Sozialgericht Aachen Urteil, 08. Nov. 2016 - S 14 AS 757/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Art der Berücksichtigung von Stromkosten für den Betrieb einer Gaskombitherme als nach § 22 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu berücksichtigende Heizkosten oder als Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserbereitung nach § 21 Abs. 7 SGB II für den Zeit-raum März 2015 bis Februar 2016.
3Der Kläger steht in laufendem Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsu-chende beim Beklagten. Er lebt allein einer Mietwohnung eines Mehrparteienhauses im T in T (Mietbescheinigung vom 18.07.2012). In seiner Wohnung befindet sich eine an das Stromnetz angeschlossene Gastherme, mit der sowohl die Heizung betrieben, als auch warmes Wasser für die gesamte Wohnung erhitzt wird.
4Im Januar 2015 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag für die Zeit ab März 2015. Er gab Unterkunftskosten in Höhe von 265,00 EUR Grundmiete, 80 EUR kalte Betriebskosten, und 100,00 EUR Heizkosten (separater Gaslieferungsvertrag mit einem Energieversorger) monat-lich an. Die tatsächlichen Gaskostenabschläge betrugen in der Zeit von Juli 2014 bis Mai 2016 monatlich 84,00 EUR.
5Mit Bescheid vom 23.02.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit von März 2015 bis Februar 2016 in Höhe von monatlich 796,50 EUR, davon 397,50 EUR für Kosten der Unterkunft und Heizung, wovon 242,50 EUR auf die Grundmiete, 80,00 EUR auf kal-te Betriebskosten und 75,00 EUR auf Heizkosten entfielen.
6Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 03.03.2015 Widerspruch ein. Er sei mit dem Abzug bei Kosten der Unterkunft und Heizung nicht einverstanden. Er bezahle schon 5 EUR Nebenkosten und 20 EUR Gas selbst und habe seine Wohnung aus gesundheitlichen Grün-den genommen.
7In der Folge zeigte der Bevollmächtigte des Klägers seine Mandatierung und Bevollmäch-tigung an.
8Mit "Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren" vom 22.06.2015 hob der Beklagte den Bescheid vom 23.02.2015 auf. Dem Widerspruch werde damit im Verwaltungswege ab-geholfen. Die weiteren Einzelheiten möge der Kläger dem noch gesondert zugehenden Bescheid entnehmen. Unter demselben Datum erließ der Beklagte einen "Änderungsbe-scheid", der sich zu einer Bewilligung der Gesamtleistungen für die Zeit von März 2015 bis Februar 2016 verhielt und mit dem der Beklagte die Kosten der Unterkunft "im Rahmen des Widerspruchs in vollem Umfang" übernahm. Auf Seiten der Heizkosten wurden weiter monatliche Kosten in Höhe von 75,00 EUR berücksichtigt. Beide Bescheide vom 22.06.2015 enthielten eine Rechtsbehelfsbelehrung über einen Widerspruch.
9Unter dem 07.07.2015 übersandte der Bevollmächtigte dem Beklagten seine Kostennote für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 03.03.2015.
10Am 17.07.2015 legte der Kläger über seinen Bevollmächtigten Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 22.06.2015 ein. In dem Bescheid werde der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II für die dezentrale Warmwassererzeugung nicht berücksichtigt.
11Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2015 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Änderungsbescheide könnten stets nur insoweit angefochten werden, als de-ren Änderung reiche. Gegenüber dem Ausgangsbescheid ergebe sich vorliegend keine Beschwer.
12Hiergegen hat der Kläger über seinen Bevollmächtigten am 29.07.2015 Klage erhoben und begehrt Leistungen für einen Mehrbedarf für eine Warmwasseraufbereitung.
13Im Laufe des Verfahrens hat der Kläger offenbart und nachgewiesen, dass die Heizung und die Erwärmung von Wasser über eine Gaskombitherme in der Wohnung des Klägers erfolgt. Der dafür benötigte Strom, der über den separaten Stromzähler des Klägers abge-rechnet wird, stelle einen Mehrbedarf i. S. d. § 21 Abs. 7 SGB II dar. Es sei von Stromkosten bis zu 22 EUR monatlich für die Erhitzung von Wasser auszugehen.
14Der Beklagte hat mit Änderungsbescheiden vom 04.05.2016 (u.a. Zeitraum Juni 2015 bis Februar 2016) Gaskostenabschläge in Höhe von 114,00 EUR monatlich berücksichtigt. Er hat die Stromkosten für den Betrieb der Gaskombitherme auf 5 % der Gaskosten geschätzt und 5,70 EUR als weitere Heizkosten berücksichtigt. Mit Bescheid vom 23.06.2016 hat der Beklagte u. a. für den Zeitraum von März bis Mai 2015 Gaskostenabschläge i.H.v. 84,00 EUR monatlich zugrunde gelegt und 4,20 EUR für den Stromverbrauch der Gastherme bewilligt und mit zusätzlichen Leistungen für Gaskostenabschläge (9,00 EUR/ Monat) ausgezahlt (22.06.2016).
15Der Bevollmächtigte des Klägers vertritt die Auffassung, die Stromkosten für den Betrieb der Gaskombitherme seien keine Heizkosten, sondern ein nach § 21 Abs. 7 SGB II zu bemessender Mehrbedarf für die Warmwasseraufbereitung. Der Wortlaut der Anspruchs-grundlage sei erfüllt. Der Gesetzgeber habe mit ihr gerade gleichgelagerten Fällen Rech-nung tragen wollen.
16Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt schriftlich, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides zu verpflichten, dem Kläger einen neuen Bescheid nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erteilen.
17Der Vertreter des Beklagten beantragt schriftlich, die Klage abzuweisen.
18Der Beklagte ist der Auffassung, ein Mehrbedarf für Warmwasser sei nicht vom Streitge-genstand erfasst. Das im Laufe des Klageverfahrens offenbarte Begehren betreffe Leis-tungen für Heizkosten, die der Beklagte nunmehr gewährt habe.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Verfah-rensakte und die Akten des Beklagten verwiesen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
22A. Die als kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 Sozi-algerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage ist zulässig.
23I. Der Kläger ist für sein Klagebegehren – weitere Leistungen für den Stromverbrauch ei-ner Gaskombitherme – insbesondere klagebefugt. Entgegen der Ansicht des Beklagten steht der Möglichkeit eines Anspruches auf (weitere) Leistungen auf der Grundlage des § 21 Abs. 7 SGB II weder entgegen, dass der angefochtene "Änderungsbescheid" vom 23.02.2016 lediglich Kosten der Unterkunft und Heizung betraf, nicht aber Mehrbedarfs-leistungen für eine dezentrale Warmwassererzeugung, noch dass die hinter dem Klage-begehren stehenden Kosten als Bedarf für Heizkosten auf der Grundlage des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen sind und der Beklagte dem im Laufe des Klageverfahrens im Wege einer Schätzung Rechnung getragen hat.
241. Der "Änderungsbescheid" vom 22.06.2016 ist zunächst anfechtbar, da dessen Reglun-gen nicht das Widerspruchsbegehren vom 03.03.2015 erfassten. Der Anfechtbarkeit steht nicht entgegen, dass der Kläger sich in seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.02.2015 gegen die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung betreffenden Leistungsverfügungen wandte und der Beklagte dem Widerspruch mit seinen Bescheiden vom 22.06.2015 tatsächlich abgeholfen hätte, oder jedenfalls abzuhelfen intendierte.
25Sofern die Bescheidung vom 22.06.2015 tatsächlich ausschließlich einen Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren, § 85 Abs. 2 S. 1 Hbs. 1 SGG, darstellen würde, hätte sie ein-zig das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 23.02.2015 abgeschlossen. Der Bescheid vom 23.02.2015 in Gestalt des Abhilfebescheides wäre mangels einer weiteren Beschwer des Klägers damit bestandskräftig geworden (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. 2014, § 86, Rn. 3; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, 2. Aufl. 2014, § 86, Rn. 3).
26Eine tatsächliche volle Abhilfe lag in den Bescheiden vom 22.06.2016 zunächst – entge-gen der in den Bescheiden offenbarten Annahme des Beklagten - indes zunächst nicht. Zwar wurden mit dem "Änderungsbescheid" nunmehr die tatsächlichen Kosten der Unter-kunft berücksichtigt, nicht aber die tatsächlichen Heizkosten in Form von Gaskosten, gleichwohl sich der Widersprich des Klägers vom 03.03.2015 ausdrücklich auch gegen einen "Abzug" bei den Heizkosten in Gestalt von Gaskosten gewendet hatte (vgl. Sächsi-sches Landessozialgericht, Urteil vom 19. November 2002 – L 5 RJ 155/02 –, Rn. 16 ff., juris).
27Aus Sicht des Empfängers suchte der Beklagte jedoch, mit seinen beiden Bescheiden vom 22.06.2015 dem Widerspruch vollständig abzuhelfen. So führte der "Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren" aus, dem Widerspruch werde im Verwaltungswege in vollem Umfang entsprochen und traf eine Kostengrundentscheidung und eine Entscheidung zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes zu Gunsten des Klägers.
28Den damit intendierten Abschluss des Verwaltungsverfahrens den Bescheid vom 23.02.2015 betreffend akzeptierte der Kläger. Den unerfüllten Teil seines Widerspruchs-begehrens verfolgte er nicht weiter, sondern machte über seinen Bevollmächtigten unter dem 07.07.2015 die Kosten für das Widerspruchsverfahren geltend. Damit fand das Wi-derspruchsverfahren seinen Abschluss.
29Gleichwohl verbleiben aus der maßgeblichen Sicht des objektiven Empfängers (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch analog) mindestens erhebliche Zweifel, ob der Beklagte neben dem Abschluss des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 23.02.2015 durch Abhilfe die Leistungsbescheidung für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht insgesamt erneuern und damit zur neuerlichen Disposition eines Rechtsbehelfes stellen wollte. Diese Zweifel gehen zulasten der Behörde, die es in der Hand hat, durch eindeuti-ge Verfügungssätze den Regelungsgehalt ihrer Bescheide festzulegen (vgl. Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 40, Rn. 16; ferner: BSG, Urteil vom 15.12. 2010 - B 14 AS 92/09 R -, Rn. 18, juris; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R -, juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R = BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384, Rn. 23 m. w. Nachw.; BSG, Urteil vom 07.02.2012 - B 13 R 85/09 R - juris, Rn. 47; SG Aachen, Urteil vom 23. Februar 2016 – S 18 SB 1135/15 –, Rn. 14, juris).
30Dafür, dass mit den Bescheiden vom 22.06.2015 einzig eine Regelung zur Abhilfe des Widerspruchsbegehrens intendiert war ließe sich zwar anführen, dass die beiden Be-scheide ob ihrer zeitlichen Nähe und ihrer Bezugnahme aufeinander zunächst eine rege-lungstechnische Einheit bildeten, die aus Sicht des objektiven Empfängers den Rege-lungsinhalt intendierte, dem Widerspruchsbegehren zu entsprechen. Der "Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren" erklärte in diesem Sinne, dem Widerspruch werde auf dem Verwaltungswege in vollem Umfang entsprochen. Die weiteren Einzelheiten seien dem noch gesondert zugehenden Bescheid zu entnehmen. Mit diesem Bescheid war offenbar der "Änderungsbescheid" vom selben Tage angesprochen, in dessen Begründung es hieß, die Kosten der Unterkunft würden im Rahmen des Widerspruchs im vollen Umfang über-nommen.
31Hätte der Beklagte allerdings lediglich dem Widerspruch abhelfen wollen, hätte es nahe-gelegen etwa zu verfügen: "In Abhilfe Ihres Widerspruches vom 03.03.2015 erhalten Sie unter entsprechender Änderung des Bescheides vom 23.02.2015 monatlich 97,50 EUR mehr Leistungen für Kosten der Unterkunft." Eine Rechtsbehelfsbelehrung wäre aus Sicht des Beklagten entbehrlich gewesen. Hätte der Beklagte erkannt, dass er dem Widerspruch tatsächlich nicht vollständig abhalf, hätte er den Widerspruch "im Übrigen als unbegrün-det" zurückweisen und dem Bescheid eine Belehrung zum Klageweg anfügen müssen. Tatsächlich hat der Beklagte jedoch nicht nur seinen Bescheiden vom 22.06.2015 jeweils die Rechtsbehelfsbelehrung über einen Widerspruch angefügt, sondern mit dem "Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren" den Ausgangsbescheid vom 23.02.2015 (vollständig) aufgehoben und angefügt, damit (nicht erst mit dem gesondert zugehenden Bescheid) werde dem Widerspruch in vollem Umfang entsprochen; zugleich eine Kosten-grundentscheidung zu Gunsten des Klägers getroffen.
32Damit blieb aus Sicht des Empfängers zumindest unklar, ob der Beklagte das Wider-spruchsverfahren nicht mit seinem "Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren" beenden und die Leistungsbewilligung für den streitgegenständlichen Zeitraum mit dem "Ände-rungsbescheid" sodann auf eine vollständig neue Grundlage stellen wollte. Denn hinzutritt, dass der "Änderungsbescheid" in seinem Verfügungsteil nicht auf Regelungen zu den Kosten der Unterkunft (und Heizung) verhält, sondern eine "Bewilligung" für den gesamten Leistungsanspruch im streitgegenständlichen Zeitraum ausspricht. Neben dem monatli-chen Gesamtbetrag werden dabei die Leistungen für Regelbedarfe, Mehrbedarf, Bedarfe für Unterkunft und Heizung jeweils ausgewiesen.
33Sofern der Bescheidempfänger sich in diesen Unklarheiten über den Regelungsgehalt der ihm zugegangenen Bescheide befinden muss, kann ihm nicht entgegengehalten werden, ein neuerlicher Widerspruch, der über das Widerspruchsbegehren des ersten Wider-spruchsverfahrens hinausgeht, sei – entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung – nicht zuläs-sig.
342. Entgegen der Ansicht des Beklagten steht der Klagebefugnis nicht entgegen, dass die begehrten Leistungen dem Regelungsbereich der Kosten der Unterkunft und Heizung zu-zurechnen sind, nicht aber Mehrbedarfsleistungen nach § 21 Abs. 7 SGB II darstellen. Bei der Auslegung des Klagebegehrens ist nicht die Fassung der Anträge, sondern der wirkli-che Wille maßgebend, soweit er sich aus den Umständen ergibt, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind (Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 6. Aufl. 2012, Rn 198; vgl. § 88 Verwaltungsgerichtsordnung). Ungeachtet erheblicher Zweifel, ob die Mehrbedarfsleistungen nach § 21 Abs. 7 SGB II trotz ihrer Sach – und Regelungsnähe zu den Heizkosten (vergleiche § 22 Abs. 1 SGB II) überhaupt einen von den Regelungen für Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung trennbaren Regelungs– und Streit-gegenstand darstellen können, wird der Streitgegenstand offensichtlich nicht auf Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt, weil die Klägerseite der Ansicht ist, es seien deshalb weitere Leistungen zu gewähren, weil der den Streitgegenstand prägende Lebenssachverhalt von § 21 Abs. 7 SGB II erfasst werde.
35II. Auch ist die Klagevoraussetzung eines Vorverfahrens gemäß § 78 Absatz 1 S. 1 SGG erfüllt, obwohl der Beklagte den Widerspruch gegen den angefochtenen Änderungsbe-scheid vom 22.06.2015 unzutreffend als unzulässig verworfen hat, statt ihn in der Sache zu bescheiden. Mit der überwiegenden Auffassung ist der Klagevoraussetzung in der vor-liegenden Konstellation durch eine abschließende Entscheidung der Verwaltung an sich genügt. Die Fehlerfreiheit des Vorverfahrens wird jedenfalls dann nicht vorausgesetzt, wenn andernfalls die Zulässigkeit der Klage des Adressaten eines belastenden Verwal-tungsakts von der Rechtmäßigkeit des weiteren Verhaltens der Behörde bzw. der zustän-digen Widerspruchsbehörde abhängig wäre. (BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 151/10 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 54, SozR 4-4200 § 20 Nr 15, Rn. 9; BVerwG DVBl 1965, S. 89 (90); Leitherer, a.a.O., § 78, Rn. 2 m.w.Nachw.; Breitkreuz in: Breit-kreuz/Fichte, a.a.O., § 78, Rn. 3; a. A.; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Teilurteil vom 30. September 2010 – L 1 AL 122/09 –, Rn. 29, juris; BVerwGE 26, 161 (167); differenziert: Geis, in: Sodann/Ziekow, VwGO, § 68, R, 37 ff. m. w.Nachw.).
36B. Die Klage ist jedoch unbegründet.
37Der Kläger hat für den Zeitraum März 2015 bis Februar 2016 keinen Anspruch auf weitere Leistungen für Stromkosten zum Betrieb einer dezentralen Gaskombitherme als mit Be-scheid vom 22.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.05.2016 und des Bescheides vom 23.06.2016 bewilligt. Der Kläger ist nicht i. S. d. § 54 Abs. 2 SGG beschwert.
38I. Anspruchsgrundlage für Leistungen für den geltend gemachten Bedarf ist § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II Hiernach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Zu den Bedarfen der Heizung zählen auch die Betriebsstromkosten einer Heizungsanlage, deren Brennstoffkosten be-reits nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II Berücksichtigung finden. Dies gilt auch, wenn mit der-selben Vorrichtung warmes Wasser dezentral erzeugt wird, wie dies etwa bei einer Gas-kombitherme der Fall sein kann. Ein Anspruch auf Leistungen für einen Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung nach § 21 Abs. 7 SGB II besteht nicht stattdessen, wie der Kläger meint (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2016 – L 31 AS 300/15 –, juris; SG Gießen, Urteil vom 05. November 2014 – S 25 AS 980/12 –, Rn. 17, juris = NZS 2015, S. 76-77; SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 12. De-zember 2014 – S 3 AS 130/14 –, Rn. 126, 133, juris unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 07. Juli 2011 – B 14 AS 51/10 R –, Rn. 15, juris; Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 21, Rn. 139.1; a. A.: SG Augsburg, Urteil vom 14. Februar 2013 – S 16 AS 887/12 –, Rn. 12 ff., juris; Schwabe in Zeitschrift für das Fürsorgewesen 2013, 6: von Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 SGB II erfasst; dagegen: BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 47/14 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 87, Rn. 12 ff.; vgl. Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 20, Rn. 43, 43.1).
39§ 21 Abs. 7 S. 1 SGB II sieht vor, dass bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf aner-kannt wird, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitge-stelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. § 21 Abs. 7 S. 2 SGB II nennt Pau-schalen zur Höhe des Mehrbedarfes, von denen abgewichen werden kann, wenn im Ein-zelfall ein abweichender Bedarf besteht oder ein Teil des angemessenen Warmwasser-bedarfs nach § 22 Abs. 1 SGB II anerkannt wird.
40Welche Vorrichtungen solche der dezentralen Warmwassererzeugung sind, ist bisher in Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend erläutert, wenngleich § 21 Abs. 7 Hbs. 1 SGB II eine Legaldefinition anbietet ("durch in der Unterkunft erzeugte Vorrichtungen"). Keine dezentrale Warmwassererzeugung liegt hiernach jedenfalls dann vor, wenn diese außerhalb der Wohnung des Leistungsberechtigten für mehrere Wohnungen gemeinsam erfolgt. In einem Umkehrschluss wird warmes Wasser – trotz der Legaldefinition - auch dann als dezentral erzeugt betrachtet, wenn es nur für eine einzelne Wohnung vorgese-hen ist, gleichwohl die Vorrichtung ggfs. außerhalb der Wohnung liegen mag (vgl. SG Gießen, a.a.O.; Krauß, in: Hauck/Noftz, SGB II, Bd. II, § 21, Rn. 99).
41Wie Wortlaut, Systematik und Wille des Gesetzgebers zeigen, ist eine Voraussetzung für die Gewährung eines Mehrbedarfes für Warmwasser jedefalls, dass die Warmwasserer-zeugung separat, d. h. nicht in einer Vorrichtung mit der Heizung, erfolgt (Landessozialge-richt Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2016 – L 31 AS 300/15 –, Rn. 25, ju-ris; SG Gießen, a.a.O.; SG Mainz, a.a.O.; Behrend, a.a.O.; Falterbaum in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 35, Rn. 81). Anknüpfungspunkt hierfür ist § 21 Abs. 7 S. 1 Hbs. 2 SGB II.
42Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches vom 25. März 2011 (BGBl. I 2011, 453) sind die Kosten für die Erwärmung warmen Wassers aus dem Regelbedarf herausgenommen worden (vgl. § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II: "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erwärmung von Warmwasser entfallenden Anteile"). Gleichzeitig wurde ein Mehrbedarf für Kosten von Warmwasser bei dezentraler Warmwassererzeugung geschaffen. Diese Regelungen waren Ergebnis der Beratungen im Vermittlungsausschuss (vgl. BT-Drs 17/4719; vgl. Krauß, in: Hack/Noftz, SGB II, Bd. II, § 21, Rn. 96).
43Der Wortlaut des § 21 Abs. 7 S. 1 SGB II ("soweit... deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden") und S. 2 Hbs. 2 Alt. 2 ("oder ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfes nach § 22 Abs. 1 anerkannt wird") zei-gen zunächst, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Kosten der Erwärmung warmen Wassers damit grundsätzlich zu einem Bestandteil der Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden sollten (so die Internen Erläuterungen zum Regelungsvorschlag für den Vermittlungsausschuss vom 06.02.2011, BT-Drs 17/3404, S. 5; Brehm/Schifferdecker, SGb 2011, S. 505 ff.; von Boetticher/Münder, LPK-SGBII, 5. Aufl. 2013, § 21, Rn. 45; Herold-Tews, in: Löns/dies., SGB II, 3. Aufl. 2011, § 21, Rn. 47). Die insoweit vergleichbare Regelung des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung verdeutlicht dies systematisch dadurch, dass § 35 Abs. 4 S. 1 SGB XII die Leistungen für zentrale Warmwasserversorgung ausdrücklich erwähnt (vgl. auch Falterbaum, a.a.O., Rn. 79; Brehm/Schifferdecker a.a.O.). Ziel der Vorschrift ist es, denjenigen Mehraufwand zu berücksichtigen, der gegenüber Leistungsberechtigten entsteht, deren Warmwassererzeugung über § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II erfasst werden kann (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 5; Loose, in: Hohm, SGB II, Bd. 3, § 21, Rn. 97). § 21 Abs. 7 SGB II dient also nur dazu, die Kosten zu erfassen, die keine Bedarfe für Unterkunft und Heizung darstellen können (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 3, 5). Die Gewährung eines Mehrbedarfes für eine dezentrale Warmwassererzeugung ist daher teleologisch-systematisch in Abhängigkeit von dem Umfang, in dem § 22 SGB II die Übernahme der Kosten der Warmwassererzeugung zulässt, zu ermitteln (SG Gießen, a.a.O.; Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 21, Rn. 138).
44Dem entsprechend sieht § 21 Abs. 7 SGB II die Anerkennung eines Mehrbedarfes (nur) vor, soweit (aufgrund einer dezentralen Warmwassererzeugung) keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II anerkannt werden.
45Soweit der Gesetzgeber die Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für die Erzeugung warmen Wassers in § 21 Abs. 7 S. 1 Hbs. 2 SG II davon abhängig gemacht hat, dass die Anerkennung eines entsprechenden Bedarfes nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht für zent-ral bereit gestelltes Warmwasser erfolge, dachte er an Durchlauferhitzer, deren Strom- oder Gasverbrauch sich deshalb nicht den Heizkosten zuordnen lassen, weil mit der Vor-richtung nicht (auch) die Heizung selbst betrieben wird. So findet sich in den Internen Er-läuterungen zur Anlage 3 des Regelungsvorschlags für den Vermittlungsausschuss vom 6. Februar 2011 (BT-Drs. 17/3404, S. 3 zu Buchstabe b)) die Erklärung, für Leistungsbe-rechtigte, deren Warmwasser nicht ausschließlich über eine zentrale, also gemeinsame Warmwasserversorgung aller Wohneinheiten eines Mehrparteienhauses oder die Hei-zungsanlage einer Wohnung beziehungsweise eines Einfamilienhauses gedeckt werde, solle ein zusätzlicher Mehrbedarf eingeführt werden (siehe auch S. 5 zu Buchstabe c)) ( ...) Der Stromverbrauch von mit Strom betriebenen Vorrichtungen zur Warmwassererzeugung werde aus dem Stromnetz des Haushaltes gedeckt. Mangels eigener Stromzähler für diese Geräte könne der Stromverbrauch jedoch nicht isoliert ermittelt werden. Vergleichbares gelte bei mit Gas aus Versorgungsleistungen betriebenen Durchlauferhitzern, wenn zusätzlich der Kochherd mit Gas betrieben werde. Soweit in § 21 Abs. 7 S. 2 Hbs. 2 Alt. 2 SGB II eine Konstellation angesprochen wird, in der ein Teil des Warmwasserbedarfes nach § 22 Abs. 1 SGB II anerkannt wird, ist auch hiermit nicht etwa der Fall angesprochen, in dem die Gaskosten einer dezentralen Gaskombitherme für Heizung und Warmwasser gemeinsam (zum Teil) als Heizkosten Berücksichtigung finden, der Stromverbrauch des Gerätes aber nicht oder (auch) nur zum Teil. Vielmehr ist hier der Fall bedacht, dass etwa ein dezentral elektrisch betriebener Durchlauferhitzer nur einen Teil der Wohnung betrifft (z. B. Durchlauferhitzer nur in der Küche), während die Warmwassererzeugung für andere Teile der Wohnung dezentral erfolgt (BT-Drs-17/3404, S. 5; anders: Krauß, in: Hauck/Noftz, SGB II, Bd. II, § 21, Rn. 99).
46Den Erläuterungen des Vermittlungsausschusses zu § 21 Abs. 7 SGB II lässt sich weiter entnehmen, dass der Gesetzgeber von einer Zentralität der Warmwasserversorgung nicht nur im Falle einer gemeinsamen Warmwasserversorgung aller Wohneinheiten in einem Mehrparteienhaus über die Heizungsanlage, eine Warmwassertherme oder Fernwärme ausging, sondern immer dann, wenn – wie in diesem bei der Mehrzahl der Fälle vorlie-genden Fall – die Abrechnung der Warmwasserkosten im Rahmen der Nebenkostenab-rechnung erfolgt, wobei damit nicht lediglich die Nebenkostenabrechnung des Vermieters gegenüber einem Mieter, sondern auch die Abrechnung eines Energieversorgers gegen-über seinem Kunden gemeint ist. Denn bei Wohnungen außerhalb des Standardfalles bzw. bei Einfamilienhäusern sei dies eben dann der Fall, wenn das Warmwasser über die Heizungsanlage erzeugt werde (BT-Drs. 17/3404, S. 5; Faltenbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 35, Rn. 81). Zur Begründung der Änderung des § 20 SGB II heißt es korrespondie-rend, dass damit klargestellt werde, dass der Bedarf zur Erzeugung von Warmwasser als Bedarf für Unterkunft und Heizung anzuerkennen sei, soweit er Bestandteil der Nebenkos-ten der Unterkunft ist. Soweit die Erzeugung von Warmwasser nicht in den Nebenkosten der Unterkunft enthalten sei, weil eine dezentrale Erzeugung getrennt von der Heizung erfolgt, sei ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II anzuerkennen.
47Bei einer Gaskombitherme zum Betrieb der Heizung und der Erzeugung warmen Wassers erfolgt die Warmwassererzeugung gerade über die Heizungsvorrichtung und nicht ge-trennt von dieser. Entsprechend sind die aus dem separaten Gaslieferungsvertrag des Klägers resultierenden Verpflichtungen als sog. "warme" Nebenkosten seitens des Be-klagten vollständig als Kosten der Heizung berücksichtigt worden und daher als Bedarfe für zentral bereit gestelltes Warmwasser nach § 22 Abs. 1 SGB II anerkannt worden, ohne dass dies klägerseitig auf Bedenken stieße. Für die durch die Therme verursachten Stromkosten einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II anzuerkennen ist daher nach § 21 Abs. 7 S. 1 Hbs. 2 SGB II ausgeschlossen. (Auch) diese Kosten fallen unter § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II.
48Ob die Warmwassererzeugung zentral für mehrere Wohnungen oder dezentral durch in der Unterkunft installierte Einrichtungen erfolgt (vgl. § 21 Abs. 7 S. 1 Hbs. 1 SGB II) ist danach vorliegend letztlich nicht erheblich, sondern es kommt allein darauf an, dass die Warmwassererzeugung zusammen mit der Heizung und nicht separat erfolgt. Bei einer einheitlichen Vorrichtung sind diese Kosten zwanglos unter den Begriff der "Heizung" zu subsummieren. Dies war vor der Änderung durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbe-darfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches vom 25. März 2011 nicht möglich, da § 20 Abs. 1 SGB II a. F. die Kosten für die Erzeugung warmen Wassers ausdrücklich dem Regelbedarf zuordnete. Mit dem Wegfall dieser Re-gelung hat der Gesetzgeber den Weg frei gemacht, die Warmwasserkosten unter den Begriff der Heizkosten fallen zu lassen. Deswegen bedurfte es auch keiner ausdrücklichen Aufnahme der Kosten der Warmwassererzeugung in § 22 SGB II (SG Gießen, a.a.O.).
49Mit § 21 Abs. 7 sucht der Gesetzgeber also die Fälle zu erfassen, in denen der Bedarf nicht über § 22 SGB II gedeckt wird. So ist es tatsächlich zwingend, dass bei einer Zent-ralheizung mit zentraler Warmwassererzeugung eine Umlegung der Kosten auf die Mieter erfolgen muss. Aber auch die Kosten einer dezentralen Heizung mit Warmwasserzeugung sind ein Bedarf nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Es gibt zwar bestimmte Nebenkostenarten, die tatsächlich nur als Betriebskosten im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter in den Bedarf einzustellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 07. Juli 2011 – B 14 AS 51/10 R –, Rn. 16, juris), für die Kosten der Warmwassererzeugung gilt dies allerdings nicht. Sie sind – wie der vergleichbare § 35 Abs. 4 SGB XII zeigt - grundsätzlich – also auch für Eigentümer oder Mieter mit selbstständigem Versorgungsvertrag – ein Bedarf nach § 22 SGB II. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund zwischen einer zentralen Heizung mit Warmwasser-erzeugung und einer dezentralen Heizung mit Warmwassererzeugung differenziert werden sollte. Während nicht erkennbar ist, welche Mehrkosten bei einer dezentralen Versorgung in einer Vorrichtung gegenüber einer zentralen Versorgung in einer Vorrichtung anfallen sollen, erschließt sich der Grund eines Mehrbedarfes für eine separate Warmwas-sererzeugung hingegen sofort: Es entstehen gegenüber der Heizung zusätzliche Kosten (in aller Regel für Strom), die – da sie nicht unter den Begriff der Heizung subsumiert wer-den können – als Mehrbedarf zu übernehmen sind (SG Gießen, a.a.O., Rn. 23).
50Das im Wege der Auslegung ermittelte Ergebnis entspricht auch praktischen Gesichts-punkten, in deren Dienste die Pauschalierung des § 21 Abs. 7 SGB II gerade stehen soll (vgl. BT-Drs. a.a.O.; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Januar 2014 – L 6 AS 1667/12 –, Rn. 27, juris). Bei einer Erzeugung von warmem Wasser und Heizung in einer Vorrichtung sind die Kosten in aller Regel als Gesamtkosten zumindest für den Brennstoffträger (hier: Gaskosten) bekannt. Ein Abgleich mit dem pau-schalen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II würde zu einer unnötigen Verkomplizierung führen, die gerade nicht dessen Zielsetzung entspricht. So bliebe der Teil der Energieträ-gerkosten, der auf die Warmwasserbereitung entfällt zu ermitteln, mangels eines separa-ten Zählers letztlich zu schätzen und aus den auf Grundlage des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigenden Kosten herauszurechnen. In Bezug auf den benötigten Betriebs-strom wären zwei weitere Schätzungen erforderlich: So wäre einerseits zu schätzen, wel-cher Teil des Stromes durch den Betrieb der Heizung selbst bedingt und welcher Teil den Warmwasserkosten zuzuschreiben wäre. Hiernach verbliebe kein Raum für eine Schät-zungen ersetzende Pauschalierung wie sie § 21 Abs. 7 S. 2 SGB II regelhaft vorsieht. Ei-ne Kohärenz bliebe entsprechend über § 21 Abs. 7 S. 2 Hbs. 2 Alt. 1 SGB II herbeizufüh-ren (vgl. Krauß, in: Hauck/Noftz, SGB II, Bd. II, § 21, Rn. 99). Zählen Kosten des Brenn-stoffträgers sowie der Betriebsstrom hingegen zutreffender Weise insgesamt zu den Kos-ten der Heizung, bleibt lediglich der auf die gemeinsame Vorrichtung für Heizung und Warmwassererzeugung entfallende Stromanteil zu ermitteln bzw. zu schätzen und hier-durch von den auf den Haushaltsstrom entfallenden Kosten, die bereits von den Leistun-gen für den Regelbedarf erfasst sind, zu unterscheiden. Für den Leistungsberechtigten muss es ohnehin bei derselben Gesamthöhe des Leistungsanspruches bleiben, weil letzt-lich in jedem Fall nur die auf den Haushaltsstrom entfallenden Anteile des Stromverbrau-ches nicht neben dem Regelbedarf Beachtung finden. Der Leistungsberechtigte erhält – gleich ob zum Teil über § 21 Abs. 7 SGB II oder ausschließlich über § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II - im Ergebnis die gesamten im Zusammenhang mit dem Betrieb der Gaskombitherme anfallenden Kosten (Gas und Strom); mehr kann er nicht verlangen. Der Kläger irrt inso-fern, wenn er der Ansicht ist, zusätzlich zu der vollen Berücksichtigung der Gaskosten als Teil der Heizkosten könne er die Pauschale nach § 21 Abs. 7 S. 2 Hbs. 1 SGB II geltend machen, gleichwohl auch ein (nicht genau bestimmbarer) Teil seiner Gaskosten auf die Erzeugung warmen Wassers entfällt. Die Frage der Zuordnung der Bedarfsteile ist letztlich ausschließlich für die Frage des Kostenträgers von Interesse (vgl. § 6 Abs. 1 SGB II).
51II. Nach der vorstehenden dogmatischen Verortung der Stromkosten zum Betrieb der Gaskombitherme des Klägers als nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigende Kos-ten der Heizung inklusive der Erwärmung von Wasser ist der Anteil der Stromkosten man-gels eines eigenen Stromzählers für die Therme und der Möglichkeit einer genauen Er-mittlung zur Unterscheidung von dem Teil der Stromkosten, die auf den Haushaltsstrom entfällt, zu schätzen; § 202 SGG i.V.m. § 287 Abs. 2 ZPO (BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 47/14 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 87, Rn. 18; BSG, Urteil vom 07. Juli 2011 – B 14 AS 51/10 R –, Rn. 16, juris; BSG, Urteil vom 20. August 2009 – B 14 AS 41/08 R –, Rn. 27, juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. März 2011 – L 12 AS 2404/08 –, Rn. 22, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. März 2012 – L 19 AS 2051/11 –, Rn. 83, juris; Landessozialge-richt Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10. Juli 2012 – L 7 AS 988/11 ZVW –, Rn. 16, juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2016 – L 31 AS 300/15 –, Rn. 34, juris; SG Gießen, a.a.O., Rn. 25; SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 12. Dezember 2014 – S 3 AS 130/14 –, Rn. 133, juris; SG Altenburg, Urteil vom 20. Oktober 2014 – S 27 AS 4108/11 –, Rn. 41, juris).
52Gegen den mit Schriftsatz vom 11.05.2016 gut begründeten Ansatz des Beklagten von monatlich 5 % der Brennstoffkosten bestehen dabei keine Bedenken.
53Anknüpfungspunkte für die Schätzung der nicht separat erfassten Stromkosten zum Be-trieb einer (Gas)heizungsanlage können sich nach der Rechtsprechung des Bundessozi-algerichts (Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 47/14 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 87, Rn. 23) aus den in der mietrechtlichen Rechtsprechung gebräuchlichen Berechnungsme-thoden ergeben. Diese stellen entweder auf einen geschätzten Anteil der Brennstoffkosten ab (nach BSG a.a.O: üblicherweise 4-10%; nach Lammel, HeizkostenV, 4. Aufl. 2015: Anteil zwischen 3-6%; nach Lammel in: Schmidt-Futterer, MietR, § 7 HeizkostenV Rn. 30: Anteil zwischen 4-10%; nach Gies in: Hannemann/Wiegner, Münchner Anwaltshandbuch Mietrecht, 4. Aufl. 2014, § 24 Rn. 308: regelmäßiger Anteil von 5% der Gesamtkosten des Betriebs der Heizungsanlage; ebenso für einen Anteil von höchstens 5%: LSG Baden-Württemberg v. 25.03.2011 - L 12 AS 2404/08, - Rn. 22, juris und LSG Niedersachsen-Bremen v. 10.07.2012 - L 7 AS 988/11 ZVW, - Rn. 18, juris; für einen Grenzwert von 8% der Brennstoffkosten: Richtlinien zur Durchführung der verbrauchsabhängigen Heiz- und Wasserkostenabrechnung, Fassung Dezember 2012, Ziffer 8, Plausibilitätskontrolle; zu einem Anteil von 14%: LG Hannover v. 19.04.1991 - 8 S 53/90 - juris Rn. 4, wonach die Brennstoffkosten starken Schwankungen unterlägen und daher ein regelmäßiger Anteil der Heizstromkosten an den Brennstoffkosten ausscheidet; vgl. weiter BGH, Versäumnis-urteil vom 20. Februar 2008 – VIII ZR 27/07 –, Rn. 32, juris) oder auf den geschätzten Stromverbrauch der Heizungsanlage während der ebenfalls geschätzten durchschnittli-chen Betriebsstunden ihrer wesentlichen elektrischen Vorrichtungen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. Dezember 2005 – 15 W 375/04 –, Rn. 37, juris; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22. November 2012 – L 5 AS 83/11 –, Rn. 48, juris).
54Die Kammer schließt sich für den vorliegenden Fall der sozialgerichtlichen Recht-sprechung an, die auf ein geschätztes Verhältnis der Strombetriebskosten zu den Brenn-stoffkosten einer Heizungsanlage zurückgreift und sich dabei auf regelhaft 5 % festlegt (zuletzt: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2016 – L 31 AS 300/15 –, Rn. 34, juris; LSG Baden-Württemberg v. 25.03.2011 - L 12 AS 2404/08, - Rn. 22, juris mit entsprechenden Nachw. aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur; LSG Niedersachsen-Bremen v. 10.07.2012 - L 7 AS 988/11 ZVW, - Rn. 18, juris; SG Gießen, a.a.O.; vgl. auch Gies in: Hannemann/Wiegner, Münchner Anwaltshandbuch Mietrecht, 4. Aufl. 2014, § 24 Rn. 308). Es sind für die Kammer keine mit verhältnismäßigem Aufwand (vgl. BSG Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 47/14 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 87, Rn. 19 f.) ermittelbaren Anknüpfungstatsachen ersichtlich, die eine präzisere Schätzung ermöglichen würden. Weder hat der Kläger solche vorgetragen, noch ergeben sie sich aus der vorliegenden Betriebsanleitung für die Gaskombitherme des Klägers. Eine Schätzung unter Einbeziehung der Verbrauchswerte der Gaskombitherme wird keine besseren Ergebnisse ermöglichen, da die Festlegung der monatlichen oder gar jährlichen Betriebsdauer eine zu große Spannbreite eröffnet. Der sich auf der Basis der tatsächlichen Gaskostenabschläge in Höhe von 84,00 EUR monatlich ergebende Betrag von 4,20 EUR monatlich erscheint der Kammer auch vor dem Hintergrund des § 21 Abs. 7 S. 2 Hbs. 1 Nr. 1 SGB II plausibel. Erfasste man die Energiekosten (Gas und Strom) für die Erzeugung warmen Wassers – dogmatisch unzutreffend - mit einer Warmwasserpauschale für dezentrale Warmwasserversorgung, ergäbe sich ein Betrag monatlich von 9,18 EUR (2015) bzw. 9,30 EUR (2016). Es ist nicht anzunehmen, dass von dem im streitgegenständlichen zu zahlenden Gaskostenabschlag ein (signifikant) geringerer Anteil als (durchschnittlich monatlich) 4,98 EUR bzw. 5,10 EUR auf die Erzeugung warmen Wassers entfällt und die Energiekosten für Strom bei der Erzeugung warmen Wassers also einen höheren Anteil ausmachten.
55Dessen ungeachtet ist festzuhalten, dass der Beklagte für den weitaus größeren Teil des streitgegenständlichen Zeitraumes (Juni 2015 bis Februar 2016) – aufgrund der nachläs-sigen Mitwirkung des Klägers - von deutlich höheren Heizkosten ausgegangen ist, als der Kläger tatsächlich an seinen Energieversorger zu zahlen hatte (114,00 EUR statt 84,00 EUR monatlich). Dadurch hat er im betreffenden Zeitraum nicht nur monatlich 30,00 EUR zu viel an Heizkosten für Gas übernommen, sondern – ausgehend von einem Anteil von 5 % - auch 1,50 EUR zu viel für Stromheizkosten bzw. faktisch 6,79 % der tatsächlichen Gaskos-tenabschläge. Dass die tatsächlichen Gaskosten höher waren, als die berücksichtigten Abschläge ist weder behauptet worden, noch wären dafür Anhaltspunkte ersichtlich. Ent-sprechende Jahresabrechnungen hat der Kläger nicht vorgelegt.
56C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
57D. Die Berufung ist nicht zulässig. Der Beschwerdegegenstand von 750,00 EUR nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG wird nicht erreicht. Ausgehend von dem Begehren statt der als wei-tere Heizkosten gewährten 4,20 EUR (März bis Mai 2015) bzw. 5,70 EUR (Juni 2015 bis Februar 2016) für Stromkosten als Mehrbedarf für Warmwasser auf der Grundlage des § 21 Abs. 7 S. 2 SGB II 9,18 EUR (März bis Dezember 2015) bzw. 9,30 EUR (Januar bis Februar 2016) zu erhalten, liegt der Wert der Beschwer bei 46,50 EUR. Wiederkehrende oder laufende Leis-tungen von mehr als einem Jahr sind nicht betroffen (§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG). Gründe, die Berufung gem. § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, erkennt die Kammer nicht.
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Urteil einreichenSozialgericht Aachen Urteil, 08. Nov. 2016 - S 14 AS 757/15 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tenor
-
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheids für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2006 und die Höhe der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für diesen Zeitraum.
- 2
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Der im Jahre 1969 geborene Kläger arbeitete nach seinen eigenen Angaben zunächst als Fernsehredakteur. Er lebt mit seinem im Dezember 2003 geborenen Sohn in einem Haushalt. Seit 2005 bezieht er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 29.3.2006 (Änderungsbescheid vom 7.4.2006) Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2006, dabei für die Monate September und Oktober 2006 in Höhe von 966 Euro, wobei der Kläger eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro (100 vH) monatlich bezog. Der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten überreichte dem Kläger am 6.7.2006 im Rahmen eines "ausführlichen Beratungsgesprächs" zwei Vermittlungsvorschläge, darunter einen für eine Vollzeittätigkeit bei der Zukunftswerkstatt K Nach Angaben des Klägers wurde laut Stellenbeschreibung ein Erzieher zur Anleitung anderer ABM-Helfer mit viel Erfahrung in sozialen und organisatorischen Bereichen sowie in der Betreuung an Grundschulen gesucht. Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit. Auf diese Stelle bewarb sich der Kläger nicht. Auf ein Anhörungsschreiben des Beklagten hin antwortete der Kläger am 21.7.2006, dass er den Vermittlungsvorschlag in seinen Unterlagen abgelegt und dort vergessen habe.
- 3
-
Der Beklagte erließ am 26.7.2006 einen Bescheid zur Absenkung des Arbeitslosengelds II (Alg II) gemäß § 31 SGB II. Darin hieß es wörtlich: "Der Ihnen zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II wird unter Wegfall des eventuell zustehenden Zuschlages nach § 24 SGB II für die Zeit vom 1.9.2006 bis 30.11.2006 monatlich um 30 % der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages, abgesenkt. Daraus ergibt sich eine Absenkung in Höhe von maximal 104,00 Euro monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wird insoweit ab dem 1.9.2006 gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben." Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe die ihm am 6.7.2006 angebotene, zumutbare Arbeit als Erzieher bei der Firma Zukunftswerkstatt K trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht angenommen, indem er sich nicht beworben habe.
- 4
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Mit Bescheid vom 1.11.2006 (Änderungsbescheid vom 24.11.2006) bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 1.11.2006 bis April 2007. Ausweislich der Berechnungsbögen wurde dabei durch den Änderungsbescheid vom 24.11.2006 für den Monat November 2006 von einem Minderungsbetrag von 104 Euro ausgegangen. Bewilligt wurden dem Kläger Leistungen in Höhe von 841,40 Euro.
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Bereits am 17.8.2006 hatte der Kläger Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 eingelegt. Diesen wies der Beklagte durch Bescheid vom 24.11.2006 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, trotz eines zuvor geführten intensiven Gesprächs hinsichtlich der Bewerbungsstrategie und einer Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger sich nicht bei der Zukunftswerkstatt beworben. Er habe hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass er die Aufnahme der angebotenen Tätigkeit verweigere. Einen wichtigen Grund hierfür habe er nicht nachgewiesen. Die Tätigkeit sei angesichts seiner beruflichen Laufbahn auch angemessen und zumutbar gewesen. Die Voraussetzungen für die Absenkung des Alg II um 30 % der maßgebenden Regelleistung seien daher erfüllt. Für den Kläger betrage die Regelleistung 345 Euro, woraus sich ein Absenkungsbetrag in Höhe von gerundet 104 Euro ergebe. Die Sanktion umfasse die Kalendermonate September bis November 2006. Für diesen Zeitraum sei die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung teilweise aufzuheben gewesen.
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Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 den Bescheid des Beklagten vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2006 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt gewesen. Es müsse aus dem Sanktionsbescheid von vornherein klar werden, in welcher Höhe eine Absenkung erfolgen werde. Der Umfang der Kürzung müsse deshalb konkret und unmissverständlich dem Bescheid zu entnehmen sein. Durch die Formulierung in dem Bescheid vom 26.7.2006 "30 % höchstens in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages und Absenkung von maximal 104,00 Euro monatlich" sei dem Kläger lediglich eine Obergrenze mitgeteilt worden. Es fehle an einem konkreten und unmissverständlichen Minderungsbetrag. Die mangelnde Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes könne auch nicht nach § 41 SGB X geheilt werden, denn es handele sich hierbei nicht um einen Formmangel. Eine hinreichende Bestimmtheit sei vorliegend auch nicht durch andere Bescheide hergestellt worden. Allein aus der durch den Änderungsbescheid vom 21.8.2006 festgesetzten Änderung für den Monat Oktober 2006 habe der Kläger nicht den Schluss ziehen können, dass der Minderungsbetrag 104 Euro betrage. Es könne dahinstehen, inwieweit nicht die Wertung des § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II für eine Unzumutbarkeit der angebotenen Vollzeittätigkeit spreche. Aus dieser Vorschrift folge, dass ein Hilfebedürftiger, der ein unter dreijähriges Kind betreue und erziehe, nicht zur Aufnahme einer Arbeit verpflichtet werden könne.
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Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten den Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Ausgangsbescheid wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit gemäß § 33 Abs 1 SGB X rechtswidrig gewesen sei. Jedenfalls sei diese mangelnde Bestimmtheit im Widerspruchsverfahren durch den Erlass des Widerspruchsbescheids in entsprechender Anwendung des § 41 SGB X geheilt worden. Des Weiteren liege auch ein Sachverhalt vor, der den Eintritt einer Sanktion zur Folge habe. Der Kläger sei durch den Vermittlungsvorschlag über die Rechtsfolgen einer Arbeitsverweigerung ausreichend belehrt gewesen. Er habe sich auch geweigert, eine Arbeit aufzunehmen. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass die angebotene Arbeit für den Kläger unzumutbar gewesen wäre. Gemäß § 10 Abs 1 SGB II sei dem Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar. Auch der Umstand, dass der Kläger allein seinen damals noch nicht dreijährigen Sohn erzogen habe, führe nicht zur Unzumutbarkeit der angebotenen Stelle. Die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet habe, sei in der Regel nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege sichergestellt sei. Vorliegend sei eine solche Gefährdung der Kindeserziehung nicht ersichtlich. Der Kläger selbst habe diesen Einwand erstmals im Klageverfahren vorgebracht. Dies überzeuge bereits deshalb nicht, weil der Kläger in seinen früheren Stellungnahmen und Widersprüchen besonders betont habe, wie sehr er sich um eine Arbeit bemühe, ohne seine angeblich eingeschränkte Vermittelbarkeit auch nur anzudeuten. Auch die vom Kläger geschlossene Eingliederungsvereinbarung enthalte keinerlei einschränkende Bedingungen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision. Er rügt eine Verletzung der §§ 33, 41 SGB X und des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c, § 31 Abs 6, § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II sowie des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er geht zunächst mit dem SG davon aus, dass der Ausgangsbescheid vom 26.7.2006 nicht hinreichend inhaltlich bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X gewesen sei. Die mangelnde Bestimmtheit des Sanktionsbescheids sei auch nicht durch andere oder spätere Bescheide geheilt worden. Er habe sich auch nicht geweigert, eine ihm angebotene Arbeit anzunehmen. Er habe lediglich die Arbeitsangebote in seine Mappe gelegt und dort vergessen. Die angebotene Tätigkeit als voll ausgebildeter Erzieher sei ihm nicht zumutbar gewesen, zumal dieses Angebot seine Eingliederung nicht gefördert hätte. Zwar spreche das Vermittlungsangebot nur von einem Erzieher. Da dieser jedoch Andere anleiten habe sollen, habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um einen ausgebildeten Erzieher handeln sollte. Das LSG überspanne die Anforderungen an die Hilfebedürftigen, wenn es trotzdem verlange, dass er sich zunächst einmal auf die angebotene Stelle als Erzieher hätte bewerben müssen. Schließlich sei auch die Erziehung seines unter dreijährigen Kindes gefährdet gewesen. Das LSG habe an dieser Stelle den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt, denn es sei die Betreuung seines Sohnes nur für maximal sechs Stunden täglich sichergestellt gewesen. Bei der angebotenen Stelle habe es sich zudem um eine Vollzeitstelle in K gehandelt. Von seinem Wohnort aus in R benötige er mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa eineinhalb Stunden für eine Fahrtstrecke bis nach K Darüber hinaus habe der Sanktionszeitraum auch nicht auf den November 2006 ausgedehnt werden dürfen, weil zum Zeitpunkt der Festsetzung des Sanktionszeitraums eine Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum noch nicht vorgelegen habe.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2008 aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Der Beklagte beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils. Ergänzend weist er darauf hin, dass sich bereits aus dem Ausgangsbescheid vom 26.7.2006 hinreichend bestimmt die ausgesprochene Rechtsfolge ergebe.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Absenkung der Leistungen des Klägers für den Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006 zu Recht erfolgt ist (hierzu unter 3.), bzw ob dem Kläger aus anderen Gründen für diesen Zeitraum höhere Leistungen zustanden (sodann unter 4.). Zu Recht hat das LSG allerdings entschieden, dass der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 nicht wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit gemäß § 33 Abs 1 SGB X aufzuheben war(siehe unter 2.).
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1.a) Streitgegenstand sind die vom Kläger begehrten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006. Das BSG hat insofern bereits entschieden, dass ein Sanktionsereignis bzw ein Sanktionsbescheid gemäß § 31 SGB II keinen abtrennbaren Streitgegenstand darstellt, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden kann(BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 12). Ob dem Kläger für den streitigen Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006 höhere als die abgesenkten Leistungen zustanden, kann nicht abschließend entschieden werden. Zum einen kann nicht beurteilt werden, ob der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2006) den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG insbesondere an das Vorliegen einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung genügte (sogleich unter 3.). Zum anderen könnte selbst bei einer Rechtmäßigkeit der hier bislang ausschließlich geprüften Sanktionsbescheide die Revision des Klägers dennoch begründet sein, wenn ihm aus einem anderen Grund höhere Leistungen als die abgesenkten für den streitigen Zeitraum zustanden (siehe unter 4.).
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b) Die Anfechtungsklage des Klägers gemäß § 54 Abs 1 SGG(hierzu BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - RdNr 12) richtet sich darauf, für den streitigen Zeitraum ungekürzte bzw nicht abgesenkte Leistungen zu erhalten. Hierbei ist hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung wegen der vorherigen Leistungsbewilligung für die Monate September und Oktober 2006 zwischen diesen beiden Monaten einerseits und dem Monat November 2006 andererseits zu unterscheiden.
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Hinsichtlich der Monate September und Oktober 2006 hatte der Beklagte dem Kläger mit den Bescheiden vom 29.3.2006 /Änderungsbescheid vom 7.4.2006 bereits Leistungen in Höhe von zuletzt 966 Euro monatlich bewilligt. Insofern zutreffend hat der Beklagte die vom Kläger ausschließlich angefochtenen Bescheide vom 26.7.2006 und 24.11.2006, mit denen er die bewilligte Leistung absenkte, auf § 48 SGB X gestützt. Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Eintritt vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung ist (mit Wirkung für die Zukunft) eingetreten, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 SGB II für eine Absenkung des Alg II vorgelegen haben.
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Für den Zeitraum ab 1.11. bis 30.11.2006 hatte der Beklagte Leistungen lediglich unter Berücksichtigung einer um 104 Euro gekürzten Regelleistung bewilligt (Bescheid vom 1.11.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.11.2006). Für den Monat November 2006 stehen dem Kläger die Leistungen ohne Kürzung eines Betrags von 104 Euro zu, wenn er dem Grunde nach die Voraussetzungen der §§ 7, 19 SGB II für einen Anspruch auf Alg II erfüllt hat und die Regelleistung nicht nach § 31 Abs 1 SGB II abgesenkt ist. Damit der Kläger dieses Ziel erreichen kann, müssten (im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG) die Bescheide vom 1.11. bzw 24.11.2006 insofern geändert werden, was das SG unterlassen hat. Auch hierüber wird das LSG abschließend zu befinden haben.
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Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen im Urteil des LSG kann noch mit hinreichender Klarheit entnommen werden, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II erfüllt.
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2. Entgegen der Rechtsansicht des SG war bereits der angefochtene Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X). Es kommt mithin nicht darauf an, ob dieser Bescheid noch durch den Widerspruchsbescheid vom 24.11.2006 "geheilt" worden ist, wovon das LSG ausgegangen ist. Das BSG hat bereits entschieden, dass Sanktionsbescheide mit dem hier angefochtenen Inhalt den Bestimmtheitsanforderungen des § 33 Abs 1 SGB X genügen(vgl insbesondere Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 RdNr 13 ff). Das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 SGB X verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts klarstellende Funktion zu (BSG Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R = BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384). Unbestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten (vgl auch BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwzN). Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9). Nach diesen Maßstäben lässt sich hier die Unbestimmtheit des Aufhebungsbescheides vom 26.7.2006 nicht feststellen. Zwar verfügte der Beklagte in diesem Bescheid, dass sich der monatliche Absenkungsbetrag vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 auf 30 % der Regelleistung belaufe, woraus sich maximal 104 Euro ergeben würden. Damit hat der Beklagte zunächst unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass dem Kläger ab dem 1.9.2006 Leistungen nicht mehr in unveränderter Höhe zustehen sollten. Allerdings ist angesichts der teilweise umfangreichen Bewilligungsbescheide nicht in jedem Falle (so etwa, wenn Nebeneinkommen gemäß §§ 11, 30 SGB II zu berücksichtigen ist) unschwer ersichtlich, um welchen Betrag das Alg II abgesenkt werden soll. Hier lag hingegen ein unproblematischer Fall vor, weil der Kläger eine Regelleistung in Höhe von 100vH (damals 345 Euro) erhielt und sonst kein Nebeneinkommen vorlag. Insofern konnte der Kläger dem Verfügungssatz des Absenkungsbescheides unter Hinzuziehung seines Bewilligungsbescheids durch einfache Rechenoperation auch ohne weiteres den für ihn maßgebenden konkreten Absenkungsbetrag entnehmen. Jedenfalls für den Kläger war somit ausreichend und in nachvollziehbarer Weise erkennbar, dass und in welchem Umfang aufgrund des Sanktionsereignisses Zahlungen von Alg II ab dem 1.9.2006 erfolgen sollten. Schließlich machte der angefochtene Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 insofern auch deutlich, dass die ursprünglichen Bewilligungsbescheide insoweit gemäß § 48 SGB X aufgehoben würden (vgl hierzu BSG Urteile vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 - und - B 4 AS 30/09 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 3). Da bereits der Ausgangsbescheid mithin nicht wegen fehlender Bestimmtheit rechtswidrig war, kommt es auf die weitere Frage, ob eine eventuell fehlende Bestimmtheit im Widerspruchsverfahren bzw durch den Erlass eines Widerspruchsbescheids in entsprechender Anwendung des § 41 SGB X heilbar wäre, nicht mehr an.
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3. Es kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 gemäß § 31 SGB II rechtmäßig war und damit gemäß § 48 Abs 1 SGB X die ursprünglichen Bewilligungsbescheide vom 29.3.2006/7.4.2006 gemäß § 48 Abs 1 SGB X geändert werden bzw bei dem anschließenden Bewilligungszeitraum ab 1.11.2006 eine um 104 Euro gekürzte Regelleistung zu Grunde gelegt werden durfte (Bescheide vom 1.11.2006/24.11.2006).
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Nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c SGB II wird das Arbeitslosengeld unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 vH der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgeblichen Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Anhand der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die von ihm selbst aufgestellten Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung iS des § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II im vorliegenden Fall erfüllt wurden (vgl grundlegend Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5).
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a) Es bestehen aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG zunächst keine rechtlichen Zweifel daran, dass der Kläger sich geweigert hat, eine Arbeit anzunehmen. Weigern in diesem Sinne bedeutet regelmäßig die vorsätzliche, ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise dem Leistungsträger oder dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, sich an die durch das Gesetz auferlegte Pflicht zu halten. Die Aufnahme einer Tätigkeit kann mithin auch durch konkludentes Verhalten verweigert werden (statt vieler Berlit in Münder, LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 35 mwN). Insofern zutreffend hat das LSG aus den Angaben des Klägers, er habe das Angebot schlichtweg vergessen, den Schluss gezogen, er habe die konkrete Arbeit nicht antreten bzw ausführen wollen.
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b) Das LSG wird allerdings nach der Zurückverweisung der Sache nochmals darüber zu entscheiden haben, ob die Arbeit dem Kläger tatsächlich zumutbar iS des § 10 SGB II iVm § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c SGB II war. Nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II ist die Ausübung der Arbeit auch dann zumutbar, wenn die Erziehung eines unter dreijährigen Kindes nicht gefährdet ist. Dies ist dann der Fall, soweit dessen Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder auf sonstige Weise sichergestellt ist. Insofern ist rechtlicher Maßstab für die Zumutbarkeit einer Arbeit ausschließlich, ob die Erziehung eines Kindes tatsächlich iS des § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II sichergestellt ist. Mit der vom LSG angestellten Hilfserwägung, der Kläger habe erst im Klageverfahren auf die fehlende Sicherstellung der Betreuung seines Kindes hingewiesen, zuvor aber stets sein Bemühen um Erlangung einer Arbeitsstelle betont, kann das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzung nicht nachgewiesen werden. Maßgeblich ist insofern ausschließlich die objektive Betreuungssituation, die von Amts wegen zu ermitteln ist (§ 20 SGB X iVm § 103 SGG). Eine Präklusion von Vorbringen, wovon das LSG offenbar ausgeht, ist insoweit nur in den engen Grenzen des § 106a SGG möglich, dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Soweit der Kläger darüber hinaus im Rahmen der Zumutbarkeit vorgetragen hat, eine Arbeitsstelle als Erzieher sei ihm als vormaligem Fernsehredakteur generell unzumutbar, verkennt er die Tragweite des § 10 Abs 1 Satz 1 SGB II, wonach dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar ist.
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c) Letztlich kann dies aber dahinstehen, solange nicht ausreichend festgestellt ist, welche Rechtsfolgenbelehrung dem Kläger wann überreicht worden ist. Das LSG hat insofern lediglich festgestellt: "Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit". Aufgrund dieser Feststellung gelangt das LSG zur Subsumtion: "Der Kläger ist über die Rechtsfolgen einer Arbeitsverweigerung durch den Vermittlungsvorschlag ausreichend belehrt gewesen". Der erkennende Senat ist zu einer revisionsgerichtlichen Überprüfung der rechtlichen Grundlagen dieser Wertung nicht in der Lage, zumal der Vermittlungsvorschlag auch nicht Gegenstand der in Bezug genommenen Akten ist. Auch in den Sanktionsbescheiden des Beklagten findet sich keine inhaltliche Beschreibung bzw Wiedergabe der dem Kläger am 6.7.2006 erteilten Rechtsfolgenbelehrung. Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, welche Anforderungen das LSG seiner rechtlichen Würdigung der Rechtsfolgenbelehrung zugrunde gelegt hat. Es hätte festgestellt werden müssen, welchen konkreten Inhalt die Rechtsfolgenbelehrung hatte, die dem Kläger am 6.7.2006 ausgehändigt bzw mündlich übermittelt worden ist. Der Inhalt dieser Rechtsfolgenbelehrung ist auch nicht aus den Akten ersichtlich.
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Der erkennende Senat hat hierzu im Anschluss an die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4 und Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 19) durch Urteil vom 18.2.2010 (B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5 RdNr 17 ff) im Einzelnen dargelegt, dass die Festsetzung von Sanktionen nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II voraussetzt, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig belehrt worden ist. Dabei kommt es auf den objektiven Erklärungswert der Belehrung an. Sämtliche in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist. Diese in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte und in der sozialrechtlichen Literatur weitgehend geteilte Auffassung (vgl die Nachweise in dem Urteil des BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5 RdNr 19) ist insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen des § 31 Abs 1 SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen aufrecht zu erhalten. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich dabei an den vom BSG zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen. Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf verweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen. Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG auch den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung zu warnen (vgl BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87 mwN). Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Dies leitet der Senat nicht zuletzt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) ab, in der das BVerfG betont hat, dass das SGB II insgesamt der Realisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums iS des Art 1 Abs 1 iVm Art 210 Abs 1 Grundgesetz (GG) diene. Entsprechende Feststellungen zum Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung und eine nachfolgende Subsumtion wird das LSG noch vorzunehmen haben.
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d) Schließlich wird das LSG auch zu überprüfen haben, wann der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 dem Kläger bekannt gegeben worden ist. Gemäß § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II treten Absenkungen und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Gemäß § 39 Abs 1 SGB X iVm § 37 Abs 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er bekannt gegeben wurde. Nach § 37 Abs 2 SGB II gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Da der 26.7.2006 ein Mittwoch war, besteht zumindest Veranlassung zu überprüfen, ob der Bescheid nicht bereits im Juli 2006 bekannt gegeben wurde. Nach der zwingenden Rechtsfolge des § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II hätten möglicherweise Absenkung und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats eintreten müssen, der auf das Wirksamwerden folgte, was hier der August 2006 gewesen wäre. Da der Bescheid nach § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II für das Eintreten der Sanktion konstitutiv ist, könnte sich hieraus ergeben, dass jedenfalls die dann für den Monat August 2006 zwingend erforderliche Sanktion nicht mehr wirksam nachgeholt werden kann, ggf könnte auch eine Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Sanktionszeitraums insgesamt zu erwägen sein.
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4. Ergeben die Ermittlungen und weiteren rechtlichen Würdigungen des LSG, dass der Absenkungsbescheid vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2006 rechtmäßig war und dass insofern das LSG auf die Berufung des Beklagten hin die Klage zu Recht abgewiesen hat, so wird im Einzelnen noch zu prüfen sein, ob dem Kläger nicht aus anderen Gründen eine höhere Regelleistung zustand. Insofern wären sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 19, 22 SGB II zu überprüfen und auch zu ermitteln, inwieweit die dem Kläger bewilligten Kosten der Unterkunft und ggf auch die Leistungen für den minderjährigen Sohn des Klägers richtig berechnet worden sind. Da der Kläger insofern gegen das Urteil des LSG Revision eingelegt hat, ist unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen, ob der Kläger sein Klageziel - ungekürzte Leistungen in der ursprünglich bewilligten Höhe - nicht auf andere Weise erreichen kann.
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Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits unter Beachtung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2008 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6. Februar 2005 geändert.
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2. Auf das Anerkenntnis der Beklagten werden ihre Bescheide vom 11. und 22. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2002 sowie der Bescheid vom 31. Januar 2002 aufgehoben.
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3. Die Bescheide der Beklagten vom 15. Mai 2003, 2. März 2004, 15. Oktober 2004, 23. Mai 2005, 1. Juni 2007 und 9. Juni 2008 werden hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufgehoben.
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4. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
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5. Die Beklagte hat dem Kläger sieben Achtel seiner außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung eines Teils seiner Rentenansprüche (Nachzahlung und laufende Zahlungen) mit gegen ihn gerichteten Beitrags- und Nebenforderungen des beigeladenen Unfallversicherungsträgers.
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Der im 1937 geborene Kläger ist verheiratet. Seine Ehefrau bezieht seit Juli 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) iHv (seinerzeit) 1 265,08 DM. Der von den Eheleuten für die gemeinsame Wohnung entrichtete Mietzins betrug ab Juni 2001 257,22 Euro, ab Oktober 2002 263,77 Euro und ab September 2004 247,35 Euro. Seit 2001 sind beim Kläger ein Grad der Behinderung von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt.
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Der Kläger war seit Mai 1990 als selbstständiger Handwerksmeister mit eigener Firma in L. tätig.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 5.6.1996 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers über dessen Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 26.9.2002 eingestellt.
- 5
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Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10.10.1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) rückwirkend vom 1.5.1993 bis zum 31.10.1995, die allerdings aufgrund von Rehabilitationsmaßnahmen und Übergangsgeldbezug nur in der Zeit vom 29.3. bis zum 31.10.1995 zur Auszahlung kam. Seit 1.2.1996 bezog der Kläger eine Rente wegen EU auf Dauer (Bescheid vom 18.10.1996).
- 6
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Mit Bescheiden vom 25.4.2001 stellte die Beklagte die Renten wegen BU und EU neu fest. Für die Rente wegen BU ergab sich eine Nachzahlung iHv 1 759,62 DM und für die Rente wegen EU iHv 24 727,83 DM.
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Bereits mit Schreiben vom 23.8.1995 hatte die Beigeladene der Beklagten mitgeteilt, der Kläger schulde ihr aus seiner Mitgliedschaft "rechtswirksam festgestellte Beiträge zuzüglich Nebenforderungen (zB Säumnisgebühren, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) in Höhe von derzeit 43 982,50 DM", und die Beklagte zugleich zur Verrechnung gegen Geldleistungen ermächtigt, die der Kläger jetzt oder in Zukunft erhalte.
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Auf Anfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 9.5.2001 mit, dass ihre Ansprüche, derentwegen sie die Beklagte mit Schreiben vom 23.8.1995 zur Verrechnung ermächtigt hatte, "derzeit 66 635,31 DM" (= 34 070,09 Euro) betrügen, und bat die Beklagte nunmehr auf Grund der seinerzeitigen Ermächtigung um Verrechnung.
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Die die Renten wegen BU und EU betreffenden Verrechnungen mit Bescheiden vom 11. und 22.5.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie mit Bescheid vom 31.1.2002, gegen die der Kläger beim SG Leipzig Klage erhoben hatte (S 7 RJ 285/02), sind nach dem in der Revisionsverhandlung vom 7.2.2012 erklärten Anerkenntnis der Beklagten (s hierzu Nr 2 des Entscheidungssatzes) nicht mehr streitig.
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Mit Bescheid vom 10.5.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1.7.2002 Regelaltersrente und verrechnete einen Betrag iHv monatlich 34,76 Euro; es verblieb ein monatlicher Auszahlungsbetrag iHv 820 Euro. Den Widerspruch des Klägers gegen die Verrechnung wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 zurück. Zur Begründung der Erhöhung des monatlichen Verrechnungsbetrags zum 1.7.2002 (gegenüber zuvor 20,80 Euro) führte die Beklagte aus, dass diese mit der Erhöhung des Rentenzahlbetrags aufgrund der Rentenanpassung zum 1.7.2002 einhergehe. Der Erhöhung des monatlichen Rentenzahlbetrags um 24,76 Euro auf 854,76 Euro stehe eine Erhöhung des aufgrund Verrechnung einbehaltenen Betrags von ca 14 Euro gegenüber. Im Ergebnis verbleibe dem Kläger ab 1.7.2002 mit monatlich 820 Euro ein höherer Rentenauszahlungsbetrag als bisher. Die besondere Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG werde nicht unterschritten; der Kläger werde nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt. Der monatliche Verrechnungsbetrag sei in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation des Klägers auch sachgerecht. Besondere Umstände, die eine für ihn günstigere Entscheidung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 51 Abs 2 SGB I bei der Festsetzung des Verrechnungsbetrags rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse an der Einbehaltung von Rententeilen zur Tilgung von Beitragsforderungen überwiege. Auch gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim SG Leipzig erhoben (S 7 RJ 558/02).
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Das SG hat mit Beschluss vom 19.11.2004 beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
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Wegen "Änderungen in den Rentenberechnungsgrundlagen" ergingen in der Folgezeit weitere (Verrechnungs-)Bescheide der Beklagten. Ab 1.7.2003 erhöhte sich der Verrechnungsbetrag auf monatlich 54,91 Euro (Bescheid vom 15.5.2003), ab 1.4.2004 betrug er monatlich 49,29 Euro (Bescheid vom 2.3.2004), ab 1.12.2004 monatlich 51,16 Euro (Bescheid vom 15.10.2004), ab 1.7.2005 monatlich 46,95 Euro (Bescheide vom 23.5.2005 und 1.6.2007) und ab 1.7.2008 monatlich 58,39 Euro (Bescheid vom 9.6.2008); dabei verblieb von Juli 2007 bis Juni 2008 ein auszuzahlender Betrag iHv monatlich 814,49 Euro (Bescheid vom 1.6.2007), im Übrigen jeweils monatlich 810 Euro. Im Bescheid vom 15.5.2003 hatte die Beklagte ergänzend mitgeteilt, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien. Dieser Wert werde nicht dynamisiert und betrage gegenwärtig 810 Euro. Der Bescheid vom 15.10.2004 enthielt den Hinweis, dass sich aufgrund der Senkung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung ab dem 1.12.2004 eine höhere Nettorente ergebe (861,16 Euro). Der entstehende Differenzbetrag werde zur Tilgung der Forderung herangezogen (51,16 Euro). Im Bescheid vom 9.6.2008 hat die Beklagte mit Hinweis auf die zum 1.7.2008 durchgeführte Rentenanpassung ergänzend darauf hingewiesen, dass der monatliche Selbstbehalt des Klägers bei 810 Euro liege, sodass der "abzutrennende Betrag" sich ab 1.7.2008 auf 58,39 Euro erhöhe.
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Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 6.1.2005 (nicht - wie im Tenor versehentlich angegeben - vom 6.2.2005) die Klagen abgewiesen.
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Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 14.10.2008 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die seit Juli 2001 von der Beklagten vorgenommene Verrechnung von Beitragsforderungen der Beigeladenen mit Rentenzahlungsansprüchen des Klägers sei rechtmäßig. Keine Bedenken bestünden gegen die Durchführung der Verrechnung durch Verwaltungsakt.
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Die Voraussetzungen für eine Verrechnung lägen vor: Die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen mit Schreiben vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) sei hinreichend bestimmt. Art und Umfang der Forderung seien so genau bezeichnet, dass die Beklagte in die Lage versetzt worden sei, eine substantiierte Verrechnungserklärung abzugeben.
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Es bestehe eine Verrechnungslage. Die Forderungen der Beigeladenen seien bestandskräftig festgestellt. Gegen die entsprechenden Bescheide habe der Kläger Widerspruch nicht erhoben. Die Rentenansprüche, mit denen verrechnet worden sei, seien gleichartige Forderungen, die bindend bewilligt und fällig gewesen seien.
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Entgegen der Ansicht des Klägers hindere das über sein Vermögen durchgeführte Gesamtvollstreckungsverfahren die Verrechnung nicht.
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Ebenso wenig stehe der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der Vollstreckungsschutz des § 18 Abs 2 S 3 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) entgegen. Denn diese Norm bewirke Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung, zu denen die Verrechnung nicht zähle. Zudem werde die Regelung des § 18 Abs 2 S 3 GesO - soweit wie hier mit Beitragsansprüchen verrechnet werde - durch die Sonderregelung des § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) verdrängt.
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Der Kläger sei aufgrund der Verrechnung nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab Januar 2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden. Ausgehend von den im Freistaat Sachsen für den Haushaltsvorstand geltenden Regelsätzen und Mehrbedarfszuschlägen nach § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG (bis 30.6.2002) und nach § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG (ab 1.7.2002) sowie den auf ihn entfallenden anteiligen Unterkunftskosten von 125 Euro (inklusive Heizkosten) seien dem Kläger nach Abzug der jeweiligen Verrechnungsbeträge monatliche Geldmittel verblieben, die den Eintritt einer sozialhilferechtlichen Notlage ausschlössen. Im gesamten Verrechnungszeitraum bis zum 31.12.2004 habe er einen monatlichen Rentenauszahlungsbetrag erhalten, der seinen sozialhilferechtlichen Bedarf nach dem BSHG sogar bei bedarfssteigernder Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen überstiegen habe. Nach der ab Januar 2005 geltenden Rechtslage sei der Kläger verpflichtet, nachzuweisen, dass durch die Verrechnung Bedürftigkeit nach dem SGB XII eingetreten sei. Trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise habe er diesbezügliche Nachweise nicht vorgelegt.
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Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich. Sie habe das ihr eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Dem öffentlichen Interesse an der Begleichung von Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der Versicherungssysteme habe sie Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Rente gegeben, weil bei diesem keine außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation vorgelegen habe.
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Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 52 SGB I. Die Beklagte hätte die von der Beigeladenen geltend gemachten Forderungen nicht durch Verwaltungsakt mit seinen Rentenansprüchen verrechnen dürfen. Insoweit beruft er sich auf die Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 (B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1).
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Auf Anfragebeschluss des erkennenden Senats vom 5.2.2009 (B 13 R 31/08 R) hat der 4. Senat mit Beschluss vom 22.9.2009 (B 4 SF 1/09 S) erklärt, er halte an seiner Auffassung fest, dass die Verrechnung nach § 52 SGB I nicht durch Verwaltungsakt erfolge. Der daraufhin vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 25.2.2010 (B 13 R 76/09 R) angerufene Große Senat (GrS) hat durch Beschluss vom 31.8.2011 (GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen) entschieden:
"Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln."
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Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14.10.2008 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6.1.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002, den Bescheid vom 31.1.2002, den Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002, die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufzuheben.
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In der Revisionsverhandlung am 7.2.2012, in der der Kläger nicht mehr vertreten war, hat die Beklagte das folgende Anerkenntnis abgegeben:
Die Beklagte hebt folgende Bescheide hinsichtlich der aufgrund Verrechnung einbehaltenen Beträge auf:
die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie den Bescheid vom 31.1.2002.
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Im Übrigen hat sie beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie sieht sich durch die Entscheidung des GrS in ihrer Rechtsauffassung zur Erklärung einer Verrechnung durch Verwaltungsakt bestätigt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang begründet.
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Soweit die Beklagte die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 und den Bescheid vom 31.1.2002 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung aus den Renten des Klägers wegen BU/EU einbehaltenen Beträge aufgehoben hat, war sie nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 S 1 ZPO ihrem Anerkenntnis entsprechend - ohne weitere Sachprüfung - zu verurteilen(vgl BSG vom 12.7.1988 - SozR 6580 Art 5 Nr 4 S 10 f; BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 62/02 R - juris RdNr 18; Senatsurteil vom 6.5.2010 - SozR 4-1300 § 48 Nr 19 RdNr 21 mwN, stRspr).
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Auch das Begehren des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung für die Zeit ab 1.7.2003 aus seiner Altersrente einbehaltenen Beträge aufzuheben, hat Erfolg. Die genannten Bescheide erweisen sich insoweit als rechtswidrig. Richtige Klageart ist hier die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Alt 1 SGG). Denn mit der Aufhebung der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte steht fest, dass die verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an den Kläger auszuzahlen sind.
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Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 ist hinsichtlich des für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 aufgrund Verrechnung aus seiner Regelaltersrente jeweils einbehaltenen monatlichen Betrags iHv 34,76 Euro rechtmäßig.
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1. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden und hier insoweit noch maßgeblichen Fassung (aF) Gegenstand des Verfahrens geworden sind.
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Dem steht nicht entgegen, dass diese nicht den mit der Klage (ursprünglich) angefochtenen Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) abgeändert oder ersetzt hat, sondern andere Verrechnungszeiträume erfassen. Denn nach der bis zum 31.3.2008 geltenden Rechtslage hatte das BSG in ständiger Rechtsprechung eine entsprechende Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) im Interesse einer sinnvollen Anwendung der Prozessökonomie bzw eines schnellen und zweckmäßigen Verfahrens dann zugelassen, wenn der ursprüngliche Bescheid zwar nicht abgeändert oder ersetzt wurde, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses erging und ein streitiges Rechtsverhältnis regelte, das im Kern dieselbe Rechtsfrage betraf und sich an den vom ursprünglichen Bescheid erfassten Zeitraum anschloss(vgl etwa BSG vom 17.11.2005 - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 16 f mwN). Diese Voraussetzungen werden von den Verrechnungs-Folgebescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005 und 1.6.2007 erfüllt.
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Ob auch der Bescheid vom 9.6.2008 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) noch Gegenstand des Verfahrens geworden ist, kann dahingestellt bleiben. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger eine Rechtsposition erworben hätte, die ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer Anwendung des § 96 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung begründen könnte. Denn eine analoge Anwendung des § 96 SGG für nicht ändernde oder ersetzende Folgebescheide scheidet seit 1.4.2008 durch die mit Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) neu eingeführte Fassung aus (BSG vom 16.12.2009 - B 7 AL 146/09 B - RdNr 7 f).
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Dies bedarf hier aber keiner näheren Erörterung. Die Nichtanwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG schließt es nämlich nicht aus, dass ein Folgebescheid im Wege einer (gewillkürten) Klageänderung nach § 99 Abs 1 iVm Abs 2 SGG zum Gegenstand des anhängigen Prozesses gemacht wird, wenn die übrigen Beteiligten - wie hier - nicht widersprochen und sich auf die Klageerweiterung, die auch im Berufungsverfahren noch möglich ist(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 99 RdNr 12), eingelassen haben (vgl BSG vom 21.3.1978 - SozR 4600 § 143d Nr 3 S 9 f; BSG vom 7.2.1996 - SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 75 f; BSG vom 20.3.1996 - BSGE 78, 98, 103 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 38 f; Leitherer, aaO, § 96 RdNr 9b, 11e).
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Allerdings hätte das LSG über die während des Berufungsverfahrens ergangenen und Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheide der Beklagten vom 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" entscheiden müssen (vgl BSG vom 30.1.1963 - BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr 17 zu § 96 SGG; BSG vom 27.1.1999 - SozR 3-2400 § 18b Nr 1 S 3; Senatsurteil vom 20.10.2010 - SozR 4-6480 Art 22 Nr 2 RdNr 23, stRspr).
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2. Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also den Kläger - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und - wie hier - mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (bis 31.12.2004); ab 1.1.2005 kann der zuständige Leistungsträger entsprechend aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs 2 SGB I in der jeweiligen Fassung).
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3. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 sowie ihre Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 - jeweils über Verrechnungen mit der Regelaltersrente des Klägers - waren nicht deswegen rechtswidrig und aufzuheben, weil die Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt hätte erfolgen dürfen. Vielmehr konnte die Beklagte die Verrechnung einseitig nur in dieser Handlungsform (und nicht durch sog öffentlich-rechtliche Willenserklärung) vornehmen (dazu unter a). Es bestand eine Verrechnungslage (dazu unter b). Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken. Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter c). Die Beklagte hat bei der mit dem Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführten Verrechnung das ihr gemäß § 52 iVm 51 Abs 2 SGB I zustehende Ermessen erkannt und pflichtgemäß ausgeübt(§ 39 Abs 1 SGB I). Dies gilt jedoch nicht für die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008; diese erweisen sich vielmehr als ermessensfehlerhaft. Denn es fehlen Ausführungen, die eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung erkennen lassen (dazu unter d). Dahingestellt bleiben kann, ob die letztgenannten Bescheide auch deshalb rechtswidrig sind, weil die Beklagte vor ihrem Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X; dazu unter e). Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 vorgenommene Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem verbleibenden Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig nach den hier noch maßgeblichen Bestimmungen des BSHG zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (dazu unter f).
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a) Die Beklagte war berechtigt, auf die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995, in der Forderungshöhe aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001, deren Beitrags- und Nebenforderungen iHv insgesamt 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro) mit Rentenansprüchen des Klägers durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zu verrechnen (dazu unter aa). Die Verrechnungs-Verwaltungsakte waren auch inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X(dazu unter bb).
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aa) Die Beklagte hat die Verrechnung zu Recht durch Verwaltungsakt geregelt (vgl BSG - GrS - vom 31.8.2011 - GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen - RdNr 15 ff).
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(1) Nach § 31 S 1 SGB X ist ein "Verwaltungsakt … jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt bei einem Verrechnungs-Bescheid darin, dass die durch sie erklärte Verrechnung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten (hier des Klägers) hat, diesen nämlich hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise der Erfüllung (dh - wie in der Regel, vgl § 47 SGB I - durch Überweisung auf das dort benannte Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut) modifiziert(vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB X) und zum Erlöschen bringt, soweit die Verrechnung reicht und wirksam wird (Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 17; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 15). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" in § 31 S 1 SGB X ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Gestaltung von Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger (wie die Beklagte) ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten - dem Sozialleistungsempfänger - in dieser Form ihrer Art nach zusteht(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - aaO; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO). Im Übrigen ist - anders als im Zivilrecht - nach dem SGB I die Verrechnung (§ 52 SGB I) ebenso wie die Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht nur davon abhängig, dass sich der verrechnende (aufrechnende) Leistungsträger hierfür frei entscheidet und dies erklärt. Vielmehr ist ihre Ausübung an die Betätigung pflichtgemäßen Ermessens gebunden (§ 52 iVm § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I: "kann") und zudem gemäß § 51 Abs 1 Halbs 2 SGB I an die Pfändbarkeit der Geldleistungen bzw gemäß § 51 Abs 2 SGB I an die Höhenbegrenzung (bis zur Hälfte der laufenden Geldleistungen) sowie das Nichteintreten von Hilfebedürftigkeit aufgrund der Verrechnung (Aufrechnung).
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(2) Auch der Gesetzgeber sieht in der Durchführung einer Verrechnung nach § 52 SGB I einen Verwaltungsakt. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) mit Wirkung ab 18.6.1994 eingefügt wurde. Spätestens mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klarstellend von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Verrechnung (Aufrechnung) für den Bereich des Sozialrechts der Handlungsform "Verwaltungsakt" zu unterstellen.
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Nach § 24 Abs 1 SGB X ist (nur) vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zur Äußerung zu geben; dies gilt jedoch nach Abs 2 Nr 7 der Vorschrift nicht, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als (in der ursprünglichen Fassung: 100 DM, jetzt:) 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass - unabhängig von der Höhe - die Verrechnung nach § 52 SGB I (ebenso wie die Aufrechnung nach § 51 SGB I) durch Verwaltungsakt zu erklären ist(vgl ferner die Entwurfsbegründung zu § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, BT-Drucks 12/5187 S 35 - Zu Art 6, Zu Nr 1, wonach "materielle Einwände gegen die Aufrechnung bzw Verrechnung … im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden" können). An den hierin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers sind die Gerichte gemäß Art 20 Abs 3 GG selbst dann gebunden, wenn sie eine solche Zuordnung aufgrund rechtssystematischer Erwägungen für unzutreffend oder aus praktischen Überlegungen heraus für unerwünscht halten sollten (vgl Wolff/Brink in Bader/Ronellenfitsch, Komm zum VwVfG, 2010, § 35 RdNr 28 f; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 13 - beide unter Hinweis auf BVerwGE 70, 77, 82; zur Respektierung der gesetzgeberischen Grundentscheidung s auch BVerfGE 128, 193, 210).
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Im Übrigen hat der Gesetzgeber erst jüngst in § 42a Abs 2 S 2 bzw § 43 Abs 4 S 1 SGB II(mit Wirkung ab 1.4.2011 idF von Art 2 Nr 32 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) ausdrücklich angeordnet, dass Aufrechnungen im Sozialleistungsbereich des SGB II "durch Verwaltungsakt zu erklären" sind. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber damit für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine vom allgemeinen Sozialverwaltungsverfahrensrecht abweichende Sonderregelung hat treffen wollen, finden sich in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren an keiner Stelle (vgl BT-Drucks 17/3404 S 117 - zu § 43, zu Abs 3; BT-Drucks 17/3958 S 19 - zu Art 2 Nr 32 <§ 42a Abs 2 S 2 SGB II>; BT-Drucks 17/4095 S 35 - zu Buchst n, zu Doppelbuchst cc <§ 42a Abs 2 SGB II>).
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(3) Einer über die Bestimmung des § 52 SGB I hinausgehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass eines Verwaltungsakts mit dem Inhalt der Verrechnung bedarf es nicht(s hierzu BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 16 ff).
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bb) Die Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten waren iS des § 33 Abs 1 SGB X "inhaltlich hinreichend bestimmt".
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Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss ( BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38; BSG vom 17.12.2009 - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN, stRspr).
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Nach diesen Maßstäben sind die angefochtenen Verrechnungs-Bescheide inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn sie erklären die Verrechnung bestimmter, von der Beklagten dem Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer - nach Art und Umfang - bestimmten, weil betragsmäßig im Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 genau bezifferten (Gesamt-)Forderung der Beigeladenen aus rückständigen Beiträgen zuzüglich Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) iHv (insgesamt) 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro).
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Aus den Verfügungssätzen der hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte konnte der Kläger ohne weiteres den jeweiligen (monatlichen) Verrechnungsbetrag und den ihm aufgrund der Verrechnung mit den Forderungen der Beigeladenen noch verbleibenden (monatlichen) Rentenauszahlungsbetrag entnehmen. Damit war für ihn klar ersichtlich, dass und in welchem Umfang seine Rentenzahlungsansprüche gegen die Beklagte und damit korrespondierend die gegen ihn bestehenden Forderungen der Beigeladenen durch die Verrechnung jeweils erloschen waren (entsprechend § 389 BGB).
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Unschädlich ist insoweit, dass der - aufgehobene - (Ausgangs-)Bescheid vom 11.5.2001 und der - ebenfalls aufgehobene - Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 in der Höhe der zur Verrechnung gestellten (Gesamt-)Forderung insoweit differieren, als der Bescheid von einer "offene(n) Forderung in Höhe von derzeit 66.635,31 DM zuzüglich weiterer Kosten wie Zinsen, Säumniszuschläge usw." spricht, während nach dem Widerspruchsbescheid - entsprechend der in der Forderungshöhe aktualisierten Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen - die genannte Summe neben den Beiträgen auch die "Säumniszuschläge und sonstige Nebenforderungen" erfasst. Denn ausschlaggebend ist der (mit der Klage angefochtene) "ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 95 SGG).
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Dass die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide die zur Verrechnung gestellte Forderung der Beigeladenen nicht mehr beziffern, steht ihrer hinreichenden Bestimmtheit iS des § 33 Abs 1 SGB X nicht entgegen, da sich deren Ausgangshöhe (für den Kläger klar erkennbar) aus dem Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 ergab und deshalb - auf Verlangen des Klägers jederzeit - auch "bestimmt" werden konnte, in welchem Umfang die Gesamtforderung der Beigeladenen iHv 66 635,31 DM durch die bis dahin erfolgte Verrechnung mit den Rentenzahlungsansprüchen des Klägers bereits erloschen war.
