigen Ermächtigung um Verrechnung.

9

Die die Renten wegen BU und EU betreffenden Verrechnungen mit Bescheiden vom 11. und 22.5.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie mit Bescheid vom 31.1.2002, gegen die der Kläger beim SG Leipzig Klage erhoben hatte (S 7 RJ 285/02), sind nach dem in der Revisionsverhandlung vom 7.2.2012 erklärten Anerkenntnis der Beklagten (s hierzu Nr 2 des Entscheidungssatzes) nicht mehr streitig.

10

Mit Bescheid vom 10.5.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1.7.2002 Regelaltersrente und verrechnete einen Betrag iHv monatlich 34,76 Euro; es verblieb ein monatlicher Auszahlungsbetrag iHv 820 Euro. Den Widerspruch des Klägers gegen die Verrechnung wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 zurück. Zur Begründung der Erhöhung des monatlichen Verrechnungsbetrags zum 1.7.2002 (gegenüber zuvor 20,80 Euro) führte die Beklagte aus, dass diese mit der Erhöhung des Rentenzahlbetrags aufgrund der Rentenanpassung zum 1.7.2002 einhergehe. Der Erhöhung des monatlichen Rentenzahlbetrags um 24,76 Euro auf 854,76 Euro stehe eine Erhöhung des aufgrund Verrechnung einbehaltenen Betrags von ca 14 Euro gegenüber. Im Ergebnis verbleibe dem Kläger ab 1.7.2002 mit monatlich 820 Euro ein höherer Rentenauszahlungsbetrag als bisher. Die besondere Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG werde nicht unterschritten; der Kläger werde nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt. Der monatliche Verrechnungsbetrag sei in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation des Klägers auch sachgerecht. Besondere Umstände, die eine für ihn günstigere Entscheidung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 51 Abs 2 SGB I bei der Festsetzung des Verrechnungsbetrags rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse an der Einbehaltung von Rententeilen zur Tilgung von Beitragsforderungen überwiege. Auch gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim SG Leipzig erhoben (S 7 RJ 558/02).

11

Das SG hat mit Beschluss vom 19.11.2004 beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

12

Wegen "Änderungen in den Rentenberechnungsgrundlagen" ergingen in der Folgezeit weitere (Verrechnungs-)Bescheide der Beklagten. Ab 1.7.2003 erhöhte sich der Verrechnungsbetrag auf monatlich 54,91 Euro (Bescheid vom 15.5.2003), ab 1.4.2004 betrug er monatlich 49,29 Euro (Bescheid vom 2.3.2004), ab 1.12.2004 monatlich 51,16 Euro (Bescheid vom 15.10.2004), ab 1.7.2005 monatlich 46,95 Euro (Bescheide vom 23.5.2005 und 1.6.2007) und ab 1.7.2008 monatlich 58,39 Euro (Bescheid vom 9.6.2008); dabei verblieb von Juli 2007 bis Juni 2008 ein auszuzahlender Betrag iHv monatlich 814,49 Euro (Bescheid vom 1.6.2007), im Übrigen jeweils monatlich 810 Euro. Im Bescheid vom 15.5.2003 hatte die Beklagte ergänzend mitgeteilt, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien. Dieser Wert werde nicht dynamisiert und betrage gegenwärtig 810 Euro. Der Bescheid vom 15.10.2004 enthielt den Hinweis, dass sich aufgrund der Senkung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung ab dem 1.12.2004 eine höhere Nettorente ergebe (861,16 Euro). Der entstehende Differenzbetrag werde zur Tilgung der Forderung herangezogen (51,16 Euro). Im Bescheid vom 9.6.2008 hat die Beklagte mit Hinweis auf die zum 1.7.2008 durchgeführte Rentenanpassung ergänzend darauf hingewiesen, dass der monatliche Selbstbehalt des Klägers bei 810 Euro liege, sodass der "abzutrennende Betrag" sich ab 1.7.2008 auf 58,39 Euro erhöhe.

13

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 6.1.2005 (nicht - wie im Tenor versehentlich angegeben - vom 6.2.2005) die Klagen abgewiesen.

14

Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 14.10.2008 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die seit Juli 2001 von der Beklagten vorgenommene Verrechnung von Beitragsforderungen der Beigeladenen mit Rentenzahlungsansprüchen des Klägers sei rechtmäßig. Keine Bedenken bestünden gegen die Durchführung der Verrechnung durch Verwaltungsakt.

15

Die Voraussetzungen für eine Verrechnung lägen vor: Die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen mit Schreiben vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) sei hinreichend bestimmt. Art und Umfang der Forderung seien so genau bezeichnet, dass die Beklagte in die Lage versetzt worden sei, eine substantiierte Verrechnungserklärung abzugeben.

16

Es bestehe eine Verrechnungslage. Die Forderungen der Beigeladenen seien bestandskräftig festgestellt. Gegen die entsprechenden Bescheide habe der Kläger Widerspruch nicht erhoben. Die Rentenansprüche, mit denen verrechnet worden sei, seien gleichartige Forderungen, die bindend bewilligt und fällig gewesen seien.

17

Entgegen der Ansicht des Klägers hindere das über sein Vermögen durchgeführte Gesamtvollstreckungsverfahren die Verrechnung nicht.

18

Ebenso wenig stehe der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der Vollstreckungsschutz des § 18 Abs 2 S 3 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) entgegen. Denn diese Norm bewirke Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung, zu denen die Verrechnung nicht zähle. Zudem werde die Regelung des § 18 Abs 2 S 3 GesO - soweit wie hier mit Beitragsansprüchen verrechnet werde - durch die Sonderregelung des § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) verdrängt.

19

Der Kläger sei aufgrund der Verrechnung nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab Januar 2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden. Ausgehend von den im Freistaat Sachsen für den Haushaltsvorstand geltenden Regelsätzen und Mehrbedarfszuschlägen nach § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG (bis 30.6.2002) und nach § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG (ab 1.7.2002) sowie den auf ihn entfallenden anteiligen Unterkunftskosten von 125 Euro (inklusive Heizkosten) seien dem Kläger nach Abzug der jeweiligen Verrechnungsbeträge monatliche Geldmittel verblieben, die den Eintritt einer sozialhilferechtlichen Notlage ausschlössen. Im gesamten Verrechnungszeitraum bis zum 31.12.2004 habe er einen monatlichen Rentenauszahlungsbetrag erhalten, der seinen sozialhilferechtlichen Bedarf nach dem BSHG sogar bei bedarfssteigernder Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen überstiegen habe. Nach der ab Januar 2005 geltenden Rechtslage sei der Kläger verpflichtet, nachzuweisen, dass durch die Verrechnung Bedürftigkeit nach dem SGB XII eingetreten sei. Trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise habe er diesbezügliche Nachweise nicht vorgelegt.

20

Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich. Sie habe das ihr eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Dem öffentlichen Interesse an der Begleichung von Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der Versicherungssysteme habe sie Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Rente gegeben, weil bei diesem keine außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation vorgelegen habe.

21

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 52 SGB I. Die Beklagte hätte die von der Beigeladenen geltend gemachten Forderungen nicht durch Verwaltungsakt mit seinen Rentenansprüchen verrechnen dürfen. Insoweit beruft er sich auf die Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 (B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1).

22
        

Auf Anfragebeschluss des erkennenden Senats vom 5.2.2009 (B 13 R 31/08 R) hat der 4. Senat mit Beschluss vom 22.9.2009 (B 4 SF 1/09 S) erklärt, er halte an seiner Auffassung fest, dass die Verrechnung nach § 52 SGB I nicht durch Verwaltungsakt erfolge. Der daraufhin vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 25.2.2010 (B 13 R 76/09 R) angerufene Große Senat (GrS) hat durch Beschluss vom 31.8.2011 (GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen) entschieden:    

"Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln."

23

Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.

24

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14.10.2008 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6.1.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002, den Bescheid vom 31.1.2002, den Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002, die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufzuheben.

25
        

In der Revisionsverhandlung am 7.2.2012, in der der Kläger nicht mehr vertreten war, hat die Beklagte das folgende Anerkenntnis abgegeben:        

        

Die Beklagte hebt folgende Bescheide hinsichtlich der aufgrund Verrechnung einbehaltenen Beträge auf:
die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie den Bescheid vom 31.1.2002.

26

Im Übrigen hat sie beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

27

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie sieht sich durch die Entscheidung des GrS in ihrer Rechtsauffassung zur Erklärung einer Verrechnung durch Verwaltungsakt bestätigt.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Revision des Klägers ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang begründet.

29

Soweit die Beklagte die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 und den Bescheid vom 31.1.2002 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung aus den Renten des Klägers wegen BU/EU einbehaltenen Beträge aufgehoben hat, war sie nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 S 1 ZPO ihrem Anerkenntnis entsprechend - ohne weitere Sachprüfung - zu verurteilen(vgl BSG vom 12.7.1988 - SozR 6580 Art 5 Nr 4 S 10 f; BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 62/02 R - juris RdNr 18; Senatsurteil vom 6.5.2010 - SozR 4-1300 § 48 Nr 19 RdNr 21 mwN, stRspr).

30

Auch das Begehren des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung für die Zeit ab 1.7.2003 aus seiner Altersrente einbehaltenen Beträge aufzuheben, hat Erfolg. Die genannten Bescheide erweisen sich insoweit als rechtswidrig. Richtige Klageart ist hier die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Alt 1 SGG). Denn mit der Aufhebung der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte steht fest, dass die verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an den Kläger auszuzahlen sind.

31

Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 ist hinsichtlich des für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 aufgrund Verrechnung aus seiner Regelaltersrente jeweils einbehaltenen monatlichen Betrags iHv 34,76 Euro rechtmäßig.

32

1. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden und hier insoweit noch maßgeblichen Fassung (aF) Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

33

Dem steht nicht entgegen, dass diese nicht den mit der Klage (ursprünglich) angefochtenen Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) abgeändert oder ersetzt hat, sondern andere Verrechnungszeiträume erfassen. Denn nach der bis zum 31.3.2008 geltenden Rechtslage hatte das BSG in ständiger Rechtsprechung eine entsprechende Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) im Interesse einer sinnvollen Anwendung der Prozessökonomie bzw eines schnellen und zweckmäßigen Verfahrens dann zugelassen, wenn der ursprüngliche Bescheid zwar nicht abgeändert oder ersetzt wurde, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses erging und ein streitiges Rechtsverhältnis regelte, das im Kern dieselbe Rechtsfrage betraf und sich an den vom ursprünglichen Bescheid erfassten Zeitraum anschloss(vgl etwa BSG vom 17.11.2005 - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 16 f mwN). Diese Voraussetzungen werden von den Verrechnungs-Folgebescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005 und 1.6.2007 erfüllt.

34

Ob auch der Bescheid vom 9.6.2008 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) noch Gegenstand des Verfahrens geworden ist, kann dahingestellt bleiben. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger eine Rechtsposition erworben hätte, die ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer Anwendung des § 96 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung begründen könnte. Denn eine analoge Anwendung des § 96 SGG für nicht ändernde oder ersetzende Folgebescheide scheidet seit 1.4.2008 durch die mit Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) neu eingeführte Fassung aus (BSG vom 16.12.2009 - B 7 AL 146/09 B - RdNr 7 f).

35

Dies bedarf hier aber keiner näheren Erörterung. Die Nichtanwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG schließt es nämlich nicht aus, dass ein Folgebescheid im Wege einer (gewillkürten) Klageänderung nach § 99 Abs 1 iVm Abs 2 SGG zum Gegenstand des anhängigen Prozesses gemacht wird, wenn die übrigen Beteiligten - wie hier - nicht widersprochen und sich auf die Klageerweiterung, die auch im Berufungsverfahren noch möglich ist(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 99 RdNr 12), eingelassen haben (vgl BSG vom 21.3.1978 - SozR 4600 § 143d Nr 3 S 9 f; BSG vom 7.2.1996 - SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 75 f; BSG vom 20.3.1996 - BSGE 78, 98, 103 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 38 f; Leitherer, aaO, § 96 RdNr 9b, 11e).

36

Allerdings hätte das LSG über die während des Berufungsverfahrens ergangenen und Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheide der Beklagten vom 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" entscheiden müssen (vgl BSG vom 30.1.1963 - BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr 17 zu § 96 SGG; BSG vom 27.1.1999 - SozR 3-2400 § 18b Nr 1 S 3; Senatsurteil vom 20.10.2010 - SozR 4-6480 Art 22 Nr 2 RdNr 23, stRspr).

37

2. Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also den Kläger - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und - wie hier - mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (bis 31.12.2004); ab 1.1.2005 kann der zuständige Leistungsträger entsprechend aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs 2 SGB I in der jeweiligen Fassung).

38

3. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 sowie ihre Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 - jeweils über Verrechnungen mit der Regelaltersrente des Klägers - waren nicht deswegen rechtswidrig und aufzuheben, weil die Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt hätte erfolgen dürfen. Vielmehr konnte die Beklagte die Verrechnung einseitig nur in dieser Handlungsform (und nicht durch sog öffentlich-rechtliche Willenserklärung) vornehmen (dazu unter a). Es bestand eine Verrechnungslage (dazu unter b). Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken. Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter c). Die Beklagte hat bei der mit dem Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführten Verrechnung das ihr gemäß § 52 iVm 51 Abs 2 SGB I zustehende Ermessen erkannt und pflichtgemäß ausgeübt(§ 39 Abs 1 SGB I). Dies gilt jedoch nicht für die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008; diese erweisen sich vielmehr als ermessensfehlerhaft. Denn es fehlen Ausführungen, die eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung erkennen lassen (dazu unter d). Dahingestellt bleiben kann, ob die letztgenannten Bescheide auch deshalb rechtswidrig sind, weil die Beklagte vor ihrem Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X; dazu unter e). Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 vorgenommene Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem verbleibenden Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig nach den hier noch maßgeblichen Bestimmungen des BSHG zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (dazu unter f).

39

a) Die Beklagte war berechtigt, auf die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995, in der Forderungshöhe aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001, deren Beitrags- und Nebenforderungen iHv insgesamt 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro) mit Rentenansprüchen des Klägers durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zu verrechnen (dazu unter aa). Die Verrechnungs-Verwaltungsakte waren auch inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X(dazu unter bb).

40

aa) Die Beklagte hat die Verrechnung zu Recht durch Verwaltungsakt geregelt (vgl BSG - GrS - vom 31.8.2011 - GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen - RdNr 15 ff).

41

(1) Nach § 31 S 1 SGB X ist ein "Verwaltungsakt … jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt bei einem Verrechnungs-Bescheid darin, dass die durch sie erklärte Verrechnung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten (hier des Klägers) hat, diesen nämlich hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise der Erfüllung (dh - wie in der Regel, vgl § 47 SGB I - durch Überweisung auf das dort benannte Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut) modifiziert(vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB X) und zum Erlöschen bringt, soweit die Verrechnung reicht und wirksam wird (Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 17; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 15). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" in § 31 S 1 SGB X ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Gestaltung von Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger (wie die Beklagte) ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten - dem Sozialleistungsempfänger - in dieser Form ihrer Art nach zusteht(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - aaO; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO). Im Übrigen ist - anders als im Zivilrecht - nach dem SGB I die Verrechnung (§ 52 SGB I) ebenso wie die Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht nur davon abhängig, dass sich der verrechnende (aufrechnende) Leistungsträger hierfür frei entscheidet und dies erklärt. Vielmehr ist ihre Ausübung an die Betätigung pflichtgemäßen Ermessens gebunden (§ 52 iVm § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I: "kann") und zudem gemäß § 51 Abs 1 Halbs 2 SGB I an die Pfändbarkeit der Geldleistungen bzw gemäß § 51 Abs 2 SGB I an die Höhenbegrenzung (bis zur Hälfte der laufenden Geldleistungen) sowie das Nichteintreten von Hilfebedürftigkeit aufgrund der Verrechnung (Aufrechnung).

42

(2) Auch der Gesetzgeber sieht in der Durchführung einer Verrechnung nach § 52 SGB I einen Verwaltungsakt. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) mit Wirkung ab 18.6.1994 eingefügt wurde. Spätestens mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klarstellend von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Verrechnung (Aufrechnung) für den Bereich des Sozialrechts der Handlungsform "Verwaltungsakt" zu unterstellen.

43

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist (nur) vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zur Äußerung zu geben; dies gilt jedoch nach Abs 2 Nr 7 der Vorschrift nicht, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als (in der ursprünglichen Fassung: 100 DM, jetzt:) 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass - unabhängig von der Höhe - die Verrechnung nach § 52 SGB I (ebenso wie die Aufrechnung nach § 51 SGB I) durch Verwaltungsakt zu erklären ist(vgl ferner die Entwurfsbegründung zu § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, BT-Drucks 12/5187 S 35 - Zu Art 6, Zu Nr 1, wonach "materielle Einwände gegen die Aufrechnung bzw Verrechnung … im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden" können). An den hierin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers sind die Gerichte gemäß Art 20 Abs 3 GG selbst dann gebunden, wenn sie eine solche Zuordnung aufgrund rechtssystematischer Erwägungen für unzutreffend oder aus praktischen Überlegungen heraus für unerwünscht halten sollten (vgl Wolff/Brink in Bader/Ronellenfitsch, Komm zum VwVfG, 2010, § 35 RdNr 28 f; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 13 - beide unter Hinweis auf BVerwGE 70, 77, 82; zur Respektierung der gesetzgeberischen Grundentscheidung s auch BVerfGE 128, 193, 210).

44

Im Übrigen hat der Gesetzgeber erst jüngst in § 42a Abs 2 S 2 bzw § 43 Abs 4 S 1 SGB II(mit Wirkung ab 1.4.2011 idF von Art 2 Nr 32 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) ausdrücklich angeordnet, dass Aufrechnungen im Sozialleistungsbereich des SGB II "durch Verwaltungsakt zu erklären" sind. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber damit für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine vom allgemeinen Sozialverwaltungsverfahrensrecht abweichende Sonderregelung hat treffen wollen, finden sich in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren an keiner Stelle (vgl BT-Drucks 17/3404 S 117 - zu § 43, zu Abs 3; BT-Drucks 17/3958 S 19 - zu Art 2 Nr 32 <§ 42a Abs 2 S 2 SGB II>; BT-Drucks 17/4095 S 35 - zu Buchst n, zu Doppelbuchst cc <§ 42a Abs 2 SGB II>).

45

(3) Einer über die Bestimmung des § 52 SGB I hinausgehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass eines Verwaltungsakts mit dem Inhalt der Verrechnung bedarf es nicht(s hierzu BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 16 ff).

46

bb) Die Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten waren iS des § 33 Abs 1 SGB X "inhaltlich hinreichend bestimmt".

47

Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss ( BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38; BSG vom 17.12.2009 - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN, stRspr).

48

Nach diesen Maßstäben sind die angefochtenen Verrechnungs-Bescheide inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn sie erklären die Verrechnung bestimmter, von der Beklagten dem Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer - nach Art und Umfang - bestimmten, weil betragsmäßig im Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 genau bezifferten (Gesamt-)Forderung der Beigeladenen aus rückständigen Beiträgen zuzüglich Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) iHv (insgesamt) 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro).

49

Aus den Verfügungssätzen der hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte konnte der Kläger ohne weiteres den jeweiligen (monatlichen) Verrechnungsbetrag und den ihm aufgrund der Verrechnung mit den Forderungen der Beigeladenen noch verbleibenden (monatlichen) Rentenauszahlungsbetrag entnehmen. Damit war für ihn klar ersichtlich, dass und in welchem Umfang seine Rentenzahlungsansprüche gegen die Beklagte und damit korrespondierend die gegen ihn bestehenden Forderungen der Beigeladenen durch die Verrechnung jeweils erloschen waren (entsprechend § 389 BGB).

50

Unschädlich ist insoweit, dass der - aufgehobene - (Ausgangs-)Bescheid vom 11.5.2001 und der - ebenfalls aufgehobene - Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 in der Höhe der zur Verrechnung gestellten (Gesamt-)Forderung insoweit differieren, als der Bescheid von einer "offene(n) Forderung in Höhe von derzeit 66.635,31 DM zuzüglich weiterer Kosten wie Zinsen, Säumniszuschläge usw." spricht, während nach dem Widerspruchsbescheid - entsprechend der in der Forderungshöhe aktualisierten Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen - die genannte Summe neben den Beiträgen auch die "Säumniszuschläge und sonstige Nebenforderungen" erfasst. Denn ausschlaggebend ist der (mit der Klage angefochtene) "ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 95 SGG).

51

Dass die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide die zur Verrechnung gestellte Forderung der Beigeladenen nicht mehr beziffern, steht ihrer hinreichenden Bestimmtheit iS des § 33 Abs 1 SGB X nicht entgegen, da sich deren Ausgangshöhe (für den Kläger klar erkennbar) aus dem Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 ergab und deshalb - auf Verlangen des Klägers jederzeit - auch "bestimmt" werden konnte, in welchem Umfang die Gesamtforderung der Beigeladenen iHv 66 635,31 DM durch die bis dahin erfolgte Verrechnung mit den Rentenzahlungsansprüchen des Klägers bereits erloschen war.

52

Für die hinreichende Bestimmtheit der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten ist nicht notwendig, dass sie die zur Verrechnung gestellte(n) Forderung(en) der Beigeladenen im Einzelnen - nach Umfang, Entstehungszeitpunkt, Bezugszeitraum oder Fälligkeit - aufschlüsseln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die bezifferte Gesamtsumme ohne Weiteres mit bestehenden, ihr Art nach benannten Einzelforderungen aufgefüllt werden kann. Insoweit ist ausreichend, dass die zur Verrechnung gestellten Forderungen des anderen Leistungsträgers bestimmbar sind. Denn eine Verrechnung kann - ebenso wie eine Aufrechnung - bei Bestehen mehrerer Forderungen (auch) erklärt werden, ohne (zunächst) im Einzelnen aufzeigen zu müssen, mit welcher (Einzel-)Forderung zuerst verrechnet werden soll (vgl BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 10 f; BFH vom 6.2.1990 - BFHE 160, 108, 112; BFH vom 4.2.1997 - BFHE 182, 276, 278; alle zur Aufrechnung).

53

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass dadurch die Rechtsverteidigung gegen Verrechnungs-Verwaltungsakte unzumutbar beeinträchtigt werde. Denn dem insoweit Beschwerten bleibt es unbenommen, im Vor- und Klageverfahren geltend zu machen, die zur Verrechnung gestellte (Gesamt-)Forderung des anderen Leistungsträgers bestehe nach Grund oder Höhe ganz oder teilweise nicht (bzw nicht mehr). Dann mag der verrechnende Leistungsträger darlegen und nachweisen, welche Forderungen ihm aufgrund der Ermächtigung des anderen Leistungsträgers zur Verrechnung zur Verfügung gestanden haben. Ist streitig, ob (und ggf welche) bzw in welchem Umfang Forderungen durch Verrechnung (bereits) erloschen sind, so ist die Konkretisierung (bzw Individualisierung) der Forderungen, mit denen die Verrechnung durch Verwaltungsakt erklärt wurde, unumgänglich. Denn nur auf diese Weise kann festgestellt werden, ob und inwieweit eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB)bestanden hat und wann bei mehreren Forderungen welche (ggf in entsprechender Anwendung des § 396 Abs 1 S 2 iVm § 366 Abs 2 BGB) durch Verrechnung - ganz oder teilweise - erloschen sind.

54

b) Vorliegend bestand ab 1.7.2002 objektiv eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB).

55

Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die (durch Einbehaltung mittels Verwaltungsakts) verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch des Klägers aus der Regelaltersrente gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (vgl BSG vom 5.9.2006 - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 26).

56

Diese Voraussetzungen lagen hier ab dem oben genannten Zeitpunkt vor. Die von der Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) erfassten und gegen den Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beiträge (und der Nebenforderungen) iHv insgesamt 66 635,31 DM waren entstanden und fällig; sie sind von der Beigeladenen gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakte bestandskräftig festgestellt worden (§ 77 SGG). Die Zahlungsansprüche des Klägers aus der ihm bindend mit Rentenbescheid vom 10.5.2002 zuerkannten Regelaltersrente waren am Ersten eines jeden Monats jeweils entstanden und erfüllbar (vgl § 272a Abs 1 SGB VI idF des 3. SGB VI-ÄndG vom 27.12.2003 ).

57

c) Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken (dazu unter aa). Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter bb).

58

aa) Die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen war nicht deshalb rechtswidrig, weil die monatlichen Rentenzahlungsansprüche ab 1.1.2002 durchgängig unter der gemäß § 850c Abs 1 S 1 ZPO iVm § 54 Abs 4 SGB I für den Kläger maßgeblichen Pfändungsfreigrenze von monatlich 930 Euro (ab 1.7.2005: 985,15 Euro) lagen. Denn mit den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber den Sozialleistungsträgern zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen die Möglichkeit eröffnet, ohne Bindung an die Pfändungsfreigrenzen der ZPO auch mit dem unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab 1.1.2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II aufzurechnen bzw zu verrechnen.