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Für die hinreichende Bestimmtheit der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten ist nicht notwendig, dass sie die zur Verrechnung gestellte(n) Forderung(en) der Beigeladenen im Einzelnen - nach Umfang, Entstehungszeitpunkt, Bezugszeitraum oder Fälligkeit - aufschlüsseln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die bezifferte Gesamtsumme ohne Weiteres mit bestehenden, ihr Art nach benannten Einzelforderungen aufgefüllt werden kann. Insoweit ist ausreichend, dass die zur Verrechnung gestellten Forderungen des anderen Leistungsträgers bestimmbar sind. Denn eine Verrechnung kann - ebenso wie eine Aufrechnung - bei Bestehen mehrerer Forderungen (auch) erklärt werden, ohne (zunächst) im Einzelnen aufzeigen zu müssen, mit welcher (Einzel-)Forderung zuerst verrechnet werden soll (vgl BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 10 f; BFH vom 6.2.1990 - BFHE 160, 108, 112; BFH vom 4.2.1997 - BFHE 182, 276, 278; alle zur Aufrechnung).
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Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass dadurch die Rechtsverteidigung gegen Verrechnungs-Verwaltungsakte unzumutbar beeinträchtigt werde. Denn dem insoweit Beschwerten bleibt es unbenommen, im Vor- und Klageverfahren geltend zu machen, die zur Verrechnung gestellte (Gesamt-)Forderung des anderen Leistungsträgers bestehe nach Grund oder Höhe ganz oder teilweise nicht (bzw nicht mehr). Dann mag der verrechnende Leistungsträger darlegen und nachweisen, welche Forderungen ihm aufgrund der Ermächtigung des anderen Leistungsträgers zur Verrechnung zur Verfügung gestanden haben. Ist streitig, ob (und ggf welche) bzw in welchem Umfang Forderungen durch Verrechnung (bereits) erloschen sind, so ist die Konkretisierung (bzw Individualisierung) der Forderungen, mit denen die Verrechnung durch Verwaltungsakt erklärt wurde, unumgänglich. Denn nur auf diese Weise kann festgestellt werden, ob und inwieweit eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB)bestanden hat und wann bei mehreren Forderungen welche (ggf in entsprechender Anwendung des § 396 Abs 1 S 2 iVm § 366 Abs 2 BGB) durch Verrechnung - ganz oder teilweise - erloschen sind.
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Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die (durch Einbehaltung mittels Verwaltungsakts) verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch des Klägers aus der Regelaltersrente gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (vgl BSG vom 5.9.2006 - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 26).
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Diese Voraussetzungen lagen hier ab dem oben genannten Zeitpunkt vor. Die von der Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) erfassten und gegen den Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beiträge (und der Nebenforderungen) iHv insgesamt 66 635,31 DM waren entstanden und fällig; sie sind von der Beigeladenen gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakte bestandskräftig festgestellt worden (§ 77 SGG). Die Zahlungsansprüche des Klägers aus der ihm bindend mit Rentenbescheid vom 10.5.2002 zuerkannten Regelaltersrente waren am Ersten eines jeden Monats jeweils entstanden und erfüllbar (vgl § 272a Abs 1 SGB VI idF des 3. SGB VI-ÄndG vom 27.12.2003
).
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c) Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken (dazu unter aa). Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter bb).
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aa) Die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen war nicht deshalb rechtswidrig, weil die monatlichen Rentenzahlungsansprüche ab 1.1.2002 durchgängig unter der gemäß § 850c Abs 1 S 1 ZPO iVm § 54 Abs 4 SGB I für den Kläger maßgeblichen Pfändungsfreigrenze von monatlich 930 Euro (ab 1.7.2005: 985,15 Euro) lagen. Denn mit den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber den Sozialleistungsträgern zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen die Möglichkeit eröffnet, ohne Bindung an die Pfändungsfreigrenzen der ZPO auch mit dem unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab 1.1.2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II aufzurechnen bzw zu verrechnen.
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Die Regelungen in §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bezwecken eine Privilegierung der Sozialleistungsträger(vgl grundlegend BSG vom 19.1.1978 - BSGE 45, 271, 273 ff = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 4 ff; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 10 f; BSG vom 27.3.1996 - BSGE 78, 132, 135 f = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 17 f), wenn dem Versicherten bestimmte "systemerhaltende" Gegenansprüche (Beitragsansprüche, Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen) des zuständigen oder eines anderen Leistungsträgers entgegengehalten werden können. Die oben genannten Grenzen (höchstens bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung, kein Hervorrufen der Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG) hat die Beklagte bei der Verrechnung der laufenden Zahlungsansprüche des Klägers auf Regelaltersrente mit den Beitragsansprüchen der Beigeladenen im hier (noch) maßgeblichen Zeitraum nicht überschritten (s dazu näher unter f).
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bb) Nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens stand der Verrechnung die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO nicht entgegen.
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Zwar mag die Möglichkeit eines Rentenversicherungsträgers, Beitrags- und Erstattungsforderungen eines anderen Leistungsträgers mit dem unpfändbaren Teil des Rentenzahlungsanspruchs nach Maßgabe des § 51 Abs 2 SGB I verrechnen zu können, zu Friktionen mit der in § 18 Abs 2 S 3 GesO geregelten (begrenzten) Restschuldbefreiung führen, wonach eine "Vollstreckung" hinsichtlich der "Altschulden" grundsätzlich nur stattfindet, "soweit der Schuldner über ein angemessenes Einkommen hinaus zu neuem Vermögen gelangt" ist.
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Das LSG hat aber zu Recht einen Vollstreckungsschutz des Klägers nach § 18 Abs 2 S 3 GesO verneint.
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Dies folgt bereits daraus, dass diese Vorschrift schon nach ihrem Wortlaut Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der "Vollstreckung" bietet (LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 28; Brandenburgisches OLG vom 20.5.1998 - 13 U 35/97 - juris RdNr 15; OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 53). Auch nach Art 108 Abs 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (InsO) ist die "Vollstreckungsbeschränkung" des § 18 Abs 2 S 3 GesO nach dem 31.12.1998 nur bei einer "Zwangsvollstreckung" gegen einen Schuldner, über dessen Vermögen ein Gesamtvollstreckungsverfahren durchgeführt worden ist, zu beachten. Die Verrechnung ist aber - ebenso wie die Aufrechnung - keine Maßnahme der "Vollstreckung" iS der Vorschriften der ZPO oder anderer Verfahrensgesetze über die Zwangsvollstreckung (vgl BGH vom 26.5.1971 - NJW 1971, 1563; BVerwG vom 13.10.1971 - DÖV 1972, 573, 574; BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 9 f; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 22, 28; FG Düsseldorf vom 10.11.2004 - 18 K 321/04 AO
- juris RdNr 21; Martini in juris PR-InsR 19/2009 vom 24.9.2009, Anm 1 unter C) .
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Zwar ist die Verrechnung - ebenso wie die Aufrechnung - ein der Zwangsvollstreckung ähnlicher, außergerichtlicher Zugriff auf die Gegenforderung, eine Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe (vgl BGH vom 26.5.1971, aaO; BGH vom 13.6.1995 - BGHZ 130, 76, 80 mwN). Mit der Vorschrift des § 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber jedoch - wie oben aufgezeigt - die Sozialleistungsträger bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Aufrechnung bzw Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, denen (bereits) durch die Unpfändbarkeit die Möglichkeit versperrt ist, ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Dass das (beschränkte) Restschuldbefreiungsverfahren des § 18 Abs 2 S 3 GesO darauf abzielt, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen (OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 105),steht der sich aus § 51 Abs 2 SGB I ergebenden Aufrechnungs- bzw Verrechnungsbefugnis nicht entgegen. Denn anderenfalls wäre den Sozialleistungsträgern im Falle einer Privatinsolvenz des Versicherten bzw Schuldners (sogar) nach Abschluss des Gesamtvollstreckungsverfahrens stets die Möglichkeit versperrt, den unpfändbaren Teil der Ansprüche auf laufende Rentenleistungen mit Beitrags- und Erstattungsforderungen aufrechnen bzw verrechnen zu können, obwohl diese unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegenden Rentenzahlungen zuvor nicht zur Gesamtvollstreckungsmasse (vgl § 1 Abs 1 S 2 GesO) gehörten und somit während des Gesamtvollstreckungsverfahrens grundsätzlich gemäß §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit aufgerechnet bzw verrechnet werden konnten. Dann aber würde es einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens in der Restschuldbefreiungsphase das Postulat einer - zuvor nicht bestehenden - Gläubigergleichbehandlung ein Verrechnungsverbot bedingen sollte (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 27.7.2009 - L 33 R 204/09 B ER, L 33 R L 33 R 207/09 B PKH - juris RdNr 26; SG Dortmund vom 21.2.2008 - S 26 R 320/06 - juris RdNr 41, beide zur Zulässigkeit der Verrechnung bzw Aufrechnung während der Restschuldbefreiungsphase
nach der InsO) . Auch wären die Grenzen zwischen einer Aufrechnung bzw Verrechnung mit Erstattungs- oder Beitragsforderungen nach § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) und einer solchen mit sonstigen Geldforderungen nach § 51 Abs 1 SGB I(iVm § 52 SGB I) verwischt und das damit verbundene Privileg des mit Beitrags- oder Erstattungsansprüchen aufrechnenden bzw verrechnenden Sozialleistungsträgers in der Privatinsolvenz (faktisch) aufgehoben.
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d) Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht - ebenso wie die Aufrechnung - im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers; insoweit handelt es sich bei dem "Kann" in § 52 Halbs 1 und § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I um ein sog "Ermessens-Kann"(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 18; vgl bereits BSG vom 16.9.1981 - BSGE 52, 98, 102 = SozR 1200 § 51 Nr 11 S 27; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11; BSG vom 21.7.1988 - BSGE 64, 17, 23 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 39; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.6.2009 - L 17 R 48/09 - juris RdNr 52; LSG Baden-Württemberg vom 2.7.2009 - L 10 R 2467/08 - juris RdNr 19; ebenso Seewald in Kasseler Komm, SGB I, § 51 RdNr 13a, Stand Einzelkommentierung Oktober 2010; Pflüger in juris PK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 51 RdNr 64-67, Stand Einzelkommentierung Januar 2012 mwN - unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 51 SGB I in BT-Drucks 7/868, S 32: "Der Leistungsträger hat bei der Ausübung seines Ermessens, ob und in welchem Umfang er aufrechnet, auch den Zweck der einzelnen Sozialleistung zu berücksichtigen; …").
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Mit der Einräumung "echten Ermessens" steht dem die Verrechnung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalls und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 S 1 SGB I). Damit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 S 2 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl § 54 Abs 2 S 2 SGG).
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Die Anforderungen an eine Ermessensentscheidung sind für die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführte Verrechnung (noch) zu bejahen (dazu unter aa), nicht hingegen für die in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 getroffenen Verrechnungs-Entscheidungen (dazu unter bb). Die Beklagte durfte in diesen Bescheiden auch nicht ausnahmsweise auf eine Begründung verzichten (dazu unter cc).
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aa) Nach der Begründung im Widerspruchsbescheid (vgl § 95 SGG) hat die Beklagte erkannt, dass ihr im Rahmen der nach § 52 SGB I zu treffenden Verrechnungs-Entscheidung Ermessen zusteht und sie nicht verpflichtet ist, den für die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen nach § 51 Abs 2 SGB I gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Fall auszuschöpfen(vgl in diesem Sinne bereits BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11). Zwar hat sie die Beitragsforderungen der Beigeladenen mit unpfändbaren Rentenzahlungsansprüchen des Klägers verrechnet; sie hat sich jedoch bei der Festsetzung der monatlichen Verrechnungsbeträge ausdrücklich an der besonderen - für den Kläger eigentlich nicht einschlägigen - Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG orientiert. Dem Kläger verblieb in dem hier maßgeblichen Verrechnungszeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 damit deutlich mehr als die zulässige Grenze der laufenden Sozialhilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (s hierzu unter f). Im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen hat die Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Begleichung der Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der im Wesentlichen beitragsfinanzierten Sozialversicherungssysteme nur insoweit den Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Altersrente gegeben. Eine über die ohnehin von Gesetzes wegen zu beachtende Sozialhilfebedürftigkeitsgrenze hinausgehende außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation hatte der Kläger nicht vorgetragen; sie ist auch nicht ersichtlich.
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bb) Demgegenüber sind in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 keinerlei Ermessenserwägungen der Beklagten zu den dort von ihr geregelten Verrechnungen enthalten.
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Die Ausführungen in den Bescheiden geben keine Hinweise darauf, dass die Beklagte überhaupt erkannt hat, dass es sich auch bei den dortigen (Folge-)Verrechnungen um Ermessensentscheidungen handelt; sie hat jedenfalls keine entsprechenden Begründungen (mehr) gegeben, obwohl sie zB im Bescheid vom 15.5.2003 den ab 1.7.2003 einbehaltenen Verrechnungsbetrag von zuvor monatlich 34,76 Euro auf monatlich 54,91 Euro und damit um 20,15 Euro (ca 58 %) erhöht sowie den Rentenauszahlungsbetrag von zuvor monatlich 820 Euro auf monatlich 810 Euro reduziert hat. Der pauschale Hinweis der Beklagten, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien, dieser Wert nicht dynamisiert werde und gegenwärtig 810 Euro betrage, reicht nicht aus. Entsprechendes gilt für die Hinweise zu den Verrechnungen in den Bescheiden vom 15.10.2004 und 9.6.2008 im Hinblick auf die Senkung des Beitragssatzes (zur Krankenversicherung) bzw die Rentenanpassung.
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Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 überhaupt kein Ermessen (mehr) ausgeübt hat oder ihr betätigtes Ermessen in diesen Bescheiden lediglich nicht begründet hat. Denn in beiden Fällen treten dieselben Rechtsfolgen der Anfechtung ein; die Bescheide sind im Hinblick auf die Ermessensausübung nicht hinreichend begründet iS des § 35 Abs 1 S 3 SGB X(vgl BSG vom 18.4.2000 - SozR 3-2700 § 76 Nr 2 S 5).
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cc) Die Voraussetzungen des § 35 Abs 2 SGB X, bei deren Vorliegen ausnahmsweise auf eine (gesonderte) Begründung verzichtet werden kann, liegen hier nicht vor. Danach bedarf es keiner Begründung - außer in anderen, vorliegend von vornherein nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen -, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar war (Nr 2 aaO).
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Dem Kläger mag zwar durch den Hinweis im Bescheid vom 11.5.2001 zur Verrechnung mit den Zahlungsansprüchen aus seiner Rente wegen EU bekannt gewesen sein, dass der mit der Rente zu verrechnende Betrag bei jeder Änderung der Rentenhöhe (zB durch Rentenanpassungen, Neufeststellungen) von der Beklagten "neu ermittelt" werde. Unabhängig davon, dass bezüglich der Erkennbarkeit (… "ohne weiteres erkennbar" …) iS des § 35 Abs 2 Nr 2 SGB X ein strenger Maßstab(vgl Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 35 RdNr 12; Waschull in LPK, SGB X, 3. Aufl 2011, § 35 RdNr 12) anzulegen ist, ergibt sich jedenfalls allein aus einer solchen pauschalen Mitteilung nicht, welche konkreten Umstände die Beklagte im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens dazu bewogen haben, gerade mit dem jeweils konkret einbehaltenen ("abgetrennten") Betrag zu verrechnen.
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Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 lässt sich nicht entnehmen, dass - und ggf in welchem Umfang - die dortigen Ermessenserwägungen - etwa im Sinne einer "vorweggenommenen Ermessensausübung" - auf von ihm nicht erfasste Verrechnungszeiträume "fortwirken" sollen; umgekehrt nehmen die nachfolgenden Verrechnungs-Bescheide auch nicht auf die dortigen Ausführungen zum Ermessen (ergänzend) Bezug. Unabhängig davon haben sich diese Bescheide auch nicht innerhalb der Verrechnungs-Entscheidungen im Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (Verrechnung monatlich 34,76 Euro; Auszahlungsbetrag 820 Euro) gehalten, sondern sind zu Ungunsten des Klägers davon abgewichen.
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e) Angesichts dessen kann offen bleiben, ob die Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 sämtlich oder zum Teil auch deshalb rechtswidrig waren, weil die Beklagte vor deren Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X).
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Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
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aa) Trotz unterbliebener Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheids vom 10.5.2002 war jedenfalls dieser hinsichtlich der dort geregelten Verrechnung nicht rechtswidrig. Denn dieser Verfahrensfehler ist hier gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Der Kläger hat sich mit seinem Widerspruch zu den für die Verrechnungs-Entscheidung der Beklagten in diesem Bescheid maßgeblichen Tatsachen geäußert. Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 wird zudem deutlich, dass die Beklagte die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Verrechnung zur Kenntnis genommen und bei ihrer (ablehnenden) Entscheidung in Erwägung gezogen, wenn auch nicht für durchschlagend erachtet hat.
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bb) Demgegenüber hat die Beklagte den Kläger hinsichtlich ihrer Verrechnungs-Entscheidungen in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 weder angehört noch dies mit heilender Wirkung nachgeholt. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob von einer Anhörung zur Verrechnung in Rentenanpassungsbescheiden dann abgesehen werden kann, wenn sich der monatliche Auszahlungsbetrag nicht vermindert. Denn bereits mit Bescheid vom 15.5.2003 wurde ein niedrigerer Betrag (810 Euro) festgesetzt als zuvor mit Bescheid vom 10.5.2002 (820 Euro).
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f) Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 verfahrensfehlerfrei (s oben bei d aa und e aa) geregelte Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem ihm noch verbleibenden monatlichen Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig im Sinne der hier noch maßgeblichen Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (vgl hierzu BSG vom 15.12.1992 - SozR 3-1200 § 51 Nr 3 S 6).
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Bei der Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit als Zulässigkeitsgrenze für die Verrechnung nach § 52 iVm § 51 Abs 2 SGB I mit Beitragsforderungen der Beigeladenen ist zunächst festzustellen, welcher Bedarf dem Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum (1.7.2002 bis zum 30.6.2003) gemäß der Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des BSHG zusteht.
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Der Umfang der Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt war in den §§ 11 ff BSHG geregelt. Nach § 22 Abs 2 BSHG iVm § 2 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) stand dem im Freistaat Sachsen lebenden Kläger(nach der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Anhebung der Regelsätze und der Grundbeträge nach dem BSHG sowie zur Höhe der Blindenhilfe vom 31.5.2002, Sächsisches Amtsblatt 2002, 707) ab 1.7.2002 als Haushaltsvorstand ein monatlicher Regelsatz iHv 279 Euro zu. Zudem hatte der Kläger wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und des Merkzeichens "G" gemäß § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG Anspruch auf einen Mehrbedarf iHv monatlich 55,80 Euro. Zum notwendigen Lebensunterhalt zählen ferner die laufenden Kosten für die Unterkunft (vgl § 12 Abs 1 BSHG, § 3 Regelsatzverordnung). Diese betrugen nach den Feststellungen des LSG für die Mietwohnung des Klägers und seiner Ehefrau im hier maßgeblichen Zeitraum ab 1.10.2002 monatlich 263,77 Euro (zuvor monatlich 257,22 Euro). Für die mit dem Kläger zusammenlebende Ehefrau war als Haushaltsangehörige nach § 2 Abs 3 Nr 4 der Regelsatzverordnung iVm der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 31.5.2002 (aaO) im Freistaat Sachsen ab 1.7.2002 ein monatlicher Bedarf iHv 223,00 Euro anzusetzen.
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Dem danach berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro ist gemäß § 11 Abs 1 S 2 Halbs 1 BSHG das monatliche Einkommen und das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau gegenüberzustellen. Nach § 76 Abs 1 BSHG gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem BSHG, der Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und der Rente oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden am Leben sowie an Körper und Gesundheit gewährt werden. Der Kläger verfügte im hier maßgeblichen Zeitraum über eine monatliche Nettoaltersrente iHv 820 Euro. Die Ehefrau des Klägers erhielt nach den Feststellungen des LSG eine Rente wegen EU iHv monatlich 646,83 Euro (= 1 265,08 DM). Danach verfügten der Kläger und seine Ehefrau über ein Monatseinkommen iHv 1 466,83 Euro. Dieser Betrag überstieg den berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro deutlich, und zwar um 645,26 Euro.
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Anhaltspunkte für einen konkret zu beziffernden weiteren Bedarf des Klägers oder seiner Ehefrau nach §§ 11 ff BSHG oder vom vorgenannten anzurechnenden Einkommen gemäß § 76 Abs 2 BSHG abzugsfähige Belastungen (oder für anrechenbares Vermögen des Klägers oder seiner Ehefrau) ergeben sich für den Senat aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht; da gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vom Kläger vorgebracht worden sind, sind sie für den Senat bindend (§ 163 SGG).
Tenor
Der Bescheid vom 07.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2015 wird insoweit aufgehoben, wie er feststellt, dass die gesundheitli-chen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" nicht mehr vorliegen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.
1
Tatbestand:
2Streitgegenstand ist eine negative Feststellung der Beklagten zum weiteren Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" bei dem Kläger.
3Bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 27.04.1998 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzun-gen für das Merkzeichen "H" ab dem 05.12.1997 festgestellt. Unter "entsprechender Auf-hebung" des Bescheides vom 27.04.1998 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 17.08.2000 beim Kläger einen GdB von 60 fest.
4Mit Bescheid vom 11.05.2012 schließlich stellte die Beklagte unter "entsprechender Auf-hebung" des Bescheides vom 17.08.2000 einen GdB von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen G und B bei dem Kläger fest. Es folgten zunächst Aus-führungen zur Ausweisart: "Es steht Ihnen einen Ausweis zu ( )", sodann zum Ausweis-inhalt: "Der Ausweis enthält folgende Eintragungen: - den festgestellten Grad der Behin-derung von 100; - die Merkzeichen G, B, H; - den Gültigkeitsbeginn 05.12.1997" ( ).
5Im Mai 2015 nahm die Beklagte eine Prüfung ihrer Feststellungen von Amts wegen auf. Nach entsprechender Anhörung unter dem 04.08.2015 verfügte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 07.10.2015 unter Bezugnahme auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X): "Von Amts wegen hebe ich den Bescheid vom 11.05.2012 wie folgt auf: Ihr Grad der Behinderung beträgt 100. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" liegen bei Ihnen nicht mehr vor". Nach einer Begründung dieser Entscheidung folgte unter der Über-schrift "Ausweis": "Die Feststellung, die ich in diesem Bescheid getroffen habe, können Sie mit einem Schwerbehindertenausweis nachweisen. ( ) Der Ausweis enthält folgende Einträge: - GdB 100; - Merkzeichen G, B ( )."
6Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 13.10.2015 wies die Bezirksre-gierung Münster mit Bescheid vom 09.12.2015 als unbegründet zurück.
7Hiergegen hat der Kläger am 16.12.2015 Klage erhoben.
8Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 07.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2015 insoweit aufzuheben, wie er feststellt, dass die gesundheitlichen Vo-raussetzungen für das Merkzeichen "H" bei ihm nicht mehr vorliegen.
9Die Vertreterin der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte ist der Auffassung, mit dem gewollt bezeichneten Bescheid vom 11.05.2012 den zutreffenden Bescheid in Bezug auf eine Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" aufgehoben zu haben. Zwar verhalte sich dieser Bescheid im Feststel-lungsteil nicht ausdrücklich zum Merkzeichen "H", jedoch hebe dieser Bescheid jenen vom 17.08.2000 und dieser wiederrum den Bescheid vom 27.04.1998, mit dem das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" festgestellt worden sei, vollständig auf. Aus den Festsetzungen zum Ausweisinhalt im Bescheid vom 11.05.2012 sei zu erkennen, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" (weiter) festgestellt würden. Die Beklagte hebe entsprechend in ständiger Praxis, unterstützt durch eine lan-desweit genutzte EDV, bei einer Neufeststellung immer und ausschließlich den letzten Bescheid vollständig auf und stelle alle weiter und/oder neu geltenden Feststellungen zum GdB und den Voraussetzungen von Merkzeichen auf eine neue Bescheidgrundlage. Hier-gegen hätten die Sozialgerichte bislang nichts zu erinnern gehabt.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Verwal-tungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.
12Entscheidungsgründe:
13Die zulässige Anfechtungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, S. 2 Alt. 1 Sozialgerichtsge-setz – SGG) ist begründet. Die Verfügung der Beklagten zur Feststellung des Entfallens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" in dem Bescheid vom 07.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2015 verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG).
14A. Die angefochtene, selbstständige Regelung, dass die gesundheitlichen Voraussetzun-gen für das Merkzeichen "H" beim Kläger nicht mehr vorliegen ist rechtswidrig, weil sie der weiterhin bestandkräftigen Feststellung des Bescheides vom 27.04.1998 widerspricht, dass der Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" erfüllt. Diese Regelung ist als Verwaltungsakt i. S. d. § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – So-zialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) solange und soweit wirksam und damit i. S. e. materiellen Bestandkraft bindend (vgl. hierzu: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 43, Rn. 14 ff., 40; Sachs, in: Stelkens/ Bonk/ Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 43, Rn. 55 ff.; Bader/ Ronellenfitsch, VwVfG, 2009, § 43, Rn. 21 ff.) als sie nicht zurück-genommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben worden ist (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X). Aufhebungen von Feststellungen müssen das Spiegelbild der Feststellung sein, sich also auf die Verfügungssätze im Sinne von § 31 SGB X des Feststellungsbescheides beziehen (sog. actus contrarius, vgl. BVerwG v. 30.04.1992 - 5 C 29/88 - juris Rn. 10 - NDV 1992, 340-342); eine konfligierende Feststellung allein reicht nicht aus, soweit in ihr nicht zugleich – nach Auslegung gem. §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog (konkludent) – mit hinreichender Bestimmtheit i. S. d. § 33 SGB X eine Aufhebung zu erkennen ist (vgl. dazu: Sachs, in: Stelkens/ Bonk/ Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 43, Rn. 41 ff., 47 f.). Der für die konkrete Feststellung maßgebliche Verfügungssatz muss beseitigt werden, damit dessen Bindungswirkung entfällt. Solange dies nicht der Fall ist, ist eine abweichende bzw. eine gegenteilige Feststellung gerade rechtswidrig (arg. § 39 Abs. 2 SGB X). Der Bestimmtheitsgrundsatz (§ 33 Abs. 1 SGB X) verlangt dabei, dass zumindest durch Auslegung, ausgehend vom tatsächlichen Regelungswillen des Beklagten, aus Sicht des Adressaten des Aufhebungsbescheids hinreichend deutlich wird, welche Verfügungssätze welchen Bescheides konkret aufgehoben werden. Widersprüche und Zweifel gehen zu Lasten der Behörde (vgl. Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 40, Rn. 16; ferner: BSG, Urteil vom 15.12. 2010 – B 14 AS 92/09 R –, Rn. 18, juris; BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 20/09 R -, juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R = BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384, Rn. 23 m. w. Nachw.; BSG, Urteil vom 07.02.2012 – B 13 R 85/09 R – juris, Rn. 47; BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 Rn. 38; BSG vom 17.12.2009 - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, Rn.13 m. w. Nachw.; Engelmann, in: von Wulffen/ Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 33, Rn. 6a ff.).
15Aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte die negative Feststellung zu den Vorausset-zungen des Merkzeichens "H" mit einer entsprechenden Aufhebung des Bescheides vom 11.05.2012 verknüpft, statt mit einer (entsprechenden) Aufhebung der konträren positiven Feststellung im Bescheid vom 27.04.1998, liegt in der hier streitgegenständlichen Rege-lung danach kein actus contrarius zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "H", sondern vielmehr ein Verstoß gegen das aus der materiellen Be-standkraft folgende Abweichungsverbot (vgl. dazu: Sachs, a.a.O., auch zur Wesentlichkeit der Auslegung bei der Abgrenzung zur Aufhebung; ebenso Seibert, Dies Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1989, S. 195 ff.; Schroeder, Bindungswirkungen, 2006, Teil 2).
161. Der Bescheid vom 11.05.2012, dessen (teilweise) Aufhebung nach dem erkennbaren Willen der Beklagten mit der negativen Feststellung zum Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" eine regelungstechnische Einheit bildete, ent-hielt – entgegen der Auffassung der Beklagten - keine Regelung zum Merkzeichen "H". Der Bescheid hat im Feststellungsteil gem. § 69 Abs. 1, 3, 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) drei selbstständige Regelungen: Unter entsprechender Aufhebung des vorangegangenen Feststellungsbe-scheides vom 17.08.2000 wurde mit Bescheid vom 11.05.2012 ein GdB von 100 festge-stellt (1.). Darüber hinaus wurden die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzei-chen "G" (2.) und "B" (3.) erstmals festgestellt. Eine Regelung für den Nachteilsausgleich "H" erfolgte in keiner Weise. Insbesondere enthielt der Bescheid diesbezüglich keinen sog. Zweitbescheid, also eine erneute Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "H" mit Regelungswillen (vgl. Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 35, Rn. 97), wie es der Auffassung der Beklagten entspräche. Die Beklagte geht zunächst in der Annahme fehl, mit ihrer ständigen Bescheidungspraxis hebe sie jeweils alle vorangegangen Feststellungen vollständig auf und treffe Feststellungen nach § 69 Abs. 1, 3, 4 SGB IX umfassend neu. Dies dürfte zwar in Bezug auf Feststellungen zum GdB zu-treffend sein. Hier zeigt der angefochtene Bescheid vom 07.10.2015, dass die Beklagte selbst einen bereits zuvor festgestellten GdB von 100 nochmals neu regeln wollte. Dafür und gegen die Annahme einer bloß wiederholenden Verfügung spricht die Formulierung "Ihr GdB beträgt". Gegensätzlich verfährt die Beklagte bezüglich weiter bestehen bleiben-der Feststellungen der gesundheitlichen Voraussetzungen von Merkzeichen ("G" und "B"), zur der gerade keine erneute (positive) Aussage getroffen wird (vgl. auch die Bescheide vom 17.08.2000 und 11.05.2012, die keine erneute Aussage zum Vorliegen der gesund-heitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "H", die bereits mit Bescheid vom 27.04.1998 festgestellt wurden, treffen). Korrespondierend formuliert die Beklagte im ers-ten Teil ihrer Regelungen auch jeweils, der nach Datum bezeichnete vorangegangene Bescheid werde "entsprechend" oder "wie folgt" aufgehoben.
172. Weiter kann den im jeweiligen Bescheid enthaltenen Darstellungen zum Ausweisinhalt – anders als die Beklagte meint - keine Regelungswirkung im Sinne einer Feststellung nach § 69 Abs. 1, 4 SGB IX zukommen. Es reicht daher für eine erneute Feststellung der ge-sundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "H" nicht aus, wenn die Beklagte im Bescheid vom 11.05.2012 unter der Überschrift "Ausweisinhalt" als enthaltene Eintragun-gen u.a. das Merkzeichen "H" aufführt. Jedenfalls soweit sich die Beklagte zu Eintragun-gen des GdB und von Merkzeichen verhält kommt dem keine Regelungswirkung zu (zur Befristung als Nebenbestimmung: SG Köln, Urteil vom 27.01. 2010 – S 21 SB 35/09 –, Rn. 18, juris). Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde i. S. einer verwaltungsrechtlichen Willenserklärung eine potentiell verbindliche Rechtsfolge setzt, d. h. durch ihre Maßnahme unmittelbar verbindliche Rechtsfolgen setzt (Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 31, Rn. 23 m. w. Nachw.). Davon ist hier nicht auszugehen, weil nach § 69 Abs. 5 S. 1 SGB IX (nur) auf Antrag auf Grund einer (erg. bereits vorausliegenden) Feststellung der Behinderung ein Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie über weitere gesundheitliche Merkmale (sog. Merkzeichen) ausgestellt wird. Eine separate (Zwischen)regelung zum Ausweisinhalt ist nicht vorgese-hen. Vielmehr hat der Ausweisinhalt nach § 69 Abs. 5 S. 1 SGB IX zwingend die zuvor nach § 69 Abs. 1, 3, 4 SGB IX getroffenen Feststellungen deklaratorisch abzubilden (vgl. BSG , Urteil vom 30.04.1979 - 8b RK 1/78 - BSGE 48, 167; BAG Urteil vom 28.01.1982 - 6 AZR 636/79 - AP Nr. 3 zu § 44 SchwbG; BVerwG, Urteil vom 15.12.1988 - 5 C 67/85 - NZA 1989, 554; Goebel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 69 SGB IX, Rn. 25). Seine Ausstellung ist ein Realakt, dem eine regelnde Entscheidung der Behörde zwar über die Ausgabe des Dokuments (acutus contrarius: Einziehung), nicht aber - über das mit entsprechenden Feststellungen abgeschlossene Verwaltungsverfahren nach § 69 Abs. 1, 3, 4 SGB IX hinaus – (nochmals) über dessen Inhalt vorauszugehen hat (vgl. BSG, Urteil vom 11.08.2015 – B 9 SB 2/15 R –, SozR 4-1300 § 48 Nr 31, Rn. 26 m. w. Nachw.; vgl. für andere Ausweisdokumente: BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - BVerwGE 120, 206, 218; Urteil vom 16.07.1996 - 1 C 30.93 - BVerwGE 101, 295, 307; VGH Mannheim, Urteil vom 29.08.1990 - 1 S 2648/89 –, Rn. 16, juris; VG Bremen, Urteil vom 06.11.2014 – 5 K 795/13 –, Rn. 11, juris). Zu einer konstitutiven Festlegung des GdB und der Voraussetzungen von Merkzeichen durch den Ausweisinhalt fehlt der Beklagten daher die Verwaltungsaktbefugnis (vgl. dazu BSG, Urteil vom 15.12.1999 – B 9 V 26/98 R –, SozR 3-3100 § 62 Nr 4, SozR 3-1300 § 48 Nr 69, Rn. 13 m. w. Nachw.). Gegen einen Regelungswillen der Beklagten, den Ausweisinhalt betreffend, spricht zudem, dass sie vor der Darlegung des Ausweisinhaltes unter Überschrift "Ausweisart" eine Anspruchsberechtigung für einen Ausweis nur erläutert, ohne die (von einem Antrag abhängige) Entscheidung über eine Ausstellung zu erkennen zu geben. Insofern erscheinen auch die darauf folgenden Darlegungen zum Ausweisinhalt als bloß informatorischen Charakters. Aber selbst wenn man dies anderes sehen und etwa auf-grund der folgenden, verbindlich erscheinenden Fixierung des Gültigkeitszeitraumes "des Ausweises" auch den Darlegungen seines Inhaltes einen Regelungswillen entnehmen wollte, wäre darin keine zweitbescheidene Feststellung der gesundheitlichen Vo-raussetzungen des Merkzeichens "H" nach § 69 Abs. 4 SGB IX zu erkennen. Die ggfs. rechtswidrige von den nach § 69 Abs. 1, 3, 4 SGB IX separierte Regelung bliebe eine Reglung zum Ausweisinhalt, nicht aber zur Feststellung der gesundheitlichen Voraus-setzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, die ordnungsgemäß im ersten Teil des Bescheides vom 11.05.2012 erfolgt (vgl. SG Köln, Urteil vom 27.01.2010 – S 21 SB 35/09 –, Rn. 18, juris; Goebel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 69 SGB IX, Rn. 26).
183. Dem angefochtenen Bescheid vom 07.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2015 kann auch nicht – entgegen seines auf den Bescheid vom 11.05.2012 gerichteten Wortlautes – im Wege der Auslegung gem. § 133, 157 BGB analog entnom-men werden, dass er die tatsächlich ausschließlich mit Bescheid vom 27.04.1998 getroff-ene Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzei-chen "H" aufheben wollte. Die Widersprüchlichkeit der Verknüpfung einer Aufhebung des Bescheides vom 11.05.2012 mit einer negativen Feststellung zu den Voraussetzungen des Merkzeichens "H" kann nicht überwunden werden.
19Eine solche "Korrektur" ist zwar nicht per se unmöglich, ist aber nur dort zutreffend und geboten, wo es sich um eine bloße Falschbezeichnung des Datums des aufzuhebenden Bescheides handelt, die nach dem allgemeinen Auslegungsgrundsatz "falsa demonstratio non nocet" (vgl. dazu: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 133, Rn. 8, 19) unschädlich ist. Dies entspricht der Situation einer offensichtlichen Unrichtigkeit im Sinne des § 38 SGB X (vgl. Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 40, Rn. 17 m. w. Nachw.; ferner: BSG, Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 196/11 R -, juris, Rn. 18).
20Vorliegend müsste hiernach unter Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes (§ 33 Abs. 1 SGB X) der aufgrund ihrer inneren Bezugnahme einheitlichen Verfügung: "Von Amts we-gen hebe ich den Bescheid vom 11.05.2012 wie folgt auf: Die gesundheitlichen Voraus-setzungen für das Merkzeichen "H" liegen bei Ihnen nicht mehr vor"; für den verständigen Empfänger – ggf. in Verbindung mit der Begründung des Verwaltungsaktes, früher ergan-gener Verwaltungsakte oder vorausliegender Korrespondenz – vollständig, klar und un-zweideutig erkennbar sein, dass die Beklagte tatsächlich den Bescheid vom 27.04.1998 in Bezug auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" aufheben wollte (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 196/11 R –, SozR 4-1300 § 33 Nr 2, SozR 4-1300 § 45 Nr 11, SozR 4-1300 § 48 Nr 25, Rn. 18, 19; BSG, Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R = BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384, Rn. 23 m. w. Nachw.; BSG, Urteil vom 07.02.2012 – B 13 R 85/09 R – juris, Rn. 47; BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 Rn. 38; BSG vom 17.12.2009 - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2; Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 40, Rn. 15).
21a) Diesen Willen hatte die Beklagte jedoch bereits nach eigenem Bekunden, das in ihrer ständigen Bescheidungspraxis, immer den letzten Bescheid (teilweise) aufzuheben, mani-festen Ausdruck findet, gerade nicht. Es liegt kein Fall eines offenbaren Schreibfehlers i. S. d. § 38 SGB X bzw. eine "falsa demonstratio" vor (vgl. LSG Ba-Wü, Urteil vom 22. Feb-ruar 2007 – L 10 R 1780/06 –, Rn. 26, juris). Vielmehr wollte die Beklagte genau den Be-scheid betreffen, den sie auch bezeichnet hat. Denn sie war und ist der rechtsirrigen (vgl. oben, 1.und 2.) Ansicht, dass sie mit dem adressierten Bescheid vom 11.05.2012 die nunmehr aufzuhebende Feststellung von Neuem getroffen habe. Da dies, wie dargelegt, nicht der Fall ist, geht die Aufhebung insofern ins Leere.
22Von entscheidender Bedeutung ist insofern, dass für eine Auslegung gegen den wirklichen Willen des Erklärenden (vgl. § 133 BGB) aus dem Empfängerhorizont (vgl. §157 BGB) zu Lasten des Empfängers von vorneherein kein Raum besteht, weil die Auslegung aus der Sicht des verständigen, geboten sorgfältigen Empfängers dessen Schutz, nicht aber einer Verfälschung des wirklichen Willens zugunsten des Erklärenden dient (vgl.: Sieger, in: Staudinger, BGB AT 3, 2012, § 133, Rn. 11: "Es kommt grds. darauf an, wie der Erklärende seine Verlautbarung subjektiv verstanden hat. Dies gilt allerdings nur, wenn schutzwürdige Interessen des Erklärungsempfängers nicht entgegenstehen", weiter, Rn. 18; Busche, in: MüKo, BGB AT, 6. Aufl. 2012, § 133, Rn. 10, 12, 28; Ahrens, in: Prütting/ Wegen / Weinreich, BGB, 10. Aufl. 2015, § 133, Rn. 133 m. w. Nachw.).
23b) Ungeachtet dessen konnte bzw. musste ein Empfänger in der konkreten Situation des Klägers bei gebotener Sorgfalt auch nicht davon ausgehen, die Beklagte wolle tatsächlich eine Regelung aus dem Bescheid vom 27.04.1998 nicht aber aus dem Bescheid vom 11.05.2012 aufheben, zumal die Beklagte bereits im Anhörungsschreiben vom 04.08.2015 ihre Absicht auf den Bescheid vom 11.05.2012 bezogen hatte. Dem widerspricht nicht, dass für den Kläger eindeutig war, dass die Beklagte feststellen wollte, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" nicht mehr vorliegen. Denn der insoweit verständliche zweite Teil der einheitlichen Aufhebungsverfügung verhielt sich zum ersten Teil gerade widersprüchlich. Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Ausführungen, wie sich die Rechtslage darstellen würde, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid gar nicht datumsmäßig bezeichnet (für eine aus § 33 SGB X abgeleitete Notwendigkeit einer datumsmäßigen Bezeichnung des aufzuhebenden Be-scheides vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 196/11 R -, juris, Rn. 19; LSG NRW, Beschluss vom 01.07.2009 – L 7 B 92/09 AS NZB –, Rn. 10, juris; LSG Hamburg, Urteil vom 20.10.2011, Az.: L 5 AS 87/08 und Urteil vom 30.10.2012, Az.: L 4 AS 117/10; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15.03.2012, Az.: L 15 AS 426/10; dagegen: SG Leip-zig v. 02.08.2010 - S 15 AS 3490/07 -, juris, Rn. 43; SG Berlin v. 18.01.2011 - S 148 AS 9049/09 - juris Rn. 19; vgl. insoweit auch BSG, Urteil vom 28.03.2013 - B 4 AS 59/12 R –, juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr 62, BSGE 114, 188-199, Rn. 16; zu weitgehend: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 48, Rn. 29), sondern lediglich eine Aufhebung der Feststellung der gesundheitlichen Vo-raussetzungen für das Merkzeichen "H" vorgenommen hätte. Denn jedenfalls dann, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid genau bezeichnet, muss sie sich - von offen-sichtlichen Unrichtigkeiten, die, wie dargelegt, hier aber nicht vorliegen, abgesehen - an dieser Erklärung festhalten lassen, auch wenn sie sich auf Grund einer falschen Beurtei-lung der Sach- und Rechtslage - hier darüber, welcher Bescheid in Bezug auf den Nachteilsausgleich "H" Geltung beansprucht - irrt. Schließlich hat sie es in der Hand, durch klare und richtige Verfügungssätze die Rechtslage zu gestalten. Ergibt sich dann aber durch eine datumsmäßige Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides einerseits und die negative Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen eines Merkzeichens ein Widerspruch, ist es grds. nicht Sache des Bescheidadressaten, die für die Beklagte günstigste Deutung des Bescheides auszusuchen und die dem widersprechenden Teile des Verfügungssatzes als irrelevant zu betrachten. Denn diese Teile bilden nach dem Wil-len der Beklagten eine Einheit (vgl. LSG Ba-Wü, Urteil vom 22.02. 2007 – L 10 R 1780/06 –, Rn. 26, juris; vgl. insoweit auch: BSG, Urteil vom 28.03.2013 – B 4 AS 59/12 R –, BSGE 113, 184-191, SozR 4-1300 § 45 Nr 13, Rn. 16).
24B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn
- 1.
ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder - 2.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder - 3.
ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will.
(2) (weggefallen)
(3) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
-
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere ein pauschaler Abzug von Stromkosten von den Kosten der Unterkunft.
- 2
-
Dem im Jahr 1960 geborenen, erwerbsfähigen, hilfebedürftigen und allein lebenden Kläger bewilligte die Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters - im Folgenden auch Beklagter - für Mai 2005 Leistungen in Höhe von 188,84 Euro und für Juni bis November 2005 monatlich Leistungen in Höhe von 427 Euro. Der Berechnung wurde eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro und Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 82 Euro zugrunde gelegt. Von der tatsächlich vom Kläger zu zahlenden Untermiete in Höhe von 110 Euro zog der Beklagte 28 Euro ab, weil nach dem Untermietvertrag in dem Untermietzins neben der Heizung der Strom enthalten war. Außerdem wurde für Mai Krankengeld in Höhe von 238,16 Euro als Einkommen berücksichtigt (Bescheid vom 2.5.2005). Den Widerspruch des Klägers verwarf der Beklagte als unzulässig, weil die Widerspruchsfrist nicht eingehalten worden sei (Widerspruchsbescheid vom 5.10.2005).
- 3
-
Im Laufe des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) hat, weil tatsächlich nur 208,16 Euro Krankengeld gezahlt worden waren, der Beklagte weitere Leistungen für Mai in Höhe von 60 Euro anerkannt, der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen. Darüber hinaus hat das SG unter Änderung der genannten Bescheide den Beklagten verpflichtet, dem Kläger von Mai bis November 2005 zusätzliche Leistungen in Höhe von 12 Euro monatlich zu zahlen, die Klage im Übrigen abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 26.2.2007). Dem SG erschien ein Abzug von nur 16 Euro monatlich für die in der Regelleistung und ebenfalls in der Pauschalmiete des Klägers enthaltenen Energiekosten nach den Umständen des Einzelfalls als angemessen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die nur von dem Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 28.1.2010). Zur Begründung hat es unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.6.2008 (B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 = SozR 4-4200 § 11 Nr 11) ausgeführt, die Regelleistung sei als Pauschale ausgestaltet und aus ihr könne weder zu Lasten des Hilfebedürftigen etwas herausgerechnet werden noch zu seinen Gunsten eine abweichende Bemessung der Bedarfe erfolgen. Auch die in einem Mietvertrag pauschal enthaltenen Aufwendungen für die Haushaltsenergie gehörten zu den tatsächlichen Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Diese habe der Beklagte zu übernehmen, soweit sie, wie vorliegend, angemessen seien. Daran würde sich nichts dadurch ändern, dass in den Leistungen für Unterkunft und Heizung Bedarfe enthalten seien, die als Komponente in die Berechnung der Regelleistung eingeflossen seien. Dies folge aus dem Wesen der pauschalierten Regelleistung. Etwas anderes gelte nur für die Kosten der Warmwasserbereitung, wenn diese über die Heizung erfolge. Die dazu ergangene Rechtsprechung (BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) könne aber nicht auf andere Komponenten der Berechnung der Regelleistung übertragen werden. Letzteres könne jedoch dahinstehen, weil nicht bekannt sei, in welcher Höhe Kosten der Haushaltsenergie in der Inklusivmiete enthalten seien.
- 4
-
In seiner vom BSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung von §§ 20, 22 SGB II, weil die Kosten der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten seien. Ebenso wie die Kosten der Warmwasserbereitung aus den Heizkosten herauszurechnen seien, seien die in einer Inklusivmiete enthaltenen Kosten der Haushaltsenergie herauszurechnen. Auch insofern habe keine doppelte Leistungserbringung zu erfolgen. Dies ergebe sich zudem aus der Klarstellung in § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706 - GSiFoG). Im strittigen Zeitraum seien 20,74 Euro für Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten gewesen.
- 5
-
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Februar 2007 und des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Januar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 6
-
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 7
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Die Revision des Beklagten ist zurückzuweisen. Das LSG hat zu Recht die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, weil eine Rechtsgrundlage für die von dem Beklagten vorgenommene Kürzung der Leistungen für die Unterkunft nicht gegeben ist. Zwar hat das SG der Klage nur teilweise stattgegeben, da jedoch der Kläger nicht in Berufung gegangen ist, verbleibt es bei dem vom SG zugesprochenen Betrag.
- 8
-
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist - ebenso wie schon des Berufungsverfahrens - neben der Änderung des Bescheides des Beklagten vom 2.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.10.2005 nur die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 12 Euro pro Monat von Mai bis November 2005 an den Kläger. Denn nur der Beklagte, nicht aber der Kläger hat Rechtsmittel eingelegt.
- 9
-
2. Die Klage ist zulässig. Wie schon das SG zu Recht erkannt hat, wurde das angesichts der vorliegenden Anfechtungs- und Leistungsklage erforderliche Vorverfahren durchgeführt (§ 54 Abs 1, 4, § 78 Sozialgerichtsgesetz
) , auch wenn der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unzulässig, weil verspätet eingelegt, zurückgewiesen hat. Besondere Anforderungen, insbesondere hinsichtlich des Prüfungsumfangs, an die Durchführung eines Vorverfahrens stellt § 78 Abs 1 SGG nicht, weil andernfalls die Zulässigkeit der Klage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts von der Rechtmäßigkeit des weiteren Verhaltens der Behörde bzw der zuständigen Widerspruchsbehörde abhängig wäre(vgl BSGE 43, 19, 24 f = SozR 4495 § 11 Nr 1; BSGE 49, 85, 87 = SozR 1500 § 84 Nr 3 und 2200 § 1422 Nr 1 mwN; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 78 RdNr 3).
- 10
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3. Einem Anspruch des Klägers auf höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) steht nicht die Bindungswirkung des angefochtenes Bescheides vom 2.5.2005 entgegen (vgl § 77 SGG). Der Kläger hat die Widerspruchsfrist (§ 84 Abs 1 Satz 1 SGG) gewahrt, weil die Bekanntgabefiktion (§ 37 Abs 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch
) nicht greift, da der Verwaltungsakte des Beklagten kein Absendevermerk hinsichtlich des Bescheides vom 2.5.2005 zu entnehmen ist und der Kläger einen Rückschein der Deutschen Post seitens des Beklagten vom 24.5.2005 vorgelegt hat.
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4. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten und von SG und LSG zugesprochenen Anspruch auf weiteres Alg II ist § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954
) . Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.
- 12
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Die allgemeinen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung erfüllte der Kläger im streitigen Zeitraum von Mai bis November 2005: Er hatte das 15. Lebensjahr vollendet, das 65. Lebensjahr noch nicht, war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG erwerbsfähig und hilfebedürftig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
- 13
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Das Alg II des Klägers umfasste gemäß § 19 Satz 1 SGB II idF des ArbMDienstLG 4 die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie die Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Regelleistung für den allein in Hamburg lebenden Kläger betrug 345 Euro (§ 20 Abs 2 SGB II idF ArbMDienstLG 4 - zur Verfassungsmäßigkeit des Betrags: BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175). Für Leistungen wegen eines Mehrbedarfs nach § 21 SGB II in der damaligen Fassung ergeben sich keine Anhaltspunkte.
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Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). An der Angemessenheit der vom Kläger geltend gemachten Gesamtaufwendungen von 110 Euro monatlich für Unterkunft und Heizung in Hamburg bestehen nach den Feststellungen des LSG keine Zweifel.
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5. Obwohl in diesen Aufwendungen für die Unterkunft ein (unbestimmter) Betrag für den Strom enthalten ist und die Haushaltsenergie auch von der Regelleistung umfasst wird, können die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung - wie auch die Regelleistung - nicht gekürzt werden.
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Dass die Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, ist dem Wortlaut der hier maßgebenden Fassung des § 20 Abs 1 SGB II aufgrund des ArbMDiensLG 4 nicht unmittelbar zu entnehmen. Die Regelleistung war jedoch entsprechend dem Regelsatz des zum Zeitpunkt der Schaffung des SGB II bestehenden Sozialhilferechts entwickelt worden (vgl die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 15/1516, S 56 zu § 20), in dem die Kosten der Haushaltsenergie im Regelsatz enthalten waren und nicht ein weiteres Mal in den Kosten der Unterkunft geltend gemacht werden konnten (vgl nur § 1 Abs 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 Bundessozialhilfegesetz
vom 20.7.1962, BGBl I 515, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190) . Daher umfasste die Regelleistung bereits unter der Geltung des § 20 Abs 1 SGB II idF des ArbMDienstLG 4 die Kosten für Haushaltsenergie(vgl nur Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 21 mwN).
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Bestätigt wird diese Auslegung durch die Neufassung des § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II idF des ArbMDienstLG 4 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706 - GSiFoG), nach der die Regelleistung auch die "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" umfasst. Nach der Gesetzesbegründung handelte es sich hierbei um eine Klarstellung, um systemwidrige doppelte Leistungen zu vermeiden (BT-Drucks 16/1410, S 23).
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6. Der Revision kann nicht gefolgt werden, wenn sie ausgehend von der Entscheidung des Senats zu den Kosten der Warmwasserbereitung (BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) einen Betrag von 20,74 Euro aus der vom Kläger zu zahlenden Inklusivmiete von 110 Euro als durch die Regelleistung gedeckt herausrechnen will.
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Dieser für die Haushaltsenergie in der Regeleistung enthaltene Betrag ergibt aus dem zur Begründung der Verordnung zur Durchführung des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 3.6.2004 (BGBl I 1067 - RSV) vorgelegten Zahlenwerk aufgrund der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998, vermindert um die Kosten für die Reparatur und Instandhaltung der Wohnung und der Dynamisierung bzw Fortschreibung dieser Werte auf den Zeitpunkt 1.1.2005 (BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 26 unter Hinweis auf BR-Drucks 206/04, S 7, 11 ff). Hierbei ist zu beachten, dass unter Haushaltsenergie nicht nur Strom fällt, sondern auch zB Gas für die Kochfeuerung.
- 20
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a) Einem Herausrechnen des in der Regelleistung für die Haushaltsenergie zugrunde gelegten Betrags steht zunächst entgegen, dass nach dem Leistungssystem des SGB II eine individuelle Bedarfsermittlung bzw abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Dies gilt sowohl zu Gunsten wie auch zu Lasten des Hilfebedürftigen (BSG vom 18.6.2008 - B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 = SozR 4-4200 § 11 Nr 11, RdNr 22 mwN).
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Die Entscheidung des Senats zu den Kosten der Warmwasserbereitung (BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) trägt demgegenüber der Besonderheit dieser Kosten nach der vorherigen Rechtslage zum BSHG Rechnung, auf der das Leistungssystem des SGB II aufbaut, und in dessen System diese Kosten schon einen Sonderfall darstellten. Diese Sonderstellung der Kosten der Warmwasserbereitung hat der Gesetzgeber anerkannt, indem er, wie dargestellt, durch das GSiFoG § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II dahingehend geändert hat, dass die Regelleistung auch die "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" umfasst. Damit hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung für die Kosten der Warmwasserbereitung geschaffen, die er mit der Einführung eines Mehrbedarfes für die Warmwasserbereitung in § 21 Abs 7 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) bestätigt hat.
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In der Rechtsprechung des Senats ist diese Sonderstellung der Kosten der Warmwasserbereitung ebenfalls betont worden (BSG vom 7.5.2009 - B 14 AS 14/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 23 zum Küchenzuschlag).
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b) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass jede Kürzung des Bedarfs des Klägers, der sich aus der Regelleistung und den tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind, zusammensetzt, eine begründete Herleitung dieses Kürzungsbetrages erfordert. Eine Schätzung setzt die Ermittlung und Benennung der Schätzungsgrundlagen voraus (vgl § 287 Zivilprozessordnung), sie darf nicht "völlig in der Luft hängen" (BGHZ 91, 243 = NJW 1984, 2216, Juris-RdNr 55; vgl für die Warmwasserbereitung: BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/0AS 15/07 R -, aaO RdNr 26).
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Vorliegend kann ein solcher Betrag jedoch nicht ermittelt werden. Der Beklagte ist zunächst von 28 Euro ausgegangen und hat diese pro Monat abgezogen, ohne es näher zu begründen. Das SG hat dem Kläger weitere 12 Euro zugesprochen, damit für Haushaltsenergie nur noch 16 Euro abgezogen und zur Begründung eine telefonische Auskunft der Firma Vattenfall und Überlegungen zum Energieverbrauch eines Zweipersonenhaushaltes angeführt. Das LSG, das die Berufung des Beklagten zurückgewiesen hat, hat sich mit der Höhe des Betrags nicht beschäftigt. Im Revisionsverfahren meint der Beklagte, zumindest ein Betrag von 20,74 Euro sei abzuziehen. Wieso jedoch der gesamte für Haushaltsenergie in der Regelleistung enthaltene Betrag bei einer Inklusivmiete, die die Stromkosten umfasst, abzuziehen sein soll, obwohl es weitere Formen der Haushaltsenergie geben kann, bleibt offen.
- 25
-
c) Die Höhe des Betrags von 20,74 Euro als der Anteil für Haushaltsenergie in der Regelleistung zeigt ebenfalls, dass den dahingehenden Überlegungen des Beklagten nicht gefolgt werden kann: Denn damit würde von der vom Kläger zu zahlenden Inklusivmiete von 110 Euro fast ein Fünftel auf die Haushaltsenergie, also insbesondere auf den Strom in einem Zimmer entfallen, während für die Kaltmiete, die Betriebskosten und die Heizung nur circa 90 Euro übrig blieben.
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Deutlich wird hieran nochmals der Widerspruch zum Pauschalcharakter der Regelleistung: Ob der Hilfebedürftige 20,74 Euro oder mehr oder weniger für die Haushaltsenergie ausgibt, bleibt ihm nach dem Konzept des SGB II überlassen. Wenn er sich eine kleine Wohnung nimmt und einen geringen Energieverbrauch hat, kann er den insofern nicht genutzten Anteil aus seiner Regelleistung anderweit verwenden. Dies darf nach der aufgezeigten Systematik des SGB II nicht durch entsprechende Anrechnungen von Einzelpositionen aus der Regelleistung auf die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung konterkariert werden.
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-
Dass eine von der Auffassung des Beklagten ausgehende Überlegung, der Kläger könne, um die Anrechnung der Haushaltsenergie bei der Leistung für Unterkunft und Heizung zu vermeiden, in eine andere Wohnung mit einem "normalen" Mietvertrag ziehen, in die Irre führt, zeigt die Höhe der Inklusivmiete von 110 Euro in Hamburg. Sollten die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung bei einer Inklusivmiete nicht angemessen sein, so kann das Jobcenter im Übrigen ein Kostensenkungsverfahren einleiten.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 29.07.2009 - S 9 AL 39/07 - abgeändert. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18.01.2007 wird aufgehoben, soweit er den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 23.08.2006 als unzulässig verworfen hat.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) auch für den Zeitraum vom 31.07. bis 08.08.2006.
- 2
Der 1966 geborene Kläger war zuletzt vom 05.04. bis 24.06.2005 als Sortierer bei der H GmbH und seit 29.06.2005 als Produktionshelfer bei der Firma S Industrie-Service (Arbeitgeber) beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.06.2006 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 12.07.2006. In dem anschließenden Verfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz (5 Ca 1355/06) schlossen die Arbeitsvertragsparteien am 12.12.2006 einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Kündigung vom 27.06.2006 beendet worden ist, sondern unbefristet fortbesteht.
- 3
Der Kläger war seit 03.05.2006 arbeitsunfähig erkrankt und erhielt von der Allgemeinen Ortskrankenkasse Rheinland-Pfalz (AOK) ab 14.06.2006 Krankengeld. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 24.07.2006 ausführte, dass eine Beendigung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers zum 30.07.2006 möglich sei, teilte die AOK dem Kläger mit Bescheid vom 25.07.2006 mit, dass er mit Ablauf des 30.07.2006 wieder in der Lage sei, seine letzte Tätigkeit als Hilfsarbeiter/Produktionsmitarbeiter aufzunehmen und dass die Krankengeldzahlung zu diesem Zeitpunkt ende. Der Kläger erhielt zusätzlich Aufstockungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
- 4
Der Kläger legte der ARGE als Träger nach dem SGB II am 01.06. (Zeitraum vom 31.05. bis 14.06.2006), am 20.06.2006 (Zeitraum vom 15.06. bis 03.07.2006) und am 04.07.2006 (Zeitraum vom 04.07. bis 14.07.2006) Kopien der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Am 30.06.2006 sprach er bei der ARGE vor und meldete sich zum 13.07.2006 arbeitslos (Vermerk vom 30.06.2006). Eine Mitarbeiterin der Beklagten wies ihn am 03.07.2006 auf das Erfordernis einer rechtzeitigen erneuten Arbeitslosmeldung bei einer Genesung hin; der Kläger legte zwei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Am 21.07.2006 gab er gegenüber der ARGE an, weiter arbeitsunfähig zu sein.
- 5
Am 09.08.2006 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte am 21.08.2006 die Gewährung von Alg. Am 21.08.2006 nahm der Kläger die Beschäftigung bei dem Arbeitgeber wieder auf.
- 6
Die Beklagte bewilligte mit Bescheiden vom 23.08. und 30.08.2006 Alg für den Zeitraum vom 09.08. bis 20.08.2006 nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 44,98 € und einem Leistungsbetrag von täglich 16,31 € (Bescheid vom 23.08.2006, Steuerklasse V) bzw. von 23,81 € (Bescheid vom 30.08.2006, Steuerklasse III). Der sechsseitige Bescheid vom 23.08.2006 enthielt auf den Seiten 2 bis 3 nach den dargestellten Berechnungsgrundlagen und vor den Hinweisen zur Höhe des Alg folgende Rechtsmittelbelehrung:
- 7
"Gegen diesen Bescheid ist der Widerspruch zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der oben bezeichneten Agentur für Arbeit einzureichen, und zwar binnen eines Monats, nach dem der Bescheid Ihnen bekanntgegeben worden ist."
- 8
Bei dem fünfseitigen Bescheid vom 30.08.2006 befand sich die gleichlautende Rechtsmittelbelehrung nach den Berechnungsgrundlagen und dem Hinweis auf eine Änderung der Verhältnisse wegen der Lohnsteuerklasse auf Seite 3 vor den Hinweisen zu den zu beachtenden Gesichtspunkten.
- 9
Die als Zweitschrift in der Verwaltungsakte der Beklagten abgehefteten Bescheide enthalten keinen Vermerk über die Aufgabe zur Post und wurden vom BA-IT-Systemhaus der Beklagten in Nürnberg erstellt. Der Bescheid vom 23.08.2006 ist entweder am 23. oder 24.08.2006 und der Bescheid vom 30.08.2006 am 31.08.2006 bei der Post aufgeliefert worden (E-Mail des BA-IT-Systemhauses an die Beklagte vom 28.02.2007, Bl. 52 Gerichtsakte).
- 10
Der Kläger hat am 08.11.2006 Widerspruch gegen die Bescheide vom 23. und 30.08.2006 erhoben. Die Beklagte verwarf den Widerspruch am 18.01.2007 als unzulässig, da die Widerspruchsfrist nicht gewahrt und Wiedereinsetzungsgründe nicht erkennbar seien.
- 11
Der Kläger hat am 05.02.2007 Klage vor dem Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 29.07.2009 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Beklagte habe den Widerspruch des Klägers zu Recht wegen der Versäumung der Widerspruchsfrist als unzulässig verworfen. Hinsichtlich der Bekanntgabe der Bescheide gelte die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), wobei die Bestätigung des BA-IT-Systemhauses über den Tag der Aufgabe zur Post ausreichend sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei zutreffend und es sei unschädlich, dass sich diese mittig in den Bescheiden befunden habe. Auch der Sitz der Behörde, bei der der Widerspruch anzubringen war, sei hinreichend bezeichnet.
- 12
Gegen das ihm am 12.08.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 14.09.2009 Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass die Widerspruchsfrist nicht versäumt sei, da deren Lauf wegen der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrungen nicht in Gang gesetzt worden sei. Die Rechtsmittelbelehrung habe sich in den Bescheidtexten an versteckter Stelle befunden, wo ein verständiger Leser sie nicht habe erwarten können. Auch sei diese inhaltlich unvollständig, da sie nicht die Angaben der Behörde, bei der der Widerspruch einzulegen ist und über deren Sitz enthalten habe. Ein Anspruch auf Alg sei gegeben, da er sich am 30.06.2006 arbeitslos gemeldet habe.
- 13
Der Kläger beantragt,
- 14
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 29.07.2009 - S 9 AL 39/07 - aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 23.08.2006 und 30.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 31.07. bis 08.08.2006 in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
- 15
Die Beklagte beantragt,
- 16
die Berufung zurückzuweisen.
- 17
Sie erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
- 18
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Entscheidungsgründe
- 19
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Das Urteil des SG sowie der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18.01.2007 sind abzuändern. Die Beklagte hat den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.08.2006 unzutreffend als unzulässig verworfen. Der Senat erachtet insoweit den Erlass eines Teilurteils (§ 202 Sozialgerichtsgesetz
iVm § 301 Zivilprozessordnung ) für zweckmäßig. Eine Entscheidung, ob dem Kläger ein Anspruch auf Alg auch im Zeitraum vom 31.07. bis 08.08.2006 zusteht, bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
- 20
Das SG hat die Klage zutreffend nicht wegen der von ihm angenommenen Versäumung der Widerspruchfrist (§ 84 SGG) als unzulässig abgewiesen (vgl. Bundessozialgericht
, Urteil vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 -, SozR 2200 § 1422 Nr. 1). Die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist zulässig und teilweise begründet. Hinsichtlich des Bescheides vom 30.08.2006 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen. Bzgl. des Bescheides vom 23.08.2006 war der Widerspruch zulässig und die Beklagte hätte in der Sache entscheiden müssen. Dieser Verwaltungsakt hat keine Bindungswirkung (§ 77 SGG) erlangt. Der Kläger hat die Widerspruchsfrist gewahrt.
- 21
1. Die Bescheide vom 23.08. und 30.08.2006 sind dem Kläger bekannt gegeben und damit wirksam (§ 39 Abs. 1 SGB X) geworden. Dass sie ihm nicht zugegangen sind, behauptet der Kläger nicht. Die Bekanntgabe erfolgte vorliegend durch Übersendung durch die Post (§ 37 Abs. 2 SGB X). Nach Satz 1 dieser Vorschrift gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt gemäß Satz 3 nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
- 22
Die Beklagte hat die Bescheide jeweils durch einfachen Brief versandt. Der Kläger hat keine Angaben zu dem Zeitpunkt gemacht, wann ihm die Bescheide zugegangen sind. Der Beweis für den Zeitpunkt der Bekanntgabe ist hinsichtlich des Bescheides vom 30.08.2006 durch die Vorlage der E-Mail des BA-IT-Systemhauses der Beklagten vom 28.02.2007 geführt. Danach wurde der Bescheid am 31.08.2006 bei der Post aufgegeben. Wann der Bescheid vom 23.08.2006 bei der Post aufgegeben worden ist, ist jedoch offen. Das BA-IT-Systemhaus hat angegeben, dass der Bescheid vom 23.08.2006 am 23.08. oder 24.08.2006 bei der Post aufgeliefert worden sei. Der Tag der Aufgabe zur Post steht damit aber gerade nicht fest.
- 23
Ausreichend für das Eingreifen der Zugangsvermutung des § 37 Abs. 2 SGB X als gesetzlich normierter Anscheinsbeweis ist, dass der Tag der Aufgabe zur Post nachweisbar ist. Ob der Tag der Aufgabe zur Post bei der Bekanntgabe durch Übersendung nach § 37 Abs. 2 SGB X in den Akten zu vermerken ist (so BSG, Urteil vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R -, SozR 4- 2700 § 136 Nr. 2 RdNr. 15), braucht nicht entschieden zu werden. Der Wortlaut der Vorschrift enthält ein derartiges Erfordernis jedenfalls nicht. Im übrigen bedeutet "vermerken" lediglich, dass der Vorgang in den betreffenden Akten so erwähnt wird, dass auch eine mit der Sache bisher nicht befasste Person ihn als geschehen erkennen kann. Dementsprechend reicht jeder in den Akten befindliche Hinweis, der Aufschluss über den Tag der Aufgabe des Briefes zur Post gibt, aus. Wann dieser Hinweis zu den Akten gelangt ist, ist ohne Bedeutung. Nicht erforderlich ist zudem, dass der Hinweis sich aus dem Verwaltungsakt selbst ergibt bzw. ein Vermerk über die Aufgabe zur Post auf dem Verwaltungsakt angebracht ist (vgl. zur Regelung des § 4 Verwaltungszustellungsgesetz
: BSG, Urteil vom 26.08.1997 - 5 RJ 6/96 -, SozR 3-1960 § 4 Nr. 3; Urteil vom 09.12.2008 - B 8/9b SO 13/07 R -, Juris). Bzgl. des Bescheides vom 30.08.2006 genügt die zu den Akten der Beklagten gelangte E-Mail des BA-IT-Systemshauses der Beklagten, um den Tag der Aufgabe zur Post - der 31.08.2006 - nachzuweisen. Erfolgte die Zustellung des Bescheides vom 30.08.2006 damit am Sonntag (die Zugangsvermutung gilt auch in diesem Fall: vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2008 aaO Rdnr. 13; Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 12/09 R -, Juris), dem 03.09.2006, begann die Monatsfrist für die Einlegung des Widerspruchs (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) nach § 64 Abs. 1 SGG am 04.09.2006. Die Zugangsvermutung ist nicht durch entsprechenden Tatsachenvortrag des Klägers erschüttert worden, der einen späteren Zugang nicht konkret behauptet hat. Hinsichtlich des Bescheides vom 23.08.2006 gilt die Zugangsfiktion mangels der Nachweisbarkeit des Tags der Aufgabe dieses Bescheides zur Post hingegen nicht. Da die Monatsfrist insoweit nicht lief, war der Widerspruch des Klägers vom 08.11.2006 als fristgemäß anzusehen.
- 24
2. Bzgl. des Bescheides vom 30.08.2006 scheiterte der Beginn des Laufs der Monatsfrist nicht daran, dass die Rechtsbehelfsbelehrung gem. den §§ 84 Abs. 1 und 2 Satz 3, 66 Abs. 1 SGG und 36 SGB X unrichtig erteilt worden wäre. Die Jahresfrist (§ 66 Abs. 2 SGG) für die Einlegung des Widerspruchs galt damit nicht.
- 25
Unrichtig ist eine Rechtsbehelfsbelehrung, wenn diese Fehler enthält, die von einer sachgerechten Einlegung des gegebenen Rechtsmittels abhalten könnten. Davon ist das BSG bei Fehlern ausgegangen, die bei abstrakter Betrachtungsweise geeignet sein könnten, den Informationswert der richtigen Angaben zu mindern oder den Berechtigten von Erkundigungen über weitere Möglichkeiten abzuhalten und dadurch Einfluss auf die verspätete oder formwidrige Einlegung oder Begründung des Rechtsbehelfs gehabt haben könnten. Andererseits darf die Rechtsmittelbelehrung nicht so abgefasst sein, dass sie durch weitere Informationen inhaltlich überfrachtet wird und, statt Klarheit zu schaffen, wegen ihres Umfanges und ihrer Kompliziertheit Verwirrung stiftet. Sie soll deshalb so einfach und klar wie möglich gehalten werden und auch für einen juristischen Laien verständlich bleiben und nicht mit komplizierten rechtlichen Hinweisen überfrachtet werden. Sie muss in Folge dessen nicht allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten Rechnung tragen, sondern den Beteiligten nur in die richtige Richtung lenken. Diese Funktion ist erfüllt, wenn sie einen Hinweis darauf gibt, welche ersten Schritte ein Beteiligter unternehmen muss (BSG, Beschluss vom 18.10.2007 - B 3 P 24/07 B -, SozR 4-1500 § 66 Nr. 1; Urteil vom 31.08.2000 - B 3 P 18/99 R -, Juris). Auf die Besonderheiten des Fristbeginns beim Eingreifen einer Zugangsvermutung - wie hier bei § 37 Abs. 2 SGB X - muss nicht hingewiesen werden (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.1993 - 9/9a RV 17/92 - SozR 3-1500 § 66 Nr. 2); der vorliegende Hinweis "nach Bekanntgabe" (vgl. § 37 Abs. 1 und 2 SGB X) ist ausreichend (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.1996 - 10 RKg 20/95 -, Juris). Nicht erforderlich ist, dass die Belehrung von der Begründung des Beschlusses abgesetzt und mit einer gesonderten Überschrift versehen wird, allerdings darf diese nicht in einer vielseitigen Begründung irgendwo versteckt werden (vgl. Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 30.04.2009 - 3 C 23/08 -, BVerwGE 134, 41).
- 26
Vorliegend konnte die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 30.08.2006 ihre Wegweiserfunktion erfüllen. Sie war auf Seite 3 des Bescheides nach der Darlegung des Leistungsanspruchs und der Berechnungsgrundlagen aufgeführt. Von den nachfolgenden (allgemeinen) Hinweisen war sie etwas abgesetzt. Damit wurde deutlich, dass der Bescheid in zwei Teile gegliedert war, dessen erster Teil die Leistungsvoraussetzungen und die Erläuterung der Höhe der Leistungen betraf und dessen zweiter Teil Hinweise zu vom Kläger zu beachtenden Gesichtspunkten, zu Rechtsgrundlagen sowie einen Leistungsnachweis enthielt. Die Rechtsbehelfsbelehrung war insofern nicht an einer unübersichtlichen Stelle des Bescheides versteckt, sondern schloss den die konkrete Leistung betreffenden Teil ab. Sie war nicht durch überflüssige Informationen überfrachtet und bezeichnete den Rechtsbehelf und die zutreffende Frist und Form der Einlegung (vgl. §§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG und 36 SGB X). Auch war die zuständige Verwaltungsstelle zu erkennen, da auf die "oben bezeichnete Agentur für Arbeit" Neuwied verwiesen wurde, die im Briefkopf mit Adressangabe genannt war. Es war daher ohne weiteres erkennbar (vgl. hierzu Landessozialgericht
Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2006 - L 8 AS 4314/05 -, Juris), welche Stelle dies ist.
- 27
Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs hinsichtlich des Bescheides vom 30.08.2006 lief mit Ablauf des 04.10.2006 (§ 64 Abs. 2 und 3 SGG) ab. Der Kläger hat jedoch erst am 08.11.2006 Widerspruch bei der Beklagten eingelegt. Dieser ist verfristet. Wiedereinsetzungsgründe (§ 67 SGG) wurden vom Kläger nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich. Die Beklagte hat damit zu Recht den Widerspruch als unzulässig verworfen.
- 28
3. Dass der Bescheid vom 30.08.2006 in Bestandskraft erwachsen ist, steht einer Entscheidung in der Sache, ob dem Kläger ein Anspruch auf Alg im Zeitraum vom 31.07. bis 08.08.2006 zusteht, nicht entgegen. Im Bescheid vom 23.08.2006 hat die Beklagte Alg ab dem 09.08.2006 bewilligt und damit das Bestehen eines Anspruchs vor diesem Zeitpunkt abgelehnt. Mit dem Bescheid vom 30.08.2006 wurde der Leistungsbetrag ab dem 09.08.2006 wegen der Vorlage der Lohnsteuerkarte und der Berücksichtigung der dort aufgeführten Lohnsteuerklasse erhöht und hinsichtlich der Leistungsgewährung vor dem 09.08.2006 keine neue Sachprüfung durchgeführt und daher insoweit kein sogenannter Zweitbescheid erlassen. Allerdings ist diese Sachprüfung (zunächst) im - erneuten - Widerspruchsverfahren anzustellen und kann nicht im vorliegenden Gerichtsverfahren erfolgen.
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Die Sachprüfung im Gerichtsverfahren wird bei einer von der Widerspruchsbehörde (hier § 85 Abs. 2 Nr. 3 SGG) ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Verfristung des Widerspruchs nur dann ermöglicht, wenn die Widerspruchsbehörde auch in der Sache entschieden hat. Aufgrund eines verspäteten Widerspruchs ist die Behörde zwar nicht mehr verpflichtet, in der Sache zu entscheiden; sie verliert aber nicht die Sachherrschaft über das Verfahren. In einem Widerspruchsverfahren darf die Widerspruchsbehörde damit auch über einen verspäteten Widerspruch sachlich entscheiden; eine sich über die Fristversäumung hinweg setzende Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde schließt dann für das spätere Gerichtsverfahren die Beachtlichkeit des Widerspruchs aus. Für eine Sachentscheidung genügt es nicht, wenn sich die Widerspruchsbehörde nur hilfsweise zur Sache äußert (BSG, Urteil vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 -, SozR 1500 § 84 Nr. 3; Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R -, SozR 4-3500 § 28 Nr. 3; BVerwG, Urteil vom 16.01.1964 - VIII C 72.62 -, DVBl. 1965, 89). Nur diese Sachentscheidung eröffnet den Weg zu einer gerichtlichen Sachprüfung. Weist die Widerspruchsbehörde den Widerspruch als unzulässig zurück und entscheidet sie nicht in der Sache, sind die Gerichte an einer sachlich-rechtlichen Überprüfung des Klagebegehrens gehindert (BSG, Urteil vom 30.09.1996 - 10 RKg 20/95 -, Juris Rdnr. 29). Vorliegend hat sich die Widerspruchsstelle der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 18.01.2007 ausschließlich auf die Unzulässigkeit des Widerspruchs und damit auf die Bestandskraft des Bescheides vom 23.08.2006 berufen und keine Sachprüfung durchgeführt. Der Senat kann damit in eine Sachprüfung nicht eintreten.
- 30
Die - hier teilweise - isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2007 ist möglich, da er gegenüber dem Ausgangsbescheid eine zusätzliche, selbständige Beschwer enthält und jedenfalls der Rechtsgedanke des § 79 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) heranzuziehen ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 95 RdNr. 3 ff. mwN). Die Voraussetzung einer zusätzlichen Beschwer ist im Fall der Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift im Widerspruchsverfahren erfüllt, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht (vgl. bei einer unterbliebenen Anhörung: BSG, Urteil vom 15.08.1996 - 9 RV 10/95 -, SozR 3-1300 § 24 Nr. 13; Urteil vom 25.03.1999 - B 9 SB 14/97 R -, SozR 3-1300 § 24 Nr. 14), was bei der vorliegenden Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig anstelle einer Sachentscheidung der Fall ist. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass ein Rechtsschutzinteresse an einer isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheides dann nicht gegeben ist, wenn es sich um eine rechtlich gebundene Entscheidung handelt (Leitherer a.a.O. RdNr. 3c; Behrend in Hennig, SGG, § 95 RdNr. 20; Brenner in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 79 RdNr. 19). Dies überzeugt jedoch nicht, da § 79 VwGO keinen Unterschied zwischen Ermessensentscheidungen und gebundener Verwaltung macht. Auch folgt aus dem Sinn und Zweck des Vorverfahrens (Selbstkontrolle der Verwaltung, Verbesserung des Rechtsschutzes des Bürgers, Schutz der Gerichte vor Überlastung) und aus der allgemeinen Stellung der Gerichte im gewaltenteiligen Staat, dass ein Gericht eine Sachentscheidung erst treffen soll, wenn die Verwaltung, dh die Widerspruchsbehörde, in einem einwandfreien Verfahren und ohne zusätzliche Rechtsfehler das letzte Wort in der Sache gesprochen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 79 RdNr. 5; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl., § 79 RdNr. 9).
- 31
Auch Gründe der Prozessökonomie können eine solche Sachprüfung nicht ermöglichen. Im Widerspruchsverfahren wird die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) nachgeprüft. Dies dient der Selbstkontrolle der Verwaltung und darüber hinaus soll der Schutz des betroffenen Bürgers verbessert und es sollen die Sozialgerichte vor unnötiger Arbeit bewahrt werden. Das Verfahren ist eine grundsätzlich unverzichtbare Sachurteils-(Prozess-)Voraussetzung (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.1999 - B 12 KR 8/98 R -, SozR 3-1500 § 78 Nr. 3). Dies schließt es auch bei "gebundenen", d.h. nicht im Ermessen der Verwaltung stehenden Entscheidungen - wie hier - aus, auf das Widerspruchsverfahren zu verzichten (BSG aaO). Die Möglichkeit einer positiven Entscheidung in der Sache scheidet vorliegend auch nicht von vornherein aus und der Senat kann jedenfalls derzeit keine für den Kläger günstige Sachentscheidung treffen, da noch weitere Ermittlungen anzustellen sind. Es ist u. a. zu prüfen (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III), ob sich der Kläger wirksam (§ 122 Abs. 1 SGB III) am 30.06.2006 arbeitslos gemeldet hat, was davon abhängen könnte, ob der Eintritt von Arbeitslosigkeit in den nächsten drei Monaten prognostisch erwartet werden konnte, ob der Kläger aus seiner "Laiensphäre" davon ausgehen konnte, sich bei der zuständigen Agentur für Arbeit persönlich arbeitslos gemeldet zu haben (vgl. BSG, Urteil vom 19.01.2005 - B 11a/11 AL 41/04 R -, Juris; Urteil vom 06.04.2006 - B 7a AL 74/05 R -, SozR 4-4300 § 26 Nr. 4) und ob die Beklagte die Arbeitslosmeldung entgegengenommen und akzeptiert hat (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2010 - B 7 AL 49/08 R -, Juris). Auch ein arbeitsunfähig Erkrankter kann sich arbeitslos melden und muss nicht seine "Genesung" abwarten, um dann - erneut - die Agentur für Arbeit zur persönlichen Arbeitslosmeldung aufzusuchen. Sollte die Beklagte Ursachen für eine verspätete Arbeitslosmeldung geschaffen haben, könnte die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu erwägen sein (vgl. BSG, Urteil vom 19.01.2005 a.a.O.), da es nicht um die Ersetzung der Tatsache des persönlichen Erscheinens bei der Behörde geht. Ob der Kläger ab dem 31.07.2006 bereit war, alle seiner objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen (Arbeitsbereitschaft, § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III), ist ebenfalls zu prüfen.
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Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
- 33
Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
Tenor
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Dem Bundesverfassungsgericht wird folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist § 22 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBI. Nr. 23, S. 868) mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, soweit nach dessen 2. Halbsatz die für die Höhe des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nach §§ 19 Abs. 1, 19 Abs. 3 S. 1 SGB II maßgeblichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung lediglich anerkannt werden, soweit die tatsächlichen Aufwendungen hierfür angemessen sind, ohne dass der Gesetzgeber nähere Bestimmungen darüber getroffen hat, unter welchen Umständen von unangemessenen Aufwendungen auszugehen ist?
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014.
- 2
Der am … geborene Kläger bezieht seit November 2009 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II vom Beklagten. Zunächst lebte der Kläger gemeinsam mit seiner Mutter in einer 73 m² großen Mietwohnung in …. Mietvertragspartnerin war zunächst die Mutter. Seit deren Tod am … wohnt der Kläger allein in dieser Wohnung.
- 3
Mit Schreiben vom 05.03.2012 forderte der Beklagte den Kläger zur Senkung seiner Unterkunftskosten auf. Eine Prüfung des Leistungsanspruchs habe ergeben, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung des Klägers in Höhe von 313 Euro monatlicher Kaltmiete für 73 m² Wohnfläche unangemessen seien. Der Beklagte teilte dem Kläger darüber hinaus mit, dass für ihn und die in seinem Haushalt lebenden Personen eine Kaltmiete von 285 Euro pro Monat angemessen sei, welche sich aus einer maximal zu beanspruchenden Wohnfläche von 50 m² und einem Mietpreis von 5,70 Euro pro Quadratmeter für Wohnraum in … errechne. Die Bemühungen zur Senkung der Kaltmiete solle der Kläger bis spätestens 30.09.2012 belegen und durch Vorlage geeigneter Unterlagen (Zeitungsannoncen, Anzeigenrechnungen, Durchschriften von Schreiben an mögliche Vermieter, Eintragung in die Liste der Wohnungssuchenden usw.) nachweisen. Für den Fall, dass der Kläger nicht zu einer Reduzierung der derzeitigen Unterkunftskosten bereit sei bzw. sein Bemühen bis zum 30.09.2012 nicht glaubwürdig belegen könne, weise der Beklagte darauf hin, dass ab dem 01.10.2012 nur noch angemessene Kaltmietkosten in Höhe des vorstehend ermittelten Betrages bei der Feststellung des Leistungsanspruches berücksichtigt werden könnten.
- 4
Mit Bescheid vom 21.03.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.05.2012 bis zum 31.10.2012. Für den Monat Oktober 2012 bewilligte der Beklagte Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung einer als angemessen angesehenen Kaltmiete von 285 Euro und teilte dies dem Kläger unter Hinweis auf das Schreiben vom 05.03.2012 mit.
- 5
Der Kläger schloss am 26.03.2012 mit Wirkung zum 01.04.2012 einen eigenen Mietvertrag mit der …. mbH & Co. Kg über die bereits bewohnte Wohnung. Die Grundmiete betrug zunächst 313,90 Euro, hinzu kamen 118 Euro Betriebskostenvorauszahlung und 33 Euro für eine Garage. Daneben hatte der Kläger monatliche Abschläge in Höhe von zunächst 75 Euro monatlich an den Energieversorger e… GmbH für Heizgaslieferungen zu entrichten.
- 6
Mit Bescheid vom 03.09.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis zum 31.03.2014 in monatlicher Höhe von 860 Euro. Hierbei berücksichtigte der Beklagte einen Regelbedarf in Höhe von 382 Euro monatlich, einen Bedarf für die Kosten der Kaltmiete in Höhe von monatlich 285 Euro und Bedarfe für Heizkosten in Höhe von 75 Euro sowie weitere Nebenkosten in Höhe von 118 Euro monatlich.
- 7
Mit Schreiben vom 23.09.2013 teilte die Vermieterin des Klägers diesem mit, dass die Kaltmiete ab dem 01.01.2014 auf 335,80 Euro erhöht werde. Die Nebenkostenvorauszahlung verbleibe bei 118 Euro, so dass sich eine neue Gesamtmiete von 453,80 Euro ergebe. Die Vermieterin begründete die Erhöhung damit, dass die Grundmiete seit geraumer Zeit nicht erhöht worden sei. In Folge der allgemeinen Preissteigerungen hätten sich die Kosten für die Verwaltung und Instandhaltung erhöht, so dass auch die Vermieterin die Miete gemäß den gesetzlichen Bestimmungen erhöhen müsse. Die Miete dürfe sich gemäß § 558 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren nicht um mehr als 15 % erhöhen. Gemäß diesen Bestimmungen werde die monatliche Grundmiete für die Wohnung des Klägers von derzeit 4,30 €/m² auf 4,60 €/m² um 0,30 €/m² erhöht. Bei einer Wohnfläche von 73 m² ergebe dies eine monatliche Erhöhung um 21,90 Euro von seither 313,90 Euro auf 335,80 Euro. Dies entspreche einer Erhöhung um 6,98 %.
- 8
Mit Schreiben vom 20.11.2013 setzte der Energielieferant des Klägers im Rahmen der Verbrauchsabrechnung für den Zeitraum vom 05.10.2012 bis zum 30.09.2013 die monatlichen Abschläge ab Dezember 2013 auf 100 Euro fest, wovon 49 Euro auf Strom und 51 Euro auf Gas entfielen. Gleichzeitig forderte er vom Kläger eine Nachzahlung in Höhe von 190,37 Euro.
- 9
Der Kläger setzte den Beklagten am 25.11.2013 von der Mieterhöhung in Kenntnis. Zeitgleich übersandte der Kläger die Verbrauchsabrechnung seines Energielieferanten und beantragte die Übernahme des Nachzahlungsbetrags durch den Beklagten.
- 10
Mit Änderungsbescheid vom 26.11.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 785 Euro und für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 845 Euro monatlich. Hierbei entfielen für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts 382 Euro und auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung 403 Euro, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 jeweils 391 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 454 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung der Änderung teilte der Beklagte mit, dass laut Verbrauchsabrechnung im Monat Dezember 2013 keine Gasrate fällig werde. Somit werde im Dezember 2013 keine Gasrate berücksichtigt. Ab Januar erfolge eine Erhöhung der Regelleistung auf 391 Euro.
- 11
Mit einem weiteren Bescheid vom 26.11.2013 lehnte der Beklagte die Übernahme der Nachzahlung ab. Zur Begründung teilte er mit, dass die bereits berücksichtigten Gaskosten den tatsächlichen Gaskosten gegenübergestellt worden seien. Hieraus ergebe sich kein Nachzahlungsbetrag.
- 12
Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 26.11.2013 hob der Beklagte den Bescheid vom gleichen Tag teilweise auf und bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 Arbeitslosengeld II in Höhe von 836 Euro, wobei 382 Euro auf den Regelbedarf und 454 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung entfielen. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass die neue monatliche Gasrate von 51 Euro berücksichtigt werde. Für den Monat Dezember 2013 würden die Leistungen auf Grund einer Aufrechnung bzw. Tilgung in Höhe von 60 Euro an die Zentralkasse der Bundesagentur für Arbeit geleistet, in Höhe von 464,90 Euro an die Vermieterin des Klägers und in Höhe von 311,10 Euro an den Kläger selbst.
- 13
Gegen "den Änderungsbescheid vom 26.11.2013" erhob der Kläger mit Schreiben vom 29.11.2013, eingegangen beim Beklagten am 02.12.2013, Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er sich schon seit zwei Jahren um eine günstige Zweizimmerwohnung bemühe, dies auf dem privaten Wohnungsmarkt aber unter 350 bis 390 Euro überhaupt nicht möglich sei. Auch bei der ... habe er sich vormerken lassen, dort seien schon 500 bis 550 Suchende vorgemerkt. Weiterhin mache er darauf aufmerksam, dass er einen gesetzlichen Anspruch auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 382 Euro bzw. 391 Euro monatlich habe, den er in den letzten Jahren nie gehabt habe, weil er immer wieder Darlehensbeträge an die Zentralkasse habe zurückzahlen müssen.
- 14
Mit Bescheid vom 17.12.2013 bewilligte ... dem Kläger eine bis zum 30.11.2015 befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe eines Zahlbetrags von monatlich 573,24 Euro ab dem 01.02.2014 nach Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen am 23.07.2013. Der Beklagte erhielt hierüber im Zuge der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs am 23.12.2013 eine Mitteilung durch die ....
- 15
Mit Änderungsbescheid vom 06.01.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 836,50 Euro und für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 845,50 Euro monatlich. Hierbei entfielen für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 382 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 454,50 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 jeweils 391 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 454,50 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass sich der geringfügig geänderte Betrag aus einem neuen schlüssigen Konzept ergebe. Dieser Bescheid wurde laut Aktenvermerk "an RA gesendet".
- 16
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2014 (Az. W-52704-00887/13) wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 26.11.2013 zurück. Der Kläger sei bereits mit Schreiben vom 05.03.2012 darauf aufmerksam gemacht worden, dass seine Unterkunftskosten aus beihilferechtlicher Sicht unangemessen seien und nicht dauerhaft übernommen werden könnten. Er sei dazu aufgefordert worden, sich um Anmietung kostengünstigeren Wohnraums zu bemühen oder seine Unterkunftskosten auf andere Art zu reduzieren. Nachweise für Bemühungen um Kostensenkung seien nicht vorgelegt worden. Ab dem 01.10.2012 sei die Kaltmiete des Klägers bei der Ermittlung des Bedarfs mit 285 Euro berücksichtigt worden.
- 17
Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen seien. Soweit die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang überstiegen, seien sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, durch Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Wohnung des Klägers sei nicht kostenangemessen. Zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten sei ein schlüssiges Konzept erarbeitet worden. Die Verbandsgemeinden und Städte im Zuständigkeitsbereich des Beklagten seien nach den Kriterien Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, zu versteuerndem Einkommen pro Steuerpflichtigem, Siedlungsstruktur, Neubautätigkeit, Bodenpreis und Zentralität in drei Cluster eingeteilt worden. … gehöre auf Grund der durchschnittlichen Bevölkerungsentwicklung und Zentralität, überdurchschnittlichen Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur und Bodenpreise, unterdurchschnittlichem Pro-Kopf-Einkommen und unterdurchschnittlicher Neubautätigkeit ebenso wie die Stadt … dem Wohnungsmarkttyp I an. Die Bestandsmieten für Wohnungen in allen Verbandsgemeinden und Städten aller drei Wohnungsmarkttypen seien durch Anfragen bei großen Vermietern und 2.000 stichprobenartigen Anschreiben an kleine Vermieter erhoben worden. Von den Anfragen an kleine Vermieter seien 750 auf den Wohnungsmarkttyp II entfallen. Von den rund 54.500 Mietwohnungen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten seien für 779 plausible und relevante Werte ermittelt worden, von denen nach Kappung der Extremwerte 728 in die weitere Auswertung einbezogen worden seien. Für alle Wohnungsgrößengruppen in allen Wohnmarkttypen seien mindestens 20 gültige Mietwerte erhoben worden. Für den Wohnungsmarkt u.a. der Stadt … habe sich nach alldem in der 40-%-Perzentile eine durchschnittliche Nettokaltmiete für Wohnungen der hier interessierenden Größe von bis zu 50 m² von 5,70 Euro/m² bzw. bei einer Wohnungsgröße von 50 m² eine Nettokaltmiete von 285,50 Euro ergeben. Der Anteil der Bedarfsgemeinschaften betrage im gesamten Zuständigkeitsbereich des Beklagten ca. 4,5 % an allen Haushalten, der Anteil der einkommensschwachen Haushalte betrage ca. 8 %. Durch Berücksichtigung der 40 %-Perzentile werde vor diesem Hintergrund eine Ghettobildung vermieden und die Versorgung der Bedarfsgemeinschaften und Niedriglohnempfänger mit kostenangemessenem Wohnraum sichergestellt.
- 18
Die Vorlage einer Reihe von Wohnungsangeboten aus dem Internetangebot von www.immobilien-scout24.de sei nicht geeignet, die Angemessenheit einer Unterkunft zu begründen. Die Vorlage diverser Wohnungsanzeigen belege ebenfalls nicht ausreichende Eigenbemühungen zur Senkung der Unterkunftskosten. Es bestehe auch nicht ausnahmsweise ein Anspruch auf Zusicherung der Übernahme höherer als angemessener Kosten. Insbesondere seien keine Tatsachen erkennbar, die den sicheren Rückschluss darauf zuließen, dass der Kläger die Wohnung in absehbarer Zeit aus eigenen Mitteln werde finanzieren können. Auch aus sonstigen Gründen sei ein Ausscheiden aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II nicht absehbar. Die weiteren Unterkunftskosten, nämlich Heiz- und Betriebskosten, seien in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden.
- 19
Der Widerspruchsbescheid wurde laut Aktenvermerk am 10.01.2014 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen.
- 20
Gegen den Änderungsbescheid vom 06.01.2014 erhob der Kläger mit Schreiben vom 13.01.2014 Widerspruch (Eingang beim Beklagten am 14.01.2014).
- 21
Mit Änderungsbescheid vom 15.01.2014 hob der Beklagte den Bescheid vom 06.01.2014 teilweise auf und bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 nur noch einen Betrag von 302,26 Euro (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) monatlich. Zur Begründung teilte er mit, dass die von der ... gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 543,24 Euro monatlich als Einkommen berücksichtigt werde. Die Entscheidung beruhe auf § 48 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II. Die Entscheidung vom 06.01.2014 sei mit Wirkung für die Zukunft im Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 teilweise aufzuheben, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei.
- 22
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2014 (Az. W-52704-00027/14) verwarf der Beklagte den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 06.01.2014 als unzulässig. Der Bescheid vom 06.01.2014 sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens W-52704-00887/13 geworden und könne nicht in einem weiteren neuen Widerspruchsverfahren isoliert angefochten werden.
- 23
Am 17.01.2014 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 600 Euro mit monatlicher Tilgung von 30 Euro ab März 2014. Der Kläger begründete den Antrag damit, dass er seine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erst Ende Februar 2014 erhalte und deshalb nicht in der Lage sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
- 24
Mit Bescheid vom 24.01.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger das beantragte Darlehen über 600 Euro gegen monatliche Tilgungsraten von 30 Euro ab dem 01.02.2014, die gegen die laufenden Leistungen aufgerechnet werden sollten.
- 25
Mit Schreiben vom 26.01.2014 (Eingang beim Beklagten am 27.01.2014) erhob der Kläger Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 15.01.2014. Zur Begründung teilte er mit, dass für Versicherungen nur ein Pauschalbetrag von 30 Euro berücksichtigt worden sei. Tatsächlich habe er Beträge für Versicherungen in Höhe von 35,19 Euro monatlich zu zahlen (Hausratversicherung: 5,01 Euro, Haftpflichtversicherung: 8,01 Euro, Glasversicherung: 3,20 Euro, Kfz-Haftpflichtversicherung: 18,97 Euro). Der Kläger legte Nachweise hierfür vor.
- 26
Mit Änderungsbescheid vom 30.01.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 321,23 Euro monatlich (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) und hob den Änderungsbescheid vom 15.01.2014 insoweit auf. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass auf Grund der Berücksichtigung der Kfz-Haftpflichtversicherung als Absetzungsbetrag für den genannten Zeitraum 18,97 Euro monatlich mehr als bisher bewilligt würden.
- 27
Der Kläger hat am 10.02.2014 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass es sich bei seiner Wohnung um eine angemessene Wohnung handele. Unabhängig davon bemühe er sich schon seit zwei Jahren um eine noch günstigere Wohnung. Die Mietpreise beliefen sich auf dem privaten Wohnungsmarkt jedoch zwischen 350 Euro und 390 Euro. Ferner habe er sich bei der … & Co. KG für eine Zweizimmerwohnung vormerken lassen. Zu beachten sei jedoch, dass bereits etwa 500 bis 550 Suchende vorgemerkt seien. Im Übrigen sei ihm ein Umzug auch subjektiv nicht zumutbar, jedenfalls nicht in eine beliebige Wohnung. Er leide an Asthma und Atemnot. Ferner habe er gesundheitliche Probleme am rechten Bein. Dort klemme sich ein Nerv in die Leiste ein, insbesondere bei Belastung des Beins. Daneben bestünden Schwerhörigkeit und Gleichgewichtsstörungen. Er beziehe daher seit Februar 2014 ein Erwerbsunfähigkeitsrente, die vorerst befristet sei. Auf Grund seines gesundheitlichen Zustands könne er einen Umzug derzeit auch nicht selbst durchführen. Er sei nicht belastbar. Die Umzugskosten müssten ebenfalls vom Beklagten getragen werden. Auch die Möbel seien nicht umzugsfähig, so dass er sich auch diesbezüglich an den Beklagten wenden müsste. Ein Umzug wäre daher insgesamt unwirtschaftlich.
- 28
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2014 (W-52704-00074/14) verwarf der Beklagte den Widerspruch vom 26.01.2014 gegen den Bescheid vom 15.01.2014 als unzulässig. Der Bescheid vom 15.01.2014 sei Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden und könne nicht in einem weiteren neuen Widerspruchsverfahren isoliert angefochten werden.
- 29
Mit Bescheid vom 25.02.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.04.2014 bis zum 30.09.2014.
- 30
Mit Änderungsbescheid vom 26.03.2014 hob der Beklagte die Bescheide vom 26.11.2013, 06.01.2014, 15.01.2014 und 30.01.2014 teilweise auf und bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 840,72 Euro, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 in Höhe von 849,72 Euro und für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 325,45 Euro monatlich. Hierbei entfielen für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 382 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 458,72 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 391 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 458,72 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung sowie für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 325,45 Euro ausschließlich auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass Beheizung und Wassererwärmung über eine Kombigastherme erfolgten und deshalb zusätzliche Heizkosten anerkannt würden. Der Beklagte schlüsselte die auf die Unterkunfts- und Heizungskosten entfallenden Bedarfspositionen wie folgt auf: Grundmiete 285,50 Euro, Heizung 51,00 Euro, Nebenkosten 118,00 Euro, zusätzliche Stromkosten Heizung 4,22 Euro.
- 31
Im Laufe des Klageverfahrens hat der Kläger seinen Vortrag dahingehend erweitert, dass die Berücksichtigung eines Betrags von 4,22 Euro an Stromkosten im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung für den Betrieb der Gastherme und der Zeitschaltuhr nicht ausreichend sei. Die Gastherme sei für die Warmwasseraufbereitung ganzjährig in Betriebsbereitschaft, im Heizungsbetrieb laufe sie für sechs bis sieben Monate im Jahr. Die Zeitschaltuhr laufe das ganze Jahr über. Mit Strom versorgt würden die elektronische Steuerung der Therme, die Heizungsumwälzungspumpe, die elektronische Zündung und die Zeitschaltuhr.
- 32
Dem Kläger entstünden auch erhebliche Mehrkosten für die Lebensführung und Ernährung auf Grund seines im März 2014 erstdiagnostizierten Diabetes mellitus Typ II.
- 33
Der Kläger beantragt,
- 34
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 26.11.2013 und 06.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15.01.2014, 30.01.2014 und 26.03.2014 zu verurteilen, dem Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ab dem 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu bewilligen und zu zahlen.
- 35
Der Beklagte beantragt,
- 36
die Klage abzuweisen.
- 37
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Darüber hinaus weist der Beklagte auf die Kostensenkungsaufforderung vom 05.03.2012 hin und äußert die Auffassung, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers keinen erhöhten Wohnflächenbedarf begründeten. Auch sei eine Kostensenkung durch Umzug nicht unwirtschaftlich. Im Übrigen sei § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II nicht drittschützend.
- 38
Der Beklagte hat dem Gericht ein "Schlüssiges Konzept zur Ermittlung der KdU-Kosten im …" vorgelegt. Dieses Konzept wurde von der Firma ...), im Juni 2013 erstellt. Zur Erstellung des Konzeptes hat … in einem ersten Schritt Wohnungsmarkttypen zur regionalen Differenzierung des Kreisgebiets gebildet, in einem zweiten Schritt eine (nach eigenen Angaben) repräsentative Erhebung von Bestandsmieten durchgeführt, in einem dritten Schritt aktuelle Bestandsmieten erhoben und abschließend regionalisierte Mietpreisobergrenzen unter Einbeziehung von Bestands- und Angebotsmieten "ermittelt". Das Konzept sieht eine Aufteilung des Kreisgebietes in drei Wohnungsmarkttypen vor, für die jeweils eigene Mietobergrenzen gelten sollen. Der Wohnungsmarkttyp I umfasst die Städte … und …, der Wohnungsmarkttyp II die Verbandsgemeinden … und W… und der Wohnungsmarkttyp III die Verbandsgemeinden …. Diese Wohnungsmarkttypen wurden mittels einer Clusteranalyse auf Basis verschiedener Indikatoren (Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur, Pro-Kopf-Einkommen, Neubautätigkeit, Bodenpreis, Zentralität) gebildet. ... erhob sodann Daten von Bestands- und Angebotsmieten und wertete diese bezogen auf Wohnungsmarkttypen und Wohnflächenklassen aus. Das Konzept sieht im Ergebnis eine Angemessenheitsgrenze für die Nettokaltmiete in Höhe von 285,50 Euro für Einpersonenhaushalte im Wohnort des Klägers … vor.
- 39
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte einschließlich des von … erstellten Konzeptes und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (zwei Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
- 40
Der Rechtsstreit ist gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) auszusetzen und es ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber einzuholen, ob die §§ 19 Abs. 1, 19 Abs. 3 S. 1, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBl. I Nr. 23, S. 868) insoweit mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sind, als die für die Höhe der Grundsicherungsleistungen maßgeblichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung lediglich in Höhe eines als "angemessen" bezeichneten Teils der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden.
- 41
Der Befund der Verfassungswidrigkeit basiert auf der Überzeugung der Kammer, dass es dem Gesetzgeber verwehrt ist, die Höhe des Anspruchs auf Leistungen zur Existenzsicherung im Bereich der Unterkunftsbedarfe ausschließlich unter Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ zu begrenzen (vgl. auch die bereits anhängigen Urteilsverfassungsbeschwerden 1 BvR 617/14 und 1 BvR 944/14).
- 42
Nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG (konkrete Normenkontrolle) hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG ist zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.11.2014 - 2 BvL 2/11 - Rn. 5 - alle Gerichtsentscheidungen zitiert nach juris, wenn nicht anders angegeben). Die Voraussetzungen für ein konkretes Normenkontrollverfahren sind vorliegend erfüllt.
I.
- 43
Die Zuständigkeit des BVerfG ist gegeben, da das vorlegende Gericht ein Bundesgesetz für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar hält (Art. 100 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG).
II.
- 44
Die vorlegende Kammer ist als Spruchkörper des Sozialgerichts Mainz ein vorlageberechtigtes Gericht im Sinne des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG.
III.
- 45
Bei der als verfassungswidrig gerügten Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II handelt es sich um ein formelles, nachkonstitutionelles Bundesgesetz. Somit liegt ein vorlagefähiger Gegenstand vor.
IV.
- 46
Die Kammer ist von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt.
- 47
Der für die Höhe der zu berücksichtigenden Unterkunftsbedarfe - abgesehen von der Beschränkung auf die tatsächlichen Aufwendungen - nach dem Gesetz allein maßgebliche Begriff der "Angemessenheit" verfügt nicht über eine hinreichende Aussagekraft, um den aus dem Demokratieprinzip resultierenden Bestimmtheitserfordernissen einer gesetzgeberischen Gestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) zu genügen. Aus diesem Grund ist auch eine verfassungsrechtliche Überprüfung des Gesetzes im Wege der Evidenzkontrolle hinsichtlich der Wahrung des Existenzminimums (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 141 und Rn. 151 ff.) von vornherein ausgeschlossen. Für eine Prüfung der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 142 ff. und Rn. 159 ff.) fehlt es gleichfalls an einem hinreichend bestimmten gesetzlichen Anspruch als Bezugspunkt. Die diesbezüglich durch das BVerfG entwickelten Minimalanforderungen sind schon deshalb nicht gewahrt, weil der Gesetzgeber bezogen auf Unterkunftsbedarfe das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, nicht in einer Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben und weder ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt noch die hierfür erforderlichen Tatsachen ermittelt hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 143).
- 48
Die Kammer hat sich mit der Frage der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II einschließlich der Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung und der zu dieser Thematik veröffentlichten Rechtsprechung und Literatur ausführlich auseinandergesetzt.
- 49
Der Begriff der Angemessenheit im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II wurde durch Rechtsprechung und Literatur in zahlreichen Entscheidungen und Beiträgen konkretisiert, wobei nach Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung bzw. einer möglichen verfassungskonformen Auslegung thematisiert wurde.
- 50
1. Die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) haben ihre Rechtsprechung zur Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zunächst weitgehend ohne ausdrückliche Anbindung an verfassungsrechtliche Fragestellungen (vgl. aber BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R - Rn. 15) entwickelt und sich hierbei an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG) orientiert (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 17). Das BSG hat den Begriff der "Angemessenheit" des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bis zum Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert (u.a. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 17 ff.; BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 24 ff.; BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 34/06 R; BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 44/06 R; BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R) und hierbei die Anforderungen an die zur Entscheidung berufenen Leistungsträger und Tatsachengerichte allmählich verfeinert (vgl. Berlit, info also 2010, S. 195; umfassende Darstellungen auch bei Boerner in: Löns/Herold-Tews, SGB II, § 22 Rn. 6 ff., 3. Auflage 2011; Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 44 ff., 5. Auflage 2013; Lauterbach in: Gagel SGB II / SGB III, § 22 SGB II Rn. 33 ff., 55. Ergänzungslieferung 2014; Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 65 ff., 3. Auflage 2012, Stand: 01.12.2014; Wiemer, NZS 2012, S. 9 ff.).
- 51
1.1 Das BSG geht demnach davon aus, dass § 22 SGB II mit seinen tatbestandlichen Voraussetzungen an die sozialhilferechtlichen Regelungen anknüpfe (BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - Rn. 15).
- 52
Es ist darüber hinaus der Auffassung, der Begriff der "Angemessenheit" unterliege als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 21 ff.). Ein Beurteilungsspielraum sei dem Leistungsträger nicht zuzubilligen. Folgerichtig hat das BSG in den beiden Urteilen, die zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs. 1 S. 1 2. Hs. SGB II bisher ergangen sind und (anders als alle anderen etwa 40 Entscheidungen) nicht zu einer Zurückverweisung an die Tatsacheninstanz führten, nicht die ursprüngliche Konzeption des Leistungsträgers auf deren Schlüssigkeit, sondern die Verifikation der Angemessenheitsgrenzen anhand eigener Ermittlungen und Wertungen durch die Tatsacheninstanzen geprüft (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 24 ff.; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 26 und Rn. 28).
- 53
Der Begriff der Angemessenheit soll nach dem BSG in einem mehrstufigen Verfahren weiter konkretisiert werden, wonach in einem ersten Schritt eine abstrakt angemessene Wohnungsgröße und ein angemessener Wohnungsstandard festzustellen, in einem zweiten Schritt ein räumlicher Vergleichsmaßstab zu bilden, in einem weiteren Schritt mit Hilfe eines "schlüssigen Konzepts" des Leistungsträgers die Höhe der Kosten für eine angemessene Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt zu ermitteln und abschließend zu prüfen sei, ob eine abstrakt angemessene Wohnung durch den Hilfesuchenden konkret hätte angemietet werden können (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 22; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - Rn. 14). Im Streitfall sei das der Bestimmung der Kosten zu Grunde liegende Konzept von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und gegebenenfalls ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 16).
- 54
Die angemessene Wohnfläche bestimmt das BSG bezogen auf die Anzahl der Personen in der Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 - Rn. 21) anhand der Verwaltungsvorschriften zur Förderungsfähigkeit im sozialen Wohnungsbau, die die Länder nach § 10 WoFG als Förderhöchstgrenze festsetzen dürfen. Dies führt teilweise zu Abweichungen bezüglich der als angemessen angesehenen Wohnfläche zwischen den Bundesländern (vgl. zu Einpersonenhaushalten: BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 21 - Baden-Württemberg; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R - Rn. 20 - Bremen; BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R - Rn. 17 - Nordrhein-Westfalen; Übersicht bei Boerner in: Löns/Herold-Tews, SGB II, § 22 Rn. 25, 3. Auflage 2011).
- 55
Zur Abgrenzung des räumlichen Vergleichsmaßstabs ist nach der Rechtsprechung des BSG ein "Vergleichsraum" zu bilden, der Bezugspunkt für die Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt und für den als angemessen anzunehmenden Quadratmetermietpreis sein soll. Mit dem Vergleichsraum soll beschrieben werden, welche ausreichend großen Räume der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 21). Bei kreisfreien Städten hat das BSG bislang in jedem entscheidungserheblichen Fall angenommen, dass der Vergleichsraum mit dem Stadtgebiet identisch sei (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 18 - Berlin - einerseits und BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R - Rn. 25 - Zweibrücken - andererseits).
- 56
Der angemessene Wohnungsstandard wird durch das BSG dahingehend weiter konkretisiert, dass lediglich ein einfacher und im unteren Marktsegment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung vorliegen solle (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 24), bzw. dass die Aufwendungen für die Wohnung nur dann angemessen seien, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genüge und keinen gehobenen Wohnstandard aufweise und es sich um eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt handle (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 14). Dieser Wohnstandard solle sich im Quadratmetermietpreis niederschlagen, welcher gemeinsam mit der angemessenen Wohnungsgröße einen der beiden Faktoren für die abstrakte Angemessenheitsgrenze bilde (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 17). Die "Ermittlung" des angemessenen Quadratmetermietpreises ist der eigentliche Gegenstand der Rechtsprechung zum "schlüssigen Konzept" (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 17 ff.). Hierdurch soll unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln innerhalb eines Vergleichsraums gewährleistet werden (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 18).
- 57
Für die konkrete Bestimmung der Angemessenheitsgrenze seien auf Grundlage eines "schlüssigen Konzepts" Daten über den örtlichen Wohnungsmarkt zu erheben. Ein qualifizierter Mietspiegel könne hierfür die Grundlage sein. Hierbei stellt das BSG zahlreiche qualitative Anforderungen auf und verlangt "Angaben über die gezogenen Schlüsse". Unter dem "schlüssigen Konzept" versteht das BSG ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 19). Schlüssig sei das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfülle (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 19):
- 58
Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
- 59
es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete
, Differenzierung nach Wohnungsgröße,
Angaben über den Beobachtungszeitraum,
Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
Validität der Datenerhebung,
Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)."
- 60
Die Verwaltung sei mangels normativer Vorgaben durch den Gesetz- und Verordnungsgeber nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 20). Ein schlüssiges Konzept, welches vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen habe, müsse grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 21).
- 61
Das Produkt aus angemessenem Quadratmetermietpreis und angemessener Wohnungsgröße ergebe die für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten maßgebliche Mietobergrenze (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 20).
- 62
Für den Fall, dass ein schlüssiges Konzept für den festgelegten Vergleichsraum nicht erarbeitet werden könne, seien grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese würden dann für den streitigen Zeitraum durch die Tabellenwerte aus § 8 Abs. 1 Wohngeldgesetz (WoGG) in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (rechte Spalte) bzw. § 12 Abs. 1 WoGG in den ab dem 01.01.2009 geltenden Fassungen zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 24; BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - Rn. 19).
- 63
1.2 Das Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) wurde in den seither ergangenen Entscheidungen des BSG zur Frage der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung zunächst nicht rezipiert (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 74/08 R; BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 15/09 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R; BSG, Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 32/09 R; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 85/09 R; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 86/09 R; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R; BSG, Urteil vom 23.08.2011 - B 14 AS 91/10 R; BSG, Urteil vom 06.10.2011 - B 14 AS 131/10 R; BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R; BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R; BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R; BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R; BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 61/12 R; BSG, Urteil vom 16.04.2013 - B 14 AS 28/12 R; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 4/13 R; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R; BSG, Urteil vom 06.08.2014 - B 4 AS 37/13 R). Erwähnung (ohne inhaltliche Auseinandersetzung) fand es lediglich im Urteil des 14. Senats vom 13.04.2011 (B 14 AS 106/10 R - Rn. 40). Dies hat sich erst in jüngerer Zeit geändert, zuerst in Bezug auf Heizkosten (BSG, Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R - Rn. 21), dann im Zusammenhang mit Satzungen, die auf Grund landesrechtlicher Ermächtigungen nach den §§ 22a bis 22c SGB II erlassen wurden (BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 30, 33 und 34 ff.; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 53/13 R - Rn. 38).
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Die Frage, ob § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II bzw. die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar ist, hat das BSG bislang in Urteilen nicht thematisiert. Allerdings haben beide derzeit zuständigen Senate des BSG in mehreren Fällen Nichtzulassungsbeschwerden als unzulässig verworfen, die auf eine Klärung dieser Rechtsfragen abzielten (BSG, Beschluss vom 10.01.2014 - B 4 AS 379/13 B - BeckRS 2014, 65972; BSG, Beschluss vom 10.01.2014 - B 4 AS 382/13 B - BeckRS 2014, 65975; BSG, Beschluss vom 10.01.2014 - B 4 AS 383/13 B - BeckRS 2014, 65976; BSG, Beschluss vom 27.01.2014 - B 14 AS 317/13 B - BeckRS 2014, 66500; BSG, Beschluss vom 27.01.2014 - B 14 AS 318/13 B - BeckRS 2014, 66877; BSG, Beschluss vom 17.02.2014 - B 14 AS 355/13 B - BeckRS 2014, 66962; BSG, Beschluss vom 07.04.2014 - B 14 AS 311/13 B).
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Den Entscheidungen des BSG und den Verlautbarungen von den Grundsicherungssenaten des BSG angehörigen Richterinnen in Literaturbeiträgen (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R - Rn. 21; BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 33; Knickrehm, NZM 2013. S. 602 ff.; dies., SozSich 2010, S. 193; dies., jM 2014, S. 339; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, S. 144 ff.) lässt sich jedoch entnehmen, dass sich das BSG der Grundrechtsrelevanz des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bewusst ist und die eigene Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs für verfassungskonform im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG hält. Dies wird letztendlich damit begründet, dass mit den vom BSG an die Verwaltung und die Instanzrechtsprechung gerichteten Vorgaben zur Entwicklung schlüssiger Konzepte zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten den Rationalitäts- und Transparenzanforderungen des BVerfG Rechnung getragen werden könne (vgl. Knickrehm, jM 2014, S. 340). Mit Fragen der demokratischen Legitimation hat sich das BSG bislang ausschließlich im Zusammenhang mit den Satzungsermächtigungsregelungen der §§ 22a bis 22c SGB II befasst (BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 34 ff.; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 53/13 R - Rn. 38).
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Das Problem der mangelnden Bestimmtheit des Angemessenheitsbegriffs thematisiert das BSG im Zusammenhang mit der Frage, ob der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum einzuräumen ist (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 24), jedoch nicht im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.
- 67
2. Der für das Sozialhilferecht (SGB XII) zuständige 8. Senat des BSG hat sich der Rechtsprechung der für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zuständigen Senate in Bezug auf die Parallelvorschrift des § 29 Abs. 1 S. 3 SGB XII a.F. (inzwischen ersetzt durch § 35 Abs. 2 S. 2 SGB XII n.F.) angeschlossen (BSG, Urteil vom 23.03.2010 - B 8 SO 24/08 R - Rn. 14 ff.).
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3. Einige Sozialgerichte haben die Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" als nicht vereinbar mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs.1 GG, wie es im Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) näher bestimmt worden ist, angesehen, jedoch eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II für möglich gehalten.
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3.1 Die 17. Kammer des SG Mainz vertrat mit Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) und in weiteren Entscheidungen (Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 751/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13; Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12; zur Parallelregelung in § 35 Abs. 2 S. 2 SGB XII: Urteil vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11) die Auffassung, dass die Rechtsprechung des BSG zur Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstoße, die Regelung als solche jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich sei.
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Der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete "unbestimmte Rechtsbegriff" der "Angemessenheit", welcher der alleinige normtextliche Anknüpfungspunkt für die Beschränkung der Übernahme der Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sei, genüge den im Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) durch das BVerfG gestellten Anforderungen nicht. Indem das BSG in Fortführung der Rechtsprechung des BVerwG zum Sozialhilferecht den Angemessenheitsbegriff ausgehend von einem einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnstandard im Sinne einer allgemein anzuwendenden Mietobergrenze konkretisiere, bestimme es den Umfang der zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen im Wesentlichen selbst bzw. gebe der Verwaltung die Rahmenbedingungen hierfür vor. Dies betreffe den vom Existenzminimum umfassten Unterkunftsbedarf unmittelbar und - wenn nicht die vollen Unterkunftskosten übernommen würden - mittelbar auch die durch die Regelbedarfspauschale gedeckten Kosten. Das BSG verwende den Angemessenheitsbegriff somit als normtextlichen Ausgangspunkt und Rechtfertigungsgrund für die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums. Auf Grund seiner Entstehungsgeschichte und seiner Unbestimmtheit sei der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hierzu angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht geeignet (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 68).
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Der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II selbst sei jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Dass der Gesetzgeber die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung ausdrücklich unter einen Angemessenheitsvorbehalt stelle, dürfe hierbei nicht zum Zwecke der Erhaltung eines verfassungsgemäßen Zustands übergangen, sondern müsse einer Konkretisierung zugeführt werden, welche dem Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums mit seinen prozeduralen Implikationen nicht widerspreche (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 86). Eine verfassungskonforme Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs setze daher voraus, dass sie mit Wortlaut und Systematik des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II vereinbar sei. Dazu müsse berücksichtigt werden, dass der Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber zur Bestimmung des Umfangs des Anspruchs auf das unterkunftsbezogene Existenzminimum nicht unterlaufen werde. Demzufolge müsse der Angemessenheitsbegriff so konkretisiert werden, dass er eine andere Funktion einnehme als die der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums. Im semantischen und systematischen Kontext habe der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II dennoch eine Begrenzungsfunktion, die jenseits (im Sinne von oberhalb) des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums für die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums liegen müsse. Da dem Gesetzgeber in dem Bereich, der über die physische Existenzsicherung hinausgehe, ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe, könne die Angemessenheitsgrenze funktionell nur im Sinne der Missbrauchsverhütung verstanden werden. Eine sinnvolle und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Funktion des Angemessenheitsbegriffs könne demzufolge sein, die staatliche Leistungspflicht nur in Einzelfällen zu begrenzen, in denen Leistungsberechtigte hinsichtlich ihrer Unterkunft erkennbar über den ortsüblichen Verhältnissen lebten (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 87).
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Die Kammer konkretisiere den Angemessenheitsbegriff daher in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum lägen (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 84).
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3.2 Die 20. Kammer des SG Leipzig kommt im Urteil vom 15.02.2013 (S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.; bestätigt im Urteil vom 16.12.2013 - S 20 AS 879/11 - Rn. 72) zu einem ähnlichen Ergebnis. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es sei weder Aufgabe der Verwaltung noch der Rechtsprechung, die Höhe bzw. den Umfang des sich aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ergebenden Leistungsanspruchs zu bestimmen. Dies sei allein Sache des Gesetzgebers und zwar, da es sich beim SGB II um Bundesrecht handele, primär des Bundesgesetzgebers. Denn auch die Leistungen für Unterkunft und Heizung gehörten mit zum existenznotwendigen Bedarf. Die derzeit geltende Regelung sei jedoch als gesetzliche Grundlage für einen individuellen Sozialleistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge gerade nicht hinreichend bestimmt. Denn ließen sich angemessene Kosten ebenso einfach und klar bestimmen wie tatsächliche Kosten, gäbe es nicht schon seit Jahren die andauernde Flut von Rechtsstreitigkeiten um die von den Leistungsträgern anzuerkennenden Unterkunftskosten. Durch die Satzungslösung (§§ 22a bis 22c SGB II) sei bislang noch keine Abhilfe geschaffen. Die eigentliche Problemlösung, die Konkretisierung des sich aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ergebenden Anspruchs, sei nur verschoben, nämlich auf die nachgeordneten Gesetzgebungsinstanzen, die Länder und Kommunen. Ob auch sie als „der Gesetzgeber“ im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010 anzusehen seien, könne dahinstehen. Bis zum Vorliegen eines vom BVerfG geforderten, hinreichend konkreten Gesetzes zum existenznotwendigen Unterkunftsbedarf stelle sich für die Rechtsprechung und Verwaltung nur die Frage, ob und gegebenenfalls wie § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verfassungskonform ausgelegt werden könne. Eine verfassungskonforme Interpretation sei aus Sicht der Kammer möglich. Denn die Regelung erscheine nicht insgesamt verfassungswidrig. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sei nicht völlig unklar bzw. unbestimmt. Die Vorschrift werde es nur durch den angehängten zweiten Halbsatz. Erst dieser stelle den sich aus dem ersten Halbsatz zunächst eindeutig ergebenden Leistungsanspruch wieder in Frage. Die Kammer lege die Vorschrift so aus, dass vorrangig der Teil maßgeblich sei, der den verfassungsrechtlichen Vorgaben genüge. Das sei der erste Halbsatz, der auf die tatsächlichen Kosten abstelle. Der verbleibende Teil, der defizitäre zweite Halbsatz, sei lediglich in Ausnahmefällen heranzuziehen. Er könne vorläufig nur als eine Art Korrektiv dienen, nämlich dann, wenn die Unterkunftsverhältnisse bzw. -kosten in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen des Alg-II-Empfängers stünden. Bewegten sich die Unterkunftsverhältnisse bzw. -kosten hingegen im gewöhnlichen, d.h. durchschnittlichen Rahmen, seien sie vollständig zu übernehmen.
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3.3 Auch die 20. Kammer des SG Dresden vertritt im Urteil vom 25.01.2013 (S 20 AS 4915/11 - Rn. 26 ff.; offen gelassen hingegen im Urteil vom 07.04.2014 - S 20 AS 13/14 - Rn. 31) die Auffassung, dass die Rechtsprechung des BSG mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht vereinbar sei. Sie hält jedoch eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend für möglich, dass als angemessene Unterkunftskosten stets die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 WoGG angesehen werden könnten.
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Zur Begründung ihrer Auffassung führt die Kammer aus, dass die Grenzen der möglichen verfassungskonformen Auslegung überschritten seien, wenn die Rechtsprechung selbst ohne entsprechende Vorgaben durch den Gesetzgeber umfangreiche Anforderungen an eine die Existenzsicherung beschränkende Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffes stelle. Das vom BVerfG geforderte transparente und sachgerechte Verfahren sei nicht eingehalten, wenn der vom Gesetzgeber lediglich vorgegebene unbestimmte Rechtsbegriff „angemessen“ auf Grund von der Rechtsprechung entwickelter Vorgaben von der zuständigen Behörde ausgefüllt werden müsse. Eine Deckelung der (angemessenen) Bedarfe der Unterkunft, die den Vorgaben des BVerfG genüge, könne daher allenfalls auf der Grundlage von §§ 22a bis 22c SGB II erfolgen. Wie problematisch die Rechtsprechung des BSG zum „schlüssigen Konzept“ sich in der Praxis auswirke, könne bereits daraus ersehen werden, dass es bislang soweit ersichtlich bundesweit erst einem Jobcenter gelungen sei, ein „schlüssiges Konzept“ zu erstellen, das vor dem BSG Bestand gehabt habe. Die Rechtsprechung des BSG habe in diesem Kernbereich des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums keinerlei Rechtssicherheit gebracht, sondern vielmehr für einen erheblichen Teil der auf Grundsicherungsleistungen angewiesenen Menschen zu dauerhafter Unsicherheit über einen beträchtlichen Teil der ihnen zustehenden Leistungen geführt. Solange keine den Vorgaben des BVerfG genügende Regelung über die Ermittlung der Angemessenheit der Bedarfe der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zur Verfügung stehe, erscheine es der Kammer angezeigt, in diesem Zusammenhang auf die vom Gesetzgeber in einem dem vom BVerfG verlangten nahekommenden Verfahren errechneten Werte der Tabelle in § 12 Abs. 1 WoGG zurückzugreifen und diese um einen maßvollen Zuschlag von 10 % zu erhöhen.
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4. Es liegen mehrere instanzgerichtliche Entscheidungen vor, die sich kritisch mit der Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in den genannten Entscheidungen der Sozialgerichte Mainz, Leipzig und Dresden befassen und (wie der Großteil der Rechtsprechung im Übrigen) dem Grunde nach der Auffassung des BSG beitreten.
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4.1 Der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41; Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - Rn. 39; dem folgend: SG Karlsruhe Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 53 f.) vertritt in nahezu wörtlicher Anlehnung an Link (in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014) die Auffassung, dass der Gesetzgeber auch im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 und 20 Abs. 1 GG grundsätzlich dazu berechtigt gewesen sei, die Übernahme der Kosten für die Unterkunft und Heizung im Grundsicherungsbereich davon abhängig zu machen, dass diese „angemessen“ seien. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichere nach der Rechtsprechung des BVerfG jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich seien. Die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II biete mit dem eigens hierfür entwickelten schlüssigen Konzept gerade ein - vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 gefordertes - transparentes und sachgerechtes Verfahren, um realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren die Angemessenheit der Kosten für die Unterkunft und Heizung zu ermitteln. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass das BVerfG ausdrücklich betont habe, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zukomme, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasse. Mit Hilfe des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ und der insofern gefestigten Rechtsprechung des BSG würden die Verwaltung und die Gerichte in die Lage versetzt, den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort im Wege einer Einzelfallprüfung Rechnung zu tragen. Damit könnten im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung diejenigen materiellen Voraussetzungen ermittelt werden, die für die physische Existenz des Hilfesuchenden (Grundbedürfnis „Wohnen“) unerlässlich seien. Die vom SG Mainz präferierte „verfassungskonforme Auslegung“ in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum lägen („offenkundiges Missverhältnis“), stelle letztendlich nichts anderes als eine (wenn auch von einem anderen Ausgangspunkt ausgehende) Substitution des schlüssigen Konzepts dar, die jedoch gerade im Hinblick auf das vom BVerfG geforderte transparente, nachvollziehbare und schlüssige Verfahren zur Ermittlung der Bedarfe nicht zu überzeugen vermöge. Denn nach welchen Kriterien und nach welchem Verfahren ermittelt werden solle, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die geltend gemachten Unterkunftskosten „deutlich über den üblichen Unterkunftskosten“ lägen und mithin ein „offenkundiges Missverhältnis“ bestehe, habe das SG Mainz im Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) nicht dargelegt. Vielmehr greife es zur Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse auf einen qualifizierten Mietspiegel zurück, "der jedoch nach der Rechtsprechung des BSG (...) in Ermangelung eines anderen schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete herangezogen" werden könne (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41).
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4.2 Die 49. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 54 ff.; dem folgend: Sächsisches LSG, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12 - Rn. 63 ff.) konstatiert in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung der 17. Kammer des SG Mainz, dass die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nicht einem Parlamentsgesetz vorbehalten sei. Einem solchen unterliege nur die Bestimmung des Existenzminimums. § 22 SGB II gehe über dieses Minimum jedoch deutlich hinaus. Er bestimme, dass die tatsächlichen Kosten bis an die Grenze der Angemessenheit zu ersetzen seien und ziehe damit eine Obergrenze. Das Existenzminimum bedeute dagegen die Bestimmung einer Untergrenze. Die Bestimmung einer zur Wahrung des Existenzminimums im Bereich von Unterkunft und Heizung relevanten Untergrenze käme nur in der Form einer Definition des erforderlichen Wohn- und Heizstandards in Betracht, also der Bestimmung einer Mindestwohnfläche und -ausstattung und des Mindestumfangs des Heizniveaus. Selbst wenn dies bundes- oder landeseinheitlich bestimmt werden könnte, würde dies nicht die zur Wahrung dieses Standards erforderlichen Aufwendungen betreffen, denn diese würden im Gegensatz zum Warenkorb des Regelsatzes nach § 20 SGB II durch die Besonderheiten regionaler Märkte beeinflusst. Dieser Umstand finde in den verschiedenen Mietstufen der Wohngeldtabelle seinen Ausdruck. Zumindest die existenznotwendigen Kosten der Unterkunft könnten weder Bundes- noch Landesgesetzgeber in einer für das gesamte Bundes- oder Landesgebiet hinreichend zuverlässigen und transparenten Weise sachgerecht ermitteln, wie sie das BVerfG für die Ermittlung des Existenzminimums verlange. Weil überdies Ansatzpunkte fehlten, die befürchten ließen, dass der nach der Rechtsprechung des BSG für die Beurteilung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu Grunde zu legende Wohnstandard die aus der Gewährleistung des Existenzminimums herzuleitenden Mindeststandards unterschreiten könnte, könne bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft auf eine formal-gesetzliche Grundlage verzichtet werden. Wäre zur Bestimmung der angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung ein Parlamentsgesetz erforderlich, dessen Zustandekommen den für die Bemessung des Existenzminimums geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müsse, hätte es für den 1. Senat des BVerfG nahe liegen müssen, in seiner Entscheidung über den Regelsatz des Arbeitslosengeldes II gemäß § 78 S. 2 BVerfGG auch § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II als aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären. Dies sei jedoch nicht geschehen. Insofern gehe wohl auch das BVerfG davon aus, dass § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II aus verfassungsrechtlicher Sicht anders zu beurteilen sei und Fragen der Gewährleistung des Existenzminimums nicht unmittelbar aufwerfe.
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4.3 Im Rahmen eines ablehnenden Beschlusses in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren führt der 2. Senat des LSG-Baden-Württemberg (Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 12 ff.) - wohl bezogen auf die Parallelvorschrift des § 35 Abs. 2 S. 2 SGB XII - aus, dass das BSG zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II - wenn auch nicht ausdrücklich - bereits Stellung genommen habe. Das BSG habe bereits im Urteil vom 07.11.2006 (B 7b AS 10/06 R - Rn. 24 u. 28) ausgeführt, § 22 Abs. 1 SGB II gestehe „nur eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt“ sowie einen „einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad“ zu. Diese Rechtsprechung sei fortan fortgeführt worden, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass die Vereinbarkeit des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit mit verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits geprüft worden sei. Dass das BSG in einer zukünftigen Entscheidung hiervon abweichen werde, sei aus derzeitiger Sicht nicht zu erwarten, zumal auch das SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) in seiner Entscheidung weiter mit dem Begriff der Angemessenheit agiere, diesen bzw. die Grenze der Unangemessenheit lediglich anders definiere als das BSG. Insoweit beruhten die Bedenken dann allerdings nicht auf einem Widerspruch zum Parlamentsvorbehalt, sondern moniert werde die konkrete Auslegung des Begriffs der Angemessenheit, die aus Sicht des SG Mainz inhaltlich verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge. Eine Änderung der Rechtsprechung lasse dies nicht erwarten. Darüber hinaus ließen sich der vom SG Mainz zitierten Entscheidung des BVerfG aus Sicht des Senats die angeführten Zweifel auch nicht entnehmen. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass das BVerfG in seinem Urteil vom 09.02.2010 darstelle, mit welchen Leistungen im SGB II „der Gesetzgeber entsprechend den materiellen Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein subsidiäres System sozialer Sicherung des Existenzminimums geschaffen habe“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 147). Bei der Darstellung der verschiedenen Leistungsarten verweise es unmittelbar anschließend auch darauf, „§ 22 Abs. 1 SGB II stell(e) die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148). Damit beziehe es die in § 22 Abs. 1 SGB II getroffene Regelung in den Kreis der Leistungen ein, die der Gesetzgeber in der Verfassung entsprechender Weise durch die Normen des SGB II gewähre. Zum anderen habe das BVerfG bereits im Jahr 2011 zur inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs der „Angemessenheit“ im § 22 Abs. 1 SGB II durch das BSG Stellung bezogen, auf die aus seiner Sicht bereits zu dieser Zeit gefestigte Rechtsprechung des BSG hingewiesen und dessen dreischrittige Prüfung dargestellt (BVerfG, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 BvR 232/11 - Rn. 23 ff). In diesem Zusammenhang werde an keiner Stelle darauf hingewiesen, dass es Zweifel an dem normierten unbestimmten Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ geben könnte, woraus nur geschlossen werden könne, dass das Gericht schon damals von der Verfassungsgemäßheit der Regelung ausgegangen sei.
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Eine Änderung der Rechtsprechung durch das BSG stehe damit nach derzeitigem Stand praktisch außer Zweifel, so dass die aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung habe (LSG-Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 15).
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4.4 Der 2. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 11.03.2014 - L 2 AS 276/14 B ER - Rn. 7) begründet seine Ablehnung der Auffassung des SG Mainz aus dem Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) damit, dass es sich dabei ersichtlich um eine Einzelentscheidung handele, die auch vom BSG nicht geteilt werde.
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4.5 Der 2. Senat des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 104/14 - Rn. 43; Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 3878/11 - Rn. 44; ähnlich bereits SG Karlsruhe, Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 49 ff.) äußert sich weiter dahingehend, dass die vom SG Mainz in seiner Entscheidung vom 08.06.2012 vertretene Auffassung, dass der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete Begriff der „Angemessenheit“ den im Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 aufgestellten Anforderungen nicht genüge, falsch sei. Das BVerfG habe in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG zum so genannten „schlüssigen Konzept“ die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits gebilligt und ausgerechnet in dem vom SG Mainz als Beleg für seine irrige Auffassung angeführten Urteil folgendes ausgeführt: „§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148). Damit sei die Entscheidung des SG Mainz schon im Ansatz unrichtig, wenn sie der Meinung sei, es fehle für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an einer hinreichenden parlamentsgesetzlichen Grundlage und der Bundesgesetzgeber stehe „demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteh(e)“. Das sei, wie das BVerfG klar gestellt habe, bereits in ausreichendem Maße geschehen. Auch in seiner Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 - Rn. 24 f.) habe das BVerfG das schlüssige Konzept des BSG ersichtlich für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Diese Entscheidung scheine dem SG Mainz nicht bekannt gewesen zu sein.
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5. In der Literatur findet eine Auseinandersetzung darüber, ob § 22 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 SGB II verfassungswidrig sein könnte, - anders als in Bezug auf die §§ 22a bis 22 c SGB II (vgl. Putz, SozSich 2011, S. 232 ff.; Berlit in: LPK-SGB II, §22a Rn. 3 ff., 5. Auflage 2013) - bislang kaum statt. In Folge des Urteils des SG Mainz vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) wird allerdings diskutiert, ob die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriff durch das BSG gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstößt.
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5.1 Knickrehm (SozSich 2010, S. 193) stellt fest, dass aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ein Anspruch der Grundrechtsträger auf eine existenzsichernde Leistung nach dem SGB II, die nach den vom BVerfG vorgegebenen Maßstäben zu bestimmen sei, folge. Die Bestimmung müsse mit einer Methode erfolgen, die gewährleiste, dass die existenznotwendigen Aufwendungen realitätsgerecht und nachvollziehbar in einem transparenten und sachgerechten Verfahren ermittelt werden. Diese Vorgaben seien nicht nur bei der Festlegung der Höhe der Regelleistung zu beachten, sondern auch, wenn Leistungen für Unterkunft und Heizung pauschaliert werden sollen. Der Bedarf "Wohnen" sei Teil des physischen Existenzminimums und erfordere daher ebenfalls eine umfassende Deckung. Die Höhe einer Pauschale für das "Wohnen" sei daher realitätsgerecht zu ermitteln, also so zu bestimmen, dass es tatsächlich möglich sei, mit der Leistung angemessenen Wohnraum im bisherigen Umfeld des Hilfebedürftigen - im Sinne der bisherigen Rechtslage - zu mieten. Dieses gelte nicht nur für eine bundeseinheitliche Pauschale. Auch Satzungs- und Verordnungsgeber müssten sich an die vom BVerfG aufgezeigten Maßstäbe halten. Durch das vom BSG entwickelte "schlüssige Konzept" könnten jedoch bereits jetzt und im Rahmen des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Angemessenheit" die Maßstäbe des BVerfG umgesetzt werden. Die Methoden zur Datenerhebung und Datenauswertung für die Bildung einer Pauschale dürften wohl nicht hinter den Anforderungen des schlüssigen Konzepts zurückbleiben.
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5.2 Mutschler (NZS 2011, S. 483 f.) hebt bezogen auf das zum 01.04.2011 in §§ 22a bis 22c SGB II eingeführte Satzungsmodell hervor, dass die Entscheidung des BVerfG zu den Regelsätzen zwar nicht unmittelbar Maßstäbe für die gesetzliche Regelung der Kosten der Unterkunft und Heizung setze, aber unzweifelhaft sei, dass das Grundrecht des Art. 1 Abs. 1 GG auch die Gewährleistung des Existenzminimums hinsichtlich der Grundbedürfnisse Wohnen und Heizen umfasse. Daher sei anzunehmen, dass besondere Begründungsanforderungen auch an die gesetzlichen und untergesetzlichen Normen zu stellen seien, die die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung regelten. Vor diesem Hintergrund gebe es Kritik am Satzungskonzept in dem Sinne, dass konkretere Vorgaben gefordert würden. Vergleiche man die gesetzliche Begründung, die Regelungsdichte und die Begründungspflichten des Satzungsmodells mit derjenigen zu § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, sei jedenfalls festzuhalten, dass die Einzelfallprüfung eher größere Defizite an gesetzlicher Begründung aufweise.
- 86
5.3 Putz (SozSich 2011, S. 233 ff.) vertritt in Bezug auf die Satzungsermächtigung nach § 22a SGB II die Auffassung, dass mit der Wesentlichkeitstheorie eine Auslegung des § 22a Abs. 2 SGB II allenfalls vereinbar wäre, die es dem Satzungsgeber nur gestatten würde, eine Pauschale in Höhe der Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II festzusetzen. Eine den Anforderungen des BVerfG an die Ermittlung dieses Teils des Existenzminimums genügende Methode könne es schon deswegen nicht geben, weil keine Methode denkbar sei, durch welche die nach der Wesentlichkeitstheorie erforderlichen, aber bei der Satzungsermächtigung fehlenden Vorgaben des Bundesgesetzgebers ersetzt werden könnten.
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5.4 Luik (jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; ähnlich ders. in: Eicher, SGB II, § 22 Rn. 6, 3. Auflage 2013) hält die Auffassung der 17. Kammer des SG Mainz für unzutreffend, da eine verfassungsrechtliche Klärung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und der BSG-Rechtsprechung zum schlüssigen Konzept längst erfolgt sei. Für die Annahme von Verfassungswidrigkeit reiche es dann nicht aus, den Erwägungen einer fachgerichtlichen Entscheidung die eigene Sichtweise entgegenzustellen, ohne sich mit der bereits ergangenen Rechtsprechung des BVerfG zu befassen. In Kenntnis der Rechtsprechung des BSG aus 2009 zum „schlüssigen Konzept“ habe das BVerfG die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ausdrücklich mit der Aussage gebilligt, § 22 Abs. 1 SGB II stelle die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher (Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148). Damit sei im Grunde schon alles gesagt, § 22 SGB II und die BSG-Rechtsprechung seien in Karlsruhe „durch“. Im Urteil vom 09.02.2010 sei es nicht nur um die Regelleistung gegangen. Das BVerfG habe auch die „KdU“ mit abgehandelt und dem Bereich des physischen Existenzminimums zugeordnet, mit allen sich verfahrensrechtlich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Erfassung der sozialen Wirklichkeit. Die Erfordernisse der zeit- und realitätsgerechten Bestimmung des Anspruchs einschließlich Transparenz, Folgerichtigkeit und Nachvollziehbarkeit gälten auch für die KdU. Dies sei in der Sache nichts anderes als die vom BSG als schlüssiges Konzept bezeichnete zeit- und realitätsgerechte Erfassung der sozialen Wirklichkeit des lokalen Wohnungsmarkts im jeweiligen Vergleichsraum. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe sei verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich. Dem Bestimmtheitserfordernis sei genügt, wenn Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden könnten. Die Auslegungsbedürftigkeit allein nehme einer Vorschrift nicht die gebotene Bestimmtheit. Es sei gerade die Aufgabe der fachgerichtlichen Rechtsprechung, Auslegungs- und Zweifelsfragen zu klären. Das BVerfG habe in einer Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 - Rn. 24 f.) die fachgerichtliche Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs durch das BSG ausdrücklich gebilligt und für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Dies entspreche ganz der Karlsruher Linie, wonach die Anwendung und Auslegung einfachen Rechts und die Konkretisierung bzw. Anwendungskontrolle unbestimmter Rechtsbegriffe der jeweiligen Fachgerichtsbarkeit obliegen würden.
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5.5 Link (in: jurisPK SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014) kritisiert ebenfalls das Urteil des SG Mainz vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09). Dessen Auffassung überzeuge nicht. Der Gesetzgeber sei auch im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG grundsätzlich berechtigt, die Übernahme der Kosten für die Unterkunft und Heizung im Grundsicherungsbereich davon abhängig zu machen, dass diese „angemessen“ seien. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichere nach der Rechtsprechung des BVerfG jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich seien. Die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II biete mit dem eigens hierfür entwickelten schlüssigen Konzept gerade ein - vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 gefordertes - transparentes und sachgerechtes Verfahren, um realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren die Angemessenheit der Kosten für die Unterkunft und Heizung zu ermitteln. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass das BVerfG ausdrücklich betont habe, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zukomme, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasse. Mit Hilfe des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ und der insofern gefestigten Rechtsprechung des BSG würden die Verwaltung und die Gerichte in die Lage versetzt, den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort im Wege einer Einzelfallprüfung Rechnung zu tragen. Damit könnten im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung diejenigen materiellen Voraussetzungen ermittelt werden, die für die physische Existenz des Hilfesuchenden (Grundbedürfnis „Wohnen“) unerlässlich seien. Die von der 17. Kammer des SG Mainz präferierte „verfassungskonforme Auslegung“ in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum lägen („offenkundiges Missverhältnis“), stelle letztendlich nichts anderes als eine (wenn auch von einem anderen Ausgangspunkt ausgehende) Substitution des schlüssigen Konzepts dar, die jedoch gerade im Hinblick auf das vom BVerfG geforderte transparente, nachvollziehbare und schlüssige Verfahren zur Ermittlung der Bedarfe nicht zu überzeugen vermöge. Denn nach welchen Kriterien und nach welchem Verfahren ermittelt werden solle, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die geltend gemachten Unterkunftskosten „deutlich über den üblichen Unterkunftskosten“ liegen und mithin ein „offenkundiges Missverhältnis“ bestehe, habe das SG Mainz im genannten Urteil nicht dargelegt.
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5.6 Berlit (in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 60 f., 5. Auflage 2013) führt aus, dass in der Instanzrechtsprechung kritisiert werde, dass die ausdifferenzierte Rechtsprechung des BSG zum „schlüssigen Konzept“ nicht den prozeduralen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte parlamentsgesetzliche Grundlage, die nach dem Regelleistungsurteil des BVerfG zu stellen seien, genüge. Diese Kritik verweise zutreffend auf eine unzureichende explizite Anbindung der BSG-Rechtsprechung zum „schlüssigen Konzept“ an die BVerfG-Rechtsprechung zum Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Sie vernachlässige im Ergebnis aber, dass diese Rechtsprechung zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an eine auch dem SGB II-Gesetzgeber bekannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Angemessenheitsbegriff im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) anknüpfe, die diesen Begriff gerade nicht als Angemessenheitsvorbehalt zur Reduktion in Fällen offenkundiger Missverhältnisse sehe. Die BSG-Rechtsprechung sei zudem in ihrem sachlichen Regelungsgehalt erneut in den Vorgaben für die Satzungsregelung aufgegriffen worden. Aus der Kritik folge jedenfalls nicht, dass im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung lediglich solche Kosten der Unterkunft als unangemessen zu werten seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen. Dass das BSG die Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zu hoch geschraubt habe und es wegen der Vielzahl an Prüfungskomponenten und dem einhergehenden Ermittlungsaufwand für die Grundsicherungsstellen und Gerichte in der Praxis für die Praxis wenig hilfreich sei, rechtfertige nicht, diesen Versuch einer rationalen, operationalisierbaren Annäherung an die Ausfüllung des Angemessenheitsbegriffs aufzugeben. Die Forderung nach einem „schlüssigen Konzept“ setze für den Unterkunftsbedarf die für den Regelbedarf geltenden Anforderungen an Rationalität und Transparenz der Leistungsbemessung um.
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In Bezug auf die später mit § 22a SGB II eingeführte Satzungslösung stelltBerlit hingegen fest, dass ein kommunaler Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum in Bezug auf „standardbildende“ Faktoren den Auftrag des Gesetzgebers, die zur Existenzsicherung erforderlichen Leistungen selbst festzulegen, verfehle (Berlit, info also 2010, S. 203).
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5.7 Stölting (in: Eicher, SGB II, § 1 Rn. 16, 3. Auflage 2013) sieht hingegen das Problem, dass § 22 SGB II anders als bei der Regelleistung nicht einen bestimmten Betrag vorsehe. Diese Regelung gerate in Konflikt mit der Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010, denn danach müsse die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch ein Parlamentsgesetz erfolgen, welches einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthalte. Aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gelte in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz gehe.
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In einer Anmerkung zum Urteil des BSG vom 22.08.2012 (B 14 AS 13/12 R - SGb 2013, S. 545 f.) führt Stölting aus, dass bei der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit zu bedenken sei, dass es sich bei der Übernahme von Unterkunftskosten nicht um eine freiwillige Leistung des Gesetzgebers handele, sondern das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vielmehr einen Anspruch auf Zurverfügungstellung der Mittel begründe, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich seien. Hierzu gehörten auch die Unterkunftskosten. Der Gesetzgeber bewege sich mit der Vorschrift des § 22 SGB II in einem grundrechtsgeprägten Bereich und habe insoweit besondere Vorgaben zu beachten, die sich aus der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG ergäben. Danach sei der Gesetzgeber verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und dürfe sie nicht anderen Normgebern überlassen. Wann es danach einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedürfe, lasse sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien seien dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen. Danach bedeute wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“. Dementsprechend habe das BVerfG in der Entscheidung zu den Regelsätzen nach dem SGB II gefordert, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch ein Parlamentsgesetz erfolge, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthalte. Diesen Anforderungen genüge die Vorschrift des § 22 SGB II nicht. Es handele sich dabei zwar um ein Parlamentsgesetz, das jedoch weder einen konkreten Anspruch enthalte, noch Vorgaben mache, wie dieser von den Behörden und gegebenenfalls von den Gerichten zu ermitteln sei. Aus diesem Grund sei es der Rechtsprechung auch acht Jahre nach Inkrafttreten des SGB II nicht gelungen, die Unsicherheiten bei der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zu beseitigen und die Zahl der Verfahren in diesem Bereich zu reduzieren. Das BSG setzte sich im kommentierten Urteil und in anderen aktuellen Urteilen nicht mit der verfassungsrechtlichen Problematik auseinander. Dies erscheine jedoch dringend erforderlich, da es nach der Entscheidung des BVerfG zu den Regelsätzen des SGB II auch in diesem Bereich einer Neubestimmung bedürfe. Die Rechtsprechung werde zu erwägen haben, grundsätzlich die tatsächlichen Unterkunftskosten anzuerkennen, soweit diese nicht evident unangemessen seien.
- 93
In seiner Kommentierung zu § 35a SGB XII führtStölting (jurisPK-SGB XII, § 35a Rn. 10, 2. Auflage 2014, Stand 25.06.2014) weiter aus, dass das BVerfG in der Entscheidung vom 09.02.2010 zwar ausgeführt habe, dass § 22 Abs. 1 SGB II die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicherstelle. Es dürfe jedoch bezweifelt werden, dass damit eine verbindliche Aussage zur Vereinbarkeit des § 22 Abs. 1 SGB II mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums getroffen worden sei, da sich die Entscheidung auf die Regelleistungen nach dem SGB II beziehe.
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5.8 Nach Piepenstock (in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 82.1 f., 3. Auflage 2012, Stand 01.12.2014) stellt das SG Mainz im Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) zutreffend heraus, dass sich das BSG in seiner fortgesetzten Rechtsprechung zum „schlüssigen Konzept“ nicht hinreichend mit dem Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 auseinandergesetzt habe. Das vom BSG entwickelte „schlüssige Konzept“ habe bisher nicht abschließend überzeugen können. Die vom BSG vorgenommene Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ mit ihrem konkret-individuellen Prüfmaßstab (Stichwort: Einzelfallgerechtigkeit) erweise sich wegen der Vielzahl an Prüfungskomponenten und dem einhergehenden Ermittlungsaufwand für die Grundsicherungsstellen und Gerichte in der Praxis als sehr komplex und daher oft wenig hilfreich.
- 95
5.9 Nach Nguyen (in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65, 2. Auflage 2014, Stand 24.11.2014) stößt die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs allein durch die Rechtsprechung - an Stelle einer parlamentsgesetzlichen Konkretisierung - im Hinblick auf die Vorgaben des BVerfG zur Gewährleistung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und dem Wesentlichkeitsgrundsatz auf Bedenken.
- 96
5.10 Frerichs (jurisPK-SGB XII, § 3 AsylbLG, Rn. 45, 2. Auflage 2014, Stand 03.11.2014) konstatiert, dass das BVerfG im Regelsatzurteil vom 09.02.2010 eindrucksvoll die Bedeutung des Vorbehalts des Gesetzes im Fürsorgerecht hervorgehoben und die in der Nachkriegszeit begonnene Entwicklung des unmittelbar auf dem Schutzgehalt von Art. 1 Abs. 1 GG beruhenden Leistungsgrundrechts abgeschlossen habe. Dem Gesetzgeber (und nicht dem Rechtsanwender) obliege die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse und die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs. Diese Frage sei jüngst in Rechtsprechung (Bezugnahme auf die Urteile des SG Mainz vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12, vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 und vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11 sowie auf das Urteil des SG Leipzig vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12) und Literatur auch wegen des unbestimmten Rechtsbegriffs der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II virulent geworden.
- 97
Frerichs vertritt des weiteren - im Kontext mit unbestimmten Rechtsbegriffen im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) - die Auffassung, dass Regelungen dieser Art einer methodengerechten Ermittlung des menschenwürdigen Existenzminimums in einem inhaltlich transparenten und nachvollziehbaren Verfahren entbehren und die Gefahr bergen würden, dass bei der Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums die Regelungskompetenz in verfassungsrechtlich bedenklichem Ausmaß auf den Rechtsanwender delegiert wird (Frerichs, ZESAR 2014, S. 287).
- 98
6. Die vorlegende Kammer ist nach Auswertung der vertretenen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur der im Folgenden noch zu begründenden Überzeugung, dass die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verfassungswidrig ist. Eine verfassungskonforme Auslegung ist - entgegen der Auffassungen der 17. Kammer des SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 84 ff.), der 20. Kammer des SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 50 ff.) und der 20. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 33) - nicht möglich. Sie wird auch nicht durch die Rechtsprechung des BSG zum „schlüssigen Konzept“ gewährleistet. Sämtliche diesbezüglich vertretenen Auffassungen laufen entweder auf eine verfassungswidrige Wahrnehmung des der Legislative obliegenden Gestaltungsauftrags durch Gerichte und Verwaltung oder auf eine gleichfalls verfassungswidrige faktische Normverwerfung wiederum durch Gerichte und Verwaltung hinaus.
V.
- 99
Die Vorlagefrage ist für das vorliegende Klageverfahren entscheidungserheblich.
- 100
Nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG ist ein Vorlageverfahren nur dann zulässig, wenn es für die Entscheidung auf die Gültigkeit des für verfassungswidrig gehaltenen Gesetzes ankommt.
- 101
Dies setzt - wenn nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen selbst Gegenstand der Vorlage sind - zunächst voraus, dass die dem Vorlagebeschluss zu Grunde liegende Klage zulässig ist (1) und dass im Falle der - hier vorliegenden - Leistungsklage die Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen vorliegen (2). Ferner muss es für die Entscheidung des Gerichts auf die Gültigkeit der zur Prüfung vorgelegten Norm ankommen. Dies setzt voraus, dass bei Gültigkeit der Regelung ein anderes Entscheidungsspektrum eröffnet wird, als bei deren Nichtigkeit (3). Der Klage dürfte auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattzugeben sein (4).
- 102
1. Die Klage ist zulässig. Das Gericht ist zur Sachentscheidung berufen.
- 103
1.1 Der Kläger hat seine Klage frist- und formgerecht erhoben. Das Widerspruchsverfahren ist durchgeführt und abgeschlossen worden. Der auf den 09.01.2014 datierte Widerspruchsbescheid ist dem Kläger laut Aktenvermerk des Beklagten am 10.01.2014 in den Hausbriefkasten eingeworfen worden, so dass frühestens von einem Zugang an diesem Tag ausgegangen werden kann. Die Dreitagesfiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X greift hier nicht, da der Widerspruchsbescheid nicht durch die Post übermittelt wurde. Die Klage ist am 10.02.2014, durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers unterschrieben, per Telefax beim Gericht eingegangen. Damit ist die Schriftform des § 90 SGG gewahrt (vgl. Binder in: Lüdtke, § 90 Rn. 4, 4. Auflage 2012). Auch die Klagefrist des § 90 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids ist eingehalten (§ 64 Abs. 2 S. 1 SGG).
- 104
1.2 Obwohl dem Gericht bislang keine schriftliche Vollmacht vorliegt, ist gemäß § 73 Abs. 6 S. 5 SGG einstweilen von einer wirksamen Bevollmächtigung der den Kläger vertretenden Rechtsanwälte auszugehen. Das Gericht hat einen Mangel der Vollmacht nur dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn als Bevollmächtigter kein Rechtsanwalt auftritt.
- 105
1.3 Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, mit welcher der Kläger die Änderung der Bewilligungsbescheide und die Zahlung höherer Leistungen verlangt, ist nach § 54 Abs. 4 SGG statthaft. Der Streitgegenstand wurde im Sinne des § 92 Abs. 1 S. 1 SGG hinreichend bestimmt. Eine exakte Bezifferung des geltend gemachten Anspruchs ist nicht erforderlich. § 92 Abs. 1 S. 3 SGG enthält hinsichtlich der Bestimmtheit des Antrags lediglich eine Sollvorschrift. Aus dem systematischen Zusammenhang mit der Regelung zum Grundurteil in § 130 Abs. 1 S. 1 SGG ergibt sich zudem, dass bei Geldleistungen keine Bezifferung des Antrags erfolgen muss. Nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG kann zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden, wenn gemäß § 54 Abs. 4 SGG oder § 54 Abs. 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Aus der Befugnis des Gerichts, ein Grundurteil zu erlassen, folgt die Statthaftigkeit einer entsprechenden unbezifferten Antragstellung. Im Übrigen lässt sich das klägerische Begehren in hinreichender Bestimmtheit dem Vorbringen in der Klageschrift entnehmen.
- 106
1.4 Der Kläger ist klagebefugt im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 SGG, da er geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
- 107
1.5 Zulässiger Streitgegenstand ist der zunächst mit Widerspruch vom 29.11.2013 angefochtene Änderungsbescheid vom 26.11.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom gleichen Tag und vom 06.01.2014 (§ 86 SGG bzw. § 96 Abs. 1 SGG) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2014 (§ 95 SGG) und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15.01.2014, 30.01.2014 und 26.03.2014 (§ 96 Abs. 1 GG). Vom Streitgegenstand umfasst ist der Leistungszeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014.
- 108
1.5.1 Der Änderungsbescheid vom 26.11.2013 hat den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 03.09.2013 für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 abgeändert und die Leistungen für diesen Zeitraum neu festgesetzt. Da sich die Neufestsetzung nicht auf den vom ursprünglichen Bewilligungsbescheid mit abgedeckten Zeitraum vom 01.10.2013 bis zum 30.11.2013 erstreckt, unterliegt dieser Zeitraum weiterhin der Regelung durch den Bescheid vom 03.09.2013, der mit der vorliegenden Klage nicht zulässig angefochten wurde. Mit dem fristgerecht erhobenen Widerspruch vom 29.11.2013 (Eingang beim Beklagten am 02.12.2013) wurde dementsprechend nur der Leistungszeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zum Gegenstand der Überprüfung gemacht.
- 109
1.5.2 Der noch am 26.11.2013 erlassene Änderungsbescheid ist ebenfalls Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Insoweit kann dahin stehen, ob der Bescheid erst nach Erhebung des Widerspruchs beim Kläger zugegangen ist, mit der Folge, dass der Bescheid nach § 86 SGG in das Widerspruchsverfahren einbezogen wäre, oder ob der Kläger mit seinem Widerspruch von Beginn an den zweiten Änderungsbescheid zusätzlich oder ausschließlich angefochten hat.
- 110
1.5.3 Auch der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Dies ist insofern von Bedeutung, als mit diesem Bescheid nach dessen Verfügungssätzen der gesamte streitgegenständliche Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 neu geregelt wird. Die vorher ergangenen Bescheide haben sich insoweit erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X), so dass die Klage bei fehlender Einbeziehung des Änderungsbescheids vom 06.01.2014 und der nachfolgenden Änderungsbescheide in Folge der Erledigung der angefochtenen Bescheide unzulässig würde.
- 111
Es kann hier offen bleiben, ob die Einbeziehung bereits nach § 86 SGG im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.11.2013 erfolgte, oder erst im Klageverfahren nach § 96 Abs. 1 SGG. Die Beantwortung dieser Frage hinge davon ab, ob dem Kläger (oder dessen Prozessbevollmächtigter) zuerst der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 oder der Widerspruchsbescheid vom 09.01.2014 zugegangen ist. Insoweit besteht Unklarheit, da der Bescheid vom 06.01.2014 laut Aktenvermerk ohne Datumsangabe an die Rechtsanwältin des Klägers übersandt wurde, während der Widerspruchsbescheid dem Kläger am 10.01.2014 in den Hausbriefkasten eingeworfen wurde. Somit erscheint denkbar, dass der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 erst nach dem Widerspruchsbescheid bekanntgegeben und damit wirksam geworden ist. Eine Einbeziehung nach § 86 SGG in das Widerspruchsverfahren wäre ausgeschlossen, da die Abänderung ausdrücklich „während“ des Vorverfahrens, d.h. bis zum Abschluss des selben erfolgen muss (a.A. noch BSG, Urteil vom 01.08.1978 - 7 RAr 37/77 - Rn. 18f.; BSG, Urteil vom 15.02.1990 - 7 RAr 22/89 - Rn. 18.; BSG, Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr 10/89 - Rn. 26; BSG, Urteil vom 12.05.1993 - 7 RAr 56/92 - Rn. 13).
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Im Falle der Bekanntgabe des Bescheids vom 06.01.2014 nach Zugang des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2014 wäre der Bescheid nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Für den Fall, dass der Bescheid vom 06.01.2014 nach Erlass des Widerspruchbescheides ergangen ist, wären die übrigen Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG erfüllt. § 96 Abs. 1 SGG setzt neben der Ersetzung oder Abänderung des klagegegenständlichen Bescheids nur voraus, dass der ändernde Bescheid nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist; er muss hingegen nicht erst nach Klageerhebung ergangen sein (vgl. BT-Drucks. 16/7716, S. 19). Die Formulierung „(n)ach Klageerhebung“ am Anfang des § 96 Abs. 1 SGG bringt lediglich zum Ausdruck, dass eine Einbeziehung des nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangenen Änderungsbescheids - logischerweise - erst nach Klageerhebung Gegenstand des Klageverfahrens werden kann, da vorher noch kein Klageverfahren rechtshängig (§ 94 Abs. 1 SGG) ist, dessen Gegenstand der Bescheid werden könnte.
- 113
1.5.4 Der Änderungsbescheid vom 15.01.2014 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden (siehe Ziffer 1.5.3). Entsprechendes gilt für den Änderungsbescheid vom 30.01.2014.
- 114
1.5.5 Auch der während des Klageverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 26.03.2014 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
- 115
1.5.6 Der Bescheid über die Darlehensgewährung einschließlich der Aufrechnungserklärung vom 24.01.2014 ist hingegen nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da hiermit weder der Ausgangsbescheid vom 26.11.2013 noch die folgenden Änderungsbescheide abgeändert oder ersetzt werden. Die mit dem Bescheid vom 24.01.2014 verfügte Aufrechnung ist keine teilweise Aufhebung oder Rücknahme der Leistungsbewilligung (Bittner in: jurisPK-SGB II, § 42a Rn. 33.1, 3. Auflage 2012, Stand: 22.07.2014). Die Tilgung eines Darlehens durch Aufrechnung nach § 42a Abs. 2. S. 1 SGB II berührt nur den Auszahlungsanspruch, nicht den sich nach dem Bedarf richtenden Leistungsanspruch (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.12.2011 - L 5 AS 473/11 B ER - Rn. 25).
- 116
1.5.7 Der Bescheid vom 25.02.2014 und hierzu ergangene Änderungsbescheide über den Zeitraum vom 01.04.2014 bis zum 30.09.2014 sind ebenfalls nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Mit diesen Bescheiden werden weder der Ausgangsbescheid vom 26.11.2013 noch die folgenden Änderungsbescheide geändert oder ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - Rn. 30).
- 117
1.6 Es kann offen bleiben, ob der Kläger den Streitgegenstand auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II beschränkt hat bzw. zulässigerweise beschränken durfte (zu dieser Möglichkeit vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 10 ff.; zur alten Rechtslage: BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - Rn. 18 ff.). Denn auch wenn die (monatliche) Gesamthöhe des dem Kläger im Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu bewilligenden Arbeitslosengeldes II vom Streitgegenstand umfasst sein sollte, bliebe die Vorlagefrage entscheidungserheblich.
- 118
2. Der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 19 SGB II (Arbeitslosengeld II). Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1, S. 3 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung von Regelbedarf, Mehrbedarfen und Bedarf für Unterkunft und Heizung, wobei das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen die Geldleistungen mindert (§ 19 Abs. 3 S. 1 SGB II).
- 119
2.1 Der Kläger war erwerbsfähiger Leistungsberechtigter in diesem Sinne, weil er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II), älter als 15 Jahre war und die für ihn nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II maßgebliche Altersgrenze von 65 Jahren und acht Monaten noch nicht erreicht hatte.
- 120
2.2 Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II, da er nicht wegen Krankheit oder Behinderung außerstande war, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Der Kläger bezog zwar ab dem 01.02.2014 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von der DRV Bund. Diese setzt jedoch lediglich voraus, dass der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI), bzw. ein berufsbezogenes Absinken der Erwerbsfähigkeit auf weniger als sechs Stunden täglich (§ 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI). Dafür, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr dazu in der Lage gewesen sein könnte, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein, liegen keine Anhaltspunkte vor. Im Rentenbescheid vom 17.12.2013 wurde vielmehr festgehalten, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht bestehe. Eine weitergehende Einschränkung der Erwerbsfähigkeit wird weder vom Kläger noch vom Beklagten behauptet. Der Beklagte ist auch nach dem vorliegend streitigen Zeitraum noch von der Erwerbsfähigkeit des Klägers im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II ausgegangen. Da selbst im Falle des Herabsinkens der Erwerbsfähigkeit auf unter drei Stunden täglich zunächst die Nahtlosigkeitsregelung des § 44a Abs. 1 S. 7 SGB II greifen würde (vgl. zur Vorgängerregelung BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 19 m.w.N.; Korte in: LPK-SGB II, § 44a Rn. 23 f., 5. Auflage 2013; Knapp in: jurisPK-SGB II, § 44a Rn. 68, 3. Auflage 2012, Stand: 16.08.2013), sind weitere Ermittlungen hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht angezeigt.
- 121
2.3 Der Kläger war hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II, was gemäß § 9 Abs. 1 SGB II der Fall ist, wenn jemand seinen eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II), sichern kann und die nötige Hilfe nicht von anderen erhält. Dies trifft vorliegend zu, weil dem Bedarf des Klägers zum Lebensunterhalt im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen oder Vermögen gegenüberstand, das den Bedarf vollständig hätte decken können. Als Einkommen zu berücksichtigen war seit dem 01.02.2014 lediglich die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die zur Deckung des Gesamtbedarfs bereits ohne Berücksichtigung eines höheren Unterkunftsbedarfes nicht ausreichte.
- 122
2.4 Der Kläger war nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, § 7 Abs. 4 SGB II, § 7 Abs. 5 SGB II oder § 77 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 4a SGB II a.F. von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen.
- 123
2.5 Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, so dass er dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen unter Berücksichtigung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat. Der Kläger ist alleiniger Mietvertragspartner. Im Monat Dezember 2013 hatte der Kläger eine Kaltmiete in Höhe von 313,90 Euro, eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 118 Euro und eine Rate für die Heizgaslieferung in Höhe von 51 Euro zuzüglich eines als Heizungsbedarf zu qualifizierenden Anteils der Stromkostenvorauszahlung zu entrichten. Im Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 hatte der Kläger eine Kaltmiete in Höhe von 335,80 Euro, eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 118 Euro und eine Rate für die Heizgaslieferung in Höhe von 51 Euro zuzüglich eines als Heizungsbedarf zu qualifizierenden Anteils der Stromkostenvorauszahlung zu entrichten.
- 124
Die tatsächlichen Aufwendungen sind nachgewiesen durch eine Mietbescheinigung vom 19.03.2012 (Kaltmiete von 313,90 Euro und Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 118 Euro), durch den Mietvertrag vom 26.03.2012 und durch das Schreiben der Vermieterin vom 23.09.2013 (Erhöhung der Kaltmiete auf 335,80 Euro; Betriebskostenvorauszahlung weiter bei 118 Euro). Das Gericht hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Mieterhöhung zum 01.01.2014 zivilrechtlich unwirksam sein könnte.
- 125
Der Abschlag für die Heizgaslieferung in Höhe von 51 Euro monatlich ist nachgewiesen durch die Verbrauchsabrechnung vom 20.11.2013.
- 126
Die auf dem Mietvertrag für die selbst bewohnte Wohnung beruhenden Verpflichtungen des Klägers zur Zahlung der Kaltmiete und der Nebenkostenvorauszahlung sind Aufwendungen für Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (BSG, Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 35/06 R - Rn. 20). Die für die Belieferung mit Heizgas zu zahlende Rate ist als Heizungsbedarf im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II anzuerkennen. Entsprechendes gilt nach der Rechtsauffassung der vorlegenden Kammer auch für einen noch abschließend zu schätzenden Anteil der Stromkostenvorauszahlung, der zum Betrieb der Kombigastherme erforderlich ist.
- 127
3. Die Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist für die durch das Gericht zu treffende Sachentscheidung über den Anspruch des Klägers entscheidungserheblich.
- 128
Entscheidungserheblichkeit im Sinne des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG liegt bereits vor, wenn bei Gültigkeit der Vorschrift (3.2) ein Entscheidungsspektrum eröffnet wird, das eine Abweichung von der Entscheidung bei Nichtigkeit der Vorschrift (3.1) ermöglicht. Nicht erforderlich ist hingegen das Vorliegen einer einzigen Entscheidungsalternative, da andernfalls eine Vorlage von für verfassungswidrig zu unbestimmt gehaltenen Regelungen ausgeschlossen wäre.
- 129
3.1 Im Falle der Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wäre der Beklagte zur Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu verurteilen. Die den Bedarf für Unterkunft und Heizung regelnde Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hätte bei Nichtigerklärung des zweiten Halbsatzes den Wortlaut:
- 130
"Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt."
- 131
Demzufolge wären bei der Berechnung des Leistungsanspruchs im Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe ohne weitere Begrenzung zu berücksichtigen.
- 132
Konkret würde dies im vorliegenden Verfahren zu einer Verurteilung des Beklagten zu höheren Leistungen unter Berücksichtigung eines höheren Bedarfs für Unterkunft im Umfang von 28,40 Euro für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 sowie im Umfang von 50,30 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 führen. Die monatliche Differenz resultiert daraus, dass der Beklagte bei der Leistungsberechnung an Stelle der tatsächlich geschuldeten Kaltmiete von 313,90 Euro für den Monat Dezember 2013 und in Höhe von 335,80 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 durchgehend eine für angemessen gehaltene monatliche Kaltmiete von 285,50 Euro zu Grunde legte. Diese Differenz schlägt zunächst auf den berücksichtigten Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und sodann auf die Höhe der Gesamtleistung nach § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II durch.
- 133
Die Kammer hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte eine andere Bedarfsposition (rechtswidrig) zu hoch angesetzt hätte, so dass die Unterdeckung im Bereich der Kaltmiete durch einen anderen Bedarfsanteil teilweise oder vollständig ausgeglichen wäre, mit der Folge, dass auch im Falle der Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 SGB II nicht zu höheren Leistungen zu verurteilen wäre. Insbesondere ist die zusätzliche Berücksichtigung eines Teils der Stromkosten des Klägers als Heizkosten im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II vor dem Hintergrund des elektrischen Betriebs der Kombigastherme dem Grunde nach nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 51/10 R - Rn. 15). Ob der hierbei durch den Beklagten berücksichtigte Betrag von 4,22 Euro monatlich zu niedrig, zu hoch oder zutreffend angesetzt ist, wird das Gericht im Falle eines Urteils gemäß § 202 SGG i.V.m. § 287 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) durch Schätzung zu bestimmen haben, da für den Stromverbrauch der Kombigastherme kein separater Zähler bzw. Zwischenzähler existiert, sodass die Stromkosten nicht konkret ausgewiesen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 51/10 R - Rn. 15; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - Rn. 27). Diese Schätzung ist kein Teil der Sachverhaltsermittlung, sondern kann erst anhand der ermittelten Tatsachen im Urteil erfolgen, so dass hierdurch die Zulässigkeit des Vorlageverfahrens (etwa wegen unvollständiger Tatsachenermittlung) nicht in Frage gestellt wird. Im Übrigen würde selbst unter der Annahme, die Stromkosten für die Kombigastherme seien nicht als Bedarf nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen (so vertreten durch SG Augsburg, Urteil vom 14.02.2013 - S 16 AS 887/12 - Rn. 12 ff.), eine rechtswidrige Begünstigung nur im Umfang von 4,22 Euro monatlich vorliegen, wodurch die Differenz zwischen tatsächlicher und bei der Bedarfsberechnung berücksichtigter Kaltmiete nur marginal kompensiert würde.
- 134
Entsprechendes gilt für die einkommensmindernde Berücksichtigung der Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung, die nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 73/12 R - Rn. 27) zusätzlich zur Versicherungspauschale nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AlgIIV abzusetzen sind. Für die vom Beklagten durchgeführte Durchschnittsberechnung gibt es keine Rechtsgrundlage, so dass der vierteljährlich fällige Beitrag ausschließlich im jeweiligen Fälligkeitsmonat vom Einkommen abzusetzen wäre. Demzufolge liegt rechnerisch eine rechtswidrige Begünstigung des Klägers in den Monaten Februar und März 2014 um den Betrag von 18,97 Euro monatlich vor, die aber ebenfalls nur zu einer teilweisen Kompensation der Differenz zwischen tatsächlicher und als angemessen anerkannter Kaltmiete, beschränkt auf den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014, führt.
- 135
Bei Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hätte der Kläger demzufolge einen gegenüber dem Änderungsbescheid vom 26.03.2014 höheren Leistungsanspruch. Der Beklagte wäre entsprechend zu verurteilen.
- 136
3.2 Im Falle der Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wäre hingegen offen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beklagte zu höheren Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu verurteilen wäre. Dies hinge davon ab, wie der Begriff der Angemessenheit im vorliegenden Fall zu konkretisieren wäre.
- 137
Die wesentliche verfassungsrechtliche Problematik besteht hier darin, dass es der für verfassungswidrig gehaltenen Vorschrift an der hinreichenden Bestimmtheit (bzw. Intensionstiefe, vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, 10. Auflage 2009, S. 196) mangelt. Dies hat nicht nur (zur Überzeugung der Kammer) die Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zur Folge, sondern führt auch dazu, dass sich die Rechtsfolgen unter Annahme der Gültigkeit der Vorschrift nicht ohne weiteres bestimmen lassen. Wegen der Unbestimmtheit des Angemessenheitsbegriffs könnte im Falle der Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II jede Entscheidung mit dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II in Einklang gebracht werden, die im Einzelfall zur Verurteilung zur Leistung unter Berücksichtigung der Unterkunftsaufwendungen in tatsächlicher Höhe führt. Auch ließe sich in jedem Einzelfall eine Kürzung des Leistungsanspruchs unter Berufung auf den Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. Hs. 2 SGB II begründen, insbesondere auch die vom Beklagten im vorliegenden Fall verfügte Begrenzung (3.2.1). Zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit muss es daher genügen, dass die Kammer das Spektrum der Entscheidungsmöglichkeiten für den Fall der Gültigkeit der Vorschrift aufzeigt (3.2.2), da andernfalls eine Vorlage von für verfassungswidrig zu unbestimmt gehaltenen Regelungen ausgeschlossen wäre (3.2.3).
- 138
3.2.1 Die Frage der Entscheidungserheblichkeit im Sinne des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG muss aus der Perspektive einer für den Fall der Gültigkeit der vorgelegten Norm anzunehmenden hypothetischen Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts beantwortet werden (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 06.11.1957 - 2 BvL 12/56, 2 BvL 12 BvL 13/56, 2 BvL 12 BvL 14/56, 2 BvL 12 BvL 15/56 - Rn. 13). Die Kammer muss bei Bildung dieser hypothetischen Rechtsauffassung notwendigerweise die Vorstellungen außer Betracht lassen, die zur Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift geführt haben.
- 139
Unter Vorwegnahme der Darlegungen zur Begründetheit des Vorlagebeschlusses beruht der Befund der Verfassungswidrigkeit im Wesentlichen auf folgenden Überlegungen:
- 140
1. Der Gesetzgeber verstößt gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, indem er die konkrete Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im für dessen Verwirklichung zentralen Bereich des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch Verwendung eines "unbestimmten Rechtsbegriffs" im Wesentlichen der Verwaltung und der Rechtsprechung überlässt.
- 141
2. Der Gesetzgeber verstößt gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, weil er die zur Festsetzung der existenzsichernden Leistungen erforderliche Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur folgerichtigen Begründbarkeit der Höhe des Leistungsanspruchs unterlassen hat.
- 142
Unter der Annahme, dass beide Vorwürfe nicht zuträfen, wäre dem Gericht ein Spektrum "vertretbarer", d.h. mit dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik vereinbarer Entscheidungen eröffnet, das eine volle Klageabweisung, ein volles Obsiegen des Klägers und jede Entscheidung zwischen beiden Polen grundsätzlich ermöglicht. Um dies zu belegen, genügt es, sich die zahlreichen Wertentscheidungen zu vergegenwärtigen, die ausgehend vom unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit getroffen werden müssen, um zu einer konkreten Einzelfallentscheidung zu kommen.