59

Die Regelungen in §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bezwecken eine Privilegierung der Sozialleistungsträger(vgl grundlegend BSG vom 19.1.1978 - BSGE 45, 271, 273 ff = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 4 ff; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 10 f; BSG vom 27.3.1996 - BSGE 78, 132, 135 f = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 17 f), wenn dem Versicherten bestimmte "systemerhaltende" Gegenansprüche (Beitragsansprüche, Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen) des zuständigen oder eines anderen Leistungsträgers entgegengehalten werden können. Die oben genannten Grenzen (höchstens bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung, kein Hervorrufen der Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG) hat die Beklagte bei der Verrechnung der laufenden Zahlungsansprüche des Klägers auf Regelaltersrente mit den Beitragsansprüchen der Beigeladenen im hier (noch) maßgeblichen Zeitraum nicht überschritten (s dazu näher unter f).

60

bb) Nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens stand der Verrechnung die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO nicht entgegen.

61

Zwar mag die Möglichkeit eines Rentenversicherungsträgers, Beitrags- und Erstattungsforderungen eines anderen Leistungsträgers mit dem unpfändbaren Teil des Rentenzahlungsanspruchs nach Maßgabe des § 51 Abs 2 SGB I verrechnen zu können, zu Friktionen mit der in § 18 Abs 2 S 3 GesO geregelten (begrenzten) Restschuldbefreiung führen, wonach eine "Vollstreckung" hinsichtlich der "Altschulden" grundsätzlich nur stattfindet, "soweit der Schuldner über ein angemessenes Einkommen hinaus zu neuem Vermögen gelangt" ist.

62

Das LSG hat aber zu Recht einen Vollstreckungsschutz des Klägers nach § 18 Abs 2 S 3 GesO verneint.

63

Dies folgt bereits daraus, dass diese Vorschrift schon nach ihrem Wortlaut Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der "Vollstreckung" bietet (LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 28; Brandenburgisches OLG vom 20.5.1998 - 13 U 35/97 - juris RdNr 15; OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 53). Auch nach Art 108 Abs 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (InsO) ist die "Vollstreckungsbeschränkung" des § 18 Abs 2 S 3 GesO nach dem 31.12.1998 nur bei einer "Zwangsvollstreckung" gegen einen Schuldner, über dessen Vermögen ein Gesamtvollstreckungsverfahren durchgeführt worden ist, zu beachten. Die Verrechnung ist aber - ebenso wie die Aufrechnung - keine Maßnahme der "Vollstreckung" iS der Vorschriften der ZPO oder anderer Verfahrensgesetze über die Zwangsvollstreckung (vgl BGH vom 26.5.1971 - NJW 1971, 1563; BVerwG vom 13.10.1971 - DÖV 1972, 573, 574; BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 9 f; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 22, 28; FG Düsseldorf vom 10.11.2004 - 18 K 321/04 AO - juris RdNr 21; Martini in juris PR-InsR 19/2009 vom 24.9.2009, Anm 1 unter C).

64

Zwar ist die Verrechnung - ebenso wie die Aufrechnung - ein der Zwangsvollstreckung ähnlicher, außergerichtlicher Zugriff auf die Gegenforderung, eine Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe (vgl BGH vom 26.5.1971, aaO; BGH vom 13.6.1995 - BGHZ 130, 76, 80 mwN). Mit der Vorschrift des § 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber jedoch - wie oben aufgezeigt - die Sozialleistungsträger bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Aufrechnung bzw Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, denen (bereits) durch die Unpfändbarkeit die Möglichkeit versperrt ist, ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Dass das (beschränkte) Restschuldbefreiungsverfahren des § 18 Abs 2 S 3 GesO darauf abzielt, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen (OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 105),steht der sich aus § 51 Abs 2 SGB I ergebenden Aufrechnungs- bzw Verrechnungsbefugnis nicht entgegen. Denn anderenfalls wäre den Sozialleistungsträgern im Falle einer Privatinsolvenz des Versicherten bzw Schuldners (sogar) nach Abschluss des Gesamtvollstreckungsverfahrens stets die Möglichkeit versperrt, den unpfändbaren Teil der Ansprüche auf laufende Rentenleistungen mit Beitrags- und Erstattungsforderungen aufrechnen bzw verrechnen zu können, obwohl diese unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegenden Rentenzahlungen zuvor nicht zur Gesamtvollstreckungsmasse (vgl § 1 Abs 1 S 2 GesO) gehörten und somit während des Gesamtvollstreckungsverfahrens grundsätzlich gemäß §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit aufgerechnet bzw verrechnet werden konnten. Dann aber würde es einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens in der Restschuldbefreiungsphase das Postulat einer - zuvor nicht bestehenden - Gläubigergleichbehandlung ein Verrechnungsverbot bedingen sollte (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 27.7.2009 - L 33 R 204/09 B ER, L 33 R L 33 R 207/09 B PKH - juris RdNr 26; SG Dortmund vom 21.2.2008 - S 26 R 320/06 - juris RdNr 41, beide zur Zulässigkeit der Verrechnung bzw Aufrechnung während der Restschuldbefreiungsphase nach der InsO). Auch wären die Grenzen zwischen einer Aufrechnung bzw Verrechnung mit Erstattungs- oder Beitragsforderungen nach § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) und einer solchen mit sonstigen Geldforderungen nach § 51 Abs 1 SGB I(iVm § 52 SGB I) verwischt und das damit verbundene Privileg des mit Beitrags- oder Erstattungsansprüchen aufrechnenden bzw verrechnenden Sozialleistungsträgers in der Privatinsolvenz (faktisch) aufgehoben.

65

d) Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht - ebenso wie die Aufrechnung - im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers; insoweit handelt es sich bei dem "Kann" in § 52 Halbs 1 und § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I um ein sog "Ermessens-Kann"(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 18; vgl bereits BSG vom 16.9.1981 - BSGE 52, 98, 102 = SozR 1200 § 51 Nr 11 S 27; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11; BSG vom 21.7.1988 - BSGE 64, 17, 23 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 39; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.6.2009 - L 17 R 48/09 - juris RdNr 52; LSG Baden-Württemberg vom 2.7.2009 - L 10 R 2467/08 - juris RdNr 19; ebenso Seewald in Kasseler Komm, SGB I, § 51 RdNr 13a, Stand Einzelkommentierung Oktober 2010; Pflüger in juris PK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 51 RdNr 64-67, Stand Einzelkommentierung Januar 2012 mwN - unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 51 SGB I in BT-Drucks 7/868, S 32: "Der Leistungsträger hat bei der Ausübung seines Ermessens, ob und in welchem Umfang er aufrechnet, auch den Zweck der einzelnen Sozialleistung zu berücksichtigen; …").

66

Mit der Einräumung "echten Ermessens" steht dem die Verrechnung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalls und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 S 1 SGB I). Damit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 S 2 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl § 54 Abs 2 S 2 SGG).

67

Die Anforderungen an eine Ermessensentscheidung sind für die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführte Verrechnung (noch) zu bejahen (dazu unter aa), nicht hingegen für die in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 getroffenen Verrechnungs-Entscheidungen (dazu unter bb). Die Beklagte durfte in diesen Bescheiden auch nicht ausnahmsweise auf eine Begründung verzichten (dazu unter cc).

68

aa) Nach der Begründung im Widerspruchsbescheid (vgl § 95 SGG) hat die Beklagte erkannt, dass ihr im Rahmen der nach § 52 SGB I zu treffenden Verrechnungs-Entscheidung Ermessen zusteht und sie nicht verpflichtet ist, den für die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen nach § 51 Abs 2 SGB I gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Fall auszuschöpfen(vgl in diesem Sinne bereits BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11). Zwar hat sie die Beitragsforderungen der Beigeladenen mit unpfändbaren Rentenzahlungsansprüchen des Klägers verrechnet; sie hat sich jedoch bei der Festsetzung der monatlichen Verrechnungsbeträge ausdrücklich an der besonderen - für den Kläger eigentlich nicht einschlägigen - Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG orientiert. Dem Kläger verblieb in dem hier maßgeblichen Verrechnungszeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 damit deutlich mehr als die zulässige Grenze der laufenden Sozialhilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (s hierzu unter f). Im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen hat die Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Begleichung der Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der im Wesentlichen beitragsfinanzierten Sozialversicherungssysteme nur insoweit den Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Altersrente gegeben. Eine über die ohnehin von Gesetzes wegen zu beachtende Sozialhilfebedürftigkeitsgrenze hinausgehende außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation hatte der Kläger nicht vorgetragen; sie ist auch nicht ersichtlich.

69

bb) Demgegenüber sind in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 keinerlei Ermessenserwägungen der Beklagten zu den dort von ihr geregelten Verrechnungen enthalten.

70

Die Ausführungen in den Bescheiden geben keine Hinweise darauf, dass die Beklagte überhaupt erkannt hat, dass es sich auch bei den dortigen (Folge-)Verrechnungen um Ermessensentscheidungen handelt; sie hat jedenfalls keine entsprechenden Begründungen (mehr) gegeben, obwohl sie zB im Bescheid vom 15.5.2003 den ab 1.7.2003 einbehaltenen Verrechnungsbetrag von zuvor monatlich 34,76 Euro auf monatlich 54,91 Euro und damit um 20,15 Euro (ca 58 %) erhöht sowie den Rentenauszahlungsbetrag von zuvor monatlich 820 Euro auf monatlich 810 Euro reduziert hat. Der pauschale Hinweis der Beklagten, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien, dieser Wert nicht dynamisiert werde und gegenwärtig 810 Euro betrage, reicht nicht aus. Entsprechendes gilt für die Hinweise zu den Verrechnungen in den Bescheiden vom 15.10.2004 und 9.6.2008 im Hinblick auf die Senkung des Beitragssatzes (zur Krankenversicherung) bzw die Rentenanpassung.

71

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 überhaupt kein Ermessen (mehr) ausgeübt hat oder ihr betätigtes Ermessen in diesen Bescheiden lediglich nicht begründet hat. Denn in beiden Fällen treten dieselben Rechtsfolgen der Anfechtung ein; die Bescheide sind im Hinblick auf die Ermessensausübung nicht hinreichend begründet iS des § 35 Abs 1 S 3 SGB X(vgl BSG vom 18.4.2000 - SozR 3-2700 § 76 Nr 2 S 5).

72

cc) Die Voraussetzungen des § 35 Abs 2 SGB X, bei deren Vorliegen ausnahmsweise auf eine (gesonderte) Begründung verzichtet werden kann, liegen hier nicht vor. Danach bedarf es keiner Begründung - außer in anderen, vorliegend von vornherein nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen -, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar war (Nr 2 aaO).

73

Dem Kläger mag zwar durch den Hinweis im Bescheid vom 11.5.2001 zur Verrechnung mit den Zahlungsansprüchen aus seiner Rente wegen EU bekannt gewesen sein, dass der mit der Rente zu verrechnende Betrag bei jeder Änderung der Rentenhöhe (zB durch Rentenanpassungen, Neufeststellungen) von der Beklagten "neu ermittelt" werde. Unabhängig davon, dass bezüglich der Erkennbarkeit (… "ohne weiteres erkennbar" …) iS des § 35 Abs 2 Nr 2 SGB X ein strenger Maßstab(vgl Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 35 RdNr 12; Waschull in LPK, SGB X, 3. Aufl 2011, § 35 RdNr 12) anzulegen ist, ergibt sich jedenfalls allein aus einer solchen pauschalen Mitteilung nicht, welche konkreten Umstände die Beklagte im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens dazu bewogen haben, gerade mit dem jeweils konkret einbehaltenen ("abgetrennten") Betrag zu verrechnen.

74

Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 lässt sich nicht entnehmen, dass - und ggf in welchem Umfang - die dortigen Ermessenserwägungen - etwa im Sinne einer "vorweggenommenen Ermessensausübung" - auf von ihm nicht erfasste Verrechnungszeiträume "fortwirken" sollen; umgekehrt nehmen die nachfolgenden Verrechnungs-Bescheide auch nicht auf die dortigen Ausführungen zum Ermessen (ergänzend) Bezug. Unabhängig davon haben sich diese Bescheide auch nicht innerhalb der Verrechnungs-Entscheidungen im Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (Verrechnung monatlich 34,76 Euro; Auszahlungsbetrag 820 Euro) gehalten, sondern sind zu Ungunsten des Klägers davon abgewichen.

75

e) Angesichts dessen kann offen bleiben, ob die Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 sämtlich oder zum Teil auch deshalb rechtswidrig waren, weil die Beklagte vor deren Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X).

76

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

77

aa) Trotz unterbliebener Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheids vom 10.5.2002 war jedenfalls dieser hinsichtlich der dort geregelten Verrechnung nicht rechtswidrig. Denn dieser Verfahrensfehler ist hier gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Der Kläger hat sich mit seinem Widerspruch zu den für die Verrechnungs-Entscheidung der Beklagten in diesem Bescheid maßgeblichen Tatsachen geäußert. Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 wird zudem deutlich, dass die Beklagte die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Verrechnung zur Kenntnis genommen und bei ihrer (ablehnenden) Entscheidung in Erwägung gezogen, wenn auch nicht für durchschlagend erachtet hat.

78

bb) Demgegenüber hat die Beklagte den Kläger hinsichtlich ihrer Verrechnungs-Entscheidungen in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 weder angehört noch dies mit heilender Wirkung nachgeholt. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob von einer Anhörung zur Verrechnung in Rentenanpassungsbescheiden dann abgesehen werden kann, wenn sich der monatliche Auszahlungsbetrag nicht vermindert. Denn bereits mit Bescheid vom 15.5.2003 wurde ein niedrigerer Betrag (810 Euro) festgesetzt als zuvor mit Bescheid vom 10.5.2002 (820 Euro).

79

f) Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 verfahrensfehlerfrei (s oben bei d aa und e aa) geregelte Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem ihm noch verbleibenden monatlichen Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig im Sinne der hier noch maßgeblichen Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (vgl hierzu BSG vom 15.12.1992 - SozR 3-1200 § 51 Nr 3 S 6).

80

Bei der Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit als Zulässigkeitsgrenze für die Verrechnung nach § 52 iVm § 51 Abs 2 SGB I mit Beitragsforderungen der Beigeladenen ist zunächst festzustellen, welcher Bedarf dem Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum (1.7.2002 bis zum 30.6.2003) gemäß der Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des BSHG zusteht.

81

Der Umfang der Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt war in den §§ 11 ff BSHG geregelt. Nach § 22 Abs 2 BSHG iVm § 2 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) stand dem im Freistaat Sachsen lebenden Kläger(nach der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Anhebung der Regelsätze und der Grundbeträge nach dem BSHG sowie zur Höhe der Blindenhilfe vom 31.5.2002, Sächsisches Amtsblatt 2002, 707) ab 1.7.2002 als Haushaltsvorstand ein monatlicher Regelsatz iHv 279 Euro zu. Zudem hatte der Kläger wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und des Merkzeichens "G" gemäß § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG Anspruch auf einen Mehrbedarf iHv monatlich 55,80 Euro. Zum notwendigen Lebensunterhalt zählen ferner die laufenden Kosten für die Unterkunft (vgl § 12 Abs 1 BSHG, § 3 Regelsatzverordnung). Diese betrugen nach den Feststellungen des LSG für die Mietwohnung des Klägers und seiner Ehefrau im hier maßgeblichen Zeitraum ab 1.10.2002 monatlich 263,77 Euro (zuvor monatlich 257,22 Euro). Für die mit dem Kläger zusammenlebende Ehefrau war als Haushaltsangehörige nach § 2 Abs 3 Nr 4 der Regelsatzverordnung iVm der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 31.5.2002 (aaO) im Freistaat Sachsen ab 1.7.2002 ein monatlicher Bedarf iHv 223,00 Euro anzusetzen.

82

Dem danach berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro ist gemäß § 11 Abs 1 S 2 Halbs 1 BSHG das monatliche Einkommen und das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau gegenüberzustellen. Nach § 76 Abs 1 BSHG gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem BSHG, der Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und der Rente oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden am Leben sowie an Körper und Gesundheit gewährt werden. Der Kläger verfügte im hier maßgeblichen Zeitraum über eine monatliche Nettoaltersrente iHv 820 Euro. Die Ehefrau des Klägers erhielt nach den Feststellungen des LSG eine Rente wegen EU iHv monatlich 646,83 Euro (= 1 265,08 DM). Danach verfügten der Kläger und seine Ehefrau über ein Monatseinkommen iHv 1 466,83 Euro. Dieser Betrag überstieg den berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro deutlich, und zwar um 645,26 Euro.

83

Anhaltspunkte für einen konkret zu beziffernden weiteren Bedarf des Klägers oder seiner Ehefrau nach §§ 11 ff BSHG oder vom vorgenannten anzurechnenden Einkommen gemäß § 76 Abs 2 BSHG abzugsfähige Belastungen (oder für anrechenbares Vermögen des Klägers oder seiner Ehefrau) ergeben sich für den Senat aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht; da gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vom Kläger vorgebracht worden sind, sind sie für den Senat bindend (§ 163 SGG).

84

Damit erweist sich der Verrechnungs-Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (§ 95 SGG) auch insoweit als rechtmäßig.