- 143
a) Die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hinge, sofern das BVerfG die Vorschrift nicht für nichtig erklärt oder die Verfassungswidrigkeit unter Anordnung anderer Rechtsfolgen feststellt, davon ab, nach welchen Parametern eine verfassungskonforme Konkretisierung der Vorschrift stattzufinden hätte. Sollte das BVerfG der Interpretation des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II überhaupt eine verfassungsrechtliche Relevanz zubilligen, wäre das vorlegende Gericht gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG auch an die Vorgaben des BVerfG zur verfassungskonformen Anwendung der Regelung gebunden (BVerfG, Beschluss vom 10.06.1975 - 2 BvR 1018/74 - Rn. 14; BVerfG, Beschluss vom 27.01.2006 - 1 BvQ 2/06 - Rn. 33 ff.). Über derartige Vorgaben lässt sich gegenwärtig nur spekulieren. Rein tatsächlich ist nicht auszuschließen, dass das BVerfG eine oder mehrere der bisher zur Konkretisierung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vertretenen Auffassungen als verfassungskonform erachten könnte.
- 144
b) Folgte das Gericht - sofern es ihm durch das BVerfG freigestellt werden sollte - nach verfassungsgerichtlicher Bestätigung der Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II der Rechtsprechung des BSG (s.o. unter A. IV. 1), hätte eine Überprüfung und gegebenenfalls Nachbesserung des vom Beklagten vorgelegten Konzepts zur Bestimmung der maßgeblichen Mietobergrenzen nach dessen Kriterien zu erfolgen. Ob die aus dem von A & K erarbeiteten Konzept abgeleitete Entscheidung des Beklagten über die dem Kläger zu gewährenden Leistungen den Anforderungen der BSG-Rechtsprechung standhalten würde, ist völlig offen. Ohne dass dies an dieser Stelle genauerer Erörterung bedürfte, eröffnet bereits die uneingeschränkte Prüfungsbefugnis der Gerichte die Möglichkeit zu einer Korrektur des Konzepts, da dieses - notwendigerweise - mit subjektiven Wertentscheidungen operiert, die jedes zur Entscheidung berufene Gericht auch anders treffen könnte (vgl. zu dieser Problematik: SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 65 ff.).
- 145
Anhaltspunkte für eine (nach Maßgabe des BSG) fehlende "Schlüssigkeit" des vorgelegten Konzepts ergeben sich jedenfalls aus der Ausgestaltung der Vergleichsräume, die anhand von Clusteranalysen empirisch-statistisch differenzierter Wohnungsmarkttypen und nicht nach "homogenen Lebensbereichen" (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 21) vorgenommen wurde, des Weiteren aus der relativ geringen Stichprobe bei der Datenerhebung (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - Rn. 16) und aus der Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen ausschließlich anhand der Kaltmiete bei Berücksichtigung der kalten Nebenkosten in tatsächlicher Höhe (entgegen BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 32/09 R - Rn. 28; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 85/09 R - Rn. 29). Letztendlich basiert die Festlegung der Perzentilen, mit denen die Angemessenheitsgrenze innerhalb der für die jeweilige Haushaltsgröße und den jeweiligen Wohnungsmarkttyp festgelegt werden, auf einer anhand von Plausibilitätserwägungen erfolgten Setzung des Konzepterstellers. Das zur Entscheidung berufene Gericht könnte auf der Basis der Rechtsprechung des BSG auch andere Perzentilen zur Festsetzung der abstrakten Angemessenheitsgrenze als "schlüssig" erachten. Mögliche Korrekturen durch das Gericht würden gegebenenfalls zu Nachermittlungen, aber nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Angemessenheitsgrenzen führen.
- 146
Nach derzeitiger Rechtsprechung des BSG wäre im Falle fehlender Ermittlungsmöglichkeiten von einer Angemessenheitsobergrenze auszugehen, die das BSG für die Bruttokaltmiete in Höhe der um 10 % angehobenen Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG verortet (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 25 ff. m.w.N.). Dies zu Grunde gelegt, kann davon ausgegangen werden, dass bei Unschlüssigkeit des Konzepts und durch das Gericht festgestelltem Ermittlungsausfall jedenfalls keine höheren Werte als die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG als Bruttokaltmiete zu berücksichtigen wären. Dies ergäbe im Falle eines Einpersonenhaushalts in Alzey (Mietenstufe III) einen Höchstwert nach § 12 Abs. 1 WoGG von 330 Euro. Um 10 % erhöht ergäbe dies eine Angemessenheitsobergrenze von 363 Euro. Die tatsächliche Bruttokaltmiete des Klägers lag für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 bei 431,90 Euro (313,90 Euro Grundmiete zuzüglich 118 Euro Nebenkostenvorauszahlung) und für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 bei 453,80 Euro (335,80 Euro Grundmiete zuzüglich 118 Euro Nebenkostenvorauszahlung). Tatsächlich berücksichtigte der Beklagte bei dem Kläger mit dem Änderungsbescheid vom 26.03.2014 über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum eine Bruttokaltmiete von 403,50 Euro (285,50 Euro "angemessene" Kaltmiete zuzüglich 118 Euro Nebenkostenvorauszahlung). Die tatsächlich bewilligten Leistungen lagen somit bereits über der vom BSG entwickelten "Angemessenheitsobergrenze".
- 147
Sollte sich die Rechtsprechung des BSG als verfassungsrechtlich vertretbar erweisen und würde sich die Kammer dieser Rechtsauffassung nach Entscheidung des BVerfG anschließen, würde dies im Ergebnis wahrscheinlich nicht dazu führen, dass die tatsächliche Bruttokaltmiete des Klägers als abstrakt angemessen angesehen werden könnte. Vor dem Hintergrund der Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II wäre aber auch dies für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht völlig ausgeschlossen. Die Klage wäre aber wahrscheinlich (teilweise) abzuweisen.
- 148
c) Würde das Gericht der Auffassung der 20. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 33; s.o. unter A. IV. 3.3) folgen, bedürfte es keiner weiteren Ermittlungen, weil die danach maßgeblichen Höchstbeträge nach § 12 WoGG sich dem Gesetz entnehmen und rechnerisch um 10 % erhöhen ließen. Hieraus ergäbe sich kein höherer Leistungsanspruch des Klägers. Die Klage wäre insoweit abzuweisen.
- 149
d) Würde die Kammer sich der Rechtsauffassung der 17. Kammer des SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 91 ff.; Urteil vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11 - Rn. 84 ff.; Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 72 ff.; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 751/12 - Rn. 41; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13 - Rn. 39; Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 50; s.o. unter A. IV. 3.1) oder der 20. Kammer des SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.; Urteil vom 16.12.2013 - S 20 AS 879/11 - Rn. 72; s.o. unter A. IV. 3.2) anschließen, dürften weitere Ermittlungen angesichts der relativ geringen Überschreitung der vom Beklagten zu Grunde gelegten Angemessenheitsgrenze ebenfalls obsolet sein. Der Beklagte wäre wohl zur Gewährung von höheren Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu verurteilen.
- 150
3.2.2 Die Frage, welche Auswirkung die Gültigkeit einer Vorschrift auf das Ergebnis des Prozesses haben würde, ist gerade bei normbereichsgeprägten unbestimmten Rechtsbegriffen wie dem der "Angemessenheit tatsächlicher Aufwendungen" nicht durch die (hypothetische) Einnahme eines juristischen Standpunktes zu lösen, weil sich die Entscheidungstätigkeit des Gerichts nicht in einer einfachen Subsumtion eines Falles unter einen Gesetzestext erschöpft. Die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs steuert von vornherein Richtung und Intensität der gerichtlichen Ermittlungen, deren Ergebnisse wiederum auf die (weitere) Konkretisierung des Rechtsbegriffs zurückwirken. Dies lässt sich methodologisch als mit-normative Wirkung von Sachbereichselementen beschreiben und kommt in der Rechtspraxis beispielsweise darin zum Ausdruck, dass Verwaltung und Tatsachengerichte nach der Rechtsprechung des BSG den durch das BSG initiierten Vorgang der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs mit Hilfe empirisch-statistischer Wohnungsmarktanalysen zu vervollständigen haben.
- 151
Aus diesem Grund sieht sich die Kammer weder dazu verpflichtet noch dazu in der Lage, der Frage, wie die Angemessenheitsgrenze bei Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift im konkreten Fall zu bestimmen wäre, zur Klärung der Entscheidungserheblichkeit vorzugreifen und auf dieser Basis eine gegebenenfalls erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Eine Beweisaufnahme würde die Vorlage an das BVerfG nicht vermeiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.01.1978 - 2 BvL 8/77 - Rn. 56), weil sie nicht dazu geeignet wäre, das Entscheidungsspektrum der Kammer soweit einzuschränken, dass nur noch ein mit dem Falle der Nichtigkeit der Vorschrift identisches Ergebnis vertretbar wäre. Die üblicherweise geforderte klare Entscheidungsalternative bei Nichtigkeit der Vorschrift einerseits und bei Gültigkeit andererseits (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 06.11.1957 - 2 BvL 12/56 u. a. - Rn. 12; BVerfG, Beschluss vom 22.04.1986 - 2 BvL 6/84 - Rn. 32; BVerfG, Beschluss vom 07.12.1988 - 1 BvL 27/88 - Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 01.04.2014 - 2 BvL 2/09 - Rn. 44; BVerfG, Beschluss vom 19.11.2014 - 2 BvL 2/13 - Rn. 38), kann und muss demzufolge nicht dargelegt werden.
- 152
Diese Ausgangssituation erfordert vielmehr eine Fortentwicklung der verfassungsprozessrechtlichen Dogmatik zur Entscheidungserheblichkeit dergestalt, dass Entscheidungserheblichkeit bereits dann gegeben ist, wenn bei Gültigkeit der Vorschrift ein Entscheidungsspektrum eröffnet wird, das eine Abweichung von der Entscheidung bei Nichtigkeit der Vorschrift ermöglicht. Diese Erweiterung ist notwendig, um Verfassungsverstöße bei bzw. durch Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe justiziabel zu machen und hierbei die Grenzen verfassungskonformer Auslegungsmöglichkeiten zu wahren. Sie ist mit dem Wortlaut des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG vereinbar, der lediglich besagt, dass es bei der Entscheidung des Gerichts auf die Gültigkeit des Gesetzes ankommen muss. Dies erfordert noch keine Festlegung, auf welche exakte Weise sich die gesetzliche Regelung im Falle ihrer Gültigkeit auf das Ergebnis der Entscheidung auswirkt. Die Entscheidungserheblichkeit ist bereits dann gegeben, wenn der für verfassungswidrig gehaltene Normbestandteil als wesentliches Eingangsdatum im Konkretisierungsprozess das Ergebnis der Endentscheidung beeinflusst (vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 31.01.1978 - 2 BvL 8/77 - Rn. 28).
- 153
3.2.3 Die Alternative zu dieser Vorgehensweise bestünde darin, die Entscheidungserheblichkeit zu verneinen, weil der unbestimmte Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ jedenfalls auch eine Entscheidung ermöglicht, die im Ergebnis einer Entscheidung bei Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II gleichkommt, beispielsweise unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der 17. Kammer des SG Mainz oder der 20. Kammer des SG Leipzig (s.o. unter A. V. 3.2.1 d).
- 154
Auf diese Weise wäre das Gericht gezwungen, seiner hypothetischen Rechtsauffassung für den Fall der Gültigkeit der Vorschrift stets die Entscheidungsalternative zu Grunde zu legen, die das gleiche Ergebnis mit sich brächte wie im Falle der Nichtigkeit der Vorschrift.
- 155
Das Gericht ist jedoch nicht dazu berechtigt oder gar verpflichtet, einer für unzutreffend gehaltenen Auffassung über die Möglichkeit einer "verfassungskonformen Auslegung" zu folgen, um die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage zu beseitigen. Dies führte zu einer faktischen Nichtanwendung der Vorschrift und damit entgegen Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG zu einer Normverwerfung, die gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG dem BVerfG vorbehalten ist.
- 156
3.2.4 Bei Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II würde dem Gericht ein gegenüber der Situation bei Nichtigkeit der Vorschrift erheblich erweitertes Entscheidungsspektrum eröffnet. Auf die Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II kommt es bei der Entscheidung des Falles somit an.
- 157
4. Die Entscheidungserheblichkeit wird ferner nicht dadurch beseitigt, dass die streitgegenständlichen Bescheide aus einem anderen Rechtsgrund aufzuheben wären und/oder dem Kläger aus anderen Rechtsgründen höhere Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zustehen könnten.
- 158
4.1 Die streitgegenständlichen Bescheide weisen keine entscheidungserheblichen formellen Mängel auf. Insbesondere ist der die früheren Bescheide ersetzende Änderungsbescheid vom 26.03.2014 sowohl begründet (§ 35 SGB X) als auch inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X). Die mit diesem Bescheid aufgehobenen älteren Bescheide wurden mit korrekter Datumsangabe und bezogen auf den betroffenen Leistungszeitraum eindeutig bezeichnet. Die Leistungsbewilligung wurde hinsichtlich der Bedarfsarten Regelbedarf, Unterkunftsbedarf und Heizungsbedarf differenziert auf die jeweiligen Bewilligungsmonate dargestellt, so dass der Bescheid auch im Hinblick auf mögliche Folgeentscheidungen nach § 22 Abs. 7 SGB II, § 22 Abs. 8 SGB II oder § 40 Abs. 4 S. 1 SGB II hinreichend bestimmt ist.
- 159
4.2 Der Kläger hat nicht aus anderen Rechtsgründen einen Anspruch auf höhere Leistungen, der das im vorliegenden Verfahren verfolgte Begehren vollständig erfüllen würde.
- 160
4.2.1 Der Kläger hat nicht aus einem von der Frage der Angemessenheit unabhängigen Rechtsgrund einen Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für die Kaltmiete.
- 161
a) Ob der Kläger in den Genuss der Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II kommen kann, hängt davon ab, ob und gegebenenfalls auf welche Weise der Begriff der Angemessenheit einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist.
- 162
Nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II sind die den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung so lange als Bedarf zu berücksichtigen, wie es dem oder der Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II knüpft in dessen erstem Halbsatz an die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II an. Diese bildet den sachlichen Bezugspunkt für die Frage, ob eine Kostensenkung unmöglich oder unzumutbar ist (vgl. zur Prüfungsreihenfolge auch BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 31).
- 163
Ohne die Frage der (konkreten) Angemessenheit zu klären, könnte eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung daher nur angenommen werden, wenn diese oder jene bereits unabhängig davon bestünde, welche Unterkunftsalternativen (oder andere Kostensenkungsmöglichkeiten) für den Leistungsberechtigten bestanden haben mögen. Rein hypothetisch könnte eine generelle Unmöglichkeit der Kostensenkung ohne Bezugnahme auf eine Angemessenheitsgrenze ansonsten nur angenommen werden, wenn es objektiv und unabhängig von näheren Eingrenzungen ("Vergleichsraum" usw.) für niemanden eine Möglichkeit gäbe, eine kostengünstigere Unterkunft als die vom Kläger bewohnte zu finden. Dass dies vorliegend nicht der Fall ist, belegen schon die von A & K im Zuge der Konzepterstellung erhobenen Angebotsmieten, die zum Teil eine geringere Kaltmiete als die vom Kläger geschuldete auswiesen.
- 164
Um § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II losgelöst von der Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zur Anwendung zu bringen, müsste der Leistungsberechtigte daher aus in seiner Person liegenden Gründen an seine konkret bewohnte Unterkunft derart gebunden sein, dass jeglicher Wohnungswechsel unmöglich oder unzumutbar wäre. Dies könnte beispielsweise aus behinderungsbedingten Gründen, aus der Verpflichtung zur Pflege von Angehörigen oder mit einer notwendig mit der Wohnung verknüpften Erwerbstätigkeit der Fall sein. Im Falle des Klägers liegen derartige Umstände nicht vor. Die vom Kläger mitgeteilten gesundheitlichen Einschränkungen schließen eine Kostensenkung durch Umzug nicht von vornherein aus. Auch die Regelhöchstfrist von sechs Monaten war im streitgegenständlichen Zeitraum bereits deutlich überschritten.
- 165
Der Kläger hat auch nicht bereits deshalb einen höheren Leistungsanspruch, weil die an ihn gerichtete Kostensenkungsaufforderung vom 05.03.2012 mangelhaft gewesen sein könnte. Der Beklagte hat in seinem Aufforderungsschreiben zwar nur eine Nettokaltmiete als Referenzmiete benannt, was nach der neueren Rechtsprechung des BSG den an die Kostensenkungsaufforderung zu stellenden Anforderungen nicht genügen würde (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 43 m.w.N.). Die Kostensenkungsaufforderung ist jedoch keine formelle Voraussetzung für eine Absenkung des anzuerkennenden Unterkunftsbedarfs nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 19). Es ist zwar auch ohne nähere Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs einleuchtend, die Entstehung einer Kostensenkungsobliegenheit an die Kenntnis derselben zu knüpfen. Diese Voraussetzung lässt sich dem Tatbestand der Unzumutbarkeit des Umzugs in dem Sinne zuordnen, dass eine Kostensenkung ohne Kenntnis der Notwendigkeit derselben vom Leistungsberechtigten nicht erwartet werden kann. Losgelöst von einer Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs muss aber insoweit genügen, dass dem Leistungsberechtigten überhaupt mitgeteilt wird, dass der Leistungsträger die bisher berücksichtigten unterkunftsbezogenen Aufwendungen für unangemessen hält und eine Absenkung der Leistung beabsichtigt. Dies hat der Beklagte dem Kläger im Schreiben vom 05.03.2012 mitgeteilt.
- 166
Die vom BSG entwickelten qualitativen Voraussetzungen für die "Wirksamkeit" der Kostensenkungsaufforderung resultieren hingegen aus einer bestimmten Auslegung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II und setzen sowohl dessen Verfassungsmäßigkeit als auch eine nähere Konkretisierung voraus. Die Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II weist bei Abstraktion von den für den vorliegenden Beschluss maßgeblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ein dem § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vergleichbar breites Spektrum an Konkretisierungs- und Entscheidungsmöglichkeiten auf. Hiervon werden auch die aus der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs abgeleiteten Voraussetzungen für den Eintritt der Kostensenkungsobliegenheit erfasst.
- 167
Daher hängt auch die Frage, ob dem Kläger die Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II zu Gute kommen kann, von der Gültigkeit der Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ab.
- 168
Dem Gericht ist es verwehrt, § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II "verfassungskonform" so auszulegen, dass in Folge der Unbestimmtheit des Angemessenheitsbegriffs eine Kostensenkung per se unmöglich oder unzumutbar wäre, gegebenenfalls vermittelt über die Behauptung, dass der Leistungsträger in Folge der Unbestimmtheit und/oder Verfassungswidrigkeit des Angemessenheitsbegriffs gar nicht dazu in der Lage sei, eine rechtmäßige Kostensenkungsaufforderung zu erteilen. Eine solche Auslegung liefe auf eine Negation der Wirkungen des Angemessenheitsbegriffs zwar nicht im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, jedoch in dessen Auswirkungen auf § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II hinaus. Eine solche Vorgehensweise käme einer Normverwerfung gleich, die dem Fachgericht wegen seiner Bindung an das Gesetz nicht gestattet ist.
- 169
b) Der Kläger hat auch keinen mit dem Klagebegehren gleichwertigen Anspruch auf Übernahme des Differenzbetrags aus tatsächlicher und berücksichtigter Kaltmiete aus § 22 Abs. 8 SGB II.
- 170
Nach § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II können Schulden übernommen werden, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II sollen Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Gemäß § 22 Abs. 8 S. 4 SGB II sollen diesbezügliche Geldleistungen als Darlehen erbracht werden. Nach § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt, solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen.
- 171
Es kann vorliegend offen bleiben, ob zwischen dem Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II und der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II ein Ausschließlichkeitsverhältnis besteht (soBerlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 188, 5. Auflage 2013) und ob eine Leistung zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft grundsätzlich nicht gerechtfertigt im Sinne des § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II sein kann (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 194, 5. Auflage 2013). Desgleichen kann offen bleiben, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 22 Abs. 8 SGB II im Falle des Klägers gegeben wären und ob ein derartiger Anspruch bereits an einer fehlenden separaten Antragstellung scheitern würde (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 3/14 R - Rn. 15). Denn jedenfalls im Hinblick auf die Rechtsfolgen würde durch die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach § 22 Abs. 8 SGB II dem Begehren des Klägers nicht vollumfänglich entsprochen. Zunächst könnte der Beklagte auf Grund des eingeräumten Ermessens (abgesehen vom Fall der Ermessensreduzierung auf Null) im Unterschied zur Verurteilung zu Leistungen nach §§ 19 Abs. 1, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II durch das Gericht nur zur Neubescheidung verpflichtet werden (§ 131 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 SGG; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 131 Rn. 12d, 11. Auflage 2014). Darüber hinaus hätte der Beklagte die Schulden im Regelfall darlehensweise zu übernehmen (§ 22 Abs. 8 S. 4 SGB II), was bereits als solches eine vergleichsweise schlechtere Rechtsposition als die begehrte vermittelt, die wegen der bei darlehensweiser Gewährung zwingenden Tilgungsregelung des § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II weiter verschlechtert würde (vgl. zu den Möglichkeiten und Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung von Sollvorschriften im Zusammenhang mit § 42a Abs. 1 S. 1 SGB II: SG Berlin, Urteil vom 22.02.2013 - S 37 AS 25006/12 - Rn. 29 ff. einerseits und SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 100 f. andererseits und Bittner in: jurisPK-SGB II, § 42a Rn. 31.1, 3. Auflage 2012, Stand: 22.07.2014).
- 172
c) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger einen Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft aus § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II hat.
- 173
Nach dieser Vorschrift muss eine Absenkung der nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Unabhängig von der umstritten Frage, ob § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II überhaupt ein subjektives Recht gewährt (verneinend: Sächsisches LSG, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12 - Rn. 202 unter Verweis auf die Gesetzesbegründung - BT-Drucks. 17/3404, S. 98; bejahend: Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 96, 5. Auflage 2013), stünde die Entscheidung, ob eine Absenkung der für unangemessen gehaltenen Aufwendungen verlangt wird, im Ermessen des Leistungsträgers (Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 96, 5. Auflage 2013), was sich aus der Wendung "muss nicht gefordert werden" im Gesetzeswortlaut ergibt. Die Frage, wann ein Wohnungswechsel in Folge zu übernehmender Umzugskosten unwirtschaftlich wäre, hinge im Übrigen wesentlich davon ab, in welchem Umfang der Leistungsberechtigte zur Senkung seiner Unterkunftskosten verpflichtet wäre. Dies ergäbe sich wiederum aus der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, sodass die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II ihrerseits von der Gültigkeit der Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II abhängt.
- 174
4.2.2 Andere Rechtsgrundlagen, die dem Kläger materiell einen höheren Leistungsanspruch verschaffen können, stellen die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage bereits deshalb nicht in Frage, weil sie zum auf höhere Leistungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II gerichteten klägerischen Begehren allenfalls hinzutreten, dieses jedoch nicht erfüllen können. Deshalb hängt die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nicht von der Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs nach § 20 SGB II ab (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13), unabhängig davon, ob von einer Trennbarkeit der Streitgegenstände Regelbedarf und Unterkunftsbedarf ausgegangen wird. Auch die im vorliegenden Verfahren gegebenenfalls noch zu klärende Frage, ob ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II auf Grund eines Diabetes mellitus Typ II zu berücksichtigen ist, berührt die Entscheidungserheblichkeit nicht. Gemessen an der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R - Rn. 25 ff.) dürfte dem Kläger ohnehin frühestens ab dessen Kenntnis von der ernährungsrelevanten Erkrankung ein Mehrbedarf zustehen, die er erst im Zuge der Krankenhausbehandlung Ende März 2014 erlangte.
- 175
Desgleichen lässt es die Entscheidungserheblichkeit unberührt, dass der Kläger einen höheren Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung im Hinblick auf die im Dezember 2013 an den Energielieferanten zu entrichtende Nachzahlung und auf eine - schätzungsabhängig - weitergehende Berücksichtigung von laufenden Stromkosten als Heizkosten haben könnte. Denn diese Positionen stellten eine Erhöhung der tatsächlichen Aufwendungen dar, die zur nicht vollständig berücksichtigten Kaltmiete hinzuträten und das Klagebegehren somit nicht erschöpfen würden. Entsprechendes gilt für die Frage, ob der Kläger noch Mietaufwendungen für die Garage schuldet und diese als Unterkunftskosten zu berücksichtigen wären.
- 176
4.2.3 Die Entscheidungserheblichkeit wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beklagte für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 zur Gewährung höherer Leistungen verurteilt werden könnte, weil die Teilaufhebung der Leistungsbewilligung mit Änderungsbescheid vom 15.01.2014 rechtwidrig gewesen sein könnte und deshalb aufzuheben wäre.
- 177
Die mit dem Änderungsbescheid vom 15.01.2014 verfügte und in den Folgeänderungen aufrechterhaltene teilweise Aufhebung des Bescheids vom 06.01.2014 ist entgegen der Begründung des Bescheids am Maßstab des § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB X zu messen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist § 48 Abs. 1 SGB X nicht einschlägig, da der zurückzunehmende Bescheid vom 06.01.2014 bereits nach Erlass des Rentenbescheids vom 17.12.2013 ergangen ist, so dass in der Sach- und Rechtslage bezüglich der Rentenbewilligung nach dem 06.01.2014 keine Änderung mehr eingetreten ist. Vielmehr war der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 von Beginn an rechtswidrig zu Gunsten des Klägers, soweit die ab dem 01.02.2014 zu erwartende Rentenzahlung nicht als Einkommen berücksichtigt wurde.
- 178
Nach § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen bereits verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Da die teilweise Rücknahme der Leistungsbewilligung ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft (ab dem 01.02.2014) erfolgte, der Kläger die Leistungen zum Zeitpunkt der Rücknahme dementsprechend noch nicht erhalten hatte, konnte er sie auch noch nicht verbraucht haben. Für im Vertrauen auf noch auszuzahlende Leistungen getätigte Vermögensdispositionen gibt es keine Anhaltspunkte. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 15.01.2014 noch kein schutzwürdiges Vertrauen aufgebaut hatte, das einer teilweisen Rücknahme der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Zukunft entgegenstünde.
- 179
Die Teilaufhebung könnte allerdings deshalb rechtwidrig sein, weil der Beklagte bei Erlass des Änderungsbescheides vom 15.01.2014 kein Ermessen ausgeübt hat. Für Rücknahmen rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakte nach § 45 SGB X sieht § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nur eine gebundene Entscheidung vor, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X vorliegen, also entweder eine Erwirkung des Verwaltungsaktes durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung, das Beruhen des Verwaltungsaktes auf vorsätzlich oder grob fahrlässig getätigten unrichtigen oder unvollständigen Angaben oder die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Nach derzeitigem Verfahrensstand käme allenfalls eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 06.01.2014 in Betracht, wobei auch hierfür keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen.
- 180
Bei Fehlen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X hätte der Beklagte eine Ermessensentscheidung zu treffen gehabt (Conradis in: LPK-SGB II, § 40 Rn. 15, 5. Auflage 2013). Der Änderungsbescheid vom 15.01.2014 enthält keine Ermessenserwägungen. Dies gilt auch für die Änderungsbescheide vom 30.01.2014 und vom 26.03.2014. Dem liegt die ausdrücklich geäußerte Auffassung des Beklagten zu Grunde, dass ein Fall des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X vorliege. Hierüber hätte gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III eine gebundene Entscheidung zu ergehen.
- 181
Eine Heilung des Ermessensfehlers wäre jedoch zumindest durch Erlass eines Gegenstandsbescheids nach § 96 Abs. 1 SGG denkbar (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 A 1/03 R - Rn. 17; Waschull in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, § 41 Rn. 14, 3. Auflage 2011), solange die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X noch nicht abgelaufen ist.
- 182
Ob die Voraussetzungen für die mit Bescheid vom 15.01.2014 erfolgte teilweise Rücknahme des Änderungsbescheids vom 06.01.2014 gegeben waren, musste von der vorlegenden Kammer noch nicht abschließend geklärt werden, da der ebenfalls streitgegenständliche Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.01.2014 hiervon nicht betroffen ist und diese Frage auf die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage somit keinen Einfluss hat.
VI.
- 183
Das BVerfG hat sich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II noch nicht befasst, so dass der Zulässigkeit der Vorlage nicht der Einwand der Rechtskraft nach § 31 Abs. 1 BVerfGG entgegensteht (vgl. zu dieser Voraussetzung BVerfG, Beschluss vom 30.05.1972 - 1 BvL 18/71 - Rn. 18).
- 184
1. Im Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 07.11.2007 (1 BvR 1840/07) wird § 22 SGB II erwähnt, die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift jedoch nicht geprüft.
- 185
2. Im Nichtannahmebeschluss vom 25.11.2009 (1 BvR 2515/09 - Rn. 7) führt die 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG an, dass sich aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG ergebe, dass es sich bei den Kosten für Renovierungsarbeiten, die während eines laufenden Mietverhältnisses vorgenommen werden, nicht um angemessene Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II handele, wenn der Hilfebedürftige hierzu nach dem Mietvertrag nicht wirksam verpflichtet sei und sie auch nicht zur Aufrechterhaltung der Bewohnbarkeit der Wohnung erforderlich seien. Das BVerfG referiert hier die Rechtsprechung des BSG unter Bezugnahme auf das Urteil vom 16.12.2008 (B 4 AS 49/07 R - Rn. 28) dergestalt, dass dieses hinsichtlich der "Bewohnbarkeit" der Wohnung auf einen einfachen Ausstattungsgrad oder auf einen Ausstattungsstandard im unteren Wohnungssegment abgestellt habe, ohne diese Frage einer eigenen, verfassungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen. Gegenstand dieses Verfahrens war eine Verfassungsbeschwerde, die sich auf eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG sowie auf eine Verletzung Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 Abs. 3 GG stützte. Eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wurde - soweit dies dem Beschlusstext entnommen werden kann - nicht geltend gemacht und wurde vom BVerfG auch nicht geprüft.
- 186
3. Im Urteil vom 09.02.2010 hat das BVerfG (1 BvL 1/09 u.a.) die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht geprüft. Streitgegenstand war ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der damaligen Regelleistung (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 1, 85, 99, 106, 125, 126, 127, 129). Mit der Formulierung, "§ 22 Abs. 1 SGB II stell(e) die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher" (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148), hat das BVerfG erkennbar weder eine Prüfung der Regelung als solcher noch der hierzu ergangenen fachgerichtlichen Rechtsprechung durchgeführt (vgl. auch Stölting in: jurisPK-SGB XII, § 35a Rn. 10, 2. Auflage 2014, Stand 25.06.2014). Das BVerfG formuliert vielmehr einen Anspruch oder ein Postulat, äußert sich aber nicht zu der Frage, ob § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verfassungswidrig ist. Diese Frage war im Urteil vom 09.02.2010 nicht streitgegenständlich, so dass das BVerfG nicht zur Entscheidung hierüber befugt war (§ 81 BVerfGG). Soweit in der zitierten Formulierung zum Ausdruck gebracht wird, dass § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II grundsätzlich zur Verschaffung existenzsichernder Leistungen für die Unterkunft geeignet ist, ist dem zuzustimmen. Dies ergibt sich daraus, dass nach dem ersten Halbsatz der Regelung grundsätzlich der tatsächliche Bedarf zu berücksichtigen ist.
- 187
4. Im Nichtannahmebeschluss vom 24.03.2010 (1 BvR 395/09 - Rn. 3) war ebenfalls nur die Regelleistung Gegenstand der Prüfung.
- 188
5. Im Nichtannahmebeschluss vom 07.07.2010 (1 BvR 2556/09 - Rn. 25) findet § 22 SGB II nur am Rande Erwähnung.
- 189
6. Im stattgebenden Kammerbeschluss des BVerfG vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11) war die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ebenfalls nicht Gegenstand der Prüfung. Das BVerfG stellt hier lediglich fest, dass die im dem Verfahren vor dem BVerfG zu Grunde liegenden Gerichtsverfahren aufgeworfene Rechtsfrage, ob die den Beschwerdeführern tatsächlich entstehenden Kosten der Unterkunft als angemessen anzusehen seien, zum gängigen Geschäft eines Sozialgerichts gehöre und diese Frage bereits bei Klageerhebung in den Grundzügen höchstrichterlich geklärt gewesen sei (BVerfG, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 BvR 232/11 - Rn. 23). Das BVerfG erläutert dann kurz den Stand der Rechtsprechung des BSG zur Frage der Angemessenheit, ohne diese einer verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen (BVerfG, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 BvR 232/11 - Rn. 25). Dass eine solche Prüfung dort unterblieben ist, war folgerichtig, da die streitgegenständliche Verfassungsbeschwerde sich lediglich gegen die (vermeintlich) überlange Verfahrensdauer vor einem Sozialgericht gerichtet hatte. Die Frage, ob ein Gericht in angemessener Zeit entscheiden kann, ist unterscheidbar und zu unterscheiden von der Frage, ob die Entscheidung auf Grund einer verfassungsgemäßen Norm oder auf welche Weise verfassungskonform zu erfolgen hat. Eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Normen wäre deshalb fehl am Platze gewesen und entspräche auch nicht der Zurückhaltung, die sich das BVerfG bei der Prüfung fachgerichtlicher Entscheidungen nach eigenem Selbstverständnis auferlegt (vgl. Baer, NZS 2014, S. 4).
- 190
7. Im Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) spielt die Angemessenheit von Unterkunftsleistungen bzw. -bedarfen keine Rolle. Es wird lediglich am Rande erwähnt, dass Kosten für Unterkunft und Heizöl nach dem AsylbLG in tatsächlicher Höhe gedeckt würden (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 83).
- 191
8. Der Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 29.05.2013 (1 BvR 1083/09) enthält keinerlei Ausführungen zum Verhältnis von § 22 SGB II zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.
- 192
9. Auch im Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.) unterlagen nur die Leistungen für den Regelbedarf der verfassungsrechtlichen Prüfung. Hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung hält das BVerfG lediglich fest, dass nach § 22 Abs. 1 SGB II die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen würden (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 90).
- 193
10. Die Behauptung, das BVerfG habe die Rechtsprechung des BSG zum Begriff der Angemessenheit bereits gebilligt (Luik, jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 12 ff.; SG Karlsruhe, Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 49 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 104/14 - Rn. 43; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 3878/11 - Rn. 44), erweist sich somit als haltlos. Es trifft auch nicht zu, dass es für den 1. Senat des BVerfG nahegelegen hätte, in seiner Entscheidung über die Regelleistungen des Arbeitslosengeldes II gemäß § 78 S. 2 BVerfGG auch § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II aus denselben Gründen für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären (so aber SG Dresden, Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 57). Im Gegenteil hätte es eine Kompetenzüberschreitung des BVerfG bedeutet, eine Norm für verfassungswidrig zu erklären, auf deren Gültigkeit es im zu entscheidenden Verfahren nicht ankam.
VII.
- 194
Einer Rüge der Nichtigkeit der Rechtsvorschrift durch die Beteiligen bedarf es nicht (§ 80 Abs. 3 BVerfGG).
B.
- 195
§ 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist verfassungswidrig. Die Regelung verstößt gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz der Menschenwürde) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip).
I.
- 196
Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133).
- 197
1. Mit dem Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.), bestätigt und ergänzt durch das Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) und den Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.), hat das BVerfG die auf Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) gestützte staatliche Pflicht zur Existenzsicherung subjektivrechtlich fundiert und ein Recht auf parlamentsgesetzliche Konkretisierung in strikten einfachgesetzlichen Anspruchspositionen konstituiert (soRixen, SGb 2010, S. 240). Bereits mit Beschluss vom 12.05.2005 hatte das BVerfG klargestellt, dass die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates sei, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. 28).
- 198
Im Urteil vom 09.02.2010 stellt das BVerfG nicht nur prozedurale Anforderungen an die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums an einen beliebigen (staatlichen) Akteur, sondern weist die Bestimmung des Anspruchsinhalts auch einem konkreten Adressaten, dem Bundesgesetzgeber, zu. Der Bundesgesetzgeber steht, da er von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Recht der öffentlichen Fürsorge aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG umfassend Gebrauch gemacht hat (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 181), demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteht (Berlit in: LPK-SGB II, § 22a Rn. 6, 5. Auflage 2013). Hiermit hat das BVerfG das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG als Gewährleistungsrecht im Sozialrecht aktiviert (Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 275).
- 199
2. Das BVerfG entwickelt das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Das Menschenwürdeprinzip aus Art. 1 Abs. 1 GG wird dabei als eigentliche Anspruchsgrundlage herangezogen, während das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG im Sinne eines Gestaltungsgebots mit erheblichem Wertungsspielraum verstanden wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 62). Das auf dieser Grundlage bestimmte Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG demnach neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133).
- 200
Der unmittelbare verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nach den Ausführungen des BVerfG nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet hierbei das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, da der Mensch als Person notwendig in sozialen Bezügen existiert (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 135).
- 201
Das BVerfG führt hierzu weiter aus, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch ein Parlamentsgesetz erfolgen müsse, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthalte. Aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gelte in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz gehe. Zudem könne sich der von Verfassungs wegen bestehende Gestaltungsspielraum des Parlaments nur im Rahmen eines Gesetzes entfalten und konkretisieren. Schließlich sei die Begründung von Geldleistungsansprüchen auch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte verbunden. Derartige Entscheidungen seien dem Gesetzgeber vorbehalten (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136). Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkomme, sei das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 137).
- 202
Der Umfang des Anspruchs könne im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Er hänge von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und sei danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG halte den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen. Die hierbei erforderlichen Wertungen kämen dem parlamentarischen Gesetzgeber zu. Ihm obliege es, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren. Ihm komme Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Dieser umfasse die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und sei zudem von unterschiedlicher Weite: Er sei enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiere, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehe (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 138).
- 203
Zur Konkretisierung des Anspruchs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen. Hierzu habe er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibe ihm dafür keine bestimmte Methode vor (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 139). Es komme dem Gesetzgeber zu, die Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auszuwählen. Die getroffene Entscheidung verändere allerdings nicht die grundrechtlichen Maßstäbe (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 78).
- 204
3. Zum (verfassungs-)gerichtlichen Prüfungsmaßstab führt das BVerfG aus, dass dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums eine zurückhaltende Kontrolle durch das BVerfG entspreche.
- 205
Das Grundgesetz selbst gebe keinen exakt bezifferten Anspruch vor. Deswegen könne auch der Umfang dieses Anspruchs im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und der dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Dem BVerfG komme nicht die Aufgabe zu, zu entscheiden, wie hoch ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums sein müsse. Es sei zudem nicht seine Aufgabe, zu prüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung zur Erfüllung seiner Aufgaben gewählt habe. Aus verfassungsrechtlicher Sicht komme es vielmehr entscheidend darauf an, dass die Untergrenze eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht unterschritten werde und die Höhe der Leistungen zu dessen Sicherung insgesamt tragfähig begründbar sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 80).
- 206
Die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz beschränke sich darauf, ob die Leistungen evident unzureichend seien. Diese Kontrolle beziehe sich auf die Höhe der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienten, diese Höhe zu bestimmen. Evident unzureichend seien Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich sei, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen könnten, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 81).
- 207
Jenseits der Evidenzkontrolle überprüfe das BVerfG, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen seien. Das BVerfG setze sich dabei nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers, sondern überprüfe lediglich die gesetzgeberischen Festlegungen zur Berechnung von grundgesetzlich nicht exakt bezifferbaren, aber grundrechtlich garantierten Leistungen. Ließen sich diese nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stünden sie mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG im Einklang (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 82).
- 208
Entscheidend sei, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichte und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs tragfähig begründet werden könnten (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 76). Die sich aus der Verfassung ergebenden Anforderungen an die methodisch sachgerechte Bestimmung grundrechtlich garantierter Leistungen bezögen sich nicht auf das Verfahren der Gesetzgebung, sondern auf dessen Ergebnisse. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG bringe für den Gesetzgeber keine spezifischen Pflichten im Verfahren mit sich. Entscheidend sei, ob sich die Höhe existenzsichernder Leistungen durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen sachlich differenziert begründen lasse. Das Grundgesetz enthalte in den Art. 76 ff. GG zwar Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren, die auch die Transparenz der Entscheidungen des Gesetzgebers sicherten. Das parlamentarische Verfahren mit der ihm eigenen Öffentlichkeitsfunktion sichere so, dass die erforderlichen gesetzgeberischen Entscheidungen öffentlich verhandelt würden und ermögliche, dass sie in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert würden. Die Verfassung schreibe jedoch nicht vor, was, wie und wann genau im Gesetzgebungsverfahren zu begründen und zu berechnen sei, sondern lasse Raum für Verhandlungen und für den politischen Kompromiss. Das Grundgesetz verpflichte den Gesetzgeber insofern auch nicht, durch Einbeziehung aller denkbaren Faktoren eine optimale Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen. Darum zu ringen sei vielmehr Sache der Politik (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77).
- 209
Zur Ermöglichung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle bestehe für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Komme er dieser Obliegenheit nicht hinreichend nach, stehe die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 144).
- 210
4. Die vorlegende Kammer ist gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG an die vom BVerfG für das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.), im Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) und im Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.) entwickelten Maßstäbe gebunden. Die Bindungswirkung der Entscheidungen des BVerfG umfasst in sachlicher Hinsicht nicht nur die Entscheidungsformel, sondern auch die tragenden Gründe der Entscheidung (BVerfG, Entscheidung vom 20.01.1966 - 1 BvR 140/62 - Rn. 40; BVerfG, Beschluss vom 10.06.1975 - 2 BvR 1018/74 - Rn. 13 f.; vgl. BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 27.01.2006 - 1 BvQ 4/06 - Rn. 27 ff. ; vgl. Gaier, JuS 2011, S. 961).
- 211
5. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des BVerfG aber auch grundsätzlich an. Die Entwicklung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Umstand geschuldet, dass sowohl die Menschenwürdegarantie als auch das Sozialstaatsprinzip als echte, einklagbare, verfassungsrechtliche Garantien verstanden werden, nicht nur als bloße Programmsätze. Ein menschenwürdiges Leben, zu dessen Achtung und Schutz alle staatliche Gewalt nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet ist, kann nur mit einem Mindestmaß an materiellen und sozialen Ressourcen geführt werden (vgl. Schulz, SGb 2010, S. 203 f.). Der Schutz der Menschenwürde liefe ohne Rücksicht auf ihre ökonomischen Bedingungen ins Leere (Drohsel, NZS 2014, S. 99). Vor diesem Hintergrund erscheint es auch vertretbar, das Grund- und Menschenrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums allein auf Art. 1 Abs. 1 GG zu stützen (vgl. Tiedemann, NVwZ 2012, S. 1032 f.).
- 212
5.1 Das Bekenntnis zum Sozialstaat bedingt die (Selbst-)Verpflichtung des Staates und der ihn tragenden Gesellschaft, ein solches menschenwürdiges Leben auch denen zu garantieren, die hierfür nicht aus eigener Kraft (bzw. mit den Mitteln, die ihnen Staat und Gesellschaft anderweitig durch Bildung, Infrastruktur etc. zur Verfügung stellen) sorgen können. Die objektive staatliche Verpflichtung zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums enthält auch die Verpflichtung, Hilfebedürftigen einen Anspruch auf die Leistung zu verschaffen (so bereits BVerfG, Urteil vom 07.06.2005 - 1 BvR 1508/96 - Rn. 48; vgl. Baer, NZS 2014, S. 3). Diese subjektivrechtliche Seite der verfassungsrechtlichen Garantie ist eine zwingende Folge daraus, dass Art. 1 Abs. 1 GG als echte Rechtsnorm verstanden wird. Ohne subjektivrechtliche Fundierung liefe die Garantie der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ins Leere, sie wäre abhängig von der jeweiligen Staatsräson und vollständig Verhandlungsmasse im politischen Prozess (vgl. Spellbrink, NZS 2010, S. 653). Der Hilfebedürftige bliebe Almosenempfänger (Baer, NZS 2014, S. 3). Insofern ist es konsequent, die Garantie der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums terminologisch und dogmatisch in den Rang eines Grundrechts und Menschenrechts (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - Rn. 62) zu erheben.
- 213
5.2 Die Unverfügbarkeit des Grundrechts (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 74) resultiert aus dessen Verankerung im Grundsatz der Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), insofern hierin der Schutz der Selbstbestimmung des Menschen auf Grund seines Eigenwerts angesprochen wird (vgl. Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 10, 4. Auflage 1999). Der Mensch kann seinen Achtungsanspruch nach Art. 1 Abs. 1 GG nicht verwirken, auch nicht durch selbst zu verantwortende Handlungen. Die vom BVerfG hervorgehobene Unverfügbarkeit "dem Grunde nach" bringt lediglich zum Ausdruck, dass hinsichtlich der Art und Höhe der existenzsichernden Leistungen ein Gestaltungsspielraum besteht. Die Verwendung dieser Formulierung ist abzugrenzen von einem lediglich "grundsätzlich" bestehenden Recht, welches im Ausnahmefall auch nicht bestehen kann. Die Verpflichtung zur "Konkretisierung" und "Aktualisierung" (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 74) bedeutet keine Einschränkungsbefugnis.
- 214
Bei der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Sicherung des Existenzminimums geht es nicht darum, bestimmte Lebensentwürfe zu ermöglichen, sondern das physische Überleben und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe des Menschen im Falle der Hilfebedürftigkeit unabhängig von dessen Lebensentwurf zu garantieren. Der Staat kann Art und Höhe der Gewährung von Sozialleistungen generell zwar von der Erfüllung von Verhaltenserwartungen abhängig machen, nicht jedoch die Gewährleistung des Existenzminimums. Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 137).
- 215
Die Gewährung existenzsichernder Leistungen darf deshalb nicht von der Erfüllung von Gegenleistungen oder von bestimmten Handlungen durch den Hilfebedürftigen abhängig gemacht werden (a.A. wohl Berlit, info also 2013, S. 201 f.). Dies lässt die Zulässigkeit der Schaffung von Mitwirkungsobliegenheiten unberührt, die dazu dienen, festzustellen, ob Hilfebedürftigkeit überhaupt besteht (vgl. §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -; vgl. auch Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 290). Die Unverfügbarkeit des Grundrechts ist nicht durch den Verweis auf ein Prinzip der Selbstverantwortlichkeit, das gleichfalls ein Gebot der Menschenwürde sei, zu relativieren (in diese Richtung Görisch, NZS 2011, S. 648; Berlit, info also 2013, S. 200; weitere Nachweise bei Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 390). Auch wenn nach bestimmten Menschenwürdekonzeptionen Erwerbsarbeit zur Würdeverwirklichung gehört, folgt hieraus nicht, dass der ebenfalls der Menschenwürdegarantie unterfallende Schutz des physischen und soziokulturellen Existenzminimums bei Verstoß gegen Erwerbsobliegenheiten wegfallen dürfte. Aus der Einbeziehung der Selbstverwirklichung durch Erwerbsarbeit in den Schutz der Menschenwürdegarantie könnte allenfalls gefolgert werden, dass der Staat derartige Selbstverwirklichung nicht verhindern darf und möglichst fördern sollte. Einer hilfebedürftigen Person existenzsichernde Leistungen vorzuenthalten, weil sie beispielsweise einer Erwerbsarbeit nicht nachgehen will, mag eine sozialpolitische Wunschvorstellung sein; die Annahme, dass dies als ein Ausdruck der Anerkennung der Menschenwürde des Betroffenen erscheinen könne (vgl. Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 390; Berlit, info also 2013, S. 200), liegt jedoch fern. Schließlich ist mit dem Anspruch auf existenzsichernde Leistungen kein Verbot der Selbstverwirklichung durch Erwerbsarbeit verbunden. Die Einräumung eines Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen kann für sich genommen die Menschenwürde nicht verletzen.
- 216
Die Beschränkung der Reichweite des Schutzes durch Art. 1 Abs. 1 GG durch Anreicherung des Menschenwürdebegriffs mit bestimmten Vorstellungen vom „guten“, "eigenverantwortlichen" oder „gemeinschaftsdienlichen“ Leben hätte letztendlich zur Folge, dass die Verwirklichung der Würde des Menschen Staats- oder Gemeinschaftszwecken untergeordnet werden dürfte. Dies zu verhindern, ist gerade der Sinn des Art. 1 Abs. 1 GG, der die Menschenwürde für unantastbar erklärt.
- 217
Die Verankerung des Existenzsicherungsgrundrechts in der Menschenwürdegarantie schließt es somit aus, die Frage, wem existenzsichernde Leistungen zu gewähren sind, vom durch demokratischen Mehrheitsbeschluss zugeschriebenen Wert eines Menschen oder seiner Handlungen für die Gesellschaft abhängig zu machen (vgl. Spellbrink, NZS 2010, S. 653).
- 218
Einschränkungen des materiellen Anspruchs der Höhe nach sind daher verfassungswidrig, wenn sie dazu führen, dass die Höhe der verbliebenen Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz evident unzureichend ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 81) oder sich durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen nicht sachlich differenziert begründen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 82). An diesem verfassungsrechtlichen Maßstab sind die im SGB II vorgesehenen Leistungseinschränkungen zu prüfen (neben § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II z.B. auch § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II, § 22 Abs. 5 S. 4 SGB II, § 31a Abs. 1 S. 1 SGB II, § 32 Abs. 1 S. 1 SGB II, § 42a Abs. 1 S. 1 SGB II, § 43 Abs. 2 S. 1 SGB II). Dies betrifft beispielsweise Leistungskürzungen durch Sanktionen (§ 31a SGB II, § 32 SGB II), die nur dann nicht verfassungswidrig sind, wenn trotz der Leistungskürzung noch das gesamte Existenzminimum einschließlich eines zumindest geringfügigen Maßes an sozialer Teilhabe gedeckt ist (Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 297 f.). Da es dem Gesetzgeber freisteht, den Leistungsanspruch über das Existenznotwendige hinaus zu erweitern, verstoßen Abstufungen in der Leistungshöhe, die verhaltenssteuernde Wirkung entfalten sollen, nicht automatisch gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07.07.2010 - 1 BvR 2556/09 - Rn. 9).
- 219
Leistungsausschlüsse dem Grunde nach, die trotz bestehender Hilfebedürftigkeit eintreten und durch kein anderes existenzsicherndes Leistungssystem (z.B. durch Leistungen nach dem SGB XII oder nach dem AsylbLG) aufgefangen werden, sind per se verfassungswidrig, da sie evident die Gewähr dafür entziehen, ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist. Nicht bedarfsbezogene Ausschlusstatbestände unter Missachtung der Grenzfunktion des Gesetzeswortlauts im Wege einer "teleologischen Gesetzeskorrektur" noch auszuweiten (so Hessisches LSG, Beschluss vom 11.12.2014 - L 7 AS 528/14 B ER - Rn. 57), verstößt daher nicht nur gegen das Gebot der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 97 Abs. 1 GG), sondern - falls kein anderes Existenzsicherungssystem greift - auch gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.
- 220
Die in den Nichtannahmebeschlüssen des BVerfG vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11) und vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11) geäußerte Auffassung, der Leistungsausschluss von Auszubildenden in § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II a.F. verletze das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht, da existenzielle Bedarfe, soweit sie durch die Ausbildung entstünden vorrangig durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) beziehungsweise nach dem SGB III gedeckt würden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08.10.2014 - 1 BvR 886/11 - Rn. 13), obwohl diese Leistungssysteme bedarfsunabhängige Ausschlussgründe vorsehen, stellt demgegenüber einen nicht ohne weiteres nachvollziehbaren Bruch mit der im Urteil vom 09.02.2010 entwickelten Dogmatik dar. Denn es ist unklar, weshalb die zur Voraussetzung der Gewährung existenzsichernder Leistungen gemachte Verhaltenserwartung des Abbruchs der Ausbildung oder des Studiums mit dem Axiom der Unverfügbarkeit des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sein könnte.
- 221
Das Grundrecht ist - unbeschadet der Beschlüsse des BVerfG vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11) und vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11) - dem Grunde nach unverfügbar und insoweit - wie es der überkommenen Dogmatik der Menschenwürdegarantie entspricht - "abwägungsfest" (Baer, NZS 2014, S. 3).
- 222
5.3 Dass das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum bei der Gestaltung des einfachrechtlichen Anspruchs belässt, gründet darauf, dass die normative Einschätzung dessen, was für ein menschenwürdiges Leben unter konkreten gesellschaftlichen Bedingungen erforderlich ist, nur im Wege eines politischen Prozesses erfolgen kann, dessen Durchführung unter den verfassungsrechtlichen Bedingungen einer parlamentarischen Demokratie den gewählten Legislativorganen obliegt. Der materielle Gehalt des Grundrechts muss im Gesetzgebungsprozess konkretisiert werden (vgl. jedoch zur Kritik an der sozialpolitischen "Leere" des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010: Schnath, NZS 2010, S. 298; zur Kritik an der eingeschränkten Überprüfbarkeit: Neskovic/Erdem, SGb 2012, S. 137 f.).
- 223
Der Einwand, das BVerfG entziehe die gesellschaftlich streitbare Frage nach der Reichweite der staatlichen Verpflichtung zur Absicherung des Existenzminimums durch Verankerung des Grundrechts in Vorschriften, die der Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG) unterliegen, für die Ewigkeit dem politischen Diskurs und schwäche hiermit das demokratische Prinzip (Groth, NZS 2011, S. 571; kritisch auch Rixen, NZS 2011, S. 333), vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen. Formal schwächt jedes Grundrecht und jede verfassungsrechtliche Bindung der Legislative die Demokratie, wenn man diese auf den Gesetzgebungsakt reduziert und die Voraussetzungen für den demokratischen Prozess (z.B. Meinungsfreiheit, soziale Teilhabe) ausblendet (vgl. auch Luik, jurisPR-SozR 4/2010 Anm. 1). Die Konstituierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch das BVerfG als "Gewährleistungsrecht" zwingt die Legislativorgane jedoch dazu, den demokratischen Prozess, der sich nicht im Gesetzgebungsakt erschöpft, praktisch zu realisieren, auch wenn grundsätzlich nur dessen Ergebnis einer (verfassungs-)gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
- 224
Die scheinbar entgegengesetzte Kritik, das BVerfG überlasse das Grundrecht weitestgehend der Disposition des nur bedingt gebundenen Gesetzgebers (Neskovic/Erdem, SGb 2012, S. 138), verdeutlicht die Kompromisshaftigkeit der vom BVerfG entwickelten Dogmatik. Bei der Konstruktion des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums werden Menschenwürdegarantie und Sozialstaatsprinzip mit dem Demokratieprinzip harmonisiert. Eine Lösung, die diese Verfassungsgrundsätze besser miteinander in Einklang bringt, ist der vorlegenden Kammer nicht ersichtlich.
- 225
5.4 Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums stellt an ein Staatswesen, welches den Schutz und die Achtung der Menschenwürde zum obersten Staatsziel erklärt und der Verfassung voranstellt (Art. 1 Abs. 1 GG) und sich als "sozial" bezeichnet (Art. 20 Abs. 1 GG), keine überzogenen Anforderungen, insbesondere nicht im Hinblick auf die Finanzierung (vgl. zu diesbezüglichen Vorbehalten gegenüber sozialen Menschenrechten: Wimalasena, KJ 2008, S. 4 f.). Letzteres wird dadurch gesichert, dass der Gesetzgeber in Ausübung seines Gestaltungsspielraums bei der inhaltlichen Bestimmung des Grundrechts den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsstand berücksichtigen kann und muss. Das Grundrecht ist zwar dem Grunde nach unverfügbar und abwägungsfest, der Höhe nach aber nicht vom gesellschaftlichen Wohlstand und dessen ökonomischen Grundlagen entkoppelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 74).
- 226
6. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums garantiert nicht nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Regelbedarfen (gegebenenfalls ergänzt durch Mehrbedarfe) zusammengefasst sind (§§ 20, 21 SGB II), sondern auch die Bedarfe für Unterkunft und Heizung (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 135; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 64; Bieresborn, jurisPR-SozR 12/2007 Anm. 2; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, S. 144 ff.; dies. in: Hauck/Noftz, § 22 SGB II Rn. 6, Stand Oktober 2012; Berlit in: LPK-SGB II, §22a Rn. 6, 5. Auflage 2013; ders., info also 2011, S. 195; Piepenstock in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 31, 3. Auflage 2012; Mutschler, NZS 2011, S. 481; Kofner, WuM 2011, S. 72; Knickrehm, SozSich 2010, S. 191; dies., NZM 2013, S. 602 ff.; dies., jM 2014, S. 339; Putz, SozSich 2011, S. 233, Klerks, info also 2011, S. 196; Gautzsch, NZM 2011, S. 498 f.; Rosenow, wohnungslos 2012, S. 56; Stölting in: Eicher, SGB II, § 1 Rn. 16, 3. Auflage 2013; Groth, SGb, 2013, S. 250; Axer, SGb 2013, S. 671; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 90; vgl. bereits Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rn. 5, 1. Auflage 2005).
- 227
Die Versorgung mit einer Unterkunft und Schutz gegen Kälte in dieser Unterkunft gehören zu den durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Grundbedürfnissen des Menschen jedenfalls unter den gegenwärtigen klimatischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. Die Möglichkeit der Nutzung irgendeiner Form von bewohnbarer Unterkunft gehört bereits zum physischen Existenzminimum (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.09.2013 - L 36 AS 1414/12 NK - Rn. 47). Darüber hinaus gehören Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auch zum sozialen Teilhabebedarf, also zum soziokulturellen Existenzminimum, dessen Realisierung in einem Leistungsanspruch nach der Rechtsprechung des BVerfG einem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unterliegt (vgl. Groth, SGb, 2013, S. 250: „Für Bezieher von Grundsicherungsleistungen bedeuten Wohnung und Wohnumfeld Rückzugs- und Identifikationsräume, deren Preisgabe einen vielfach ohnehin empfundenen sozialen Abstieg nach außen sichtbar machen würde.").
- 228
Es besteht kein derartiger Unterschied zwischen den Bedarfen zur Sicherung des (sonstigen) Lebensunterhalts und den Bedarfen zur Sicherung von Unterkunft und Heizung, der es rechtfertigen würde, dass für die Bestimmung des Unterkunftsbedarfs andere verfassungsrechtliche Maßstäbe herangezogen werden könnten als für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dies schließt allerdings nicht aus, die Gewährung des Unterkunftsbedarfs auf andere Weise als den Regelbedarf zu gestalten. Die vom Gesetzgeber im Grundsatz gewählte Möglichkeit, den Unterkunftsbedarf als Geldleistung im Rahmen des Gesamtanspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld auszugestalten, ist nur eine von mehreren denkbaren Varianten (vgl. Schmidt, NVwZ 1995, S. 1045; Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 17, 5. Auflage 2013).
- 229
Die (verfassungsrechtliche) Notwendigkeit der näheren Bestimmung durch den Gesetzgeber ergibt sich im Übrigen daraus, dass die Unterkunftskosten nach geltendem Recht mit den Regelbedarfen in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen. Bei Leistungsberechtigten ohne anrechnungsfreies Einkommen oder Schonvermögen wirkt sich die unvollständige Berücksichtigung der Unterkunftskosten nach geltendem Recht praktisch wie eine Minderung der Leistungen für den Regelbedarf aus, da die übersteigenden Unterkunftskosten aus der Regelleistung bestritten werden müssen (vgl. Kofner, WuM 2011, S. 76; Spindler, info also 2011, S. 247). Eine dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums genügende Gestaltung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II (bzw. Sozialgeld) setzt daher eine verfassungsgemäße Bestimmung aller einzelnen Berechnungselemente (Regelbedarf, Mehrbedarfe, Unterkunft- und Heizungsbedarfe) voraus.
II.
- 230
Dies zu Grunde gelegt verstößt § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG.
- 231
Der unbestimmte Rechtsbegriff der "Angemessenheit", der alleiniger Anknüpfungspunkt im Normtext für die Beschränkung der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ist, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht (so bereits SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 68 ff.; SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 52 ff.; SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 43; SG Leipzig, Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.; Stölting, SGb 2013, S. 545).
- 232
Der Gesetzgeber hat zwar einen gesetzlichen Anspruch auf Gewährung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums dem Grunde nach geschaffen (1), diesen jedoch der Höhe nach nicht hinreichend bestimmt (2), weswegen nicht festgestellt werden kann, ob eine evidente Unterschreitung des für eine menschenwürdige Existenz Notwendigen vorliegt (3). Für eine Prüfung der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 142 ff. und Rn. 159 ff.) fehlt es gleichfalls an einem hinreichend bestimmten gesetzlichen Anspruch als Bezugspunkt. Der Gesetzgeber hat - bezogen auf Unterkunfts- und Heizungsbedarfe - das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, nicht in einer Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben und weder ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt noch die hierfür erforderlichen Tatsachen ermittelt (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 143) (4). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist nicht möglich (5). Die gegen die Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vorgetragenen Argumente sind nicht überzeugend (6).
- 233
Ausgehend von der Rechtsprechung des BVerfG ist die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums in vier Schritten zu prüfen:
- 234
Erstens muss der Anspruch in einem formellen Bundesgesetz auf Grund eines verfassungsgemäß durchgeführten Gesetzgebungsverfahrens konstituiert werden (formell-gesetzlicher Anspruch).
- 235
Zweitens muss der Anspruch im Gesetzestext selbst so hinreichend bestimmt sein, dass die Verwaltung eine Entscheidung über die Höhe des Anspruchs treffen kann, die die im Gesetzestext zum Ausdruck kommenden Wertentscheidungen des Gesetzgebers nachvollziehbar berücksichtigt (hinreichende Bestimmtheit; konkreter Anspruch).
- 236
Drittens darf die Höhe des Anspruchs nicht evident unzureichend zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz sein (Evidenzkontrolle).
- 237
Viertens müssen die Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sein, was mindestens eine inhaltliche Bestimmung des Existenzminimums und eine Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur Festsetzung der Höhe des Leistungsanspruchs durch den Gesetzgeber voraussetzt ("tragfähige Begründbarkeit").
- 238
1. Mit den §§ 19 Abs. 1, Abs. 3, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat der Gesetzgeber einen Anspruch auf Gewährung eines unterkunftsbezogenen Existenzminimums als Teil des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld im Wege eines formellen Bundesgesetzes realisiert. In dieser Hinsicht ist der Gesetzgeber seiner Gestaltungsverpflichtung nachgekommen.
- 239
1.1 Der einfachrechtliche Anspruch auf existenzsichernde Leistungen muss durch ein formelles Bundesgesetz gestaltet werden (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - u.a. - Rn. 136).
- 240
Ein wesentliches Merkmal des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist der hiermit verbundene Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber. Dieser hat einerseits zur Konsequenz, dass oberhalb evidenter Verstöße ein weiter Gestaltungsspielraum mit zurückgenommener (verfassungs-)gerichtlicher Kontrolle besteht, andererseits, dass der Gesetzgeber diesem Gestaltungsauftrag auch nachkommen muss und somit eine Gestaltungsverpflichtung besteht. Die Gestaltungsverpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers ergibt sich aus dem Demokratieprinzip, welches bestimmt, dass die für die Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Regelungen durch das Parlament selbst zu treffen sind (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136), also nicht an Exekutive oder Judikative delegiert werden dürfen. Hieraus folgt, dass der einfachrechtliche Leistungsanspruch zur Gewährung des Existenzminimums durch ein formelles Parlamentsgesetz geregelt werden muss. In Folge der umfassenden Wahrnehmung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) durch den Bundesgesetzgeber, ist der Anspruch vollständig durch ein formelles Bundesgesetz zu regeln (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 181).
- 241
1.2 Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf Gewährleistung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums ausgestaltet, in dem er mit §§ 19 Abs. 1, Abs. 3, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (bzw. für das Recht der Sozialhilfe mit §§ 27a Abs. 1 S. 1, 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII) einen einfachgesetzlichen Anspruch auf Leistungen für die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung geschaffen hat. Diese Leistungen bilden einen integralen Bestandteil des Arbeitslosengeldes II bzw. des Sozialgelds (vgl. Berlit, info also 2011, S. 166), die im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Sicherung des Lebensunterhalts dienen.
- 242
§ 19 Abs. 1 SGB II lautet:
- 243
"Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Arbeitslosengeld II. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung."
- 244
§ 19 Abs. 3 S. 1 SGB II lautet:
- 245
"Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden in Höhe der Bedarfe nach den Absätzen 1 und 2 erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind."
- 246
§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lautet:
- 247
"Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind."
- 248
1.3 Mit der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II wird der Umfang des Bedarfes für Unterkunft und Heizung bestimmt, der bei der Bemessung des individuellen Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld zum Regelbedarf nach § 20 SGB II und gegebenenfalls zu Mehrbedarfen nach § 21 SGB II hinzutritt. Ausgangspunkt für die Bedarfsbemessung sind die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.
- 249
Der Unterkunftsbedarf wird im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausschließlich als Bestandteil einer Geldleistung (§ 11 S. 1 SGB I, § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II) erbracht (Piepenstock in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 35, 3. Auflage 2012, Stand: 01.12.2014). Dies gilt auch für besondere Konstellationen (Umzugskosten gemäß § 22 Abs. 6 SGB II, Schuldenübernahme gemäß § 22 Abs. 8 SGB II). Auch bei Direktauszahlung der Leistung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte (§ 22 Abs. 7 SGB II) verbleibt es bei einer Geldleistung.
- 250
1.4 Ergänzt wird der Anspruch auf Unterkunftsleistungen durch § 22 Abs. 2 SGB II (unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum), § 22 Abs. 6 SGB II (Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten einschließlich Mietkaution) und § 22 Abs. 8 SGB II (Übernahme von Schulden zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit und von vergleichbaren Notlagen). Für die Kosten der Warmwasserbereitung wird ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II anerkannt, soweit keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II berücksichtigt werden.
- 251
1.5 Eingeschränkt werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung unabhängig von der Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II durch § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II (Kostendeckelung bei nicht erforderlichem Umzug; vgl. zur verfassungskonformen Auslegung dieser Regelung: SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 55 ff.), § 22 Abs. 5 SGB II (Leistungsausschluss bei Umzug vor Vollendung des 25. Lebensjahrs, vgl. Berlit, info also 2011, S. 59 ff.; Hammel, ZFSH/SGB 2013, S. 73 ff.) und gegebenenfalls durch Sanktionen bei Pflichtverletzungen nach § 31a SGB II.
- 252
2. Mit der Begrenzung der bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigenden Unterkunftskosten auf die „angemessenen“ Aufwendungen in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt der Gesetzgeber gegen das verfassungsrechtliche Gebot, die für die Verwirklichung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wesentlichen Regelungen hinreichend bestimmt selbst zu treffen (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136).
- 253
Aus der Grundrechtsrelevanz der existenzsichernden Leistungen erwachsen qualitative Anforderungen hinsichtlich der Intensionstiefe (vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, 10. Auflage 2009, S. 196) der textlich verfassten gesetzlichen Bestimmungen. Diese müssen so viele Merkmale aufweisen, dass die argumentative Rückbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Fachgerichte (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 97 Abs. 1 GG) an die im Gesetzgebungsverfahren erzeugten Gesetztestexte ermöglicht wird. Der Gesetzestext muss so hinreichend bestimmt sein, dass eine Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung auch und gerade vom Adressaten der Entscheidung noch als Konkretisierung eines bestimmten Gesetzgebungsakts nachvollzogen werden kann. Die aus dem Demokratieprinzip resultierende Anforderung an den Gesetzgeber, die wesentlichen Entscheidungen zur Grundrechtsverwirklichung selbst zu treffen, liefe andernfalls ins Leere.
- 254
Die das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums konstituierenden Entscheidungen des BVerfG (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a.; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a.) enthalten selbst keine näheren Ausführungen über den Grad der Bestimmtheit, den gesetzliche Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums haben müssen. Dies ist wohl dem Umstand geschuldet, dass die dort zu überprüfenden Fragen ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistungen bzw. des Regelbedarfes betrafen, bei denen die Leistungshöhe im Gesetz bzw. in den hierzu erlassenen, durch gesetzliche Regelungen weitgehend determinierten Anpassungsverordnungen numerisch exakt bestimmt war bzw. ist. Die durch das BVerfG geprüften Vorschriften wiesen - jedenfalls auf der Rechtsfolgenseite - kein Bestimmtheitsproblem auf.
- 255
2.1 Das Bestimmtheitsgebot ist sowohl Ausdruck des Demokratie- als auch des Rechtsstaatsprinzips. Das BVerfG formuliert die rechtsstaatlichen Bestimmbarkeitsanforderungen beispielhaft folgendermaßen (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 - 1 BvR 2307/94, 1 BvR 1120/95, 1 BvR 1408/95, 1 BvR 21 BvR 2460/95, 1 BvR 21 BvR 2471/95 - Rn. 325):
- 256
"Das rechtsstaatliche Gebot der Gesetzesbestimmtheit zwingt den Gesetzgeber nicht, Regelungstatbestände stets mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Der Gesetzgeber ist aber gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (...). Bei der Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist auch die Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten zu berücksichtigen (...). Die Rechtsunterworfenen müssen in zumutbarer Weise erkennen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (...). Dabei reicht es aus, wenn sich dies im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt (...)."
- 257
An anderer Stelle führt das BVerfG aus, dass die grundsätzliche Zulässigkeit unbestimmter Gesetzesbegriffe den Gesetzgeber nicht davon entbinde, die Vorschrift so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normklarheit und Justitiabilität entspreche (BVerfG, Beschluss vom 12.01.1967 - 1 BvR 169/63 - Rn. 17).
- 258
2.1.1 Das verfassungsrechtliche Prinzip, dass die für die Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Bestimmungen durch den parlamentarischen Gesetzgeber getroffen werden müssen ("Wesentlichkeitstheorie"), wird im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf zweierlei Weise aufgerufen. Einerseits bewirkt bereits die dogmatische Qualifikation des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Grundrecht, dass das Wesentlichkeitsprinzip berücksichtigt werden muss. Andererseits bedingt die Besonderheit der Qualifikation als "Gewährleistungsrecht", dass das Grundrecht erst durch Erfüllung des gesetzgeberischen Gestaltungsauftrags zur vollen Entfaltung kommen kann. Mit diesem zweiten, materiellen Aspekt sind auch die vom BVerfG entwickelten Qualitätsmaßstäbe hinsichtlich der "tragfähigen Begründbarkeit" (siehe unten unter 4) verbunden.
- 259
Sowohl die Grundrechtsqualität als auch die Konstituierung des Anspruchs auf Existenzsicherung als Gewährleistungsrecht prägen mithin die "Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck" und bestimmen die "Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten" (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - Rn. 325) in dem Sinne, dass der Gesetzgeber die Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums möglichst exakt ausgestalten muss.
- 260
2.1.2 Hieraus folgt, dass eine Verwaltungs- oder Fachgerichtsentscheidung, mit der über die Gewährung existenzsichernder Leistungen entschieden wird, in qualifizierter Weise auf eine gesetzgeberische Entscheidung zurückgeführt werden können muss. Die hierfür wesentlichen Bestimmungen müssen im für die Sachentscheidung auf Verwaltungsebene einschlägigen Gesetzestext (Normtext bzw. amtlicher Wortlaut) enthalten sein, da nur dieser durch das formalisierte Gesetzgebungsverfahren in Geltung gesetzte Text dem parlamentarischen Willensbildungsprozess eindeutig zuzurechnen ist. Nicht einschlägige Normtexte (z.B. Parallelvorschriften) oder im Sachzusammenhang mit dem Gesetzgebungsakt stehende Nicht-Normtexte (z.B. Gesetzgebungsmaterialien) können legitimerweise Konkretisierungselemente für die Auslegung einfachen Gesetzesrechts sein, vermögen aber nicht die gemessen am Wesentlichkeitsvorbehalt festgestellte Unterbestimmtheit einer gesetzlichen Regelung zu kompensieren. Denn weder nicht einschlägige Normtexte noch Gesetzesmaterialien sind - bezogen auf die konkrete Regelungsmaterie - Ergebnisse des parlamentarisch-demokratischen Entscheidungsprozesses. In Bezug auf den Regelungsgegenstand unterliegen sie auch nicht den durch den parlamentarischen Prozess garantierten Sicherungen im Hinblick auf die Öffentlichkeit der Debatte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77).
- 261
Für Grundrechtsträger muss darüber hinaus erkennbar sein, welche staatlichen Akteure für die Ausgestaltung ihrer Rechte verantwortlich sind. Dies betrifft den Grundrechtsträger nicht nur in seiner Eigenschaft als Leistungsberechtigten, sondern auch als Teilnehmer am demokratischen Prozess durch Wahlen oder andere Beteiligungsformen. Mit den Worten des BVerfG (Urteil vom 07.10.2014 - 2 BvR 1641/11 - Rn. 81):
- 262
"Demokratie und Volkssouveränität erschöpfen sich im repräsentativ-parlamentarischen System des Grundgesetzes nicht in Zurechnungsfiktionen und stellen auch nicht nur formale Mindestanforderungen an den Legitimationszusammenhang zwischen dem Volk und den handelnden Staatsorganen. (...) Der wahlberechtigte Bürger muss wissen können, wen er wofür - nicht zuletzt durch Vergabe oder Entzug seiner Stimme - verantwortlich machen kann. Daran fehlt es, wenn die Aufgaben durch Organe oder Amtswalter unter Bedingungen wahrgenommen werden, die eine solche Verantwortungszuordnung nicht ermöglichen (...)."
- 263
Dieser Verantwortungszusammenhang kann praktisch nur realisiert und sichtbar gemacht werden, indem die aus Gründen der Grundrechtsverwirklichung vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu treffenden Regelungen so gestaltet sind, dass sie zur maßgeblichen Beeinflussung der konkreten Entscheidungsprozesse der Verwaltung und der Fachgerichte geeignet sind.
- 264
2.1.3 Die Aussage des BVerfG, die Rechtsunterworfenen müssten in zumutbarer Weise erkennen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen, und hierfür reiche es aus, wenn sich dies im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lasse (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - Rn. 325), darf nicht so verstanden werden, dass ein verfassungswidriger Bestimmtheitsmangel des Gesetzes durch Auslegung der Gerichte mit anerkannten Mitteln der juristischen Methodenlehre ausgeglichen werden könnte (in diese Richtung aber Luik, jurisPRSozR 22/2013 Anm. 1).
- 265
Es geht hier nur darum festzustellen, ob eine Rechtsvorschrift nach verfassungsrechtlichen Maßstäben hinreichend bestimmt ist. Hierzu muss beurteilt werden, ob die sich aus der Eigenart des Lebenssachverhalts und des Normzwecks ergebenden Anforderungen an die Intensionstiefe (im Sinne von Merkmalsdichte) des Normtextes mit der konkret gewählten Regelungstechnik erfüllt werden. Diese Frage ist mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden zu beantworten. Dies kann insbesondere mit den Methoden der semantischen und der systematischen Auslegung geschehen, da diese die einschlägigen Normtexte selbst in den Blick nehmen.
- 266
Es geht an dieser Stelle hingegen nicht darum nachzuweisen, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff mit Hilfe anerkannter Mittel der juristischen Methodenlehre für eine gerichtliche Sachentscheidung fruchtbar gemacht werden kann; dies ist ausnahmslos der Fall. Gerichte können unbestimmte Rechtsbegriffe argumentativ u.a. mit Zweckerwägungen, historischen und genetischen Aspekten, Erwägungen zur „materiellen Gerechtigkeit“ und Praktikabilitätserfordernissen anreichern, um den Fall zur Entscheidungsreife zu bringen. Die Rechtsprechung ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes verpflichtet (Art. 19 Abs. 4 GG), d.h. sie muss auch dann, wenn unbestimmte Rechtsbegriffe im Gesetz Verwendung finden, zu einer bestimmten Sachentscheidung kommen. In einem funktionierenden Rechtsstaat muss es auf jede Rechtsfrage eine Antwort geben (Forgó/Somek, Nachpositivistisches Rechtsdenken, in: Buckel/Christensen/Fischer-Lescano (Hrsg.): Neue Theorien des Rechts, 2. Auflage 2009, S. 257). Dieser Befund kommt in der Feststellung zum Ausdruck, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der "Angemessenheit" der uneingeschränkten oder vollständigen richterlichen Kontrolle unterliege (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 - Rn. 21 ff.; Knickrehm, jM 2014, S. 340).
- 267
Hierfür stellt die juristische Methodenlehre Werkzeuge zu Verfügung, deren Aufgabe es ist, jeden Fall anhand rationaler Kriterien lösbar zu machen. Die normtextbezogenen Methoden der "grammatischen" und "systematischen" Auslegung verlieren durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe jedoch an Bedeutung, wodurch die Begrenzungen richterlichen und behördlichen Entscheidens durch Gesetzesbindung geschwächt werden. Durch Heranziehung vom Normtext unabhängiger, gleichwohl "anerkannter" Konkretisierungselemente wie historischer, genetischer und (insbesondere) teleologischer Auslegung lassen sich unbestimmte Rechtsbegriffe besonders leicht einer auf den Fall bezogenen Konkretisierung zuführen, da ein Verstoß gegen das Gesetzesbindungsgebot kaum je nachgewiesen werden kann.
- 268
Hiermit wird aber noch nichts über die Abgrenzung der Rechtserzeugungsbefugnisse zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung gesagt. Bei der Frage, ob der Gesetzgeber hinreichend bestimmte Regelungen getroffen hat, handelt es sich mithin nicht um ein methodologisches Problem, sondern um ein Problem der Legitimation. Die demokratische Willensbildung kann im Rechtsstaat nur in dem Umfang Wirkung entfalten, in dem sie durch Gesetze Verwaltung und Rechtsprechung zu binden vermag (Art. 20 Abs. 3 GG). Je weniger bedeutsame Merkmale eine Regelung aufweist, also je unbestimmter sie ist, desto geringer ist die Bindungswirkung des Gesetzes. Bei Regelungsmaterien, die aus verfassungsrechtlichen Gründen im Wesentlichen der Gestaltung durch den parlamentarischen Gesetzgeber unterliegen, erwächst hieraus ein Bestimmtheitsgebot. Das Bestimmtheitsgebot verlangt eine Regelungstechnik, die dazu geeignet ist, Gesetzesbindung zu erzeugen. Hierzu muss die gesetzliche Vorschrift so viele bestimmende Merkmale aufweisen, dass der durch Verwaltung und Rechtsprechung zu vollziehende Konkretisierungsprozess wirksam im Sinne der demokratischen Willensbildung gesteuert werden kann.
- 269
2.1.4 Wann die Voraussetzung der hinreichenden Bestimmtheit (bzw. Bestimmbarkeit) erfüllt ist, lässt sich nicht abstrakt festlegen, da Gesetzestext, Interpretationskultur und rechtsstaatliches Verfahren - abgesehen von Fällen numerischer Exaktheit - niemals eine vollständige Determination der Fallentscheidung ermöglichen (Müller/Christensen, Juristische Methodik, 10. Auflage 2009, S. 195). Gesetzesbegriffe sind in diesem Sinne also immer unbestimmt. Hieraus folgt, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Gesetzes nicht losgelöst von dessen Funktion betrachtet werden können und Maßstab für die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots nur ein der Regelungsmaterie angemessener Grad von Bestimmbarkeit sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.08.1978 - 2 BvL 8/77 - Rn. 101).
- 270
Dass dieser Grad der Bestimmbarkeit bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums besonders hoch sein muss, ergibt sich zum einen aus der Grundrechte verwirklichenden Funktion des Gesetzes (Stölting, SGb 2013, S. 545), zum anderen und wesentlich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die politische Transformation der "gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche" (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 138) überhaupt erst vollziehen muss, um seiner Gestaltungsverpflichtung nachzukommen. Regelungstechniken, die wegen ihrer Unbestimmtheit nicht dazu geeignet sind, Verwaltung und Rechtsprechung wirkungsvoll zu steuern, erhalten zwar den legitimatorischen Schein der Gesetzesbindung aufrecht (vgl. Maus, Verrechtlichung, Entrechtlichung und der Funktionswandel von Institutionen, in: dies.: Rechtstheorie und politische Theorie im Industriekapitalismus, München 1986, S. 278), überlassen die Interpretation dessen, was die genannten "gesellschaftlichen Anschauungen" sein mögen, jedoch einer demokratisch allenfalls höchst mittelbar legitimierten Funktionselite.
- 271
2.1.5 Zur Prüfung, ob eine gesetzliche Regelung den genannten Anforderungen genügt, ist daher eine möglichst präzise Analyse erforderlich, in welchem Ausmaß der Gesetzestext unter Einschluss der Gesetzessystematik die in Ausführung des Gesetzes ergehenden behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen zu begrenzen vermag und sich durch diese Begrenzung dazu eignet, die wesentlichen Wertentscheidungen des Gesetzgebers in der einzelfallbezogenen Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung wiedererkennbar zu machen.
- 272
2.2 Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II weist unabhängig von der Problematik der Angemessenheitsgrenze einen relativ geringen Bestimmtheitsgrad auf, da beispielsweise nicht ausdrücklich normiert ist, was unter Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Einzelnen zu verstehen ist (2.2.1), auf welche Weise diese Aufwendungen in Mehrpersonenhaushalten einzelnen Personen als Bedarf zuzuordnen sind (2.2.2) und wie die Aufwendungen unterschiedlichen Bewilligungszeiträumen bzw. -abschnitten zuzuordnen sind (2.2.3). Diese Unsicherheiten lassen sich aber unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik kohärent lösen.
- 273
2.2.1 Die für diese Vorschrift zentralen Begriffe "Aufwendungen" und "Unterkunft" zeichnen sich durch einen hohen Abstraktionsgrad aus, was ein weites Verständnis beider Begriffe - auch vor dem Hintergrund des Auslegungsgrundsatzes der möglichst weitgehenden Verwirklichung der sozialen Rechte (§ 2 Abs. 2 SGB I; vgl. hierzu SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 - S 3 KR 298/12 - Rn. 75) - erzwingt (vgl. zum BSHG: Schmidt, NVwZ 1995, S. 1041). Die verwendeten Begriffe verweisen auf Grund ihrer Allgemeinheit auf einen weiten, aber hinreichend bestimmbaren Anwendungsbereich.
- 274
a) Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II jede Einrichtung oder Anlage, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters bzw. der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre (einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren) gewährleistet (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R - Rn. 14; BSG, Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 79/09 R - Rn. 10).
- 275
Dieser Auffassung ist unter dem Vorbehalt zuzustimmen, dass hiermit keine Mindestanforderungen für die Qualifikation eines Objekts als Unterkunft gestellt werden, sondern die mit der Nutzung eines Objekts verbundene Zweckbestimmung beschrieben wird. Denn auf Grund der Weite des Begriffs der Unterkunft (im Unterschied zur "Wohnung") lässt sich mit § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht vereinbaren, Aufwendungen für die Nutzung eines Obdachs nicht zu berücksichtigen, wenn dieses beispielsweise keinen ausreichenden Schutz vor der Witterung oder keinen Schutz der Privatsphäre bietet (a.A. wohl LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 07.03.2013 - L 3 AS 69/13 B ER - Rn. 18). Auch dies wäre eine unzulässige Verwendung eines um Vorstellungen vom "guten" Leben angereicherten Menschenwürdeverständnisses zur Leistungsbegrenzung (s.o. unter B. I. 5.2).
- 276
Voraussetzung für die Kategorisierung eines Objekts als Unterkunft ist weiter die zweckentsprechende Nutzung des Objekts durch die leistungsberechtigte Person (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - Rn. 15). Dies folgt daraus, dass es in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II um "Bedarfe für Unterkunft" geht. Die Beziehung des (kostenverursachenden) Objekts zum Leistungsberechtigten wird einerseits durch dessen Nutzung, andererseits durch die mit der Nutzung verbundenen Verpflichtungen (Aufwendungen) geprägt. Eine nicht durch den Leistungsberechtigten genutzte Wohnung ist deshalb nicht dessen Unterkunft, auch wenn er hierfür Aufwendungen zu erbringen hat.
- 277
Dies schließt nicht von vornherein aus, dass mehrere Wohnungen durch einen Leistungsberechtigten über einen gewissen Zeitraum parallel genutzt werden und gleichzeitig eine dem Leistungsberechtigten zuzuordnende Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sein können (a.A. Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 25, 5. Auflage 2013; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2006 - L 10 B 488/06 AS ER - Rn. 5; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.01.2013 - L 6 AS 2124/11 B - Rn. 15). Ob die Aufwendungen für mehrere Unterkünfte als Bedarf eines Leistungsberechtigten zu berücksichtigen sind, ist eine Frage, die nach geltendem Recht nur über die Auslegung des Angemessenheitsbegriffs im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zu lösen ist (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 08.10.2007 - L 7 AS 249/07 ER - Rn. 31).
- 278
b) Unter Aufwendungen für Unterkunft versteht die vorlegende Kammer diejenigen Ausgaben, die als Gegenleistung für die Überlassung der konkret genutzten Unterkunft geschuldet werden, zuzüglich derjenigen Ausgaben, die mit der Nutzung der Unterkunft notwendig zusammenhängen.
- 279
Mit dem ersten Bestandteil der Definition werden die Ausgaben erfasst, die Voraussetzung für eine rechtmäßige Nutzung des Wohnraums sind, mit dem zweiten Bestandteil die Ausgaben, die aus der Nutzung folgen sowie diejenigen Ausgaben, die der Erhaltung der Nutzbarkeit der Unterkunft dienen. Auf diese Weise wird dem hohen Abstraktionsgrad der Regelung Rechnung getragen. Mit der Präposition "für" können im vorliegenden Kontext die Gegenleistungen für die Überlassung der Unterkunft (z.B. Miete einschließlich Nebenkosten, Kaufpreis), die für die Erhaltung der Unterkunft zu tätigenden Ausgaben (z.B. Renovierungskosten), die mit der Nutzung rechtlich verbundenen Verpflichtungen (z.B. Grundsteuer, Anschlussgebühren) und die für die Nutzbarkeit als Unterkunft erforderlichen Kosten (z.B. Wasseranschlusskosten, Müllgebühren) angesprochen werden.
- 280
Aus dieser Definition folgt, dass jegliche Gegenleistungen aus Austauschverhältnissen, die die dauerhafte oder vorübergehende Überlassung von Wohnraum zum Gegenstand haben, Aufwendungen für die Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sein können. Dies betrifft sowohl Mietverhältnisse und ähnliche Dauernutzungsverhältnisse als auch im Bedarfszeitraum geschuldete Kaufpreisraten für den Eigentumserwerb einschließlich atypischer Vertragsgestaltungen, wie die Zahlung einer Leibrente als Gegenleistung für eine Eigentumsübertragung (vgl. SG Mainz, Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13 - Rn. 24 ff.; a.A. BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 17 ff.).
- 281
Der (grundsätzliche) Ausschluss von Kaufpreisraten (BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 79/10 R - Rn. 18 ff.; vgl. zuletzt auch BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 17 ff.) überzeugt methodisch nicht. Das BSG differenziert offenbar nicht zwischen echten Kaufpreisraten, die als Gegenleistung für die Eigentumsübertragung geschuldet werden (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 79/10 R - Rn. 18 ff.), und Tilgungsleistungen zur Rückzahlung eines zum Zwecke des Immobilienerwerbs aufgenommenen Darlehens (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 67/0AS 67/06 R - Rn. 27). Echte im Bedarfszeitraum geschuldete Kaufpreisraten lassen sich semantisch nicht aus dem Normbereich des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ausschließen, da diese synallagmatische Gegenleistungen für die Überlassung von Wohnraum darstellen. Ein Ausschluss derartiger Aufwendungen aus der Bedarfsberechnung ließe sich nur unter entsprechender Auslegung des Angemessenheitsbegriffs in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang bringen. Der grundsätzliche Ausschluss von Tilgungsleistungen wird durch das BSG allerdings weder mit einer Auslegung des Begriffs der Aufwendungen (so wohl noch BVerwG, Urteil vom 24.04.1973 - V C 61.73 - Rn. 15), noch mit der Auslegung des Begriffs der Angemessenheit (allenfalls angedeutet durch das BSG im Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - Rn. 24) begründet. Stattdessen wird dem § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal untergeschoben, indem von "anzuerkennenden" Unterkunftskosten die Rede ist (BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 17). Dies bietet dem BSG unter Umgehung der Gesetzesbindung ein rhetorisches Einfallstor für die in der Herausnahme von Tilgungsleistungen aus dem Unterkunftsbedarf zum Ausdruck kommenden sozialpolitischen Erwägungen (vgl. zum Ganzen SG Mainz, Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13 - Rn. 27 ff.).
- 282
Ob auch Tilgungsraten oder Schuldzinsen für zum Zwecke des Eigentumserwerbs aufgenommene Darlehen als Aufwendungen für Unterkunft anzusehen sind, kann vorliegend offen bleiben. Dies erscheint im Unterschied zur Situation bei echten Kaufpreisraten jedenfalls nicht zwingend. Dass keine Schulden aus der Vergangenheit übernommen werden, lässt sich anhand konkreter gesetzlicher Regelungen begründen, im SGB XII aus dem Kenntnisgrundsatz (§ 18 Abs. 1 SGB XII), im SGB II aus dem Umstand, dass keine Leistungen für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs. 2 S. 1 SGB II). Auf Grund dieser Regelung sind Schulden, die zur Deckung von Bedarfen vor Kenntnis bzw. vor Antragstellung aufgenommen wurden, nicht nachträglich durch Grundsicherungsleistungen auszugleichen. Wenn die Gegenleistung (Zahlung des Kaufpreises) für die Überlassung des Wohnraums in der Vergangenheit bereits vollständig erbracht wurde, stellt sie daher keinen gegenwärtigen Unterkunftsbedarf mehr dar. Die Begleichung von Tilgungsraten und Schuldzinsen von in der Vergangenheit zum Zwecke des Eigentumserwerbs aufgenommenen Krediten dient der Vermeidung der Zwangsvollstreckung u.a. in das erworbene Eigentum und kann deshalb gegebenenfalls zur Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II führen. Sie ist jedoch keine unmittelbare Gegenleistung für die Überlassung des Wohnraums. Dass gerade Schuldzinsen vom BSG als Kosten der Unterkunft anerkannt werden, obwohl diese - anders als Tilgungsraten - kein Substitut für den Kaufpreis, sondern das Entgelt für die Kreditgewährung darstellen, beruht wohl auf einer schematischen Übertragung des Regelungsgehalts des § 7 Abs. 2 der Verordnung zu § 82 SGB XII, der die Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betrifft (BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - Rn. 38; vgl. aber auch BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 61/10 R - Rn. 16). Die dort abzugsfähigen Ausgaben werden als Aufwendungen für die Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angesehen.
- 283
Bereits unter dem Aspekt der Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung gehören sämtliche mietvertraglich geschuldeten Nebenkosten zu den Aufwendungen für Unterkunft (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 35/06 R - Rn. 20), unabhängig davon, ob die hierbei zu deckenden Bedarfe nach der gesetzgeberischen Konzeption auch Bestandteile des Regelbedarfs sein sollen (BSG, Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 14/08 R - Rn. 22; BSG, Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 151/10 R - Rn. 15 ff.; a.A. noch BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7b 64/06 R - Rn. 32).
- 284
Auch im Falle der Bewohnung eines Eigenheims nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gehören die Nebenkosten, wie z.B. Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und ähnliche Kosten zu den grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft (BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 61/10 R - Rn. 14).
- 285
c) Aufwendungen für Heizung sind alle Kosten, die für die Heizung der Unterkunft und für die Warmwasserbereitung (Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 32, 5. Auflage 2013) außer in Fällen des § 21 Abs. 7 SGB II anfallen, unabhängig von der Art und Weise der Beheizung.
- 286
d) Unter tatsächlichen Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II sind nicht nur solche Ausgaben zu verstehen, die bereits getätigt wurden. Es genügt vielmehr, dass sich der Leistungsberechtigte einem unterkunftsbezogenen Anspruch ausgesetzt sieht (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - Rn. 24). Dies ergibt sich systematisch zwingend daraus, dass Unterkunfts- und Heizungsbedarfe als Teil des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld einheitlich und für einen bestimmten Bewilligungszeitraum bewilligt werden und monatlich im Voraus erbracht werden (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II), des Weiteren daraus, dass die zweckkonforme Verwendung der unterkunftsbezogenen Leistungen im Falle des § 22 Abs. 7 SGB II durch Auszahlung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte sichergestellt werden kann. Letzteres setzt voraus, dass der Anspruch auf unterkunftsbezogene Leistungen von der Erfüllung der Verpflichtungen des Leistungsberechtigten gegenüber Dritten grundsätzlich unabhängig ist. Somit orientiert sich die Leistungsgewährung für Unterkunftsbedarfe zwar an tatsächlich zu erwartenden Aufwendungen, erhält jedoch den Charakter einer abstrakten Geldleistung (vgl. Groth, jurisPR-SozR 2/2013 Anm. 2).
- 287
e) Unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik lassen sich die in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angesprochenen Bemessungsfaktoren für die Berechnung des unterkunftsbezogenen Teils des Leistungsanspruchs aus § 19 Abs. 1 SGB II somit hinreichend genau bestimmen.
- 288
2.2.2 Dass die §§ 19, 22 SGB II keine ausdrückliche Regelung über die Zuordnung von Unterkunftsbedarfen zu einzelnen Haushaltsmitgliedern enthalten, verstößt ebenfalls nicht gegen das Bestimmtheitsgebot.
- 289
Aus der Gesetzessystematik ergibt sich zwingend, dass die Aufwendungen bei Mehrpersonenhaushalten den Personen als Bedarf zuzuordnen sind, die die Aufwendungen tatsächlich haben, d.h. die tatsächlich einer entsprechenden Forderung ausgesetzt sind. Für eine Aufteilung nach Kopfteilen besteht hingegen keine Rechtsgrundlage (für das "Kopfteilprinzip" aber grundsätzlich das BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - Rn. 28 f.; Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - Rn. 19).
- 290
a) Die Festsetzung des Unterkunftsbedarfs anhand der tatsächlichen Aufwendungen ist im Zusammenhang mit § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II als Bestandteil der Bedarfsberechnung anzusehen. Die Leistungen nach dem SGB II sind als Individualansprüche ausgestaltet (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - Rn. 12). Der Betrag der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft, soweit er angemessen ist, wird gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II als Unterkunftsbedarf anerkannt, d. h. er fließt als Berechnungsposten in die Bestimmung des individuellen Gesamtanspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nach § 19 Abs. 1, 19 Abs. 3 S. 1 SGB II ein (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 14.05.2014 - L 11 AS 621/13 - Rn. 27). Der für die Leistungsberechnung nach § 19 SGB II maßgebliche Unterkunftsbedarf wird somit nicht anhand der Nutzungsintensität einer Unterkunft durch eine leistungsberechtigte Person bemessen, sondern anhand der für die Nutzung aufzuwendenden Kosten. Der Ausgangspunkt des BSG, die Höhe des Unterkunftsbedarfs anhand der Nutzungsintensität der Unterkunft durch die einzelne Person festlegen zu wollen (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - Rn. 28) und hierbei aus Gründen der Praktikabilität von einer gleichmäßigen Nutzung, also von "Kopfteilen" auszugehen, geht daher fehl.
- 291
Dass § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II die Möglichkeit einschließt, dass auch Empfänger von Sozialgeld Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung erhalten können, besagt noch nichts über deren Verteilung. Entsprechendes gilt für die zunächst in § 22 Abs. 7 SGB II a.F. und nunmehr in § 27 Abs. 3 SGB II enthaltene Härtefallregelung für Auszubildende, die von den Leistungen nach dem SGB I gemäß § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen sind, und bei denen die Übernahme von Unterkunftskosten auch dann möglich ist, wenn sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und ihnen hierdurch (nur) typischerweise keine eigenen Kosten entstehen.
- 292
b) Bei Personen, die selbst keine Unterkunftskosten schulden, somit keine Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II haben, fehlt es an einer Bemessungsgrundlage für den Unterkunftsbedarf, der bei der Bedarfsberechnung nach § 19 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 SGB II berücksichtigt werden könnte. Für eine Berücksichtigung nach Kopfteilen bedürfte es einer Rechtsgrundlage, nach der fiktive oder pauschale Unterkunftsbedarfe zu Grunde gelegt werden dürften. Das BVerwG, auf dessen Rechtsprechung sich das BSG zur Begründung des Kopfteilprinzips stützt, ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass es sich bei der Anwendung des Kopfteilprinzip um eine pauschalierende Regelung handelt (BVerwG, Urteil vom 21.01.1988 - 5 C 68/85 - Rn. 10). Im Unterschied zum Sozialhilferecht (§ 35 Abs. 3 SGB XII) und außerhalb des Anwendungsbereichs des § 22a Abs. 2 SGB II ist eine Pauschalierung von Unterkunftskosten im SGB II jedoch nicht vorgesehen.
- 293
Praktikabilitätserwägungen (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - Rn. 28) vermögen eine solche Rechtsgrundlage nicht zu ersetzen. Dies verbietet sich bereits auf Grund der Rechtsfolgen, die die Berücksichtigung von Unterkunftsbedarfen nach sich ziehen. Unter Anwendung der Kopfteilmethode kann trotz der Vertretungsvermutung des § 38 Abs. 1 SGB II nicht sichergestellt werden, dass die zur Deckung der Unterkunftsbedarfe erbrachten Leistungen tatsächlich dem im Außenverhältnis zur Leistung der Unterkunftsaufwendungen Verpflichteten zur Verfügung stehen. Die zur Entgegennahme von Leistungen berechtigende Vertretungsvermutung kann widerlegt, ihr kann auch ausdrücklich widersprochen werden. Sie gilt im Übrigen nur zu Gunsten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter, obwohl auch nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte (Sozialgeldempfänger) Unterkunftskostenschuldner sein können. Sie gilt nicht für reine Haushaltsgemeinschaften, deren Unterkunftskosten nach der Rechtsprechung des BSG ebenfalls nach dem Kopfteilprinzip berücksichtigt werden sollen (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - Rn. 19). Bei der Auszahlung der Leistungen an verschiedene Haushaltsmitglieder läge eine zweckentsprechende Mittelverwendung nicht in der Hand des Verpflichteten.
- 294
c) Die Höhe des Bedarfs für Unterkunft und Heizung ist darüber hinaus nicht nur für die Berechnung der Gesamthöhe des Leistungsanspruchs auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, sondern auch im Hinblick auf mögliche Rechtsfolgen, die an die Qualifizierung eines Bedarfsanteils als Unterkunfts- und/oder Heizungsbedarfs anknüpfen, von Bedeutung. So sieht § 22 Abs. 7 SGB II Möglichkeiten einer freiwilligen oder durch die Behörde veranlassten unmittelbaren Auszahlung bewilligter Leistungen an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte vor, soweit Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird. Die Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II setzt voraus, dass Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird. Nach § 40 Abs. 4 S. 1 SGB II sind abweichend von § 50 SGB X 56 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft (ohne Heizung) nicht zu erstatten.
- 295
d) Gegen das Kopfteilprinzip spricht im Übrigen der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 6a Abs. 4 S. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) eine besondere, von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II abweichende Regelung über die Verteilung von Unterkunftsbedarfen getroffen hat. Diese die Berechnung der Unterkunftsbedarfe modifizierende Regelung generiert aber keine an die tatsächlichen Aufwendungen anknüpfenden Leistungsansprüche, sondern betrifft die Voraussetzungen für den Kinderzuschlag, der Unterkunftsbedarfe nicht gesondert erfasst. Nach § 6a Abs. 4 S. 2 BKGG sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im jeweils letzten Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt. Diese Regelung bildet die unterkunftsbezogenen Mehrkosten, die durch die Berücksichtigung von Kindern erforderlich werden, ab. Sie ist vor dem Hintergrund des Zweckes der Einführung des Kinderzuschlags zu verstehen, der darauf abzielt, Personen nicht unter das Regime des SGB II fallen zulassen, die nur auf Grund dessen, dass sie Kinder versorgen, den gesamten Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln nicht decken können (Schnell, SGb 2009, S. 649). Die differenzierte Regelung der fiktiven Aufteilung der Unterkunfts- und Heizungsbedarfe in § 6a Abs. 4 S. 2 BKGG verfolgt erkennbar den Zweck, den Anteil der Unterkunfts- und Heizkosten zu bestimmen, den die Leistungsberechtigten nach § 6a BKGG typischerweise zusätzlich wegen ihrer Kinder zur Deckung des Wohnbedarfs aufwenden. Anspruchsberechtigte für den Kinderzuschlag sind nach § 6a Abs. 1 BKGG stets die Eltern, so dass - anders als unter Anwendung des Kopfteilprinzips im SGB II - regelmäßig Identität zwischen Sozialleistungsberechtigten und Unterkunftskostenschuldnern besteht. Im Sinne der Kohärenz gesetzgeberischen Handelns hätte es nahegelegen, eine Bedarfszuordnungsfiktion wie in § 6a Abs. 4 S. 2 BKGG auch in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ausdrücklich zu regeln, wenn es hierfür ein Bedürfnis gäbe (für die Übertragung der Mehrbedarfsmethode des § 6a BKGG auf § 22 Abs. 1 SGB II hingegenSchürmann, SGb 2009, S. 203; ders., SGb 2010, S. 166 ff.).
- 296
e) Unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Kontextes ist letztlich aber von entscheidender Bedeutung, dass das Kopfteilprinzip vom Bedarfsdeckungsgrundsatz abweicht (vgl. Wersig, info also 2013, S. 52) und je nach Konstellation eine Sicherstellung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums im Konfliktfall verhindern kann, selbst wenn die der Haushaltsgemeinschaft gewährten Leistungen insgesamt zur Bedarfsdeckung ausreichen würden. Die durch die Anwendung des Kopfteilprinzips entstehenden praktischen Probleme („Mithaftung“ der übrigen Bedarfsgemeinschaftsmitglieder bei Sanktionen, Unterkunftsbedarf bei „temporärer Bedarfsgemeinschaft“, Zuordnung von Erstattungsansprüchen bei der Rückabwicklung von Leistungen, Sicherstellung der Zahlungen an Vermieter) widerlegen die These, dass das Kopfteilprinzip verwaltungspraktikabel sei. Das BSG begegnet diesen Phänomenen mit inzwischen zahlreichen Ausnahmen (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - Rn. 19 - Ortsabwesenheit eines Bedarfsgemeinschaftsmitglieds; BSG, Urteil vom 23.05.2013 - B 4 AS 67/12 R - Rn. 21 f. - Sanktion; BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 3/14 R - Rn. 27 - Mietschuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II a.F.), hält aber (noch) am Kopfteilprinzip fest, obwohl es erkennt, dass eine gesetzliche Grundlage hierfür fehlt (BSG, Urteil vom 23.05.2013 - B 4 AS 67/12 R - Rn. 19). Neben der Tatsache, dass dies methodisch nicht stimmig ist, vermag die Ausnahmerechtsprechung die Defizite der Kopfteilmethode nur eingeschränkt zu kompensieren, weil im Regelfall zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls welche der genannten Schwierigkeiten im Einzelfall auftreten werden.
- 297
f) Die bezüglich der Zuordnung von Unterkunftsbedarfen innerhalb von Mehrpersonenhaushalten aufgetretenen Unsicherheiten sind mithin nicht auf eine zu unbestimmte gesetzliche Regelung, sondern auf eine an die Systematik des SGB II nicht angepasste Übernahme der Rechtsprechung des BVerwG durch die Sozialgerichtsbarkeit zurückzuführen.
- 298
2.2.3 Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II genügt auch insoweit den oben skizzierten Bestimmbarkeitsanforderungen, als die Aufwendungen für Unterkunft bestimmten Bedarfszeiträumen zugeordnet werden können.
- 299
Dass die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung einem bestimmten Bedarfszeitraum zugeordnet werden müssen, folgt aus dem Umstand, dass die unterkunftsbezogenen Leistungen einen Teil des grundsätzlich als Geldleistung konzipierten Arbeitslosengeldes II bzw. des Sozialgelds bilden (§ 19 Abs. 1 S. 3 SGB II). Der Geldleistungsanteil für Unterkunft und Heizung ist zwar eine am tatsächlichen Bedarf orientierte, aber von dessen tatsächlicher Deckung unabhängige Leistung. Die Abgrenzung der Bedarfszeiträume nach Monaten folgt aus dem Zusammenhang mit dem monatsweise zu berücksichtigenden Regelbedarf und wird durch flankierende Regelungen wie § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II und § 22 Abs. 3 SGB II bestätigt. Unterkunfts- und Heizungsbedarfe werden als Teil des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld einheitlich für einen bestimmten Bewilligungszeitraum bewilligt und monatlich im Voraus erbracht (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II).
- 300
Die Beschränkung auf die tatsächlichen Aufwendungen und die Abstraktion von der tatsächlichen Deckung bewirken, dass ein spezifischer Unterkunftsbedarf nur einmal bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen ist. Wenn beispielsweise die für einen Monat geschuldete Miete für diesen Monat tatsächlich nicht gezahlt wird, kann die - weiterhin geschuldete und fällige - Miete nicht im Folgemonat erneut in den Bedarf eingestellt werden. Dies gilt entsprechend für gestundete Kaufpreisraten. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ausschließlich im Monat der erstmaligen Fälligkeit zu berücksichtigen. Dementsprechend können vor Antragstellung bereits gegenüber Dritten geschuldete und fällig gewordene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auch dann nicht bei der aktuellen Bedarfsberechnung berücksichtigt werden, wenn sie immer noch geschuldet werden.
- 301
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung können sowohl monatlich als auch als einmalige Bedarfe anfallen (vgl. BSG, Beschluss vom 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R - Rn. 9 ff. zur Heizölbevorratung). Als bedarfserhöhend zu berücksichtigen sind sie stets vollständig und ausschließlich im ersten Fälligkeitsmonat.
- 302
2.2.4 Die Regelung § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ist somit hinreichend bestimmbar, soweit und solange Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen bei der Bedarfsberechnung nach den §§ 19 Abs. 1, Abs. 3, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen sind. Bei Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen bei der Leistungsbewilligung ist das unterkunftsbezogene Existenzminimum jedenfalls dann gesichert, wenn die leistungsberechtigte Person tatsächlich eine menschenwürdige Unterkunft bewohnt.
- 303
2.3 Die Begrenzung der durch den Grundsicherungsträger bei der Berechnung des Leistungsanspruchs zu berücksichtigenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung auf "angemessene" Aufwendungen in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt jedoch wegen mangelnder Bestimmtheit gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.
- 304
2.3.1 Im Unterschied zu den Regelbedarfen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II werden die Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht als Pauschalleistung, sondern grundsätzlich in tatsächlicher Höhe übernommen. Das Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums ist somit nur auf Grund der in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vorgesehenen Begrenzung auf die angemessenen Aufwendungen betroffen ("Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind"). Erst durch den Angemessenheitsvorbehalt im zweiten Halbsatz wird der im ersten Halbsatz formulierte Leistungsanspruch begrenzt.
- 305
a) Der Begriff der Angemessenheit hat im vorliegenden Kontext eine leistungsbeschränkende Funktion (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 19: "Ihm wohnt der Gedanke der Begrenzung inne"). Die Begrenzungsfunktion ergibt sich aus dem semantischen Kontext ("…erbracht, soweit…"). § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verpflichtet die zuständigen Behörden somit dazu, Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in näher zu bestimmenden Fällen in geringerer als tatsächlicher Höhe der Bedarfsberechnung zu Grunde zu legen (SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 40).
- 306
b) Die Frage, bis zu welchem Betrag die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Einzelfall als angemessen anzusehen sind, unterliegt keinem Beurteilungsspielraum der Verwaltung. Die Gerichte sind zur uneingeschränkten Kontrolle dieser Frage gemäß Art. 19 Abs. 4 GG befugt und verpflichtet (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 21 ff.; so schon Putz, info also 2004, S. 198).
- 307
c) Bei nicht angemessenen Unterkunftskosten ist in jedem Fall der Teil der Unterkunftskosten zu zahlen, der im Rahmen der Angemessenheit liegt. Die Unangemessenheit von Unterkunftskosten hat nicht zur Folge, dass überhaupt keine Aufwendungen für Unterkunft in den Bedarf einzustellen wären (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 25). Dies ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "soweit" in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, das im vorliegenden Kontext nicht mit der Bedeutung "für den Fall, dass", sondern mit der Bedeutung "in dem Umfang" zu verstehen ist. Dies erschließt sich auch aus dem Zusammenhang mit den Regelungen des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II und des § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II, bei denen erkennbar davon ausgegangen wird, dass Unterkunftsbedarfe auch zu berücksichtigen sind, wenn sie die tatsächlichen Aufwendungen nicht decken. Ein "Alles-oder-Nichts-Prinzip" ist mit Gesetzeswortlaut und Systematik nicht vereinbar.
- 308
d) Weitere Bestimmungen zur Angemessenheit der Aufwendungen sind im einschlägigen Gesetzestext und im unmittelbaren Textzusammenhang nicht enthalten. Aus der Regelung zur vorläufigen Übernahme unangemessener Kosten in § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II wird lediglich deutlich, dass es bei der Bestimmung der Angemessenheit auf die "Besonderheit(en) des Einzelfalls" ankommen soll, wodurch die besonderen Umstände in der Person des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen sind ("Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit", vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 12; Piepenstock in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 32, 3. Aufl. 2012, Stand: 01.12.2014; vgl. auch BT-Drucks. 17/3404, S. 98). § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II ermöglicht dem Leistungsträger die Übernahme unangemessener Kosten, wenn die Absenkung durch bei einem Wohnungswechsel zu erbringende Leistungen unwirtschaftlich wäre. Hierdurch wird der Angemessenheitsbegriff jedoch nicht näher bestimmt.
- 309
e) Das SGB II enthält keine allgemeinen Regelungen, die zur näheren Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II geeignet wären. In § 1 Abs. 1 SGB II ist lediglich festgehalten, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende es Leistungsberechtigten ermöglichen soll, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.
- 310
f) Für den Fall, dass der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im Einzelnen bestimmt ist, sieht § 33 S. 1 SGB I vor, dass bei deren Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Aus dieser grundsätzlich einschlägigen Regelung lässt sich für die Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II allenfalls der Hinweis auf die Bedeutung der örtlichen Verhältnisse gewinnen.
- 311
g) Auch die mit Gesetz vom 24.03.2011 mit Wirkung zum 01.04.2011 neu eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II tragen zur näheren Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nichts bei. Diese Regelungen sind für die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht einschlägig.
- 312
Das Land Rheinland-Pfalz, in dem der Landkreis Alzey-Worms liegt, hat im Übrigen bislang kein Gesetz nach § 22a SGB II erlassen. Der Anwendungsbereich der §§ 22a bis 22c SGB II ist daher in Rheinland-Pfalz generell nicht eröffnet.
- 313
h) Von der ursprünglich in § 27 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31.03.2011 gültigen Fassung enthaltenen Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung, mit der hätte bestimmt werden können, welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind und unter welchen Voraussetzungen die Kosten für Unterkunft und Heizung pauschaliert werden können, hat das (zuletzt) zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales keinen Gebrauch gemacht. Die Möglichkeit, den summenmäßigen Umfang der in der gesetzlichen Regelung nicht konkretisierten Höhe der Leistungen durch verordnungsrechtliche Nachregulierung operabel zu machen (Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 27 Rn. 1, 1. Auflage 2005), wurde nicht genutzt.
- 314
2.3.2 Die Begrenzung der bei der Berechnung der Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nach § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II zu berücksichtigenden Unterkunftsbedarfe auf die angemessenen Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, indem die konkrete Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im für dessen Verwirklichung zentralen Bereich des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch Verwendung eines "unbestimmten Rechtsbegriffs" im Wesentlichen der Verwaltung und der Rechtsprechung überlassen wird.
- 315
a) Die im Normtext vorgesehene Begrenzung der nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu erbringenden bzw. anzuerkennenden Aufwendungen für die Unterkunft auf das "Angemessene" ist nicht hinreichend konkret, um eine gesetzgeberische Entscheidung über die Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen menschenwürdigen Existenzminimums erkennen zu lassen.
- 316
b) Als sicherer Bedeutungskern der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lässt sich lediglich feststellen, dass bei der Bedarfsberechnung nach § 19 Abs. 1, Abs. 3 SGB II jedenfalls nicht mehr als die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind. Der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vermag isoliert betrachtet keine weiteren Bindungen der Behörden und Gerichte für die Sachentscheidung hervorzurufen.
- 317
Der Begriff „angemessen“ drückt lediglich eine positiv bewertete Relation aus. Er gewinnt seine Bedeutung erst dadurch, dass verschiedene Größen auf „richtige“ (angemessene) Weise zueinander in Beziehung gesetzt werden, ohne dass der Begriff selbst einen Maßstab für die „Richtigkeit“ vorgibt oder auch nur andeutet. In § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und im systematischen Zusammenhang fehlen sowohl Bezugsgrößen als auch Maßstäbe für das „richtige“ Verhältnis zwischen diesen Größen. Der Begriff der „Angemessenheit“ bleibt somit bedeutungsoffen.
- 318
Der Begriff der „Angemessenheit“ könnte im Kontext von § 22 Abs. 1 SGB II beispielsweise ein Preis-Leistungsverhältnis zwischen Ausstattung und Miethöhe, ein Verhältnis der Unterkunftsaufwendungen zu den sonstigen Lebensverhältnissen des Leistungsberechtigten oder ein Verhältnis der Aufwendungen zu den Unterkunftskosten einer irgendwie näher zu bestimmenden Bevölkerungsgruppe bezeichnen. Auch wenn feststünde, welche dieser Möglichkeiten im vorliegenden Kontext zuträfe, wäre die Frage, unter welchen Voraussetzungen das bestimmte Verhältnis ein „angemessenes“ ist, noch nicht einmal in den Grundzügen beantwortet.
- 319
c) Die nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II erforderliche Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls macht die Regelung zwar flexibler, aber nicht gehaltvoller. Die in § 1 Abs. 1 SGB II geregelte Zielsetzung der Sicherung eines menschenwürdigen Lebens ist im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Fragestellung tautologisch. § 33 S. 1 SGB I ermöglicht eine Konkretisierung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II dahingehend, dass örtliche Verhältnisse zu berücksichtigen sind, ohne diese näher einzugrenzen.
- 320
d) An der enormen Konkretisierungsarbeit, die das BSG zur Operationalisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bisher geleistet hat (s.o. unter A. IV. 1) lässt sich ablesen, in welchem Ausmaß der Gesetzgeber seine aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums resultierende Gestaltungsaufgabe bislang vernachlässigt hat. So ist im Gesetz bereits nicht geregelt, ob sich die Angemessenheit (unbeschadet der allgemeinen Regelung des § 33 S. 1 SGB I) nach den örtlichen Wohnverhältnissen richtet und wie diese räumlich abzugrenzen sind. Es fehlt eine Festlegung, welches Bevölkerungs- oder Einkommenssegment als Bezugsgröße für einen angemessenen Wohnstandard verwendet werden soll. Es gibt keine Regelung darüber, ob sich die Angemessenheitsgrenze auf ein Individuum, eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II oder auf eine Haushaltsgemeinschaft beziehen soll. Auch für die Anwendung der „Produkttheorie“ gibt es keine Rechtsgrundlage, daher auch keine Regelungen dazu, welche Wohnflächengrenzen gegebenenfalls zu Grunde zu legen wären. Es gibt weder eine Regelung über die Verpflichtung oder gar über die Befugnis des Leistungsträgers zur Datenerhebung, noch über deren Art und Umfang.
- 321
Der Gesetzgeber hat mit der Beschränkung auf die "angemessenen" Aufwendungen somit die nahezu geringstmögliche Regelungsdichte für die Frage der Höhe des Unterkunfts- und Heizungsbedarfs realisiert. Noch unbestimmter hätte die gesetzgeberische Aussage des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nur sein können, wenn in der Regelung eine Beschränkung auf die tatsächlichen Aufwendungen gefehlt hätte. Man könnte auch von einer "Gesetzesattrappe" sprechen (vgl. Maus, Verrechtlichung, Entrechtlichung und der Funktionswandel von Institutionen, in: dies.: Rechtstheorie und politische Theorie im Industriekapitalismus, München 1986, S. 278).
- 322
e) Dass die Vorgaben des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht dazu geeignet sind, Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen zu prägen, ist ein in Rechtsprechung und Literatur im Grunde unumstrittener Befund.
- 323
Das Phänomen wird beispielsweise damit umschrieben, dass gesetzgeberische und administrative Zielvorgaben für die Beurteilung der angemessenen Unterkunftskosten fehlten (Butzer/Keller, NZS 2009, S. 66; Jaritz, Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft - Sanktionen - Mitwirkung, in: Baus/Krings (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Sozial- und Arbeitsrecht, St. Augustin/Berlin 2012, S. 63), dass mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit die bedeutsame Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums im Bereich der Unterkunft auf Sozialverwaltungen und Sozialgerichte verlagert werde (Groth, SGb 2013, S. 250) und dass der Verwaltung im ersten Schritt und den Gerichten im zweiten Schritt letztlich die Aufgabe zukomme, das soziokulturelle Existenzminimum in Bezug auf die mit Abstand größte Teilposition, die in diesen Wert einfließe, zu bestimmen (Rosenow, wohnungslos 2012, S. 60). Es handele sich bei § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zwar um ein Parlamentsgesetz, das jedoch weder einen konkreten Anspruch enthalte, noch Vorgaben mache, wie dieser von den Behörden und gegebenenfalls von den Gerichten zu ermitteln sei (Stölting, SGb 2013, S. 545). Der Begriff des Angemessenen in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sei unbestimmt und allein durch die Rechtsprechung konkretisiert worden (Mutschler, NZS 2011, S. 481). In § 22 Abs. 1 SGB II seien keine weitergehenden gesetzgeberischen Setzungen vorgenommen, die Ausfüllung des Begriffs der "Angemessenheit" obliege dem Rechtsanwender (Krauß, In Stichpunkten: Ein Überblick über das schlüssige Konzept in der Rechtsprechung des BSG, in: Deutscher Landkreistag (Hrsg.), Angemessenheit bei den Kosten der Unterkunft im SGB II, Berlin 2013, S. 7). Spellbrink stellt insbesondere bezogen auf den Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 SGB II fest, dass der Gesetzgeber selbst nicht regeln bzw. die Detailarbeit der Justiz überlassen wolle (Spellbrink, info also 2009, S. 102) und der Gesetzgeber dem Richter immer dann Macht einräume, wenn er unbestimmte Rechtsbegriffe verwende, unter denen im SGB II die "Angemessenheit" besonders hervorsteche (Spellbrink, info also 2009, S. 104). Nach Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 16.05.2011 - L 19 AS 2202/10 - Rn. 29) habe es der Gesetzgeber sowohl bei der Einführung des SGB II als auch später (trotz mehrfacher Forderungen seitens der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit) unterlassen, die angemessene Wohnfläche für Bezieher von SGB II-Leistungen konkret festzulegen und die Ausfüllung des Begriffs "angemessene Kosten der Unterkunft" stattdessen der Rechtsprechung überlassen.
- 324
Auch das BSG konstatiert, dass die Verwaltung bei der Erstellung des (vom BSG entwickelten) „schlüssigen Konzepts“ mangels normativer Vorgaben durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt sei (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 20) und hat in Folge der fehlenden Bestimmtheit der gesetzlichen Vorgaben bezogen auf die angemessene Wohnfläche mehrfach an die politische Ebene appelliert, Abhilfe zu schaffen (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 18; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R - Rn. 14). In der Literatur finden sich ebenfalls seit Einführung des SGB II zahlreiche Stimmen, die wegen der Unbestimmtheit der Regelung eine Nachbesserung im Gesetzes- oder Verordnungswege fordern (Rips, WuM 2004, S. 439 ff.; ders., WuM 2005, 632 ff.; Goch, WuM 2006, 599 ff.; Kofner, WuM 2007, 310 ff.; Groth, SGb 2009, S. 644 ff.; Jaritz, Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft - Sanktionen - Mitwirkung, in: Baus/Krings (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Sozial- und Arbeitsrecht, St. Augustin/Berlin 2012, S. 69).
- 325
Diejenigen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur, die § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II für verfassungsgemäß halten, behaupten überwiegend nicht, dass der Gesetzgeber selbst das unterkunftsbezogene Existenzminimum hinreichend bestimmt geregelt habe, sondern vertreten die Auffassung, dass dies (legitimerweise) durch die gefestigte Rechtsprechung des BSG erfolgt sei (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - Rn. 39; SG Karlsruhe Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 53 f.; Luik, jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; Link in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014).
- 326
f) Aus den Gesetzgebungsmaterialien lassen sich keine Informationen gewinnen, die dem Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 SGB II schärfere Konturen verleihen könnten.
- 327
In der Gesetzesbegründung der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BT-Drucks. 15/1516, S. 57 vom 05.09.2003), d.h. zur Ursprungsfassung des § 22 Abs. 1 SGB II, heißt es:
- 328
"Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden wie in der Sozialhilfe in tatsächlicher, angemessener Höhe berücksichtigt, wobei sie den am Maßstab der Sozialhilfepraxis ausgerichteten – angemessenen – Umfang nur dann und solange übersteigen dürfen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen für die Unterkunft zu senken. Die hierbei zu beachtenden Voraussetzungen entsprechen den sozialhilferechtlichen Regelungen."
- 329
Bezugspunkt für die Übernahme des Angemessenheitsbegriffs in § 22 Abs. 1 SGB II war somit das vormalige Sozialhilferecht des BSHG. Für die Bestimmung der Leistungen für Unterkunft nach dem BSHG war bis zum 31.12.2004 § 3 Abs. 1 S. 1, S. 2 Regelsatzverordnung (RegelsatzVO) in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 Anspruchsgrundlage. Dieser lautete:
- 330
"Laufende Leistungen für die Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 11 Abs. 1 des Gesetzes zu berücksichtigen sind, so lange anzuerkennen, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken."
- 331
Das Sozialhilferecht des BSHG operierte im Bereich der Unterkunftssicherung somit ebenfalls mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit (§ 3 Abs. 1 S. 2 RegelsatzVO), ohne dass dieser nähere Ausformungen in materiellen Gesetzen erhalten hätte. Der Verweis auf die „sozialhilferechtlichen Regelungen“ in der Gesetzesbegründung ist somit tautologisch.
- 332
Weitere Hinweise finden sich in den maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialien zur Einführung des SGB II nicht (vgl. zum Ganzen: SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 55 ff.). Den Gesetzesmaterialien zur Parallelregelung in § 29 Abs. 1 S. 3 SGB XII lassen sich gleichfalls keine weiteren Hinweise zur Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs entnehmen (vgl. BT-Drucks. 15/1514, S. 59, 60 vom 05.09.2003).
- 333
In der Gesetzesbegründung der Fraktionen CDU/CSU und SPD zum Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks. 16/1410, S. 23 vom 09.05.2006), mit dem die Begrenzung der Unterkunftskosten nach Umzug in § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II eingeführt wurde, wird ausgeführt:
- 334
"Mit der Regelung werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in den Fällen auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten begrenzt, in denen Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen Kosten ziehen. Diese Begrenzung gilt insbesondere nicht, wenn der Wohnungswechsel zur Eingliederung in Arbeit oder aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen erforderlich ist."
- 335
Dieser Begründung lässt sich nur entnehmen, dass die Autoren des Gesetzentwurfes davon ausgegangen sind, dass die kommunalen Träger für die Festlegung von Angemessenheitsgrenzen zuständig seien. Dies mag ein Reflex auf die bis zum Zeitpunkt der Erstellung des Gesetzentwurfes bereits ergangene Rechtsprechung oder schlicht eine Bezugnahme auf die Regelung der Trägerschaft in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II sein, besagt aber nichts über die materielle Bedeutung des Angemessenheitsbegriffs.
- 336
Im Zuge der weiteren Änderungsgesetzgebung zum § 22 SGB II sind in den Gesetzesmaterialien spezifische Ausführungen zum Angemessenheitsbegriff nur insoweit enthalten, als Erläuterungen zu den Satzungsregelungen in §§ 22a bis 22c SGB II gegeben werden (vgl. insbesondere BT-Drucks. 17/3404, S. 44, 98-101 vom 26.10.2010). In diesem Zusammenhang lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien aber die Feststellung entnehmen, dass die Schwierigkeiten mit der Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung zu einer Vielzahl von Widerspruchs- und Gerichtsverfahren geführt haben, weshalb die Neuregelung in §§ 22a bis 22c SGB II den Ländern und Kommunen die Möglichkeit eröffnen soll, den Bedarf für Unterkunft und Heizung transparent und rechtssicher auszugestalten (BT-Drucks. 17/3404, S. 99). Das Problem der mangelnden Transparenz und Rechtssicherheit im Hinblick auf die im Rahmen des SGB II zu berücksichtigenden Unterkunftsbedarfe ist auf der politischen Ebene also durchaus erkannt worden. Zur näheren Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II trägt dieser Befund aber nichts bei.
- 337
g) Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist somit zu unbestimmt, um behördliche oder gerichtliche Entscheidungen zu ermöglichen, in denen gesetzgeberische Wertentscheidungen wiederzuerkennen wären. Sie genügt nicht den spezifischen Anforderungen an die Bestimmbarkeit, die auf Grund der Betroffenheit des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu stellen sind (s.o. unter B. II. 2.1).
- 338
Mit § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hat der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über die Höhe der zur Sicherung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums zu gewährenden Leistungen nicht selbst getroffen, sondern der Ausgestaltung durch die Verwaltung und die Gerichte überlassen. Hierdurch hat eine politische Transformation der „gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 138) im Wege eines demokratisch-parlamentarischen Prozesses effektiv nicht stattgefunden. Durch die Verschiebung der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums in die Sphäre der Verwaltungs- und Gerichtspraxis ist die Gestaltung dieses elementaren Bestandteils der Existenzsicherung dem öffentlichen demokratisch-parlamentarischen Diskurs weitgehend entzogen worden (so bereits SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 74).
- 339
Die Unbestimmtheit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hat praktisch zur Folge, dass die wesentlichen Entscheidungen über die Höhe der unterkunftsbezogenen Leistungen durch das BSG, die Verwaltung und die Instanzgerichte getroffen werden. Hiermit verbunden ist zunächst das Problem, dass die genannten Institutionen über keine hinreichende demokratische Legitimation verfügen. Die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Verwaltung zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen haben im Laufe der Jahre ca. ein Dutzend Bundesrichter geschaffen. Die Umsetzung der Rahmenbedingungen auf kommunaler Ebene erfolgt ohne spezifische Verfahrensvoraussetzungen, so dass eine Mitwirkung demokratischer Selbstverwaltungsgremien nicht sichergestellt und praktisch wohl eher die Ausnahme ist. Die Kontrolle und Ersetzung der Verwaltungsentscheidung erfolgt durch die Fachgerichte ebenfalls nur in mittelbarer demokratischer Legitimation.
- 340
Diese Ausgangslage hat auf Grund der zwar weitreichenden, aber - abgesehen vom hilfsweisen Rückgriff auf § 12 Abs. 1 WoGG - nicht zielgenauen Vorgaben des BSG weiter zur Folge, dass den behördlichen und instanzgerichtlichen Entscheidungsträgern praktisch erhebliche Spielräume im Hinblick auf die Bewertung der örtlichen Verhältnisse belassen werden. Die kommunalen Träger (und teilweise auch die Tatsachengerichte) bedienen sich darüber hinaus in zunehmendem Umfang sachverständiger Hilfe. Gelegentlich (wie auch im vorliegenden Fall) wird die gesamte Erstellung eines „schlüssigen Konzepts“ durch externe Dienstleister vorgenommen, wodurch die Normsetzung in gewissem Umfang privatisiert wird.
- 341
Durch diese vertikale Verschränkung der für die Leistungshöhe maßgeblichen Wertentscheidungen ist die politische und rechtliche Verantwortung für die Leistungsberechtigten praktisch nicht mehr nachvollziehbar. Es bleibt diffus, auf welcher politischen Ebene auf die Bestimmung der Höhe der unterkunftsbezogenen Leistungen Einfluss genommen werden könnte.
- 342
2.3.3 Abweichungen von dem erarbeiteten verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab zur Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung existenzsichernder Leistungen lassen sich weder mit den Besonderheiten der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (a) noch mit spezifischen Eigenschaften unterkunftsbezogener Bedarfe (b) rechtfertigen.
- 343
a) Die Orientierung am "Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit" (vgl. BSG, Urteil vom 20.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 12) rechtfertigt keine Abweichung vom verfassungsrechtlichen Maßstab. Hiermit wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber in der Tradition des Bedarfsdeckungsprinzips auf eine Pauschalierung im engeren Sinne verzichtet und die grundsätzliche Berücksichtigung der tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung angeordnet hat. Da die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II die Funktion einnimmt, die Leistungen auf das zur Wahrung der Menschenwürde Existenznotwendige zu beschränken, gibt dies jedoch keinen Anlass, von den Anforderungen des BVerfG an die Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen abzuweichen. Die Deckelung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung durch eine (regional differenzierte) Angemessenheitsgrenze wirkt genauso begrenzend und das Existenzminimum konkretisierend wie eine Pauschale. Hat eine leistungsberechtigte Person höhere Kosten der Unterkunft zu tragen, als anerkannt werden, hat dies denselben Effekt, als wenn diese Person mit den Leistungen für den Regelbedarf nicht auskommt und Mehrausgaben hat. Ein Unterschied besteht - zum Nachteil der Leistungsberechtigten - lediglich darin, dass eine leistungsberechtigte Person nicht (bzw. nur unter Vernachlässigung unterkunftsbezogener Verpflichtungen) durch Einsparungen beim Unterkunftsbedarf Mehrausgaben in anderen Bedarfsbereichen kompensieren kann (so schon SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 81).
- 344
Auch das BSG bezeichnet die Heranziehung von Höchstwerten nach dem WoGG zu Recht als "Pauschalierung", obwohl hiermit nicht gemeint ist, dass auch höhere als tatsächliche Unterkunftskosten gewährt werden können (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 23).
- 345
b) Die Leistungsbegrenzung allein mit Hilfe des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit kann auch nicht mit dem Sachgesichtspunkt der spezifischen Eigenschaften von Unterkunftsbedarfen gerechtfertigt werden.
- 346
Der Wohnungsmarkt hat zwar grundlegend andere Eigenschaften als der Markt für andere Konsumgüter (v. Malottki, info also 2012, S. 99; Gautzsch, NZM 2011, S. 498). So spiegeln die tatsächlichen monatlichen Mietzahlungen (Bestandsmieten) nicht das aktuelle Marktpreisniveau am Wohnungsmarkt wieder, das Angebot an Wohnungen ist kurzfristig unelastisch, Wohnen ist ein nicht substituierbares Grundbedürfnis, Wohnungen sind hinsichtlich ihrer Merkmale heterogene Güter und auf dem Wohnungsmarkt spielen persönliche Eigenschaften der Nachfrager anders als bei vielen anderen Konsumgütern eine Rolle (v. Malottki, info also 2012, S. 99 f.). Daneben dürfte die regionale Spreizung der kalten Unterkunftskosten deutlicher ausfallen als bei den Preisen der meisten anderen Konsumgüter.
- 347
Diese Besonderheiten im Sachbereich des unterkunftsbezogenen Existenzminimums erfordern unter Umständen andere Vorgehensweisen bei der Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse und bei der Festsetzung von Art und Höhe der zu gewährenden Leistungen, rechtfertigen jedoch keine Abstriche hinsichtlich der demokratischen Legitimation der Regelung des Leistungsanspruchs. Denn es besteht kein Grund zur Annahme, dass der Gesetzgeber die Besonderheiten von Unterkunftsbedarfen nicht im Gesetz selbst oder auf Grund eines Gesetzes im Rahmen hinreichend bestimmter Vorgaben berücksichtigen könnte.
- 348
Dem Bundesgesetzgeber stehen sämtliche Möglichkeiten zur Verfügung, sich die Rahmenbedingungen für eine verfassungsrechtlich zulässige, sozial- und wohnungspolitisch gewünschte Lösung zu schaffen. Der Bundesgesetzgeber kann beispielsweise als Haushaltsgesetzgeber die zur Erhebung der notwendigen empirischen Grundlagen erforderlichen Mittel zuordnen und als Steuergesetzgeber - soweit erforderlich - weitere Mittel generieren. Er kann als verfassungsändernder Gesetzgeber sogar die staatsorganisationsrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, seine Aufgaben (teilweise) zu delegieren, soweit dies nicht ohnehin schon möglich ist (vgl. Art. 91e GG). Regionale Eigenheiten von Wohnungsmärkten können selbstverständlich auch von Institutionen und Personen, die nicht in der Region ansässig oder verwurzelt sind, bei der Bedarfsermittlung und -bewertung berücksichtigt werden, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die führenden Unternehmen und Institute aus Darmstadt, Hamburg und Köln, die "schlüssige Konzepte" für kommunale Träger erstellen, bundesweit tätig sind.
- 349
Neben anderen hat auch das BSG an den Gesetz- und Verordnungsgeber wiederholt appelliert, bundesweite Regelungen für als angemessen anzuerkennende Wohnungsgrößen sowie zur Bestimmung von Vergleichsräumen zu schaffen (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 18 f.).
- 350
2.3.4 Die Unterbestimmtheit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wird nicht durch andere den Unterkunftsbedarf deckende Ansprüche kompensiert.
- 351
a) Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II ist nicht dazu geeignet, die Deckung des Unterkunftsbedarfs in verfassungskonformer Weise sicherzustellen. Dies liegt zunächst darin begründet, dass § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II selbst an den Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II anknüpft und somit am gleichen Bestimmtheitsmangel leidet (s.o. unter A. V. 4.2.1 a). Darüber hinaus operiert diese Bestandsschutzregelung mit dem weiteren unbestimmten Rechtsbegriff der "Unzumutbarkeit" und sieht eine Regelfrist von sechs Monaten für die Übernahme "unangemessener" Aufwendungen vor. Auf diese Weise wird eine im Falle der Leistungskürzung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II eintretende Bedarfsunterdeckung nicht in jedem Fall ausgeglichen. Die Gewährleistung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimums wird mit § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II nicht effektiv gesichert.
- 352
b) Auch die Möglichkeit der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II kompensiert die verfassungsrechtlich defizitäre Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht. § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II sieht vor, dass - sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird - Schulden übernommen werden können, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II sollen Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Nach § 22 Abs. 8 S. 4 SGB II sollen Geldleistungen als Darlehen erbracht werden.
- 353
Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist nicht schon dadurch verfassungsgemäß, dass mit § 22 Abs. 8 SGB II ein letztes Interventionssystem geschaffen wurde, das zur Deckung des notwendigen Unterkunftsbedarfs notfallmäßig einspringen kann. Denn der Gesetzgeber hat die Art der Deckung des unterkunftsbezogenen Bedarfs in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II grundsätzlich als anhand der tatsächlichen Aufwendungen zu bildende Berechnungsgröße im Gesamtbedarf geregelt.
- 354
Die Möglichkeit der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II erscheint zwar für eine Kompensation nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II unvollständig gedeckter Unterkunftsbedarfe nicht völlig ungeeignet, da das Existenzminimum grundsätzlich auch durch darlehensweise Leistungen gesichert werden kann (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07.04.2010 - 1 BvR 688/10 - Rn. 2).
- 355
Durch die Verwendung des Begriffs der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist jedoch nicht hinreichend bestimmt, unter welchen Umständen an die Stelle einer Ausgestaltung der Leistung zur Gewährung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums als gebundener Anspruch auf einen Zuschuss (außer in Fällen des § 24 Abs. 5 SGB II) ein Anspruch tritt, der vom (gegebenenfalls intendierten) Ermessen der Behörde abhängig ist, weitere zum Teil begrifflich unbestimmte Voraussetzungen (Rechtfertigung; drohende Wohnungslosigkeit) hat und in der Regel eine darlehensweise Leistung (bei Tilgung mit Aufrechnung gegen laufende Leistungen) vorsieht (§ 22 Abs. 8 S. 4 SGB II). Auch diese Fragen sind zur Grundrechtsverwirklichung im Hinblick auf das unterkunftsbezogene Existenzminimum so wesentlich, dass sie die durch den Gesetzgeber selbst zu regeln sind.
- 356
c) Andere zur Sicherung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums geeignete Sozialleistungen sind für Leistungsberechtigte nach dem SGB II ausgeschlossen. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 SGB II und § 21 S. 1 SGB XII schließt der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII aus. Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II sind vom Wohngeldbezug ausgeschlossen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 WoGG).
- 357
2.3.5 Die mit Gesetz vom 24.03.2011 mit Wirkung vom 01.01.2011 neu eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II vermögen an der Untauglichkeit der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums nichts zu ändern.
- 358
a) Gemäß § 22a Abs. 1 SGB II wird den Landesgesetzgebern ermöglicht, Kommunen per Landesgesetz zu ermächtigen oder zu verpflichten, zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen im Rahmen näher bestimmter Kriterien Satzungen zu erlassen, die gemäß § 35c SGB XII unter bestimmten Voraussetzungen auch für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII gelten sollen. Die Kreise und kreisfreien Städte können, wenn das Landesrecht dies vorsieht, nach § 22a Abs. 2 S. 1 SGB II Bedarfe für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet durch eine monatliche Pauschale berücksichtigen, wenn auf dem örtlichen Wohnungsmarkt ausreichend freier Wohnraum verfügbar ist und dies dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit entspricht. Nach § 22a Abs. 2 S. 2 SGB II sind Regelungen für den Fall vorzusehen, dass die Pauschalierung im Einzelfall zu unzumutbaren Ergebnissen führt. Nach § 22a Abs. 3 S. 1 SGB II soll die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt abbilden. Gemäß § 22a Abs. 3 S. 2 SGB II soll die Bestimmung Auswirkungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt berücksichtigen hinsichtlich der Vermeidung von Mietpreis erhöhenden Wirkungen, Verfügbarkeit von Wohnraum des einfachen Standards und aller verschiedenen Anbietergruppen und hinsichtlich der Schaffung und Erhaltung sozial ausgeglichener Bewohnerstrukturen. Gemäß § 22b Abs. 1 S. 1 SGB II ist in der Satzung zu bestimmen, welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird und in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als angemessen anerkannt werden. Nach § 22b Abs. 1 S. 4 SGB II können die Kreise und kreisfreien Städte ihr Gebiet in mehrere Vergleichsräume unterteilen, für die sie jeweils eigene Angemessenheitswerde bestimmen, um die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt realitätsgerecht abzubilden.
- 359
Bislang bestehen Landesgesetze nach § 22a SGB II nur in Berlin (§ 8 AG-SGB II Berlin), Hessen (§ 4a Offensiv-Gesetz Hessen) und Schleswig-Holstein (§ 2a AG-SGB II/BKGG Schleswig-Holstein).
- 360
b) Systematisch stehen die §§ 22a bis 22c SGB II neben dem § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und begründen ein vom § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II unabhängiges Normprogramm zur Bestimmung der Höhe unterkunftsbezogener Leistungen. Unmittelbar werden hiermit nur Rahmenbedingungen für die landesrechtliche Gestaltung von Satzungsermächtigungen aufgestellt. Es wird keine Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II für dessen Anwendungsbereich vorgenommen. Wenn in § 22a Abs. 3 S. 1 SGB II die "Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung" die "Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt abbilden" soll, folgt hieraus nicht, dass auch der Angemessenheitsbegriff in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II im Ausgangspunkt auf diese Weise zu konkretisieren ist.
- 361
Die in §§ 22a bis 22c SGB II getroffenen Wertentscheidungen sind deshalb bereits auf Grund ihrer systematischen Stellung nicht dazu geeignet, die Defizite des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II im Hinblick auf die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums abzumildern (so bereits SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 58). Durch die Gesetzesänderung wurde keine Änderung im Normprogramm des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II herbeigeführt (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - Rn. 15; Berlit, info also 2011, S. 165).
- 362
c) Darüber hinaus genügen auch die in den §§ 22a bis 22c SGB II getroffenen Regelungen den Anforderungen an die verfassungsgemäße Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung des Existenzminimums nicht. Unabhängig davon, ob und unter welchen Voraussetzungen der Bundesgesetzgeber die nähere Ausgestaltung der Bestimmung des Existenzminimums den Ländern und/oder Kommunen überlassen darf (kritisch Berlit, info also 2010, S. 203; Putz, SozSich 2011, S. 233), fehlt es an einer Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur folgerichtigen Begründbarkeit der Höhe des Leistungsanspruchs durch den Gesetzgeber.
- 363
Das BVerfG hat seine Rechtsprechung zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bislang ausschließlich anhand von Teilleistungsansprüchen etabliert, die durch den Gesetzgeber numerisch exakt bestimmt waren (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a.; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a.). Dass dies nicht die einzige Möglichkeit ist, einen verfassungsgemäßen Leistungsanspruch zu schaffen, zeigt sich darin, dass dem Gesetzgeber auch im Hinblick auf die Leistungsart (Geld-, Sach- oder Dienstleistung) ein Gestaltungsspielraum eingeräumt wird (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 67). Es ist deshalb von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Gewährleistung unterkunftsbezogener existenzsichernder Leistungen auf andere Weise als durch einen unmittelbar im Gesetz der Höhe nach bezifferten Anspruch (bzw. bis zu einer bezifferten Höchstgrenze) ausgestaltet wird. Beispielsweise erfolgt auch die Fortschreibung der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 S. 1 SGB II i.V.m. § 28a, 40 SGB XII im Wege einer Rechtsverordnung und nicht unmittelbar durch ein formelles Gesetz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 142). Entscheidet sich der Gesetzgeber für eine Ausgestaltung des Anspruchs auf Leistungen zur Gewährleistung des Existenzminimums durch untergesetzliche Normen, muss er aber durch Schaffung eines geeigneten gesetzlichen Regelungssystems dafür sorgen, dass die untergesetzlichen Konkretisierungen des Leistungsanspruchs wesentlich auf Wertentscheidungen des Gesetzgebers zurückführbar sind.
- 364
Die §§ 22a bis 22c SGB II enthalten zwar einige Anhaltspunkte für die Art und Weise, wie Angemessenheitsgrenzen durch kommunale Satzungsgeber zu bilden sind, und geben mit der Bezugnahme auf "Verhältnisse des einfachen Standards" (§ 22b Abs. 1 S. 4 SGB II; vgl. auch § 22a Abs. 3 S. 1, S. 2 Nr. 3 SGB II) eine grobe Richtung für die normative Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen vor. Auch scheint in § 22b Abs. 1 S. 1 SGB II eine Festlegung auf die "Produkttheorie" enthalten zu sein. Es fehlen aber Vorgaben über "standardbildende Faktoren" (Klerks, info also 2011, S. 197). So bleibt u.a. unklar, welche Wohnflächen als angemessen angesehen werden sollen und wessen Wohnverhältnisse Bezugsgröße für einen angemessenen Wohnstandard sein sollen.
- 365
Somit würde auch eine auf die Satzungsermächtigung nach § 22a Abs. 1 SGB II oder § 22a Abs. 2 SGB II gestützte Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen nicht wesentlich auf Wertentscheidungen des Gesetzgebers zurückgeführt werden können.
- 366
Dass die §§ 22a bis 22c SGB II auch in deren Anwendungsbereich nicht viel zur Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs beizutragen vermögen, zeigt sich darin, dass die Rechtsprechung zur Auslegung dieser Vorschriften umfassend auf die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II durch das BSG zurückgreift (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.09.2013 - L 36 AS 1987/13 NK - Rn. 49; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.09.2013 - L 36 AS 1414/12 NK - Rn. 45; BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 29 ff.; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 53/13 R - Rn. 26; hiervon abweichend aber SG Berlin, Urteil vom 28.04.2014 - S 82 AS 28836/12 - Rn. 28).
- 367
3. Die Frage, ob die über § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II gewährten Leistungen evident nicht zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums ausreichen, lässt sich in Folge der Unbestimmtheit der Regelung nicht beantworten.
- 368
3.1 Die Höhe des Anspruchs auf der Existenzsicherung dienende Leistungen darf nicht evident unzureichend zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz sein (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 - Rn. 81). Unter Würdigung des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und der Abhängigkeit der Bestimmung der Grundvoraussetzungen eines menschenwürdigen Lebens von gesellschaftlichen Vorstellungen verzichtet das BVerfG auf genauere Umschreibungen insbesondere des Aspekts der sozialen Teilhabe und belässt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Die Evidenzkontrolle ist hierbei nicht auf das physische Existenzminimum beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 - Rn. 81; a.A. Neskovic/Erdem, SGb 2012, S. 137). Mithin kann ein Leistungsanspruch auch dann evident unzureichend sein, wenn er nicht dazu ausreicht, elementare Bedürfnisse der sozialen Teilhabe zu befriedigen.
- 369
3.2 Offen bleiben kann vorliegend, ob ein evidenter Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bereits deshalb vorliegt, weil bei Kürzung des bei der Leistungsbemessung berücksichtigten Unterkunftsbedarfs unter die tatsächlichen Aufwendungen stets ein ungedeckter Bedarfsrest verbleibt (vgl. Schmidt, NVwZ 1995, S. 1046).
- 370
Diese Frage ließe sich verneinen, wenn verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden wäre, dass die Leistungsbemessung eine Schuldenbildung zur Folge hätte. Das unterkunftsbezogene Existenzminimum wäre dann erst ab dem Zeitpunkt berührt, wenn der tatsächliche Verlust der Wohnung und damit des Obdachs eintritt. Die verfassungsrechtlich gebotene Interventionsschwelle würde erst zum letztmöglichen Zeitpunkt überschritten, an dem der Verlust der Wohnung noch verhindert werden kann. Für diesen Fall böte § 22 Abs. 8 SGB II eine unterkunftssichernde Interventionsmöglichkeit und im Fall einer Ermessensreduzierung auch eine Interventionspflicht.
- 371
Eine andere Möglichkeit wäre es, die verfassungsrechtliche Gewährleistungsverpflichtung als erfüllt anzusehen, wenn sich die insgesamt bewilligte Leistung abstrakt dazu eignet, den unabhängig vom Einzelfall definierten Bedarf zu decken. Das hieße, das Existenzminimum unabhängig von den unterkunftsbezogenen Verpflichtungen, denen ein Leistungsberechtigter rechtlich und tatsächlich ausgesetzt ist, als gewahrt anzusehen, wenn der insgesamt gewährte Geldbetrag dazu ausreichen würde, die Kosten für irgendeine dem Existenzminimum genügende Unterkunft und den sonstigen Lebensunterhalt aufzubringen.
- 372
Auch wenn der Gesetzgeber die existenzsichernden Leistungen nach den Maßstäben des Verfassungsrechts nur in einer Höhe gewährleisten müsste, die abstrakt dazu geeignet ist, den Unterkunftsbedarf zu decken, änderte dies nichts daran, dass die Bestimmung, in welcher Höhe dieser Bedarf anzusetzen wäre, wesentlich dem Gesetzgeber obliegt (s.o. unter B. II. 2.3.4 b).
- 373
3.3 Unter der Voraussetzung, dass eine nicht bedarfsdeckende Berücksichtigung von Unterkunftskosten nicht per se verfassungswidrig ist, lässt sich eine evidente Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht feststellen. Dies beruht allerdings darauf, dass die Regelung bereits wegen ihrer ungenügenden Bestimmbarkeit verfassungswidrig ist. Die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit zur Regelung der Leistungshöhe nimmt der Prüfung, ob die durch das Gesetz gewährten Leistungen evident unzureichend sind, jeglichen Bezugspunkt und macht die vom BVerfG geforderte Evidenzkontrolle (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 81) unmöglich.
- 374
4. § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt auch deshalb gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, weil der Gesetzgeber die zur Festsetzung der existenzsichernden Leistungen erforderliche Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur folgerichtigen Begründbarkeit der Höhe des Leistungsanspruchs nicht vorgenommen hat. Eine Prüfung der tragfähigen Begründbarkeit der gesetzgeberischen Konzeption (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 139) scheitert daher bereits daran, dass weder Prüfungsmaßstab (inhaltliche Bestimmung des Existenzminimums) noch Ergebnis (Leistungsanspruch) durch Gesetz hinreichend bestimmt worden sind.
- 375
4.1 Die aus dem Demokratieprinzip folgende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers führt dazu, dass oberhalb der Evidenzkontrolle nur die folgerichtige Umsetzung der auf empirische Erkenntnisse gestützten normativen Entscheidungen des Gesetzgebers im gesetzlich geregelten Leistungsanspruch zu prüfen ist. Da nur der Gesetzgeber diese Gestaltungsaufgabe umsetzen kann, ist er hierzu aber auch verpflichtet - anders könnte das Grundrecht nicht realisiert werden.
- 376
Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber sowohl für die grundlegenden Wertentscheidungen hinsichtlich der für die Existenzsicherung erforderlichen Bedarfe zuständig ist, als auch für die Realisierung eines konkreten auf existenzsichernde Leistungen gerichteten Anspruchs. Der Gesetzgeber hat somit - jenseits der Evidenzkontrolle - sowohl den Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit der Leistungen zu bestimmen als auch den Leistungsanspruch entweder in konkreter Höhe festzusetzen oder aber ein Regelungssystem zu etablieren, das eine Festsetzung der Leistungshöhe auf Grund gesetzgeberischer Wertentscheidungen ermöglicht. Die Ausgestaltung der Leistung hinsichtlich der Art und Höhe ist daher an den durch den Gesetzgeber selbst getroffenen Wertentscheidungen zu messen. Der Zusammenhang zwischen beiden Aspekten unterliegt der Prüfung der Folgerichtigkeit oder "tragfähigen Begründbarkeit".
- 377
Offen bleiben kann vorliegend, in welcher Form der Gesetzgeber die für die Ausgestaltung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen grundlegenden Wertentscheidungen zu treffen hat, ob diese Wertentscheidungen selbst Bestandteil eines formellen Gesetzes sein müssen, oder ob sie sich zumindest aus der Gesetzesbegründung oder sonstigen Gesetzesmaterialien ergeben müssen.
- 378
a) Das BVerfG stellt im Urteil vom 09.02.2010 fest, dass sich der Grundrechtsschutz (auch) deshalb auf das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums erstrecke, weil eine Ergebniskontrolle am Maßstab dieses Grundrechts nur begrenzt möglich sei (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.142). Das BVerfG prüfe deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben habe, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt habe, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt habe (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.143). Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle bestehe für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Komme der Gesetzgeber dieser Obliegenheit nicht hinreichend nach, stehe die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.143).
- 379
b) Im Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10 u.a. - Rn. 79) führt das BVerfG diesbezüglich aus, dass sich die Art und die Höhe der Leistungen "mit einer Methode erklären lassen (müssen), nach der die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt werden und nach der sich alle Berechnungsschritte mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegen". Im Beschluss vom 23.07.2014 stellt das BVerfG klar, dass die Entscheidung anhand des vom BVerfG entwickelten Folgerichtigkeitsmaßstabs "tragfähig begründbar" sein müsse (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 80). Die Verfassung schreibe nicht vor, was, wie und wann genau im Gesetzgebungsverfahren zu begründen und zu berechnen sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77).
- 380
Daraus muss gefolgert werden, dass nach Auffassung des BVerfG bestimmte Qualitätsmerkmale der Gesetzesbegründung keine formelle Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zur Realisierung eines Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen sind.
- 381
c) Auf Grund des Beschlusses des BVerfG vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.) liegt es nahe die „tragfähige Begründbarkeit“ als rein objektiven Maßstab zu verstehen, so dass Wertentscheidungen über die Auswahl der Methoden zur Bestimmung des Existenzminimums weder anhand des Gesetzes noch anhand der Gesetzgebungsmaterialien belegbar sein müssten. Hierfür könnte sprechen, dass für die praktische Grundrechtsverwirklichung nur Art und Höhe der Leistung wesentlich sind, nicht aber die der Anspruchsausgestaltung zu Grunde liegenden Wertentscheidungen. Andererseits birgt die Reduzierung des Prüfungsmaßstabs auf die "tragfähige Begründbarkeit" die Gefahr, dass einer durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes festgelegten Leistungshöhe eine derartige Methode nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens beliebig untergeschoben werden könnte, beispielsweise durch das Gericht selbst oder durch interessierte Teilnehmer am öffentlichen Diskurs (Beispiele für Stellungnahmen zur „richtigen“ Höhe der Regelleistungen z.B. bei Spindler, info also 2010, S. 53). Hierdurch würde die "Folgerichtigkeitsprüfung" tendenziell auf das Niveau der Evidenzkontrolle reduziert, da jedes in die Diskussion eingebrachte Berechnungsmodell, das in sich schlüssig den gesetzlich geregelten Anspruch zu unterbieten im Stande wäre, zu dessen Rechtfertigung taugen würde. Bei einer derartigen Sichtweise wäre nicht sichergestellt, dass die grundlegenden Wertentscheidungen hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums tatsächlich durch den parlamentarisch-demokratischen Gesetzgeber getroffen werden. Für eine Prüfung, ob sich aus den parlamentarischen Wertentscheidungen das gefundene Ergebnis in Form des gesetzlichen Anspruchs folgerichtig ableiten lässt, fehlte die erste Komponente.
- 382
Das BVerfG hat sich bei der "Folgerichtigkeitsprüfung" trotz der Reduzierung des Prüfungsmaßstabs auf die "tragfähige Begründbarkeit" fast ausschließlich an den zur Verfügung stehenden Gesetzgebungsmaterialien bzw. im Falle des Beschlusses vom 23.07.2014 am gesetzlich fixierten Verfahren zur Bestimmung der Regelbedarfe im RBEG orientiert (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a.- Rn.160 ff.; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 91 f.; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 91 ff.). Insbesondere im Urteil vom 09.02.2010 hat das BVerfG keine ergänzenden Expertisen zu der Frage eingeholt, ob die seinerzeit zur Überprüfung stehende Leistungshöhe nicht unabhängig von der Gesetzesbegründung „tragfähig begründbar“ gewesen sein könnte.
- 383
Es bleibt nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG mithin unklar, in welchem Zusammenhang die der verfassungsrechtlichen Prüfung zu Grunde zu legenden Wertentscheidungen mit dem Gesetzgebungsprozess stehen müssen.
- 384
d) Mit guten Gründen ließe sich vertreten, dass die grundlegenden Wertentscheidungen im Sinne einer inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums ebenso wie der hieraus abzuleitende Leistungsanspruch im Wege eines formellen Gesetzes getroffen werden müssen. Hierfür spricht, dass dem Gesetzgeber als solchem keine andere Handlungsform als das formelle Gesetz zur Verfügung steht. In Folge der pluralistischen Zusammensetzung der Gesetzgebungskörperschaften (die auf Bundesebene darüber hinaus aus zwei verschiedenen Gremien, Bundestag und Bundesrat, bestehen) gibt es keinen authentischen Interpreten der Entscheidungen des Gesetzgebers, der verbindlich gesetzgeberische Konzeptionen und Intentionen im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Prüfung darstellen oder "nachbessern" könnte. Daher ist auch nicht klar, wer zur Erfüllung von „Obliegenheiten“ des Gesetzgebers (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.143) berufen sein könnte. Verbindliche Wertentscheidungen des "Gesetzgebers" können nur in Gesetzesform ergehen. Aus dem Grundgesetz lassen sich weder Begründungs- noch sonstige Dokumentationspflichten über den Gesetzgebungsprozess als formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für ein Bundesgesetz herleiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77; Groth, NZS 2011, S. 571 m.w.N.). Die Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers kann sich in formeller Hinsicht daher nicht auf dessen Begründung erstrecken. Die grundlegenden Wertentscheidungen zur Ausgestaltung des Anspruchs auf ein menschenwürdiges Existenzminimums müssten demnach in Gesetzesform getroffen werden, um als Entscheidungen des Gesetzgebers identifizierbar zu sein.
- 385
Der formlose Prüfungsmaßstab der "tragfähigen Begründbarkeit" bezöge sich demnach nur auf den folgerichtigen Zusammenhang zwischen der gesetzlich zu regelnden inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums einerseits und dem gesetzlich zu regelnden Leistungsanspruch andererseits. Sofern der Gesetzgeber also seinem Auftrag zur Ausgestaltung des Grundrechts nachgekommen wäre, könnte der hieraus abgeleitete Leistungsanspruch anhand eines objektiven Maßstabs auf seine tragfähige Begründbarkeit überprüft werden.
- 386
4.2 Wie dieses Problem zu lösen ist, kann vorliegend offen bleiben, da es der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II sowohl an einer inhaltlichen Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums als auch an einem überprüfbaren Ergebnis im Sinne eines hinreichend bestimmten gesetzlichen Anspruchs fehlt. Eine Prüfung der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 142 ff. und Rn. 159 ff.) kann deshalb nicht stattfinden.
- 387
Darüber hinaus fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass im Gesetzgebungsverfahren der Versuch unternommen wurde, Unterkunftsbedarfe allgemein zu erfassen und für ein Konzept zur Bestimmung der Höhe unterkunftsbezogener Leistungen auszuwerten. Die Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Fassung enthält lediglich den Verweis auf die sozialhilferechtliche Praxis, an die angeknüpft werden soll (BT-Drucks. 15/1516, S. 57). Auch im Zuge späterer Gesetzesänderungen erfolgte keine Auseinandersetzung mit Bewertungsgrundsätzen, die eine rationale und nachvollziehbare Berechnung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums ermöglichen würden (s.o. unter B. II. 2.3.2.c). Soweit im Zuge der Einführung der Satzungsregelung in §§ 22a bis 22c SGB II Überlegungen über geeignete Methoden zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen angestellt wurden (BT-Drucks. 17/3404, S. 44, 98-101), stehen diese systematisch neben dem Normprogramm des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und enthalten - wie die gesetzliche Regelung selbst (s.o. unter B II. 2.3.5) - im Übrigen auch keine hinreichenden normativen Maßstäbe zur Bestimmung der Höhe unterkunftsbezogener existenzsichernder Leistungen.
- 388
Die vom BVerfG aufgestellten Anforderungen an den Gesetzgeber können nicht dadurch erfüllt werden, dass sie mit Hilfe eines "unbestimmten Rechtsbegriffs" zur näheren Bestimmung der Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis überantwortet werden (so bereits SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 71). Die Auffassung, das BSG würde gerade mit der Rechtsprechung zum "schlüssigen Konzept" den prozeduralen Anforderungen des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010 genügen (Knickrehm, SozSich 2010, S. 193; Luik, jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; Link in: jurisPK SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41; Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - Rn. 39; SG Karlsruhe Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 53 f.), übersieht, dass es sich um Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren und dessen Ergebnisse handelt. Diesbezügliche Defizite kann die fachgerichtliche Rechtsprechung nicht ausgleichen, denn sie ist zu den im Gesetzgebungsverfahren vorzunehmenden sozialpolitischen Wertungen nicht berufen (vgl. Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 287).
- 389
5. Der Bestimmtheitsmangel des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II kann nicht durch eine "verfassungskonforme Auslegung" behoben werden.
- 390
Das Gebot verfassungskonformer Auslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht (BVerfG, Urteil vom 19.09.2007 - 2 BvF 3/02 - Rn. 92). Die verfassungskonforme Auslegung ist demzufolge eine Vorzugsregel, nach der bestimmte nach methodisch korrekter Konkretisierungsarbeit gefundene Ergebnisse gegenüber anderen zu bevorzugen sind. Die Fachgerichte sind verfassungsrechtlich gehalten, Gesetzesrecht verfassungskonform auszulegen und gegebenenfalls „interpretatorisch (zu) reparieren“ (Baer, NZS 2014, S. 4).
- 391
Da der Befund der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II in erster Linie auf der mangelnden Bestimmtheit des Normtextes (s.o. unter B. II. 2.3) und in zweiter Linie auf fehlenden gesetzgeberischen Wertentscheidungen bezüglich der inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums (s.o. unter B. II. 4.2) beruht, müsste das Ziel einer "verfassungskonformen Auslegung" zunächst darin bestehen, entweder den (als verfassungswidrig erkannten) Bestimmtheitsmangel oder das Bestimmtheitserfordernis zu beseitigen. Eine „verfassungskonforme Auslegung“ müsste dazu in der Lage sein, die notwendigen gesetzgeberischen Wertentscheidungen zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums aufzuzeigen oder aber gesetzgeberische Wertentscheidungen dieser Art entbehrlich zu machen.
- 392
Für eine Beseitigung des Bestimmtheitsmangels durch Auslegung genügt es demnach nicht darzulegen, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit einer einzelfallbezogenen Konkretisierung zugeführt werden kann. Es bedürfte vielmehr der Begründung, weshalb der Begriff der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II entgegen der hier vertretenen Auffassung (s.o. unter B. II. 2.3.2. b) dazu geeignet sein sollte, Gesetzesbindung zu erzeugen und hiermit eine wirksame Steuerung der durch Verwaltung und Rechtsprechung zu vollziehenden Konkretisierungsprozesse anhand gesetzgeberischer Wertentscheidungen zu ermöglichen (s.o. unter B. II. 2.1.3).
- 393
Für eine Beseitigung des Bestimmtheitserfordernisses (s.o. unter B. II. 2.1.4) bedürfte es einer Auslegung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, die geeignet ist, die aus dem Grundrechtsbezug der Regelungsmaterie resultierende Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers zu beseitigen. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dürfte in Folge einer derartigen Auslegung durch § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht betroffen sein.
- 394
5.1 Die Rechtsprechung des BSG (siehe oben unter A. IV. 1.) bietet vor dem Hintergrund der genannten Anforderungen keine verfassungskonforme Lösung. Sie kann weder den Bestimmtheitsmangel heilen, noch das Bestimmtheitserfordernis beseitigen. Sie vermag auch nicht die fehlenden gesetzgeberischen Wertentscheidung bezüglich der inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums zu ersetzen.
- 395
5.1.1 Mit der Ausrichtung des Angemessenheitsbegriffs auf einfache, grundlegende Wohnstandards (so bereits BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R) und der hieraus folgenden Entwicklung von Wertmaßstäben und Methoden zur weiteren Konkretisierung von Angemessenheitsgrenzen übernimmt das BSG die dem Gesetzgeber auferlegten und vorbehaltenen Gestaltungsaufgaben umstandslos selbst, indem es den vom BVerfG erarbeiteten Maßstab zur Gestaltung der das Existenzminimum gewährenden Leistungen verfeinert und im Übrigen an die Verwaltung und die Instanzgerichte delegiert (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 21: „(Die) Mietobergrenze ist unter Berücksichtigung eines existenzsichernden Leistungssystems festzulegen.“).
- 396
Das BSG übernimmt damit eine Aufgabe, die nach der vom BVerfG entwickelten Dogmatik dem parlamentarischen Gesetzgeber obliegt (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136). Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob das BSG mit seiner Rechtsprechung zum "schlüssigen Konzept" den materiellen Anforderungen des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im Hinblick auf Realitätsgerechtigkeit, Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Sachgerechtigkeit genügt (vgl. schon SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 72).
- 397
Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen Maßstäbe entwickelt, anhand derer die Gerichte die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung zu prüfen haben. Diese Maßstäbe haben die Funktion, Mindestanforderungen an gesetzgeberisches Handeln zu formulieren, nicht gesetzgeberisches Handeln zu ersetzen. Wenn nun diese Mindestanforderungen an die Gesetzgebung von der Rechtsprechung in die Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffs übersetzt werden, führt dies unweigerlich zu einer Ausrichtung an Minimalstandards der Existenzsicherung, obwohl sich aus dem Gesetzeswortlaut hierfür nichts ergibt.
- 398
Letztendlich unterstellt das BSG mit der Orientierung an einfachen und im unteren Marktsegment liegenden Standards (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 24), der Gesetzgeber wolle im Bereich der Unterkunftsbedarfe Leistungen nur in der Höhe gewähren, zu der er von Verfassungs wegen mindestens verpflichtet ist. Das "Angemessene" sei in diesem Sinne nur das zur Wahrung des Existenzminimums zwingend Erforderliche. Dies ist aber nur eine von vielen denkbaren Lesarten des Angemessenheitsbegriffs in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, zumal der Gesetzgeber dem Erhalt einer konkret innegehabten Wohnung im Bereich des SGB II erkennbar einen hohen Stellenwert einräumt (vgl. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II, § 12 Abs. 1 Nr. 4 SGB II).
- 399
Das BSG verwendet den Angemessenheitsbegriff somit als normtextlichen Ausgangspunkt und Rechtfertigungsgrund für die eigene Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums (so schon SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 52). Auf diese Weise können aber weder der Bestimmtheitsmangel (s.o. unter B. II. 2.3) geheilt noch die fehlenden gesetzgeberischen Wertentscheidungen (s.o. unter B. II. 4) ersetzt werden. Das BSG kann auf diese Weise auch das Bestimmtheitserfordernis nicht beseitigen, weil es sich mit der Ausrichtung an einfachen, grundlegenden Wohnstandards gerade am Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums orientiert (vgl. SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 79). Eine verfassungskonforme Auslegung ist so nicht möglich.
- 400
5.1.2 Die vom BSG entwickelten Konkretisierungsmaßstäbe sind auch im Einzelnen teilweise verfassungsrechtlich bedenklich und im Übrigen nicht alternativlos.
- 401
a) Bereits im Ansatz ist die vom BSG herangezogene Produkttheorie, die die beiden Faktoren (angemessene) Wohnfläche und (angemessener) Quadratmetermietpreis zu den Bestimmungsgrößen für die Angemessenheitsgrenze zusammenfügt, eine Wertentscheidung, die mit guten Gründen auch anders getroffen werden könnte.
- 402
Das BSG nähert sich der Fragestellung, welchen Unterkunftsbedarf Menschen mit geringem Einkommen in Deutschland haben, nur indirekt, indem es die zwei normativen Ausgangspunkte „angemessene Wohnfläche“ und „angemessener Wohnstandard“ kombiniert und nicht versucht, unmittelbare Erkenntnisse über die tatsächlichen Ausgaben einkommensschwacher Haushalte zu gewinnen. Dieser Ansatz ist eher mit dem früher zur Festsetzung des Regelsatzes nach dem BSHG herangezogenen Warenkorbmodell als mit der empirisch-statistischen Methode der Regelbedarfsbemessung verwandt (vgl. Rosenow, wohnungslos 2012, S. 57). Im Hinblick auf die Wohnfläche bleibt es bei einer normativen Setzung (v. Malottki, info also 2012, S. 101), während hinsichtlich des angemessenen Wohnstandards letztendlich doch versucht wird, diesen auf ein empirisch-statistisches Maß herunter zu brechen, indem regionale Quadratmetermietpreise ermittelt werden sollen. Die Multiplikation zweier (mutmaßlich) unterdurchschnittlicher Werte im Rahmen der Produkttheorie führt dazu, dass die so ermittelten Angemessenheitsgrenzen stärker negativ von durchschnittlichen oder üblichen Unterkunftskosten abweichen, als es bei Betrachtung der für die Bestimmung des "einfachen Segments" des Wohnstandards gewählten Perzentile den Anschein hat (vgl. v. Malottki, info also 2014, S. 100 f.; ders., info also 2012, S. 107).
- 403
Demgegenüber könnte eine stärkere Anlehnung an empirisch-statistische Verfahren Unterkunftsbedarfe realitätsgerechter erfassen. Beispielsweise könnte als Grundlage für die Bestimmung von Unterkunftskostenbegrenzungen an die statistisch nachweisbaren tatsächlichen Ausgaben der Bevölkerung für Unterkunftsbedarfe aus Einkommens- und Verbrauchsstichproben oder Mikrozensus-Erhebungen angeknüpft werden (vgl. SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 73 f.; Stölting, SGb 2013, S. 546; vgl. im Sinne einer Weiterentwicklung der Produkttheorie hin zu einer "Absolutmiettheorie“: v. Malottki, info also 2012, S. 107).
- 404
b) Fragwürdig ist auch die vollständige Ausblendung der Lebensverhältnisse und des Wohnstandards von Wohneigentümern bei der Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen. Laut Mikrozensus 2010 werden 53,1 % der Wohnungen in Rheinland-Pfalz von deren Eigentümern bewohnt (Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Wohnungen und Mieten 2010 - Ergebnisse des Mikrozensus 2010, Bad Ems 2012). Der größere Teil des tatsächlich bestehenden Wohnraums wird somit von vornherein nicht in die Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen mit einbezogen (vgl. auch v. Malottki, info also 2014, S. 100). Der als Angemessenheitsgrenze durch Bestimmung einer Perzentile der Mietenstichprobe herangezogene Quadratmetermietpreis verliert hierdurch an Aussagekraft. Wird diese Grenze beispielsweise bei der 33. Perzentile des erhobenen Datenbestands gegriffen, bedeutet dies keineswegs, dass der so bestimmte Quadratmetermietpreis in etwa den Wohnstandard des unteren Einkommensdrittels der Bevölkerung repräsentiert.
- 405
c) Auch die Differenzierung der Angemessenheitsgrenze nach der Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 - Rn. 21) ist angreifbar und hat sowohl gegenüber der Alternative der Anknüpfung an das Individuum als auch gegenüber einer Bemessung nach der Anzahl der Haushaltsmitglieder spezifische Nachteile. Gegenüber der Bezugnahme auf das Individuum führt die Vorgehensweise in Kombination mit der Hinzuziehung der Wohnflächengrenzen nach den landesrechtlichen Wohnförderungsbestimmungen zu einer sehr deutlichen und vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) problematischen Benachteiligung von Mehrpersonenbedarfsgemeinschaften. So liegt die Angemessenheitsgrenze beispielsweise in dem von A & K für den vorliegend Beklagten erstellten Konzept für eine Zweipersonenbedarfsgemeinschaft nur um 13,30 Euro über der Angemessenheitsgrenze für eine "Einpersonenbedarfsgemeinschaft". Auf den Individualanspruch übertragen werden unter Zugrundelegung der Kopfteilmethode für einen Partner in einer Zweipersonenbedarfsgemeinschaft Kosten für die Kaltmiete nur in Höhe von bis zu 149,40 Euro berücksichtigt, bei einem Einpersonenhaushalt in Höhe von bis zu 285,50 Euro. Auch wenn diese Ungleichbehandlung mit unterschiedlichen Bedarfsdeckungserfordernissen eventuell gerechtfertigt werden könnte, wird dies durch die Bezugnahme auf Bedarfsgemeinschaften an Stelle von Haushaltsgemeinschaften wieder konterkariert (kritisch auch Koepke, SGb 2009, S. 617 ff.). Denn das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft verknüpft begrenzte Voraussetzungen (§ 7 Abs. 3 SGB II) mit begrenzten Rechtsfolgen (vgl. Rosenow, SGb 2008, S. 284). So haben die Gründe, weshalb eine Person, die mit anderen in einem Haushalt lebt, nicht mit diesen zu einer Bedarfsgemeinschaft zusammengefasst wird, in aller Regel nichts mit der Art und dem Umfang der Nutzung der Unterkunft zu tun.
- 406
Die zusätzliche Anforderung des BSG, dass auch bei der Bestimmung der "angemessenen" Quadratmetermietpreise nach Haushaltsgrößen differenzierte Wohnflächenintervalle berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - Rn. 20), führt darüber hinaus dazu, dass die normative Bestimmung der "angemessenen Wohnfläche" zweifach berücksichtigt wird. Der hiermit einhergehende Benachteiligungseffekt zu Lasten von Personen, die in größeren Bedarfsgemeinschaften wohnen, wird hierdurch verstärkt, weil größere Wohnungen einen tendenziell niedrigeren Quadratmetermietpreis aufweisen.
- 407
d) Die an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung anknüpfende Bestimmung der angemessenen Wohnfläche anhand der Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau (unkritisch noch in den Urteilen des BSG vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 19 - und vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - Rn. 12) genügt bereits nach Auffassung des BSG nicht den selbst gestellten Anforderungen (grundlegend: BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 15 ff.). Sie wird nach mehreren fruchtlosen Appellen, eine Verordnung nach § 27 SGB II a.F. zu erlassen, wohl nur aus Mangel an Alternativen weiter verfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 18; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R - Rn. 14; vgl. auch Groth, SGb 2009, S. 645).
- 408
Neben der grundsätzlichen Untauglichkeit der Wohnraumförderungsbestimmungen, Aussagen über tatsächliche Verhältnisse am Wohnungsmarkt zu ermöglichen (vgl. v. Malottki, info also 2012, S. 101), ist die Heranziehung der landesrechtlich unterschiedlichen Beträge gleichheitswidrig. Da die angemessene Wohnfläche bei Anwendung der Produkttheorie stets einen Faktor der Angemessenheitsgrenze bildet, wirken sich nach dem jeweiligen Landesrecht unterschiedliche Förderungsgrößen proportional auf die Angemessenheitsgrenzen aus. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass nach der Rechtsprechung des BSG für Einpersonenhaushalte in Baden-Württemberg (angemessene Wohnfläche: 45 m²; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R - Rn 18; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 21) eine um 10 % niedrigere Angemessenheitsgrenze gilt als für Einpersonenhaushalte in Rheinland-Pfalz und den meisten anderen Bundesländern (angemessene Wohnfläche: 50 m²; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 16 - Schleswig-Holstein; BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R - Rn. 17 - Nordrhein-Westfalen; BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 61/12 R - Rn. 21 - Sachsen-Anhalt; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 20 - Bayern) - völlig unabhängig von den jeweiligen örtlichen Wohnungsmarktverhältnissen.
- 409
Das BSG erkennt dies zwar und sieht auch die Gefahr einer eigentlich kompetenzwidrigen mittelbaren Beeinflussung der bundesrechtlichen Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II durch die Bundesländer (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 16), hat die Suche nach einer Problemlösung aber allem Anschein nach aufgegeben.
- 410
Daneben ist es zweifelhaft, ob die Wohnflächenstaffelung des Wohnungsbauförderungsrechts auch innerhalb eines Landes sich zur Normierung divergierender Unterkunftsbedarfe verschiedener Haushaltsgrößenklassen eignet. Das Wohnbauförderungsrecht modelliert die klassische Entwicklung eines familiären Haushalts und hat hierbei den Zweipersonenhaushalt eines Ehepaares im Blick (Gautzsch, NZM 2011, S. 504). Dies erklärt möglicherweise den in den meisten Bundesländern relativ geringen Sprung der als förderungswürdig erachteten Wohnfläche von einem Einpersonenhaushalt zu einem Zweipersonenhaushalt um nur 10 m² (vgl. Boerner in: Löns/Herold-Tews, § 22 Rn. 25, 3. Auflage 2011), während bei Hinzutreten einer dritten Person eine Erhöhung um weitere 15 m² die Regel ist. Dies lässt beispielsweise die häufige Konstellation des Zweipersonenhaushaltes bei Alleinerziehenden mit einem Kind außer Betracht (Gautzsch, NZM 2011, S. 504).
- 411
e) Neben den notwendigen Wertentscheidungen bei der Bestimmung der Parameter für die Festlegung der Wohnflächengrenzen und des Vergleichsraums sowie für die Erhebung der Datengrundlage fehlt es an einer konkreten Ausformulierung und Begründung eines statistischen Maßes, mit dem innerhalb des Auswertungsdatensatzes das einfache Segment abgegrenzt werden könnte (vgl. v. Malottki, info also 2012, S. 104). Unter Anwendung der Produkttheorie des BSG stellt die Festlegung dieses Maßes aber praktisch die wesentliche Entscheidung über die Angemessenheitsgrenze dar, weil hierbei festgelegt wird, wie hoch der für die Haushaltsgröße maßgebliche Quadratmetermietpreis ist, der anschließend mit der als angemessen angesehenen Wohnfläche multipliziert wird. Die Entscheidung, welche Perzentile herangezogen wird, beruht dabei häufig nur auf Zahlenästhetik und stellt eine reine Dezision des Entscheidungsträgers dar, unabhängig davon, ob diese Entscheidung auf Verwaltungsebene oder durch das Gericht erfolgt. Das BSG beanstandet für einen Münchener Fall die Heranziehung der 20. Perzentile der Grundgesamtheit des gesamten Marktes nicht (BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 37), gibt aber keinen Grund dafür an, weshalb - bei Festlegung auf ein "unteres Marktsegment" - nicht auch die 18., 26., 32. oder 41. Perzentile herangezogen werden dürfte.