85

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Behörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Die Behörde ist berechtigt, die Vorlage des Dokumentes zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2004 hinsichtlich der Aufhebung und Rückforderung von Leistungen für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 aufgehoben.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Neufeststellung der Rente des Klägers sowie die Rückforderung einer Überzahlung von 2.190,30 EUR.
Die am ... 1976 geschlossene Ehe des am 1935 geborenen, bei der Beklagten rentenversicherten Klägers wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Heilbronn vom 9. Dezember 1994 (5 F 1520/93) geschieden. Das Urteil sah u. a. vor, dass vom Versicherungskonto des Klägers bei der Beklagten (damals noch Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 690,60 DM bezogen auf das Ehezeitende am 31. August 1993 auf das Versicherungskonto seiner geschiedenen Ehefrau übertragen werden.
Mit Bescheid vom 18. Mai 1995 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 1. Juni 1995. Hierbei wurde ein aus den übertragenen Rentenanwartschaften errechneter Abschlag von 15,5226 Entgeltpunkten (EP) berücksichtigt. Auf den Antrag des Klägers sah die Beklagte unter jeweiliger Neuberechnung der Rente ab 1. Juni bzw. 1. November 1995 mit Bescheid vom 25. Oktober 1996 bzw. 3. März 1997 für die Zeit vom 1. Juni 1995 bis 31. Mai 1996 auf Grund § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) von einer Kürzung ab, ab dem 1. Juni 1996 nahm sie den Abschlag wieder vor. Auf weiteren Antrag des Klägers vom 8. Oktober 1998 berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 17. Dezember 1998 die Rente des Klägers ab 1. April 1998 neu und sah dabei erneut von der Kürzung ab. Gleiches geschah im Bescheid vom 14. November 2002, in welchem die Beklagte die Altersrente des Klägers ab 1. Oktober 2002 „neu berechnete“, tatsächlich aber keinen geänderten Zahlungsbetrag auswies. Der Zahlbetrag der Rente betrug im August 2003 (Beginn des streitigen Zeitraums) 1.693,70 EUR.
Die geschiedene Ehefrau beantragte am 13. Mai 2003 bei der damaligen LVA Baden-Württemberg die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte wies deshalb den Kläger mit Schreiben vom 27. Juni 2003 darauf hin, dass die Rente vorläufig weiter gewährt werde, er aber mit einer Rückforderung der auf dem Versorgungsausgleich entfallenden Leistungen (voraussichtlicher Minderungsbetrag monatlich 405,61 EUR) rechnen müsse. Nachdem die LVA Baden-Württemberg den Rentenantrag der geschiedenen Ehefrau abgelehnt hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 4. September 2003 mit, dass eine Kürzung der Rente zurzeit nicht vorgenommen werde.
Die LVA Baden-Württemberg gewährte der geschiedenen Ehefrau des Klägers Altersrente wegen Schwerbehinderung beginnend ab 1. August 2003. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, übersandte sie dem Kläger eine mit dem Schreiben vom 27. Juni 2003 inhaltsgleiche Mitteilung vom 27. Oktober 2003. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2003 teilte sie ihm mit, dass die Rente dem geschiedenen Ehegatten ab 1. August 2003 gewährt werde und ab diesem Zeitpunkt seine Rente um den Versorgungsausgleichsanteil zu mindern sei. Mit Bescheid vom 6. November 2003 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers ab 1. Januar 2004 entsprechend neu (Zahlbetrag 1.255,64 EUR).
Nach Anhörung berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2003 und Widerspruchsbescheid vom 3. September 2004, dem Kläger am 7. September 2004 zugestellt, die Rente für die Zeit ab 1. August 2003 ebenfalls unter Berücksichtigung der aus dem Versorgungsausgleich folgenden Minderung neu und hob - so ausdrücklich - den Bescheid vom 18. Mai 1995 hinsichtlich der Rentenhöhe auf. Zugleich forderte sie den Kläger zur Erstattung überzahlter 2.190,30 EUR für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 auf, wobei (so die Anlage 1 des Bescheids) im Januar 2004 keine Überzahlung erfolgt war.
Der Kläger hat am 7. Oktober 2004 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er hat seinen bisherigen Vortrag wiederholt. Die Beklagte müsse eine Ermessensentscheidung über die Rückforderung treffen, schon weil seine finanziellen Verhältnisse beengt seien - er müsse weiterhin an seine geschiedene Ehefrau Unterhalt leisten - und er entreichert sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. März 2006 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 15. Dezember 2003 in der Form des Widerspruchsbescheid vom 3. September 2004 dahingehend abgeändert, dass die für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 entstandene Überzahlung vom Kläger durch einen Ratenzahlungsbetrag in Höhe von monatlich 50 EUR zu erstatten sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In der Begründung ist im Wesentlichen der Inhalt des Widerspruchsbescheids wiedergegeben worden.
Der Kläger hat gegen den ihm am 8. März 2006 zugestellten Gerichtsbescheid am 10. April 2006 (Montag) Berufung eingelegt.
10 
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
11 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2004 hinsichtlich der Aufhebung und Rückforderung von Leistungen für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 aufzuheben.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen,
14 
hilfsweise die Revision zuzulassen.
15 
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, auch im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Februar 2003, B 8 KN 6/02 R in SozR 4-2600 § 101 Nr. 1. Für den Kläger sei es auch erkennbar gewesen, dass nicht der Bescheid vom 18. Mai 1995, sondern der (tatsächlich einschlägige) Bescheid vom 17. Dezember 1998 hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben werden sollte.
16 
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
19 
Gegenstand des Rechtsstreites ist ausschließlich der Bescheid vom 15. Dezember 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2004, allerdings lediglich insoweit, als darin die (teilweise) Aufhebung des Bescheides „vom 18.05.1995“ erfolgt und die Erstattung einer Überzahlung geregelt ist. Nur insoweit ficht der Kläger diesen Bescheid an.
20 
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
21 
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]).
22 
Mit der rückwirkenden Bewilligung der Rente an die geschiedene Ehefrau des Klägers zum 1. August 2003 fiel das so genannte "Rentnerprivileg“ des § 101 Abs. 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) weg, d. h. die Rente des Klägers verminderte sich ab diesem Zeitpunkt um den Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich (§ 66 Abs. 1 Nr. 4, §§ 76, 264a SGB VI), was eine tatsächliche wesentliche Änderung darstellt. Diese Änderung betraf jedoch nicht die Regelung im Bescheid vom 18. Mai 1995, den die Beklagte nach dem Wortlaut des hier angefochtene Bescheids aufhob. Denn durch den Bescheid vom 18. Mai 1995 wurde nicht von der Minderung auf Grund des Versorgungsausgleichsanteils abgesehen, sondern diese Kürzung gerade vorgenommen. Eine Berechtigung, den Bescheid vom 18. Mai 1995 aufzuheben, bestand damit nicht. Die Beklagte hätte stattdessen den Bescheid vom 14. November 2002 ändern müssen, jenen Bescheid, mit welchem dem Kläger - weiterhin ohne Minderung auf Grund des Versorgungsausgleichsanteils - die Rente zuletzt (ab 1. Oktober 2002) gewährt worden war.
23 
Daran ändert der Umstand nichts, dass - so die Beklagte - sich mit diesem Bescheid an der Rentenhöhe tatsächlich nichts änderte. Auch insoweit muss sich die Beklagte am Verfügungssatz des Bescheides festhalten lassen, wonach die bisherige Rente „neu berechnet“ und ab 1. Oktober „monatlich 1673,86 EUR gezahlt“ würden. Damit - auch ohne Änderung des bisherigen Zahlbetrages - wurde der zuvor ergangene Rentenbescheid vom 17.12.1998 mit den nachfolgenden Anpassungen für die Zeit ab 1. Oktober 2002 ersetzt.
24 
Hätte nicht der Bescheid vom 14. November 2002, sondern - wie von der Beklagten zuletzt vorgetragen - der Bescheid vom 17. Dezember 1998 geändert werden müssen, ändert sich an der Beurteilung nichts. Denn auch diesen Bescheid hob die Beklagte nicht auf.
25 
Der Bescheid vom 15. Dezember 2003 kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich die Aufhebung auf den Bescheid vom 14. November 2002 (bzw. 17. Dezember 1998) bezieht. Hiergegen spricht schon der klare Wortlaut des Bescheides. Auch ein während des Widerspruchsverfahrens übermitteltes Aufklärungsschreiben vom 5. April 2004 und der Widerspruchsbescheid enthalten keine Ausführungen, auf welchen anderen Bescheid als den vom 18. Mai 1995 sich die Aufhebung beziehen sollte. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung, dahingehend wie ein Adressat des Verwaltungsaktes diesen unter verständiger Würdigung aller bekannten Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben (entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches) zu deuten hat, ist hier nicht möglich. Zwar hat dies das BSG in dem von der Beklagten angeführten Urteil vom 26. Oktober 1989 (4 RA 90/88) in einem - allerdings nur teilweise - vergleichbaren Fall getan. Der Senat kann offen lassen, ob dem im Hinblick auf neuere, die Bestimmtheit des Verwaltungsaktes (§ 33 Abs. 1 SGB X) stärker herausstreichende Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30. März 2004, B 4 RA 36/02 R in SozR 4-2600 § 149 Nr. 1) zu folgen ist. Denn anders als im Fall, der der Entscheidung von 1989 zu Grunde lag, erging für den maßgeblichen Zeitraum nicht nur ein Bescheid, sodass für „einen redlichen Erklärungsempfänger, der mit den Umständen dieses Falles vertraut war, offensichtlich" war (BSG, Urteil vom 26. Oktober 1989, a. a. O.), dass nur dieser Bescheid gemeint sein konnte. Die Beklagte hat vielmehr insgesamt sechs Rentenbescheide erlassen, alle mit einer Rentenberechnung für die Zukunft ohne Befristung. Es bedarf schon einigen Aufwands und einiger Rechtskenntnisse, um den Verlauf der Minderung der Rente des Klägers durch den Versorgungsausgleichsanteil und das zeitweise Absehen von dieser Minderung zu verfolgen und darzustellen. Selbst die Beklagte ist im Verfahren nicht in der Lage gewesen, den tatsächlich aufzuhebenden Bescheid - wie dargelegt jener vom 14. November 2002 - zu erkennen. Eine zweifelsfreie Zuordnung der Aufhebung zum Bescheid vom 14. November 2002 im Sinne einer „Offensichtlichkeit“ kann damit vom Kläger - obwohl er damals schon anwaltlich vertreten war - nicht verlangt werden.
26 
Es bedarf keinen Ausführungen, wie sich die Rechtslage darstellen würde, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid gar nicht datumsmäßig bezeichnet, sondern die (teilweise) Aufhebung nur für Zeit ab dem 1. August 2003 vorgenommen hätte. Denn jedenfalls dann, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid genau bezeichnet, muss sie sich - von offensichtlichen Unrichtigkeiten, die, wie dargelegt, hier aber nicht vorliegen, abgesehen - an dieser Erklärung festhalten lassen, auch wenn sie sich auf Grund einer falschen Beurteilung der Sachlage - hier darüber, welcher Bescheid für die Zeit ab 1. August 2003 Geltung beansprucht - irrt. Schließlich hat sie es in der Hand, durch klare und richtige Verfügungssätze die Rechtslage zu gestalten. Ergibt sich dann aber durch eine datumsmäßige Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides einerseits und des Aufhebungszeitraumes andererseits ein Widerspruch, ist es nicht Sache des Bescheidadressaten, sich die für die Beklagte günstigste Deutung des Bescheides auszusuchen und die dem widersprechenden Teile des Verfügungssatzes als irrelevant zu betrachten. Denn diese Teile bilden nach dem Willen der Beklagten eine Einheit. Dementsprechend wendet sich der Kläger auch ergebnisorientiert gegen die Aufhebung und Rückforderung insgesamt. Die Behauptung der Beklagten, es sei zwischen den Beteiligten völlig unstrittig, dass es um die Aufhebung des formell zutreffenden Bescheides gehe, entbehrt somit jeder Grundlage. Unabhängig hiervon wäre selbst bei der von der Beklagten behaupteten Übereinstimmung nicht anders zu entscheiden. Denn sie trägt vor, sie und der Kläger stimmten - was tatsächlich nicht der Fall ist - überein, dass der Bescheid vom 17. Dezember 1998 aufgehoben werden sollte. Tatsächlich aber hätte - wie dargelegt - der Bescheid vom 1. November 2002 aufgehoben werden müssen. Damit also würde auch das von der Beklagten behauptete übereinstimmende Verständnis nichts daran ändern, dass der falsche Verwaltungsakt aufgehoben wurde.
27 
Schon aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und aufzuheben. Auf die Frage, ob die Beklagte bei der Bescheidaufhebung (ausnahmsweise) Ermessen hätte ausüben müssen, kommt es nicht an.
28 
Einer Aufhebung für den Zeitraum ab 1. August bis 30. November 2003 steht - hierauf wird ergänzend hingewiesen - ein weiterer Grund entgegen.
29 
Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse soll der Verwaltungsakt - soweit hier von Interesse - nur dann aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis vom teilweisen Wegfall des Rentenanspruchs in diesem Sinne kann nach der genannten Entscheidung des BSG vom 26. Februar 2003, B 8 KN 6/02 R in SozR 4-2600 § 101 Nr. 1, der der Senat folgt, aber frühestens mit der Mitteilung über die der geschiedenen Ehefrau gewährten Rente entstehen. Weder das Urteil des Familiengerichts, mit dem der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist, noch Hinweisschreiben des Rentenversicherungsträgers über die Rentenantragstellung des geschiedenen Ehegatten reichen hierfür aus.
30 
Abzustellen ist daher auf die Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom 31. Oktober 2003. Dieses hat der Kläger - wenn man den Rechtsgedanken der Zustellungsfiktion bei Verwaltungsakten (§ 65 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz: Dokument gilt am dritten Tag nach Aufgabe der Post als zugestellt) heranzieht - erst am 3. November 2003 erhalten. Erst zu diesem Zeitpunkt wusste der Kläger, dass seine Rente ab 1. August 2003 zu mindern ist und erst mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt ist eine Änderung des Rentenbescheids nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X möglich. Am 3. November 2003 war aber die Rente für November 2003 schon fällig und bezahlt (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der bis 29. Februar 2004 geltenden Fassung i. V.m. § 41 Erstes Buch Sozialgesetzbuch i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).
31 
Der Beklagten ist zuzubilligen, dass die Situation der Rentenversicherungsträger durchaus als "unbefriedigend“ angesehen werden kann, wenn es ihnen bei rückwirkender Rentengewährung schlichtweg unmöglich ist, die Bösgläubigkeit des aus dem Versorgungsausgleich Verpflichteten zum Zeitpunkt des Rentenbeginns herbeizuführen. Die damit regelmäßig anfallenden Doppelleistungen widersprechen der vom Gesetzgeber angestrebten Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für den Versorgungsträger. Dies berechtigt jedoch nicht dazu, die dem Vertrauensschutz des Ausgleichsberechtigten dienende Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X außer Acht zu lassen oder in anderer Weise auszulegen (BSG, Urteil vom 26. Februar 2003, a. a. O.).
32 
An dieser Beurteilung hat auch die Einfügung der Vorschrift des § 101 Abs. 3 Satz 4 SGB VI durch das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 (BGBl I S. 818) nichts geändert. Sie hat diese vielmehr bestätigt.
33 
Nach § 101 Abs. 3 Satz 4 SGB VI ist in den Fällen von § 5 Satz 1 bis 3 VAHRG der Rentenbescheid des Leistungsberechtigten bei rückwirkender oder erst nachträglich bekannt werdender Rentenleistung aus der Versicherung des anderen Ehegatten oder Lebenspartners mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns dieser Rente aufzuheben; die §§ 24 und 48 des SGB X sind nicht anzuwenden. Die Vorschrift findet jedoch nach dem gleichfalls durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz eingefügten § 268a SGB VI in den Fällen keine Anwendung, in denen vor dem 30. März 2005 die zunächst unterbliebene Kürzung (Rentnerprivileg) und die Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich wirksam geworden ist. Der Gesetzgeber hat hiermit die Konsequenzen aus dem genannten Urteil des BSG vom 26. Februar 2003 gezogen und ist, wie in der Literatur (vgl. Roller, DRV 2003, 541, 545; Fischer, NZS 2004, 523, 524) vorgeschlagen, rechtsändernd tätig geworden. Es mag zutreffen, dass - so die Beklagte - er damit zum Ausdruck gebracht hat, das Urteil des BSG entspreche nicht seinem gesetzgeberischen Willen. Er hat damit aber zugleich deutlich gemacht, dass er das Urteil des BSG akzeptiert und seine Auswirkungen für die Vergangenheit aus Gründen des Vertrauensschutzes (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/4228, S. 29 zu Art. 5 Nr. 2) hinnimmt.
34 
Die Rückforderung überzahlter Rentenleistungen ist gleichfalls rechtswidrig. Denn dies ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur möglich, soweit der Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Da der maßgebliche Bescheid vom 14. November 2002 nicht aufgehoben worden ist (bzw. teilweise hätte auch nicht aufgehoben werden dürfen), kann die Beklagte auch keine hierauf gestützten, bereits erbrachten Leistungen zurückfordern. Es kann deshalb offen bleiben, ob sich die Erstattungsforderung entgegen dem ausdrücklichen Verfügungssatz im Bescheids vom 15. Dezember 2003 nur auf die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2003 bezieht, weil die Berechnung in der Anlage 1 des Bescheids eine Rückforderung für Januar 2004 „0“ ausweist. Denn auch in diesem Fall kann der Kläger die Aufhebung des insoweit unkorrekten Verfügungssatzes verlangen.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
36 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind, insbesondere die Rechtslage durch die genannte Entscheidung des BSG vom 26. Februar 2003 geklärt ist.

Gründe

 
18 
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
19 
Gegenstand des Rechtsstreites ist ausschließlich der Bescheid vom 15. Dezember 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2004, allerdings lediglich insoweit, als darin die (teilweise) Aufhebung des Bescheides „vom 18.05.1995“ erfolgt und die Erstattung einer Überzahlung geregelt ist. Nur insoweit ficht der Kläger diesen Bescheid an.
20 
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
21 
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]).
22 
Mit der rückwirkenden Bewilligung der Rente an die geschiedene Ehefrau des Klägers zum 1. August 2003 fiel das so genannte "Rentnerprivileg“ des § 101 Abs. 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) weg, d. h. die Rente des Klägers verminderte sich ab diesem Zeitpunkt um den Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich (§ 66 Abs. 1 Nr. 4, §§ 76, 264a SGB VI), was eine tatsächliche wesentliche Änderung darstellt. Diese Änderung betraf jedoch nicht die Regelung im Bescheid vom 18. Mai 1995, den die Beklagte nach dem Wortlaut des hier angefochtene Bescheids aufhob. Denn durch den Bescheid vom 18. Mai 1995 wurde nicht von der Minderung auf Grund des Versorgungsausgleichsanteils abgesehen, sondern diese Kürzung gerade vorgenommen. Eine Berechtigung, den Bescheid vom 18. Mai 1995 aufzuheben, bestand damit nicht. Die Beklagte hätte stattdessen den Bescheid vom 14. November 2002 ändern müssen, jenen Bescheid, mit welchem dem Kläger - weiterhin ohne Minderung auf Grund des Versorgungsausgleichsanteils - die Rente zuletzt (ab 1. Oktober 2002) gewährt worden war.
23 
Daran ändert der Umstand nichts, dass - so die Beklagte - sich mit diesem Bescheid an der Rentenhöhe tatsächlich nichts änderte. Auch insoweit muss sich die Beklagte am Verfügungssatz des Bescheides festhalten lassen, wonach die bisherige Rente „neu berechnet“ und ab 1. Oktober „monatlich 1673,86 EUR gezahlt“ würden. Damit - auch ohne Änderung des bisherigen Zahlbetrages - wurde der zuvor ergangene Rentenbescheid vom 17.12.1998 mit den nachfolgenden Anpassungen für die Zeit ab 1. Oktober 2002 ersetzt.
24 
Hätte nicht der Bescheid vom 14. November 2002, sondern - wie von der Beklagten zuletzt vorgetragen - der Bescheid vom 17. Dezember 1998 geändert werden müssen, ändert sich an der Beurteilung nichts. Denn auch diesen Bescheid hob die Beklagte nicht auf.
25 
Der Bescheid vom 15. Dezember 2003 kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich die Aufhebung auf den Bescheid vom 14. November 2002 (bzw. 17. Dezember 1998) bezieht. Hiergegen spricht schon der klare Wortlaut des Bescheides. Auch ein während des Widerspruchsverfahrens übermitteltes Aufklärungsschreiben vom 5. April 2004 und der Widerspruchsbescheid enthalten keine Ausführungen, auf welchen anderen Bescheid als den vom 18. Mai 1995 sich die Aufhebung beziehen sollte. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung, dahingehend wie ein Adressat des Verwaltungsaktes diesen unter verständiger Würdigung aller bekannten Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben (entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches) zu deuten hat, ist hier nicht möglich. Zwar hat dies das BSG in dem von der Beklagten angeführten Urteil vom 26. Oktober 1989 (4 RA 90/88) in einem - allerdings nur teilweise - vergleichbaren Fall getan. Der Senat kann offen lassen, ob dem im Hinblick auf neuere, die Bestimmtheit des Verwaltungsaktes (§ 33 Abs. 1 SGB X) stärker herausstreichende Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30. März 2004, B 4 RA 36/02 R in SozR 4-2600 § 149 Nr. 1) zu folgen ist. Denn anders als im Fall, der der Entscheidung von 1989 zu Grunde lag, erging für den maßgeblichen Zeitraum nicht nur ein Bescheid, sodass für „einen redlichen Erklärungsempfänger, der mit den Umständen dieses Falles vertraut war, offensichtlich" war (BSG, Urteil vom 26. Oktober 1989, a. a. O.), dass nur dieser Bescheid gemeint sein konnte. Die Beklagte hat vielmehr insgesamt sechs Rentenbescheide erlassen, alle mit einer Rentenberechnung für die Zukunft ohne Befristung. Es bedarf schon einigen Aufwands und einiger Rechtskenntnisse, um den Verlauf der Minderung der Rente des Klägers durch den Versorgungsausgleichsanteil und das zeitweise Absehen von dieser Minderung zu verfolgen und darzustellen. Selbst die Beklagte ist im Verfahren nicht in der Lage gewesen, den tatsächlich aufzuhebenden Bescheid - wie dargelegt jener vom 14. November 2002 - zu erkennen. Eine zweifelsfreie Zuordnung der Aufhebung zum Bescheid vom 14. November 2002 im Sinne einer „Offensichtlichkeit“ kann damit vom Kläger - obwohl er damals schon anwaltlich vertreten war - nicht verlangt werden.
26 
Es bedarf keinen Ausführungen, wie sich die Rechtslage darstellen würde, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid gar nicht datumsmäßig bezeichnet, sondern die (teilweise) Aufhebung nur für Zeit ab dem 1. August 2003 vorgenommen hätte. Denn jedenfalls dann, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid genau bezeichnet, muss sie sich - von offensichtlichen Unrichtigkeiten, die, wie dargelegt, hier aber nicht vorliegen, abgesehen - an dieser Erklärung festhalten lassen, auch wenn sie sich auf Grund einer falschen Beurteilung der Sachlage - hier darüber, welcher Bescheid für die Zeit ab 1. August 2003 Geltung beansprucht - irrt. Schließlich hat sie es in der Hand, durch klare und richtige Verfügungssätze die Rechtslage zu gestalten. Ergibt sich dann aber durch eine datumsmäßige Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides einerseits und des Aufhebungszeitraumes andererseits ein Widerspruch, ist es nicht Sache des Bescheidadressaten, sich die für die Beklagte günstigste Deutung des Bescheides auszusuchen und die dem widersprechenden Teile des Verfügungssatzes als irrelevant zu betrachten. Denn diese Teile bilden nach dem Willen der Beklagten eine Einheit. Dementsprechend wendet sich der Kläger auch ergebnisorientiert gegen die Aufhebung und Rückforderung insgesamt. Die Behauptung der Beklagten, es sei zwischen den Beteiligten völlig unstrittig, dass es um die Aufhebung des formell zutreffenden Bescheides gehe, entbehrt somit jeder Grundlage. Unabhängig hiervon wäre selbst bei der von der Beklagten behaupteten Übereinstimmung nicht anders zu entscheiden. Denn sie trägt vor, sie und der Kläger stimmten - was tatsächlich nicht der Fall ist - überein, dass der Bescheid vom 17. Dezember 1998 aufgehoben werden sollte. Tatsächlich aber hätte - wie dargelegt - der Bescheid vom 1. November 2002 aufgehoben werden müssen. Damit also würde auch das von der Beklagten behauptete übereinstimmende Verständnis nichts daran ändern, dass der falsche Verwaltungsakt aufgehoben wurde.
27 
Schon aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und aufzuheben. Auf die Frage, ob die Beklagte bei der Bescheidaufhebung (ausnahmsweise) Ermessen hätte ausüben müssen, kommt es nicht an.
28 
Einer Aufhebung für den Zeitraum ab 1. August bis 30. November 2003 steht - hierauf wird ergänzend hingewiesen - ein weiterer Grund entgegen.
29 
Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse soll der Verwaltungsakt - soweit hier von Interesse - nur dann aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis vom teilweisen Wegfall des Rentenanspruchs in diesem Sinne kann nach der genannten Entscheidung des BSG vom 26. Februar 2003, B 8 KN 6/02 R in SozR 4-2600 § 101 Nr. 1, der der Senat folgt, aber frühestens mit der Mitteilung über die der geschiedenen Ehefrau gewährten Rente entstehen. Weder das Urteil des Familiengerichts, mit dem der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist, noch Hinweisschreiben des Rentenversicherungsträgers über die Rentenantragstellung des geschiedenen Ehegatten reichen hierfür aus.
30 
Abzustellen ist daher auf die Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom 31. Oktober 2003. Dieses hat der Kläger - wenn man den Rechtsgedanken der Zustellungsfiktion bei Verwaltungsakten (§ 65 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz: Dokument gilt am dritten Tag nach Aufgabe der Post als zugestellt) heranzieht - erst am 3. November 2003 erhalten. Erst zu diesem Zeitpunkt wusste der Kläger, dass seine Rente ab 1. August 2003 zu mindern ist und erst mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt ist eine Änderung des Rentenbescheids nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X möglich. Am 3. November 2003 war aber die Rente für November 2003 schon fällig und bezahlt (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der bis 29. Februar 2004 geltenden Fassung i. V.m. § 41 Erstes Buch Sozialgesetzbuch i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).
31 
Der Beklagten ist zuzubilligen, dass die Situation der Rentenversicherungsträger durchaus als "unbefriedigend“ angesehen werden kann, wenn es ihnen bei rückwirkender Rentengewährung schlichtweg unmöglich ist, die Bösgläubigkeit des aus dem Versorgungsausgleich Verpflichteten zum Zeitpunkt des Rentenbeginns herbeizuführen. Die damit regelmäßig anfallenden Doppelleistungen widersprechen der vom Gesetzgeber angestrebten Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für den Versorgungsträger. Dies berechtigt jedoch nicht dazu, die dem Vertrauensschutz des Ausgleichsberechtigten dienende Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X außer Acht zu lassen oder in anderer Weise auszulegen (BSG, Urteil vom 26. Februar 2003, a. a. O.).
32 
An dieser Beurteilung hat auch die Einfügung der Vorschrift des § 101 Abs. 3 Satz 4 SGB VI durch das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 (BGBl I S. 818) nichts geändert. Sie hat diese vielmehr bestätigt.
33 
Nach § 101 Abs. 3 Satz 4 SGB VI ist in den Fällen von § 5 Satz 1 bis 3 VAHRG der Rentenbescheid des Leistungsberechtigten bei rückwirkender oder erst nachträglich bekannt werdender Rentenleistung aus der Versicherung des anderen Ehegatten oder Lebenspartners mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns dieser Rente aufzuheben; die §§ 24 und 48 des SGB X sind nicht anzuwenden. Die Vorschrift findet jedoch nach dem gleichfalls durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz eingefügten § 268a SGB VI in den Fällen keine Anwendung, in denen vor dem 30. März 2005 die zunächst unterbliebene Kürzung (Rentnerprivileg) und die Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich wirksam geworden ist. Der Gesetzgeber hat hiermit die Konsequenzen aus dem genannten Urteil des BSG vom 26. Februar 2003 gezogen und ist, wie in der Literatur (vgl. Roller, DRV 2003, 541, 545; Fischer, NZS 2004, 523, 524) vorgeschlagen, rechtsändernd tätig geworden. Es mag zutreffen, dass - so die Beklagte - er damit zum Ausdruck gebracht hat, das Urteil des BSG entspreche nicht seinem gesetzgeberischen Willen. Er hat damit aber zugleich deutlich gemacht, dass er das Urteil des BSG akzeptiert und seine Auswirkungen für die Vergangenheit aus Gründen des Vertrauensschutzes (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/4228, S. 29 zu Art. 5 Nr. 2) hinnimmt.
34 
Die Rückforderung überzahlter Rentenleistungen ist gleichfalls rechtswidrig. Denn dies ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur möglich, soweit der Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Da der maßgebliche Bescheid vom 14. November 2002 nicht aufgehoben worden ist (bzw. teilweise hätte auch nicht aufgehoben werden dürfen), kann die Beklagte auch keine hierauf gestützten, bereits erbrachten Leistungen zurückfordern. Es kann deshalb offen bleiben, ob sich die Erstattungsforderung entgegen dem ausdrücklichen Verfügungssatz im Bescheids vom 15. Dezember 2003 nur auf die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2003 bezieht, weil die Berechnung in der Anlage 1 des Bescheids eine Rückforderung für Januar 2004 „0“ ausweist. Denn auch in diesem Fall kann der Kläger die Aufhebung des insoweit unkorrekten Verfügungssatzes verlangen.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
36 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind, insbesondere die Rechtslage durch die genannte Entscheidung des BSG vom 26. Februar 2003 geklärt ist.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 5. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2008 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2005 sowie vom 1. Februar bis 30. April 2006 wendet.

Im Übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Landessozialgerichts vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeit-raum von Juni 2005 bis November 2006 aufgehoben und die Erstattung von insgesamt 11 771,66 Euro gefordert hat.

2

Die im Juli 1950 geborene Klägerin war im streitigen Zeitraum alleinstehend und bezog von der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden nur noch Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte gewährte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 8.4.2005) und änderte in der Folge diese Bewilligung für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 bewilligte der Beklagte wiederum Leistungen in wechselnder Höhe (Bescheid vom 11.10.2005) und änderte diese für die Zeit vom 1.2. bis 30.4.2006 (Bescheid vom 13.12.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.5.2006 bis 31.10.2006 bewilligte er Leistungen mit Bescheid vom 18.4.2006 und schließlich für die Zeit vom 1.11.2006 bis 30.4.2007 mit Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006.

3

Der Beklagte erhielt in der Folge Kenntnis davon, dass der Klägerin im Jahr 2005 mehrere kleinere Geldbeträge sowie am 14.12.2005 ein Betrag von 9693,48 Euro aus einer Erbschaft zugeflossen seien. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 hob der Beklagte "die Entscheidungen" vom "8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 11.10.2006" über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 1.6.2005 bis 31.7.2005 und vom 1.10.2005 bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9.2005 bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 vollständig auf. Es folgte die Bezifferung der Aufhebungsbeträge getrennt nach Regelleistung, Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung sowie für Leistungen für Unterkunft und Heizung, insgesamt ergab sich eine Gesamterstattungsforderung in Höhe von 11 771,66 Euro.

4

Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2008 zurückgewiesen. Der Klägerin seien im Jahr 2005 insgesamt 10 793,48 Euro aus einer Erbschaft im Zeitraum von Juni 2005 bis Dezember 2005 zugeflossen. Es ergebe sich, ausgehend von der Aufschlüsselung im Einzelnen, ein monatlich anzurechnender Betrag von 869,46 Euro. Unter Berücksichtigung der im streitbefangenen Zeitraum ausgezahlten Leistungen und der abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung folge daraus ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 11 771,66 Euro. Nicht berücksichtigt werden könnten die Darlehensverpflichtungen der Klägerin. Der Widerspruchsbescheid enthielt darüber hinaus eine Übersicht, von welchen zugeflossenen Beträgen der Beklagte im streitigen Zeitraum jeweils monatlich ausgegangen ist sowie ferner eine nach Monaten differenzierte Übersicht, wie sich der Rückforderungsbetrag nach Auffassung des Beklagten errechnet (insoweit aber ohne Aufschlüsselung nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft).

5

Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat auf die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 23.6.2010 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2008 aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Erbschaft vorliegend um Einkommen oder Vermögen gehandelt habe; ebenso könne offenbleiben, ob der Beklagte die Jahresfrist des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingehalten habe, denn der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008 sei bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil er den Anforderungen des § 33 SGB X an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten nicht genüge. Es müsse die Kennzeichnung des Regelungsgegenstands nach dem bewilligten Betrag, den begünstigten Personen und dem Bewilligungszeitraum erfolgen. Zudem müsse die Aufhebung erkennbar machen, ob sie alle von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid und seinen Änderungen geregelten Bezugsmonate betreffe oder sich auf einzelne Teilzeiträume beschränke, die dann zu benennen seien. Entsprechendes gelte hinsichtlich einer betragsmäßig vollständigen oder lediglich anteiligen Rücknahme. Vorliegend ergebe sich die mangelnde Bestimmtheit schon deshalb, weil gleich drei aufzuhebende Bescheide nicht benannt worden seien.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen seien hinreichend bestimmt. Durch die ausdrückliche Benennung des Aufhebungszeitraums und unter Heranziehung der Begründung sowie ggf vorhandener Anlagen und früher ergangener Bescheide sei der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts jedenfalls einer widerspruchsfreien Auslegung zugänglich. Zudem seien die Aufhebungszeiträume dahingehend konkretisiert worden, ob eine teilweise oder eine vollständige Aufhebung der Bewilligung erfolgt sei. Die Regelung habe nur dahingehend verstanden werden können, dass im Hinblick auf die benannten Zeiträume die Leistungen unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidungen in ihrer jeweils gültigen Fassung aufgehoben werden sollten. Die Benennung der fehlenden Änderungsbescheide sei schriftsätzlich im Klageverfahren nachgeholt worden. Im Übrigen genüge die angegriffene Entscheidung auch im Hinblick auf die Aufhebungssumme den Bestimmtheitsanforderungen, da jedenfalls im Widerspruchsbescheid eine ausführliche und detaillierte Darstellung der monatlichen Einzelbeträge erfolgt sei.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend und führt ergänzend aus, bei fehlender Aufhebung von Bescheiden komme auch keine Erstattung in Betracht.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten (§ 160 Abs 1, § 164 Sozialgerichtsgesetz) ist nur teilweise im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 sowie vom 1.2. bis 30.4.2006 war die Revision dagegen zurückzuweisen, denn insoweit fehlte es an der Aufhebung der auf diese Zeiträume entfallenden Leistungsbescheide (Änderungsbescheide), sodass das LSG insoweit die Berufung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008. Gegen die in diesem Bescheid enthaltenen Verfügungen, die zuvor ergangenen Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 über Leistungen nach dem SGB II vom 1.6. bis 31.7.2005 und vom 1.10. bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9. bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 ganz aufzuheben, und für den Gesamtzeitraum vom 1.6.2005 bis 30.11.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 7286,56 Euro (Regelleistung 5557,51 Euro, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 1729,05 Euro) und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 4485,10 Euro, also insgesamt 11 771,66 Euro zurückzufordern, wendet sich die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).

12

2. Es kann vorliegend über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der vorangegangenen Verwaltungsakte nicht abschließend entschieden werden, weil das LSG im Hinblick auf die von ihm angenommene fehlende Bestimmtheit dieser angefochtenen Verwaltungsakte die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligungsbescheide nicht weiter geprüft hat.

13

a) Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid insoweit auf § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gestützt. Ob er die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 durchgehend auf § 48 SGB X stützen konnte, kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das LSG nicht entschieden werden. Eine Anwendung des § 48 SGB X kommt in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist. § 45 SGB X, der weitergehenden Vertrauensschutz bietet(vgl § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X), findet dagegen Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deshalb geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich folglich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R).

14

Das LSG hat es bereits offen gelassen, ob es sich bei "der Erbschaft", die nach der Aufstellung im Widerspruchsbescheid in mehreren Etappen zugeflossen ist, um zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gehandelt hat; der für die Abgrenzung maßgebliche Zeitpunkt des jeweiligen Einkommenszuflusses (bzw Vermögenserwerbs) ist nicht geprüft worden. Schließlich fehlen auch Feststellungen zur Höhe ggf zu berücksichtigenden Einkommens. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, ob sämtliche Leistungsbewilligungen gemäß § 48 SGB X aufgehoben werden konnten, oder - wofür hier viel spricht - nicht jedenfalls die Bescheide betreffend die Leistungszeiträume ab dem Jahr 2006 nach dem Zufluss des Betrags von 9693,48 Euro im Dezember 2005 bereits anfänglich rechtswidrig waren und eine Aufhebung deshalb nur unter den Voraussetzungen von § 45 SGB X hätte erfolgen dürfen. Erst im Anschluss an diese Prüfung können abschließende Aussagen zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung getroffen werden. Allein der Umstand, dass der Beklagte seine Aufhebungsentscheidung vorliegend ausschließlich auf § 48 SGB X gestützt hat, führt allerdings nicht zum Erfolg der Klage, denn die §§ 45, 48 SGB X haben dasselbe Ziel, weshalb das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig ist(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 36 RdNr 17 mwN).

15

Je nachdem, welche Rechtsgrundlage einschlägig ist, wird das LSG die weiteren Voraussetzungen der jeweiligen Norm zu prüfen haben. Dabei werden auch Feststellungen zur formellen Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids nachzuholen sein, insbesondere zur Durchführung der Anhörung, wobei ungeachtet der in den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen dazu das Erfordernis einer eigenständigen, nicht notwendigerweise förmlichen Anhörung jedenfalls durch das Widerspruchsverfahren gewahrt wäre (vgl BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 17; Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 144/10 R).

16

b) Die vom LSG angenommene Rechtswidrigkeit der Aufhebungsverfügung ergibt sich aber nicht aus der mangelnden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2; Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R). Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung ist also der Empfängerhorizont, für die Beteiligten muss sich aus dem Verfügungssatz vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde will. Unschädlich ist es dabei, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Auslegungsmöglichkeiten finden allerdings ihre Grenze dort, wo es dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (so BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14 sowie BSG vom 29.4.1997 - 4 RA 25/96 - und vom 16.12.1997 - 4 RA 56/96).

17

Der Aufhebungsverwaltungsakt des Beklagten genügt den dargelegten Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis. Es geht aus dem Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides klar und unzweideutig hervor, dass der Beklagte als handelnde Behörde bestimmte, näher bezeichnete Leistungsbescheide, die allein die Klägerin betreffen, ganz oder teilweise aufhebt. Die Aufhebungsverfügungen sind auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil sie nicht monatsweise zwischen der bewilligten Regelleistung und den Leistungen für Unterkunft und Heizung unterschieden hätten. Soweit teilweise vertreten wird, ein Aufhebungsverwaltungsakt sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn er - spiegelbildlich zur Bewilligung - die aufgehobenen Leistungen monatsweise nach Leistungsarten unterscheide, insbesondere also deutlich machte, ob es sich um Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung handele (so LSG Rheinland-Pfalz vom 30.3.2010 - L 3 AS 138/08 - Juris RdNr 54 ff), folgt der Senat dem nicht (ablehnend für die Festsetzung der Erstattungsforderung nach § 50 Abs 1 SGB X bereits Urteil des Senats vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2 RdNr 37). Für den Leistungsberechtigten muss nur erkennbar sein, ob und in welchem Umfang ihm monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleiben, um sein Verhalten daran ausrichten zu können. Jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid hat der Beklagte aber im Einzelnen erkennbar gemacht, welche Bezugsmonate in welchem Umfang von der Aufhebung betroffen sind.

18

Auch die Tatsache, dass der Beklagte im Aufhebungsverwaltungsakt einen Bewilligungsbescheid statt mit "10.10.2006" mit "11.10.2006" bezeichnet hat, hat nicht zur Folge, dass der Verwaltungsakt insgesamt wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig ist. Es handelte sich bei der fehlerhaften Datumsangabe - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt - um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die jederzeit beseitigt werden kann (vgl § 38 SGB X). Die fehlende Aufzählung sämtlicher für die betreffenden Leistungszeiträume relevanter Bewilligungsbescheide ist keine Frage der Bestimmtheit, denn dies wirkt sich lediglich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung aus (dazu unter 3). Die Bestimmtheit des Verwaltungsakts ist deshalb nicht in Frage gestellt.

19

3. Der Erstattungsverwaltungsakt ist teilweise rechtswidrig und war insoweit aufzuheben. Eine Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen kann auf § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X nur gestützt werden, soweit ein Verwaltungsakt (mithin die entsprechende Leistungsbewilligung) aufgehoben worden ist. Dies hat der Beklagte vorliegend hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 versäumt. Zwar ist für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 einerseits und den Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 andererseits der zunächst maßgebliche Bewilligungsbescheid (vom 8.4.2005 bzw vom 11.10.2005) von der Aufhebung erfasst. Im laufenden Bewilligungszeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 hat der Beklagte aber ab dem 1.7.2005 aufgrund einer Änderung der Verhältnisse eine vollständig neue Leistungsbewilligung erlassen, nämlich den Änderungsbescheid vom 22.6.2005. Ebenso hat er für den Bewilligungszeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 mit Änderungsbescheid vom 13.12.2005 vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 eine neue Leistungsbewilligung vorgenommen. Diese beiden Änderungsbescheide sind im Aufhebungsbescheid nicht genannt. Damit ist eine Aufhebung dieser Bescheide nicht verfügt; die Bewilligungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 sind bestandskräftig. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 8.4.2005 und vom 11.10.2005 geht insoweit ins Leere. Eine Erstattung der Leistungen für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 und vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 auf Grundlage von § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X scheidet aus.

20

Wegen des Erstattungsverwaltungsakts im Übrigen ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich, solange nicht feststeht, inwieweit die Aufhebung der übrigen Bewilligungen Bestand hat. Auch für den Erstattungsverwaltungsakt gilt, dass seine mangelnde Bestimmtheit nicht erkennbar ist. Die übrige Prüfung, ob die Erstattungsverfügung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben. Ggf ist die gesamte Erstattungssumme im Hinblick auf die fehlende Aufhebung für einzelne Leistungszeiträume neu zu bestimmen.

21

Das LSG wird ggf über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Mai 2012 aufgehoben und der Rechtstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 6.8.2005 bis 31.1.2006.

2

Die 1983 geborene ledige Klägerin wohnte im streitigen Zeitraum nicht mehr bei ihren Eltern, sondern (zunächst) zur Untermiete mit einer monatlichen Pauschalmiete in Höhe von 180 Euro. Mit Wirkung zum 15.8.2005 unterzeichnete sie einen Mietvertrag über eine 45 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung, für die sie monatlich 200 Euro Grundmiete zzgl 60 Euro Betriebs- und Nebenkosten zu zahlen hatte. Nach einer Ausbildung zur Bürokauffrau bezog sie bis 5.8.2005 Alg in Höhe von 11,99 Euro je Kalendertag. Am 27.7.2005 teilte sie ihrem Arbeitsvermittler bei der Agentur für Arbeit mit, dass sie ab 25.8.2005 eine berufsbildende Schule (BbS) besuchen werde, um die Fachhochschulreife zu erwerben.

3

Ebenfalls am 27.7.2005 beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. In dem am 1.8.2005 ausgefüllten Antragsvordruck gab sie an, keine Ausbildung zu absolvieren und über kein Einkommen zu verfügen (Frage IV). Zu der Frage IX betreffend "Sonstige Ansprüche gegenüber Arbeitgeber, Sozialleistungsträger und Schadenersatzansprüche" machte sie keine Angaben. Der Beklagte bewilligte SGB II-Leistungen für die Zeit vom 6.8.2005 bis 31.1.2006 in Höhe von 511 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 331 Euro, Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 180 Euro), für August 2005 nur anteilige Leistungen in Höhe von insgesamt 442,87 Euro (Bescheid vom 5.9.2005). Am 22.8.2005 beantragte die Klägerin die Bewilligung von BAföG-Leistungen, die ihr erst mit Bescheid vom 30.11.2005 in Höhe von 297 Euro monatlich für die Monate August 2005 bis Juli 2006 unter Berücksichtigung eines Grundbedarfs von 417 Euro, Unterkunftskosten von 64 Euro sowie Anrechnung des Einkommens ihrer Eltern mit dem Vorbehalt einer erneuten Einkommensprüfung zuerkannt wurden.

4

Mit dem SGB II-Fortzahlungsantrag vom 2.2.2006 gab die Klägerin erstmals an, dass sie BAföG beziehe. Auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 15.2.2006 zur beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung und zur Rückforderung teilte sie mit, sie habe den Beklagten bereits am 20.9.2006 telefonisch über den BAföG-Antrag unterrichtet. Ihr sei jedoch die Auskunft erteilt worden, dass sie den Antrag auf SGB II-Leistungen noch nicht zurücknehmen solle, weil sie ansonsten ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten könne. Den BAföG-Bescheid habe sie nach Erhalt am 11.12.2005 an den Beklagten weitergeleitet und vorab in einem Telefonat am 12.12.2005 die Bewilligung von BAföG mitgeteilt.

5

Der Beklagte hob die Bewilligung der SGB II-Leistungen für die Zeit vom 6. bis 31.8.2005 in Höhe von 442,87 Euro und für die Monate September 2005 bis Januar 2006 in Höhe von jeweils 511 Euro/Monat ganz auf. Die Klägerin habe den BAföG-Bescheid erst mit dem Fortzahlungsantrag auf SGB II-Leistungen am 2.2.2006 eingereicht und dadurch ihre Mitteilungspflichten grob fahrlässig verletzt (Bescheid vom 15.5.2006). Mit Widerspruchsbescheid vom 21.9.2006 führte der Beklagte aus, die Klägerin sei durch die Aufnahme ihrer Ausbildung von SGB II-Leistungen ausgeschlossen gewesen. Der bereits bei seinem Erlass rechtswidrige Bewilligungsbescheid habe aufgehoben werden dürfen, weil sie sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Sie habe mit ihrer Unterschrift versichert, Änderungen insbesondere der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen, dies jedoch unterlassen. Ihr habe klar sein müssen, dass der Antrag auf BAföG Auswirkungen auf die bei dem Beklagten beantragten Leistungen haben werde.

6

Das SG hat den Bescheid vom 15.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zum 21.9.2006 aufgehoben (Urteil vom 17.3.2008) und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klägerin könne sich auf Vertrauensschutz berufen. Sie habe in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, wie sich der Bezug von Leistungen nach dem BAföG zu dem SGB II-Anspruch verhalte. Auch ihre Mitteilungspflicht habe sie nicht grob fahrlässig verletzt, weil sie ihrem Arbeitsvermittler den Beginn der Ausbildung angezeigt habe. Der Beklagte habe als Arbeitsgemeinschaft iS von § 44b SGB II im streitigen Zeitraum lediglich die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit als Leistungsträger wahrgenommen. Nach § 44b Abs 4 SGB II teilten sich die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger alle Tatsachen mit, von denen sie Kenntnis erhielten und die für die Leistungen des jeweils anderen Trägers erheblich sein könnten.

7

Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - den Bescheid des Beklagten vom 15.5.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2006 aufgehoben, soweit die Leistungsbewilligung vom 5.9.2005 für die Zeit vom 6. bis 24.8.2005 aufgehoben und eine Erstattung von mehr als 2674,23 Euro gefordert wurde (Urteil vom 9.5.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Rechtmäßigkeit der Höhe der Leistungsbewilligung in dem SGB II-Bescheid vom 5.9.2005 sei nicht zu prüfen. Dessen Bestandskraft führe dazu, dass der Leistungsanspruch und der dem Bewilligungsbescheid zugrunde liegende Sachverhalt nicht von Amts wegen zu überprüfen seien. Die Klägerin sei ab 25.8.2005 vom Bezug von SGB II-Leistungen nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II ausgeschlossen gewesen, weil sie eine nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung absolviert habe. Sie habe durch zumindest unvollständige Angaben die Überzahlung ab 25.8.2005 grob fahrlässig iS des § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X verursacht. Obwohl sie ausdrücklich befragt worden sei, habe sie nicht auf den beabsichtigen BAföG-Antrag hingewiesen und den Beklagten auch nicht unverzüglich über den später gestellten Antrag informiert. Der von ihr behauptete Anruf bei dem Beklagten am 20.9.2005 sei zu spät erfolgt und unerheblich. Ihrer Mitteilungspflicht sei die Klägerin auch nicht dadurch nachgekommen, dass sie ihren Arbeitsvermittler bei der Bundesagentur für Arbeit am 27.7.2005 über den beabsichtigten Besuch der BbS zum Erwerb der Fachhochschulreife informiert habe. Adressat dieser Angabe hätte der Beklagte sein müssen. Zwar habe dieser damals noch in der Rechtsform der ARGE auch die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit bzw umgekehrt die Bundesagentur für Arbeit diejenigen des Grundsicherungsträgers wahrgenommen. Eine Wissenszurechnung komme aber nicht in Betracht, weil die Aufgabenwahrnehmung in zwei unterschiedlichen Behördenstrukturen geschehe. Die Klägerin sei von ihrem Arbeitsvermittler ausdrücklich auf die SGB II-Antragstellung hingewiesen worden. Durch seine Angaben sei ihr bekannt gewesen, dass SGB II-Leistungen in einem "gesonderten Verfahren" bewilligt würden. Die Verletzung der Mitteilungspflicht sei auch grob fahrlässig. Die Klägerin sei darüber belehrt worden, dass sie alle Änderungen in ihren persönlichen Verhältnissen dem Beklagten anzuzeigen habe. Ihr habe - insbesondere nach dem Gespräch beim Arbeitsvermittler - klar sein müssen, dass sie die beabsichtigte Leistung bzw Beantragung von BAföG-Leistungen dem Beklagten gegenüber mitzuteilen hätte. Die Revision sei zuzulassen, weil die Rechtsfrage, ob auch im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Rücknahme nach § 45 SGB X die Berechnungselemente der bestandskräftig bewilligten SGB II-Leistung von Amts wegen überprüft werden müssten, höchstrichterlich nicht eindeutig geklärt sei. Wegen der erhöhten Kosten für Unterkunft und Heizung ab 15.8.2005 sei diese Frage entscheidungserheblich.

8

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, ihr Vertrauen in den Bestand der SGB II-Leistungen sei bereits deshalb schutzwürdig, weil sie dem Arbeitsvermittler bei der Bundesagentur für Arbeit am 27.7.2005 über den Besuch der BbS zum Erwerb der Fachhochschulreife informiert habe. Die vom LSG vorgenommene Differenzierung zwischen den Zuständigkeiten des Arbeitsvermittlers bei der Bundesagentur für Arbeit und eines vermeintlichen Adressaten bei der ARGE könne nicht durchgreifen, weil die Bundesagentur für Arbeit zum damaligen Zeitpunkt Träger von Leistungen nach dem SGB II gewesen sei. Auch bestehe nach § 44b Abs 4 SGB II eine Pflicht zum Austausch der Information zwischen beiden Trägern. Die Ausführungen des LSG stellten keine für ein Urteil tragfähige Grundlage dar, weil nicht erkennbar sei, dass der zuständige Arbeitsvermittler eine Informationsweitergabe nicht beabsichtigt habe. Sie habe nicht gewusst, wie es sich mit dem BAföG und dem Alg II verhalte. Zum damaligen Zeitpunkt habe es auch Mitschüler gegeben, die neben dem BAföG SGB II-Leistungen erhalten hätten. Auch habe das LSG den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes in Bezug auf die Aussage des zuständigen Mitarbeiters des Beklagten völlig außer Betracht gelassen, obwohl hierfür bereits in erster Instanz Beweis durch das Zeugnis der Frau C B angeboten worden sei. Nach Beantragung des BAföG habe sie sich am 20.9.2006 gegen 16:05 Uhr mit dem zuständigen Mitarbeiter des Beklagten in Verbindung gesetzt. Ihr sei mitgeteilt worden, dass sie es bis zur Bewilligung des Bafög bei den SGB II-Leistungen belassen solle, weil ihr Lebensunterhalt ansonsten nicht gesichert sei. Nach der Bewilligung der BAföG-Leistungen habe sie sich am 12.12.2005 um 15:23 Uhr erneut mit dem Beklagten in Verbindung gesetzt (im Berufungsverfahren vorgelegte Einzelverbindungsaufstellungen des Telefonanbieters). Schließlich habe das LSG bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung die Berechnungselemente der bestandskräftig bewilligten SGB II-Leistungen, also auch die zutreffende Höhe der KdU, von Amts wegen prüfen müssen.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Mai 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 17. März 2008 zurückzuweisen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er bezieht sich auf die Ausführungen des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist insoweit begründet, als das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Die bisher getroffenen Feststellungen lassen keine abschließende - positive oder negative - Entscheidung darüber zu, ob und ggf in welchem Umfang der Beklagte berechtigt war, die SGB II-Leistungen für den noch streitigen Zeitraum vom 25.8.2005 bis 31.1.2006 aufzuheben und die Erstattung der erbrachten Leistungen zu verlangen.

13

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Jobcenter (§ 6d SGB I idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) mit Wirkung vom 1.1.2011 als Rechtsnachfolger kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (vgl § 76 Abs 3 S 1 SGB II) getreten sind. Dieser kraft Gesetzes eingetretene Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung des SGB II ist keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen nicht, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(vgl dazu Urteile des Senats vom 18.1.2011 ua - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5).

14

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 15.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2006. Hiergegen wendet sich die Klägerin zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).

15

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die formellen Voraussetzungen für eine Rücknahme oder Aufhebung des Bescheides vom 5.9.2005 gegeben sind. Die Klägerin ist ordnungsgemäß angehört worden. Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dh auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (BSGE 69, 247 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Der Beklagte hat die beabsichtigte Aufhebung der Leistungsbewilligung im Anhörungsschreiben vom 15.2.2006 und im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15.5.2006 darauf gestützt, dass die Klägerin bei dem Antrag auf SGB II-Leistungen nicht angegeben habe, dass sie die Beantragung von BAföG-Leistungen beabsichtige bzw sie - nach entsprechender Antragstellung beim Amt für Ausbildungsförderung - diesen Umstand nicht unverzüglich mitgeteilt habe. Ihr sind insofern die wesentlichen Umstände, die aus Sicht des Beklagten zur Aufhebung der Bewilligungsentscheidung führten, in hinreichendem Umfang mit der Möglichkeit zur Stellungnahme eröffnet worden.

16

Der Bescheid vom 15.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2006 genügt auch den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs 1 SGB X als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (vgl BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - RdNr 18; BSGE 108, 289 ff = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31). Insofern geht aus dem angefochtenen Bescheid vom 15.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2006 hervor, dass der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 5.9.2005 in vollem Umfang aufheben wollte.

17

3. Als Rechtsgrundlage für die Rücknahme bzw Aufhebung des bindenden Bewilligungsbescheides vom 5.9.2005 kommt hier sowohl § 40 SGB II iVm § 45 SGB X als auch § 40 SGB II iVm § 48 SGB X in Betracht. § 45 Abs 1 SGB X regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. § 45 SGB X findet Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll. Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II (in der Fassung bis zum 31.3.2011) iVm § 330 Abs 2 und 3 SGB III ist diese Rechtsfolge jeweils zwingend. Beide Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, ab (vgl zuletzt BSG Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 22/10 R - juris RdNr 16 mwN), knüpfen an unterschiedliche Sachverhalte und Verschuldensvorwürfe im Sinne der subjektiven Voraussetzungen für eine Rücknahme bzw Aufhebung an und haben ggf unterschiedliche Konsequenzen für den Umfang einer rechtmäßigen Aufhebung und Erstattungsforderung. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass einer Rücknahme nach § 45 SGB X nicht schon entgegensteht, dass der Beklagte den Bescheid vom 15.5.2006 zunächst auf § 48 SGB X gestützt hat. Da der angefochtene Bescheid in seinem Verfügungssatz nicht geändert worden ist und die Rücknahme nur mit einer anderen Rechtsgrundlage begründet wird, sind die Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 43 SGB X hier nicht zu prüfen(vgl BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 42 S 138; BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 21 S 61).

18

4. a) Ob sich der Beklagte für die Aufhebung des SGB II-Bewilligungsbescheides vom 5.9.2005 auf § 45 SGB X stützen konnte, kann der Senat aber nicht abschließend beurteilen. Zwar liegt eine anfängliche Rechtswidrigkeit vor. Es sind jedoch noch Feststellungen dazu erforderlich, ob sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen kann.

19

Der Bescheid vom 5.9.2005 war bereits im Zeitpunkt seines Erlasses insoweit rechtswidrig, als der Beklagte über den tatsächlichen Beginn der Ausbildung am 25.8.2005 hinaus SGB II-Leistungen gewährt hat. Ab diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen mehr, weil der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II eingriff. Nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Eine Ausnahme hiervon galt nach § 7 Abs 6 SGB II aF nur für bestimmte Gruppen von Auszubildenden, zu denen die Klägerin nicht gehörte.

20

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) besuchte die Klägerin seit dem 25.8.2005 eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung iS des § 2 Abs 1 Nr 6 BAföG(in der Neufassung des Gesetzes vom 23.12.2003 mit Wirkung vom 1.1.2005). Das LSG hat zutreffend ausgeführt, dass der Besuch der berufsbildenden Schule zum Erwerb der Fachhochschulreife nach § 2 Abs 1 Nr 1 BAföG förderungsfähig ist, weil er eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt(§ 4 Abs 1 Verordnung über Berufsbildende Schulen). Durch die in § 7 Abs 5 S 1 SGB II enthaltene Formulierung ("dem Grunde nach") wird zudem klargestellt, dass es nur auf die abstrakte Förderfähigkeit der Ausbildung ankommt(BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6 RdNr 15; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R). Ein tatsächlicher Bezug der Leistungen zur Ausbildungsförderung ist daher für den Anspruchsausschluss nicht erforderlich (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 7 RdNr 280, Stand 9/12). Dass der Klägerin erst mit Bescheid vom 30.11.2005, also mehr als drei Monate nach Ausbildungsbeginn, BAföG-Leistungen bewilligt worden sind, ist daher für den Eintritt des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II unerheblich. Auch ein Härtefall im Sinne der Regelung des § 7 Abs 5 S 2 SGB II, nach welcher trotz Leistungsausschlusses in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht werden können, ist hier nach den Feststellungen des LSG(§ 163 SGG) nicht gegeben. Das BSG hat auch bereits entschieden, dass der Leistungsausschluss keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet und der Gesetzgeber nicht gehalten ist, außerhalb des besonderen Systems zur Ausbildungsförderung den Lebensunterhalt während der Ausbildung sicherzustellen (BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6 RdNr 28).