- 412
Spätestens im abschließenden „Griff nach der Perzentile“ zeigt sich, dass die Vorstellung trügt, man könne die abstrakt angemessenen Unterkunftskosten (bzw. den Quadratmetermietpreis für Wohnungen einfachen Standards) mit Hilfe eines schlüssigen Konzepts „ermitteln“ (so aber BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 17).
- 413
f) Die Angemessenheitsgrenze "per se" oder "Angemessenheitsobergrenze" in Form der Heranziehung der Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG zuzüglich 10 % als höchstens angemessene Bruttokaltmiete für den Fall fehlender Ermittlungsmöglichkeiten durch das Gericht wurde offenbar ohne jegliche Plausibilitätsprüfung geschaffen. Jedenfalls lässt sich eine solche den Urteilsbegründungen des BSG nicht entnehmen (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - Rn. 15; BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - Rn. 20; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R – Rn. 23; BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R - Rn. 29; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R - Rn. 29; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 20 ff.; BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - Rn. 19; BSG, Urteil vom 16.04.2013 - B 14 AS 28/12 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 4/13 R - Rn. 15; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 25 ff.).
- 414
Das BSG hat in seiner Judikatur vielmehr Gründe dafür angeführt, weshalb der Rückgriff auf die Höchstwerte nach § 8 Abs. 1 WoGG a.F. bzw. § 12 Abs. 1 WoGG gerade nicht zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze geeignet ist. Der mit der Gewährung von Wohngeld verfolgte Zweck sei ein anderer, als derjenige der Leistungen nach dem SGB II (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 18; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 21). Die pauschalierten Höchstbeträge des § 8 WoGG könnten keine valide Basis bilden und allenfalls als ein gewisser Richtwert Berücksichtigung finden, wenn alle Erkenntnismöglichkeiten erschöpft seien (BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 24). Die Tabellenwerte in § 8 WoGG stellten grundsätzlich keinen geeigneten Maßstab für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft dar, weil sie zum einen die örtlichen Gegebenheiten nicht angemessen widerspiegelten und zum anderen nicht darauf abstellten, ob der Wohnraum bedarfsangemessen sei (BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - Rn. 20). Die in § 12 Abs.1 WoGG festgeschriebenen Werte würden ebenso wenig wie die in § 8 Abs. 1 WoGG a.F. den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 27).
- 415
Das BSG begründet die Heranziehung der modifizierten Höchstwerte nach § 8 Abs.1 WoGG a.F. bzw. § 12 Abs. 1 WoGG schlicht damit, dass die Übernahme der tatsächlichen Kosten nicht unbegrenzt erfolgen könne. Es gebe eine "Angemessenheitsgrenze" nach "oben". Durch sie solle verhindert werden, dass extrem hohe und damit nicht nur nach Auffassung des Grundsicherungsträgers, sondern per se unangemessene Mieten durch den Steuerzahler zu finanzieren seien (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27). Worauf die Annahme gestützt wird, dass diese Angemessenheitsobergrenze sich aus § 8 Abs. 1 WoGG a.F. bzw. § 12 Abs. 1 WoGG ergeben könnte, wird jedoch nicht erklärt. Die Hinzufügung eines „Sicherheitszuschlags“ von 10 % „im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraumes“ (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 22; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 28) ist offensichtlich aus der Luft gegriffen.
- 416
Es bleibt somit unklar, was das BSG zu der Annahme verleitet, die herangezogenen Werte hätten für tatsächliche Wohnungsmarktlagen irgendeine Aussagekraft. Diese Werte liegen tatsächlich oftmals unter den von kommunalen Trägern anhand von schlüssigen oder unschlüssigen Konzepten erarbeiteten Angemessenheitsgrenzen (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 4/13 R - Rn. 15; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 3878/11 - Revision anhängig: B 4 AS 44/14 R; vgl. zur Kritik auch Rosenow, wohnungslos 2012, S. 60; Schnitzler, SGb 2010, S. 512; Groth, SGb 2013, S. 251).
- 417
g) Gegen die Rechtsprechung des BSG spricht weiter, dass sie - letztlich wegen der unbestimmten gesetzlichen Grundlage - nicht dazu in der Lage ist, Rechtssicherheit zu schaffen (vgl. SG Dresden, Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 32; SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 65 ff.).
- 418
In der Literatur wird hierzu u.a. ausgeführt, dass nicht überraschen könne, dass sich die jeweilige Bestimmung der angemessenen Höhe der Kosten der Unterkunft in der Praxis als konfliktträchtig erweise (Butzer/Keller, NZS 2009, S. 66), dass die im Bereich der Unterkunftskosten anhängigen Streitverfahren schwerpunktmäßig die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung beträfen (Jaritz, Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft - Sanktionen - Mitwirkung, in: Baus/Krings (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Sozial- und Arbeitsrecht, St. Augustin/Berlin 2012, S. 63) und dass Leistungen für Unterkunft und Heizung zu den streitanfälligeren Leistungen, die Verwaltung und Sozialgerichte in erheblichem Umfang beschäftigen, gehörten (Berlit, info also 2011, S. 170; vgl. auch Groth, SGb 2009, S. 646; Winter, SGb 2012, S. 366).
- 419
Dies liegt zum einen darin begründet, dass auch höchstrichterliche Rechtsprechung keine Bindungswirkung über den Einzelfall hinaus entfaltet und aus diesem Grund eine gesetzliche Regelung nicht funktionell gleichwertig ersetzen kann (vgl. Berlit, info also 2010, S. 195; Groth, SGb 2009, S. 646), zum anderen darin, dass ein unauflöslicher Widerspruch zwischen dem Anliegen besteht, einerseits abstrakt-generell geregelte Mietobergrenzen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten schaffen zu wollen und hierfür andererseits als gesetzliche Grundlage lediglich einen "unbeschränkt überprüfbaren" unbestimmten Rechtsbegriff zu haben. Das Dilemma wird in der folgenden Passage aus dem Urteil des BSG vom 22.09.2009 (B 4 AS 18/09 R - Rn. 26 f.) besonders deutlich:
- 420
"Es ist im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten. Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher grundsätzlich schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit vom Grundsicherungsträger vorzulegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne eine hinreichende Datengrundlage, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1, 2. Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Diese Ermittlungspflicht geht nicht ohne Weiteres auf das Sozialgericht über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht tragfähig (schlüssig) erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind. (…) Steht nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur Überzeugung des Gerichts fest, dass keine solchen Erkenntnismöglichkeiten mehr vorhanden sind - etwa durch Zeitablauf - sind vom Grundsicherungsträger die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen für Unterkunft zu übernehmen. Sie sind allerdings auch in diesem Fall nicht völlig unbegrenzt zu übernehmen, sondern nur bis zur Höhe der durch einen Zuschlag maßvoll erhöhten Tabellenwerte in § 8 WoGG."
- 421
Das BSG stellt den Leistungsträgern hiermit die Aufgabe, Angemessenheitsgrenzen in Form von abstrakt-generellen Regelungen zu treffen, ohne ausdrücklich einen Beurteilungs- oder Gestaltungsspielraum einzuräumen. Dies soll allerdings nur "im Wesentlichen" Aufgabe des Leistungsträgers sein. Das Konzept soll auch nur "grundsätzlich" bereits zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (so ausdrücklich auch BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 21). Es hat aber keine erkennbaren Konsequenzen, wenn es zu diesem Zeitpunkt nicht vorliegt. Aus der weichen Formulierung, "es kann vom (…) kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt", geht deutlich hervor, dass sich für eine echte Verpflichtung keine Rechtsgrundlage finden lässt. So geht auch die Ermittlungspflicht nur nicht "ohne Weiteres" auf die Sozialgerichte über.
- 422
Die Unschärfe in der Aufgabenverteilung zwischen Leistungsträger (eigenständig "ermitteln") und Gericht (unbeschränkte Kontrolle) hat systematisch-konstruktive Gründe. An der Gestattung eines Beurteilungsspielraums ist das BSG gehindert, da methodischer Ausgangspunkt für die gesamte Judikatur zur Angemessenheit der Unterkunftskosten der uneingeschränkt überprüfbare, unbestimmte Rechtsbegriff ist (vgl. Groth, SGb 2013, S. 250). Dies hat zur Konsequenz, dass im Endeffekt die Gerichte auf Grundlage systematischer Vorentscheidungen der Verwaltung über die konkrete Höhe der Angemessenheitsgrenze nach eigenen Wertungen entscheiden sollen (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 24; vgl. zum Ganzen: SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 Rn. 65 ff.).
- 423
Die so erfolgte Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen und somit der Höhe der unterkunftsbezogenen Leistungen des SGB II stellt sich bei realistischer Betrachtung als kooperativer Prozess zwischen Verwaltung und Rechtsprechung dar, der im Wesentlichen erst im Streitfall zwischen Leistungsberechtigtem und Behörde vollzogen wird. In diesem Prozess sind die politischen Verantwortlichkeiten kaum auseinanderzuhalten und die Funktionen der Staatsgewalten nicht mehr voneinander unterscheidbar. Die Rechtsprechung kann auf diese Weise ihrer verfassungsrechtlichen Kontrollfunktion gegenüber der Legislative nicht nachkommen. Rechtssicherheit kann auf diese Weise nicht erreicht werden.
- 424
5.2 Die von der 20. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 26 ff.; s. o. unter A. IV. 3.3) vertretene Auslegung ist ebenfalls nicht dazu geeignet, die Verfassungskonformität des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II sicherzustellen. Mit der Begrenzung der Leistungen für Unterkunft auf die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG legt das Gericht die Höhe des Existenzsicherungsanspruchs nach eigenen Wertmaßstäben fest. Dies ist bereits auf Grund der Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers verfassungswidrig. Im Übrigen begründet das SG Dresden ebenso wenig wie das BSG, weshalb die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG für die Bemessung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums geeignet sein sollten (s.o. unter B. II 5.1.2. f).
- 425
5.3 Die von der 17. Kammer des SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09; Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 751/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13; Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12; Urteil vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11; s. o. unter A. IV. 3.1) und von der 20. Kammer des SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12; Urteil vom 16.12.2013 - S 20 AS 879/11; s. o. unter A. IV. 3.2) erarbeiteten Vorschläge zur verfassungskonformen Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II laufen entweder auf eine verfassungswidrige Wahrnehmung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums durch Verwaltung und Gerichte oder auf eine gleichfalls verfassungswidrige faktische Normverwerfung durch die Gerichte hinaus.
- 426
5.3.1 Die 17. Kammer des SG Mainz stellt zwar die möglichen Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zutreffend dar (SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 61) und formuliert abstrakt die Anforderungen, die eine verfassungskonforme Auslegung des Angemessenheitsbegriffs im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllen müsste (SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 62). Zutreffend weist das SG Mainz darauf hin, dass das Primat der verfassungskonformen Auslegung im Rahmen der Gesetzesbindung entstehungsgeschichtliche und teleologische Auslegungselemente verdrängen muss. Im Rahmen der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II kann das abstrakt formulierte Ziel der verfassungskonformen Auslegung jedoch nicht erreicht werden.
- 427
a) Der in den zitierten Entscheidungen eingeschlagene Weg besteht darin, nicht den Bestimmtheitsmangel des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zu beseitigen (was - wie unter B. II. 2 gezeigt - nicht möglich ist), sondern ihn durch Herausnahme der verfassungsrechtlichen Brisanz irrelevant zu machen. Dies gelingt in der Theorie dadurch, dass § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II als Regelung interpretiert wird, die das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht betrifft (vgl. SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn 62; in diesem Punkt vergleichbar: SG Dresden, Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 54). Der Angemessenheitsbegriff soll nach dieser Auffassung so konkretisiert werden, dass er eine andere Funktion einnimmt, als die der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 87).
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Dieser Ansatz ist theoretisch nachvollziehbar, weil auf diese Weise die Bestimmbarkeits- und Folgerichtigkeitskriterien, die für die Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllt werden müssen (s.o. unter B. II. 2.1 und unter B. II. 4), außer Betracht bleiben könnten. Losgelöst von diesen der Grundrechtsverwirklichung geschuldeten Anforderungen wäre die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht zu beanstanden.
- 429
b) Allerdings lässt sich der Anspruch, eine Auslegung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zu ermöglichen, die nicht die Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums betrifft, nicht einlösen. Denn die Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II führt nur zu einem im Hinblick auf das Existenzsicherungsgrundrecht verfassungskonformen Ergebnis, solange der Fall der evidenten Überschreitung der ortsüblichen Unterkunftsaufwendungen nicht eintritt. Sobald das Gericht aber im Einzelfall eine solche Überschreitung feststellen müsste, würde es die Höhe des unterkunftsbezogenen Existenzminimums doch selbst bestimmen und hiermit - ebenso wie das BSG - eine Gestaltungsaufgabe übernehmen, die dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Dies gilt auch dann, wenn die Angemessenheitsgrenze so hoch definiert wird, dass nach "allgemeinen Anschauungen" oder anderen scheinbar objektiven Kriterien keine Bedenken bestehen, die Kostenübernahme als unverhältnismäßig anzusehen. Denn durch die Kürzung des in die Leistungsberechnung einzubeziehenden Unterkunftsbedarfs wird das Existenzminimum in jedem Fall ausgestaltet, selbst wenn der Betroffene eine "Luxuswohnung" bewohnt. Dies folgt zum einen daraus, dass auch in diesem Fall der "angemessene" Anteil des Unterkunftsbedarfs zu berücksichtigen wäre (s.o. unter B. II. 2.3.1 b), welcher in irgendeiner Form durch Verwaltung oder Gericht beziffert werden müsste.
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Zum anderen könnte der Unterkunftsbedarf oder wahlweise der Bedarf zur Sicherung des sonstigen Lebensunterhalts bei einer Kürzung nicht vollständig gedeckt werden. In Folge der geringen Elastizität des Konsumguts "Unterkunft" (s.o. unter B. II. 2.3.3 b) besteht in jedem Fall der Kürzung die Gefahr einer akuten Unterdeckung des Unterkunftsbedarfs. Die Leistungsberechtigten sind zwar nicht unmittelbar dazu gezwungen, ihren Verpflichtungen für den Erhalt der Unterkunft vollständig nachzukommen, wenn sie diese nicht als Leistungen vom SGB II-Träger erhalten, so dass die gewährten Leistungen für den Regelbedarf in vollem Umfang verkonsumiert werden dürfen, gegebenenfalls unter Inkaufnahme des schuldenbedingten Wohnungsverlusts. Der Verlust einer bestimmten, bisher bewohnten Unterkunft als solcher verstößt auch nicht gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Ein Verstoß läge erst dann vor, wenn nicht kurzfristig eine die menschenwürdige Existenz sichernde Unterkunft verfügbar wäre.
- 431
Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein solcher Zustand eintreten kann, ist aber von wesentlicher Bedeutung für die Grundrechtsverwirklichung und unterliegt deshalb wiederum der Gestaltungsverpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers (s.o. B II. 2.1.2 und 2.1.5). Die hierfür maßgeblichen Wertentscheidungen können durch die Gerichtsbarkeit nicht ersetzt werden (s.o. unter B II. 4.2).
- 432
Die Auslegung des Angemessenheitsbegriffs durch die 17. Kammer des SG Mainz führt demzufolge nicht zu einem verfassungskonformen Ergebnis.
- 433
c) Die Verfassungswidrigkeit könnte theoretisch nur vermieden werden, wenn die Angemessenheitsgrenze so hoch angesetzt würde, dass sie praktisch niemals zum Zuge käme. Die Interpretation einer Rechtsvorschrift in einer Weise, dass sie keine Auswirkungen hat, kommt im Ergebnis aber der Nichtanwendung dieser Norm gleich. Der Rechtsprechung steht es auf Grund der Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG) jedoch nicht zu, eine gesetzgeberische Regelungsentscheidung im Wege der Auslegung vollständig zu neutralisieren.
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d) Der Vorschlag, die Leistungspflicht nur in Einzelfällen zu begrenzen, in denen Leistungsberechtigte hinsichtlich ihrer Unterkunft deutlich erkennbar über den ortsüblichen Verhältnissen leben (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 87) läuft somit entweder auf eine verfassungswidrige Wahrnehmung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums oder auf eine gleichfalls verfassungswidrige faktische Normverwerfung durch die Gerichte hinaus.
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5.3.2 Der Vorschlag einer verfassungskonformen Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II durch das SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.) scheitert aus denselben Gründen. Die Frage, wann ein die Leistungskürzung rechtfertigender Ausnahmefall im Sinne eines offensichtlichen Missverhältnisses zu den sonstigen Lebensumständen des Leistungsberechtigten vorliegen würde, hätte wesentliche Bedeutung für die Grundrechtsverwirklichung und bedürfte deshalb einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber.
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5.4 Andere Vorschläge für eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wurden in Rechtsprechung und Literatur bislang nicht gemacht und sind für die vorlegende Kammer auch nicht ersichtlich.
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6. Die in Rechtsprechung und Literatur unternommen Versuche, die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG zu verteidigen, gelingen nicht.
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6.1 Die Auffassung von Link (in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014 - s.o. unter A. IV. 5.5) und dem 1. Senat des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41 - s.o. unter A. IV. 4.1), die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" biete mit dem hierfür entwickelten schlüssigen Konzept gerade ein vom BVerfG gefordertes transparentes und schlüssiges Verfahren, vernachlässigt, dass das BVerfG Transparenz- und Schlüssigkeitsanforderungen ausdrücklich an das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren gestellt hat (so bereits SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 46). Dass das BVerfG betont habe, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum zukomme, lässt die Schlussfolgerung nicht zu, dass der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum praktisch an die Verwaltung und die Gerichtsbarkeit weiterreichen dürfte. Auch eine "gefestigte Rechtsprechung" kann die Ausübung gesetzgeberischen Gestaltungsermessens nicht ersetzen. Die Kritik am Urteil des SG Mainz vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09), das hiermit die Rechtsprechung zum schlüssigen Konzept lediglich substituiert werde, trifft im Ergebnis zwar zu, würdigt aber nicht den Umstand, dass diese Substitution von einem anderen Ausgangspunkt erfolgte und nur einer Art Evidenzkontrolle diente.
- 439
6.2 Soweit die 49. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 57 - s.o. unter A. IV. 4.2) ausführt, dass die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nicht einem Parlamentsgesetz vorbehalten sei, da einem solchen nur die Bestimmung des Existenzminimums unterliege und § 22 SGB II über dieses Minimum deutlich hinausgehe, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Frage, wie hoch die Angemessenheitsgrenze liegt, bestimmt maßgeblich, wie hoch der zur Sicherung des Existenzminimums gedachte Leistungsanspruch ausfällt. Der Begriff "Existenzminimum" markiert nur in dem Sinne eine Untergrenze dahingehend, dass der Gesetzgeber ein Minimum an existenzsichernden Leistungen zur Verfügung stellen muss. Ob der Gesetzgeber sich zur Sicherung des Existenzminimums einer Regelungstechnik unter Verwendung von "Obergrenzen" bedient, ist für die Qualifikation als zur Sicherung des Existenzminimums bestimmte Leistung völlig unerheblich.
- 440
Die These, dass weder der Bundes- noch die Landesgesetzgeber die existenznotwendigen Kosten der Unterkunft in einer für das gesamte Bundes- oder Landesgebiet hinreichend zuverlässigen und transparenten Weise sachgerecht ermitteln könnten, wie es das BVerfG für die Ermittlung des Existenzminimums verlange, ist nicht zielführend und darüber hinaus nicht geeignet, plausibel zu machen, weshalb die kommunalen Träger und Sozialgerichte diese Voraussetzungen besser erfüllen könnten.
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Auch die Behauptung, es sei nicht zu befürchten, dass der nach der Rechtsprechung des BSG für die Beurteilung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu Grunde zu legende Wohnstandard die aus der Gewährleistung des Existenzminimums herzuleitenden Mindeststandards unterschreiten könnte, ist sehr gewagt. Selbst die wenigen instanzgerichtlichen Entscheidungen zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen, die das BSG bestätigt hat, sind im Hinblick auf ihre Eignung, das Existenzminimum durch ein rationales Verfahren zu gewährleisten, methodisch angreifbar (vgl. v. Malottki, info also 2014, S. 99 ff. zu BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R). Dass deswegen auf eine formal-gesetzliche Grundlage verzichtet werden könne, steht jedenfalls in deutlichem Gegensatz zur Rechtsprechung des BVerfG, nach der gerade der Gesetzgeber die Höhe der existenzsichernden Leistungen auszugestalten habe.
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6.3 Die vom 2. Senat des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 12 ff. - s.o. unter A. IV. 4.3; Urteile vom 26.03.2014 - L 2 AS 104/14 - Rn. 43 - s.o. A. IV. 4.5) und vom 2. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 11.03.2014 - L 2 AS 276/14 B ER - Rn. 49 ff. - s.o. unter A. IV. 4.4) gegen die Rechtsauffassung der 17. Kammer des SG Mainz herangezogenen Gründe stellen keine Sachargumente dar. Die Senate begnügen sich damit, auf eine entgegenstehende höhere Rechtsprechung zu verweisen und (im Falle des 2. Senats des LSG Baden-Württemberg) über Implikationen der Rechtsprechung des BVerfG zu spekulieren, ohne sich in der Sache mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II auseinanderzusetzen.
- 443
6.4 Luiks Argumentation (jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; ähnlich ders. in: Eicher, SGB II, § 22 Rn. 6, 3. Auflage 2013 – s.o. unter A. IV. 5.4) stützt sich im Wesentlichen auf die Annahme, dass das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits bestätigt habe. Dies trifft nicht zu (s. o. unter A. VI.), würde im Übrigen eine Auseinandersetzung in der Sache aber auch nicht entbehrlich machen, da das BVerfG der Bindungswirkung seiner Entscheidungen selbst nicht unterliegt (BVerfG, Beschluss vom 19.11.1991 - 1 BvR 1425/90 - Rn. 16 m.w.N.). Dass das BSG selbst eine Konzeption zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums entwickelt hat, die, stammte sie vom Gesetzgeber, den prozeduralen Anforderungen des BVerfG im Hinblick auf die Gestaltung existenzsichernder Leistungen genügen könnte, beseitigt das verfassungsrechtliche Problem nicht. Das BSG verfügt nicht über eine hinreichende demokratische Legitimation, um zur wesentlichen Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums befugt zu sein. Dass das legitimatorische Problem nicht mit herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden bewältigt werden kann, wurde bereits ausgeführt (s. o. unter B. II. 2.1.4).
- 444
6.5 Berlits Einwand, dass die Rechtsprechung des BSG an eine auch dem SGB II-Gesetzgeber bekannte Rechtsprechung des BVerwG zum Angemessenheitsbegriff im BSHG anknüpfe und in ihrem sachlichen Regelungsgehalt erneut in den Vorgaben für die Satzungsregelung aufgegriffen worden sei (Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn, 60 f., 5. Auflage 2013 - s.o. unter A. IV. 5.6), verfängt ebenfalls nicht. Die anhand der Gesetzgebungsmaterialien nachvollziehbare Bezugnahme auf die Sozialhilfepraxis verweist nicht nur auf ein gesetzgeberisches Regelungsmodell, sondern auch auf eine Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis, die vor dem Hintergrund der erst nach dem Außerkrafttreten des BSHG etablierten Rechtsprechung des BVerfG zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf Grund der selben Legitimationsdefizite keinen Bestand haben würde. Sie basiert ebenfalls auf dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit (vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 RegelsatzVO i.d.F. des Gesetzes vom 14.11.2003).
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So bestimmte sich nach der ständigen Rechtsprechung des bis zum 31.12.2004 für Sozialhilfe zuständigen BVerwG (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 - 5 C 15/04) die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nach dem Bedarf des Hilfebedürftigen, welcher sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles richten sollte, insbesondere nach Umständen in der Person des Hilfebedürftigen, in der Art seines Bedarfs und nach den örtlichen Verhältnissen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine Unterkunft waren die örtlichen Verhältnisse maßgeblich. Hierbei wurde auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abgestellt und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne ermittelt. Erschienen dem Sozialhilfeträger die Unterkunftskosten im Einzelfall als zu hoch, durfte er die Angemessenheitsprüfung nicht darauf beschränken, ausgehend vom Bedarf des Hilfebedürftigen mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse zu bestimmen, welcher Kostenaufwand für die Unterkunft sozialhilferechtlich an sich (abstrakt) angemessen gewesen wäre. Der Sozialhilfeträger hatte die Angemessenheitsprüfung in einem solchen Fall auch auf die Frage zu erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war. Bestand eine derartige Unterkunftsalternative nicht, waren die Aufwendungen in voller Höhe weiter zu übernehmen (BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 - 5 C 15/04 - Rn. 10 f. m.w.N.). Dass bei der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nicht auf die jeweiligen örtlichen durchschnittlichen Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfeempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen war, ergab sich aus der Aufgabe der Hilfe zum Lebensunterhalt, nur den "notwendigen" Bedarf abzudecken (BVerwG, Urteil vom 17.11.1994 - 5 C 11/93 - Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 02.08.1994 - 5 PKH 32/94 - Rn. 2). Hierbei verwies das BVerwG auf § 12 Abs. 1 S. 1 BSHG, welcher in der zuletzt maßgeblichen Fassung vom 23.07.1996 lautete:
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"Der notwendige Lebensunterhalt umfaßt besonders Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens."
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In diesen Ausführungen zeigt sich, dass auch unter der Ägide des BSHG das unterkunftsbezogene Existenzminimum nicht wesentlich durch den Gesetzgeber ausgestaltet, sondern anhand relativ allgemeiner Vorgaben des seinerzeit zuständigen Bundesgerichts weitgehend der Verwaltungspraxis überlassen wurde. Das erst mit der Ausdifferenzierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch das BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) offenkundig gewordene Bestimmtheitsproblem bestand auch bezüglich der gesetzlichen Regelung des BSHG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Allerdings erscheint es denkbar, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der unterkunftsbezogenen Leistungen des BSHG anders zu beurteilen, weil das damalige Leistungssystem im Vergleich zum SGB II weitaus mehr Möglichkeiten bot, individuelle Notlagen zu beheben, beispielsweise auch durch Sachleistungen und persönliche Hilfe (vgl. Schmidt, NVwZ 1995, S. 1045).
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Der Verweis auf eine Rechtsprechungspraxis genügt den oben (B. II. 2.1) skizzierten Bestimmtheitsanforderungen aber ohnehin nicht, da global auf eine unbestimmte Vielzahl von Entscheidungstexten Bezug genommen wird. Entscheidungstexte der Gerichtsbarkeit sind schon in Folge ihrer von Normtexten erheblich abweichenden Textstruktur sowie auf Grund ihrer Funktion nicht dazu geeignet, eine gesetzliche Regelung gleichwertig zu ersetzen (s.o. unter B. II. 5.1.2 g). Deshalb würde auch ein ausdrücklicher Verweis im Gesetzestext auf eine bisherige Sozialhilfepraxis dem Bestimmtheitserfordernis des Gewährleistungsrechts nicht genügen. Tatsächlich ist die Bezugnahme auf das Sozialhilferecht aber nicht im Gesetzestext, sondern lediglich in der Gesetzesbegründung erhalten und schon aus diesem Grund nicht dazu geeignet, das Bestimmtheitsproblem abzumildern.
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Mit der Übernahme wesentlicher Bestandteile der Rechtsprechung des BSG in die §§ 22a bis 22c SGB II hat der Gesetzgeber zwar möglicherweise zu erkennen gegeben, dass diese Rechtsprechung in den Grundzügen akzeptiert wird. Allerdings wurden diese Bestandteile gerade nicht in den für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II relevanten Normtext implementiert. Das Bestimmtheitsproblem wurde auf diese Weise somit nicht behoben. Hiervon abgesehen genügen auch die §§ 22a bis 22c SGB II nicht den unter B. II. 2.1 dargestellten Bestimmtheitsanforderungen (s.o unter B. II. 2.3.5).
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Allenfalls ließe sich aus der gesetzgeberischen Entscheidung zur Einführung der §§ 22a bis 22c SGB II der Schluss ziehen, dass eine Orientierung der Angemessenheitsgrenze an den materiellen Mindestanforderungen für die Gewährung des Existenzminimums, wie sie die BSG-Rechtsprechung vorgibt, der gesetzgeberischen Intention - jedenfalls zum Zeitpunkt der Schaffung der Satzungsregelung - durchaus entsprochen hat. Dies vermag am Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot jedoch nichts zu ändern.
III.
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Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist nach Überzeugung der Kammer auf Grund des Verstoßes gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verfassungswidrig (s.o. unter B. II. 2.3.2, B. II. 4). Auf die Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II kommt es im vorliegenden Verfahren an (s.o. unter A. V). Das Gericht hat das Verfahren daher nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG über die Gültigkeit der Vorschrift einzuholen.
C.
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Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger begehrt im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) höhere Kosten der Unterkunft ab 1.1.2005.
- 2
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Der 1948 geborene Kläger bewohnt in Oldenburg ein eigenes Haus, welches mit Erdgas beheizt wird. Er bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 20.1.2005 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.1. bis 30.4.2005 und mit Bescheid vom 12.4.2005 für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von 439,63 Euro monatlich, bestehend aus der Regelleistung (345 Euro) und den Kosten für Unterkunft und Heizung (94,63 Euro).
- 3
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Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger mit seiner Klage zum Sozialgericht (SG) geltend gemacht, die Nebenkosten für ein Eigenheim müssten in gleicher Höhe anerkannt werden, wie dies bei einer Mietwohnung der Fall sei. Dies bedeute, dass eine Rücklagenpauschale für Erhaltungsaufwand, die Stromkosten für die Heizungspumpe und die Stromkosten für Gartenpflege und Außenbeleuchtung sowie eine Gebäudehaftpflichtversicherung leistungserhöhend zu berücksichtigen seien. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.4.2006 abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem zurückweisenden Beschluss vom 27.4.2009 ausgeführt, höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.10.2005 stünden dem Kläger nicht zu, weil der Beklagte bereits alle belegten Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe anerkannt habe. Weitere Aufwendungen seien nicht nachgewiesen worden. Eine monatliche Erhaltungsaufwandspauschale sei im Übrigen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zulässig. Ebenso wenig könne der Kläger neben der anerkannten Wohngebäudeversicherung eine weitere Versicherungsprämie für eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung verlangen, da diese Versicherung beitragsfrei in der privaten Haftpflichtversicherung enthalten sei. Schließlich könne der Kläger auch keine zusätzlichen Stromkosten für die Heizungspumpe, die Gartenpflege und die Außenbeleuchtung verlangen. Diese Aufwendungen seien aus der Regelleistung zu bestreiten, im Übrigen würden diese Kosten bei dem Kläger auch anfallen, wenn er nicht Eigentümer, sondern Mieter des Hauses wäre.
- 4
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Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner vom BSG zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, da nach dieser Vorschrift Leistungen für Unterkunft und Heizung bis zur Angemessenheitsgrenze zu erstatten seien, ohne Differenzierung danach, ob der Wohnbedarf durch Eigentum oder Miete gedeckt werde. Daher seien unter analoger Berücksichtigung der bei Mietern anfallenden und zu berücksichtigenden Nebenkosten auch die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf die Gebäudehaftpflichtversicherung sowie die Stromkosten für die Heizungspumpe, für Gartenpflege und für die Außenbeleuchtung anzuerkennen. Lediglich die Erhaltungsaufwandspauschale könne nach der Rechtsprechung des BSG nicht bedarfserhöhend berücksichtigt werden. Die übrigen geltend gemachten Kosten zählten jedoch zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke, da hierzu alle notwendigen Ausgaben zu zählen seien, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen seien.
- 5
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Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 11. April 2006 aufzuheben sowie die Bescheide des Beklagten vom 20. Januar 2005 und 12. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2005 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2005 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der Stromkosten für die Heizungspumpe, für die Gartenpflege und die Außenbeleuchtung sowie die Kosten einer Gebäudehaftpflichtversicherung zu zahlen.
- 6
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 7
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Der Beklagte hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
- 8
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Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) . Es kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden, ob dem Kläger ein Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) zusteht.
- 9
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1. Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II ebenfalls idF des Gesetzes vom 3.8.2010), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes entstanden ist (vgl Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung tritt im laufenden gerichtlichen Verfahren als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (
; vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II) . Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen (vgl dazu insgesamt BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5).
- 10
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2. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) sind die Bescheide des Beklagten vom 20.1. und vom 12.4.2005, über die gemeinsam mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 27.9.2005 entschieden wurde. Zutreffend hat das LSG daher den Streitzeitraum auf die Zeit vom 1.1. bis 31.10.2005 bestimmt. Dem steht nicht entgegen, dass das SG (unzutreffend) über einen unbegrenzten Zeitraum und damit über Leistungen für mehr als ein Jahr entschieden hat, dies war lediglich für die Zulässigkeit der Berufung iS von § 144 Abs 1 Satz 2 SGG von Bedeutung. Nachdem der Kläger im Revisionsverfahren aufgrund der Rechtsprechung des BSG, wonach eine Erhaltungsaufwandspauschale für zukünftige Instandhaltungsarbeiten nicht bedarfserhöhend bei den Unterkunftskosten berücksichtigt werden kann (grundlegend BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17) eine derartige Pauschale nicht mehr geltend macht, ist nur noch umstritten, ob Stromkosten für Außenbeleuchtung und Gartenpflege (dazu unter 3a), für die Heizungspumpe (dazu unter 3b) und für eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung (dazu unter 3c) im Rahmen der Kosten der Unterkunft bedarfserhöhend verlangt werden können.
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3. Für die Frage, ob dem Kläger höhere Kosten der Unterkunft und Heizung zustehen, fehlt es bereits an grundlegenden Feststellungen des LSG. So ist schon nicht überprüfbar, ob der Kläger überhaupt hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II ist. Zwar kann grundsätzlich bei einem Rechtsstreit über die Höhe von SGB II-Leistungen der Streitgegenstand allein auf die Kosten für Unterkunft und Heizung begrenzt werden (stRspr, vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Allerdings ist Hilfebedürftigkeit als Grundlage aller SGB II-Leistungen explizit festzustellen. Dies drängt sich hier vor allem deshalb auf, weil der Kläger über Wohneigentum verfügt, dessen Berücksichtigung als Vermögen in Betracht kommt. Das LSG hätte deshalb Feststellungen über die Größe, Lage und Ausstattung des vom Kläger bewohnten Eigenheims treffen müssen, aus denen hervor geht, dass es unter die Schutzvorschrift des § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II fällt.
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Handelt es sich um ein Hausgrundstück von angemessener Größe, so sind bei Hilfebedürftigkeit im Übrigen vom Beklagten nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind (vgl im Einzelnen BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10). Der angemessenen Nettokaltmiete sind die angemessenen Nebenkosten sowie die angemessenen Heizkosten hinzuzufügen. Bis zur Summe dieser angemessenen Kosten sind die tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke zählen dabei alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (vgl Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 26). § 7 Abs 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch(Juris-Abkürzung: BSHG§76DV § 7) findet insoweit entsprechende Anwendung (vgl Urteile des Senats vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, und vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -), als er Anhaltspunkte dafür liefert, welche Kosten im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen sind(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf dieser Basis wurden als berücksichtigungsfähige Kosten 94,63 Euro in die Bedarfsberechnung einbezogen. Angesichts dieses Betrages konnte auf die genaue Ermittlung der im örtlichen Vergleichsraum abstrakt angemessenen Mietkosten und einen Vergleich mit den vom Kläger für die Nutzung seines Eigenheims geltend gemachten Kosten (vgl dazu Urteil vom 24.2.2011, aaO, RdNr 20) verzichtet werden.
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a) Weitere Nebenkosten in Form von Stromkosten für die Außenbeleuchtung und die Gartenpflege sind dagegen im Rahmen der Unterkunftskosten nicht berücksichtigungsfähig. Zwar sind neben der Nettokaltmiete grundsätzlich auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 Bürgerliches Gesetzbuch - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt der angemessenen Unterkunftskosten mit einzubeziehen(vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R -). Eine Einbeziehung der hier geltend gemachten Stromkosten in den Bedarf für die Kosten der Unterkunft scheitert aber schon daran, dass bereits unter Geltung des § 20 Abs 1 SGB II aF die Regelleistung für einen Hilfeempfänger auch die Kosten für die Haushaltsenergie umfasst(vgl grundlegend BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18). Ebenso wie die Kosten für die Warmwasserbereitung Bestandteil der Regelleistung sind bzw waren, müssen auch die Kosten für Strom, sofern er nicht zur Erzeugung von Heizenergie benutzt wird, aus der maßgeblichen Regelleistung gedeckt werden, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf Erhöhung der Leistungen zur Unterkunft um seine Aufwendungen für Haushaltsstrom hat (vgl BSG, aaO RdNr 27-28).
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Demgegenüber greift der Einwand des Klägers nicht durch, er sei als Hauseigentümer im Vergleich zu einem SGB II-Leistungsempfänger, der eine Mietwohnung bewohnt, benachteiligt. Zwar trifft es zu, dass bei Mietwohnungen über die Betriebskostenabrechnung uU auch Nebenkosten für die Außenbeleuchtung (§ 2 Nr 11 Betriebskostenverordnung
vom 25.11.2003) oder Kosten der Gartenpflege (§ 2 Nr 10 BetrKV) anfallen können. Dabei handelt es sich aber um Kosten, die die Mietergemeinschaft betreffen und nicht individualisierbar sind. Die Außenbeleuchtung an einem Einfamilienhaus ist - im Gegensatz zu der Beleuchtung von Zugängen von Fluren in einem (Miets-)Haus - dem einzelnen Haushalt unmittelbar zuzuordnen. Ein Unterschied zwischen Mietern und Eigentümern ergibt sich nicht, denn wenn ein Mieter den Balkon seiner Mietwohnung mit einer Beleuchtung versähe, würde auch diese als zum Haushalt gehörig gelten, die entsprechenden Stromkosten wären vom Regelsatz umfasst. Gleiches gilt auch für die geltend gemachten Stromkosten für Gartenpflege. Ungeachtet der Frage, ob solche Stromkosten überhaupt unter § 2 Nr 10 BetrKV fallen würden, der die Pflege gärtnerisch angelegter Flächen einschließlich der Erneuerung von Pflanzen und die Pflege von Plätzen, Zugängen und Zufahrten betrifft, sind derartige Stromkosten aber nach den genannten Maßstäben als zum Haushalt gehörige individualisierbare Kosten und damit zum Regelsatz gehörig einzustufen. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass weder die Stromkosten für die Außenbeleuchtung noch für die Gartenpflege konkret beziffert worden sind, sondern in einem geschätzten Gesamtbetrag aufgehen, der seinerseits nicht nachvollziehbar belegt und festgestellt ist.
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b) Anders verhält es sich dagegen bei den geltend gemachten Stromkosten für die Heizungspumpe. Die angemessenen Heizkosten sind neben der angemessenen Nettokaltmiete und den angemessenen Nebenkosten selbstständig zu ermitteln. Hier ist im Hinblick auf die Gleichbehandlung zwischen einem Eigentümer eines selbst genutzten Hausgrundstücks und einem hilfebedürftigen Mieter zu berücksichtigen, dass bei den Vorauszahlungen, die an den Vermieter für die Beheizung der Unterkunft zu leisten sind, Kosten des Betriebs einer zentralen Heizungsanlage enthalten sind. Dazu gehören gemäß § 2 Nr 4 Buchst a BetrKV auch die Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage. Die grundsätzliche Berücksichtigung dieser Kosten im Rahmen der Heizkosten für eine Eigentumswohnung oder ein selbst genutztes Einfamilienhaus ist auch deshalb geboten, weil der Betrieb der Heizungspumpe untrennbar mit dem Betrieb der Heizung als solcher verbunden ist, sodass die Übernahme entsprechender Kosten grundsätzlich in die Berechnung der angemessenen Heizkosten einzustellen ist (bezüglich der Berücksichtigung von Kosten der Öltank- sowie der Kessel- und Brennerreinigung vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -; vgl auch Beschluss vom 26.5.2010 - B 4 AS 7/10 B - RdNr 8).
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Allerdings sind immer nur tatsächliche und belegte Aufwendungen berücksichtigungsfähig, nicht dagegen allgemeine Pauschalen (vgl zur "Erhaltungsaufwandspauschale" BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17; zur Pauschale für Reparaturkosten, Pflege und Wartung eines Wohnmobils BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 79/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 39). Es finden sich vorliegend keinerlei Feststellungen des LSG darüber, in welcher Höhe die Stromkosten für den Betrieb der Heizungspumpe anzusetzen wären. Sollte für den Heizungsstrom kein separater Zähler bzw Zwischenzähler existieren, sodass die Stromkosten nicht konkret ausgewiesen werden können, käme auch eine Schätzung in Betracht (vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr 27: Schätzung des Heizkostenanteils ggf unter Berücksichtigung der Nebenkostenabrechnungen der Vorjahre nach § 202 SGG iVm § 287 Abs 2 Zivilprozessordnung; Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07 - WuM 2008, 285). Allerdings sind vom LSG weitere Ermittlungen anzustellen, um einen Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der auf die Heizung entfällt, zu finden (vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 zur Schätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung enthalten sein soll, sog "Kochgaspauschale"). Bei der Berechnung wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bisher der zur Regelleistung gehörende Energieanteil für die Bereitung von Warmwasser in Höhe von 6,22 Euro noch nicht von den Heizkosten abgezogen wurde (grundlegend: Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5; anders nach neuer Rechtslage vgl § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II in der seit 1.1.2011 gültigen Fassung).
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c) Ob zu den im Rahmen der Berechnung der Unterkunftskosten bei Haus- und Wohnungseigentum zu berücksichtigenden Kosten für eine Gebäudeversicherung (die hier in Höhe von 89,39 Euro belegt wurden) zusätzlich Kosten für eine Gebäudehaftpflichtversicherung zu übernehmen sind, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man von einer grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit einer Gebäudehaftpflichtversicherung (zur Möglichkeit des Abzugs einer solchen Versicherung vom Einkommen vgl BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/0AS 59/06 R - RdNr 20) auch unter dem Aspekt ausgeht, dass Kosten für eine Haftpflichtversicherung für das Gebäude nach § 2 Nr 13 BetrKV in einem Mietverhältnis neben den Kosten für die Gebäudeversicherung umlagefähig sind, so fehlt es vorliegend aber an einem konkreten Kostenanfall für den streitigen Leistungszeitraum. Insofern hat das LSG bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Gebäudehaftpflichtversicherung kostenfrei in der privaten Haftpflichtversicherung des Klägers enthalten ist. Kosten für eine private Haftpflichtversicherung wiederum können nicht im Rahmen der Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, sondern lediglich gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II von zu berücksichtigendem Einkommen abgesetzt werden.
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Schließlich wird das LSG noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.
(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.
(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:
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monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, - 2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.
(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.
(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.
(5) (weggefallen)
Tenor
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Auf die Sprungrevision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Oktober 2014 aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Thüringer Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit steht die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum von Februar 2011 bis Juli 2011.
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Der Kläger bewohnt ein Eigenheim. Es steht in seinem und dem Miteigentum seiner dauernd von ihm getrennt lebenden Ehefrau. Die Beheizung des Hauses erfolgt mit Gas. Der zum Betrieb der Heizungsanlage benötigte Strom kann in Ermangelung einer Einrichtung hierfür nicht separat vom Haushaltsstrom gemessen werden. Durch Bescheid vom 25.1.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum von Februar bis Juli 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage blieben bei deren Berechnung unberücksichtigt. Am 28.9.2011 und 12.10.2011 erhöhte der Beklagte zwar die Leistungen, weiterhin jedoch unter Außerachtlassung der Aufwendungen für Strom zum Betrieb der Heizungsanlage. Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.10.2011).
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Das SG Altenburg hat den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 25.1.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.3.2011, 28.9.2011 und 12.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2011 verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum von Februar bis Juli 2011 weitere 21,96 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe im Rahmen der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II ein Anspruch auf Übernahme der Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage in Höhe von 3,66 Euro monatlich, mithin insgesamt weitere 21,96 Euro, zu. Die Kosten für den zum Betrieb einer Heizungsanlage benötigten Strom seien Teil der Kosten der Unterkunft und Heizung. Dies sei für Zeiten vor dem 1.1.2011 durch die Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 26.5.2010 - B 4 AS 7/10 B; Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R) geklärt. Eine Veränderung der bisherigen Regelungssystematik sei durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 nicht eingetreten. Die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie seien weiterhin nicht vom Regelbedarf nach § 20 Abs 1 S 1 SGB II erfasst. Da die hier geltend gemachten Aufwendungen für Strom durch das Beheizen der Unterkunft entstanden seien, habe die Bedarfsdeckung durch den Beklagten demnach auf der Grundlage des § 22 Abs 1 S 1 SGB II zu erfolgen.
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Der Höhe nach erfolge die Leistungsbemessung aufgrund einer Schätzung gemäß § 202 SGG, § 287 Abs 2 ZPO. Denn die angefallenen Kosten für den Betriebsstrom seien im streitigen Zeitraum nicht gesondert erfasst worden. Für die Schätzung werde auf die technischen Daten des Herstellers zum Bereitschaftsenergieverbrauch der Heizungsanlage zurückgegriffen. Dabei sei davon auszugehen, dass der aus dem technischen Datenblatt entnommene Wert die bei dem Betrieb der Heizungsanlage - inklusive des Steuerungselements - anfallenden Stromkosten mit einem Durchschnittswert abbilde, ohne dass es darauf ankomme, dass vorliegend die Heizperiode nicht den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum erfasst habe und die Anlage auch während der Heizperiode nicht ohne Unterbrechung und mit differierender Leistungsaufnahme in Betrieb gewesen sei.
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Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II. Ausweislich der Entwurfsbegründung zum RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG (BT-Drucks 17/3404 S 55 f) habe die Sonderauswertung der EVS 2008 zu einer wesentlichen Änderung bei der Bemessung der Regelsatzbestandteile geführt, weshalb die Rechtsprechung des BSG zur Zuordnung der Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage auf die Rechtslage ab dem 1.1.2011 nicht mehr anzuwenden sei. Nach Aufnahme der Stromkosten von Eigentümerhaushalten in die Bemessung der Regelsätze nach § 20 SGB II seien diese Kosten nicht mehr als Leistung nach § 22 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2, 4 SGG).
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1. Der erkennende Senat vermochte nicht abschließend darüber zu befinden, ob dem Kläger die vom SG ausgeurteilten weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 21,96 Euro für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2011 zustehen. Abgesehen davon, dass es in der erstinstanzlichen Entscheidung bereits an Feststellungen zur Leistungsberechtigung des Klägers gemäß § 7 Abs 1 S 1 SGB II mangelt, lassen sich den Ausführungen des SG keine Tatsachen entnehmen, die eine Überprüfung der Leistungshöhe, wie sie von dem Beklagten durch den angefochtenen Bescheid vom 25.1.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 28.9.2011 und 12.10.2011, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2011, bewilligt worden sind, ermöglichen. Zwar hat nur der Beklagte die zulässige Sprungrevision eingelegt. Daher ist der, dem Kläger über die von dem Beklagten in den Bescheiden festgestellte Leistungshöhe hinaus, maximal zustehende Betrag auf 21,96 Euro begrenzt. Selbst wenn der Beklagte mit seinem Rechtsmittel obsiegen sollte, könnte sich ein Anspruch des Klägers in der ausgeurteilten Höhe jedoch aus anderen Gründen, etwa eines höheren Regelbedarfs, ggf eines Mehrbedarfs oder weiteren Bedarfen für Unterkunft und Heizung ergeben. Umgekehrt könnte im Falle des Unterliegens des Beklagten dessen Verurteilung zur Erbringung weiterer Leistungen niedriger ausfallen, weil dem Kläger aus den genannten Gründen zu hohe Leistungen erbracht worden sind. Denn es ist vorliegend die Höhe der dem Kläger ggf zustehenden passiven Leistungen nach dem SGB II insgesamt, einschließlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung, zu überprüfen.
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Streitgegenstand sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Es ist weder in der Klageschrift, noch in dem Teilvergleich vom 25.2.2013 oder durch den in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Klageantrag eine Abtrennung der Leistungen für Unterkunft und Heizung als eigener Streitgegentand gegenüber Regel- und Mehrbedarf erfolgt. Ebenso wenig hat das SG dargelegt, dass sich aus dem sonstigen Vorbringen der Beteiligten hierauf schließen ließe. Soweit das SG darüber hinaus eine Beschränkung des Streitgegenstands auf ein Berechnungselement der Leistungen - hier die Stromkosten zum Betrieb der Heizungsanlage als Faktor zur Bestimmung der Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - vornehmen wollte, wäre dies nicht zulässig. Es handelt sich hierbei nur um ein Begründungselement für das klägerische Begehren auf höhere Leistungen. Eine zulässige Begrenzung des Streitgegenstands hätte nur auf den Anspruch des Klägers wegen Bedarfen für Unterkunft und Heizung in ihrer Gesamtheit gerichtet sein können (vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 10; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - BSGE 117, 240 = SozR 4-4200 § 21 Nr 19, RdNr 10; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - BSGE 116, 254 = SozR 4-4200 § 7 Nr 38, RdNr 12; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10).
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2. Zutreffend hat das SG jedoch die Aufwendungen eines Eigentümers für den Betrieb einer Heizungsanlage dem Grunde nach als einen Bedarf angesehen, der durch Leistungen für Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II zu decken ist. Der erkennende Senat hält insoweit an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Auch auf Grundlage des § 20 Abs 1 S 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG(vom 24.3.2011, BGBl I 453) oder der statistischen Erhebungen zur Bemessung des Regelbedarfs in der Abteilung 04 (Erwachsene) nach der EVS 2008 vermag er keinen Anlass zur Änderung dieser zu erkennen.
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So haben die für die Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG befunden, dass die Übernahme der Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage grundsätzlich in die Berechnung der angemessenen Heizkosten einzustellen ist (vgl BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R - RdNr 15; BSG Beschluss vom 26.5.2010 - B 4 AS 7/10 B - RdNr 8; BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 18). Zwar war zunächst die Grenzziehung zwischen den durch die Regelleistung zu deckenden Bedarfen und solchen, die als Unterkunftsleistungen zu übernehmen sind, durch den Wortlaut des § 20 Abs 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem SGB II vom 30.7.2004 (BGBl I 2014) noch nicht klar konturiert. Die Haushaltsenergie wurde in der ersten Gesetzesfassung noch nicht ausdrücklich von den Bedarfen ausgenommen, die durch die Regelleistung gedeckt werden sollten. Mit der Einfügung der Worte "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit Wirkung vom 1.8.2006 (vom 20.7.2006, BGBl I 1706) ist insoweit eine sprachliche, wenn auch letztlich keine inhaltliche Änderung im Hinblick auf diese Abgrenzung erfolgt. Die Ergänzung wurde - so die Begründung im Gesetzentwurf - lediglich zur Klarstellung (BT-Drucks 16/1410 S 23) vorgenommen. Es sollte verdeutlicht werden, dass insbesondere Energiekosten für die Kochfeuerung, Warmwasserbereitung und Beleuchtung aus der Regelleistung zu bestreiten sind und nicht als Bestandteil von Kosten der Unterkunft und Heizung gesondert übernommen werden können. Dementsprechend waren umgekehrt die Kosten für Strom, die zur Erzeugung von Heizenergie genutzt werden, den Unterkunftskosten zuzuordnen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 24). Dies sollte im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art 3 Abs 1 GG für Eigentümer eines selbst genutzten Hausgrundstücks und Mieter gleichermaßen gelten.
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§ 22 Abs 1 SGB II sieht keine Differenzierung danach vor, ob der Wohnbedarf durch Eigentum oder Miete gedeckt wird(BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 20), denn der in § 22 SGB II verwandte Begriff der Unterkunft geht nicht vom Leitbild der Mietwohnung aus(vgl Derksen, SGb 2012, 430, 431). Maßgeblich ist der bei Wohnungsmietern und Eigentümern gleichermaßen bestehende Wohnbedarf. Im Rahmen dieser gesetzgeberischen Festlegung muss gewährleistet werden, dass Wohnungsmieter und Eigentümer gleichbehandelt werden, soweit zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfG Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97, 1 BvR 1304/98, 1 BvR 2144/98, 1 BvR 21 BvR 2300/98 - BVerfGE 112, 368 RdNr 98 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 54; BVerfG Urteil vom 28.4.1999 - 1 BvL 22/95, 1 BvL 34/95 - BVerfGE 100, 59, 90 = SozR 3-8570 § 6 Nr 3, juris RdNr 129). Da die Angemessenheit der Unterkunftskosten für Mieter und Eigentümer nach einheitlichen Kriterien zu bewerten ist (BSG Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 91/10 R - RdNr 17; vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, RdNr 35), hat jede im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot nicht gerechtfertigte Unterscheidung zu unterbleiben (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 20). Dies gilt auch für eine leistungsrechtlich gleiche Behandlung von Eigentümern und Mietern im Hinblick auf die Kosten für den Betrieb einer Heizungsanlage. Diese sind in der Regel gemäß § 2 Nr 4 Buchst a BetrKV in den Vorauszahlungen der Mieter für Heizenergie enthalten, soweit eine zentrale Heizungsanlage zum Mietobjekt gehört. Denn der Betrieb der Heizungspumpe ist untrennbar mit dem Betrieb der Heizung als solcher verbunden (BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R - RdNr 15). Hieraus folgt, dass diese Aufwendungen bei Mietern im Rahmen der Angemessenheit in vollem Umfang bei den Bedarfen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind (vgl BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58 RdNr 16). Dementsprechend hat dies auch für Eigentümer zu gelten, denen diese Aufwendungen entstehen.
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Eine Änderung der Grenzziehung zwischen den Regelbedarfen und den Bedarfen für Unterkunft und Heizung ist zum 1.1.2011 insoweit nicht eingetreten. Der von dem Beklagten vorgenommenen Auslegung des § 20 Abs 1 S 1 SGB II, wonach "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile" nun auch den Betriebsstrom der Heizungsanlage einschließe, kann nicht gefolgt werden. Im Hinblick auf die Heizenergie hat der Wortlaut des § 20 Abs 1 S 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG keine Änderung gegenüber der zuvor benannten Fassung erfahren. Der auf die Heizung entfallende Anteil der Haushaltsenergie ist weiterhin aus dem Regelbedarf ausgenommen. Daher kann für den Betriebsstrom der Heizungsanlage bereits begrifflich weiterhin nichts anderes gelten. Eine andere Zuordnung in rechtlicher Hinsicht lässt sich auch nicht aus der Ergänzung des Wortlauts des § 20 Abs 1 S 1 SGB II um die Worte "… und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile" entnehmen. Der Gesetzgeber hat dadurch im Gegenteil die systematische Grenzziehung der Bedarfe nach §§ 20 und 22 SGB II weiter erleichtert und auf die Rechtsprechung des BSG reagiert. Dieses hatte 2008 festgestellt, die Kosten der Warmwasserbereitung seien seit dem 1.1.2005 mit einem gewissen Anteil in der Regelleistung enthalten und daher in dessen Höhe von den Kosten für Heizung in Abzug zu bringen (BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Für die "Warmwasserkosten" ist nun ab dem 1.1.2011 bei dezentraler Warmwassererzeugung ein Mehrbedarf nach § 21 Abs 7 SGB II vorgesehen. Dort wird zugleich für den Fall der zentralen Warmwassererzeugung auf die Deckung durch § 22 SGB II verwiesen.
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Schließlich lässt sich die Auffassung des Beklagten auch nicht damit begründen, die Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage in Eigentümerhaushalten seien in die Ermittlung des Regelbedarfs auf Grundlage der Sonderauswertung EVS 2008 eingeflossen und daher aus dem Regelbedarf zu decken. Die in Eigentümerhaushalten gegenüber Mieterhaushalten anfallenden Strommehrkosten sind nicht in die Ermittlung des Regelbedarfs nach dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingegangen (zur begrenzten Überprüfbarkeit der in den einzelnen Abteilungen der EVS 2008 zum Ausdruck kommenden Verbrauchspositionen vgl BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 22 ff, 28). Der Gesetzentwurf zum RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG führt hierzu zwar aus, dass im Unterschied zur Sonderauswertung EVS 2003 nicht nur die Stromausgaben von Mietern berücksichtigt worden seien, sondern auch die Ausgaben der Eigentümer für Haushaltsstrom, allerdings nicht in Höhe der durch die EVS 2008 ermittelten tatsächlichen Kosten. Vielmehr seien für die Verbrauchsausgaben der Eigentümer für Strom die durchschnittlichen Stromkosten von Mieterhaushalten unterstellt worden. Als existenzsichernd wurden damit die Stromkosten der Haushalte von Mietern bewertet (BT-Drucks 17/3404 S 55 f). Das Zahlenwerk zur Bedarfsermittlung belegt dies.
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§ 5 RBEG sieht in der Abteilung 4 für Erwachsene (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung) als regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben einen Betrag von 30,24 Euro vor. Die entsprechende Angabe findet sich auch im Gesetzentwurf (BT-Drucks 17/3404 S 55). Der hierin enthaltene Anteil für den Strom der Eigentümerhaushalte ist mit 1,32 Euro ausgewiesen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die umgerechneten Stromkosten der Eigentümerhaushalte, sondern einen nach dem Ergebnis der EVS 2008 aus den Angaben der Mieterhaushalte abgeleiteten Wert (vgl Anlage zu Art 1 des Entwurfs zum RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG; so auch die Lesart des BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 11 BvL 12/12, 1 BvR 11 BvR 1691/13 - RdNr 112). Hiernach betragen die Stromkosten der Mieterhaushalte 30,56 Euro. Umgerechnet nach dem Anteil der Haushalte mit jeweiliger Wertangabe gegenüber allen erfassten Haushalten (30,56 Euro x 1703 / 1942) ergeben sich hieraus 26,80 Euro, die für den Stromverbrauch der Mieterhaushalte in die Abteilung 04 für Erwachsene eingestellt worden sind. Statt der Angaben der Eigentümerhaushalte zum Haushaltsstrom (44,44 Euro) sind an ihrer Stelle die Stromausgaben der Mieter nach dem Verhältnis der Eigentümerhaushalte mit jeweiliger Wertangabe gegenüber allen erfassten Haushalten anteilig berücksichtigt und so 1,32 Euro ermittelt (30,56 Euro x 84 / 1942) worden. Allein dieser Wert fließt für die Eigentümerhaushalte in die Regelbedarfsermittlung ein. In der Summe ergeben sich 28,12 Euro (26,80 Euro + 1,32 Euro) anstelle von 30,56 Euro. Der in den Regelbedarf eingestellte Wert von 28,12 Euro entstammt also allein den Angaben der Mieterhaushalte, deren Verbrauch auch lediglich anteilig nach dem Verhältnis der Haushalte mit jeweiliger Wertangabe gegenüber allen erfassten Haushalten berücksichtigt worden ist (30,56 Euro x 1787 / 1942 = 28,12 Euro). Im Gesetzentwurf heißt es daher folgerichtig, bei Eigentümerhaushalten fielen zudem auch Ausgaben für Strom an, "die als gesondert zu erbringende Kosten der Unterkunft zu bewerten seien (zum Beispiel Außenbeleuchtung, Umwälzpumpe)" (BT-Drucks 17/3404 S 56).
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3. Im Hinblick auf die Höhe der Leistung geht das SG zutreffend davon aus, dass nur tatsächliche Aufwendungen bei der Berechnung der Leistungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind. Diese zu erforschen ist das Tatsachengericht nach § 103 SGG grundsätzlich von Amts wegen verpflichtet. In einem Fall wie dem vorliegenden bestehen jedoch keine Bedenken, unter Anwendung von § 202 SGG, § 287 Abs 2 ZPO die Aufwendungen zu schätzen.
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Nach § 287 Abs 2 ZPO sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen als der Schadensermittlung die Vorschriften des § 287 Abs 1 S 1, 2 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen. In diesem Fall entscheidet das Gericht nach § 287 Abs 2 iVm § 287 Abs 1 S 1 ZPO über die Höhe der Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung und es bleibt gemäß § 287 Abs 2 iVm § 287 Abs 1 S 2 ZPO seinem Ermessen überlassen, ob und inwieweit - von Amts wegen - eine Begutachtung durch einen Sachverständigen anzuordnen ist(BGH Urteil vom 28.10.2015 - VIII ZR 158/11 - RdNr 92). Die vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob und inwieweit er eine Beweisaufnahme durchführt, unterliegt dabei nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob das Tatsachengericht von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, ob für seine Entscheidung grundsätzlich falsche oder offenbar unsachliche Erwägungen maßgebend waren oder ob wesentliche entscheidungserhebliche Tatsachen außer Acht gelassen wurden (BGH Urteil vom 28.10.2015 - VIII ZR 158/11 - RdNr 93; BGH Urteil vom 7.3.2013 - III ZR 231/12 - BGHZ 196, 285 = juris RdNr 29 ff; siehe auch BSG Urteil vom 24.3.2015 - B 8 SO 12/14 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 7 RdNr 15; BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - RdNr 49). Dies ist hier im Hinblick auf die grundsätzliche Entscheidung für den Weg der Schätzung von dem Beklagen nicht gerügt worden. Der erkennende Senat folgt dem SG auch insoweit.
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Die soeben dargelegten Voraussetzungen für die Anwendung der Methode einer Schätzung liegen vor. Dem Grunde nach steht die Erbringung von Leistungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II für die Aufwendungen für den Strom zum Betrieb der Heizungsanlage fest. Die Bestimmung ihrer Höhe unterliegt jedoch der tatsächlichen Schwierigkeit, dass es vorliegend an einer Vorrichtung - separater Zähler bzw Zwischenzähler - fehlt, mit dessen Hilfe diese bestimmt werden könnte. Ihre Ermittlung wäre nur mittels eines Sachverständigengutachtens und - wohl auch in diesem Rahmen - einer Schätzung der Betriebsdauer der Anlage möglich. Dieses Vorgehen stünde jedoch im Hinblick auf die Bedeutung des hier streitigen Berechnungselements für die Höhe der gesamten Leistungen für Unterkunft und Heizung in keinem Verhältnis.
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4. Im Berufungsverfahren wird das LSG allerdings zu beachten haben, dass Schätzungen eine realistische Grundlage haben sowie in sich schlüssig und wirtschaftlich nachvollziehbar sein müssen. Bei einer Schätzung entscheidet das Gericht zwar wie bei einer sonstigen Tatsachenfeststellung nach freier Überzeugung; es hat alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen (§ 287 Abs 1 S 1 iVm § 287 Abs 2 ZPO); seine Schätzung ist aber rechtsfehlerhaft, wenn es die Schätzungsgrundlagen nicht richtig festgestellt oder nicht alle wesentlichen, in Betracht kommenden Umstände hinreichend gewürdigt hat, oder wenn die Schätzung selbst auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht (BSG Urteil vom 14.7.1988 - 11/7 RAr 41/87 - SozR 4100 § 115 Nr 2 = juris RdNr 25). Um einen Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der auf die Heizung entfällt, zu finden, sind vom Tatrichter die Tatsachen festzustellen, die der Schätzung nachvollziehbare Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen verschaffen (vgl BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R - RdNr 16; BGH Urteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07 - NJW 2008, 1801, 1802 = juris RdNr 32). Es ist zwar nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, die Tatsacheninstanzen für die Schätzung auf bestimmte Berechnungsmethoden zu verpflichten oder ihnen die Berücksichtigung bestimmter Schätzungsgrundlagen aufzuerlegen (BSG Urteil vom 20.5.1987 - 10 RKg 12/85 - BSGE 62, 5 = SozR 1750 § 287 Nr 1 = juris LS 2 RdNr 18), jedoch ist die Geeignetheit der ausgewählten Berechnungsmethode vom Tatrichter nachvollziehbar zu begründen. Hiernach bestimmt sich dann, welche zu ermittelnden Umstände als wesentliche Anknüpfungstatsachen in die Schätzung einzustellen sind.
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Das SG hat vorliegend seine Berechnung auf die Annahme gestützt, der aus dem technischen Datenblatt entnommene Wert des Bereitschafts-Energieverbrauchs für 24 Stunden sei eine geeignete Anknüpfungstatsache für den Stromverbrauch der Heizungsanlage. Nach seiner Einschätzung vermag dieser Wert näherungsweise die anfallenden Stromkosten im Sinne eines Durchschnittswerts hinreichend abzubilden, um die durch den Verlauf der Heizperiode, Witterungseinflüsse, Gebrauchsgewohnheiten und Lastzustände der Anlage bedingten Unwägbarkeiten auszugleichen. Für diese Annahme fehlt es aber an einer nachvollziehbaren Begründung. Es drängt sich auch nach Lage der Akten nicht auf, warum der Bereitschafts-Energieverbrauch geeignet sein soll, die Betriebsstromkosten der Heizungsanlage abzubilden. Die im technischen Datenblatt als Referenz für die Ermittlung des Bereitschafts-Energieverbrauchs angegebene DIN 4753 Teil 8 wurde ua durch die DIN 4753-7 (11/2011) ersetzt (vgl http://www.beuth.de/en/draft-standard/din-4753-8/3263530), nach deren Ziffer 3 die Begriffe der DIN 12897 (11/2014) gelten. Der Bereitschafts-Energieverbrauch beschreibt demnach den Bereitschaftswärmeverlust, also die Abgabe der Wärmeenergie über die Außenfläche des Speichers an die Umgebung (ohne die Verteilungsverluste außerhalb des Speichers, vgl Fn 2 des technischen Datenblatts). Bei der herstellerseitigen Messung des Bereitschaftswärmeverlusts wird ein elektrisches Heizelement eingesetzt, um die Temperatur konstant zu halten, durch dessen Energieverbrauch im Beharrungszustand der Heizungsanlage der Bereitschaftswärmeverlust ermittelt wird (vgl DIN 12897, 11/2014, Anhang B: "Messung des Bereitschafts-Wärmeaufwands bei werkseitig gedämmten Speicher-Wassererwärmern"). Das SG scheint stattdessen versehentlich davon ausgegangen zu sein, dass es sich um den Energieverbrauch der Heizungspumpe sowie des Steuerungsgeräts handelt (vgl Ziffer 6 und 7 des Teilvergleichs vom 25.2.2013).
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Anknüpfungspunkte für die Schätzung könnten sich vielmehr aus den in der mietrechtlichen Rechtsprechung gebräuchlichen Berechnungsmethoden ergeben. Sie stellen entweder - worauf auch das SG zutreffend hinweist - auf einen geschätzten Anteil (üblicherweise 4 - 10 %) der Brennstoffkosten ab (vgl BGH Urteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07; Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss vom 10.1.1997 - 2Z BR 35/96; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 10.7.2012 - L 7 AS 988/11 ZVW; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.3.2011 - L 12 AS 2404/08) oder auf den geschätzten Stromverbrauch der Heizungsanlage während der ebenfalls geschätzten durchschnittlichen Betriebsstunden ihrer wesentlichen elektrischen Vorrichtungen (vgl OLG Hamm Beschluss vom 22.12.2005 - 15 W 375/04; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 22.11.2012 - L 5 AS 83/11; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 25.3.2011 - L 5 AS 427/10 B ER).
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5. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.
(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:
- 1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, - 2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.
(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.
(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.
(5) (weggefallen)
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden abweichend von Satz 1 Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; § 35a Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt nur, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem Kapitel, dem Vierten Kapitel oder dem Zweiten Buch bezogen worden sind. Bei Leistungsberechtigten, die in den letzten zwei Jahren vor dem Bezug von Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel Leistungen nach dem Zweiten Buch bezogen haben, wird die nach § 22 Absatz 1 Satz 2 bis 4 des Zweiten Buches bereits in Anspruch genommene Karenzzeit für die weitere Dauer der Karenzzeit nach den Sätzen 2 bis 5 berücksichtigt.
(2) Der Träger der Sozialhilfe prüft zu Beginn der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 6 die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Übersteigen die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, teilt der Träger der Sozialhilfe dies den Leistungsberechtigten mit dem ersten Bewilligungsbescheid mit und unterrichtet sie über die Dauer der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 6 sowie über das Verfahren nach Ablauf der Karenzzeit nach Absatz 3 Satz 2.
(3) Übersteigen die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie in tatsächlicher Höhe als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 27 Absatz 2 zu berücksichtigen sind, anzuerkennen. Satz 1 gilt nach Ablauf der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 6 so lange, bis es diesen Personen möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Eine Absenkung der nach Absatz 1 Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Stirbt ein Mitglied der Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar.
(4) Der Träger der Sozialhilfe kann für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich für die Höhe der Bedarfe für Unterkunft eine monatliche Pauschale festsetzen, wenn auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hinreichend angemessener freier Wohnraum verfügbar und in Einzelfällen die Pauschalierung nicht unzumutbar ist. Bei der Bemessung der Pauschale sind die tatsächlichen Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts, der örtliche Mietspiegel sowie die familiären Verhältnisse der Leistungsberechtigten, insbesondere Anzahl, Alter und Gesundheitszustand der in der Unterkunft lebenden Personen, zu berücksichtigen. Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend.
(5) Bedarfe für Heizung umfassen auch Aufwendungen für zentrale Warmwasserversorgung. Die Bedarfe können durch eine monatliche Pauschale festgesetzt werden. Bei der Bemessung der Pauschale sind die persönlichen und familiären Verhältnisse, insbesondere Anzahl, Alter und Gesundheitszustand der in der Unterkunft lebenden Personen, die Größe und Beschaffenheit der Wohnung, die vorhandenen Heizmöglichkeiten und die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen.
(6) Leben Leistungsberechtigte in einer Unterkunft nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3, so sind Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Absatz 5 und 6 anzuerkennen. Leben Leistungsberechtigte in einer sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, so sind Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Absatz 7 anzuerkennen. Für die Bedarfe nach den Sätzen 1 und 2 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 6 nicht.
(7) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 3 und § 35a Absatz 2 Satz 2 gelten entsprechend.
(8) § 22 Absatz 11 und 12 des Zweiten Buches gelten entsprechend.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.
(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:
- 1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, - 2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.
(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.
(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.
(5) (weggefallen)
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.
(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:
- 1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, - 2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.
(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.
(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.
(5) (weggefallen)
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) höhere Kosten der Unterkunft ab 1.1.2005.
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Der 1948 geborene Kläger bewohnt in Oldenburg ein eigenes Haus, welches mit Erdgas beheizt wird. Er bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 20.1.2005 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.1. bis 30.4.2005 und mit Bescheid vom 12.4.2005 für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von 439,63 Euro monatlich, bestehend aus der Regelleistung (345 Euro) und den Kosten für Unterkunft und Heizung (94,63 Euro).
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Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger mit seiner Klage zum Sozialgericht (SG) geltend gemacht, die Nebenkosten für ein Eigenheim müssten in gleicher Höhe anerkannt werden, wie dies bei einer Mietwohnung der Fall sei. Dies bedeute, dass eine Rücklagenpauschale für Erhaltungsaufwand, die Stromkosten für die Heizungspumpe und die Stromkosten für Gartenpflege und Außenbeleuchtung sowie eine Gebäudehaftpflichtversicherung leistungserhöhend zu berücksichtigen seien. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.4.2006 abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem zurückweisenden Beschluss vom 27.4.2009 ausgeführt, höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.10.2005 stünden dem Kläger nicht zu, weil der Beklagte bereits alle belegten Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe anerkannt habe. Weitere Aufwendungen seien nicht nachgewiesen worden. Eine monatliche Erhaltungsaufwandspauschale sei im Übrigen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zulässig. Ebenso wenig könne der Kläger neben der anerkannten Wohngebäudeversicherung eine weitere Versicherungsprämie für eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung verlangen, da diese Versicherung beitragsfrei in der privaten Haftpflichtversicherung enthalten sei. Schließlich könne der Kläger auch keine zusätzlichen Stromkosten für die Heizungspumpe, die Gartenpflege und die Außenbeleuchtung verlangen. Diese Aufwendungen seien aus der Regelleistung zu bestreiten, im Übrigen würden diese Kosten bei dem Kläger auch anfallen, wenn er nicht Eigentümer, sondern Mieter des Hauses wäre.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner vom BSG zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, da nach dieser Vorschrift Leistungen für Unterkunft und Heizung bis zur Angemessenheitsgrenze zu erstatten seien, ohne Differenzierung danach, ob der Wohnbedarf durch Eigentum oder Miete gedeckt werde. Daher seien unter analoger Berücksichtigung der bei Mietern anfallenden und zu berücksichtigenden Nebenkosten auch die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf die Gebäudehaftpflichtversicherung sowie die Stromkosten für die Heizungspumpe, für Gartenpflege und für die Außenbeleuchtung anzuerkennen. Lediglich die Erhaltungsaufwandspauschale könne nach der Rechtsprechung des BSG nicht bedarfserhöhend berücksichtigt werden. Die übrigen geltend gemachten Kosten zählten jedoch zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke, da hierzu alle notwendigen Ausgaben zu zählen seien, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen seien.
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Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 11. April 2006 aufzuheben sowie die Bescheide des Beklagten vom 20. Januar 2005 und 12. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2005 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2005 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der Stromkosten für die Heizungspumpe, für die Gartenpflege und die Außenbeleuchtung sowie die Kosten einer Gebäudehaftpflichtversicherung zu zahlen.
- 6
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 7
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Der Beklagte hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) . Es kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden, ob dem Kläger ein Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) zusteht.
- 9
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1. Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II ebenfalls idF des Gesetzes vom 3.8.2010), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes entstanden ist (vgl Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung tritt im laufenden gerichtlichen Verfahren als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (
; vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II) . Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen (vgl dazu insgesamt BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5).
- 10
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2. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) sind die Bescheide des Beklagten vom 20.1. und vom 12.4.2005, über die gemeinsam mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 27.9.2005 entschieden wurde. Zutreffend hat das LSG daher den Streitzeitraum auf die Zeit vom 1.1. bis 31.10.2005 bestimmt. Dem steht nicht entgegen, dass das SG (unzutreffend) über einen unbegrenzten Zeitraum und damit über Leistungen für mehr als ein Jahr entschieden hat, dies war lediglich für die Zulässigkeit der Berufung iS von § 144 Abs 1 Satz 2 SGG von Bedeutung. Nachdem der Kläger im Revisionsverfahren aufgrund der Rechtsprechung des BSG, wonach eine Erhaltungsaufwandspauschale für zukünftige Instandhaltungsarbeiten nicht bedarfserhöhend bei den Unterkunftskosten berücksichtigt werden kann (grundlegend BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17) eine derartige Pauschale nicht mehr geltend macht, ist nur noch umstritten, ob Stromkosten für Außenbeleuchtung und Gartenpflege (dazu unter 3a), für die Heizungspumpe (dazu unter 3b) und für eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung (dazu unter 3c) im Rahmen der Kosten der Unterkunft bedarfserhöhend verlangt werden können.
- 11
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3. Für die Frage, ob dem Kläger höhere Kosten der Unterkunft und Heizung zustehen, fehlt es bereits an grundlegenden Feststellungen des LSG. So ist schon nicht überprüfbar, ob der Kläger überhaupt hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II ist. Zwar kann grundsätzlich bei einem Rechtsstreit über die Höhe von SGB II-Leistungen der Streitgegenstand allein auf die Kosten für Unterkunft und Heizung begrenzt werden (stRspr, vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Allerdings ist Hilfebedürftigkeit als Grundlage aller SGB II-Leistungen explizit festzustellen. Dies drängt sich hier vor allem deshalb auf, weil der Kläger über Wohneigentum verfügt, dessen Berücksichtigung als Vermögen in Betracht kommt. Das LSG hätte deshalb Feststellungen über die Größe, Lage und Ausstattung des vom Kläger bewohnten Eigenheims treffen müssen, aus denen hervor geht, dass es unter die Schutzvorschrift des § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II fällt.
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Handelt es sich um ein Hausgrundstück von angemessener Größe, so sind bei Hilfebedürftigkeit im Übrigen vom Beklagten nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind (vgl im Einzelnen BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10). Der angemessenen Nettokaltmiete sind die angemessenen Nebenkosten sowie die angemessenen Heizkosten hinzuzufügen. Bis zur Summe dieser angemessenen Kosten sind die tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke zählen dabei alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (vgl Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 26). § 7 Abs 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch(Juris-Abkürzung: BSHG§76DV § 7) findet insoweit entsprechende Anwendung (vgl Urteile des Senats vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, und vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -), als er Anhaltspunkte dafür liefert, welche Kosten im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen sind(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf dieser Basis wurden als berücksichtigungsfähige Kosten 94,63 Euro in die Bedarfsberechnung einbezogen. Angesichts dieses Betrages konnte auf die genaue Ermittlung der im örtlichen Vergleichsraum abstrakt angemessenen Mietkosten und einen Vergleich mit den vom Kläger für die Nutzung seines Eigenheims geltend gemachten Kosten (vgl dazu Urteil vom 24.2.2011, aaO, RdNr 20) verzichtet werden.
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a) Weitere Nebenkosten in Form von Stromkosten für die Außenbeleuchtung und die Gartenpflege sind dagegen im Rahmen der Unterkunftskosten nicht berücksichtigungsfähig. Zwar sind neben der Nettokaltmiete grundsätzlich auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 Bürgerliches Gesetzbuch - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt der angemessenen Unterkunftskosten mit einzubeziehen(vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R -). Eine Einbeziehung der hier geltend gemachten Stromkosten in den Bedarf für die Kosten der Unterkunft scheitert aber schon daran, dass bereits unter Geltung des § 20 Abs 1 SGB II aF die Regelleistung für einen Hilfeempfänger auch die Kosten für die Haushaltsenergie umfasst(vgl grundlegend BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18). Ebenso wie die Kosten für die Warmwasserbereitung Bestandteil der Regelleistung sind bzw waren, müssen auch die Kosten für Strom, sofern er nicht zur Erzeugung von Heizenergie benutzt wird, aus der maßgeblichen Regelleistung gedeckt werden, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf Erhöhung der Leistungen zur Unterkunft um seine Aufwendungen für Haushaltsstrom hat (vgl BSG, aaO RdNr 27-28).
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Demgegenüber greift der Einwand des Klägers nicht durch, er sei als Hauseigentümer im Vergleich zu einem SGB II-Leistungsempfänger, der eine Mietwohnung bewohnt, benachteiligt. Zwar trifft es zu, dass bei Mietwohnungen über die Betriebskostenabrechnung uU auch Nebenkosten für die Außenbeleuchtung (§ 2 Nr 11 Betriebskostenverordnung
vom 25.11.2003) oder Kosten der Gartenpflege (§ 2 Nr 10 BetrKV) anfallen können. Dabei handelt es sich aber um Kosten, die die Mietergemeinschaft betreffen und nicht individualisierbar sind. Die Außenbeleuchtung an einem Einfamilienhaus ist - im Gegensatz zu der Beleuchtung von Zugängen von Fluren in einem (Miets-)Haus - dem einzelnen Haushalt unmittelbar zuzuordnen. Ein Unterschied zwischen Mietern und Eigentümern ergibt sich nicht, denn wenn ein Mieter den Balkon seiner Mietwohnung mit einer Beleuchtung versähe, würde auch diese als zum Haushalt gehörig gelten, die entsprechenden Stromkosten wären vom Regelsatz umfasst. Gleiches gilt auch für die geltend gemachten Stromkosten für Gartenpflege. Ungeachtet der Frage, ob solche Stromkosten überhaupt unter § 2 Nr 10 BetrKV fallen würden, der die Pflege gärtnerisch angelegter Flächen einschließlich der Erneuerung von Pflanzen und die Pflege von Plätzen, Zugängen und Zufahrten betrifft, sind derartige Stromkosten aber nach den genannten Maßstäben als zum Haushalt gehörige individualisierbare Kosten und damit zum Regelsatz gehörig einzustufen. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass weder die Stromkosten für die Außenbeleuchtung noch für die Gartenpflege konkret beziffert worden sind, sondern in einem geschätzten Gesamtbetrag aufgehen, der seinerseits nicht nachvollziehbar belegt und festgestellt ist.
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b) Anders verhält es sich dagegen bei den geltend gemachten Stromkosten für die Heizungspumpe. Die angemessenen Heizkosten sind neben der angemessenen Nettokaltmiete und den angemessenen Nebenkosten selbstständig zu ermitteln. Hier ist im Hinblick auf die Gleichbehandlung zwischen einem Eigentümer eines selbst genutzten Hausgrundstücks und einem hilfebedürftigen Mieter zu berücksichtigen, dass bei den Vorauszahlungen, die an den Vermieter für die Beheizung der Unterkunft zu leisten sind, Kosten des Betriebs einer zentralen Heizungsanlage enthalten sind. Dazu gehören gemäß § 2 Nr 4 Buchst a BetrKV auch die Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage. Die grundsätzliche Berücksichtigung dieser Kosten im Rahmen der Heizkosten für eine Eigentumswohnung oder ein selbst genutztes Einfamilienhaus ist auch deshalb geboten, weil der Betrieb der Heizungspumpe untrennbar mit dem Betrieb der Heizung als solcher verbunden ist, sodass die Übernahme entsprechender Kosten grundsätzlich in die Berechnung der angemessenen Heizkosten einzustellen ist (bezüglich der Berücksichtigung von Kosten der Öltank- sowie der Kessel- und Brennerreinigung vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -; vgl auch Beschluss vom 26.5.2010 - B 4 AS 7/10 B - RdNr 8).
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Allerdings sind immer nur tatsächliche und belegte Aufwendungen berücksichtigungsfähig, nicht dagegen allgemeine Pauschalen (vgl zur "Erhaltungsaufwandspauschale" BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17; zur Pauschale für Reparaturkosten, Pflege und Wartung eines Wohnmobils BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 79/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 39). Es finden sich vorliegend keinerlei Feststellungen des LSG darüber, in welcher Höhe die Stromkosten für den Betrieb der Heizungspumpe anzusetzen wären. Sollte für den Heizungsstrom kein separater Zähler bzw Zwischenzähler existieren, sodass die Stromkosten nicht konkret ausgewiesen werden können, käme auch eine Schätzung in Betracht (vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr 27: Schätzung des Heizkostenanteils ggf unter Berücksichtigung der Nebenkostenabrechnungen der Vorjahre nach § 202 SGG iVm § 287 Abs 2 Zivilprozessordnung; Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07 - WuM 2008, 285). Allerdings sind vom LSG weitere Ermittlungen anzustellen, um einen Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der auf die Heizung entfällt, zu finden (vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 zur Schätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung enthalten sein soll, sog "Kochgaspauschale"). Bei der Berechnung wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bisher der zur Regelleistung gehörende Energieanteil für die Bereitung von Warmwasser in Höhe von 6,22 Euro noch nicht von den Heizkosten abgezogen wurde (grundlegend: Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5; anders nach neuer Rechtslage vgl § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II in der seit 1.1.2011 gültigen Fassung).
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c) Ob zu den im Rahmen der Berechnung der Unterkunftskosten bei Haus- und Wohnungseigentum zu berücksichtigenden Kosten für eine Gebäudeversicherung (die hier in Höhe von 89,39 Euro belegt wurden) zusätzlich Kosten für eine Gebäudehaftpflichtversicherung zu übernehmen sind, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man von einer grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit einer Gebäudehaftpflichtversicherung (zur Möglichkeit des Abzugs einer solchen Versicherung vom Einkommen vgl BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/0AS 59/06 R - RdNr 20) auch unter dem Aspekt ausgeht, dass Kosten für eine Haftpflichtversicherung für das Gebäude nach § 2 Nr 13 BetrKV in einem Mietverhältnis neben den Kosten für die Gebäudeversicherung umlagefähig sind, so fehlt es vorliegend aber an einem konkreten Kostenanfall für den streitigen Leistungszeitraum. Insofern hat das LSG bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Gebäudehaftpflichtversicherung kostenfrei in der privaten Haftpflichtversicherung des Klägers enthalten ist. Kosten für eine private Haftpflichtversicherung wiederum können nicht im Rahmen der Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, sondern lediglich gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II von zu berücksichtigendem Einkommen abgesetzt werden.
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Schließlich wird das LSG noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden abweichend von Satz 1 Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; § 35a Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt nur, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem Kapitel, dem Vierten Kapitel oder dem Zweiten Buch bezogen worden sind. Bei Leistungsberechtigten, die in den letzten zwei Jahren vor dem Bezug von Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel Leistungen nach dem Zweiten Buch bezogen haben, wird die nach § 22 Absatz 1 Satz 2 bis 4 des Zweiten Buches bereits in Anspruch genommene Karenzzeit für die weitere Dauer der Karenzzeit nach den Sätzen 2 bis 5 berücksichtigt.
(2) Der Träger der Sozialhilfe prüft zu Beginn der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 6 die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Übersteigen die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, teilt der Träger der Sozialhilfe dies den Leistungsberechtigten mit dem ersten Bewilligungsbescheid mit und unterrichtet sie über die Dauer der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 6 sowie über das Verfahren nach Ablauf der Karenzzeit nach Absatz 3 Satz 2.
(3) Übersteigen die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie in tatsächlicher Höhe als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 27 Absatz 2 zu berücksichtigen sind, anzuerkennen. Satz 1 gilt nach Ablauf der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 6 so lange, bis es diesen Personen möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Eine Absenkung der nach Absatz 1 Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Stirbt ein Mitglied der Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar.
(4) Der Träger der Sozialhilfe kann für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich für die Höhe der Bedarfe für Unterkunft eine monatliche Pauschale festsetzen, wenn auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hinreichend angemessener freier Wohnraum verfügbar und in Einzelfällen die Pauschalierung nicht unzumutbar ist. Bei der Bemessung der Pauschale sind die tatsächlichen Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts, der örtliche Mietspiegel sowie die familiären Verhältnisse der Leistungsberechtigten, insbesondere Anzahl, Alter und Gesundheitszustand der in der Unterkunft lebenden Personen, zu berücksichtigen. Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend.
(5) Bedarfe für Heizung umfassen auch Aufwendungen für zentrale Warmwasserversorgung. Die Bedarfe können durch eine monatliche Pauschale festgesetzt werden. Bei der Bemessung der Pauschale sind die persönlichen und familiären Verhältnisse, insbesondere Anzahl, Alter und Gesundheitszustand der in der Unterkunft lebenden Personen, die Größe und Beschaffenheit der Wohnung, die vorhandenen Heizmöglichkeiten und die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen.
(6) Leben Leistungsberechtigte in einer Unterkunft nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3, so sind Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Absatz 5 und 6 anzuerkennen. Leben Leistungsberechtigte in einer sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, so sind Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Absatz 7 anzuerkennen. Für die Bedarfe nach den Sätzen 1 und 2 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 6 nicht.
(7) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 3 und § 35a Absatz 2 Satz 2 gelten entsprechend.
(8) § 22 Absatz 11 und 12 des Zweiten Buches gelten entsprechend.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
Tenor
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.07.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Bewilligung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II); insbesondere begehren die Klägerinnen einen höheren Mehrbedarf für die Warmwasserbereitung.
3Die Klägerinnen, Mutter (geboren 1963) und Tochter (geboren am 00.00.1995), beziehen laufende Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. In ihrer Wohnung wird das Warmwasser über einen elektrischen Durchlauferhitzer aufbereitet. Dieser erbringt eine maximale Leistung von 21 kW.
4Mit Bescheid vom 17.12.2011 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 i.H.v. 788,91 EUR, ohne dass dabei ein Mehrbedarf für Warmwasser berücksichtigt wurde. Am 21.02.2011 legte die Klägerin zu 1) die Jahresabrechnung ihres Stromversorgers F GmbH (F) vom 11.02.2011 vor. Aus dem abgerechneten Zeitraum vom 01.06.2010 bis zum 13.01.2011 ergab sich eine Nachforderung i.H.v. 288,69 EUR. Die monatlichen Abschläge wurden auf 112,00 EUR festgesetzt, so dass sich eine am 28.02.2011 fällige Forderung von insgesamt 400,69 EUR ergab.