21

b) Der Senat kann aber nicht abschließend beurteilen, ob die Rücknahme des SGB II-Bewilligungsbescheids wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit nach § 45 SGB X daran scheitert, dass sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen kann. Nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X scheidet dies aus, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

22

Das LSG hat grob fahrlässig unvollständige Angaben zunächst darin gesehen, dass die Klägerin die Frage IX des am 1.8.2005 ausgefüllten Antragsvordrucks, ob sie (eine) andere Leistung(en) beantragt habe oder dies beabsichtigte, nicht beantwortet habe. Insofern ist es zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei den hier nur denkbaren "unrichtigen Angaben" durch Verschweigen von Umständen regelmäßig auf dasjenige abzustellen ist, was im Antrag abgefragt wird. Auch reicht es aus, wenn - wie hier nach dem SGB II-Antrag durch die weitere Beantragung des BAföG - zwischen dem Antrag und dem Erlass des Bescheids eine Änderung eintritt und der Leistungsempfänger diese Änderung entgegen seiner Mitteilungspflicht nicht mitteilt. Ein solches Unterlassen nach vorheriger Abfrage dieses Umstandes ist bei der Rücknahme der Leistungsbewilligung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit der unrichtigen oder unvollständigen Angabe im Antragsvordruck gleichzusetzen (BSGE 96, 285, 290 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4).

23

c) Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses Handeln grob fahrlässig war. Der Senat folgt dem LSG schon aus Rechtsgründen nicht hinsichtlich der Annahme, dass die Klägerin durch unterlassene Angaben zu einer künftigen BAföG-Beantragung bzw nicht unverzüglicher Mitteilung des späteren BAföG-Antrags zu dem anfänglich rechtswidrigen Bescheid vom 5.9.2005 beigetragen habe. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die unvollständigen oder unzutreffenden ("unrichtigen") Angaben iS des § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X in "wesentlicher Beziehung" unrichtig bzw unvollständig sein müssen und zudem Umstände betreffen müssen, auf denen die fragliche Leistung "beruht". Zwischen der Verletzung der Anzeigepflicht und der Bewilligung der Leistung muss daher ein Zusammenhang in der Weise bestehen, dass die rechtswidrige Leistungsgewährung wesentlich durch die Verletzung der Anzeigepflicht veranlasst worden ist ("Kausalzusammenhang"). Dies beinhaltet, dass es bei richtigen Angaben bzw rechtzeitiger Anzeige des konkret bezeichneten Umstandes nicht zu den anfänglich rechtswidrigen Leistungen gekommen wäre (vgl BSGE 47, 28, 31 = SozR 4100 § 152 Nr 6 S 11). Rechtfertigender Grund für die Antragstellern und Sozialleistungsbeziehern auferlegten Mitteilungspflichten, insbesondere derjenigen nach § 60 Abs 1 Nr 1 SGB I, ist gerade, dass diese Umstände für die fragliche Leistung rechtlich erheblich sind. In diesem Sinne war die beabsichtigte BAföG-Antragstellung bzw der kurz vor der SGB II-Bewilligung dann tatsächlich gestellte BAföG-Antrag kein wesentlicher bzw "erheblicher" Umstand, weil eine anfängliche Rechtswidrigkeit des SGB II-Bescheides iS von § 45 SGB X - auch nach der vom Beklagten erst im Widerspruchsbescheid vertretenen und zutreffenden Rechtsauffassung - nur wegen des tatsächlichen Ausbildungsbeginns ab 25.8.2005, nicht jedoch wegen der zu diesem Zeitpunkt erst beantragten BAföG-Leistungen gegeben war.

24

d) Soweit das LSG eine Verletzung der Mitteilungspflicht angenommen hat, weil die Klägerin - nach Unterrichtung des Arbeitsvermittlers bei der BA am 27.7.2005 - dem Beklagten als nunmehr zuständigen Träger die beabsichtigte Aufnahme der Ausbildung an der berufsbildenden Schule zum Erwerb der Fachhochschulreife nicht (erneut) mitgeteilt habe, handelt es sich zwar um einen Umstand, auf dem die anfänglich rechtswidrige SGB II-Bewilligung beruht. Insofern kann der Senat aber nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Zwar hat das LSG in seinem Urteil erörtert, ob und ggf in welchem Umfang gesonderte Mitteilungspflichten gegenüber dem Beklagten bestanden. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zu einer groben Fahrlässigkeit des Handelns der Klägerin betreffen jedoch allein die unterlassene Mitteilung einer beabsichtigten und dann tatsächlich vorgenommenen BAföG-Beantragung.

25

Bei den insofern noch nachzuholenden Feststellungen zur groben Fahrlässigkeit der Klägerin bezogen auf einen nicht (erneut) mitgeteilten Ausbildungsbeginn dürfte zu berücksichtigen sein, dass es sich im Zusammenwirken der existenzsichernden Leistungen bei Aufnahme einer weiterführenden Ausbildung aus Laiensicht nicht ohne Weiteres aufdrängen musste, dass eine (vorläufige) Weiterzahlung der SGB II-Leistungen mit dem Beginn der tatsächlichen Ausbildung und unabhängig vom Zeitpunkt der Aufnahme der BAföG-Leistungen generell ausschied (§ 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X) und deshalb gerade dem tatsächlichen Ausbildungsbeginn maßgebende Bedeutung zukam (vgl nunmehr auch den durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 mit Wirkung zum 1.4.2011 eingeführten § 27 Abs 4 S 2 SGB II, wonach darlehensweise weiterhin SGB II-Leistungen zumindest für den Monat der Aufnahme einer Ausbildung erbracht werden können). Hiervon geht letztlich auch das LSG aus, weil es dem konkreten, bisher nicht umfassend aufgeklärten Handeln des Arbeitsvermittlers entscheidende Bedeutung beimisst. Insofern dürften noch tatsächliche Feststellungen zu den genauen Umständen der SGB II-Antragstellung über den Arbeitsvermittler der Agentur für Arbeit am 27.7.2005 und dem konkreten Zusammenwirken zwischen der BA und dem Beklagten im Falle der Klägerin in der hier streitigen Anfangszeit des SGB II erforderlich sein. Jedenfalls nach Aktenlage könnte der Vermerk des Arbeitsvermittlers vom 27.7.2005, dass ihr der Antrag auf Alg II ausgehändigt worden sei, im Sinne eines engen Zusammenwirkens und Weitergabe von Informationen auch unabhängig von einer gesonderten SGB II-Antragstellung verstanden worden sein.

26

5. Kommt das LSG nach weiterer Aufklärung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis, dass eine vollständige Rücknahme des Bescheides vom 5.9.2005 nach § 45 SGB X wegen Vertrauensschutzes ausscheidet, ist die Rücknahmeentscheidung ggf als Aufhebung der Leistungsbewilligung wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X (teilweise) rechtmäßig. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. § 48 SGB X ist auch auf anfänglich rechtwidrige Dauerverwaltungsakte anwendbar, wenn sich die Verhältnisse nachträglich ändern. § 45 SGB X sperrt die Aufhebung nach § 48 SGB X wegen einer nachträglichen Änderung in jenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, auf denen die (ursprüngliche) Rechtswidrigkeit nicht beruht, nicht(BSG Urteil vom 11.4.2002 - B 3 P 8/01 R - USK 2002-59, juris RdNr 18; ausführlich Padé in juris-PK § 45 SGB X RdNr 56 ff, 1. Aufl 2013; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 47, S 105). Der Beklagte hat seine Aufhebung mit Bescheid vom 15.5.2006 ebenso wie das Anhörungsschreiben vom 15.2.2006 im Übrigen zunächst darauf gestützt, dass die Klägerin BAföG-Leistungen, also nach § 11 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen, erhalten habe. Auch zur Möglichkeit einer Aufhebung nach § 48 SGB X sind aber noch weitere Feststellungen des LSG erforderlich.

27

Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Hierzu zählen die BAföG-Zahlungen in (vorläufiger) Höhe von 297 Euro monatlich; die in § 11 Abs 1 SGB II normierten Ausnahmen sind hier nicht von Bedeutung. Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II ist nach der Rechtsprechung der für Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG zur sog Zuflusstheorie grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält. Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 2 Abs 2 S 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld/Sozialgeld vom 20.10.2004 ). Insofern fehlen noch Feststellungen des LSG zu dem iS von § 11 Abs 2 SGB II maßgeblichen Zeitpunkt des Zuflusses und zu den vom Einkommen der Klägerin nach § 11 Abs 2 SGB II absetzbaren Beträgen. Auch ist zu prüfen, ob von dem im BAföG-Bescheid vom 30.11.2005 enthaltenen "Vorbehalt einer erneuten Einkommensprüfung" Gebrauch gemacht wurde.

28

6. Bei der Prüfung der Rücknahme- bzw Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten hat aber der Umstand keine Bedeutung, dass die Klägerin ggf Anspruch auf höhere KdU im Rahmen einer schon anfänglich rechtswidrigen SGB II-Bewilligung hätte haben können. Zwar hat sie dies - nach Aktenlage - gegenüber dem Beklagten durch Vorlage von Mietunterlagen geltend gemacht. Auch ist, wenn - wie hier - ein vollständiger oder teilweiser Eingriff in die Bestandskraft der in einer bestimmten Höhe bewilligten SGB II-Leistung erfolgt, dessen Berechtigung grundsätzlich unter Einbeziehung der weiteren, den Grund und die Höhe der bereits bewilligten Leistungen betreffenden Berechnungsfaktoren (unter Berücksichtigung des § 44 SGB X) zu prüfen, soweit Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit ersichtlich oder vorgetragen sind(vgl zu § 48 SGB X: Urteil des Senats vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 26). Hier waren nach der objektiven tatsächlichen und rechtlichen Ausgangslage für den im Revisionsverfahren noch streitigen Aufhebungszeitraum ab Ausbildungsbeginn am 25.8.2005 aber von vorneherein schon deshalb keine höheren SGB II-Leistungen möglich, weil der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II für sämtliche SGB II-Leistungen galt. § 22 Abs 7 SGB II, der abweichend hiervon für Auszubildende mit ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung einen Zuschuss ermöglicht, ist erst mit Wirkung zum 1.8.2006 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) neu eingeführt worden.

29

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen, soweit der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. März 2006 aufgehoben hat.

Im Übrigen wird das bezeichnete Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2007.

2

Die 1958 geborene Klägerin lebte seit Oktober 2004 mit Herrn S. (im Folgenden "S") zusammen, den sie in ihrem Erstantrag zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom 15.10.2004 als ihren Lebensgefährten bezeichnet hatte. Die Klägerin erzielte Erwerbseinkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung, S bis Ende 2005 aus einer Angestelltentätigkeit. Sein Einkommen war jeweils im Folgemonat fällig. Für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligte der Beklagte weiterhin Leistungen nach dem SGB II (Bescheid vom 26.10.2005). Von dem Gesamtbedarf setzte er ein anrechenbares monatliches Erwerbseinkommen der Klägerin in Höhe von 51,82 Euro sowie des S in Höhe von 797,82 Euro ab und bewilligte monatliche Leistungen in Höhe von 344,36 Euro (davon für die Klägerin in Höhe von 231,18 Euro).

3

Die Beschäftigung von S endete zum 31.12.2005. Auf sein Konto wurde am 5.12.2005 ein Betrag in Höhe von 1482,59 Euro (Verwendungszweck "Lohn- und Gehalt 11.2005") sowie am 19.12.2005 ein weiterer Betrag in Höhe von 23 838,11 Euro (Verwendungszweck "Lohn- und Gehalt 12.2005") gutgeschrieben. Hiervon hatte der Beklagte zunächst keine Kenntnis. Ab Januar 2006 erhielt S für die Dauer von 780 Kalendertagen Alg I in Höhe von monatlich 787,80 Euro. Nach Eingang des Alg-Bescheids bei dem Beklagten im Januar 2006 hörte dieser die Klägerin dazu an, dass S im Januar 2006 zwei Einkommen (Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld) erhalten habe und daher Leistungen zu Unrecht bezogen worden seien (Schreiben vom 31.3.2006). Hierzu erklärte S, er habe im Januar 2006 keine zwei Einkommen erzielt, sein letzter Verdienst sei am 19.12.2005 ausgezahlt worden. Sodann bewilligte der Beklagte unter Berücksichtigung des Alg I für den Zeitraum vom 1.2.2006 bis 31.3.2006 SGB II-Leistungen in Höhe von 354,58 Euro, der Klägerin davon in Höhe von 236,19 Euro (Änderungsbescheid vom 31.3.2006). Auf den Fortzahlungsantrag vom 7.4.2006 wurden vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 404,95 Euro (davon für die Klägerin in Höhe von 261,48 Euro) unter Berücksichtigung eines anrechenbaren monatlichen Erwerbseinkommens der Klägerin sowie des Alg I von S festgesetzt (Bescheid vom 24./25.4.2006). Wegen der Anhebung der Regelleistungen ab 1.7.2006 erhöhte der Beklagte die monatlichen Leistungen für die Klägerin auf 274,48 Euro (Änderungsbescheid vom 13.5.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 bewilligte er auf der Grundlage eines Fortzahlungsantrags vom 12.9.2006 weiterhin SGB II-Leistungen unter Anrechnung der Einkünfte (Bescheid vom 14.9.2006).

4

Im Juni 2006 gingen bei dem Beklagten die geforderten Kontoauszüge von S für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.1.2006 ein, nach weiterer Anforderung am 26.9.2006 die Gehaltsabrechnung von S für Dezember 2005. Hieraus ergab sich, dass S neben seinem Lohn für Dezember 2005 in Höhe von 1079,86 Euro auch eine Abfindung in Höhe von 33 406,75 Euro brutto (= 22 758,25 Euro netto) erhalten hatte. Auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 9.1.2007 zu einem unrechtmäßigen Leistungsbezug in Höhe von 4434,09 Euro in der Zeit vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 und einer möglichen Erstattung teilte die Klägerin mit, ihr Lebensgefährte habe seine Unterlagen, auch die Papiere über die Abfindung, persönlich vorgelegt. Die bewilligten Leistungen seien verbraucht.

5

Der Beklagte hob die Entscheidung über die Bewilligung von SGB II-Leistungen gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X ab dem 1.12.2005 ganz auf und ordnete die sofortige Vollziehung der Erstattung an. Wegen der Einkommensverhältnisse des Lebensgefährten sei die Klägerin nicht hilfebedürftig gewesen, weil im Dezember 2005 das Einkommen von November/Dezember 2005 angerechnet und ab Januar 2006 die Abfindung, aufgeteilt auf 15 Monate in Höhe von monatlich 1517,22 Euro, als Einkommen berücksichtigt werde (Bescheid vom 31.1.2007). Den Widerspruch wies der Beklagte mit der Begründung zurück, dass die Klägerin erst im Juni 2006 durch Vorlage der Kontoauszüge den Erhalt einer Abfindung und das zusätzliche Erwerbseinkommen des Partners im Dezember 2005 angezeigt habe. Wegen dieses Einkommens sei die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 aufzuheben. Es seien Leistungen in Höhe von 4434,09 Euro zu erstatten (Widerspruchsbescheid vom 11.12.2007).

6

Das SG hat den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 aufgehoben (Urteil vom 8.6.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung oder Rücknahme vorlägen, weil der Aufhebungs- und Rückerstattungsbescheid sowohl hinsichtlich des Adressaten als auch inhaltlich zu unbestimmt sei und eine geltungserhaltende Reduktion ausscheide.

7

In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat der Beklagte die von ihm eingelegte Berufung teilweise zurückgenommen, soweit die Erstattungsforderung einen Betrag in Höhe von 2808,27 Euro (Leistungsanteil für S) überschreite und dessen Leistungsanteil geltend gemacht werde. Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit sie sich nicht durch Berufungsrücknahme des Beklagten erledigt hat (Urteil vom 19.9.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Rechtsgrundlage der Aufhebung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 sei § 48 Abs 1 S 1 und 2 SGB X, weil durch die zusätzliche Lohnzahlung für den laufenden Monat und die Abfindungszahlung im Dezember 2005 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei. Die Klägerin und S bildeten eine Bedarfsgemeinschaft. Dessen Einkommen sei daher auch bei dem Leistungsanspruch der Klägerin zu berücksichtigen; dies führe zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit ab 1.12.2005. Das sich aus den Lohnzahlungen für November und Dezember ergebende Einkommen von S übersteige den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft. Ab Januar 2006 sei neben dem Alg I die im Dezember zugeflossene Abfindungszahlung mit einem monatlichen Teilbetrag anzurechnen. Die vom Beklagten vorgenommene Festlegung des Verteilzeitraums auf 15 Monate begegne keinen Bedenken. Der "Aggregatzustand" der nach Antragstellung zugeflossenen Abfindung habe sich nicht dadurch verändert, dass im Zuflussmonat auch ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme die Hilfebedürftigkeit entfallen sei. Allein die vorgezogene Auszahlung des Dezemberlohns begründe keine derart geänderten Verhältnisse, die eine "Umwandlung" der einmaligen Einnahme in Vermögen rechtfertigen könne. Eine echte "Überwindung" der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen liege nicht vor. Die Klägerin sei ihrer Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen mindestens grob fahrlässig nicht nachgekommen. Ihre Angabe, bereits im Januar 2006 sei eine Mitteilung über die Abfindungszahlung erfolgt, sei nicht nachvollziehbar. Mit der Einreichung von Kontoauszügen des Partners im April 2006 sei durch eine Manipulation der Kontostände offensichtlich versucht worden, den Erhalt der Abfindung zu verschleiern. Erstmals aus den am 1.6.2006 beim Beklagten eingegangenen Kontoauszügen sei die Zahlung der Nettoabfindung in Höhe von 23 838,11 Euro ersichtlich gewesen. Der Vortrag der Klägerin, über die genauen Einnahmen ihres Partners keine Kenntnis gehabt zu haben, widerspreche ihrem erstinstanzlichen Vorbringen zur Mitteilung der Abfindung bereits im Januar 2006. Es habe sich aufgrund ihrer Kenntnis vom Kauf eines neuen Pkw sowie einer neuen Küche Anfang 2006 mit Barzahlung durch ihren Partner aufdrängen müssen, dass dieser über zusätzliche Einnahmen verfügt habe. Rechtsgrundlage der Aufhebung für die Zeit vom 1.4.2006 bis 31.3.2007 sei § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X. Die rechtswidrigen Leistungsbewilligungen für diesen Zeitraum hätten auf Angaben beruht, die die Klägerin mindestens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Der angefochtene Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 werde hinsichtlich der Aufhebung und der Erstattungsforderung dem Bestimmtheitserfordernis wie auch dem Anhörungserfordernis gerecht. Die Revision sei zuzulassen. Klärungsbedürftig sei, ob eine einmalige Einnahme auch dann weiterhin als Einkommen zu berücksichtigen sei, wenn die Hilfebedürftigkeit für einen Monat nur wegen des Zuflusses von zwei Monatsentgelten aus derselben Beschäftigung (und ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme) beseitigt werde.

8

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, nach der Rechtsprechung des BSG werde der Verteilzeitraum dann unterbrochen, wenn für mindestens einen Monat die Hilfebedürftigkeit - ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme - entfalle (Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R). Ihr Lebensgefährte habe Arbeitsentgelt erhalten, welches die Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Monat aufgehoben habe, ohne dass die Abfindung dabei eine Rolle gespielt habe. Die Vorhersehbarkeit einer möglichen Hilfebedürftigkeit für den Folgemonat sei keine Voraussetzung für die weitere Behandlung der Abfindung als Einkommen. Entscheidend sei das Zuflussprinzip, welches stringent anzuwenden sei.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 8. Juni 2010 zurückzuweisen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er bezieht sich auf die Ausführungen des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, soweit sie die Aufhebung der laufenden Bewilligung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.3.2006 betrifft. Insofern hat das LSG die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu Recht abgewiesen. Wegen der Erstattungsforderung des Beklagten für diesen Zeitraum ist die Revision im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), weil der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden konnte, in welcher Höhe die Erstattung für diese Zeit rechtmäßig ist. Auch soweit der Beklagte die Bewilligungsbescheide für die weiter streitigen Zeiträume vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 und 1.10.2006 bis 31.3.2007 aufgehoben hat und die Erstattung der SGB II-Leistungen begehrt, ist die Revision im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

13

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007, mit dem der Beklagte die Bewilligungsentscheidungen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Klägerin ab 1.12.2005 in vollem Umfang aufgehoben und die Erstattung der ihr vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 erbrachten Leistungen verlangt. Durch seine Erklärungen im Berufungsverfahren hat der Beklagte die Berufung gegen das zusprechende Urteil des SG zurückgenommen, soweit der angefochtene Bescheid die Aufhebung und Erstattung des Individualanspruchs von S betrifft (vgl hierzu BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Gegen den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 wendet sich die Klägerin zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG). Entgegen der Ansicht des LSG enthielt der Ausgangsbescheid vom 31.1.2007 auch bereits eine Erstattungsverfügung und wahrt insgesamt das Bestimmtheitserfordernis. Bezogen auf die Klägerin ist er auch formell rechtmäßig.

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2. Der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung durch den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist eine ordnungsgemäße Anhörung vorausgegangen. Nach § 24 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dh auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (BSGE 69, 247 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 15, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Der Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 9.1.2007 zu dem Einkommenszufluss bei S im Dezember 2005 und zu der beabsichtigten Anrechnung, auch der Abfindung - aufgeteilt auf 15 Monate - für die Zeit ab 1.1.2006, angehört. Er hat ihr vorgehalten, eine Überzahlung verursacht zu haben, indem sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in ihren Verhältnissen nicht angezeigt habe. Schließlich umfasste das Anhörungsschreiben vom 9.1.2007 die Erstattungsforderung, indem der Beklagte darauf hinwies, dass die Klägerin in der Zeit vom 1.12.2005 bis 31.1.2007 Alg II in Höhe von 4434,09 Euro zu Unrecht bezogen und diesen Betrag zu erstatten habe. Hiermit eröffnete er in hinreichendem Umfang die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den objektiven und subjektiven Merkmalen der maßgebenden Rechtsgrundlagen für die Aufhebungsentscheidung.

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3. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz der Entscheidung als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes (BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - RdNr 18; BSGE 108, 289 ff = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31). Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 16, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26; BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38).

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Nach diesen Maßstäben geht aus dem angefochtenen Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 hinreichend bestimmt hervor, dass der Beklagte die Bewilligungsentscheidungen ab 1.12.2005 ausschließlich gegenüber der Klägerin in vollem Umfang aufheben wollte. Dies lässt sich - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - seiner Adressierung, seinem Verfügungssatz sowie seiner Begründung entnehmen. Diese betreffen - ohne Erwähnung der Bedarfsgemeinschaft oder des S - jeweils nur die Klägerin. Der Bestimmtheit eines Aufhebungsbescheides steht insoweit nicht entgegen, dass er nur an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gerichtet ist, wenn die Auslegung - wie hier - ergibt, dass nur dieses Mitglied in Anspruch genommen werden soll (vgl BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16 f). Ebenso ist das Maß der Aufhebung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont für die Klägerin erkennbar auf den Zeitraum ab 1.12.2005 und eine Aufhebung sämtlicher Bewilligungen in vollem Umfang festgelegt. Zwar hat der Beklagte in der "Betreff-Zeile" des Bescheides vom 31.1.2007 nur die den jeweiligen Bewilligungsabschnitt insgesamt regelnden Bescheide vom 26.10.2005, 25.4.2006 und 14.9.2006 aufgeführt. Aus dem Inhalt der weiteren Begründung des Bescheides ergibt sich jedoch für den objektiven Empfänger unzweideutig, dass auch die Änderungsbescheide vom 31.3.2006 und 13.5.2006 erfasst sein sollten, die für jeweils kürzere Zeiträume innerhalb der jeweiligen Bewilligungsabschnitte geringfügig höhere Leistungen festlegten. Einer näheren Differenzierung nach Monaten sowie nach dem Umfang der Aufhebung bezüglich der Leistungsarten (Regelleistung, Kosten der Unterkunft und Heizung) bedurfte es hier wegen der vollumfänglichen Aufhebung nicht, weil für die Klägerin erkennbar war, welche Bezugsmonate von der Aufhebung in vollem Umfang betroffen waren (vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 2 RdNr 16).

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Der Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist auch bezüglich der Erstattungsforderung hinreichend bestimmt. Der Beklagte hat bereits durch die Angabe einer Erstattungsforderung in der "Betreffzeile" des Bescheides vom 31.1.2007 sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Erstattung eine Regelung iS von § 31 SGB X getroffen. Zwar ist die Höhe der zu erstattenden Beträge nicht bereits in diesem Bescheid, sondern erst im Widerspruchsbescheid genannt. Nach den vom LSG zutreffend gewürdigten Einzelfallumständen ist dies jedoch für die Annahme einer Regelung iS des § 31 SGB X sowie auch für die Bestimmtheit der Erstattungsforderung unschädlich, weil zur Höhe der Erstattungsforderung insbesondere auf den Inhalt des Anhörungsschreibens vom 9.1.2007 und die vorangegangenen Bewilligungsbescheide zurückgegriffen werden konnte.