5Unter Bezugnahme auf diese Jahresabrechnung teilte der Beklagte den Klägerinnen mit Schreiben vom 24.02.2011 mit, eine Übernahme dieser Kosten für den Haushaltsstrom sei nicht möglich. Für die Übernahme in Form eines Darlehens sollten sie sich ggfs. mit der für sie zuständigen Sachbearbeiterin in Verbindung setzen.
6Dagegen legten die Klägerinnen am 02.03.2011 Widerspruch ein. Ihre Wohnung sei mit einem elektrischen Durchlauferhitzer ausgestattet. Hilfsweise beantragten sie ein Darlehen zur Begleichung der Nachforderung.
7Mit Bescheid vom 29.03.2011 bewilligte der Beklagte ein Darlehen zur Übernahme der rückständigen Forderungen aus der Jahresabrechnung des Stromversorgers in Höhe von 293,69 EUR inklusive Mahngebühren. Gegen diesen Bescheid legten die Klägerinnen am 20.04.2011 Widerspruch ein und wiesen daraufhin, dass sie in erster Linie die Übernahme des Nachzahlungsbetrages als Zuschuss, die Gewährung eines Darlehens nur hilfsweise beantragt hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2011 entschied der Beklagte über den Widerspruch gegen den Darlehensbescheid vom 29.03.2011 und verfügte, dass von dem gewährten Darlehensbetrag i.H.v. 293,69 EUR ein Betrag i.H.v. 12,00 EUR als Zuschuss bewilligt werde. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück.
8Mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2011 änderte er den Bescheid vom 24.02.2011 dahingehend ab, dass für den Monat Januar 2011 ein Betrag in Höhe von insgesamt 12,00 EUR für die Warmwasserkosten übernommen werde. Im Übrigen wies der Beklagte auch diesen Widerspruch zurück.
9Mit zwei weiteren Änderungsbescheiden vom 15.06.2011 wurde den Klägerinnen eine monatliche Pauschale für die Warmwasseraufbereitung gemäß § 21 Abs. 7 SGB II i.H.v. 12,00 EUR (8,00 EUR für die Klägerin zu 1), 4,00 EUR für die Klägerin zu 2)) getrennt für die Zeiträume vom 01.01. bis zum 30.04.2011 und 01.05. bis 30.06.2011 zuerkannt. Die Bescheide enthielten beide den Hinweis, dass sie Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens seien.
10Am 06.06.2011 haben die Klägerinnen beim Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) Klage erhoben und sich gegen den Bescheid vom 24.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2011 gewendet. Sie haben einen monatlichen Mehrbedarf für die Warmwasserbereitung in Höhe von 67,06 EUR geltend gemacht und zur Begründung ausgeführt, bei einer Geräteleistung von 21 kW, täglichem halbstündigen Betrieb für zwei Personen (Duschen, Spülen etc.) und einem Preis von 0,2118 EUR/kwh lägen die Warmwasserkosten bei 804,82 EUR jährlich/67,06 EUR monatlich. Es bestehe ein von den Pauschalen abweichender Bedarf, wofür die gesetzliche Regelung eine Öffnungsklausel vorsehe.
11Das SG hat die Klage mit Urteil vom 02.07.2012 unter Zulassung der Berufung abgewiesen und ausgeführt, Gegenstand der Klage sei das Schreiben des Beklagten vom 24.02.2011, bei dem es sich um einen Verwaltungsakt handele. Da ein Mehrbedarf nicht Gegenstand einer eigenständigen Regelung im Sinne eines abtrennbaren Streitgegenstands sein könne und die Klägerinnen die Übernahme laufender höherer Abschläge begehrten, betreffe der Bescheid den Bewilligungszeitraum 01.01.2011 bis 30.06.2011. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 17.12.2010 und die dazu ergangenen Änderungsbescheide seien somit Gegenstand des Klageverfahrens. Die Klägerinnen hätten jedoch keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II, insbesondere bestehe kein Anspruch auf einen über 12,00 EUR hinausgehenden Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II. Die Kammer habe nämlich keinen von den Pauschalen nach § 21 Abs. 7 SGB II abweichenden Bedarf feststellen können. Dabei sei nicht darauf abzustellen, ob die Kosten für die Aufbereitung des Warmwassers tatsächlich höher seien als die Pauschalen. Ein höherer Bedarf sei über die Öffnungsklausel nur abzudecken, wenn in den Lebensumständen der Klägerinnen ein Grund dafür liegen könne, dass die vom Gesetzgeber festgelegten Pauschalen nicht ausreichend seien. Dabei könnten persönliche Gründe wie Erkrankungen, Behinderungen oder bestimmte Arbeitstätigkeiten eine Rolle spielen oder aber technische Gründe wie etwa eine veraltete Installation. Beides sei vorliegend nicht ersichtlich.
12Gegen das am 31.07.2012 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen am 17.08.2012 Berufung eingelegt. Sie wiederholen ihr bisheriges Vorbringen und sind der Auffassung, der erhöhte, aber angemessene Verbrauch sei ausreichend dargelegt worden.
13Die Klägerinnen beantragen,
14das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.07.2012 zu ändern und den Bescheid vom 24.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2011 zu ändern und den Klägerinnen weitere Warmwasserkosten in Höhe von 67,06 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 zu bewilligen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
18Der Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass die Pauschale für Warmwasserkosten für die Klägerin zu 2) auf 7,00 Euro monatlich festgesetzt wird. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin zu 2) angenommen.
19Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die kraft Zulassung statthafte und im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
22Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerinnen haben keinen über den bereits anerkannten Betrag hinausgehenden Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, weder im Februar 2011, noch im gesamten Bewilligungsabschnitt Januar bis Juni 2011.
23Angefochten ist die mit Schreiben vom 24.02.2011 erfolgte und vom SG zutreffend als Verwaltungsakt qualifizierte Regelung des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2011. Dieser enthält - wie im Widerspruchsverfahren klargestellt wurde - die Entscheidung über den durch Vorlage der Jahresabrechnung der F am 21.02.2011 gestellten Antrag der Klägerinnen, die vom Energieversorger erhobene Nachforderung in Höhe von 288,69 EUR zu übernehmen, d.h. eine um diesen Betrag im Fälligkeitsmonat (Februar 2011) höhere Leistung zu erbringen. Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Beklagte zunächst die Gewährung höherer Leistungen abgelehnt, jedoch mit Bescheid vom 15.06.2011 weitere Leistungen gemäß § 21 Abs. 7 SGB X für den laufenden Bewilligungsabschnitt und somit auch für den Monat Februar 2011 in Höhe von 12,00 EUR bewilligt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.01.2014 hat der Beklagte einen weiteren Betrag in Höhe von 3,00 EUR für die Klägerin zu 2) zuerkannt, so dass nunmehr ein Mehrbedarf für die Warmwasserbereitung in Höhe von 7,00 EUR für die Klägerin zu 2) und 8,00 EUR für die Klägerin zu 1) gezahlt wird. Mit dem darüber hinausgehenden Antrag auf Zahlung eines Mehrbedarfs in Höhe von 67,06 EUR kann die Klage keinen Erfolg haben. Auch im Übrigen besteht kein höherer Leistungsanspruch im Februar 2011.
24Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung eines höheren Mehrbedarfs für die Aufbereitung von Warmwasser ist § 21 Abs. 7 SGB II.
25Nach § 21 Abs. 7 S. 1 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil in der von den Klägerinnen angemieteten Wohnung die Warmwasserbereitung durch einen elektrischen Durchlauferhitzer erfolgt und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitetes Warmwasser anerkannt werden.
26Die Voraussetzungen für die Gewährung eines über den Betrag von 8,00 EUR für die Klägerin zu 1) und 7,00 EUR für die Klägerin zu 2) hinausgehenden Mehrbedarfs nach Maßgabe der sogenannten Öffnungsklausel des § 21 Abs. 7 S. 2 HS 2 SGB II liegen jedoch nicht vor. Danach gelten die in Satz 2 HS. 1 genannten Beträge nur, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht oder ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfs nach § 22 Abs. 1 SGB II anerkannt wird. Nach dieser Bestimmung kommt bei Nachweis höherer tatsächlicher Kosten der Warmwasseraufbereitung auch die Gewährung höherer Beträge in Betracht, denn die Pauschalen enthalten keine gesetzlich normierten Angemessenheitsgrenzen, sondern kommen immer nur dann zur Anwendung, wenn sich die Warmwassererzeugungskosten in Ermangelung entsprechender technischer Vorrichtungen nicht konkret ermitteln lassen (Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Auflage 2012, § 21 Rn. 121.1; LSG Nordrhein-Westfalen (NRW), Beschluss vom 28.05.2013 - L 9 AS 540/13 B; in diesem Sinne auch Knickrehm/ Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013 § 21 Rn. 81, wo ausgeführt wir, dass die Grenze des zu übernehmenden abweichenden Bedarfs die Angemessenheit der Kosten ist).
27Ein im Sinne dieser Öffnungsklausel abweichender Bedarf lässt sich nicht feststellen. Der Beklagte hat hier mit den Bescheiden vom 15.06.2011 zutreffend auf die in § 21 Abs. 7 S. 2 HS 1 SGB II festgelegten Pauschalen abgestellt, da die tatsächliche Höhe der bei den Klägerinnen anfallenden Warmwasserkosten nicht getrennt erfasst wird.
28Vom Normalfall abweichende persönliche Verhältnisse bei den Hilfebedürftigen oder technische Besonderheiten sind nicht das entscheidende Kriterium dafür, ob über die Pauschalbeträge hinausgehende Leistungen erbracht werden (insoweit zumindest missverständlich Knickrehm/Hahn a.a.O.). Derartige Umstände bieten entsprechend der Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung von Heizkosten zwar Anhaltspunkte dafür, dass höhere Aufwendungen als angemessen berücksichtigt werden können (vgl LSG NRW a.a.O.). Das entbindet aber nicht davon, zunächst festzustellen, ob höhere Aufwendungen bestehen. Erst dann schließt sich die Prüfung an, ob diese Aufwendungen angemessen sind. In diesem Zusammenhang (erst) kann den besonderen Umständen des Einzelfalls Bedeutung zukommen.
29Dieser rechtliche Ansatz folgt auch aus der Entstehungsgeschichte der Warmwasserpauschalen. Nach der bis zum 31.03.2011 geltenden Rechtslage waren die Kosten der Warmwasseraufbereitung von den Regelleistungen erfasst (s etwa BSG Urteil vom 27.02.2008 - B 14 /11b AS 15/07 R (ständige Rechtsprechung)). Dies hatte zur Folge, dass im Falle der zentralen Warmwasseraufbereitung und einer gemeinsamen Abrechnung der Warmwasserkosten mit den Heizkosten ein Abzug der Warmwasserkosten in Höhe der im Regelsatz enthaltenen Beträge zu erfolgen hatte (BSG a.a.O.). Die über den im Regelsatz enthaltenen Betrag hinausgehenden anfallenden Kosten wurden über die Heizkosten vom Leistungsträger übernommen. Die Angemessenheitsprüfung erfolgte über die Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten. Diese Rechtslage hat sich zum 01.04.2011 dahingehend geändert, dass die Kosten der Warmwasseraufbereitung nicht mehr in den Regelbedarfen enthalten sind. Im Falle zentraler Warmwasseraufbereitung führt diese Regelung dazu, dass kein Abzug von den gemeinsamen Heiz- und Warmwasserkosten mehr zu erfolgen hat. Begrenzt werden die Leistungen lediglich durch eine Angemessenheitsprüfung, die entsprechend den Regeln der BSG-Rechtsprechung mit Hilfe der örtlichen Heizkostenspiegel zu erfolgen hat. Im Falle dezentraler Warmwasseraufbereitung ist die Deckung der Bedarfe durch Gewährung eines Mehrbedarfs vorgesehen (§ 21 Abs. 7 SGB II). Wie auch bei der zentralen Warmwasserversorgung ist im Falle der dezentralen Warmwasserversorgung eine Ermittlung der konkreten Kosten mangels technischer Vorrichtungen häufig nicht möglich, so dass die Leistungen pauschal gewährt werden. Lediglich für die seltenen Fälle, in denen bei dezentraler Warmwasserversorgung eine Ermittlung der konkreten Kosten möglich ist, kommt die Anwendung der Öffnungsklausel in Betracht. Die Übernahme tatsächlich entstehender Warmwasserkosten im Falle zentraler Warmwasserbereitung zeigt, dass eine von den Pauschalen in § 21 Abs. 7 S. 2 SGB II abweichende Leistungserbringung im Falle dezentraler Warmwasserbereitung nicht vom Vorliegen besonderer Umstände abhängig sein kann. Demnach erschöpft sich ihr Zweck darin, Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der tatsächlich anfallenden Kosten zu beseitigen.
30Vor diesem Hintergrund führen bloße Beweisschwierigkeiten nicht automatisch dazu, einen höheren Bedarf bei Vorliegen besonderer Umstände im Wege der Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 BGB i.V.m. § 202 SGG festzustellen. Hier fehlt es zudem, da die Schätzungsgrundlagen des Vollbeweises bedürfen (s etwa Foerste in: Musielak, ZPO, 10. Auflage 2013, § 287 Rn. 7), bereits an einer ausreichenden, d. h. ohne vernünftige Zweifel anzunehmenden Schätzungsgrundlage. Die Ausführungen des Bevollmächtigten der Klägerinnen zu dem vom Durchlauferhitzer verursachten Stromverbrauch sind zwar rechnerisch nachvollziehbar. Ob der in der Wohnung der Klägerinnen vorhandene Durchlauferhitzer im streitgegenständlichen Zeitraum jedoch tatsächlich täglich 30 Minuten und dann auch unter Volllast im Betrieb war, begegnet vernünftigen Zweifeln und lässt sich im Nachhinein auch nicht mehr aufklären. Die Klägerinnen haben jedenfalls keine besonderen Umstände vorgetragen, die einen über den Regelfall hinausgehenden Stromverbrauch für die Warmwasseraufbereitung erforderlich machen würden, nicht einmal solche, die eine Bedarfsdeckung durch die in § 21 Abs. 7 SGB II genannten Pauschalen als ungenügend erscheinen lassen. Schon nach ihrem eigenen Vortrag kann der anhand ihrer Daten ermittelte Verbrauch möglicherweise noch von der Pauschale abgedeckt sein. Aus diesen Gründen konnte der Senat offen lassen, ob der von den Klägerinnen behauptete, vom Durchlauferhitzer verursachte Stromverbrauch einer Angemessenheitsprüfung standhalten würde und welche Kriterien hierbei anzulegen wären.
31Auch im Übrigen besteht kein Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II. Die zuletzt mit Bescheid vom 15.06.2011 vorgenommene Leistungsbewilligung ist für beide Klägerinnen insgesamt zutreffend. Zu Recht hat der Beklagte für die Klägerin zu 1) einen Regelbedarf von 364,00 EUR und für die Klägerin zu 2) einen Regelbedarf von 287,00 EUR zu Grunde gelegt. Darüber hinaus wurde ein Mehrbedarf für allein erziehende i.H.v. 12 % der maßgebenden Regelleistung, also 44,00 EUR, berücksichtigt. Auch dies entspricht der gesetzlichen Bestimmung, § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Anspruch auf andere Mehrbedarfe besteht nicht. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung sind vom Beklagten in zutreffender Höhe berücksichtigt worden. Die Klägerin zu 1) schuldete im streitgegenständlichen Zeitraum eine monatliche Miete inklusive Heizkostenvorauszahlung und Nebenkostenvorauszahlung i.H.v. 395,81 EUR. Dieser Betrag ist der Leistungsberechnung im Bescheid vom 15.06.2011 zugrundegelegt worden. Zu Recht hat der Beklagte dem so ermittelten Gesamtbedarf der Klägerin zu 2) i.H.v. 488,91 EUR Einkommen in Form von Kindergeld i.H.v. 184,00 EUR gegenübergestellt. Darüber hinaus hat er ebenfalls zutreffend das um einen Freibetrag i.H.v. 128,00 EUR geminderte monatliche Einkommen der Klägerin zu 1) i.H.v. 240,00 EUR, also 112,00 EUR, im Verhältnis des Bedarfs beider Klägerinnen zum Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt und ist so auf ein anrechenbares Einkommen bei der Klägerin zu 1) i.H.v. 74,83 EUR und bei der Klägerin zu 2) i.H.v. 221,17 EUR gelangt. Daraus ergibt sich die im Bescheid vom 15.06.2011 ausgewiesene monatliche Leistung für die Klägerin zu 1) i.H.v. 539,07 EUR und für die Klägerin zu 2) i.H.v. 267,74 EUR zzgl. der anerkannten Pauschale für die Warmwasseraufbereitung.
32Die Kostenentscheidung folgt § 193 SGG.
33Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Träger der Leistungen nach diesem Buch sind:
- 1.
die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur), soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt, - 2.
die kreisfreien Städte und Kreise für die Leistungen nach § 16a, für das Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 und 2 und die Leistungen nach § 27 Absatz 3, soweit diese Leistungen für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet werden, für die Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2 sowie für die Leistungen nach § 28, soweit durch Landesrecht nicht andere Träger bestimmt sind (kommunale Träger).
(2) Die Länder können bestimmen, dass und inwieweit die Kreise ihnen zugehörige Gemeinden oder Gemeindeverbände zur Durchführung der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Aufgaben nach diesem Gesetz heranziehen und ihnen dabei Weisungen erteilen können; in diesen Fällen erlassen die Kreise den Widerspruchsbescheid nach dem Sozialgerichtsgesetz. § 44b Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt. Die Sätze 1 und 2 gelten auch in den Fällen des § 6a mit der Maßgabe, dass eine Heranziehung auch für die Aufgaben nach § 6b Absatz 1 Satz 1 erfolgen kann.
(3) Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzes über die Zuständigkeit von Behörden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Tenor
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Auf die Sprungrevision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Oktober 2014 aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Thüringer Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit steht die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum von Februar 2011 bis Juli 2011.
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Der Kläger bewohnt ein Eigenheim. Es steht in seinem und dem Miteigentum seiner dauernd von ihm getrennt lebenden Ehefrau. Die Beheizung des Hauses erfolgt mit Gas. Der zum Betrieb der Heizungsanlage benötigte Strom kann in Ermangelung einer Einrichtung hierfür nicht separat vom Haushaltsstrom gemessen werden. Durch Bescheid vom 25.1.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum von Februar bis Juli 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage blieben bei deren Berechnung unberücksichtigt. Am 28.9.2011 und 12.10.2011 erhöhte der Beklagte zwar die Leistungen, weiterhin jedoch unter Außerachtlassung der Aufwendungen für Strom zum Betrieb der Heizungsanlage. Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.10.2011).
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Das SG Altenburg hat den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 25.1.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.3.2011, 28.9.2011 und 12.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2011 verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum von Februar bis Juli 2011 weitere 21,96 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe im Rahmen der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II ein Anspruch auf Übernahme der Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage in Höhe von 3,66 Euro monatlich, mithin insgesamt weitere 21,96 Euro, zu. Die Kosten für den zum Betrieb einer Heizungsanlage benötigten Strom seien Teil der Kosten der Unterkunft und Heizung. Dies sei für Zeiten vor dem 1.1.2011 durch die Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 26.5.2010 - B 4 AS 7/10 B; Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R) geklärt. Eine Veränderung der bisherigen Regelungssystematik sei durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 nicht eingetreten. Die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie seien weiterhin nicht vom Regelbedarf nach § 20 Abs 1 S 1 SGB II erfasst. Da die hier geltend gemachten Aufwendungen für Strom durch das Beheizen der Unterkunft entstanden seien, habe die Bedarfsdeckung durch den Beklagten demnach auf der Grundlage des § 22 Abs 1 S 1 SGB II zu erfolgen.
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Der Höhe nach erfolge die Leistungsbemessung aufgrund einer Schätzung gemäß § 202 SGG, § 287 Abs 2 ZPO. Denn die angefallenen Kosten für den Betriebsstrom seien im streitigen Zeitraum nicht gesondert erfasst worden. Für die Schätzung werde auf die technischen Daten des Herstellers zum Bereitschaftsenergieverbrauch der Heizungsanlage zurückgegriffen. Dabei sei davon auszugehen, dass der aus dem technischen Datenblatt entnommene Wert die bei dem Betrieb der Heizungsanlage - inklusive des Steuerungselements - anfallenden Stromkosten mit einem Durchschnittswert abbilde, ohne dass es darauf ankomme, dass vorliegend die Heizperiode nicht den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum erfasst habe und die Anlage auch während der Heizperiode nicht ohne Unterbrechung und mit differierender Leistungsaufnahme in Betrieb gewesen sei.
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Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II. Ausweislich der Entwurfsbegründung zum RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG (BT-Drucks 17/3404 S 55 f) habe die Sonderauswertung der EVS 2008 zu einer wesentlichen Änderung bei der Bemessung der Regelsatzbestandteile geführt, weshalb die Rechtsprechung des BSG zur Zuordnung der Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage auf die Rechtslage ab dem 1.1.2011 nicht mehr anzuwenden sei. Nach Aufnahme der Stromkosten von Eigentümerhaushalten in die Bemessung der Regelsätze nach § 20 SGB II seien diese Kosten nicht mehr als Leistung nach § 22 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2, 4 SGG).
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1. Der erkennende Senat vermochte nicht abschließend darüber zu befinden, ob dem Kläger die vom SG ausgeurteilten weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 21,96 Euro für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2011 zustehen. Abgesehen davon, dass es in der erstinstanzlichen Entscheidung bereits an Feststellungen zur Leistungsberechtigung des Klägers gemäß § 7 Abs 1 S 1 SGB II mangelt, lassen sich den Ausführungen des SG keine Tatsachen entnehmen, die eine Überprüfung der Leistungshöhe, wie sie von dem Beklagten durch den angefochtenen Bescheid vom 25.1.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 28.9.2011 und 12.10.2011, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2011, bewilligt worden sind, ermöglichen. Zwar hat nur der Beklagte die zulässige Sprungrevision eingelegt. Daher ist der, dem Kläger über die von dem Beklagten in den Bescheiden festgestellte Leistungshöhe hinaus, maximal zustehende Betrag auf 21,96 Euro begrenzt. Selbst wenn der Beklagte mit seinem Rechtsmittel obsiegen sollte, könnte sich ein Anspruch des Klägers in der ausgeurteilten Höhe jedoch aus anderen Gründen, etwa eines höheren Regelbedarfs, ggf eines Mehrbedarfs oder weiteren Bedarfen für Unterkunft und Heizung ergeben. Umgekehrt könnte im Falle des Unterliegens des Beklagten dessen Verurteilung zur Erbringung weiterer Leistungen niedriger ausfallen, weil dem Kläger aus den genannten Gründen zu hohe Leistungen erbracht worden sind. Denn es ist vorliegend die Höhe der dem Kläger ggf zustehenden passiven Leistungen nach dem SGB II insgesamt, einschließlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung, zu überprüfen.
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Streitgegenstand sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Es ist weder in der Klageschrift, noch in dem Teilvergleich vom 25.2.2013 oder durch den in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Klageantrag eine Abtrennung der Leistungen für Unterkunft und Heizung als eigener Streitgegentand gegenüber Regel- und Mehrbedarf erfolgt. Ebenso wenig hat das SG dargelegt, dass sich aus dem sonstigen Vorbringen der Beteiligten hierauf schließen ließe. Soweit das SG darüber hinaus eine Beschränkung des Streitgegenstands auf ein Berechnungselement der Leistungen - hier die Stromkosten zum Betrieb der Heizungsanlage als Faktor zur Bestimmung der Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - vornehmen wollte, wäre dies nicht zulässig. Es handelt sich hierbei nur um ein Begründungselement für das klägerische Begehren auf höhere Leistungen. Eine zulässige Begrenzung des Streitgegenstands hätte nur auf den Anspruch des Klägers wegen Bedarfen für Unterkunft und Heizung in ihrer Gesamtheit gerichtet sein können (vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 10; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - BSGE 117, 240 = SozR 4-4200 § 21 Nr 19, RdNr 10; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - BSGE 116, 254 = SozR 4-4200 § 7 Nr 38, RdNr 12; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10).
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2. Zutreffend hat das SG jedoch die Aufwendungen eines Eigentümers für den Betrieb einer Heizungsanlage dem Grunde nach als einen Bedarf angesehen, der durch Leistungen für Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II zu decken ist. Der erkennende Senat hält insoweit an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Auch auf Grundlage des § 20 Abs 1 S 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG(vom 24.3.2011, BGBl I 453) oder der statistischen Erhebungen zur Bemessung des Regelbedarfs in der Abteilung 04 (Erwachsene) nach der EVS 2008 vermag er keinen Anlass zur Änderung dieser zu erkennen.
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So haben die für die Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG befunden, dass die Übernahme der Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage grundsätzlich in die Berechnung der angemessenen Heizkosten einzustellen ist (vgl BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R - RdNr 15; BSG Beschluss vom 26.5.2010 - B 4 AS 7/10 B - RdNr 8; BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 18). Zwar war zunächst die Grenzziehung zwischen den durch die Regelleistung zu deckenden Bedarfen und solchen, die als Unterkunftsleistungen zu übernehmen sind, durch den Wortlaut des § 20 Abs 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem SGB II vom 30.7.2004 (BGBl I 2014) noch nicht klar konturiert. Die Haushaltsenergie wurde in der ersten Gesetzesfassung noch nicht ausdrücklich von den Bedarfen ausgenommen, die durch die Regelleistung gedeckt werden sollten. Mit der Einfügung der Worte "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit Wirkung vom 1.8.2006 (vom 20.7.2006, BGBl I 1706) ist insoweit eine sprachliche, wenn auch letztlich keine inhaltliche Änderung im Hinblick auf diese Abgrenzung erfolgt. Die Ergänzung wurde - so die Begründung im Gesetzentwurf - lediglich zur Klarstellung (BT-Drucks 16/1410 S 23) vorgenommen. Es sollte verdeutlicht werden, dass insbesondere Energiekosten für die Kochfeuerung, Warmwasserbereitung und Beleuchtung aus der Regelleistung zu bestreiten sind und nicht als Bestandteil von Kosten der Unterkunft und Heizung gesondert übernommen werden können. Dementsprechend waren umgekehrt die Kosten für Strom, die zur Erzeugung von Heizenergie genutzt werden, den Unterkunftskosten zuzuordnen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 24). Dies sollte im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art 3 Abs 1 GG für Eigentümer eines selbst genutzten Hausgrundstücks und Mieter gleichermaßen gelten.
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§ 22 Abs 1 SGB II sieht keine Differenzierung danach vor, ob der Wohnbedarf durch Eigentum oder Miete gedeckt wird(BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 20), denn der in § 22 SGB II verwandte Begriff der Unterkunft geht nicht vom Leitbild der Mietwohnung aus(vgl Derksen, SGb 2012, 430, 431). Maßgeblich ist der bei Wohnungsmietern und Eigentümern gleichermaßen bestehende Wohnbedarf. Im Rahmen dieser gesetzgeberischen Festlegung muss gewährleistet werden, dass Wohnungsmieter und Eigentümer gleichbehandelt werden, soweit zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfG Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97, 1 BvR 1304/98, 1 BvR 2144/98, 1 BvR 21 BvR 2300/98 - BVerfGE 112, 368 RdNr 98 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 54; BVerfG Urteil vom 28.4.1999 - 1 BvL 22/95, 1 BvL 34/95 - BVerfGE 100, 59, 90 = SozR 3-8570 § 6 Nr 3, juris RdNr 129). Da die Angemessenheit der Unterkunftskosten für Mieter und Eigentümer nach einheitlichen Kriterien zu bewerten ist (BSG Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 91/10 R - RdNr 17; vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, RdNr 35), hat jede im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot nicht gerechtfertigte Unterscheidung zu unterbleiben (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 20). Dies gilt auch für eine leistungsrechtlich gleiche Behandlung von Eigentümern und Mietern im Hinblick auf die Kosten für den Betrieb einer Heizungsanlage. Diese sind in der Regel gemäß § 2 Nr 4 Buchst a BetrKV in den Vorauszahlungen der Mieter für Heizenergie enthalten, soweit eine zentrale Heizungsanlage zum Mietobjekt gehört. Denn der Betrieb der Heizungspumpe ist untrennbar mit dem Betrieb der Heizung als solcher verbunden (BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R - RdNr 15). Hieraus folgt, dass diese Aufwendungen bei Mietern im Rahmen der Angemessenheit in vollem Umfang bei den Bedarfen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind (vgl BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58 RdNr 16). Dementsprechend hat dies auch für Eigentümer zu gelten, denen diese Aufwendungen entstehen.
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Eine Änderung der Grenzziehung zwischen den Regelbedarfen und den Bedarfen für Unterkunft und Heizung ist zum 1.1.2011 insoweit nicht eingetreten. Der von dem Beklagten vorgenommenen Auslegung des § 20 Abs 1 S 1 SGB II, wonach "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile" nun auch den Betriebsstrom der Heizungsanlage einschließe, kann nicht gefolgt werden. Im Hinblick auf die Heizenergie hat der Wortlaut des § 20 Abs 1 S 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG keine Änderung gegenüber der zuvor benannten Fassung erfahren. Der auf die Heizung entfallende Anteil der Haushaltsenergie ist weiterhin aus dem Regelbedarf ausgenommen. Daher kann für den Betriebsstrom der Heizungsanlage bereits begrifflich weiterhin nichts anderes gelten. Eine andere Zuordnung in rechtlicher Hinsicht lässt sich auch nicht aus der Ergänzung des Wortlauts des § 20 Abs 1 S 1 SGB II um die Worte "… und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile" entnehmen. Der Gesetzgeber hat dadurch im Gegenteil die systematische Grenzziehung der Bedarfe nach §§ 20 und 22 SGB II weiter erleichtert und auf die Rechtsprechung des BSG reagiert. Dieses hatte 2008 festgestellt, die Kosten der Warmwasserbereitung seien seit dem 1.1.2005 mit einem gewissen Anteil in der Regelleistung enthalten und daher in dessen Höhe von den Kosten für Heizung in Abzug zu bringen (BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Für die "Warmwasserkosten" ist nun ab dem 1.1.2011 bei dezentraler Warmwassererzeugung ein Mehrbedarf nach § 21 Abs 7 SGB II vorgesehen. Dort wird zugleich für den Fall der zentralen Warmwassererzeugung auf die Deckung durch § 22 SGB II verwiesen.
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Schließlich lässt sich die Auffassung des Beklagten auch nicht damit begründen, die Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage in Eigentümerhaushalten seien in die Ermittlung des Regelbedarfs auf Grundlage der Sonderauswertung EVS 2008 eingeflossen und daher aus dem Regelbedarf zu decken. Die in Eigentümerhaushalten gegenüber Mieterhaushalten anfallenden Strommehrkosten sind nicht in die Ermittlung des Regelbedarfs nach dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingegangen (zur begrenzten Überprüfbarkeit der in den einzelnen Abteilungen der EVS 2008 zum Ausdruck kommenden Verbrauchspositionen vgl BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 22 ff, 28). Der Gesetzentwurf zum RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG führt hierzu zwar aus, dass im Unterschied zur Sonderauswertung EVS 2003 nicht nur die Stromausgaben von Mietern berücksichtigt worden seien, sondern auch die Ausgaben der Eigentümer für Haushaltsstrom, allerdings nicht in Höhe der durch die EVS 2008 ermittelten tatsächlichen Kosten. Vielmehr seien für die Verbrauchsausgaben der Eigentümer für Strom die durchschnittlichen Stromkosten von Mieterhaushalten unterstellt worden. Als existenzsichernd wurden damit die Stromkosten der Haushalte von Mietern bewertet (BT-Drucks 17/3404 S 55 f). Das Zahlenwerk zur Bedarfsermittlung belegt dies.
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§ 5 RBEG sieht in der Abteilung 4 für Erwachsene (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung) als regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben einen Betrag von 30,24 Euro vor. Die entsprechende Angabe findet sich auch im Gesetzentwurf (BT-Drucks 17/3404 S 55). Der hierin enthaltene Anteil für den Strom der Eigentümerhaushalte ist mit 1,32 Euro ausgewiesen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die umgerechneten Stromkosten der Eigentümerhaushalte, sondern einen nach dem Ergebnis der EVS 2008 aus den Angaben der Mieterhaushalte abgeleiteten Wert (vgl Anlage zu Art 1 des Entwurfs zum RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG; so auch die Lesart des BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 11 BvL 12/12, 1 BvR 11 BvR 1691/13 - RdNr 112). Hiernach betragen die Stromkosten der Mieterhaushalte 30,56 Euro. Umgerechnet nach dem Anteil der Haushalte mit jeweiliger Wertangabe gegenüber allen erfassten Haushalten (30,56 Euro x 1703 / 1942) ergeben sich hieraus 26,80 Euro, die für den Stromverbrauch der Mieterhaushalte in die Abteilung 04 für Erwachsene eingestellt worden sind. Statt der Angaben der Eigentümerhaushalte zum Haushaltsstrom (44,44 Euro) sind an ihrer Stelle die Stromausgaben der Mieter nach dem Verhältnis der Eigentümerhaushalte mit jeweiliger Wertangabe gegenüber allen erfassten Haushalten anteilig berücksichtigt und so 1,32 Euro ermittelt (30,56 Euro x 84 / 1942) worden. Allein dieser Wert fließt für die Eigentümerhaushalte in die Regelbedarfsermittlung ein. In der Summe ergeben sich 28,12 Euro (26,80 Euro + 1,32 Euro) anstelle von 30,56 Euro. Der in den Regelbedarf eingestellte Wert von 28,12 Euro entstammt also allein den Angaben der Mieterhaushalte, deren Verbrauch auch lediglich anteilig nach dem Verhältnis der Haushalte mit jeweiliger Wertangabe gegenüber allen erfassten Haushalten berücksichtigt worden ist (30,56 Euro x 1787 / 1942 = 28,12 Euro). Im Gesetzentwurf heißt es daher folgerichtig, bei Eigentümerhaushalten fielen zudem auch Ausgaben für Strom an, "die als gesondert zu erbringende Kosten der Unterkunft zu bewerten seien (zum Beispiel Außenbeleuchtung, Umwälzpumpe)" (BT-Drucks 17/3404 S 56).
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3. Im Hinblick auf die Höhe der Leistung geht das SG zutreffend davon aus, dass nur tatsächliche Aufwendungen bei der Berechnung der Leistungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind. Diese zu erforschen ist das Tatsachengericht nach § 103 SGG grundsätzlich von Amts wegen verpflichtet. In einem Fall wie dem vorliegenden bestehen jedoch keine Bedenken, unter Anwendung von § 202 SGG, § 287 Abs 2 ZPO die Aufwendungen zu schätzen.
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Nach § 287 Abs 2 ZPO sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen als der Schadensermittlung die Vorschriften des § 287 Abs 1 S 1, 2 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen. In diesem Fall entscheidet das Gericht nach § 287 Abs 2 iVm § 287 Abs 1 S 1 ZPO über die Höhe der Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung und es bleibt gemäß § 287 Abs 2 iVm § 287 Abs 1 S 2 ZPO seinem Ermessen überlassen, ob und inwieweit - von Amts wegen - eine Begutachtung durch einen Sachverständigen anzuordnen ist(BGH Urteil vom 28.10.2015 - VIII ZR 158/11 - RdNr 92). Die vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob und inwieweit er eine Beweisaufnahme durchführt, unterliegt dabei nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob das Tatsachengericht von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, ob für seine Entscheidung grundsätzlich falsche oder offenbar unsachliche Erwägungen maßgebend waren oder ob wesentliche entscheidungserhebliche Tatsachen außer Acht gelassen wurden (BGH Urteil vom 28.10.2015 - VIII ZR 158/11 - RdNr 93; BGH Urteil vom 7.3.2013 - III ZR 231/12 - BGHZ 196, 285 = juris RdNr 29 ff; siehe auch BSG Urteil vom 24.3.2015 - B 8 SO 12/14 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 7 RdNr 15; BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - RdNr 49). Dies ist hier im Hinblick auf die grundsätzliche Entscheidung für den Weg der Schätzung von dem Beklagen nicht gerügt worden. Der erkennende Senat folgt dem SG auch insoweit.
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Die soeben dargelegten Voraussetzungen für die Anwendung der Methode einer Schätzung liegen vor. Dem Grunde nach steht die Erbringung von Leistungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II für die Aufwendungen für den Strom zum Betrieb der Heizungsanlage fest. Die Bestimmung ihrer Höhe unterliegt jedoch der tatsächlichen Schwierigkeit, dass es vorliegend an einer Vorrichtung - separater Zähler bzw Zwischenzähler - fehlt, mit dessen Hilfe diese bestimmt werden könnte. Ihre Ermittlung wäre nur mittels eines Sachverständigengutachtens und - wohl auch in diesem Rahmen - einer Schätzung der Betriebsdauer der Anlage möglich. Dieses Vorgehen stünde jedoch im Hinblick auf die Bedeutung des hier streitigen Berechnungselements für die Höhe der gesamten Leistungen für Unterkunft und Heizung in keinem Verhältnis.
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4. Im Berufungsverfahren wird das LSG allerdings zu beachten haben, dass Schätzungen eine realistische Grundlage haben sowie in sich schlüssig und wirtschaftlich nachvollziehbar sein müssen. Bei einer Schätzung entscheidet das Gericht zwar wie bei einer sonstigen Tatsachenfeststellung nach freier Überzeugung; es hat alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen (§ 287 Abs 1 S 1 iVm § 287 Abs 2 ZPO); seine Schätzung ist aber rechtsfehlerhaft, wenn es die Schätzungsgrundlagen nicht richtig festgestellt oder nicht alle wesentlichen, in Betracht kommenden Umstände hinreichend gewürdigt hat, oder wenn die Schätzung selbst auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht (BSG Urteil vom 14.7.1988 - 11/7 RAr 41/87 - SozR 4100 § 115 Nr 2 = juris RdNr 25). Um einen Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der auf die Heizung entfällt, zu finden, sind vom Tatrichter die Tatsachen festzustellen, die der Schätzung nachvollziehbare Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen verschaffen (vgl BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R - RdNr 16; BGH Urteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07 - NJW 2008, 1801, 1802 = juris RdNr 32). Es ist zwar nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, die Tatsacheninstanzen für die Schätzung auf bestimmte Berechnungsmethoden zu verpflichten oder ihnen die Berücksichtigung bestimmter Schätzungsgrundlagen aufzuerlegen (BSG Urteil vom 20.5.1987 - 10 RKg 12/85 - BSGE 62, 5 = SozR 1750 § 287 Nr 1 = juris LS 2 RdNr 18), jedoch ist die Geeignetheit der ausgewählten Berechnungsmethode vom Tatrichter nachvollziehbar zu begründen. Hiernach bestimmt sich dann, welche zu ermittelnden Umstände als wesentliche Anknüpfungstatsachen in die Schätzung einzustellen sind.
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Das SG hat vorliegend seine Berechnung auf die Annahme gestützt, der aus dem technischen Datenblatt entnommene Wert des Bereitschafts-Energieverbrauchs für 24 Stunden sei eine geeignete Anknüpfungstatsache für den Stromverbrauch der Heizungsanlage. Nach seiner Einschätzung vermag dieser Wert näherungsweise die anfallenden Stromkosten im Sinne eines Durchschnittswerts hinreichend abzubilden, um die durch den Verlauf der Heizperiode, Witterungseinflüsse, Gebrauchsgewohnheiten und Lastzustände der Anlage bedingten Unwägbarkeiten auszugleichen. Für diese Annahme fehlt es aber an einer nachvollziehbaren Begründung. Es drängt sich auch nach Lage der Akten nicht auf, warum der Bereitschafts-Energieverbrauch geeignet sein soll, die Betriebsstromkosten der Heizungsanlage abzubilden. Die im technischen Datenblatt als Referenz für die Ermittlung des Bereitschafts-Energieverbrauchs angegebene DIN 4753 Teil 8 wurde ua durch die DIN 4753-7 (11/2011) ersetzt (vgl http://www.beuth.de/en/draft-standard/din-4753-8/3263530), nach deren Ziffer 3 die Begriffe der DIN 12897 (11/2014) gelten. Der Bereitschafts-Energieverbrauch beschreibt demnach den Bereitschaftswärmeverlust, also die Abgabe der Wärmeenergie über die Außenfläche des Speichers an die Umgebung (ohne die Verteilungsverluste außerhalb des Speichers, vgl Fn 2 des technischen Datenblatts). Bei der herstellerseitigen Messung des Bereitschaftswärmeverlusts wird ein elektrisches Heizelement eingesetzt, um die Temperatur konstant zu halten, durch dessen Energieverbrauch im Beharrungszustand der Heizungsanlage der Bereitschaftswärmeverlust ermittelt wird (vgl DIN 12897, 11/2014, Anhang B: "Messung des Bereitschafts-Wärmeaufwands bei werkseitig gedämmten Speicher-Wassererwärmern"). Das SG scheint stattdessen versehentlich davon ausgegangen zu sein, dass es sich um den Energieverbrauch der Heizungspumpe sowie des Steuerungsgeräts handelt (vgl Ziffer 6 und 7 des Teilvergleichs vom 25.2.2013).
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Anknüpfungspunkte für die Schätzung könnten sich vielmehr aus den in der mietrechtlichen Rechtsprechung gebräuchlichen Berechnungsmethoden ergeben. Sie stellen entweder - worauf auch das SG zutreffend hinweist - auf einen geschätzten Anteil (üblicherweise 4 - 10 %) der Brennstoffkosten ab (vgl BGH Urteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07; Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss vom 10.1.1997 - 2Z BR 35/96; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 10.7.2012 - L 7 AS 988/11 ZVW; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.3.2011 - L 12 AS 2404/08) oder auf den geschätzten Stromverbrauch der Heizungsanlage während der ebenfalls geschätzten durchschnittlichen Betriebsstunden ihrer wesentlichen elektrischen Vorrichtungen (vgl OLG Hamm Beschluss vom 22.12.2005 - 15 W 375/04; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 22.11.2012 - L 5 AS 83/11; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 25.3.2011 - L 5 AS 427/10 B ER).
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5. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) höhere Kosten der Unterkunft ab 1.1.2005.
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Der 1948 geborene Kläger bewohnt in Oldenburg ein eigenes Haus, welches mit Erdgas beheizt wird. Er bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 20.1.2005 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.1. bis 30.4.2005 und mit Bescheid vom 12.4.2005 für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von 439,63 Euro monatlich, bestehend aus der Regelleistung (345 Euro) und den Kosten für Unterkunft und Heizung (94,63 Euro).
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Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger mit seiner Klage zum Sozialgericht (SG) geltend gemacht, die Nebenkosten für ein Eigenheim müssten in gleicher Höhe anerkannt werden, wie dies bei einer Mietwohnung der Fall sei. Dies bedeute, dass eine Rücklagenpauschale für Erhaltungsaufwand, die Stromkosten für die Heizungspumpe und die Stromkosten für Gartenpflege und Außenbeleuchtung sowie eine Gebäudehaftpflichtversicherung leistungserhöhend zu berücksichtigen seien. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.4.2006 abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem zurückweisenden Beschluss vom 27.4.2009 ausgeführt, höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.10.2005 stünden dem Kläger nicht zu, weil der Beklagte bereits alle belegten Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe anerkannt habe. Weitere Aufwendungen seien nicht nachgewiesen worden. Eine monatliche Erhaltungsaufwandspauschale sei im Übrigen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zulässig. Ebenso wenig könne der Kläger neben der anerkannten Wohngebäudeversicherung eine weitere Versicherungsprämie für eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung verlangen, da diese Versicherung beitragsfrei in der privaten Haftpflichtversicherung enthalten sei. Schließlich könne der Kläger auch keine zusätzlichen Stromkosten für die Heizungspumpe, die Gartenpflege und die Außenbeleuchtung verlangen. Diese Aufwendungen seien aus der Regelleistung zu bestreiten, im Übrigen würden diese Kosten bei dem Kläger auch anfallen, wenn er nicht Eigentümer, sondern Mieter des Hauses wäre.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner vom BSG zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, da nach dieser Vorschrift Leistungen für Unterkunft und Heizung bis zur Angemessenheitsgrenze zu erstatten seien, ohne Differenzierung danach, ob der Wohnbedarf durch Eigentum oder Miete gedeckt werde. Daher seien unter analoger Berücksichtigung der bei Mietern anfallenden und zu berücksichtigenden Nebenkosten auch die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf die Gebäudehaftpflichtversicherung sowie die Stromkosten für die Heizungspumpe, für Gartenpflege und für die Außenbeleuchtung anzuerkennen. Lediglich die Erhaltungsaufwandspauschale könne nach der Rechtsprechung des BSG nicht bedarfserhöhend berücksichtigt werden. Die übrigen geltend gemachten Kosten zählten jedoch zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke, da hierzu alle notwendigen Ausgaben zu zählen seien, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen seien.
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Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 11. April 2006 aufzuheben sowie die Bescheide des Beklagten vom 20. Januar 2005 und 12. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2005 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2005 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der Stromkosten für die Heizungspumpe, für die Gartenpflege und die Außenbeleuchtung sowie die Kosten einer Gebäudehaftpflichtversicherung zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Der Beklagte hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) . Es kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden, ob dem Kläger ein Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) zusteht.
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1. Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II ebenfalls idF des Gesetzes vom 3.8.2010), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes entstanden ist (vgl Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung tritt im laufenden gerichtlichen Verfahren als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (
; vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II) . Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen (vgl dazu insgesamt BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5).
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2. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) sind die Bescheide des Beklagten vom 20.1. und vom 12.4.2005, über die gemeinsam mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 27.9.2005 entschieden wurde. Zutreffend hat das LSG daher den Streitzeitraum auf die Zeit vom 1.1. bis 31.10.2005 bestimmt. Dem steht nicht entgegen, dass das SG (unzutreffend) über einen unbegrenzten Zeitraum und damit über Leistungen für mehr als ein Jahr entschieden hat, dies war lediglich für die Zulässigkeit der Berufung iS von § 144 Abs 1 Satz 2 SGG von Bedeutung. Nachdem der Kläger im Revisionsverfahren aufgrund der Rechtsprechung des BSG, wonach eine Erhaltungsaufwandspauschale für zukünftige Instandhaltungsarbeiten nicht bedarfserhöhend bei den Unterkunftskosten berücksichtigt werden kann (grundlegend BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17) eine derartige Pauschale nicht mehr geltend macht, ist nur noch umstritten, ob Stromkosten für Außenbeleuchtung und Gartenpflege (dazu unter 3a), für die Heizungspumpe (dazu unter 3b) und für eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung (dazu unter 3c) im Rahmen der Kosten der Unterkunft bedarfserhöhend verlangt werden können.
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3. Für die Frage, ob dem Kläger höhere Kosten der Unterkunft und Heizung zustehen, fehlt es bereits an grundlegenden Feststellungen des LSG. So ist schon nicht überprüfbar, ob der Kläger überhaupt hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II ist. Zwar kann grundsätzlich bei einem Rechtsstreit über die Höhe von SGB II-Leistungen der Streitgegenstand allein auf die Kosten für Unterkunft und Heizung begrenzt werden (stRspr, vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Allerdings ist Hilfebedürftigkeit als Grundlage aller SGB II-Leistungen explizit festzustellen. Dies drängt sich hier vor allem deshalb auf, weil der Kläger über Wohneigentum verfügt, dessen Berücksichtigung als Vermögen in Betracht kommt. Das LSG hätte deshalb Feststellungen über die Größe, Lage und Ausstattung des vom Kläger bewohnten Eigenheims treffen müssen, aus denen hervor geht, dass es unter die Schutzvorschrift des § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II fällt.
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Handelt es sich um ein Hausgrundstück von angemessener Größe, so sind bei Hilfebedürftigkeit im Übrigen vom Beklagten nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind (vgl im Einzelnen BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10). Der angemessenen Nettokaltmiete sind die angemessenen Nebenkosten sowie die angemessenen Heizkosten hinzuzufügen. Bis zur Summe dieser angemessenen Kosten sind die tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke zählen dabei alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (vgl Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 26). § 7 Abs 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch(Juris-Abkürzung: BSHG§76DV § 7) findet insoweit entsprechende Anwendung (vgl Urteile des Senats vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, und vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -), als er Anhaltspunkte dafür liefert, welche Kosten im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen sind(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf dieser Basis wurden als berücksichtigungsfähige Kosten 94,63 Euro in die Bedarfsberechnung einbezogen. Angesichts dieses Betrages konnte auf die genaue Ermittlung der im örtlichen Vergleichsraum abstrakt angemessenen Mietkosten und einen Vergleich mit den vom Kläger für die Nutzung seines Eigenheims geltend gemachten Kosten (vgl dazu Urteil vom 24.2.2011, aaO, RdNr 20) verzichtet werden.
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a) Weitere Nebenkosten in Form von Stromkosten für die Außenbeleuchtung und die Gartenpflege sind dagegen im Rahmen der Unterkunftskosten nicht berücksichtigungsfähig. Zwar sind neben der Nettokaltmiete grundsätzlich auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 Bürgerliches Gesetzbuch - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt der angemessenen Unterkunftskosten mit einzubeziehen(vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R -). Eine Einbeziehung der hier geltend gemachten Stromkosten in den Bedarf für die Kosten der Unterkunft scheitert aber schon daran, dass bereits unter Geltung des § 20 Abs 1 SGB II aF die Regelleistung für einen Hilfeempfänger auch die Kosten für die Haushaltsenergie umfasst(vgl grundlegend BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18). Ebenso wie die Kosten für die Warmwasserbereitung Bestandteil der Regelleistung sind bzw waren, müssen auch die Kosten für Strom, sofern er nicht zur Erzeugung von Heizenergie benutzt wird, aus der maßgeblichen Regelleistung gedeckt werden, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf Erhöhung der Leistungen zur Unterkunft um seine Aufwendungen für Haushaltsstrom hat (vgl BSG, aaO RdNr 27-28).
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Demgegenüber greift der Einwand des Klägers nicht durch, er sei als Hauseigentümer im Vergleich zu einem SGB II-Leistungsempfänger, der eine Mietwohnung bewohnt, benachteiligt. Zwar trifft es zu, dass bei Mietwohnungen über die Betriebskostenabrechnung uU auch Nebenkosten für die Außenbeleuchtung (§ 2 Nr 11 Betriebskostenverordnung
vom 25.11.2003) oder Kosten der Gartenpflege (§ 2 Nr 10 BetrKV) anfallen können. Dabei handelt es sich aber um Kosten, die die Mietergemeinschaft betreffen und nicht individualisierbar sind. Die Außenbeleuchtung an einem Einfamilienhaus ist - im Gegensatz zu der Beleuchtung von Zugängen von Fluren in einem (Miets-)Haus - dem einzelnen Haushalt unmittelbar zuzuordnen. Ein Unterschied zwischen Mietern und Eigentümern ergibt sich nicht, denn wenn ein Mieter den Balkon seiner Mietwohnung mit einer Beleuchtung versähe, würde auch diese als zum Haushalt gehörig gelten, die entsprechenden Stromkosten wären vom Regelsatz umfasst. Gleiches gilt auch für die geltend gemachten Stromkosten für Gartenpflege. Ungeachtet der Frage, ob solche Stromkosten überhaupt unter § 2 Nr 10 BetrKV fallen würden, der die Pflege gärtnerisch angelegter Flächen einschließlich der Erneuerung von Pflanzen und die Pflege von Plätzen, Zugängen und Zufahrten betrifft, sind derartige Stromkosten aber nach den genannten Maßstäben als zum Haushalt gehörige individualisierbare Kosten und damit zum Regelsatz gehörig einzustufen. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass weder die Stromkosten für die Außenbeleuchtung noch für die Gartenpflege konkret beziffert worden sind, sondern in einem geschätzten Gesamtbetrag aufgehen, der seinerseits nicht nachvollziehbar belegt und festgestellt ist.
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b) Anders verhält es sich dagegen bei den geltend gemachten Stromkosten für die Heizungspumpe. Die angemessenen Heizkosten sind neben der angemessenen Nettokaltmiete und den angemessenen Nebenkosten selbstständig zu ermitteln. Hier ist im Hinblick auf die Gleichbehandlung zwischen einem Eigentümer eines selbst genutzten Hausgrundstücks und einem hilfebedürftigen Mieter zu berücksichtigen, dass bei den Vorauszahlungen, die an den Vermieter für die Beheizung der Unterkunft zu leisten sind, Kosten des Betriebs einer zentralen Heizungsanlage enthalten sind. Dazu gehören gemäß § 2 Nr 4 Buchst a BetrKV auch die Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage. Die grundsätzliche Berücksichtigung dieser Kosten im Rahmen der Heizkosten für eine Eigentumswohnung oder ein selbst genutztes Einfamilienhaus ist auch deshalb geboten, weil der Betrieb der Heizungspumpe untrennbar mit dem Betrieb der Heizung als solcher verbunden ist, sodass die Übernahme entsprechender Kosten grundsätzlich in die Berechnung der angemessenen Heizkosten einzustellen ist (bezüglich der Berücksichtigung von Kosten der Öltank- sowie der Kessel- und Brennerreinigung vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -; vgl auch Beschluss vom 26.5.2010 - B 4 AS 7/10 B - RdNr 8).
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Allerdings sind immer nur tatsächliche und belegte Aufwendungen berücksichtigungsfähig, nicht dagegen allgemeine Pauschalen (vgl zur "Erhaltungsaufwandspauschale" BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17; zur Pauschale für Reparaturkosten, Pflege und Wartung eines Wohnmobils BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 79/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 39). Es finden sich vorliegend keinerlei Feststellungen des LSG darüber, in welcher Höhe die Stromkosten für den Betrieb der Heizungspumpe anzusetzen wären. Sollte für den Heizungsstrom kein separater Zähler bzw Zwischenzähler existieren, sodass die Stromkosten nicht konkret ausgewiesen werden können, käme auch eine Schätzung in Betracht (vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr 27: Schätzung des Heizkostenanteils ggf unter Berücksichtigung der Nebenkostenabrechnungen der Vorjahre nach § 202 SGG iVm § 287 Abs 2 Zivilprozessordnung; Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07 - WuM 2008, 285). Allerdings sind vom LSG weitere Ermittlungen anzustellen, um einen Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der auf die Heizung entfällt, zu finden (vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 zur Schätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung enthalten sein soll, sog "Kochgaspauschale"). Bei der Berechnung wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bisher der zur Regelleistung gehörende Energieanteil für die Bereitung von Warmwasser in Höhe von 6,22 Euro noch nicht von den Heizkosten abgezogen wurde (grundlegend: Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5; anders nach neuer Rechtslage vgl § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II in der seit 1.1.2011 gültigen Fassung).
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c) Ob zu den im Rahmen der Berechnung der Unterkunftskosten bei Haus- und Wohnungseigentum zu berücksichtigenden Kosten für eine Gebäudeversicherung (die hier in Höhe von 89,39 Euro belegt wurden) zusätzlich Kosten für eine Gebäudehaftpflichtversicherung zu übernehmen sind, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man von einer grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit einer Gebäudehaftpflichtversicherung (zur Möglichkeit des Abzugs einer solchen Versicherung vom Einkommen vgl BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/0AS 59/06 R - RdNr 20) auch unter dem Aspekt ausgeht, dass Kosten für eine Haftpflichtversicherung für das Gebäude nach § 2 Nr 13 BetrKV in einem Mietverhältnis neben den Kosten für die Gebäudeversicherung umlagefähig sind, so fehlt es vorliegend aber an einem konkreten Kostenanfall für den streitigen Leistungszeitraum. Insofern hat das LSG bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Gebäudehaftpflichtversicherung kostenfrei in der privaten Haftpflichtversicherung des Klägers enthalten ist. Kosten für eine private Haftpflichtversicherung wiederum können nicht im Rahmen der Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, sondern lediglich gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II von zu berücksichtigendem Einkommen abgesetzt werden.
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Schließlich wird das LSG noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18. April 2008 abgeändert und die Beklagte verurteilt den Klägern für die Zeit vom 01.01.2005 - 31.07.2005 höhere Leistungen für Unterkunft in Höhe von insgesamt 45,85 EUR zu gewähren.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Tenor
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Dem Bundesverfassungsgericht wird folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist § 22 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBI. Nr. 23, S. 868) mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, soweit nach dessen 2. Halbsatz die für die Höhe des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nach §§ 19 Abs. 1, 19 Abs. 3 S. 1 SGB II maßgeblichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung lediglich anerkannt werden, soweit die tatsächlichen Aufwendungen hierfür angemessen sind, ohne dass der Gesetzgeber nähere Bestimmungen darüber getroffen hat, unter welchen Umständen von unangemessenen Aufwendungen auszugehen ist?
Tatbestand
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Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014.
- 2
Der am … geborene Kläger bezieht seit November 2009 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II vom Beklagten. Zunächst lebte der Kläger gemeinsam mit seiner Mutter in einer 73 m² großen Mietwohnung in …. Mietvertragspartnerin war zunächst die Mutter. Seit deren Tod am … wohnt der Kläger allein in dieser Wohnung.
- 3
Mit Schreiben vom 05.03.2012 forderte der Beklagte den Kläger zur Senkung seiner Unterkunftskosten auf. Eine Prüfung des Leistungsanspruchs habe ergeben, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung des Klägers in Höhe von 313 Euro monatlicher Kaltmiete für 73 m² Wohnfläche unangemessen seien. Der Beklagte teilte dem Kläger darüber hinaus mit, dass für ihn und die in seinem Haushalt lebenden Personen eine Kaltmiete von 285 Euro pro Monat angemessen sei, welche sich aus einer maximal zu beanspruchenden Wohnfläche von 50 m² und einem Mietpreis von 5,70 Euro pro Quadratmeter für Wohnraum in … errechne. Die Bemühungen zur Senkung der Kaltmiete solle der Kläger bis spätestens 30.09.2012 belegen und durch Vorlage geeigneter Unterlagen (Zeitungsannoncen, Anzeigenrechnungen, Durchschriften von Schreiben an mögliche Vermieter, Eintragung in die Liste der Wohnungssuchenden usw.) nachweisen. Für den Fall, dass der Kläger nicht zu einer Reduzierung der derzeitigen Unterkunftskosten bereit sei bzw. sein Bemühen bis zum 30.09.2012 nicht glaubwürdig belegen könne, weise der Beklagte darauf hin, dass ab dem 01.10.2012 nur noch angemessene Kaltmietkosten in Höhe des vorstehend ermittelten Betrages bei der Feststellung des Leistungsanspruches berücksichtigt werden könnten.
- 4
Mit Bescheid vom 21.03.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.05.2012 bis zum 31.10.2012. Für den Monat Oktober 2012 bewilligte der Beklagte Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung einer als angemessen angesehenen Kaltmiete von 285 Euro und teilte dies dem Kläger unter Hinweis auf das Schreiben vom 05.03.2012 mit.
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Der Kläger schloss am 26.03.2012 mit Wirkung zum 01.04.2012 einen eigenen Mietvertrag mit der …. mbH & Co. Kg über die bereits bewohnte Wohnung. Die Grundmiete betrug zunächst 313,90 Euro, hinzu kamen 118 Euro Betriebskostenvorauszahlung und 33 Euro für eine Garage. Daneben hatte der Kläger monatliche Abschläge in Höhe von zunächst 75 Euro monatlich an den Energieversorger e… GmbH für Heizgaslieferungen zu entrichten.
- 6
Mit Bescheid vom 03.09.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis zum 31.03.2014 in monatlicher Höhe von 860 Euro. Hierbei berücksichtigte der Beklagte einen Regelbedarf in Höhe von 382 Euro monatlich, einen Bedarf für die Kosten der Kaltmiete in Höhe von monatlich 285 Euro und Bedarfe für Heizkosten in Höhe von 75 Euro sowie weitere Nebenkosten in Höhe von 118 Euro monatlich.
- 7
Mit Schreiben vom 23.09.2013 teilte die Vermieterin des Klägers diesem mit, dass die Kaltmiete ab dem 01.01.2014 auf 335,80 Euro erhöht werde. Die Nebenkostenvorauszahlung verbleibe bei 118 Euro, so dass sich eine neue Gesamtmiete von 453,80 Euro ergebe. Die Vermieterin begründete die Erhöhung damit, dass die Grundmiete seit geraumer Zeit nicht erhöht worden sei. In Folge der allgemeinen Preissteigerungen hätten sich die Kosten für die Verwaltung und Instandhaltung erhöht, so dass auch die Vermieterin die Miete gemäß den gesetzlichen Bestimmungen erhöhen müsse. Die Miete dürfe sich gemäß § 558 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren nicht um mehr als 15 % erhöhen. Gemäß diesen Bestimmungen werde die monatliche Grundmiete für die Wohnung des Klägers von derzeit 4,30 €/m² auf 4,60 €/m² um 0,30 €/m² erhöht. Bei einer Wohnfläche von 73 m² ergebe dies eine monatliche Erhöhung um 21,90 Euro von seither 313,90 Euro auf 335,80 Euro. Dies entspreche einer Erhöhung um 6,98 %.
- 8
Mit Schreiben vom 20.11.2013 setzte der Energielieferant des Klägers im Rahmen der Verbrauchsabrechnung für den Zeitraum vom 05.10.2012 bis zum 30.09.2013 die monatlichen Abschläge ab Dezember 2013 auf 100 Euro fest, wovon 49 Euro auf Strom und 51 Euro auf Gas entfielen. Gleichzeitig forderte er vom Kläger eine Nachzahlung in Höhe von 190,37 Euro.
- 9
Der Kläger setzte den Beklagten am 25.11.2013 von der Mieterhöhung in Kenntnis. Zeitgleich übersandte der Kläger die Verbrauchsabrechnung seines Energielieferanten und beantragte die Übernahme des Nachzahlungsbetrags durch den Beklagten.
- 10
Mit Änderungsbescheid vom 26.11.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 785 Euro und für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 845 Euro monatlich. Hierbei entfielen für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts 382 Euro und auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung 403 Euro, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 jeweils 391 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 454 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung der Änderung teilte der Beklagte mit, dass laut Verbrauchsabrechnung im Monat Dezember 2013 keine Gasrate fällig werde. Somit werde im Dezember 2013 keine Gasrate berücksichtigt. Ab Januar erfolge eine Erhöhung der Regelleistung auf 391 Euro.
- 11
Mit einem weiteren Bescheid vom 26.11.2013 lehnte der Beklagte die Übernahme der Nachzahlung ab. Zur Begründung teilte er mit, dass die bereits berücksichtigten Gaskosten den tatsächlichen Gaskosten gegenübergestellt worden seien. Hieraus ergebe sich kein Nachzahlungsbetrag.
- 12
Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 26.11.2013 hob der Beklagte den Bescheid vom gleichen Tag teilweise auf und bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 Arbeitslosengeld II in Höhe von 836 Euro, wobei 382 Euro auf den Regelbedarf und 454 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung entfielen. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass die neue monatliche Gasrate von 51 Euro berücksichtigt werde. Für den Monat Dezember 2013 würden die Leistungen auf Grund einer Aufrechnung bzw. Tilgung in Höhe von 60 Euro an die Zentralkasse der Bundesagentur für Arbeit geleistet, in Höhe von 464,90 Euro an die Vermieterin des Klägers und in Höhe von 311,10 Euro an den Kläger selbst.
- 13
Gegen "den Änderungsbescheid vom 26.11.2013" erhob der Kläger mit Schreiben vom 29.11.2013, eingegangen beim Beklagten am 02.12.2013, Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er sich schon seit zwei Jahren um eine günstige Zweizimmerwohnung bemühe, dies auf dem privaten Wohnungsmarkt aber unter 350 bis 390 Euro überhaupt nicht möglich sei. Auch bei der ... habe er sich vormerken lassen, dort seien schon 500 bis 550 Suchende vorgemerkt. Weiterhin mache er darauf aufmerksam, dass er einen gesetzlichen Anspruch auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 382 Euro bzw. 391 Euro monatlich habe, den er in den letzten Jahren nie gehabt habe, weil er immer wieder Darlehensbeträge an die Zentralkasse habe zurückzahlen müssen.
- 14
Mit Bescheid vom 17.12.2013 bewilligte ... dem Kläger eine bis zum 30.11.2015 befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe eines Zahlbetrags von monatlich 573,24 Euro ab dem 01.02.2014 nach Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen am 23.07.2013. Der Beklagte erhielt hierüber im Zuge der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs am 23.12.2013 eine Mitteilung durch die ....
- 15
Mit Änderungsbescheid vom 06.01.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 836,50 Euro und für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 845,50 Euro monatlich. Hierbei entfielen für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 382 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 454,50 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 jeweils 391 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 454,50 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass sich der geringfügig geänderte Betrag aus einem neuen schlüssigen Konzept ergebe. Dieser Bescheid wurde laut Aktenvermerk "an RA gesendet".
- 16
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2014 (Az. W-52704-00887/13) wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 26.11.2013 zurück. Der Kläger sei bereits mit Schreiben vom 05.03.2012 darauf aufmerksam gemacht worden, dass seine Unterkunftskosten aus beihilferechtlicher Sicht unangemessen seien und nicht dauerhaft übernommen werden könnten. Er sei dazu aufgefordert worden, sich um Anmietung kostengünstigeren Wohnraums zu bemühen oder seine Unterkunftskosten auf andere Art zu reduzieren. Nachweise für Bemühungen um Kostensenkung seien nicht vorgelegt worden. Ab dem 01.10.2012 sei die Kaltmiete des Klägers bei der Ermittlung des Bedarfs mit 285 Euro berücksichtigt worden.
- 17
Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen seien. Soweit die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang überstiegen, seien sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, durch Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Wohnung des Klägers sei nicht kostenangemessen. Zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten sei ein schlüssiges Konzept erarbeitet worden. Die Verbandsgemeinden und Städte im Zuständigkeitsbereich des Beklagten seien nach den Kriterien Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, zu versteuerndem Einkommen pro Steuerpflichtigem, Siedlungsstruktur, Neubautätigkeit, Bodenpreis und Zentralität in drei Cluster eingeteilt worden. … gehöre auf Grund der durchschnittlichen Bevölkerungsentwicklung und Zentralität, überdurchschnittlichen Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur und Bodenpreise, unterdurchschnittlichem Pro-Kopf-Einkommen und unterdurchschnittlicher Neubautätigkeit ebenso wie die Stadt … dem Wohnungsmarkttyp I an. Die Bestandsmieten für Wohnungen in allen Verbandsgemeinden und Städten aller drei Wohnungsmarkttypen seien durch Anfragen bei großen Vermietern und 2.000 stichprobenartigen Anschreiben an kleine Vermieter erhoben worden. Von den Anfragen an kleine Vermieter seien 750 auf den Wohnungsmarkttyp II entfallen. Von den rund 54.500 Mietwohnungen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten seien für 779 plausible und relevante Werte ermittelt worden, von denen nach Kappung der Extremwerte 728 in die weitere Auswertung einbezogen worden seien. Für alle Wohnungsgrößengruppen in allen Wohnmarkttypen seien mindestens 20 gültige Mietwerte erhoben worden. Für den Wohnungsmarkt u.a. der Stadt … habe sich nach alldem in der 40-%-Perzentile eine durchschnittliche Nettokaltmiete für Wohnungen der hier interessierenden Größe von bis zu 50 m² von 5,70 Euro/m² bzw. bei einer Wohnungsgröße von 50 m² eine Nettokaltmiete von 285,50 Euro ergeben. Der Anteil der Bedarfsgemeinschaften betrage im gesamten Zuständigkeitsbereich des Beklagten ca. 4,5 % an allen Haushalten, der Anteil der einkommensschwachen Haushalte betrage ca. 8 %. Durch Berücksichtigung der 40 %-Perzentile werde vor diesem Hintergrund eine Ghettobildung vermieden und die Versorgung der Bedarfsgemeinschaften und Niedriglohnempfänger mit kostenangemessenem Wohnraum sichergestellt.
- 18
Die Vorlage einer Reihe von Wohnungsangeboten aus dem Internetangebot von www.immobilien-scout24.de sei nicht geeignet, die Angemessenheit einer Unterkunft zu begründen. Die Vorlage diverser Wohnungsanzeigen belege ebenfalls nicht ausreichende Eigenbemühungen zur Senkung der Unterkunftskosten. Es bestehe auch nicht ausnahmsweise ein Anspruch auf Zusicherung der Übernahme höherer als angemessener Kosten. Insbesondere seien keine Tatsachen erkennbar, die den sicheren Rückschluss darauf zuließen, dass der Kläger die Wohnung in absehbarer Zeit aus eigenen Mitteln werde finanzieren können. Auch aus sonstigen Gründen sei ein Ausscheiden aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II nicht absehbar. Die weiteren Unterkunftskosten, nämlich Heiz- und Betriebskosten, seien in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden.
- 19
Der Widerspruchsbescheid wurde laut Aktenvermerk am 10.01.2014 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen.
- 20
Gegen den Änderungsbescheid vom 06.01.2014 erhob der Kläger mit Schreiben vom 13.01.2014 Widerspruch (Eingang beim Beklagten am 14.01.2014).
- 21
Mit Änderungsbescheid vom 15.01.2014 hob der Beklagte den Bescheid vom 06.01.2014 teilweise auf und bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 nur noch einen Betrag von 302,26 Euro (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) monatlich. Zur Begründung teilte er mit, dass die von der ... gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 543,24 Euro monatlich als Einkommen berücksichtigt werde. Die Entscheidung beruhe auf § 48 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II. Die Entscheidung vom 06.01.2014 sei mit Wirkung für die Zukunft im Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 teilweise aufzuheben, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei.
- 22
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2014 (Az. W-52704-00027/14) verwarf der Beklagte den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 06.01.2014 als unzulässig. Der Bescheid vom 06.01.2014 sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens W-52704-00887/13 geworden und könne nicht in einem weiteren neuen Widerspruchsverfahren isoliert angefochten werden.
- 23
Am 17.01.2014 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 600 Euro mit monatlicher Tilgung von 30 Euro ab März 2014. Der Kläger begründete den Antrag damit, dass er seine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erst Ende Februar 2014 erhalte und deshalb nicht in der Lage sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
- 24
Mit Bescheid vom 24.01.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger das beantragte Darlehen über 600 Euro gegen monatliche Tilgungsraten von 30 Euro ab dem 01.02.2014, die gegen die laufenden Leistungen aufgerechnet werden sollten.
- 25
Mit Schreiben vom 26.01.2014 (Eingang beim Beklagten am 27.01.2014) erhob der Kläger Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 15.01.2014. Zur Begründung teilte er mit, dass für Versicherungen nur ein Pauschalbetrag von 30 Euro berücksichtigt worden sei. Tatsächlich habe er Beträge für Versicherungen in Höhe von 35,19 Euro monatlich zu zahlen (Hausratversicherung: 5,01 Euro, Haftpflichtversicherung: 8,01 Euro, Glasversicherung: 3,20 Euro, Kfz-Haftpflichtversicherung: 18,97 Euro). Der Kläger legte Nachweise hierfür vor.
- 26
Mit Änderungsbescheid vom 30.01.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 321,23 Euro monatlich (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) und hob den Änderungsbescheid vom 15.01.2014 insoweit auf. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass auf Grund der Berücksichtigung der Kfz-Haftpflichtversicherung als Absetzungsbetrag für den genannten Zeitraum 18,97 Euro monatlich mehr als bisher bewilligt würden.
- 27
Der Kläger hat am 10.02.2014 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass es sich bei seiner Wohnung um eine angemessene Wohnung handele. Unabhängig davon bemühe er sich schon seit zwei Jahren um eine noch günstigere Wohnung. Die Mietpreise beliefen sich auf dem privaten Wohnungsmarkt jedoch zwischen 350 Euro und 390 Euro. Ferner habe er sich bei der … & Co. KG für eine Zweizimmerwohnung vormerken lassen. Zu beachten sei jedoch, dass bereits etwa 500 bis 550 Suchende vorgemerkt seien. Im Übrigen sei ihm ein Umzug auch subjektiv nicht zumutbar, jedenfalls nicht in eine beliebige Wohnung. Er leide an Asthma und Atemnot. Ferner habe er gesundheitliche Probleme am rechten Bein. Dort klemme sich ein Nerv in die Leiste ein, insbesondere bei Belastung des Beins. Daneben bestünden Schwerhörigkeit und Gleichgewichtsstörungen. Er beziehe daher seit Februar 2014 ein Erwerbsunfähigkeitsrente, die vorerst befristet sei. Auf Grund seines gesundheitlichen Zustands könne er einen Umzug derzeit auch nicht selbst durchführen. Er sei nicht belastbar. Die Umzugskosten müssten ebenfalls vom Beklagten getragen werden. Auch die Möbel seien nicht umzugsfähig, so dass er sich auch diesbezüglich an den Beklagten wenden müsste. Ein Umzug wäre daher insgesamt unwirtschaftlich.
- 28
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2014 (W-52704-00074/14) verwarf der Beklagte den Widerspruch vom 26.01.2014 gegen den Bescheid vom 15.01.2014 als unzulässig. Der Bescheid vom 15.01.2014 sei Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden und könne nicht in einem weiteren neuen Widerspruchsverfahren isoliert angefochten werden.
- 29
Mit Bescheid vom 25.02.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.04.2014 bis zum 30.09.2014.
- 30
Mit Änderungsbescheid vom 26.03.2014 hob der Beklagte die Bescheide vom 26.11.2013, 06.01.2014, 15.01.2014 und 30.01.2014 teilweise auf und bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 840,72 Euro, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 in Höhe von 849,72 Euro und für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 325,45 Euro monatlich. Hierbei entfielen für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 382 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 458,72 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 391 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 458,72 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung sowie für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 325,45 Euro ausschließlich auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass Beheizung und Wassererwärmung über eine Kombigastherme erfolgten und deshalb zusätzliche Heizkosten anerkannt würden. Der Beklagte schlüsselte die auf die Unterkunfts- und Heizungskosten entfallenden Bedarfspositionen wie folgt auf: Grundmiete 285,50 Euro, Heizung 51,00 Euro, Nebenkosten 118,00 Euro, zusätzliche Stromkosten Heizung 4,22 Euro.
- 31
Im Laufe des Klageverfahrens hat der Kläger seinen Vortrag dahingehend erweitert, dass die Berücksichtigung eines Betrags von 4,22 Euro an Stromkosten im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung für den Betrieb der Gastherme und der Zeitschaltuhr nicht ausreichend sei. Die Gastherme sei für die Warmwasseraufbereitung ganzjährig in Betriebsbereitschaft, im Heizungsbetrieb laufe sie für sechs bis sieben Monate im Jahr. Die Zeitschaltuhr laufe das ganze Jahr über. Mit Strom versorgt würden die elektronische Steuerung der Therme, die Heizungsumwälzungspumpe, die elektronische Zündung und die Zeitschaltuhr.
- 32
Dem Kläger entstünden auch erhebliche Mehrkosten für die Lebensführung und Ernährung auf Grund seines im März 2014 erstdiagnostizierten Diabetes mellitus Typ II.
- 33
Der Kläger beantragt,
- 34
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 26.11.2013 und 06.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15.01.2014, 30.01.2014 und 26.03.2014 zu verurteilen, dem Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ab dem 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu bewilligen und zu zahlen.
- 35
Der Beklagte beantragt,
- 36
die Klage abzuweisen.
- 37
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Darüber hinaus weist der Beklagte auf die Kostensenkungsaufforderung vom 05.03.2012 hin und äußert die Auffassung, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers keinen erhöhten Wohnflächenbedarf begründeten. Auch sei eine Kostensenkung durch Umzug nicht unwirtschaftlich. Im Übrigen sei § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II nicht drittschützend.
- 38
Der Beklagte hat dem Gericht ein "Schlüssiges Konzept zur Ermittlung der KdU-Kosten im …" vorgelegt. Dieses Konzept wurde von der Firma ...), im Juni 2013 erstellt. Zur Erstellung des Konzeptes hat … in einem ersten Schritt Wohnungsmarkttypen zur regionalen Differenzierung des Kreisgebiets gebildet, in einem zweiten Schritt eine (nach eigenen Angaben) repräsentative Erhebung von Bestandsmieten durchgeführt, in einem dritten Schritt aktuelle Bestandsmieten erhoben und abschließend regionalisierte Mietpreisobergrenzen unter Einbeziehung von Bestands- und Angebotsmieten "ermittelt". Das Konzept sieht eine Aufteilung des Kreisgebietes in drei Wohnungsmarkttypen vor, für die jeweils eigene Mietobergrenzen gelten sollen. Der Wohnungsmarkttyp I umfasst die Städte … und …, der Wohnungsmarkttyp II die Verbandsgemeinden … und W… und der Wohnungsmarkttyp III die Verbandsgemeinden …. Diese Wohnungsmarkttypen wurden mittels einer Clusteranalyse auf Basis verschiedener Indikatoren (Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur, Pro-Kopf-Einkommen, Neubautätigkeit, Bodenpreis, Zentralität) gebildet. ... erhob sodann Daten von Bestands- und Angebotsmieten und wertete diese bezogen auf Wohnungsmarkttypen und Wohnflächenklassen aus. Das Konzept sieht im Ergebnis eine Angemessenheitsgrenze für die Nettokaltmiete in Höhe von 285,50 Euro für Einpersonenhaushalte im Wohnort des Klägers … vor.
- 39
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte einschließlich des von … erstellten Konzeptes und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (zwei Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
- 40
Der Rechtsstreit ist gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) auszusetzen und es ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber einzuholen, ob die §§ 19 Abs. 1, 19 Abs. 3 S. 1, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBl. I Nr. 23, S. 868) insoweit mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sind, als die für die Höhe der Grundsicherungsleistungen maßgeblichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung lediglich in Höhe eines als "angemessen" bezeichneten Teils der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden.
- 41
Der Befund der Verfassungswidrigkeit basiert auf der Überzeugung der Kammer, dass es dem Gesetzgeber verwehrt ist, die Höhe des Anspruchs auf Leistungen zur Existenzsicherung im Bereich der Unterkunftsbedarfe ausschließlich unter Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ zu begrenzen (vgl. auch die bereits anhängigen Urteilsverfassungsbeschwerden 1 BvR 617/14 und 1 BvR 944/14).
- 42
Nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG (konkrete Normenkontrolle) hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG ist zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.11.2014 - 2 BvL 2/11 - Rn. 5 - alle Gerichtsentscheidungen zitiert nach juris, wenn nicht anders angegeben). Die Voraussetzungen für ein konkretes Normenkontrollverfahren sind vorliegend erfüllt.
I.
- 43
Die Zuständigkeit des BVerfG ist gegeben, da das vorlegende Gericht ein Bundesgesetz für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar hält (Art. 100 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG).
II.
- 44
Die vorlegende Kammer ist als Spruchkörper des Sozialgerichts Mainz ein vorlageberechtigtes Gericht im Sinne des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG.
III.
- 45
Bei der als verfassungswidrig gerügten Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II handelt es sich um ein formelles, nachkonstitutionelles Bundesgesetz. Somit liegt ein vorlagefähiger Gegenstand vor.
IV.
- 46
Die Kammer ist von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt.
- 47
Der für die Höhe der zu berücksichtigenden Unterkunftsbedarfe - abgesehen von der Beschränkung auf die tatsächlichen Aufwendungen - nach dem Gesetz allein maßgebliche Begriff der "Angemessenheit" verfügt nicht über eine hinreichende Aussagekraft, um den aus dem Demokratieprinzip resultierenden Bestimmtheitserfordernissen einer gesetzgeberischen Gestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) zu genügen. Aus diesem Grund ist auch eine verfassungsrechtliche Überprüfung des Gesetzes im Wege der Evidenzkontrolle hinsichtlich der Wahrung des Existenzminimums (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 141 und Rn. 151 ff.) von vornherein ausgeschlossen. Für eine Prüfung der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 142 ff. und Rn. 159 ff.) fehlt es gleichfalls an einem hinreichend bestimmten gesetzlichen Anspruch als Bezugspunkt. Die diesbezüglich durch das BVerfG entwickelten Minimalanforderungen sind schon deshalb nicht gewahrt, weil der Gesetzgeber bezogen auf Unterkunftsbedarfe das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, nicht in einer Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben und weder ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt noch die hierfür erforderlichen Tatsachen ermittelt hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 143).
- 48
Die Kammer hat sich mit der Frage der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II einschließlich der Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung und der zu dieser Thematik veröffentlichten Rechtsprechung und Literatur ausführlich auseinandergesetzt.
- 49
Der Begriff der Angemessenheit im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II wurde durch Rechtsprechung und Literatur in zahlreichen Entscheidungen und Beiträgen konkretisiert, wobei nach Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung bzw. einer möglichen verfassungskonformen Auslegung thematisiert wurde.
- 50
1. Die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) haben ihre Rechtsprechung zur Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zunächst weitgehend ohne ausdrückliche Anbindung an verfassungsrechtliche Fragestellungen (vgl. aber BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R - Rn. 15) entwickelt und sich hierbei an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG) orientiert (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 17). Das BSG hat den Begriff der "Angemessenheit" des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bis zum Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert (u.a. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 17 ff.; BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 24 ff.; BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 34/06 R; BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 44/06 R; BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R) und hierbei die Anforderungen an die zur Entscheidung berufenen Leistungsträger und Tatsachengerichte allmählich verfeinert (vgl. Berlit, info also 2010, S. 195; umfassende Darstellungen auch bei Boerner in: Löns/Herold-Tews, SGB II, § 22 Rn. 6 ff., 3. Auflage 2011; Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 44 ff., 5. Auflage 2013; Lauterbach in: Gagel SGB II / SGB III, § 22 SGB II Rn. 33 ff., 55. Ergänzungslieferung 2014; Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 65 ff., 3. Auflage 2012, Stand: 01.12.2014; Wiemer, NZS 2012, S. 9 ff.).
- 51
1.1 Das BSG geht demnach davon aus, dass § 22 SGB II mit seinen tatbestandlichen Voraussetzungen an die sozialhilferechtlichen Regelungen anknüpfe (BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - Rn. 15).
- 52
Es ist darüber hinaus der Auffassung, der Begriff der "Angemessenheit" unterliege als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 21 ff.). Ein Beurteilungsspielraum sei dem Leistungsträger nicht zuzubilligen. Folgerichtig hat das BSG in den beiden Urteilen, die zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs. 1 S. 1 2. Hs. SGB II bisher ergangen sind und (anders als alle anderen etwa 40 Entscheidungen) nicht zu einer Zurückverweisung an die Tatsacheninstanz führten, nicht die ursprüngliche Konzeption des Leistungsträgers auf deren Schlüssigkeit, sondern die Verifikation der Angemessenheitsgrenzen anhand eigener Ermittlungen und Wertungen durch die Tatsacheninstanzen geprüft (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 24 ff.; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 26 und Rn. 28).
- 53
Der Begriff der Angemessenheit soll nach dem BSG in einem mehrstufigen Verfahren weiter konkretisiert werden, wonach in einem ersten Schritt eine abstrakt angemessene Wohnungsgröße und ein angemessener Wohnungsstandard festzustellen, in einem zweiten Schritt ein räumlicher Vergleichsmaßstab zu bilden, in einem weiteren Schritt mit Hilfe eines "schlüssigen Konzepts" des Leistungsträgers die Höhe der Kosten für eine angemessene Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt zu ermitteln und abschließend zu prüfen sei, ob eine abstrakt angemessene Wohnung durch den Hilfesuchenden konkret hätte angemietet werden können (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 22; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - Rn. 14). Im Streitfall sei das der Bestimmung der Kosten zu Grunde liegende Konzept von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und gegebenenfalls ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 16).
- 54
Die angemessene Wohnfläche bestimmt das BSG bezogen auf die Anzahl der Personen in der Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 - Rn. 21) anhand der Verwaltungsvorschriften zur Förderungsfähigkeit im sozialen Wohnungsbau, die die Länder nach § 10 WoFG als Förderhöchstgrenze festsetzen dürfen. Dies führt teilweise zu Abweichungen bezüglich der als angemessen angesehenen Wohnfläche zwischen den Bundesländern (vgl. zu Einpersonenhaushalten: BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 21 - Baden-Württemberg; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R - Rn. 20 - Bremen; BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R - Rn. 17 - Nordrhein-Westfalen; Übersicht bei Boerner in: Löns/Herold-Tews, SGB II, § 22 Rn. 25, 3. Auflage 2011).
- 55
Zur Abgrenzung des räumlichen Vergleichsmaßstabs ist nach der Rechtsprechung des BSG ein "Vergleichsraum" zu bilden, der Bezugspunkt für die Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt und für den als angemessen anzunehmenden Quadratmetermietpreis sein soll. Mit dem Vergleichsraum soll beschrieben werden, welche ausreichend großen Räume der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 21). Bei kreisfreien Städten hat das BSG bislang in jedem entscheidungserheblichen Fall angenommen, dass der Vergleichsraum mit dem Stadtgebiet identisch sei (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 18 - Berlin - einerseits und BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R - Rn. 25 - Zweibrücken - andererseits).
- 56
Der angemessene Wohnungsstandard wird durch das BSG dahingehend weiter konkretisiert, dass lediglich ein einfacher und im unteren Marktsegment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung vorliegen solle (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 24), bzw. dass die Aufwendungen für die Wohnung nur dann angemessen seien, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genüge und keinen gehobenen Wohnstandard aufweise und es sich um eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt handle (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 14). Dieser Wohnstandard solle sich im Quadratmetermietpreis niederschlagen, welcher gemeinsam mit der angemessenen Wohnungsgröße einen der beiden Faktoren für die abstrakte Angemessenheitsgrenze bilde (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 17). Die "Ermittlung" des angemessenen Quadratmetermietpreises ist der eigentliche Gegenstand der Rechtsprechung zum "schlüssigen Konzept" (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 17 ff.). Hierdurch soll unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln innerhalb eines Vergleichsraums gewährleistet werden (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 18).
- 57
Für die konkrete Bestimmung der Angemessenheitsgrenze seien auf Grundlage eines "schlüssigen Konzepts" Daten über den örtlichen Wohnungsmarkt zu erheben. Ein qualifizierter Mietspiegel könne hierfür die Grundlage sein. Hierbei stellt das BSG zahlreiche qualitative Anforderungen auf und verlangt "Angaben über die gezogenen Schlüsse". Unter dem "schlüssigen Konzept" versteht das BSG ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 19). Schlüssig sei das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfülle (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 19):
- 58
Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
- 59
es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete
, Differenzierung nach Wohnungsgröße,
Angaben über den Beobachtungszeitraum,
Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
Validität der Datenerhebung,
Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)."
- 60
Die Verwaltung sei mangels normativer Vorgaben durch den Gesetz- und Verordnungsgeber nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 20). Ein schlüssiges Konzept, welches vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen habe, müsse grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 21).
- 61
Das Produkt aus angemessenem Quadratmetermietpreis und angemessener Wohnungsgröße ergebe die für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten maßgebliche Mietobergrenze (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 20).
- 62
Für den Fall, dass ein schlüssiges Konzept für den festgelegten Vergleichsraum nicht erarbeitet werden könne, seien grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese würden dann für den streitigen Zeitraum durch die Tabellenwerte aus § 8 Abs. 1 Wohngeldgesetz (WoGG) in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (rechte Spalte) bzw. § 12 Abs. 1 WoGG in den ab dem 01.01.2009 geltenden Fassungen zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 24; BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - Rn. 19).
- 63
1.2 Das Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) wurde in den seither ergangenen Entscheidungen des BSG zur Frage der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung zunächst nicht rezipiert (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 74/08 R; BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 15/09 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R; BSG, Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 32/09 R; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 85/09 R; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 86/09 R; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R; BSG, Urteil vom 23.08.2011 - B 14 AS 91/10 R; BSG, Urteil vom 06.10.2011 - B 14 AS 131/10 R; BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R; BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R; BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R; BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R; BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 61/12 R; BSG, Urteil vom 16.04.2013 - B 14 AS 28/12 R; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 4/13 R; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R; BSG, Urteil vom 06.08.2014 - B 4 AS 37/13 R). Erwähnung (ohne inhaltliche Auseinandersetzung) fand es lediglich im Urteil des 14. Senats vom 13.04.2011 (B 14 AS 106/10 R - Rn. 40). Dies hat sich erst in jüngerer Zeit geändert, zuerst in Bezug auf Heizkosten (BSG, Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R - Rn. 21), dann im Zusammenhang mit Satzungen, die auf Grund landesrechtlicher Ermächtigungen nach den §§ 22a bis 22c SGB II erlassen wurden (BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 30, 33 und 34 ff.; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 53/13 R - Rn. 38).