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4. a) Rechtsgrundlage für die Aufhebung der mit Bescheid vom 26.10.2005 für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligten Leistungen ist hier § 40 SGB II, § 330 Abs 3 SGB III, § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist - ohne Ausübung von Ermessen - mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Bezogen auf den Bewilligungsbescheid vom 26.10.2005 ist erst nach dessen Bekanntgabe der Zufluss der doppelten Entgeltzahlung sowie der Abfindung an S erfolgt, sodass unter Berücksichtigung der maßgebenden objektiven tatsächlichen Verhältnisse, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen haben (vgl nur BSG Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 22/10 R - juris RdNr 16 mwN), eine wesentliche Änderung nach Erlass des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, eingetreten ist. Die wesentliche Änderung lag hier darin, dass die Hilfebedürftigkeit der Klägerin und damit eine Anspruchsvoraussetzung für die bewilligten SGB II-Leistungen mit dem Zufluss dieser Beträge ab Dezember 2005 bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 31.3.2006 entfallen ist (vgl für die Zeit ab 1.4.2006 unter 6).

19

b) Zwar konnte die Klägerin ihren von dem Beklagten zutreffend ermittelten Bedarf nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen decken. Sie gehörte aber im gesamten hier streitigen Zeitraum einer Bedarfsgemeinschaft mit S an. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II(idF des Gesetzes vom 30.7.2004 - BGBl I 2014) als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebt. Das LSG hat nach Würdigung der vorliegenden Tatsachen das Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft positiv festgestellt. Es hat die erforderlichen Kriterien für das Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft überprüft und diese im Ergebnis bejaht, indem es in der Art des Zusammenlebens der Klägerin und S eine Partnerschaft, eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft sowie ein gegenseitiges Einstehen bejaht hat. Neben der auch von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellung einer Partnerschaft sah das LSG das erforderliche Einstehen aufgrund der Kontoauszüge des S bestätigt, woraus eine finanzielle Unterstützung der Klägerin ersichtlich war. Ferner wohnten die Klägerin und S seit Oktober 2004 in der gemeinsamen Wohnung (vgl zur auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft zuletzt BSGE 111, 250 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 32). Das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft führt nach § 9 Abs 2 S 1 SGB II dazu, dass bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen sind.

20

Für den Monat Dezember 2005 entfiel die Hilfebedürftigkeit der Klägerin bereits wegen des Zuflusses der Lohnzahlungen an S für November 2005 am 5.12.2005 und für Dezember 2005 am 19.12.2005. Diese stellten Einkommen iS von § 11 SGB II dar, welches als laufende Einnahme gemäß § 2 Abs 2 S 1 Alg II-V für den Monat zu berücksichtigen ist, in dem es zufließt. Bereits das auf den Gesamtbedarf der Klägerin und S anrechenbare Einkommen aus der Lohnzahlung für November 2005 betrug 1104,45 Euro. Auch unter Heranziehung des vom LSG zutreffend ermittelten Gesamtbedarfs von 1095,26 Euro ergibt sich ein Wegfall der Hilfebedürftigkeit der Klägerin in vollem Umfang.

21

c) Auch die weitere vollständige Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 (sowie des Änderungsbescheides vom 31.3.2006) bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 31.3.2006 ist rechtmäßig. Die am 19.12.2005 mit einem Nettobetrag in Höhe von 22 758,25 Euro zugeflossene Abfindung ist anrechenbares Einkommen iS von § 11 SGB II. Zu Abfindungszahlungen haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden, dass für diese vom tatsächlichen Zufluss auszugehen ist und es sich nicht um von der Anrechnung ausgenommene zweckbestimmte Einnahmen nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II handelt(vgl BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24, RdNr 15, BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R - juris RdNr 18).

22

d) Der Verteilzeitraum, in dem das Einkommen aus der Abfindung zu berücksichtigen war, erstreckte sich unter voller Anrechnung auf den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2006. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bleibt eine nach Antragstellung zugeflossene einmalige Einnahme rechtlich auch über den Zuflussmonat und den Bewilligungsabschnitt hinaus zu berücksichtigendes Einkommen. Der Aggregatzustand der Einnahme verändert sich nicht durch eine neue Antragstellung. Das Einkommen mutiert nicht gleichsam zu Vermögen (vgl nur BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 20). Die konkrete Verteilung wird normativ durch § 2 Abs 3 Alg II-V in der Fassung vom 22.8.2005 (BGBl I 2499) bestimmt. Hiernach sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Abweichend davon ist nach S 2 der Regelung eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind. Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen, dh monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag, anzusetzen (§ 2 Abs 3 S 3 Alg II-V). Als unbestimmter Rechtsbegriff ist der einzelfallbezogen zu bestimmende angemessene Zeitraum der Verteilung ausfüllungsbedürftig und unterliegt uneingeschränkter richterlicher Kontrolle. Zulässige Sachgesichtspunkte, die für die Angemessenheit einer Verteilung, die Belassung eines (geringfügigen) Anspruchs auf SGB II-Leistungen bei der Anrechnung und die zeitliche Dauer des Verteilzeitraums maßgebend sein können, sind die Höhe der einmaligen Einnahme, der mögliche Bewilligungszeitraum sowie der Umstand, ob der Hilfebedürftige durch die Höhe des festgesetzten monatlichen Teilbetrags seinen Krankenversicherungsschutz behalten kann (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 29). Zwar liegt grundsätzlich ein Regelfall mit einem Erfordernis zur Aufteilung nach § 2 Abs 3 S 3 Alg II-V vor, wenn der über den SGB II-Bezug vermittelte Krankenversicherungsschutz bei voller Berücksichtigung der Einnahme für mindestens einen Monat entfallen würde. Sind indes - wie hier - höhere Beträge im Streit, welche die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft bei prognostischer Betrachtung auf längere Dauer - hier konkret für einen Zeitraum von über einem Jahr - entfallen ließen, ist eine vollständige Anrechnung ohne Belassung von SGB II-Leistungen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ein solcher Fall liegt hier vor.

23

Allerdings ist der Verteilzeitraum nach der Rechtslage bis zum 31.3.2011 auf ein Jahr, dh hier auf den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2006, zu beschränken. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.4.2011 in Kraft getretenen § 11 Abs 3 S 2 SGB II nF(BGBl I 453) den "Verteilzeitraum" zeitlich eindeutig auf einen Zeitraum von sechs Monaten mit einer nachfolgend nur möglichen Berücksichtigung noch vorhandener Beträge als Vermögen eingegrenzt hat (vgl BT-Drucks 17/3404 S 94), können keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Zu der bis dahin geltenden Rechtslage hat das BSG eine Verteilung über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinaus im Einzelfall als angemessen angesehen, ist jedoch nicht über den Zeitabschnitt von zwölf Monaten hinausgegangen (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32; sa BVerfG Beschluss vom 7.4.2010 - 1 BvR 688/10). Dies berücksichtigt, dass eine Erstreckung über den im Gesetz angelegten maximalen Bewilligungszeitraum von zwölf Monaten (§ 41 SGB II) hinaus Leistungsbezieher mit hohen einmaligen Einnahmen unbillig lange von der Möglichkeit einer Vermögensbildung ausnehmen würde.

24

e) Die Bestimmung eines Verteilzeitraums und die Anrechnung der einmaligen Einnahme auf denselben entfällt hier auch nicht deshalb, weil die Abfindung in einem Monat zufloss, in dem bereits aufgrund der vorhergehenden Entgeltzahlungen an S die Hilfebedürftigkeit entfallen war. Soweit das LSG auf die Entscheidung des Senats vom 30.9.2008 (B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15) Bezug genommen hat, lag ein (abweichender) Sachverhalt zugrunde, weil sich die für die Bewilligung maßgebenden Verhältnisse erst nach Beginn des Verteilzeitraums durch einen Steuerklassenwechsel mit einem höheren monatlichen Nettoeinkommen sowie Wohngeld verändert haben konnten. Die als mögliche Konsequenz diskutierte Unterbrechung des Verteilzeitraums wegen Überwindung der Hilfebedürftigkeit für einen Monat erfasst die vorliegende Konstellation nicht, weil die Hilfebedürftigkeit der Klägerin und S allein im Dezember 2005, also zeitlich bereits vor dem Beginn des Verteilzeitraums wegen der Abfindung im Januar 2006, unterbrochen war. Unabhängig hiervon liegt auch keine Überwindung der Hilfebedürftigkeit vor. Allein die Tatsache, dass die erhöhte Lohnzahlung für November 2005 aus dem Arbeitsverhältnis als einem Dauerrechtsverhältnis zu einem Wegfall der Hilfebedürftigkeit nur in diesem Monat führte, begründete keine geänderten Verhältnisse, die eine "Umwandlung" der einmaligen Einnahme in Vermögen zu rechtfertigen vermögen. Es lag keine echte "Überwindung" der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen vor, weil es sich um ein bloßes Aussetzen der Hilfebedürftigkeit wegen einer höheren Lohnzahlung und einen vom Normalverlauf abweichenden Auszahlungsvorgang ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse handelte.

25

f) Der vollständigen Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 für den bis zum 31.3.2006 laufenden Bewilligungsabschnitt steht auch nicht entgegen, dass die Abfindungszahlung ausweislich der Feststellungen des LSG "für den Kauf eines neuen Pkw sowie einer neuen Küche Anfang 2006 durch ihren Partner" verwendet worden ist. Nähere Angaben zum Umfang des Verbrauchs der Abfindung und zum Zeitpunkt der Anschaffungen fehlen. Für den Bewilligungsabschnitt bis zum 31.3.2006 ist dies jedoch irrelevant. Die Aufhebung der laufenden Bewilligung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X erfolgt schon deshalb, weil nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 und während des laufenden Bewilligungsabschnitts Einkommen tatsächlich zugeflossen ist ("erzielt" im Sinne einer wesentlichen Änderung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X), zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stand und daher im Verteilzeitraum zu berücksichtigen war. Bereits hierin lag die wesentliche Änderung, die dazu führte, dass der Beklagte den Bewilligungsbescheid unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen nicht oder nicht wie geschehen hätte erlassen dürfen (vgl BSG SozR 1300 § 48 Nr 44). Ein späterer Verbrauch als weiteres Ausgabeverhalten des Hilfebedürftigen während des Verteilzeitraums ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Insofern hat der 14. Senat zu Recht betont, dass bei der Anwendung des § 48 SGB X - wegen Nichtanzeige der zugeflossenen Einnahme - mit Wirkung für die Vergangenheit nicht eine aktuelle Bedarfslage ungedeckt blieb - also eine Hilfebedürftigkeit tatsächlich bestand, sondern erst nach Aufhebung der Bewilligung bezogen auf die Vergangenheit und Rückforderung und daher regelmäßig und auch hier erst künftig eine Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Grundsicherung entstehe(vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 15).

26

5. Ausgehend von einer rechtmäßigen Aufhebung der Bewilligung für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 vermochte der Senat anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend zu entscheiden, in welcher Höhe die Erstattungsforderung für diesen Zeitraum rechtmäßig ist. Gemäß § 40 Abs 2 S 1 SGB II in der bis zum 31.3.2006 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) sind - abweichend von § 50 SGB X - 56 vom Hundert der bei der Leistung nach § 19 S 1 Nr 1 und S 2 sowie § 28 berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung, nicht zu erstatten. S 1 gilt nicht in Fällen des § 45 Abs 2 S 3 SGB X(§ 40 Abs 2 S 2 SGB II). Bis zum 31.3.2006 war eine Rückausnahme von der nur reduziert möglichen Rückforderung von Unterkunftskosten bei einer Aufhebung nach § 48 Abs 1 S 2 SGB X gesetzlich nicht vorgesehen. Eine ohnehin nur in engen Grenzen mögliche analoge Anwendung einer Regelung zum Nachteil von Leistungsberechtigen (vgl BSG Urteil des Senats vom 23.8.2012 - B 4 AS 32/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 61 RdNr 24 mwN) scheidet schon deshalb aus, weil die Bezugnahme auf § 48 Abs 1 S 2 SGB X aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 15.10.2003 (vgl BT-Drucks 15/1728 S 190; BT-Drucks 15/1749 S 33) aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf (BT-Drucks 15/1516 = BT-Drucks 15/1638 S 18) gestrichen worden ist (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 40 RdNr 723, Stand 6/2012).

27

Für den Aufhebungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 ist die Erstattungsforderung daher um den in § 40 Abs 2 S 1 SGB II genannten Anteil zu reduzieren. Insofern sind noch Feststellungen des LSG zu den in den aufgehobenen Bewilligungsbescheiden vom 26.10.2005 und 31.3.2006 berücksichtigten (nicht den tatsächlichen) Unterkunftsbedarfen (Aubel in jurisPK-SGB II, § 40 RdNr 135, Stand 12/2012) sowie zur Höhe der für die Heizungs- und Warmwasserversorgung angesetzten Kosten erforderlich.

28

6. a) Soweit die Aufhebung der Bewilligungsbescheide und die Erstattung für die weiter streitigen Bewilligungsabschnitte vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 und 1.10.2006 bis 31.3.2007 betroffen ist, ist die Revision der Klägerin im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

29

Grundlage für die Rücknahme dieser Bescheide ist § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 2 SGB III iVm § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X. Wegen der für einen angemessenen Verteilzeitraum zu berücksichtigenden einmaligen Einnahme aus der Abfindungszahlung können diese Bescheide nur von Beginn an rechtswidrig sein. Einer Rücknahme nach § 45 SGB X steht nicht schon entgegen, dass der Beklagte den Bescheid vom 31.1.2007 auf § 48 SGB X gestützt hat. Da der angefochtene Bescheid in seinem Verfügungssatz nicht geändert worden ist und die Rücknahme nur mit einer anderen Rechtsgrundlage begründet wird, sind die Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 43 SGB X hier nicht zu prüfen(vgl BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 42 S 138; BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 21 S 61). Ein Austausch der Rechtsgrundlage aus dem Bescheid des Beklagten vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist möglich, weil nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt - wegen § 330 Abs 2 SGB III - gleichfalls ohne Ermessensausübung - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit er auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dies ist hier der Fall (vgl hierzu unter d).

30

b) Bezogen auf eine Rücknahme nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X fehlt es aber an tatsächlichen Feststellungen dazu, ob die mit dem streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 aufgehobenen Bewilligungsbescheide vom 24./25.4.2006 und 13.5.2006 (Bewilligungsabschnitt vom 1.4.2006 bis 30.9.2006) und vom 14.9.2006 (Bewilligungsabschnitt vom 1.10.2006 bis 31.3.2007) objektiv anfänglich rechtswidrig iS des § 45 SGB X waren. Dies war der Fall, wenn der Klägerin Leistungen bewilligt worden sind, obwohl sie aufgrund der Abfindungszahlung über noch ausreichend bedarfsdeckendes Einkommen verfügte, also nicht hilfebedürftig war. Zwar spricht hierfür die normative Verteilregelung des § 2 Abs 3 S 3 Alg II-V, die grundsätzlich vorsieht, dass eine einmalige Einnahme - unabhängig vom Ablauf eines Bewilligungsabschnitts und einer erneuten Antragstellung über den angemessenen Zeitraum von zwölf Monaten als oberste Grenze - zu verteilen und weiterhin zu berücksichtigen ist.

31

Aufgrund der rechtlichen Ausgangslage bei § 45 SGB X ist jedoch zu prüfen, ob die von der Klägerin bei den erneuten Antragstellungen am 7.4.2006 und 12.9.2006 angegebene Hilfebedürftigkeit wegen des Nichtvorhandenseins von Mitteln zur Deckung des Lebensunterhalts dennoch tatsächlich gegeben war, weil hier ein (zwischenzeitlicher) Verbrauch der zugeflossenen Mittel geltend gemacht wird. Waren die Mittel aus der Abfindung tatsächlich und unwiederbringlich verbraucht, standen "bereite Mittel" also bei den erneuten Bewilligungen tatsächlich - auch nicht als Restbeträge - zur Verfügung, erweisen sich diese nicht als anfänglich rechtswidrig iS von § 45 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Insofern haben die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber der nur normativen und als Berechnungsgrundlage zu verstehenden Regelung des § 2 Abs 3 Alg II-V den Vorrang(Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, RdNr 9 zu § 11; aA LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 27.4.2010 - L 3 AS 79/08 - und LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 15.4.2011 - L 13 AS 333/10 - RdNr 34 f; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 16 f mit Verweis auf § 34 SGB II). Ist nach weiteren Feststellungen des LSG eine anfängliche Rechtswidrigkeit der bezeichneten Bewilligungsbescheide zu bejahen, ist weiter zu prüfen, ob - nach Ablauf des zwölfmonatigen Verteilzeitraums zum 31.12.2006 - ein ggf noch vorhandener Betrag aus der Abfindung als zu berücksichtigendes Vermögen die Rücknahme der bestandskräftigen Bewilligung auch für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.3.2007 rechtfertigen konnte. Auch insofern müssten allerdings die formellen Voraussetzungen (§ 24 SGB X) zu bejahen sein.

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c) Das LSG wird also zu prüfen haben, ob, in welcher Höhe und wann die Abfindungszahlung für die Anschaffung eines Pkw sowie einer Küche bereits Anfang 2006 verwendet und daher (auch) etwaige Restbeträge aus der Abfindung bei der Antragstellung und Bewilligung im April 2006 bzw September 2006 nicht mehr vorhanden waren und auch nicht realisiert werden konnten. Insofern liegt die objektive Feststellungslast für das Vorliegen einer anfänglichen Rechtswidrigkeit - nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts - zwar grundsätzlich bei der Behörde. Es dürfte aber eine Beweislastumkehr zu erwägen sein. Diese hat das BSG zB für tatsächliche Fallgestaltungen anerkannt, in denen der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl insgesamt BSGE 95, 57, 64 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6; auch BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5). Die in arbeitsförderungsrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Senate haben dies vor allem bei unterlassenen Angaben zu Vermögenswerten bei der Antragstellung angenommen (BSGE 96, 238, 245 f = SozR 4-4220 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 10/06 R).

33

d) Kommt das LSG nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine anfängliche Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bewilligungsbescheide vorlag, wird es davon ausgehen können, dass diese auf Angaben beruhte, die die Klägerin als Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dem gleichzustellen ist eine vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassene Mitteilung von wesentlichen Änderungen in den Verhältnissen, welche kausal zu der Leistungsbewilligung geführt hat (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

34

Auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, dass weder die Klägerin noch S die Zahlung der Abfindung vor Erlass der Bewilligungsbescheide vom 24./25.4.2006 und 14.9.2006 mitgeteilt haben. Hierzu wären sie jedoch verpflichtet gewesen, weil die Zahlung der Abfindung erkennbar eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen bewirkt hat. Das LSG hat zutreffend erst die Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnung zum 26.9.2006 als maßgeblichen Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Beklagten hinsichtlich der einmaligen Einnahme in Form der Abfindung angesehen. Vor diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte nur bruchstückhafte Informationen über einen generellen Geldzufluss erhalten, ohne dass sich aus diesen die Zahlung einer einmaligen Einnahme hat erkennen lassen. Der Klägerin ist schließlich zumindest der Schuldvorwurf eines grob fahrlässigen Handelns zu machen. Den Antragsunterlagen zum Bewilligungsabschnitt ab dem 1.4.2006 waren die - vom LSG als manipuliert bewerteten - Kontoauszüge von S ua für den Monat Dezember 2005 beigefügt, die einen unzutreffenden Kontostand in Höhe von nur 959,73 Euro anstatt von 6959,73 Euro enthielten. Die unrichtige Angabe wirkte sich sowohl auf den Bewilligungsbescheid vom 24./25.4.2006 als auch auf denjenigen vom 14.9.2006 aus, weil die Angabe aus April 2006 bis zur Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnung am 26.9.2006 "fortwirkte".

35

7. Die Höhe der Erstattungsforderung ist von der weiteren Sachaufklärung des LSG zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung abhängig. Das LSG hat zu Recht die bereits mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 13.9.2006 für Juni bis September 2006 zurückgeforderten Leistungen in Höhe von 62,80 Euro berücksichtigt. Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2004 hinsichtlich der Aufhebung und Rückforderung von Leistungen für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 aufgehoben.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Neufeststellung der Rente des Klägers sowie die Rückforderung einer Überzahlung von 2.190,30 EUR.
Die am ... 1976 geschlossene Ehe des am 1935 geborenen, bei der Beklagten rentenversicherten Klägers wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Heilbronn vom 9. Dezember 1994 (5 F 1520/93) geschieden. Das Urteil sah u. a. vor, dass vom Versicherungskonto des Klägers bei der Beklagten (damals noch Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 690,60 DM bezogen auf das Ehezeitende am 31. August 1993 auf das Versicherungskonto seiner geschiedenen Ehefrau übertragen werden.
Mit Bescheid vom 18. Mai 1995 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 1. Juni 1995. Hierbei wurde ein aus den übertragenen Rentenanwartschaften errechneter Abschlag von 15,5226 Entgeltpunkten (EP) berücksichtigt. Auf den Antrag des Klägers sah die Beklagte unter jeweiliger Neuberechnung der Rente ab 1. Juni bzw. 1. November 1995 mit Bescheid vom 25. Oktober 1996 bzw. 3. März 1997 für die Zeit vom 1. Juni 1995 bis 31. Mai 1996 auf Grund § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) von einer Kürzung ab, ab dem 1. Juni 1996 nahm sie den Abschlag wieder vor. Auf weiteren Antrag des Klägers vom 8. Oktober 1998 berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 17. Dezember 1998 die Rente des Klägers ab 1. April 1998 neu und sah dabei erneut von der Kürzung ab. Gleiches geschah im Bescheid vom 14. November 2002, in welchem die Beklagte die Altersrente des Klägers ab 1. Oktober 2002 „neu berechnete“, tatsächlich aber keinen geänderten Zahlungsbetrag auswies. Der Zahlbetrag der Rente betrug im August 2003 (Beginn des streitigen Zeitraums) 1.693,70 EUR.
Die geschiedene Ehefrau beantragte am 13. Mai 2003 bei der damaligen LVA Baden-Württemberg die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte wies deshalb den Kläger mit Schreiben vom 27. Juni 2003 darauf hin, dass die Rente vorläufig weiter gewährt werde, er aber mit einer Rückforderung der auf dem Versorgungsausgleich entfallenden Leistungen (voraussichtlicher Minderungsbetrag monatlich 405,61 EUR) rechnen müsse. Nachdem die LVA Baden-Württemberg den Rentenantrag der geschiedenen Ehefrau abgelehnt hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 4. September 2003 mit, dass eine Kürzung der Rente zurzeit nicht vorgenommen werde.
Die LVA Baden-Württemberg gewährte der geschiedenen Ehefrau des Klägers Altersrente wegen Schwerbehinderung beginnend ab 1. August 2003. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, übersandte sie dem Kläger eine mit dem Schreiben vom 27. Juni 2003 inhaltsgleiche Mitteilung vom 27. Oktober 2003. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2003 teilte sie ihm mit, dass die Rente dem geschiedenen Ehegatten ab 1. August 2003 gewährt werde und ab diesem Zeitpunkt seine Rente um den Versorgungsausgleichsanteil zu mindern sei. Mit Bescheid vom 6. November 2003 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers ab 1. Januar 2004 entsprechend neu (Zahlbetrag 1.255,64 EUR).
Nach Anhörung berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2003 und Widerspruchsbescheid vom 3. September 2004, dem Kläger am 7. September 2004 zugestellt, die Rente für die Zeit ab 1. August 2003 ebenfalls unter Berücksichtigung der aus dem Versorgungsausgleich folgenden Minderung neu und hob - so ausdrücklich - den Bescheid vom 18. Mai 1995 hinsichtlich der Rentenhöhe auf. Zugleich forderte sie den Kläger zur Erstattung überzahlter 2.190,30 EUR für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 auf, wobei (so die Anlage 1 des Bescheids) im Januar 2004 keine Überzahlung erfolgt war.
Der Kläger hat am 7. Oktober 2004 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er hat seinen bisherigen Vortrag wiederholt. Die Beklagte müsse eine Ermessensentscheidung über die Rückforderung treffen, schon weil seine finanziellen Verhältnisse beengt seien - er müsse weiterhin an seine geschiedene Ehefrau Unterhalt leisten - und er entreichert sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. März 2006 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 15. Dezember 2003 in der Form des Widerspruchsbescheid vom 3. September 2004 dahingehend abgeändert, dass die für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 entstandene Überzahlung vom Kläger durch einen Ratenzahlungsbetrag in Höhe von monatlich 50 EUR zu erstatten sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In der Begründung ist im Wesentlichen der Inhalt des Widerspruchsbescheids wiedergegeben worden.
Der Kläger hat gegen den ihm am 8. März 2006 zugestellten Gerichtsbescheid am 10. April 2006 (Montag) Berufung eingelegt.
10 
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
11 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2004 hinsichtlich der Aufhebung und Rückforderung von Leistungen für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 aufzuheben.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen,
14 
hilfsweise die Revision zuzulassen.
15 
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, auch im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Februar 2003, B 8 KN 6/02 R in SozR 4-2600 § 101 Nr. 1. Für den Kläger sei es auch erkennbar gewesen, dass nicht der Bescheid vom 18. Mai 1995, sondern der (tatsächlich einschlägige) Bescheid vom 17. Dezember 1998 hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben werden sollte.
16 
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
19 
Gegenstand des Rechtsstreites ist ausschließlich der Bescheid vom 15. Dezember 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2004, allerdings lediglich insoweit, als darin die (teilweise) Aufhebung des Bescheides „vom 18.05.1995“ erfolgt und die Erstattung einer Überzahlung geregelt ist. Nur insoweit ficht der Kläger diesen Bescheid an.
20 
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
21 
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]).
22 
Mit der rückwirkenden Bewilligung der Rente an die geschiedene Ehefrau des Klägers zum 1. August 2003 fiel das so genannte "Rentnerprivileg“ des § 101 Abs. 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) weg, d. h. die Rente des Klägers verminderte sich ab diesem Zeitpunkt um den Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich (§ 66 Abs. 1 Nr. 4, §§ 76, 264a SGB VI), was eine tatsächliche wesentliche Änderung darstellt. Diese Änderung betraf jedoch nicht die Regelung im Bescheid vom 18. Mai 1995, den die Beklagte nach dem Wortlaut des hier angefochtene Bescheids aufhob. Denn durch den Bescheid vom 18. Mai 1995 wurde nicht von der Minderung auf Grund des Versorgungsausgleichsanteils abgesehen, sondern diese Kürzung gerade vorgenommen. Eine Berechtigung, den Bescheid vom 18. Mai 1995 aufzuheben, bestand damit nicht. Die Beklagte hätte stattdessen den Bescheid vom 14. November 2002 ändern müssen, jenen Bescheid, mit welchem dem Kläger - weiterhin ohne Minderung auf Grund des Versorgungsausgleichsanteils - die Rente zuletzt (ab 1. Oktober 2002) gewährt worden war.
23 
Daran ändert der Umstand nichts, dass - so die Beklagte - sich mit diesem Bescheid an der Rentenhöhe tatsächlich nichts änderte. Auch insoweit muss sich die Beklagte am Verfügungssatz des Bescheides festhalten lassen, wonach die bisherige Rente „neu berechnet“ und ab 1. Oktober „monatlich 1673,86 EUR gezahlt“ würden. Damit - auch ohne Änderung des bisherigen Zahlbetrages - wurde der zuvor ergangene Rentenbescheid vom 17.12.1998 mit den nachfolgenden Anpassungen für die Zeit ab 1. Oktober 2002 ersetzt.
24 
Hätte nicht der Bescheid vom 14. November 2002, sondern - wie von der Beklagten zuletzt vorgetragen - der Bescheid vom 17. Dezember 1998 geändert werden müssen, ändert sich an der Beurteilung nichts. Denn auch diesen Bescheid hob die Beklagte nicht auf.
25 
Der Bescheid vom 15. Dezember 2003 kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich die Aufhebung auf den Bescheid vom 14. November 2002 (bzw. 17. Dezember 1998) bezieht. Hiergegen spricht schon der klare Wortlaut des Bescheides. Auch ein während des Widerspruchsverfahrens übermitteltes Aufklärungsschreiben vom 5. April 2004 und der Widerspruchsbescheid enthalten keine Ausführungen, auf welchen anderen Bescheid als den vom 18. Mai 1995 sich die Aufhebung beziehen sollte. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung, dahingehend wie ein Adressat des Verwaltungsaktes diesen unter verständiger Würdigung aller bekannten Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben (entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches) zu deuten hat, ist hier nicht möglich. Zwar hat dies das BSG in dem von der Beklagten angeführten Urteil vom 26. Oktober 1989 (4 RA 90/88) in einem - allerdings nur teilweise - vergleichbaren Fall getan. Der Senat kann offen lassen, ob dem im Hinblick auf neuere, die Bestimmtheit des Verwaltungsaktes (§ 33 Abs. 1 SGB X) stärker herausstreichende Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30. März 2004, B 4 RA 36/02 R in SozR 4-2600 § 149 Nr. 1) zu folgen ist. Denn anders als im Fall, der der Entscheidung von 1989 zu Grunde lag, erging für den maßgeblichen Zeitraum nicht nur ein Bescheid, sodass für „einen redlichen Erklärungsempfänger, der mit den Umständen dieses Falles vertraut war, offensichtlich" war (BSG, Urteil vom 26. Oktober 1989, a. a. O.), dass nur dieser Bescheid gemeint sein konnte. Die Beklagte hat vielmehr insgesamt sechs Rentenbescheide erlassen, alle mit einer Rentenberechnung für die Zukunft ohne Befristung. Es bedarf schon einigen Aufwands und einiger Rechtskenntnisse, um den Verlauf der Minderung der Rente des Klägers durch den Versorgungsausgleichsanteil und das zeitweise Absehen von dieser Minderung zu verfolgen und darzustellen. Selbst die Beklagte ist im Verfahren nicht in der Lage gewesen, den tatsächlich aufzuhebenden Bescheid - wie dargelegt jener vom 14. November 2002 - zu erkennen. Eine zweifelsfreie Zuordnung der Aufhebung zum Bescheid vom 14. November 2002 im Sinne einer „Offensichtlichkeit“ kann damit vom Kläger - obwohl er damals schon anwaltlich vertreten war - nicht verlangt werden.
26 
Es bedarf keinen Ausführungen, wie sich die Rechtslage darstellen würde, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid gar nicht datumsmäßig bezeichnet, sondern die (teilweise) Aufhebung nur für Zeit ab dem 1. August 2003 vorgenommen hätte. Denn jedenfalls dann, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid genau bezeichnet, muss sie sich - von offensichtlichen Unrichtigkeiten, die, wie dargelegt, hier aber nicht vorliegen, abgesehen - an dieser Erklärung festhalten lassen, auch wenn sie sich auf Grund einer falschen Beurteilung der Sachlage - hier darüber, welcher Bescheid für die Zeit ab 1. August 2003 Geltung beansprucht - irrt. Schließlich hat sie es in der Hand, durch klare und richtige Verfügungssätze die Rechtslage zu gestalten. Ergibt sich dann aber durch eine datumsmäßige Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides einerseits und des Aufhebungszeitraumes andererseits ein Widerspruch, ist es nicht Sache des Bescheidadressaten, sich die für die Beklagte günstigste Deutung des Bescheides auszusuchen und die dem widersprechenden Teile des Verfügungssatzes als irrelevant zu betrachten. Denn diese Teile bilden nach dem Willen der Beklagten eine Einheit. Dementsprechend wendet sich der Kläger auch ergebnisorientiert gegen die Aufhebung und Rückforderung insgesamt. Die Behauptung der Beklagten, es sei zwischen den Beteiligten völlig unstrittig, dass es um die Aufhebung des formell zutreffenden Bescheides gehe, entbehrt somit jeder Grundlage. Unabhängig hiervon wäre selbst bei der von der Beklagten behaupteten Übereinstimmung nicht anders zu entscheiden. Denn sie trägt vor, sie und der Kläger stimmten - was tatsächlich nicht der Fall ist - überein, dass der Bescheid vom 17. Dezember 1998 aufgehoben werden sollte. Tatsächlich aber hätte - wie dargelegt - der Bescheid vom 1. November 2002 aufgehoben werden müssen. Damit also würde auch das von der Beklagten behauptete übereinstimmende Verständnis nichts daran ändern, dass der falsche Verwaltungsakt aufgehoben wurde.
27 
Schon aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und aufzuheben. Auf die Frage, ob die Beklagte bei der Bescheidaufhebung (ausnahmsweise) Ermessen hätte ausüben müssen, kommt es nicht an.
28 
Einer Aufhebung für den Zeitraum ab 1. August bis 30. November 2003 steht - hierauf wird ergänzend hingewiesen - ein weiterer Grund entgegen.
29 
Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse soll der Verwaltungsakt - soweit hier von Interesse - nur dann aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis vom teilweisen Wegfall des Rentenanspruchs in diesem Sinne kann nach der genannten Entscheidung des BSG vom 26. Februar 2003, B 8 KN 6/02 R in SozR 4-2600 § 101 Nr. 1, der der Senat folgt, aber frühestens mit der Mitteilung über die der geschiedenen Ehefrau gewährten Rente entstehen. Weder das Urteil des Familiengerichts, mit dem der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist, noch Hinweisschreiben des Rentenversicherungsträgers über die Rentenantragstellung des geschiedenen Ehegatten reichen hierfür aus.
30 
Abzustellen ist daher auf die Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom 31. Oktober 2003. Dieses hat der Kläger - wenn man den Rechtsgedanken der Zustellungsfiktion bei Verwaltungsakten (§ 65 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz: Dokument gilt am dritten Tag nach Aufgabe der Post als zugestellt) heranzieht - erst am 3. November 2003 erhalten. Erst zu diesem Zeitpunkt wusste der Kläger, dass seine Rente ab 1. August 2003 zu mindern ist und erst mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt ist eine Änderung des Rentenbescheids nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X möglich. Am 3. November 2003 war aber die Rente für November 2003 schon fällig und bezahlt (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der bis 29. Februar 2004 geltenden Fassung i. V.m. § 41 Erstes Buch Sozialgesetzbuch i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).
31 
Der Beklagten ist zuzubilligen, dass die Situation der Rentenversicherungsträger durchaus als "unbefriedigend“ angesehen werden kann, wenn es ihnen bei rückwirkender Rentengewährung schlichtweg unmöglich ist, die Bösgläubigkeit des aus dem Versorgungsausgleich Verpflichteten zum Zeitpunkt des Rentenbeginns herbeizuführen. Die damit regelmäßig anfallenden Doppelleistungen widersprechen der vom Gesetzgeber angestrebten Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für den Versorgungsträger. Dies berechtigt jedoch nicht dazu, die dem Vertrauensschutz des Ausgleichsberechtigten dienende Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X außer Acht zu lassen oder in anderer Weise auszulegen (BSG, Urteil vom 26. Februar 2003, a. a. O.).
32 
An dieser Beurteilung hat auch die Einfügung der Vorschrift des § 101 Abs. 3 Satz 4 SGB VI durch das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 (BGBl I S. 818) nichts geändert. Sie hat diese vielmehr bestätigt.
33 
Nach § 101 Abs. 3 Satz 4 SGB VI ist in den Fällen von § 5 Satz 1 bis 3 VAHRG der Rentenbescheid des Leistungsberechtigten bei rückwirkender oder erst nachträglich bekannt werdender Rentenleistung aus der Versicherung des anderen Ehegatten oder Lebenspartners mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns dieser Rente aufzuheben; die §§ 24 und 48 des SGB X sind nicht anzuwenden. Die Vorschrift findet jedoch nach dem gleichfalls durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz eingefügten § 268a SGB VI in den Fällen keine Anwendung, in denen vor dem 30. März 2005 die zunächst unterbliebene Kürzung (Rentnerprivileg) und die Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich wirksam geworden ist. Der Gesetzgeber hat hiermit die Konsequenzen aus dem genannten Urteil des BSG vom 26. Februar 2003 gezogen und ist, wie in der Literatur (vgl. Roller, DRV 2003, 541, 545; Fischer, NZS 2004, 523, 524) vorgeschlagen, rechtsändernd tätig geworden. Es mag zutreffen, dass - so die Beklagte - er damit zum Ausdruck gebracht hat, das Urteil des BSG entspreche nicht seinem gesetzgeberischen Willen. Er hat damit aber zugleich deutlich gemacht, dass er das Urteil des BSG akzeptiert und seine Auswirkungen für die Vergangenheit aus Gründen des Vertrauensschutzes (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/4228, S. 29 zu Art. 5 Nr. 2) hinnimmt.
34 
Die Rückforderung überzahlter Rentenleistungen ist gleichfalls rechtswidrig. Denn dies ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur möglich, soweit der Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Da der maßgebliche Bescheid vom 14. November 2002 nicht aufgehoben worden ist (bzw. teilweise hätte auch nicht aufgehoben werden dürfen), kann die Beklagte auch keine hierauf gestützten, bereits erbrachten Leistungen zurückfordern. Es kann deshalb offen bleiben, ob sich die Erstattungsforderung entgegen dem ausdrücklichen Verfügungssatz im Bescheids vom 15. Dezember 2003 nur auf die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2003 bezieht, weil die Berechnung in der Anlage 1 des Bescheids eine Rückforderung für Januar 2004 „0“ ausweist. Denn auch in diesem Fall kann der Kläger die Aufhebung des insoweit unkorrekten Verfügungssatzes verlangen.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
36 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind, insbesondere die Rechtslage durch die genannte Entscheidung des BSG vom 26. Februar 2003 geklärt ist.

Gründe

 
18 
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
19 
Gegenstand des Rechtsstreites ist ausschließlich der Bescheid vom 15. Dezember 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2004, allerdings lediglich insoweit, als darin die (teilweise) Aufhebung des Bescheides „vom 18.05.1995“ erfolgt und die Erstattung einer Überzahlung geregelt ist. Nur insoweit ficht der Kläger diesen Bescheid an.
20 
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
21 
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]).
22 
Mit der rückwirkenden Bewilligung der Rente an die geschiedene Ehefrau des Klägers zum 1. August 2003 fiel das so genannte "Rentnerprivileg“ des § 101 Abs. 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) weg, d. h. die Rente des Klägers verminderte sich ab diesem Zeitpunkt um den Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich (§ 66 Abs. 1 Nr. 4, §§ 76, 264a SGB VI), was eine tatsächliche wesentliche Änderung darstellt. Diese Änderung betraf jedoch nicht die Regelung im Bescheid vom 18. Mai 1995, den die Beklagte nach dem Wortlaut des hier angefochtene Bescheids aufhob. Denn durch den Bescheid vom 18. Mai 1995 wurde nicht von der Minderung auf Grund des Versorgungsausgleichsanteils abgesehen, sondern diese Kürzung gerade vorgenommen. Eine Berechtigung, den Bescheid vom 18. Mai 1995 aufzuheben, bestand damit nicht. Die Beklagte hätte stattdessen den Bescheid vom 14. November 2002 ändern müssen, jenen Bescheid, mit welchem dem Kläger - weiterhin ohne Minderung auf Grund des Versorgungsausgleichsanteils - die Rente zuletzt (ab 1. Oktober 2002) gewährt worden war.
23 
Daran ändert der Umstand nichts, dass - so die Beklagte - sich mit diesem Bescheid an der Rentenhöhe tatsächlich nichts änderte. Auch insoweit muss sich die Beklagte am Verfügungssatz des Bescheides festhalten lassen, wonach die bisherige Rente „neu berechnet“ und ab 1. Oktober „monatlich 1673,86 EUR gezahlt“ würden. Damit - auch ohne Änderung des bisherigen Zahlbetrages - wurde der zuvor ergangene Rentenbescheid vom 17.12.1998 mit den nachfolgenden Anpassungen für die Zeit ab 1. Oktober 2002 ersetzt.
24 
Hätte nicht der Bescheid vom 14. November 2002, sondern - wie von der Beklagten zuletzt vorgetragen - der Bescheid vom 17. Dezember 1998 geändert werden müssen, ändert sich an der Beurteilung nichts. Denn auch diesen Bescheid hob die Beklagte nicht auf.
25 
Der Bescheid vom 15. Dezember 2003 kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich die Aufhebung auf den Bescheid vom 14. November 2002 (bzw. 17. Dezember 1998) bezieht. Hiergegen spricht schon der klare Wortlaut des Bescheides. Auch ein während des Widerspruchsverfahrens übermitteltes Aufklärungsschreiben vom 5. April 2004 und der Widerspruchsbescheid enthalten keine Ausführungen, auf welchen anderen Bescheid als den vom 18. Mai 1995 sich die Aufhebung beziehen sollte. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung, dahingehend wie ein Adressat des Verwaltungsaktes diesen unter verständiger Würdigung aller bekannten Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben (entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches) zu deuten hat, ist hier nicht möglich. Zwar hat dies das BSG in dem von der Beklagten angeführten Urteil vom 26. Oktober 1989 (4 RA 90/88) in einem - allerdings nur teilweise - vergleichbaren Fall getan. Der Senat kann offen lassen, ob dem im Hinblick auf neuere, die Bestimmtheit des Verwaltungsaktes (§ 33 Abs. 1 SGB X) stärker herausstreichende Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30. März 2004, B 4 RA 36/02 R in SozR 4-2600 § 149 Nr. 1) zu folgen ist. Denn anders als im Fall, der der Entscheidung von 1989 zu Grunde lag, erging für den maßgeblichen Zeitraum nicht nur ein Bescheid, sodass für „einen redlichen Erklärungsempfänger, der mit den Umständen dieses Falles vertraut war, offensichtlich" war (BSG, Urteil vom 26. Oktober 1989, a. a. O.), dass nur dieser Bescheid gemeint sein konnte. Die Beklagte hat vielmehr insgesamt sechs Rentenbescheide erlassen, alle mit einer Rentenberechnung für die Zukunft ohne Befristung. Es bedarf schon einigen Aufwands und einiger Rechtskenntnisse, um den Verlauf der Minderung der Rente des Klägers durch den Versorgungsausgleichsanteil und das zeitweise Absehen von dieser Minderung zu verfolgen und darzustellen. Selbst die Beklagte ist im Verfahren nicht in der Lage gewesen, den tatsächlich aufzuhebenden Bescheid - wie dargelegt jener vom 14. November 2002 - zu erkennen. Eine zweifelsfreie Zuordnung der Aufhebung zum Bescheid vom 14. November 2002 im Sinne einer „Offensichtlichkeit“ kann damit vom Kläger - obwohl er damals schon anwaltlich vertreten war - nicht verlangt werden.
26 
Es bedarf keinen Ausführungen, wie sich die Rechtslage darstellen würde, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid gar nicht datumsmäßig bezeichnet, sondern die (teilweise) Aufhebung nur für Zeit ab dem 1. August 2003 vorgenommen hätte. Denn jedenfalls dann, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid genau bezeichnet, muss sie sich - von offensichtlichen Unrichtigkeiten, die, wie dargelegt, hier aber nicht vorliegen, abgesehen - an dieser Erklärung festhalten lassen, auch wenn sie sich auf Grund einer falschen Beurteilung der Sachlage - hier darüber, welcher Bescheid für die Zeit ab 1. August 2003 Geltung beansprucht - irrt. Schließlich hat sie es in der Hand, durch klare und richtige Verfügungssätze die Rechtslage zu gestalten. Ergibt sich dann aber durch eine datumsmäßige Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides einerseits und des Aufhebungszeitraumes andererseits ein Widerspruch, ist es nicht Sache des Bescheidadressaten, sich die für die Beklagte günstigste Deutung des Bescheides auszusuchen und die dem widersprechenden Teile des Verfügungssatzes als irrelevant zu betrachten. Denn diese Teile bilden nach dem Willen der Beklagten eine Einheit. Dementsprechend wendet sich der Kläger auch ergebnisorientiert gegen die Aufhebung und Rückforderung insgesamt. Die Behauptung der Beklagten, es sei zwischen den Beteiligten völlig unstrittig, dass es um die Aufhebung des formell zutreffenden Bescheides gehe, entbehrt somit jeder Grundlage. Unabhängig hiervon wäre selbst bei der von der Beklagten behaupteten Übereinstimmung nicht anders zu entscheiden. Denn sie trägt vor, sie und der Kläger stimmten - was tatsächlich nicht der Fall ist - überein, dass der Bescheid vom 17. Dezember 1998 aufgehoben werden sollte. Tatsächlich aber hätte - wie dargelegt - der Bescheid vom 1. November 2002 aufgehoben werden müssen. Damit also würde auch das von der Beklagten behauptete übereinstimmende Verständnis nichts daran ändern, dass der falsche Verwaltungsakt aufgehoben wurde.
27 
Schon aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und aufzuheben. Auf die Frage, ob die Beklagte bei der Bescheidaufhebung (ausnahmsweise) Ermessen hätte ausüben müssen, kommt es nicht an.
28 
Einer Aufhebung für den Zeitraum ab 1. August bis 30. November 2003 steht - hierauf wird ergänzend hingewiesen - ein weiterer Grund entgegen.
29 
Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse soll der Verwaltungsakt - soweit hier von Interesse - nur dann aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis vom teilweisen Wegfall des Rentenanspruchs in diesem Sinne kann nach der genannten Entscheidung des BSG vom 26. Februar 2003, B 8 KN 6/02 R in SozR 4-2600 § 101 Nr. 1, der der Senat folgt, aber frühestens mit der Mitteilung über die der geschiedenen Ehefrau gewährten Rente entstehen. Weder das Urteil des Familiengerichts, mit dem der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist, noch Hinweisschreiben des Rentenversicherungsträgers über die Rentenantragstellung des geschiedenen Ehegatten reichen hierfür aus.
30 
Abzustellen ist daher auf die Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom 31. Oktober 2003. Dieses hat der Kläger - wenn man den Rechtsgedanken der Zustellungsfiktion bei Verwaltungsakten (§ 65 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz: Dokument gilt am dritten Tag nach Aufgabe der Post als zugestellt) heranzieht - erst am 3. November 2003 erhalten. Erst zu diesem Zeitpunkt wusste der Kläger, dass seine Rente ab 1. August 2003 zu mindern ist und erst mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt ist eine Änderung des Rentenbescheids nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X möglich. Am 3. November 2003 war aber die Rente für November 2003 schon fällig und bezahlt (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der bis 29. Februar 2004 geltenden Fassung i. V.m. § 41 Erstes Buch Sozialgesetzbuch i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).
31 
Der Beklagten ist zuzubilligen, dass die Situation der Rentenversicherungsträger durchaus als "unbefriedigend“ angesehen werden kann, wenn es ihnen bei rückwirkender Rentengewährung schlichtweg unmöglich ist, die Bösgläubigkeit des aus dem Versorgungsausgleich Verpflichteten zum Zeitpunkt des Rentenbeginns herbeizuführen. Die damit regelmäßig anfallenden Doppelleistungen widersprechen der vom Gesetzgeber angestrebten Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für den Versorgungsträger. Dies berechtigt jedoch nicht dazu, die dem Vertrauensschutz des Ausgleichsberechtigten dienende Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X außer Acht zu lassen oder in anderer Weise auszulegen (BSG, Urteil vom 26. Februar 2003, a. a. O.).
32 
An dieser Beurteilung hat auch die Einfügung der Vorschrift des § 101 Abs. 3 Satz 4 SGB VI durch das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 (BGBl I S. 818) nichts geändert. Sie hat diese vielmehr bestätigt.
33 
Nach § 101 Abs. 3 Satz 4 SGB VI ist in den Fällen von § 5 Satz 1 bis 3 VAHRG der Rentenbescheid des Leistungsberechtigten bei rückwirkender oder erst nachträglich bekannt werdender Rentenleistung aus der Versicherung des anderen Ehegatten oder Lebenspartners mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns dieser Rente aufzuheben; die §§ 24 und 48 des SGB X sind nicht anzuwenden. Die Vorschrift findet jedoch nach dem gleichfalls durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz eingefügten § 268a SGB VI in den Fällen keine Anwendung, in denen vor dem 30. März 2005 die zunächst unterbliebene Kürzung (Rentnerprivileg) und die Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich wirksam geworden ist. Der Gesetzgeber hat hiermit die Konsequenzen aus dem genannten Urteil des BSG vom 26. Februar 2003 gezogen und ist, wie in der Literatur (vgl. Roller, DRV 2003, 541, 545; Fischer, NZS 2004, 523, 524) vorgeschlagen, rechtsändernd tätig geworden. Es mag zutreffen, dass - so die Beklagte - er damit zum Ausdruck gebracht hat, das Urteil des BSG entspreche nicht seinem gesetzgeberischen Willen. Er hat damit aber zugleich deutlich gemacht, dass er das Urteil des BSG akzeptiert und seine Auswirkungen für die Vergangenheit aus Gründen des Vertrauensschutzes (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/4228, S. 29 zu Art. 5 Nr. 2) hinnimmt.
34 
Die Rückforderung überzahlter Rentenleistungen ist gleichfalls rechtswidrig. Denn dies ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur möglich, soweit der Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Da der maßgebliche Bescheid vom 14. November 2002 nicht aufgehoben worden ist (bzw. teilweise hätte auch nicht aufgehoben werden dürfen), kann die Beklagte auch keine hierauf gestützten, bereits erbrachten Leistungen zurückfordern. Es kann deshalb offen bleiben, ob sich die Erstattungsforderung entgegen dem ausdrücklichen Verfügungssatz im Bescheids vom 15. Dezember 2003 nur auf die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2003 bezieht, weil die Berechnung in der Anlage 1 des Bescheids eine Rückforderung für Januar 2004 „0“ ausweist. Denn auch in diesem Fall kann der Kläger die Aufhebung des insoweit unkorrekten Verfügungssatzes verlangen.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
36 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind, insbesondere die Rechtslage durch die genannte Entscheidung des BSG vom 26. Februar 2003 geklärt ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Mai 2012 aufgehoben und der Rechtstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 6.8.2005 bis 31.1.2006.

2

Die 1983 geborene ledige Klägerin wohnte im streitigen Zeitraum nicht mehr bei ihren Eltern, sondern (zunächst) zur Untermiete mit einer monatlichen Pauschalmiete in Höhe von 180 Euro. Mit Wirkung zum 15.8.2005 unterzeichnete sie einen Mietvertrag über eine 45 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung, für die sie monatlich 200 Euro Grundmiete zzgl 60 Euro Betriebs- und Nebenkosten zu zahlen hatte. Nach einer Ausbildung zur Bürokauffrau bezog sie bis 5.8.2005 Alg in Höhe von 11,99 Euro je Kalendertag. Am 27.7.2005 teilte sie ihrem Arbeitsvermittler bei der Agentur für Arbeit mit, dass sie ab 25.8.2005 eine berufsbildende Schule (BbS) besuchen werde, um die Fachhochschulreife zu erwerben.

3

Ebenfalls am 27.7.2005 beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. In dem am 1.8.2005 ausgefüllten Antragsvordruck gab sie an, keine Ausbildung zu absolvieren und über kein Einkommen zu verfügen (Frage IV). Zu der Frage IX betreffend "Sonstige Ansprüche gegenüber Arbeitgeber, Sozialleistungsträger und Schadenersatzansprüche" machte sie keine Angaben. Der Beklagte bewilligte SGB II-Leistungen für die Zeit vom 6.8.2005 bis 31.1.2006 in Höhe von 511 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 331 Euro, Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 180 Euro), für August 2005 nur anteilige Leistungen in Höhe von insgesamt 442,87 Euro (Bescheid vom 5.9.2005). Am 22.8.2005 beantragte die Klägerin die Bewilligung von BAföG-Leistungen, die ihr erst mit Bescheid vom 30.11.2005 in Höhe von 297 Euro monatlich für die Monate August 2005 bis Juli 2006 unter Berücksichtigung eines Grundbedarfs von 417 Euro, Unterkunftskosten von 64 Euro sowie Anrechnung des Einkommens ihrer Eltern mit dem Vorbehalt einer erneuten Einkommensprüfung zuerkannt wurden.

4

Mit dem SGB II-Fortzahlungsantrag vom 2.2.2006 gab die Klägerin erstmals an, dass sie BAföG beziehe. Auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 15.2.2006 zur beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung und zur Rückforderung teilte sie mit, sie habe den Beklagten bereits am 20.9.2006 telefonisch über den BAföG-Antrag unterrichtet. Ihr sei jedoch die Auskunft erteilt worden, dass sie den Antrag auf SGB II-Leistungen noch nicht zurücknehmen solle, weil sie ansonsten ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten könne. Den BAföG-Bescheid habe sie nach Erhalt am 11.12.2005 an den Beklagten weitergeleitet und vorab in einem Telefonat am 12.12.2005 die Bewilligung von BAföG mitgeteilt.

5

Der Beklagte hob die Bewilligung der SGB II-Leistungen für die Zeit vom 6. bis 31.8.2005 in Höhe von 442,87 Euro und für die Monate September 2005 bis Januar 2006 in Höhe von jeweils 511 Euro/Monat ganz auf. Die Klägerin habe den BAföG-Bescheid erst mit dem Fortzahlungsantrag auf SGB II-Leistungen am 2.2.2006 eingereicht und dadurch ihre Mitteilungspflichten grob fahrlässig verletzt (Bescheid vom 15.5.2006). Mit Widerspruchsbescheid vom 21.9.2006 führte der Beklagte aus, die Klägerin sei durch die Aufnahme ihrer Ausbildung von SGB II-Leistungen ausgeschlossen gewesen. Der bereits bei seinem Erlass rechtswidrige Bewilligungsbescheid habe aufgehoben werden dürfen, weil sie sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Sie habe mit ihrer Unterschrift versichert, Änderungen insbesondere der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen, dies jedoch unterlassen. Ihr habe klar sein müssen, dass der Antrag auf BAföG Auswirkungen auf die bei dem Beklagten beantragten Leistungen haben werde.

6

Das SG hat den Bescheid vom 15.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zum 21.9.2006 aufgehoben (Urteil vom 17.3.2008) und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klägerin könne sich auf Vertrauensschutz berufen. Sie habe in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, wie sich der Bezug von Leistungen nach dem BAföG zu dem SGB II-Anspruch verhalte. Auch ihre Mitteilungspflicht habe sie nicht grob fahrlässig verletzt, weil sie ihrem Arbeitsvermittler den Beginn der Ausbildung angezeigt habe. Der Beklagte habe als Arbeitsgemeinschaft iS von § 44b SGB II im streitigen Zeitraum lediglich die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit als Leistungsträger wahrgenommen. Nach § 44b Abs 4 SGB II teilten sich die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger alle Tatsachen mit, von denen sie Kenntnis erhielten und die für die Leistungen des jeweils anderen Trägers erheblich sein könnten.

7

Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - den Bescheid des Beklagten vom 15.5.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2006 aufgehoben, soweit die Leistungsbewilligung vom 5.9.2005 für die Zeit vom 6. bis 24.8.2005 aufgehoben und eine Erstattung von mehr als 2674,23 Euro gefordert wurde (Urteil vom 9.5.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Rechtmäßigkeit der Höhe der Leistungsbewilligung in dem SGB II-Bescheid vom 5.9.2005 sei nicht zu prüfen. Dessen Bestandskraft führe dazu, dass der Leistungsanspruch und der dem Bewilligungsbescheid zugrunde liegende Sachverhalt nicht von Amts wegen zu überprüfen seien. Die Klägerin sei ab 25.8.2005 vom Bezug von SGB II-Leistungen nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II ausgeschlossen gewesen, weil sie eine nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung absolviert habe. Sie habe durch zumindest unvollständige Angaben die Überzahlung ab 25.8.2005 grob fahrlässig iS des § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X verursacht. Obwohl sie ausdrücklich befragt worden sei, habe sie nicht auf den beabsichtigen BAföG-Antrag hingewiesen und den Beklagten auch nicht unverzüglich über den später gestellten Antrag informiert. Der von ihr behauptete Anruf bei dem Beklagten am 20.9.2005 sei zu spät erfolgt und unerheblich. Ihrer Mitteilungspflicht sei die Klägerin auch nicht dadurch nachgekommen, dass sie ihren Arbeitsvermittler bei der Bundesagentur für Arbeit am 27.7.2005 über den beabsichtigten Besuch der BbS zum Erwerb der Fachhochschulreife informiert habe. Adressat dieser Angabe hätte der Beklagte sein müssen. Zwar habe dieser damals noch in der Rechtsform der ARGE auch die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit bzw umgekehrt die Bundesagentur für Arbeit diejenigen des Grundsicherungsträgers wahrgenommen. Eine Wissenszurechnung komme aber nicht in Betracht, weil die Aufgabenwahrnehmung in zwei unterschiedlichen Behördenstrukturen geschehe. Die Klägerin sei von ihrem Arbeitsvermittler ausdrücklich auf die SGB II-Antragstellung hingewiesen worden. Durch seine Angaben sei ihr bekannt gewesen, dass SGB II-Leistungen in einem "gesonderten Verfahren" bewilligt würden. Die Verletzung der Mitteilungspflicht sei auch grob fahrlässig. Die Klägerin sei darüber belehrt worden, dass sie alle Änderungen in ihren persönlichen Verhältnissen dem Beklagten anzuzeigen habe. Ihr habe - insbesondere nach dem Gespräch beim Arbeitsvermittler - klar sein müssen, dass sie die beabsichtigte Leistung bzw Beantragung von BAföG-Leistungen dem Beklagten gegenüber mitzuteilen hätte. Die Revision sei zuzulassen, weil die Rechtsfrage, ob auch im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Rücknahme nach § 45 SGB X die Berechnungselemente der bestandskräftig bewilligten SGB II-Leistung von Amts wegen überprüft werden müssten, höchstrichterlich nicht eindeutig geklärt sei. Wegen der erhöhten Kosten für Unterkunft und Heizung ab 15.8.2005 sei diese Frage entscheidungserheblich.

8

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, ihr Vertrauen in den Bestand der SGB II-Leistungen sei bereits deshalb schutzwürdig, weil sie dem Arbeitsvermittler bei der Bundesagentur für Arbeit am 27.7.2005 über den Besuch der BbS zum Erwerb der Fachhochschulreife informiert habe. Die vom LSG vorgenommene Differenzierung zwischen den Zuständigkeiten des Arbeitsvermittlers bei der Bundesagentur für Arbeit und eines vermeintlichen Adressaten bei der ARGE könne nicht durchgreifen, weil die Bundesagentur für Arbeit zum damaligen Zeitpunkt Träger von Leistungen nach dem SGB II gewesen sei. Auch bestehe nach § 44b Abs 4 SGB II eine Pflicht zum Austausch der Information zwischen beiden Trägern. Die Ausführungen des LSG stellten keine für ein Urteil tragfähige Grundlage dar, weil nicht erkennbar sei, dass der zuständige Arbeitsvermittler eine Informationsweitergabe nicht beabsichtigt habe. Sie habe nicht gewusst, wie es sich mit dem BAföG und dem Alg II verhalte. Zum damaligen Zeitpunkt habe es auch Mitschüler gegeben, die neben dem BAföG SGB II-Leistungen erhalten hätten. Auch habe das LSG den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes in Bezug auf die Aussage des zuständigen Mitarbeiters des Beklagten völlig außer Betracht gelassen, obwohl hierfür bereits in erster Instanz Beweis durch das Zeugnis der Frau C B angeboten worden sei. Nach Beantragung des BAföG habe sie sich am 20.9.2006 gegen 16:05 Uhr mit dem zuständigen Mitarbeiter des Beklagten in Verbindung gesetzt. Ihr sei mitgeteilt worden, dass sie es bis zur Bewilligung des Bafög bei den SGB II-Leistungen belassen solle, weil ihr Lebensunterhalt ansonsten nicht gesichert sei. Nach der Bewilligung der BAföG-Leistungen habe sie sich am 12.12.2005 um 15:23 Uhr erneut mit dem Beklagten in Verbindung gesetzt (im Berufungsverfahren vorgelegte Einzelverbindungsaufstellungen des Telefonanbieters). Schließlich habe das LSG bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung die Berechnungselemente der bestandskräftig bewilligten SGB II-Leistungen, also auch die zutreffende Höhe der KdU, von Amts wegen prüfen müssen.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Mai 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 17. März 2008 zurückzuweisen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er bezieht sich auf die Ausführungen des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist insoweit begründet, als das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Die bisher getroffenen Feststellungen lassen keine abschließende - positive oder negative - Entscheidung darüber zu, ob und ggf in welchem Umfang der Beklagte berechtigt war, die SGB II-Leistungen für den noch streitigen Zeitraum vom 25.8.2005 bis 31.1.2006 aufzuheben und die Erstattung der erbrachten Leistungen zu verlangen.

13

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Jobcenter (§ 6d SGB I idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) mit Wirkung vom 1.1.2011 als Rechtsnachfolger kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (vgl § 76 Abs 3 S 1 SGB II) getreten sind. Dieser kraft Gesetzes eingetretene Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung des SGB II ist keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen nicht, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(vgl dazu Urteile des Senats vom 18.1.2011 ua - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5).

14

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 15.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2006. Hiergegen wendet sich die Klägerin zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).

15

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die formellen Voraussetzungen für eine Rücknahme oder Aufhebung des Bescheides vom 5.9.2005 gegeben sind. Die Klägerin ist ordnungsgemäß angehört worden. Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dh auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (BSGE 69, 247 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Der Beklagte hat die beabsichtigte Aufhebung der Leistungsbewilligung im Anhörungsschreiben vom 15.2.2006 und im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15.5.2006 darauf gestützt, dass die Klägerin bei dem Antrag auf SGB II-Leistungen nicht angegeben habe, dass sie die Beantragung von BAföG-Leistungen beabsichtige bzw sie - nach entsprechender Antragstellung beim Amt für Ausbildungsförderung - diesen Umstand nicht unverzüglich mitgeteilt habe. Ihr sind insofern die wesentlichen Umstände, die aus Sicht des Beklagten zur Aufhebung der Bewilligungsentscheidung führten, in hinreichendem Umfang mit der Möglichkeit zur Stellungnahme eröffnet worden.

16

Der Bescheid vom 15.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2006 genügt auch den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs 1 SGB X als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (vgl BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - RdNr 18; BSGE 108, 289 ff = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31). Insofern geht aus dem angefochtenen Bescheid vom 15.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2006 hervor, dass der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 5.9.2005 in vollem Umfang aufheben wollte.

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3. Als Rechtsgrundlage für die Rücknahme bzw Aufhebung des bindenden Bewilligungsbescheides vom 5.9.2005 kommt hier sowohl § 40 SGB II iVm § 45 SGB X als auch § 40 SGB II iVm § 48 SGB X in Betracht. § 45 Abs 1 SGB X regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. § 45 SGB X findet Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll. Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II (in der Fassung bis zum 31.3.2011) iVm § 330 Abs 2 und 3 SGB III ist diese Rechtsfolge jeweils zwingend. Beide Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, ab (vgl zuletzt BSG Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 22/10 R - juris RdNr 16 mwN), knüpfen an unterschiedliche Sachverhalte und Verschuldensvorwürfe im Sinne der subjektiven Voraussetzungen für eine Rücknahme bzw Aufhebung an und haben ggf unterschiedliche Konsequenzen für den Umfang einer rechtmäßigen Aufhebung und Erstattungsforderung. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass einer Rücknahme nach § 45 SGB X nicht schon entgegensteht, dass der Beklagte den Bescheid vom 15.5.2006 zunächst auf § 48 SGB X gestützt hat. Da der angefochtene Bescheid in seinem Verfügungssatz nicht geändert worden ist und die Rücknahme nur mit einer anderen Rechtsgrundlage begründet wird, sind die Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 43 SGB X hier nicht zu prüfen(vgl BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 42 S 138; BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 21 S 61).

18

4. a) Ob sich der Beklagte für die Aufhebung des SGB II-Bewilligungsbescheides vom 5.9.2005 auf § 45 SGB X stützen konnte, kann der Senat aber nicht abschließend beurteilen. Zwar liegt eine anfängliche Rechtswidrigkeit vor. Es sind jedoch noch Feststellungen dazu erforderlich, ob sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen kann.

19

Der Bescheid vom 5.9.2005 war bereits im Zeitpunkt seines Erlasses insoweit rechtswidrig, als der Beklagte über den tatsächlichen Beginn der Ausbildung am 25.8.2005 hinaus SGB II-Leistungen gewährt hat. Ab diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen mehr, weil der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II eingriff. Nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Eine Ausnahme hiervon galt nach § 7 Abs 6 SGB II aF nur für bestimmte Gruppen von Auszubildenden, zu denen die Klägerin nicht gehörte.

20

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) besuchte die Klägerin seit dem 25.8.2005 eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung iS des § 2 Abs 1 Nr 6 BAföG(in der Neufassung des Gesetzes vom 23.12.2003 mit Wirkung vom 1.1.2005). Das LSG hat zutreffend ausgeführt, dass der Besuch der berufsbildenden Schule zum Erwerb der Fachhochschulreife nach § 2 Abs 1 Nr 1 BAföG förderungsfähig ist, weil er eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt(§ 4 Abs 1 Verordnung über Berufsbildende Schulen). Durch die in § 7 Abs 5 S 1 SGB II enthaltene Formulierung ("dem Grunde nach") wird zudem klargestellt, dass es nur auf die abstrakte Förderfähigkeit der Ausbildung ankommt(BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6 RdNr 15; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R). Ein tatsächlicher Bezug der Leistungen zur Ausbildungsförderung ist daher für den Anspruchsausschluss nicht erforderlich (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 7 RdNr 280, Stand 9/12). Dass der Klägerin erst mit Bescheid vom 30.11.2005, also mehr als drei Monate nach Ausbildungsbeginn, BAföG-Leistungen bewilligt worden sind, ist daher für den Eintritt des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II unerheblich. Auch ein Härtefall im Sinne der Regelung des § 7 Abs 5 S 2 SGB II, nach welcher trotz Leistungsausschlusses in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht werden können, ist hier nach den Feststellungen des LSG(§ 163 SGG) nicht gegeben. Das BSG hat auch bereits entschieden, dass der Leistungsausschluss keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet und der Gesetzgeber nicht gehalten ist, außerhalb des besonderen Systems zur Ausbildungsförderung den Lebensunterhalt während der Ausbildung sicherzustellen (BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6 RdNr 28).

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b) Der Senat kann aber nicht abschließend beurteilen, ob die Rücknahme des SGB II-Bewilligungsbescheids wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit nach § 45 SGB X daran scheitert, dass sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen kann. Nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X scheidet dies aus, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

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Das LSG hat grob fahrlässig unvollständige Angaben zunächst darin gesehen, dass die Klägerin die Frage IX des am 1.8.2005 ausgefüllten Antragsvordrucks, ob sie (eine) andere Leistung(en) beantragt habe oder dies beabsichtigte, nicht beantwortet habe. Insofern ist es zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei den hier nur denkbaren "unrichtigen Angaben" durch Verschweigen von Umständen regelmäßig auf dasjenige abzustellen ist, was im Antrag abgefragt wird. Auch reicht es aus, wenn - wie hier nach dem SGB II-Antrag durch die weitere Beantragung des BAföG - zwischen dem Antrag und dem Erlass des Bescheids eine Änderung eintritt und der Leistungsempfänger diese Änderung entgegen seiner Mitteilungspflicht nicht mitteilt. Ein solches Unterlassen nach vorheriger Abfrage dieses Umstandes ist bei der Rücknahme der Leistungsbewilligung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit der unrichtigen oder unvollständigen Angabe im Antragsvordruck gleichzusetzen (BSGE 96, 285, 290 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4).

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c) Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses Handeln grob fahrlässig war. Der Senat folgt dem LSG schon aus Rechtsgründen nicht hinsichtlich der Annahme, dass die Klägerin durch unterlassene Angaben zu einer künftigen BAföG-Beantragung bzw nicht unverzüglicher Mitteilung des späteren BAföG-Antrags zu dem anfänglich rechtswidrigen Bescheid vom 5.9.2005 beigetragen habe. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die unvollständigen oder unzutreffenden ("unrichtigen") Angaben iS des § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X in "wesentlicher Beziehung" unrichtig bzw unvollständig sein müssen und zudem Umstände betreffen müssen, auf denen die fragliche Leistung "beruht". Zwischen der Verletzung der Anzeigepflicht und der Bewilligung der Leistung muss daher ein Zusammenhang in der Weise bestehen, dass die rechtswidrige Leistungsgewährung wesentlich durch die Verletzung der Anzeigepflicht veranlasst worden ist ("Kausalzusammenhang"). Dies beinhaltet, dass es bei richtigen Angaben bzw rechtzeitiger Anzeige des konkret bezeichneten Umstandes nicht zu den anfänglich rechtswidrigen Leistungen gekommen wäre (vgl BSGE 47, 28, 31 = SozR 4100 § 152 Nr 6 S 11). Rechtfertigender Grund für die Antragstellern und Sozialleistungsbeziehern auferlegten Mitteilungspflichten, insbesondere derjenigen nach § 60 Abs 1 Nr 1 SGB I, ist gerade, dass diese Umstände für die fragliche Leistung rechtlich erheblich sind. In diesem Sinne war die beabsichtigte BAföG-Antragstellung bzw der kurz vor der SGB II-Bewilligung dann tatsächlich gestellte BAföG-Antrag kein wesentlicher bzw "erheblicher" Umstand, weil eine anfängliche Rechtswidrigkeit des SGB II-Bescheides iS von § 45 SGB X - auch nach der vom Beklagten erst im Widerspruchsbescheid vertretenen und zutreffenden Rechtsauffassung - nur wegen des tatsächlichen Ausbildungsbeginns ab 25.8.2005, nicht jedoch wegen der zu diesem Zeitpunkt erst beantragten BAföG-Leistungen gegeben war.

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d) Soweit das LSG eine Verletzung der Mitteilungspflicht angenommen hat, weil die Klägerin - nach Unterrichtung des Arbeitsvermittlers bei der BA am 27.7.2005 - dem Beklagten als nunmehr zuständigen Träger die beabsichtigte Aufnahme der Ausbildung an der berufsbildenden Schule zum Erwerb der Fachhochschulreife nicht (erneut) mitgeteilt habe, handelt es sich zwar um einen Umstand, auf dem die anfänglich rechtswidrige SGB II-Bewilligung beruht. Insofern kann der Senat aber nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Zwar hat das LSG in seinem Urteil erörtert, ob und ggf in welchem Umfang gesonderte Mitteilungspflichten gegenüber dem Beklagten bestanden. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zu einer groben Fahrlässigkeit des Handelns der Klägerin betreffen jedoch allein die unterlassene Mitteilung einer beabsichtigten und dann tatsächlich vorgenommenen BAföG-Beantragung.

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Bei den insofern noch nachzuholenden Feststellungen zur groben Fahrlässigkeit der Klägerin bezogen auf einen nicht (erneut) mitgeteilten Ausbildungsbeginn dürfte zu berücksichtigen sein, dass es sich im Zusammenwirken der existenzsichernden Leistungen bei Aufnahme einer weiterführenden Ausbildung aus Laiensicht nicht ohne Weiteres aufdrängen musste, dass eine (vorläufige) Weiterzahlung der SGB II-Leistungen mit dem Beginn der tatsächlichen Ausbildung und unabhängig vom Zeitpunkt der Aufnahme der BAföG-Leistungen generell ausschied (§ 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X) und deshalb gerade dem tatsächlichen Ausbildungsbeginn maßgebende Bedeutung zukam (vgl nunmehr auch den durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 mit Wirkung zum 1.4.2011 eingeführten § 27 Abs 4 S 2 SGB II, wonach darlehensweise weiterhin SGB II-Leistungen zumindest für den Monat der Aufnahme einer Ausbildung erbracht werden können). Hiervon geht letztlich auch das LSG aus, weil es dem konkreten, bisher nicht umfassend aufgeklärten Handeln des Arbeitsvermittlers entscheidende Bedeutung beimisst. Insofern dürften noch tatsächliche Feststellungen zu den genauen Umständen der SGB II-Antragstellung über den Arbeitsvermittler der Agentur für Arbeit am 27.7.2005 und dem konkreten Zusammenwirken zwischen der BA und dem Beklagten im Falle der Klägerin in der hier streitigen Anfangszeit des SGB II erforderlich sein. Jedenfalls nach Aktenlage könnte der Vermerk des Arbeitsvermittlers vom 27.7.2005, dass ihr der Antrag auf Alg II ausgehändigt worden sei, im Sinne eines engen Zusammenwirkens und Weitergabe von Informationen auch unabhängig von einer gesonderten SGB II-Antragstellung verstanden worden sein.

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5. Kommt das LSG nach weiterer Aufklärung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis, dass eine vollständige Rücknahme des Bescheides vom 5.9.2005 nach § 45 SGB X wegen Vertrauensschutzes ausscheidet, ist die Rücknahmeentscheidung ggf als Aufhebung der Leistungsbewilligung wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X (teilweise) rechtmäßig. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. § 48 SGB X ist auch auf anfänglich rechtwidrige Dauerverwaltungsakte anwendbar, wenn sich die Verhältnisse nachträglich ändern. § 45 SGB X sperrt die Aufhebung nach § 48 SGB X wegen einer nachträglichen Änderung in jenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, auf denen die (ursprüngliche) Rechtswidrigkeit nicht beruht, nicht(BSG Urteil vom 11.4.2002 - B 3 P 8/01 R - USK 2002-59, juris RdNr 18; ausführlich Padé in juris-PK § 45 SGB X RdNr 56 ff, 1. Aufl 2013; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 47, S 105). Der Beklagte hat seine Aufhebung mit Bescheid vom 15.5.2006 ebenso wie das Anhörungsschreiben vom 15.2.2006 im Übrigen zunächst darauf gestützt, dass die Klägerin BAföG-Leistungen, also nach § 11 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen, erhalten habe. Auch zur Möglichkeit einer Aufhebung nach § 48 SGB X sind aber noch weitere Feststellungen des LSG erforderlich.

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Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Hierzu zählen die BAföG-Zahlungen in (vorläufiger) Höhe von 297 Euro monatlich; die in § 11 Abs 1 SGB II normierten Ausnahmen sind hier nicht von Bedeutung. Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II ist nach der Rechtsprechung der für Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG zur sog Zuflusstheorie grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält. Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 2 Abs 2 S 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld/Sozialgeld vom 20.10.2004 ). Insofern fehlen noch Feststellungen des LSG zu dem iS von § 11 Abs 2 SGB II maßgeblichen Zeitpunkt des Zuflusses und zu den vom Einkommen der Klägerin nach § 11 Abs 2 SGB II absetzbaren Beträgen. Auch ist zu prüfen, ob von dem im BAföG-Bescheid vom 30.11.2005 enthaltenen "Vorbehalt einer erneuten Einkommensprüfung" Gebrauch gemacht wurde.

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6. Bei der Prüfung der Rücknahme- bzw Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten hat aber der Umstand keine Bedeutung, dass die Klägerin ggf Anspruch auf höhere KdU im Rahmen einer schon anfänglich rechtswidrigen SGB II-Bewilligung hätte haben können. Zwar hat sie dies - nach Aktenlage - gegenüber dem Beklagten durch Vorlage von Mietunterlagen geltend gemacht. Auch ist, wenn - wie hier - ein vollständiger oder teilweiser Eingriff in die Bestandskraft der in einer bestimmten Höhe bewilligten SGB II-Leistung erfolgt, dessen Berechtigung grundsätzlich unter Einbeziehung der weiteren, den Grund und die Höhe der bereits bewilligten Leistungen betreffenden Berechnungsfaktoren (unter Berücksichtigung des § 44 SGB X) zu prüfen, soweit Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit ersichtlich oder vorgetragen sind(vgl zu § 48 SGB X: Urteil des Senats vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 26). Hier waren nach der objektiven tatsächlichen und rechtlichen Ausgangslage für den im Revisionsverfahren noch streitigen Aufhebungszeitraum ab Ausbildungsbeginn am 25.8.2005 aber von vorneherein schon deshalb keine höheren SGB II-Leistungen möglich, weil der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II für sämtliche SGB II-Leistungen galt. § 22 Abs 7 SGB II, der abweichend hiervon für Auszubildende mit ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung einen Zuschuss ermöglicht, ist erst mit Wirkung zum 1.8.2006 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) neu eingeführt worden.

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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.