- 64
Die Frage, ob § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II bzw. die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar ist, hat das BSG bislang in Urteilen nicht thematisiert. Allerdings haben beide derzeit zuständigen Senate des BSG in mehreren Fällen Nichtzulassungsbeschwerden als unzulässig verworfen, die auf eine Klärung dieser Rechtsfragen abzielten (BSG, Beschluss vom 10.01.2014 - B 4 AS 379/13 B - BeckRS 2014, 65972; BSG, Beschluss vom 10.01.2014 - B 4 AS 382/13 B - BeckRS 2014, 65975; BSG, Beschluss vom 10.01.2014 - B 4 AS 383/13 B - BeckRS 2014, 65976; BSG, Beschluss vom 27.01.2014 - B 14 AS 317/13 B - BeckRS 2014, 66500; BSG, Beschluss vom 27.01.2014 - B 14 AS 318/13 B - BeckRS 2014, 66877; BSG, Beschluss vom 17.02.2014 - B 14 AS 355/13 B - BeckRS 2014, 66962; BSG, Beschluss vom 07.04.2014 - B 14 AS 311/13 B).
- 65
Den Entscheidungen des BSG und den Verlautbarungen von den Grundsicherungssenaten des BSG angehörigen Richterinnen in Literaturbeiträgen (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R - Rn. 21; BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 33; Knickrehm, NZM 2013. S. 602 ff.; dies., SozSich 2010, S. 193; dies., jM 2014, S. 339; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, S. 144 ff.) lässt sich jedoch entnehmen, dass sich das BSG der Grundrechtsrelevanz des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bewusst ist und die eigene Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs für verfassungskonform im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG hält. Dies wird letztendlich damit begründet, dass mit den vom BSG an die Verwaltung und die Instanzrechtsprechung gerichteten Vorgaben zur Entwicklung schlüssiger Konzepte zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten den Rationalitäts- und Transparenzanforderungen des BVerfG Rechnung getragen werden könne (vgl. Knickrehm, jM 2014, S. 340). Mit Fragen der demokratischen Legitimation hat sich das BSG bislang ausschließlich im Zusammenhang mit den Satzungsermächtigungsregelungen der §§ 22a bis 22c SGB II befasst (BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 34 ff.; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 53/13 R - Rn. 38).
- 66
Das Problem der mangelnden Bestimmtheit des Angemessenheitsbegriffs thematisiert das BSG im Zusammenhang mit der Frage, ob der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum einzuräumen ist (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 24), jedoch nicht im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.
- 67
2. Der für das Sozialhilferecht (SGB XII) zuständige 8. Senat des BSG hat sich der Rechtsprechung der für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zuständigen Senate in Bezug auf die Parallelvorschrift des § 29 Abs. 1 S. 3 SGB XII a.F. (inzwischen ersetzt durch § 35 Abs. 2 S. 2 SGB XII n.F.) angeschlossen (BSG, Urteil vom 23.03.2010 - B 8 SO 24/08 R - Rn. 14 ff.).
- 68
3. Einige Sozialgerichte haben die Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" als nicht vereinbar mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs.1 GG, wie es im Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) näher bestimmt worden ist, angesehen, jedoch eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II für möglich gehalten.
- 69
3.1 Die 17. Kammer des SG Mainz vertrat mit Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) und in weiteren Entscheidungen (Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 751/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13; Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12; zur Parallelregelung in § 35 Abs. 2 S. 2 SGB XII: Urteil vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11) die Auffassung, dass die Rechtsprechung des BSG zur Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstoße, die Regelung als solche jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich sei.
- 70
Der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete "unbestimmte Rechtsbegriff" der "Angemessenheit", welcher der alleinige normtextliche Anknüpfungspunkt für die Beschränkung der Übernahme der Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sei, genüge den im Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) durch das BVerfG gestellten Anforderungen nicht. Indem das BSG in Fortführung der Rechtsprechung des BVerwG zum Sozialhilferecht den Angemessenheitsbegriff ausgehend von einem einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnstandard im Sinne einer allgemein anzuwendenden Mietobergrenze konkretisiere, bestimme es den Umfang der zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen im Wesentlichen selbst bzw. gebe der Verwaltung die Rahmenbedingungen hierfür vor. Dies betreffe den vom Existenzminimum umfassten Unterkunftsbedarf unmittelbar und - wenn nicht die vollen Unterkunftskosten übernommen würden - mittelbar auch die durch die Regelbedarfspauschale gedeckten Kosten. Das BSG verwende den Angemessenheitsbegriff somit als normtextlichen Ausgangspunkt und Rechtfertigungsgrund für die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums. Auf Grund seiner Entstehungsgeschichte und seiner Unbestimmtheit sei der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hierzu angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht geeignet (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 68).
- 71
Der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II selbst sei jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Dass der Gesetzgeber die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung ausdrücklich unter einen Angemessenheitsvorbehalt stelle, dürfe hierbei nicht zum Zwecke der Erhaltung eines verfassungsgemäßen Zustands übergangen, sondern müsse einer Konkretisierung zugeführt werden, welche dem Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums mit seinen prozeduralen Implikationen nicht widerspreche (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 86). Eine verfassungskonforme Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs setze daher voraus, dass sie mit Wortlaut und Systematik des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II vereinbar sei. Dazu müsse berücksichtigt werden, dass der Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber zur Bestimmung des Umfangs des Anspruchs auf das unterkunftsbezogene Existenzminimum nicht unterlaufen werde. Demzufolge müsse der Angemessenheitsbegriff so konkretisiert werden, dass er eine andere Funktion einnehme als die der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums. Im semantischen und systematischen Kontext habe der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II dennoch eine Begrenzungsfunktion, die jenseits (im Sinne von oberhalb) des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums für die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums liegen müsse. Da dem Gesetzgeber in dem Bereich, der über die physische Existenzsicherung hinausgehe, ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe, könne die Angemessenheitsgrenze funktionell nur im Sinne der Missbrauchsverhütung verstanden werden. Eine sinnvolle und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Funktion des Angemessenheitsbegriffs könne demzufolge sein, die staatliche Leistungspflicht nur in Einzelfällen zu begrenzen, in denen Leistungsberechtigte hinsichtlich ihrer Unterkunft erkennbar über den ortsüblichen Verhältnissen lebten (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 87).
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Die Kammer konkretisiere den Angemessenheitsbegriff daher in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum lägen (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 84).
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3.2 Die 20. Kammer des SG Leipzig kommt im Urteil vom 15.02.2013 (S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.; bestätigt im Urteil vom 16.12.2013 - S 20 AS 879/11 - Rn. 72) zu einem ähnlichen Ergebnis. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es sei weder Aufgabe der Verwaltung noch der Rechtsprechung, die Höhe bzw. den Umfang des sich aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ergebenden Leistungsanspruchs zu bestimmen. Dies sei allein Sache des Gesetzgebers und zwar, da es sich beim SGB II um Bundesrecht handele, primär des Bundesgesetzgebers. Denn auch die Leistungen für Unterkunft und Heizung gehörten mit zum existenznotwendigen Bedarf. Die derzeit geltende Regelung sei jedoch als gesetzliche Grundlage für einen individuellen Sozialleistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge gerade nicht hinreichend bestimmt. Denn ließen sich angemessene Kosten ebenso einfach und klar bestimmen wie tatsächliche Kosten, gäbe es nicht schon seit Jahren die andauernde Flut von Rechtsstreitigkeiten um die von den Leistungsträgern anzuerkennenden Unterkunftskosten. Durch die Satzungslösung (§§ 22a bis 22c SGB II) sei bislang noch keine Abhilfe geschaffen. Die eigentliche Problemlösung, die Konkretisierung des sich aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ergebenden Anspruchs, sei nur verschoben, nämlich auf die nachgeordneten Gesetzgebungsinstanzen, die Länder und Kommunen. Ob auch sie als „der Gesetzgeber“ im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010 anzusehen seien, könne dahinstehen. Bis zum Vorliegen eines vom BVerfG geforderten, hinreichend konkreten Gesetzes zum existenznotwendigen Unterkunftsbedarf stelle sich für die Rechtsprechung und Verwaltung nur die Frage, ob und gegebenenfalls wie § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verfassungskonform ausgelegt werden könne. Eine verfassungskonforme Interpretation sei aus Sicht der Kammer möglich. Denn die Regelung erscheine nicht insgesamt verfassungswidrig. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sei nicht völlig unklar bzw. unbestimmt. Die Vorschrift werde es nur durch den angehängten zweiten Halbsatz. Erst dieser stelle den sich aus dem ersten Halbsatz zunächst eindeutig ergebenden Leistungsanspruch wieder in Frage. Die Kammer lege die Vorschrift so aus, dass vorrangig der Teil maßgeblich sei, der den verfassungsrechtlichen Vorgaben genüge. Das sei der erste Halbsatz, der auf die tatsächlichen Kosten abstelle. Der verbleibende Teil, der defizitäre zweite Halbsatz, sei lediglich in Ausnahmefällen heranzuziehen. Er könne vorläufig nur als eine Art Korrektiv dienen, nämlich dann, wenn die Unterkunftsverhältnisse bzw. -kosten in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen des Alg-II-Empfängers stünden. Bewegten sich die Unterkunftsverhältnisse bzw. -kosten hingegen im gewöhnlichen, d.h. durchschnittlichen Rahmen, seien sie vollständig zu übernehmen.
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3.3 Auch die 20. Kammer des SG Dresden vertritt im Urteil vom 25.01.2013 (S 20 AS 4915/11 - Rn. 26 ff.; offen gelassen hingegen im Urteil vom 07.04.2014 - S 20 AS 13/14 - Rn. 31) die Auffassung, dass die Rechtsprechung des BSG mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht vereinbar sei. Sie hält jedoch eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend für möglich, dass als angemessene Unterkunftskosten stets die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 WoGG angesehen werden könnten.
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Zur Begründung ihrer Auffassung führt die Kammer aus, dass die Grenzen der möglichen verfassungskonformen Auslegung überschritten seien, wenn die Rechtsprechung selbst ohne entsprechende Vorgaben durch den Gesetzgeber umfangreiche Anforderungen an eine die Existenzsicherung beschränkende Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffes stelle. Das vom BVerfG geforderte transparente und sachgerechte Verfahren sei nicht eingehalten, wenn der vom Gesetzgeber lediglich vorgegebene unbestimmte Rechtsbegriff „angemessen“ auf Grund von der Rechtsprechung entwickelter Vorgaben von der zuständigen Behörde ausgefüllt werden müsse. Eine Deckelung der (angemessenen) Bedarfe der Unterkunft, die den Vorgaben des BVerfG genüge, könne daher allenfalls auf der Grundlage von §§ 22a bis 22c SGB II erfolgen. Wie problematisch die Rechtsprechung des BSG zum „schlüssigen Konzept“ sich in der Praxis auswirke, könne bereits daraus ersehen werden, dass es bislang soweit ersichtlich bundesweit erst einem Jobcenter gelungen sei, ein „schlüssiges Konzept“ zu erstellen, das vor dem BSG Bestand gehabt habe. Die Rechtsprechung des BSG habe in diesem Kernbereich des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums keinerlei Rechtssicherheit gebracht, sondern vielmehr für einen erheblichen Teil der auf Grundsicherungsleistungen angewiesenen Menschen zu dauerhafter Unsicherheit über einen beträchtlichen Teil der ihnen zustehenden Leistungen geführt. Solange keine den Vorgaben des BVerfG genügende Regelung über die Ermittlung der Angemessenheit der Bedarfe der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zur Verfügung stehe, erscheine es der Kammer angezeigt, in diesem Zusammenhang auf die vom Gesetzgeber in einem dem vom BVerfG verlangten nahekommenden Verfahren errechneten Werte der Tabelle in § 12 Abs. 1 WoGG zurückzugreifen und diese um einen maßvollen Zuschlag von 10 % zu erhöhen.
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4. Es liegen mehrere instanzgerichtliche Entscheidungen vor, die sich kritisch mit der Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in den genannten Entscheidungen der Sozialgerichte Mainz, Leipzig und Dresden befassen und (wie der Großteil der Rechtsprechung im Übrigen) dem Grunde nach der Auffassung des BSG beitreten.
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4.1 Der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41; Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - Rn. 39; dem folgend: SG Karlsruhe Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 53 f.) vertritt in nahezu wörtlicher Anlehnung an Link (in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014) die Auffassung, dass der Gesetzgeber auch im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 und 20 Abs. 1 GG grundsätzlich dazu berechtigt gewesen sei, die Übernahme der Kosten für die Unterkunft und Heizung im Grundsicherungsbereich davon abhängig zu machen, dass diese „angemessen“ seien. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichere nach der Rechtsprechung des BVerfG jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich seien. Die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II biete mit dem eigens hierfür entwickelten schlüssigen Konzept gerade ein - vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 gefordertes - transparentes und sachgerechtes Verfahren, um realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren die Angemessenheit der Kosten für die Unterkunft und Heizung zu ermitteln. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass das BVerfG ausdrücklich betont habe, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zukomme, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasse. Mit Hilfe des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ und der insofern gefestigten Rechtsprechung des BSG würden die Verwaltung und die Gerichte in die Lage versetzt, den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort im Wege einer Einzelfallprüfung Rechnung zu tragen. Damit könnten im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung diejenigen materiellen Voraussetzungen ermittelt werden, die für die physische Existenz des Hilfesuchenden (Grundbedürfnis „Wohnen“) unerlässlich seien. Die vom SG Mainz präferierte „verfassungskonforme Auslegung“ in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum lägen („offenkundiges Missverhältnis“), stelle letztendlich nichts anderes als eine (wenn auch von einem anderen Ausgangspunkt ausgehende) Substitution des schlüssigen Konzepts dar, die jedoch gerade im Hinblick auf das vom BVerfG geforderte transparente, nachvollziehbare und schlüssige Verfahren zur Ermittlung der Bedarfe nicht zu überzeugen vermöge. Denn nach welchen Kriterien und nach welchem Verfahren ermittelt werden solle, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die geltend gemachten Unterkunftskosten „deutlich über den üblichen Unterkunftskosten“ lägen und mithin ein „offenkundiges Missverhältnis“ bestehe, habe das SG Mainz im Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) nicht dargelegt. Vielmehr greife es zur Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse auf einen qualifizierten Mietspiegel zurück, "der jedoch nach der Rechtsprechung des BSG (...) in Ermangelung eines anderen schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete herangezogen" werden könne (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41).
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4.2 Die 49. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 54 ff.; dem folgend: Sächsisches LSG, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12 - Rn. 63 ff.) konstatiert in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung der 17. Kammer des SG Mainz, dass die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nicht einem Parlamentsgesetz vorbehalten sei. Einem solchen unterliege nur die Bestimmung des Existenzminimums. § 22 SGB II gehe über dieses Minimum jedoch deutlich hinaus. Er bestimme, dass die tatsächlichen Kosten bis an die Grenze der Angemessenheit zu ersetzen seien und ziehe damit eine Obergrenze. Das Existenzminimum bedeute dagegen die Bestimmung einer Untergrenze. Die Bestimmung einer zur Wahrung des Existenzminimums im Bereich von Unterkunft und Heizung relevanten Untergrenze käme nur in der Form einer Definition des erforderlichen Wohn- und Heizstandards in Betracht, also der Bestimmung einer Mindestwohnfläche und -ausstattung und des Mindestumfangs des Heizniveaus. Selbst wenn dies bundes- oder landeseinheitlich bestimmt werden könnte, würde dies nicht die zur Wahrung dieses Standards erforderlichen Aufwendungen betreffen, denn diese würden im Gegensatz zum Warenkorb des Regelsatzes nach § 20 SGB II durch die Besonderheiten regionaler Märkte beeinflusst. Dieser Umstand finde in den verschiedenen Mietstufen der Wohngeldtabelle seinen Ausdruck. Zumindest die existenznotwendigen Kosten der Unterkunft könnten weder Bundes- noch Landesgesetzgeber in einer für das gesamte Bundes- oder Landesgebiet hinreichend zuverlässigen und transparenten Weise sachgerecht ermitteln, wie sie das BVerfG für die Ermittlung des Existenzminimums verlange. Weil überdies Ansatzpunkte fehlten, die befürchten ließen, dass der nach der Rechtsprechung des BSG für die Beurteilung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu Grunde zu legende Wohnstandard die aus der Gewährleistung des Existenzminimums herzuleitenden Mindeststandards unterschreiten könnte, könne bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft auf eine formal-gesetzliche Grundlage verzichtet werden. Wäre zur Bestimmung der angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung ein Parlamentsgesetz erforderlich, dessen Zustandekommen den für die Bemessung des Existenzminimums geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müsse, hätte es für den 1. Senat des BVerfG nahe liegen müssen, in seiner Entscheidung über den Regelsatz des Arbeitslosengeldes II gemäß § 78 S. 2 BVerfGG auch § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II als aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären. Dies sei jedoch nicht geschehen. Insofern gehe wohl auch das BVerfG davon aus, dass § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II aus verfassungsrechtlicher Sicht anders zu beurteilen sei und Fragen der Gewährleistung des Existenzminimums nicht unmittelbar aufwerfe.
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4.3 Im Rahmen eines ablehnenden Beschlusses in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren führt der 2. Senat des LSG-Baden-Württemberg (Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 12 ff.) - wohl bezogen auf die Parallelvorschrift des § 35 Abs. 2 S. 2 SGB XII - aus, dass das BSG zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II - wenn auch nicht ausdrücklich - bereits Stellung genommen habe. Das BSG habe bereits im Urteil vom 07.11.2006 (B 7b AS 10/06 R - Rn. 24 u. 28) ausgeführt, § 22 Abs. 1 SGB II gestehe „nur eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt“ sowie einen „einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad“ zu. Diese Rechtsprechung sei fortan fortgeführt worden, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass die Vereinbarkeit des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit mit verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits geprüft worden sei. Dass das BSG in einer zukünftigen Entscheidung hiervon abweichen werde, sei aus derzeitiger Sicht nicht zu erwarten, zumal auch das SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) in seiner Entscheidung weiter mit dem Begriff der Angemessenheit agiere, diesen bzw. die Grenze der Unangemessenheit lediglich anders definiere als das BSG. Insoweit beruhten die Bedenken dann allerdings nicht auf einem Widerspruch zum Parlamentsvorbehalt, sondern moniert werde die konkrete Auslegung des Begriffs der Angemessenheit, die aus Sicht des SG Mainz inhaltlich verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge. Eine Änderung der Rechtsprechung lasse dies nicht erwarten. Darüber hinaus ließen sich der vom SG Mainz zitierten Entscheidung des BVerfG aus Sicht des Senats die angeführten Zweifel auch nicht entnehmen. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass das BVerfG in seinem Urteil vom 09.02.2010 darstelle, mit welchen Leistungen im SGB II „der Gesetzgeber entsprechend den materiellen Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein subsidiäres System sozialer Sicherung des Existenzminimums geschaffen habe“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 147). Bei der Darstellung der verschiedenen Leistungsarten verweise es unmittelbar anschließend auch darauf, „§ 22 Abs. 1 SGB II stell(e) die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148). Damit beziehe es die in § 22 Abs. 1 SGB II getroffene Regelung in den Kreis der Leistungen ein, die der Gesetzgeber in der Verfassung entsprechender Weise durch die Normen des SGB II gewähre. Zum anderen habe das BVerfG bereits im Jahr 2011 zur inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs der „Angemessenheit“ im § 22 Abs. 1 SGB II durch das BSG Stellung bezogen, auf die aus seiner Sicht bereits zu dieser Zeit gefestigte Rechtsprechung des BSG hingewiesen und dessen dreischrittige Prüfung dargestellt (BVerfG, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 BvR 232/11 - Rn. 23 ff). In diesem Zusammenhang werde an keiner Stelle darauf hingewiesen, dass es Zweifel an dem normierten unbestimmten Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ geben könnte, woraus nur geschlossen werden könne, dass das Gericht schon damals von der Verfassungsgemäßheit der Regelung ausgegangen sei.
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Eine Änderung der Rechtsprechung durch das BSG stehe damit nach derzeitigem Stand praktisch außer Zweifel, so dass die aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung habe (LSG-Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 15).
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4.4 Der 2. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 11.03.2014 - L 2 AS 276/14 B ER - Rn. 7) begründet seine Ablehnung der Auffassung des SG Mainz aus dem Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) damit, dass es sich dabei ersichtlich um eine Einzelentscheidung handele, die auch vom BSG nicht geteilt werde.
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4.5 Der 2. Senat des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 104/14 - Rn. 43; Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 3878/11 - Rn. 44; ähnlich bereits SG Karlsruhe, Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 49 ff.) äußert sich weiter dahingehend, dass die vom SG Mainz in seiner Entscheidung vom 08.06.2012 vertretene Auffassung, dass der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete Begriff der „Angemessenheit“ den im Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 aufgestellten Anforderungen nicht genüge, falsch sei. Das BVerfG habe in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG zum so genannten „schlüssigen Konzept“ die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits gebilligt und ausgerechnet in dem vom SG Mainz als Beleg für seine irrige Auffassung angeführten Urteil folgendes ausgeführt: „§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148). Damit sei die Entscheidung des SG Mainz schon im Ansatz unrichtig, wenn sie der Meinung sei, es fehle für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an einer hinreichenden parlamentsgesetzlichen Grundlage und der Bundesgesetzgeber stehe „demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteh(e)“. Das sei, wie das BVerfG klar gestellt habe, bereits in ausreichendem Maße geschehen. Auch in seiner Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 - Rn. 24 f.) habe das BVerfG das schlüssige Konzept des BSG ersichtlich für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Diese Entscheidung scheine dem SG Mainz nicht bekannt gewesen zu sein.
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5. In der Literatur findet eine Auseinandersetzung darüber, ob § 22 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 SGB II verfassungswidrig sein könnte, - anders als in Bezug auf die §§ 22a bis 22 c SGB II (vgl. Putz, SozSich 2011, S. 232 ff.; Berlit in: LPK-SGB II, §22a Rn. 3 ff., 5. Auflage 2013) - bislang kaum statt. In Folge des Urteils des SG Mainz vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) wird allerdings diskutiert, ob die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriff durch das BSG gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstößt.
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5.1 Knickrehm (SozSich 2010, S. 193) stellt fest, dass aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ein Anspruch der Grundrechtsträger auf eine existenzsichernde Leistung nach dem SGB II, die nach den vom BVerfG vorgegebenen Maßstäben zu bestimmen sei, folge. Die Bestimmung müsse mit einer Methode erfolgen, die gewährleiste, dass die existenznotwendigen Aufwendungen realitätsgerecht und nachvollziehbar in einem transparenten und sachgerechten Verfahren ermittelt werden. Diese Vorgaben seien nicht nur bei der Festlegung der Höhe der Regelleistung zu beachten, sondern auch, wenn Leistungen für Unterkunft und Heizung pauschaliert werden sollen. Der Bedarf "Wohnen" sei Teil des physischen Existenzminimums und erfordere daher ebenfalls eine umfassende Deckung. Die Höhe einer Pauschale für das "Wohnen" sei daher realitätsgerecht zu ermitteln, also so zu bestimmen, dass es tatsächlich möglich sei, mit der Leistung angemessenen Wohnraum im bisherigen Umfeld des Hilfebedürftigen - im Sinne der bisherigen Rechtslage - zu mieten. Dieses gelte nicht nur für eine bundeseinheitliche Pauschale. Auch Satzungs- und Verordnungsgeber müssten sich an die vom BVerfG aufgezeigten Maßstäbe halten. Durch das vom BSG entwickelte "schlüssige Konzept" könnten jedoch bereits jetzt und im Rahmen des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Angemessenheit" die Maßstäbe des BVerfG umgesetzt werden. Die Methoden zur Datenerhebung und Datenauswertung für die Bildung einer Pauschale dürften wohl nicht hinter den Anforderungen des schlüssigen Konzepts zurückbleiben.
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5.2 Mutschler (NZS 2011, S. 483 f.) hebt bezogen auf das zum 01.04.2011 in §§ 22a bis 22c SGB II eingeführte Satzungsmodell hervor, dass die Entscheidung des BVerfG zu den Regelsätzen zwar nicht unmittelbar Maßstäbe für die gesetzliche Regelung der Kosten der Unterkunft und Heizung setze, aber unzweifelhaft sei, dass das Grundrecht des Art. 1 Abs. 1 GG auch die Gewährleistung des Existenzminimums hinsichtlich der Grundbedürfnisse Wohnen und Heizen umfasse. Daher sei anzunehmen, dass besondere Begründungsanforderungen auch an die gesetzlichen und untergesetzlichen Normen zu stellen seien, die die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung regelten. Vor diesem Hintergrund gebe es Kritik am Satzungskonzept in dem Sinne, dass konkretere Vorgaben gefordert würden. Vergleiche man die gesetzliche Begründung, die Regelungsdichte und die Begründungspflichten des Satzungsmodells mit derjenigen zu § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, sei jedenfalls festzuhalten, dass die Einzelfallprüfung eher größere Defizite an gesetzlicher Begründung aufweise.
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5.3 Putz (SozSich 2011, S. 233 ff.) vertritt in Bezug auf die Satzungsermächtigung nach § 22a SGB II die Auffassung, dass mit der Wesentlichkeitstheorie eine Auslegung des § 22a Abs. 2 SGB II allenfalls vereinbar wäre, die es dem Satzungsgeber nur gestatten würde, eine Pauschale in Höhe der Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II festzusetzen. Eine den Anforderungen des BVerfG an die Ermittlung dieses Teils des Existenzminimums genügende Methode könne es schon deswegen nicht geben, weil keine Methode denkbar sei, durch welche die nach der Wesentlichkeitstheorie erforderlichen, aber bei der Satzungsermächtigung fehlenden Vorgaben des Bundesgesetzgebers ersetzt werden könnten.
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5.4 Luik (jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; ähnlich ders. in: Eicher, SGB II, § 22 Rn. 6, 3. Auflage 2013) hält die Auffassung der 17. Kammer des SG Mainz für unzutreffend, da eine verfassungsrechtliche Klärung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und der BSG-Rechtsprechung zum schlüssigen Konzept längst erfolgt sei. Für die Annahme von Verfassungswidrigkeit reiche es dann nicht aus, den Erwägungen einer fachgerichtlichen Entscheidung die eigene Sichtweise entgegenzustellen, ohne sich mit der bereits ergangenen Rechtsprechung des BVerfG zu befassen. In Kenntnis der Rechtsprechung des BSG aus 2009 zum „schlüssigen Konzept“ habe das BVerfG die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ausdrücklich mit der Aussage gebilligt, § 22 Abs. 1 SGB II stelle die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher (Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148). Damit sei im Grunde schon alles gesagt, § 22 SGB II und die BSG-Rechtsprechung seien in Karlsruhe „durch“. Im Urteil vom 09.02.2010 sei es nicht nur um die Regelleistung gegangen. Das BVerfG habe auch die „KdU“ mit abgehandelt und dem Bereich des physischen Existenzminimums zugeordnet, mit allen sich verfahrensrechtlich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Erfassung der sozialen Wirklichkeit. Die Erfordernisse der zeit- und realitätsgerechten Bestimmung des Anspruchs einschließlich Transparenz, Folgerichtigkeit und Nachvollziehbarkeit gälten auch für die KdU. Dies sei in der Sache nichts anderes als die vom BSG als schlüssiges Konzept bezeichnete zeit- und realitätsgerechte Erfassung der sozialen Wirklichkeit des lokalen Wohnungsmarkts im jeweiligen Vergleichsraum. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe sei verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich. Dem Bestimmtheitserfordernis sei genügt, wenn Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden könnten. Die Auslegungsbedürftigkeit allein nehme einer Vorschrift nicht die gebotene Bestimmtheit. Es sei gerade die Aufgabe der fachgerichtlichen Rechtsprechung, Auslegungs- und Zweifelsfragen zu klären. Das BVerfG habe in einer Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 - Rn. 24 f.) die fachgerichtliche Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs durch das BSG ausdrücklich gebilligt und für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Dies entspreche ganz der Karlsruher Linie, wonach die Anwendung und Auslegung einfachen Rechts und die Konkretisierung bzw. Anwendungskontrolle unbestimmter Rechtsbegriffe der jeweiligen Fachgerichtsbarkeit obliegen würden.
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5.5 Link (in: jurisPK SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014) kritisiert ebenfalls das Urteil des SG Mainz vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09). Dessen Auffassung überzeuge nicht. Der Gesetzgeber sei auch im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG grundsätzlich berechtigt, die Übernahme der Kosten für die Unterkunft und Heizung im Grundsicherungsbereich davon abhängig zu machen, dass diese „angemessen“ seien. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichere nach der Rechtsprechung des BVerfG jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich seien. Die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II biete mit dem eigens hierfür entwickelten schlüssigen Konzept gerade ein - vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 gefordertes - transparentes und sachgerechtes Verfahren, um realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren die Angemessenheit der Kosten für die Unterkunft und Heizung zu ermitteln. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass das BVerfG ausdrücklich betont habe, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zukomme, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasse. Mit Hilfe des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ und der insofern gefestigten Rechtsprechung des BSG würden die Verwaltung und die Gerichte in die Lage versetzt, den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort im Wege einer Einzelfallprüfung Rechnung zu tragen. Damit könnten im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung diejenigen materiellen Voraussetzungen ermittelt werden, die für die physische Existenz des Hilfesuchenden (Grundbedürfnis „Wohnen“) unerlässlich seien. Die von der 17. Kammer des SG Mainz präferierte „verfassungskonforme Auslegung“ in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum lägen („offenkundiges Missverhältnis“), stelle letztendlich nichts anderes als eine (wenn auch von einem anderen Ausgangspunkt ausgehende) Substitution des schlüssigen Konzepts dar, die jedoch gerade im Hinblick auf das vom BVerfG geforderte transparente, nachvollziehbare und schlüssige Verfahren zur Ermittlung der Bedarfe nicht zu überzeugen vermöge. Denn nach welchen Kriterien und nach welchem Verfahren ermittelt werden solle, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die geltend gemachten Unterkunftskosten „deutlich über den üblichen Unterkunftskosten“ liegen und mithin ein „offenkundiges Missverhältnis“ bestehe, habe das SG Mainz im genannten Urteil nicht dargelegt.
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5.6 Berlit (in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 60 f., 5. Auflage 2013) führt aus, dass in der Instanzrechtsprechung kritisiert werde, dass die ausdifferenzierte Rechtsprechung des BSG zum „schlüssigen Konzept“ nicht den prozeduralen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte parlamentsgesetzliche Grundlage, die nach dem Regelleistungsurteil des BVerfG zu stellen seien, genüge. Diese Kritik verweise zutreffend auf eine unzureichende explizite Anbindung der BSG-Rechtsprechung zum „schlüssigen Konzept“ an die BVerfG-Rechtsprechung zum Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Sie vernachlässige im Ergebnis aber, dass diese Rechtsprechung zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an eine auch dem SGB II-Gesetzgeber bekannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Angemessenheitsbegriff im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) anknüpfe, die diesen Begriff gerade nicht als Angemessenheitsvorbehalt zur Reduktion in Fällen offenkundiger Missverhältnisse sehe. Die BSG-Rechtsprechung sei zudem in ihrem sachlichen Regelungsgehalt erneut in den Vorgaben für die Satzungsregelung aufgegriffen worden. Aus der Kritik folge jedenfalls nicht, dass im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung lediglich solche Kosten der Unterkunft als unangemessen zu werten seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen. Dass das BSG die Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zu hoch geschraubt habe und es wegen der Vielzahl an Prüfungskomponenten und dem einhergehenden Ermittlungsaufwand für die Grundsicherungsstellen und Gerichte in der Praxis für die Praxis wenig hilfreich sei, rechtfertige nicht, diesen Versuch einer rationalen, operationalisierbaren Annäherung an die Ausfüllung des Angemessenheitsbegriffs aufzugeben. Die Forderung nach einem „schlüssigen Konzept“ setze für den Unterkunftsbedarf die für den Regelbedarf geltenden Anforderungen an Rationalität und Transparenz der Leistungsbemessung um.
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In Bezug auf die später mit § 22a SGB II eingeführte Satzungslösung stelltBerlit hingegen fest, dass ein kommunaler Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum in Bezug auf „standardbildende“ Faktoren den Auftrag des Gesetzgebers, die zur Existenzsicherung erforderlichen Leistungen selbst festzulegen, verfehle (Berlit, info also 2010, S. 203).
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5.7 Stölting (in: Eicher, SGB II, § 1 Rn. 16, 3. Auflage 2013) sieht hingegen das Problem, dass § 22 SGB II anders als bei der Regelleistung nicht einen bestimmten Betrag vorsehe. Diese Regelung gerate in Konflikt mit der Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010, denn danach müsse die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch ein Parlamentsgesetz erfolgen, welches einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthalte. Aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gelte in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz gehe.
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In einer Anmerkung zum Urteil des BSG vom 22.08.2012 (B 14 AS 13/12 R - SGb 2013, S. 545 f.) führt Stölting aus, dass bei der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit zu bedenken sei, dass es sich bei der Übernahme von Unterkunftskosten nicht um eine freiwillige Leistung des Gesetzgebers handele, sondern das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vielmehr einen Anspruch auf Zurverfügungstellung der Mittel begründe, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich seien. Hierzu gehörten auch die Unterkunftskosten. Der Gesetzgeber bewege sich mit der Vorschrift des § 22 SGB II in einem grundrechtsgeprägten Bereich und habe insoweit besondere Vorgaben zu beachten, die sich aus der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG ergäben. Danach sei der Gesetzgeber verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und dürfe sie nicht anderen Normgebern überlassen. Wann es danach einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedürfe, lasse sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien seien dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen. Danach bedeute wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“. Dementsprechend habe das BVerfG in der Entscheidung zu den Regelsätzen nach dem SGB II gefordert, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch ein Parlamentsgesetz erfolge, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthalte. Diesen Anforderungen genüge die Vorschrift des § 22 SGB II nicht. Es handele sich dabei zwar um ein Parlamentsgesetz, das jedoch weder einen konkreten Anspruch enthalte, noch Vorgaben mache, wie dieser von den Behörden und gegebenenfalls von den Gerichten zu ermitteln sei. Aus diesem Grund sei es der Rechtsprechung auch acht Jahre nach Inkrafttreten des SGB II nicht gelungen, die Unsicherheiten bei der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zu beseitigen und die Zahl der Verfahren in diesem Bereich zu reduzieren. Das BSG setzte sich im kommentierten Urteil und in anderen aktuellen Urteilen nicht mit der verfassungsrechtlichen Problematik auseinander. Dies erscheine jedoch dringend erforderlich, da es nach der Entscheidung des BVerfG zu den Regelsätzen des SGB II auch in diesem Bereich einer Neubestimmung bedürfe. Die Rechtsprechung werde zu erwägen haben, grundsätzlich die tatsächlichen Unterkunftskosten anzuerkennen, soweit diese nicht evident unangemessen seien.
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In seiner Kommentierung zu § 35a SGB XII führtStölting (jurisPK-SGB XII, § 35a Rn. 10, 2. Auflage 2014, Stand 25.06.2014) weiter aus, dass das BVerfG in der Entscheidung vom 09.02.2010 zwar ausgeführt habe, dass § 22 Abs. 1 SGB II die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicherstelle. Es dürfe jedoch bezweifelt werden, dass damit eine verbindliche Aussage zur Vereinbarkeit des § 22 Abs. 1 SGB II mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums getroffen worden sei, da sich die Entscheidung auf die Regelleistungen nach dem SGB II beziehe.
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5.8 Nach Piepenstock (in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 82.1 f., 3. Auflage 2012, Stand 01.12.2014) stellt das SG Mainz im Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) zutreffend heraus, dass sich das BSG in seiner fortgesetzten Rechtsprechung zum „schlüssigen Konzept“ nicht hinreichend mit dem Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 auseinandergesetzt habe. Das vom BSG entwickelte „schlüssige Konzept“ habe bisher nicht abschließend überzeugen können. Die vom BSG vorgenommene Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ mit ihrem konkret-individuellen Prüfmaßstab (Stichwort: Einzelfallgerechtigkeit) erweise sich wegen der Vielzahl an Prüfungskomponenten und dem einhergehenden Ermittlungsaufwand für die Grundsicherungsstellen und Gerichte in der Praxis als sehr komplex und daher oft wenig hilfreich.
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5.9 Nach Nguyen (in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65, 2. Auflage 2014, Stand 24.11.2014) stößt die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs allein durch die Rechtsprechung - an Stelle einer parlamentsgesetzlichen Konkretisierung - im Hinblick auf die Vorgaben des BVerfG zur Gewährleistung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und dem Wesentlichkeitsgrundsatz auf Bedenken.
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5.10 Frerichs (jurisPK-SGB XII, § 3 AsylbLG, Rn. 45, 2. Auflage 2014, Stand 03.11.2014) konstatiert, dass das BVerfG im Regelsatzurteil vom 09.02.2010 eindrucksvoll die Bedeutung des Vorbehalts des Gesetzes im Fürsorgerecht hervorgehoben und die in der Nachkriegszeit begonnene Entwicklung des unmittelbar auf dem Schutzgehalt von Art. 1 Abs. 1 GG beruhenden Leistungsgrundrechts abgeschlossen habe. Dem Gesetzgeber (und nicht dem Rechtsanwender) obliege die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse und die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs. Diese Frage sei jüngst in Rechtsprechung (Bezugnahme auf die Urteile des SG Mainz vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12, vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 und vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11 sowie auf das Urteil des SG Leipzig vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12) und Literatur auch wegen des unbestimmten Rechtsbegriffs der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II virulent geworden.
- 97
Frerichs vertritt des weiteren - im Kontext mit unbestimmten Rechtsbegriffen im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) - die Auffassung, dass Regelungen dieser Art einer methodengerechten Ermittlung des menschenwürdigen Existenzminimums in einem inhaltlich transparenten und nachvollziehbaren Verfahren entbehren und die Gefahr bergen würden, dass bei der Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums die Regelungskompetenz in verfassungsrechtlich bedenklichem Ausmaß auf den Rechtsanwender delegiert wird (Frerichs, ZESAR 2014, S. 287).
- 98
6. Die vorlegende Kammer ist nach Auswertung der vertretenen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur der im Folgenden noch zu begründenden Überzeugung, dass die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verfassungswidrig ist. Eine verfassungskonforme Auslegung ist - entgegen der Auffassungen der 17. Kammer des SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 84 ff.), der 20. Kammer des SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 50 ff.) und der 20. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 33) - nicht möglich. Sie wird auch nicht durch die Rechtsprechung des BSG zum „schlüssigen Konzept“ gewährleistet. Sämtliche diesbezüglich vertretenen Auffassungen laufen entweder auf eine verfassungswidrige Wahrnehmung des der Legislative obliegenden Gestaltungsauftrags durch Gerichte und Verwaltung oder auf eine gleichfalls verfassungswidrige faktische Normverwerfung wiederum durch Gerichte und Verwaltung hinaus.
V.
- 99
Die Vorlagefrage ist für das vorliegende Klageverfahren entscheidungserheblich.
- 100
Nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG ist ein Vorlageverfahren nur dann zulässig, wenn es für die Entscheidung auf die Gültigkeit des für verfassungswidrig gehaltenen Gesetzes ankommt.
- 101
Dies setzt - wenn nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen selbst Gegenstand der Vorlage sind - zunächst voraus, dass die dem Vorlagebeschluss zu Grunde liegende Klage zulässig ist (1) und dass im Falle der - hier vorliegenden - Leistungsklage die Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen vorliegen (2). Ferner muss es für die Entscheidung des Gerichts auf die Gültigkeit der zur Prüfung vorgelegten Norm ankommen. Dies setzt voraus, dass bei Gültigkeit der Regelung ein anderes Entscheidungsspektrum eröffnet wird, als bei deren Nichtigkeit (3). Der Klage dürfte auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattzugeben sein (4).
- 102
1. Die Klage ist zulässig. Das Gericht ist zur Sachentscheidung berufen.
- 103
1.1 Der Kläger hat seine Klage frist- und formgerecht erhoben. Das Widerspruchsverfahren ist durchgeführt und abgeschlossen worden. Der auf den 09.01.2014 datierte Widerspruchsbescheid ist dem Kläger laut Aktenvermerk des Beklagten am 10.01.2014 in den Hausbriefkasten eingeworfen worden, so dass frühestens von einem Zugang an diesem Tag ausgegangen werden kann. Die Dreitagesfiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X greift hier nicht, da der Widerspruchsbescheid nicht durch die Post übermittelt wurde. Die Klage ist am 10.02.2014, durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers unterschrieben, per Telefax beim Gericht eingegangen. Damit ist die Schriftform des § 90 SGG gewahrt (vgl. Binder in: Lüdtke, § 90 Rn. 4, 4. Auflage 2012). Auch die Klagefrist des § 90 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids ist eingehalten (§ 64 Abs. 2 S. 1 SGG).
- 104
1.2 Obwohl dem Gericht bislang keine schriftliche Vollmacht vorliegt, ist gemäß § 73 Abs. 6 S. 5 SGG einstweilen von einer wirksamen Bevollmächtigung der den Kläger vertretenden Rechtsanwälte auszugehen. Das Gericht hat einen Mangel der Vollmacht nur dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn als Bevollmächtigter kein Rechtsanwalt auftritt.
- 105
1.3 Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, mit welcher der Kläger die Änderung der Bewilligungsbescheide und die Zahlung höherer Leistungen verlangt, ist nach § 54 Abs. 4 SGG statthaft. Der Streitgegenstand wurde im Sinne des § 92 Abs. 1 S. 1 SGG hinreichend bestimmt. Eine exakte Bezifferung des geltend gemachten Anspruchs ist nicht erforderlich. § 92 Abs. 1 S. 3 SGG enthält hinsichtlich der Bestimmtheit des Antrags lediglich eine Sollvorschrift. Aus dem systematischen Zusammenhang mit der Regelung zum Grundurteil in § 130 Abs. 1 S. 1 SGG ergibt sich zudem, dass bei Geldleistungen keine Bezifferung des Antrags erfolgen muss. Nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG kann zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden, wenn gemäß § 54 Abs. 4 SGG oder § 54 Abs. 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Aus der Befugnis des Gerichts, ein Grundurteil zu erlassen, folgt die Statthaftigkeit einer entsprechenden unbezifferten Antragstellung. Im Übrigen lässt sich das klägerische Begehren in hinreichender Bestimmtheit dem Vorbringen in der Klageschrift entnehmen.
- 106
1.4 Der Kläger ist klagebefugt im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 SGG, da er geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
- 107
1.5 Zulässiger Streitgegenstand ist der zunächst mit Widerspruch vom 29.11.2013 angefochtene Änderungsbescheid vom 26.11.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom gleichen Tag und vom 06.01.2014 (§ 86 SGG bzw. § 96 Abs. 1 SGG) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2014 (§ 95 SGG) und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15.01.2014, 30.01.2014 und 26.03.2014 (§ 96 Abs. 1 GG). Vom Streitgegenstand umfasst ist der Leistungszeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014.
- 108
1.5.1 Der Änderungsbescheid vom 26.11.2013 hat den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 03.09.2013 für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 abgeändert und die Leistungen für diesen Zeitraum neu festgesetzt. Da sich die Neufestsetzung nicht auf den vom ursprünglichen Bewilligungsbescheid mit abgedeckten Zeitraum vom 01.10.2013 bis zum 30.11.2013 erstreckt, unterliegt dieser Zeitraum weiterhin der Regelung durch den Bescheid vom 03.09.2013, der mit der vorliegenden Klage nicht zulässig angefochten wurde. Mit dem fristgerecht erhobenen Widerspruch vom 29.11.2013 (Eingang beim Beklagten am 02.12.2013) wurde dementsprechend nur der Leistungszeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zum Gegenstand der Überprüfung gemacht.
- 109
1.5.2 Der noch am 26.11.2013 erlassene Änderungsbescheid ist ebenfalls Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Insoweit kann dahin stehen, ob der Bescheid erst nach Erhebung des Widerspruchs beim Kläger zugegangen ist, mit der Folge, dass der Bescheid nach § 86 SGG in das Widerspruchsverfahren einbezogen wäre, oder ob der Kläger mit seinem Widerspruch von Beginn an den zweiten Änderungsbescheid zusätzlich oder ausschließlich angefochten hat.
- 110
1.5.3 Auch der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Dies ist insofern von Bedeutung, als mit diesem Bescheid nach dessen Verfügungssätzen der gesamte streitgegenständliche Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 neu geregelt wird. Die vorher ergangenen Bescheide haben sich insoweit erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X), so dass die Klage bei fehlender Einbeziehung des Änderungsbescheids vom 06.01.2014 und der nachfolgenden Änderungsbescheide in Folge der Erledigung der angefochtenen Bescheide unzulässig würde.
- 111
Es kann hier offen bleiben, ob die Einbeziehung bereits nach § 86 SGG im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.11.2013 erfolgte, oder erst im Klageverfahren nach § 96 Abs. 1 SGG. Die Beantwortung dieser Frage hinge davon ab, ob dem Kläger (oder dessen Prozessbevollmächtigter) zuerst der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 oder der Widerspruchsbescheid vom 09.01.2014 zugegangen ist. Insoweit besteht Unklarheit, da der Bescheid vom 06.01.2014 laut Aktenvermerk ohne Datumsangabe an die Rechtsanwältin des Klägers übersandt wurde, während der Widerspruchsbescheid dem Kläger am 10.01.2014 in den Hausbriefkasten eingeworfen wurde. Somit erscheint denkbar, dass der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 erst nach dem Widerspruchsbescheid bekanntgegeben und damit wirksam geworden ist. Eine Einbeziehung nach § 86 SGG in das Widerspruchsverfahren wäre ausgeschlossen, da die Abänderung ausdrücklich „während“ des Vorverfahrens, d.h. bis zum Abschluss des selben erfolgen muss (a.A. noch BSG, Urteil vom 01.08.1978 - 7 RAr 37/77 - Rn. 18f.; BSG, Urteil vom 15.02.1990 - 7 RAr 22/89 - Rn. 18.; BSG, Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr 10/89 - Rn. 26; BSG, Urteil vom 12.05.1993 - 7 RAr 56/92 - Rn. 13).
- 112
Im Falle der Bekanntgabe des Bescheids vom 06.01.2014 nach Zugang des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2014 wäre der Bescheid nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Für den Fall, dass der Bescheid vom 06.01.2014 nach Erlass des Widerspruchbescheides ergangen ist, wären die übrigen Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG erfüllt. § 96 Abs. 1 SGG setzt neben der Ersetzung oder Abänderung des klagegegenständlichen Bescheids nur voraus, dass der ändernde Bescheid nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist; er muss hingegen nicht erst nach Klageerhebung ergangen sein (vgl. BT-Drucks. 16/7716, S. 19). Die Formulierung „(n)ach Klageerhebung“ am Anfang des § 96 Abs. 1 SGG bringt lediglich zum Ausdruck, dass eine Einbeziehung des nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangenen Änderungsbescheids - logischerweise - erst nach Klageerhebung Gegenstand des Klageverfahrens werden kann, da vorher noch kein Klageverfahren rechtshängig (§ 94 Abs. 1 SGG) ist, dessen Gegenstand der Bescheid werden könnte.
- 113
1.5.4 Der Änderungsbescheid vom 15.01.2014 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden (siehe Ziffer 1.5.3). Entsprechendes gilt für den Änderungsbescheid vom 30.01.2014.
- 114
1.5.5 Auch der während des Klageverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 26.03.2014 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
- 115
1.5.6 Der Bescheid über die Darlehensgewährung einschließlich der Aufrechnungserklärung vom 24.01.2014 ist hingegen nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da hiermit weder der Ausgangsbescheid vom 26.11.2013 noch die folgenden Änderungsbescheide abgeändert oder ersetzt werden. Die mit dem Bescheid vom 24.01.2014 verfügte Aufrechnung ist keine teilweise Aufhebung oder Rücknahme der Leistungsbewilligung (Bittner in: jurisPK-SGB II, § 42a Rn. 33.1, 3. Auflage 2012, Stand: 22.07.2014). Die Tilgung eines Darlehens durch Aufrechnung nach § 42a Abs. 2. S. 1 SGB II berührt nur den Auszahlungsanspruch, nicht den sich nach dem Bedarf richtenden Leistungsanspruch (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.12.2011 - L 5 AS 473/11 B ER - Rn. 25).
- 116
1.5.7 Der Bescheid vom 25.02.2014 und hierzu ergangene Änderungsbescheide über den Zeitraum vom 01.04.2014 bis zum 30.09.2014 sind ebenfalls nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Mit diesen Bescheiden werden weder der Ausgangsbescheid vom 26.11.2013 noch die folgenden Änderungsbescheide geändert oder ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - Rn. 30).
- 117
1.6 Es kann offen bleiben, ob der Kläger den Streitgegenstand auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II beschränkt hat bzw. zulässigerweise beschränken durfte (zu dieser Möglichkeit vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 10 ff.; zur alten Rechtslage: BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - Rn. 18 ff.). Denn auch wenn die (monatliche) Gesamthöhe des dem Kläger im Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu bewilligenden Arbeitslosengeldes II vom Streitgegenstand umfasst sein sollte, bliebe die Vorlagefrage entscheidungserheblich.
- 118
2. Der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 19 SGB II (Arbeitslosengeld II). Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1, S. 3 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung von Regelbedarf, Mehrbedarfen und Bedarf für Unterkunft und Heizung, wobei das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen die Geldleistungen mindert (§ 19 Abs. 3 S. 1 SGB II).
- 119
2.1 Der Kläger war erwerbsfähiger Leistungsberechtigter in diesem Sinne, weil er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II), älter als 15 Jahre war und die für ihn nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II maßgebliche Altersgrenze von 65 Jahren und acht Monaten noch nicht erreicht hatte.
- 120
2.2 Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II, da er nicht wegen Krankheit oder Behinderung außerstande war, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Der Kläger bezog zwar ab dem 01.02.2014 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von der DRV Bund. Diese setzt jedoch lediglich voraus, dass der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI), bzw. ein berufsbezogenes Absinken der Erwerbsfähigkeit auf weniger als sechs Stunden täglich (§ 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI). Dafür, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr dazu in der Lage gewesen sein könnte, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein, liegen keine Anhaltspunkte vor. Im Rentenbescheid vom 17.12.2013 wurde vielmehr festgehalten, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht bestehe. Eine weitergehende Einschränkung der Erwerbsfähigkeit wird weder vom Kläger noch vom Beklagten behauptet. Der Beklagte ist auch nach dem vorliegend streitigen Zeitraum noch von der Erwerbsfähigkeit des Klägers im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II ausgegangen. Da selbst im Falle des Herabsinkens der Erwerbsfähigkeit auf unter drei Stunden täglich zunächst die Nahtlosigkeitsregelung des § 44a Abs. 1 S. 7 SGB II greifen würde (vgl. zur Vorgängerregelung BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 19 m.w.N.; Korte in: LPK-SGB II, § 44a Rn. 23 f., 5. Auflage 2013; Knapp in: jurisPK-SGB II, § 44a Rn. 68, 3. Auflage 2012, Stand: 16.08.2013), sind weitere Ermittlungen hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht angezeigt.
- 121
2.3 Der Kläger war hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II, was gemäß § 9 Abs. 1 SGB II der Fall ist, wenn jemand seinen eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II), sichern kann und die nötige Hilfe nicht von anderen erhält. Dies trifft vorliegend zu, weil dem Bedarf des Klägers zum Lebensunterhalt im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen oder Vermögen gegenüberstand, das den Bedarf vollständig hätte decken können. Als Einkommen zu berücksichtigen war seit dem 01.02.2014 lediglich die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die zur Deckung des Gesamtbedarfs bereits ohne Berücksichtigung eines höheren Unterkunftsbedarfes nicht ausreichte.
- 122
2.4 Der Kläger war nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, § 7 Abs. 4 SGB II, § 7 Abs. 5 SGB II oder § 77 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 4a SGB II a.F. von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen.
- 123
2.5 Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, so dass er dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen unter Berücksichtigung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat. Der Kläger ist alleiniger Mietvertragspartner. Im Monat Dezember 2013 hatte der Kläger eine Kaltmiete in Höhe von 313,90 Euro, eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 118 Euro und eine Rate für die Heizgaslieferung in Höhe von 51 Euro zuzüglich eines als Heizungsbedarf zu qualifizierenden Anteils der Stromkostenvorauszahlung zu entrichten. Im Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 hatte der Kläger eine Kaltmiete in Höhe von 335,80 Euro, eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 118 Euro und eine Rate für die Heizgaslieferung in Höhe von 51 Euro zuzüglich eines als Heizungsbedarf zu qualifizierenden Anteils der Stromkostenvorauszahlung zu entrichten.
- 124
Die tatsächlichen Aufwendungen sind nachgewiesen durch eine Mietbescheinigung vom 19.03.2012 (Kaltmiete von 313,90 Euro und Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 118 Euro), durch den Mietvertrag vom 26.03.2012 und durch das Schreiben der Vermieterin vom 23.09.2013 (Erhöhung der Kaltmiete auf 335,80 Euro; Betriebskostenvorauszahlung weiter bei 118 Euro). Das Gericht hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Mieterhöhung zum 01.01.2014 zivilrechtlich unwirksam sein könnte.
- 125
Der Abschlag für die Heizgaslieferung in Höhe von 51 Euro monatlich ist nachgewiesen durch die Verbrauchsabrechnung vom 20.11.2013.
- 126
Die auf dem Mietvertrag für die selbst bewohnte Wohnung beruhenden Verpflichtungen des Klägers zur Zahlung der Kaltmiete und der Nebenkostenvorauszahlung sind Aufwendungen für Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (BSG, Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 35/06 R - Rn. 20). Die für die Belieferung mit Heizgas zu zahlende Rate ist als Heizungsbedarf im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II anzuerkennen. Entsprechendes gilt nach der Rechtsauffassung der vorlegenden Kammer auch für einen noch abschließend zu schätzenden Anteil der Stromkostenvorauszahlung, der zum Betrieb der Kombigastherme erforderlich ist.
- 127
3. Die Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist für die durch das Gericht zu treffende Sachentscheidung über den Anspruch des Klägers entscheidungserheblich.
- 128
Entscheidungserheblichkeit im Sinne des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG liegt bereits vor, wenn bei Gültigkeit der Vorschrift (3.2) ein Entscheidungsspektrum eröffnet wird, das eine Abweichung von der Entscheidung bei Nichtigkeit der Vorschrift (3.1) ermöglicht. Nicht erforderlich ist hingegen das Vorliegen einer einzigen Entscheidungsalternative, da andernfalls eine Vorlage von für verfassungswidrig zu unbestimmt gehaltenen Regelungen ausgeschlossen wäre.
- 129
3.1 Im Falle der Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wäre der Beklagte zur Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu verurteilen. Die den Bedarf für Unterkunft und Heizung regelnde Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hätte bei Nichtigerklärung des zweiten Halbsatzes den Wortlaut:
- 130
"Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt."
- 131
Demzufolge wären bei der Berechnung des Leistungsanspruchs im Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe ohne weitere Begrenzung zu berücksichtigen.
- 132
Konkret würde dies im vorliegenden Verfahren zu einer Verurteilung des Beklagten zu höheren Leistungen unter Berücksichtigung eines höheren Bedarfs für Unterkunft im Umfang von 28,40 Euro für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 sowie im Umfang von 50,30 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 führen. Die monatliche Differenz resultiert daraus, dass der Beklagte bei der Leistungsberechnung an Stelle der tatsächlich geschuldeten Kaltmiete von 313,90 Euro für den Monat Dezember 2013 und in Höhe von 335,80 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 durchgehend eine für angemessen gehaltene monatliche Kaltmiete von 285,50 Euro zu Grunde legte. Diese Differenz schlägt zunächst auf den berücksichtigten Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und sodann auf die Höhe der Gesamtleistung nach § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II durch.
- 133
Die Kammer hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte eine andere Bedarfsposition (rechtswidrig) zu hoch angesetzt hätte, so dass die Unterdeckung im Bereich der Kaltmiete durch einen anderen Bedarfsanteil teilweise oder vollständig ausgeglichen wäre, mit der Folge, dass auch im Falle der Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 SGB II nicht zu höheren Leistungen zu verurteilen wäre. Insbesondere ist die zusätzliche Berücksichtigung eines Teils der Stromkosten des Klägers als Heizkosten im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II vor dem Hintergrund des elektrischen Betriebs der Kombigastherme dem Grunde nach nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 51/10 R - Rn. 15). Ob der hierbei durch den Beklagten berücksichtigte Betrag von 4,22 Euro monatlich zu niedrig, zu hoch oder zutreffend angesetzt ist, wird das Gericht im Falle eines Urteils gemäß § 202 SGG i.V.m. § 287 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) durch Schätzung zu bestimmen haben, da für den Stromverbrauch der Kombigastherme kein separater Zähler bzw. Zwischenzähler existiert, sodass die Stromkosten nicht konkret ausgewiesen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 51/10 R - Rn. 15; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - Rn. 27). Diese Schätzung ist kein Teil der Sachverhaltsermittlung, sondern kann erst anhand der ermittelten Tatsachen im Urteil erfolgen, so dass hierdurch die Zulässigkeit des Vorlageverfahrens (etwa wegen unvollständiger Tatsachenermittlung) nicht in Frage gestellt wird. Im Übrigen würde selbst unter der Annahme, die Stromkosten für die Kombigastherme seien nicht als Bedarf nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen (so vertreten durch SG Augsburg, Urteil vom 14.02.2013 - S 16 AS 887/12 - Rn. 12 ff.), eine rechtswidrige Begünstigung nur im Umfang von 4,22 Euro monatlich vorliegen, wodurch die Differenz zwischen tatsächlicher und bei der Bedarfsberechnung berücksichtigter Kaltmiete nur marginal kompensiert würde.
- 134
Entsprechendes gilt für die einkommensmindernde Berücksichtigung der Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung, die nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 73/12 R - Rn. 27) zusätzlich zur Versicherungspauschale nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AlgIIV abzusetzen sind. Für die vom Beklagten durchgeführte Durchschnittsberechnung gibt es keine Rechtsgrundlage, so dass der vierteljährlich fällige Beitrag ausschließlich im jeweiligen Fälligkeitsmonat vom Einkommen abzusetzen wäre. Demzufolge liegt rechnerisch eine rechtswidrige Begünstigung des Klägers in den Monaten Februar und März 2014 um den Betrag von 18,97 Euro monatlich vor, die aber ebenfalls nur zu einer teilweisen Kompensation der Differenz zwischen tatsächlicher und als angemessen anerkannter Kaltmiete, beschränkt auf den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014, führt.
- 135
Bei Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hätte der Kläger demzufolge einen gegenüber dem Änderungsbescheid vom 26.03.2014 höheren Leistungsanspruch. Der Beklagte wäre entsprechend zu verurteilen.
- 136
3.2 Im Falle der Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wäre hingegen offen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beklagte zu höheren Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu verurteilen wäre. Dies hinge davon ab, wie der Begriff der Angemessenheit im vorliegenden Fall zu konkretisieren wäre.
- 137
Die wesentliche verfassungsrechtliche Problematik besteht hier darin, dass es der für verfassungswidrig gehaltenen Vorschrift an der hinreichenden Bestimmtheit (bzw. Intensionstiefe, vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, 10. Auflage 2009, S. 196) mangelt. Dies hat nicht nur (zur Überzeugung der Kammer) die Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zur Folge, sondern führt auch dazu, dass sich die Rechtsfolgen unter Annahme der Gültigkeit der Vorschrift nicht ohne weiteres bestimmen lassen. Wegen der Unbestimmtheit des Angemessenheitsbegriffs könnte im Falle der Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II jede Entscheidung mit dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II in Einklang gebracht werden, die im Einzelfall zur Verurteilung zur Leistung unter Berücksichtigung der Unterkunftsaufwendungen in tatsächlicher Höhe führt. Auch ließe sich in jedem Einzelfall eine Kürzung des Leistungsanspruchs unter Berufung auf den Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. Hs. 2 SGB II begründen, insbesondere auch die vom Beklagten im vorliegenden Fall verfügte Begrenzung (3.2.1). Zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit muss es daher genügen, dass die Kammer das Spektrum der Entscheidungsmöglichkeiten für den Fall der Gültigkeit der Vorschrift aufzeigt (3.2.2), da andernfalls eine Vorlage von für verfassungswidrig zu unbestimmt gehaltenen Regelungen ausgeschlossen wäre (3.2.3).
- 138
3.2.1 Die Frage der Entscheidungserheblichkeit im Sinne des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG muss aus der Perspektive einer für den Fall der Gültigkeit der vorgelegten Norm anzunehmenden hypothetischen Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts beantwortet werden (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 06.11.1957 - 2 BvL 12/56, 2 BvL 12 BvL 13/56, 2 BvL 12 BvL 14/56, 2 BvL 12 BvL 15/56 - Rn. 13). Die Kammer muss bei Bildung dieser hypothetischen Rechtsauffassung notwendigerweise die Vorstellungen außer Betracht lassen, die zur Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift geführt haben.
- 139
Unter Vorwegnahme der Darlegungen zur Begründetheit des Vorlagebeschlusses beruht der Befund der Verfassungswidrigkeit im Wesentlichen auf folgenden Überlegungen:
- 140
1. Der Gesetzgeber verstößt gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, indem er die konkrete Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im für dessen Verwirklichung zentralen Bereich des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch Verwendung eines "unbestimmten Rechtsbegriffs" im Wesentlichen der Verwaltung und der Rechtsprechung überlässt.
- 141
2. Der Gesetzgeber verstößt gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, weil er die zur Festsetzung der existenzsichernden Leistungen erforderliche Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur folgerichtigen Begründbarkeit der Höhe des Leistungsanspruchs unterlassen hat.
- 142
Unter der Annahme, dass beide Vorwürfe nicht zuträfen, wäre dem Gericht ein Spektrum "vertretbarer", d.h. mit dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik vereinbarer Entscheidungen eröffnet, das eine volle Klageabweisung, ein volles Obsiegen des Klägers und jede Entscheidung zwischen beiden Polen grundsätzlich ermöglicht. Um dies zu belegen, genügt es, sich die zahlreichen Wertentscheidungen zu vergegenwärtigen, die ausgehend vom unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit getroffen werden müssen, um zu einer konkreten Einzelfallentscheidung zu kommen.
- 143
a) Die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hinge, sofern das BVerfG die Vorschrift nicht für nichtig erklärt oder die Verfassungswidrigkeit unter Anordnung anderer Rechtsfolgen feststellt, davon ab, nach welchen Parametern eine verfassungskonforme Konkretisierung der Vorschrift stattzufinden hätte. Sollte das BVerfG der Interpretation des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II überhaupt eine verfassungsrechtliche Relevanz zubilligen, wäre das vorlegende Gericht gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG auch an die Vorgaben des BVerfG zur verfassungskonformen Anwendung der Regelung gebunden (BVerfG, Beschluss vom 10.06.1975 - 2 BvR 1018/74 - Rn. 14; BVerfG, Beschluss vom 27.01.2006 - 1 BvQ 2/06 - Rn. 33 ff.). Über derartige Vorgaben lässt sich gegenwärtig nur spekulieren. Rein tatsächlich ist nicht auszuschließen, dass das BVerfG eine oder mehrere der bisher zur Konkretisierung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vertretenen Auffassungen als verfassungskonform erachten könnte.
- 144
b) Folgte das Gericht - sofern es ihm durch das BVerfG freigestellt werden sollte - nach verfassungsgerichtlicher Bestätigung der Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II der Rechtsprechung des BSG (s.o. unter A. IV. 1), hätte eine Überprüfung und gegebenenfalls Nachbesserung des vom Beklagten vorgelegten Konzepts zur Bestimmung der maßgeblichen Mietobergrenzen nach dessen Kriterien zu erfolgen. Ob die aus dem von A & K erarbeiteten Konzept abgeleitete Entscheidung des Beklagten über die dem Kläger zu gewährenden Leistungen den Anforderungen der BSG-Rechtsprechung standhalten würde, ist völlig offen. Ohne dass dies an dieser Stelle genauerer Erörterung bedürfte, eröffnet bereits die uneingeschränkte Prüfungsbefugnis der Gerichte die Möglichkeit zu einer Korrektur des Konzepts, da dieses - notwendigerweise - mit subjektiven Wertentscheidungen operiert, die jedes zur Entscheidung berufene Gericht auch anders treffen könnte (vgl. zu dieser Problematik: SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 65 ff.).
- 145
Anhaltspunkte für eine (nach Maßgabe des BSG) fehlende "Schlüssigkeit" des vorgelegten Konzepts ergeben sich jedenfalls aus der Ausgestaltung der Vergleichsräume, die anhand von Clusteranalysen empirisch-statistisch differenzierter Wohnungsmarkttypen und nicht nach "homogenen Lebensbereichen" (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 21) vorgenommen wurde, des Weiteren aus der relativ geringen Stichprobe bei der Datenerhebung (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - Rn. 16) und aus der Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen ausschließlich anhand der Kaltmiete bei Berücksichtigung der kalten Nebenkosten in tatsächlicher Höhe (entgegen BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 32/09 R - Rn. 28; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 85/09 R - Rn. 29). Letztendlich basiert die Festlegung der Perzentilen, mit denen die Angemessenheitsgrenze innerhalb der für die jeweilige Haushaltsgröße und den jeweiligen Wohnungsmarkttyp festgelegt werden, auf einer anhand von Plausibilitätserwägungen erfolgten Setzung des Konzepterstellers. Das zur Entscheidung berufene Gericht könnte auf der Basis der Rechtsprechung des BSG auch andere Perzentilen zur Festsetzung der abstrakten Angemessenheitsgrenze als "schlüssig" erachten. Mögliche Korrekturen durch das Gericht würden gegebenenfalls zu Nachermittlungen, aber nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Angemessenheitsgrenzen führen.
- 146
Nach derzeitiger Rechtsprechung des BSG wäre im Falle fehlender Ermittlungsmöglichkeiten von einer Angemessenheitsobergrenze auszugehen, die das BSG für die Bruttokaltmiete in Höhe der um 10 % angehobenen Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG verortet (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 25 ff. m.w.N.). Dies zu Grunde gelegt, kann davon ausgegangen werden, dass bei Unschlüssigkeit des Konzepts und durch das Gericht festgestelltem Ermittlungsausfall jedenfalls keine höheren Werte als die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG als Bruttokaltmiete zu berücksichtigen wären. Dies ergäbe im Falle eines Einpersonenhaushalts in Alzey (Mietenstufe III) einen Höchstwert nach § 12 Abs. 1 WoGG von 330 Euro. Um 10 % erhöht ergäbe dies eine Angemessenheitsobergrenze von 363 Euro. Die tatsächliche Bruttokaltmiete des Klägers lag für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 bei 431,90 Euro (313,90 Euro Grundmiete zuzüglich 118 Euro Nebenkostenvorauszahlung) und für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 bei 453,80 Euro (335,80 Euro Grundmiete zuzüglich 118 Euro Nebenkostenvorauszahlung). Tatsächlich berücksichtigte der Beklagte bei dem Kläger mit dem Änderungsbescheid vom 26.03.2014 über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum eine Bruttokaltmiete von 403,50 Euro (285,50 Euro "angemessene" Kaltmiete zuzüglich 118 Euro Nebenkostenvorauszahlung). Die tatsächlich bewilligten Leistungen lagen somit bereits über der vom BSG entwickelten "Angemessenheitsobergrenze".
- 147
Sollte sich die Rechtsprechung des BSG als verfassungsrechtlich vertretbar erweisen und würde sich die Kammer dieser Rechtsauffassung nach Entscheidung des BVerfG anschließen, würde dies im Ergebnis wahrscheinlich nicht dazu führen, dass die tatsächliche Bruttokaltmiete des Klägers als abstrakt angemessen angesehen werden könnte. Vor dem Hintergrund der Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II wäre aber auch dies für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht völlig ausgeschlossen. Die Klage wäre aber wahrscheinlich (teilweise) abzuweisen.
- 148
c) Würde das Gericht der Auffassung der 20. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 33; s.o. unter A. IV. 3.3) folgen, bedürfte es keiner weiteren Ermittlungen, weil die danach maßgeblichen Höchstbeträge nach § 12 WoGG sich dem Gesetz entnehmen und rechnerisch um 10 % erhöhen ließen. Hieraus ergäbe sich kein höherer Leistungsanspruch des Klägers. Die Klage wäre insoweit abzuweisen.
- 149
d) Würde die Kammer sich der Rechtsauffassung der 17. Kammer des SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 91 ff.; Urteil vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11 - Rn. 84 ff.; Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 72 ff.; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 751/12 - Rn. 41; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13 - Rn. 39; Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 50; s.o. unter A. IV. 3.1) oder der 20. Kammer des SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.; Urteil vom 16.12.2013 - S 20 AS 879/11 - Rn. 72; s.o. unter A. IV. 3.2) anschließen, dürften weitere Ermittlungen angesichts der relativ geringen Überschreitung der vom Beklagten zu Grunde gelegten Angemessenheitsgrenze ebenfalls obsolet sein. Der Beklagte wäre wohl zur Gewährung von höheren Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu verurteilen.
- 150
3.2.2 Die Frage, welche Auswirkung die Gültigkeit einer Vorschrift auf das Ergebnis des Prozesses haben würde, ist gerade bei normbereichsgeprägten unbestimmten Rechtsbegriffen wie dem der "Angemessenheit tatsächlicher Aufwendungen" nicht durch die (hypothetische) Einnahme eines juristischen Standpunktes zu lösen, weil sich die Entscheidungstätigkeit des Gerichts nicht in einer einfachen Subsumtion eines Falles unter einen Gesetzestext erschöpft. Die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs steuert von vornherein Richtung und Intensität der gerichtlichen Ermittlungen, deren Ergebnisse wiederum auf die (weitere) Konkretisierung des Rechtsbegriffs zurückwirken. Dies lässt sich methodologisch als mit-normative Wirkung von Sachbereichselementen beschreiben und kommt in der Rechtspraxis beispielsweise darin zum Ausdruck, dass Verwaltung und Tatsachengerichte nach der Rechtsprechung des BSG den durch das BSG initiierten Vorgang der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs mit Hilfe empirisch-statistischer Wohnungsmarktanalysen zu vervollständigen haben.
- 151
Aus diesem Grund sieht sich die Kammer weder dazu verpflichtet noch dazu in der Lage, der Frage, wie die Angemessenheitsgrenze bei Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift im konkreten Fall zu bestimmen wäre, zur Klärung der Entscheidungserheblichkeit vorzugreifen und auf dieser Basis eine gegebenenfalls erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Eine Beweisaufnahme würde die Vorlage an das BVerfG nicht vermeiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.01.1978 - 2 BvL 8/77 - Rn. 56), weil sie nicht dazu geeignet wäre, das Entscheidungsspektrum der Kammer soweit einzuschränken, dass nur noch ein mit dem Falle der Nichtigkeit der Vorschrift identisches Ergebnis vertretbar wäre. Die üblicherweise geforderte klare Entscheidungsalternative bei Nichtigkeit der Vorschrift einerseits und bei Gültigkeit andererseits (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 06.11.1957 - 2 BvL 12/56 u. a. - Rn. 12; BVerfG, Beschluss vom 22.04.1986 - 2 BvL 6/84 - Rn. 32; BVerfG, Beschluss vom 07.12.1988 - 1 BvL 27/88 - Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 01.04.2014 - 2 BvL 2/09 - Rn. 44; BVerfG, Beschluss vom 19.11.2014 - 2 BvL 2/13 - Rn. 38), kann und muss demzufolge nicht dargelegt werden.
- 152
Diese Ausgangssituation erfordert vielmehr eine Fortentwicklung der verfassungsprozessrechtlichen Dogmatik zur Entscheidungserheblichkeit dergestalt, dass Entscheidungserheblichkeit bereits dann gegeben ist, wenn bei Gültigkeit der Vorschrift ein Entscheidungsspektrum eröffnet wird, das eine Abweichung von der Entscheidung bei Nichtigkeit der Vorschrift ermöglicht. Diese Erweiterung ist notwendig, um Verfassungsverstöße bei bzw. durch Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe justiziabel zu machen und hierbei die Grenzen verfassungskonformer Auslegungsmöglichkeiten zu wahren. Sie ist mit dem Wortlaut des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG vereinbar, der lediglich besagt, dass es bei der Entscheidung des Gerichts auf die Gültigkeit des Gesetzes ankommen muss. Dies erfordert noch keine Festlegung, auf welche exakte Weise sich die gesetzliche Regelung im Falle ihrer Gültigkeit auf das Ergebnis der Entscheidung auswirkt. Die Entscheidungserheblichkeit ist bereits dann gegeben, wenn der für verfassungswidrig gehaltene Normbestandteil als wesentliches Eingangsdatum im Konkretisierungsprozess das Ergebnis der Endentscheidung beeinflusst (vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 31.01.1978 - 2 BvL 8/77 - Rn. 28).
- 153
3.2.3 Die Alternative zu dieser Vorgehensweise bestünde darin, die Entscheidungserheblichkeit zu verneinen, weil der unbestimmte Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ jedenfalls auch eine Entscheidung ermöglicht, die im Ergebnis einer Entscheidung bei Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II gleichkommt, beispielsweise unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der 17. Kammer des SG Mainz oder der 20. Kammer des SG Leipzig (s.o. unter A. V. 3.2.1 d).
- 154
Auf diese Weise wäre das Gericht gezwungen, seiner hypothetischen Rechtsauffassung für den Fall der Gültigkeit der Vorschrift stets die Entscheidungsalternative zu Grunde zu legen, die das gleiche Ergebnis mit sich brächte wie im Falle der Nichtigkeit der Vorschrift.
- 155
Das Gericht ist jedoch nicht dazu berechtigt oder gar verpflichtet, einer für unzutreffend gehaltenen Auffassung über die Möglichkeit einer "verfassungskonformen Auslegung" zu folgen, um die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage zu beseitigen. Dies führte zu einer faktischen Nichtanwendung der Vorschrift und damit entgegen Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG zu einer Normverwerfung, die gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG dem BVerfG vorbehalten ist.
- 156
3.2.4 Bei Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II würde dem Gericht ein gegenüber der Situation bei Nichtigkeit der Vorschrift erheblich erweitertes Entscheidungsspektrum eröffnet. Auf die Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II kommt es bei der Entscheidung des Falles somit an.
- 157
4. Die Entscheidungserheblichkeit wird ferner nicht dadurch beseitigt, dass die streitgegenständlichen Bescheide aus einem anderen Rechtsgrund aufzuheben wären und/oder dem Kläger aus anderen Rechtsgründen höhere Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zustehen könnten.
- 158
4.1 Die streitgegenständlichen Bescheide weisen keine entscheidungserheblichen formellen Mängel auf. Insbesondere ist der die früheren Bescheide ersetzende Änderungsbescheid vom 26.03.2014 sowohl begründet (§ 35 SGB X) als auch inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X). Die mit diesem Bescheid aufgehobenen älteren Bescheide wurden mit korrekter Datumsangabe und bezogen auf den betroffenen Leistungszeitraum eindeutig bezeichnet. Die Leistungsbewilligung wurde hinsichtlich der Bedarfsarten Regelbedarf, Unterkunftsbedarf und Heizungsbedarf differenziert auf die jeweiligen Bewilligungsmonate dargestellt, so dass der Bescheid auch im Hinblick auf mögliche Folgeentscheidungen nach § 22 Abs. 7 SGB II, § 22 Abs. 8 SGB II oder § 40 Abs. 4 S. 1 SGB II hinreichend bestimmt ist.
- 159
4.2 Der Kläger hat nicht aus anderen Rechtsgründen einen Anspruch auf höhere Leistungen, der das im vorliegenden Verfahren verfolgte Begehren vollständig erfüllen würde.
- 160
4.2.1 Der Kläger hat nicht aus einem von der Frage der Angemessenheit unabhängigen Rechtsgrund einen Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für die Kaltmiete.
- 161
a) Ob der Kläger in den Genuss der Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II kommen kann, hängt davon ab, ob und gegebenenfalls auf welche Weise der Begriff der Angemessenheit einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist.
- 162
Nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II sind die den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung so lange als Bedarf zu berücksichtigen, wie es dem oder der Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II knüpft in dessen erstem Halbsatz an die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II an. Diese bildet den sachlichen Bezugspunkt für die Frage, ob eine Kostensenkung unmöglich oder unzumutbar ist (vgl. zur Prüfungsreihenfolge auch BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 31).
- 163
Ohne die Frage der (konkreten) Angemessenheit zu klären, könnte eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung daher nur angenommen werden, wenn diese oder jene bereits unabhängig davon bestünde, welche Unterkunftsalternativen (oder andere Kostensenkungsmöglichkeiten) für den Leistungsberechtigten bestanden haben mögen. Rein hypothetisch könnte eine generelle Unmöglichkeit der Kostensenkung ohne Bezugnahme auf eine Angemessenheitsgrenze ansonsten nur angenommen werden, wenn es objektiv und unabhängig von näheren Eingrenzungen ("Vergleichsraum" usw.) für niemanden eine Möglichkeit gäbe, eine kostengünstigere Unterkunft als die vom Kläger bewohnte zu finden. Dass dies vorliegend nicht der Fall ist, belegen schon die von A & K im Zuge der Konzepterstellung erhobenen Angebotsmieten, die zum Teil eine geringere Kaltmiete als die vom Kläger geschuldete auswiesen.
- 164
Um § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II losgelöst von der Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zur Anwendung zu bringen, müsste der Leistungsberechtigte daher aus in seiner Person liegenden Gründen an seine konkret bewohnte Unterkunft derart gebunden sein, dass jeglicher Wohnungswechsel unmöglich oder unzumutbar wäre. Dies könnte beispielsweise aus behinderungsbedingten Gründen, aus der Verpflichtung zur Pflege von Angehörigen oder mit einer notwendig mit der Wohnung verknüpften Erwerbstätigkeit der Fall sein. Im Falle des Klägers liegen derartige Umstände nicht vor. Die vom Kläger mitgeteilten gesundheitlichen Einschränkungen schließen eine Kostensenkung durch Umzug nicht von vornherein aus. Auch die Regelhöchstfrist von sechs Monaten war im streitgegenständlichen Zeitraum bereits deutlich überschritten.
- 165
Der Kläger hat auch nicht bereits deshalb einen höheren Leistungsanspruch, weil die an ihn gerichtete Kostensenkungsaufforderung vom 05.03.2012 mangelhaft gewesen sein könnte. Der Beklagte hat in seinem Aufforderungsschreiben zwar nur eine Nettokaltmiete als Referenzmiete benannt, was nach der neueren Rechtsprechung des BSG den an die Kostensenkungsaufforderung zu stellenden Anforderungen nicht genügen würde (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 43 m.w.N.). Die Kostensenkungsaufforderung ist jedoch keine formelle Voraussetzung für eine Absenkung des anzuerkennenden Unterkunftsbedarfs nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 19). Es ist zwar auch ohne nähere Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs einleuchtend, die Entstehung einer Kostensenkungsobliegenheit an die Kenntnis derselben zu knüpfen. Diese Voraussetzung lässt sich dem Tatbestand der Unzumutbarkeit des Umzugs in dem Sinne zuordnen, dass eine Kostensenkung ohne Kenntnis der Notwendigkeit derselben vom Leistungsberechtigten nicht erwartet werden kann. Losgelöst von einer Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs muss aber insoweit genügen, dass dem Leistungsberechtigten überhaupt mitgeteilt wird, dass der Leistungsträger die bisher berücksichtigten unterkunftsbezogenen Aufwendungen für unangemessen hält und eine Absenkung der Leistung beabsichtigt. Dies hat der Beklagte dem Kläger im Schreiben vom 05.03.2012 mitgeteilt.
- 166
Die vom BSG entwickelten qualitativen Voraussetzungen für die "Wirksamkeit" der Kostensenkungsaufforderung resultieren hingegen aus einer bestimmten Auslegung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II und setzen sowohl dessen Verfassungsmäßigkeit als auch eine nähere Konkretisierung voraus. Die Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II weist bei Abstraktion von den für den vorliegenden Beschluss maßgeblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ein dem § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vergleichbar breites Spektrum an Konkretisierungs- und Entscheidungsmöglichkeiten auf. Hiervon werden auch die aus der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs abgeleiteten Voraussetzungen für den Eintritt der Kostensenkungsobliegenheit erfasst.
- 167
Daher hängt auch die Frage, ob dem Kläger die Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II zu Gute kommen kann, von der Gültigkeit der Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ab.
- 168
Dem Gericht ist es verwehrt, § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II "verfassungskonform" so auszulegen, dass in Folge der Unbestimmtheit des Angemessenheitsbegriffs eine Kostensenkung per se unmöglich oder unzumutbar wäre, gegebenenfalls vermittelt über die Behauptung, dass der Leistungsträger in Folge der Unbestimmtheit und/oder Verfassungswidrigkeit des Angemessenheitsbegriffs gar nicht dazu in der Lage sei, eine rechtmäßige Kostensenkungsaufforderung zu erteilen. Eine solche Auslegung liefe auf eine Negation der Wirkungen des Angemessenheitsbegriffs zwar nicht im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, jedoch in dessen Auswirkungen auf § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II hinaus. Eine solche Vorgehensweise käme einer Normverwerfung gleich, die dem Fachgericht wegen seiner Bindung an das Gesetz nicht gestattet ist.
- 169
b) Der Kläger hat auch keinen mit dem Klagebegehren gleichwertigen Anspruch auf Übernahme des Differenzbetrags aus tatsächlicher und berücksichtigter Kaltmiete aus § 22 Abs. 8 SGB II.
- 170
Nach § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II können Schulden übernommen werden, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II sollen Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Gemäß § 22 Abs. 8 S. 4 SGB II sollen diesbezügliche Geldleistungen als Darlehen erbracht werden. Nach § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt, solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen.
- 171
Es kann vorliegend offen bleiben, ob zwischen dem Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II und der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II ein Ausschließlichkeitsverhältnis besteht (soBerlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 188, 5. Auflage 2013) und ob eine Leistung zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft grundsätzlich nicht gerechtfertigt im Sinne des § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II sein kann (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 194, 5. Auflage 2013). Desgleichen kann offen bleiben, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 22 Abs. 8 SGB II im Falle des Klägers gegeben wären und ob ein derartiger Anspruch bereits an einer fehlenden separaten Antragstellung scheitern würde (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 3/14 R - Rn. 15). Denn jedenfalls im Hinblick auf die Rechtsfolgen würde durch die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach § 22 Abs. 8 SGB II dem Begehren des Klägers nicht vollumfänglich entsprochen. Zunächst könnte der Beklagte auf Grund des eingeräumten Ermessens (abgesehen vom Fall der Ermessensreduzierung auf Null) im Unterschied zur Verurteilung zu Leistungen nach §§ 19 Abs. 1, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II durch das Gericht nur zur Neubescheidung verpflichtet werden (§ 131 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 SGG; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 131 Rn. 12d, 11. Auflage 2014). Darüber hinaus hätte der Beklagte die Schulden im Regelfall darlehensweise zu übernehmen (§ 22 Abs. 8 S. 4 SGB II), was bereits als solches eine vergleichsweise schlechtere Rechtsposition als die begehrte vermittelt, die wegen der bei darlehensweiser Gewährung zwingenden Tilgungsregelung des § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II weiter verschlechtert würde (vgl. zu den Möglichkeiten und Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung von Sollvorschriften im Zusammenhang mit § 42a Abs. 1 S. 1 SGB II: SG Berlin, Urteil vom 22.02.2013 - S 37 AS 25006/12 - Rn. 29 ff. einerseits und SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 100 f. andererseits und Bittner in: jurisPK-SGB II, § 42a Rn. 31.1, 3. Auflage 2012, Stand: 22.07.2014).
- 172
c) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger einen Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft aus § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II hat.
- 173
Nach dieser Vorschrift muss eine Absenkung der nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Unabhängig von der umstritten Frage, ob § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II überhaupt ein subjektives Recht gewährt (verneinend: Sächsisches LSG, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12 - Rn. 202 unter Verweis auf die Gesetzesbegründung - BT-Drucks. 17/3404, S. 98; bejahend: Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 96, 5. Auflage 2013), stünde die Entscheidung, ob eine Absenkung der für unangemessen gehaltenen Aufwendungen verlangt wird, im Ermessen des Leistungsträgers (Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 96, 5. Auflage 2013), was sich aus der Wendung "muss nicht gefordert werden" im Gesetzeswortlaut ergibt. Die Frage, wann ein Wohnungswechsel in Folge zu übernehmender Umzugskosten unwirtschaftlich wäre, hinge im Übrigen wesentlich davon ab, in welchem Umfang der Leistungsberechtigte zur Senkung seiner Unterkunftskosten verpflichtet wäre. Dies ergäbe sich wiederum aus der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, sodass die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II ihrerseits von der Gültigkeit der Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II abhängt.
- 174
4.2.2 Andere Rechtsgrundlagen, die dem Kläger materiell einen höheren Leistungsanspruch verschaffen können, stellen die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage bereits deshalb nicht in Frage, weil sie zum auf höhere Leistungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II gerichteten klägerischen Begehren allenfalls hinzutreten, dieses jedoch nicht erfüllen können. Deshalb hängt die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nicht von der Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs nach § 20 SGB II ab (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13), unabhängig davon, ob von einer Trennbarkeit der Streitgegenstände Regelbedarf und Unterkunftsbedarf ausgegangen wird. Auch die im vorliegenden Verfahren gegebenenfalls noch zu klärende Frage, ob ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II auf Grund eines Diabetes mellitus Typ II zu berücksichtigen ist, berührt die Entscheidungserheblichkeit nicht. Gemessen an der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R - Rn. 25 ff.) dürfte dem Kläger ohnehin frühestens ab dessen Kenntnis von der ernährungsrelevanten Erkrankung ein Mehrbedarf zustehen, die er erst im Zuge der Krankenhausbehandlung Ende März 2014 erlangte.
- 175
Desgleichen lässt es die Entscheidungserheblichkeit unberührt, dass der Kläger einen höheren Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung im Hinblick auf die im Dezember 2013 an den Energielieferanten zu entrichtende Nachzahlung und auf eine - schätzungsabhängig - weitergehende Berücksichtigung von laufenden Stromkosten als Heizkosten haben könnte. Denn diese Positionen stellten eine Erhöhung der tatsächlichen Aufwendungen dar, die zur nicht vollständig berücksichtigten Kaltmiete hinzuträten und das Klagebegehren somit nicht erschöpfen würden. Entsprechendes gilt für die Frage, ob der Kläger noch Mietaufwendungen für die Garage schuldet und diese als Unterkunftskosten zu berücksichtigen wären.
- 176
4.2.3 Die Entscheidungserheblichkeit wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beklagte für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 zur Gewährung höherer Leistungen verurteilt werden könnte, weil die Teilaufhebung der Leistungsbewilligung mit Änderungsbescheid vom 15.01.2014 rechtwidrig gewesen sein könnte und deshalb aufzuheben wäre.
- 177
Die mit dem Änderungsbescheid vom 15.01.2014 verfügte und in den Folgeänderungen aufrechterhaltene teilweise Aufhebung des Bescheids vom 06.01.2014 ist entgegen der Begründung des Bescheids am Maßstab des § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB X zu messen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist § 48 Abs. 1 SGB X nicht einschlägig, da der zurückzunehmende Bescheid vom 06.01.2014 bereits nach Erlass des Rentenbescheids vom 17.12.2013 ergangen ist, so dass in der Sach- und Rechtslage bezüglich der Rentenbewilligung nach dem 06.01.2014 keine Änderung mehr eingetreten ist. Vielmehr war der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 von Beginn an rechtswidrig zu Gunsten des Klägers, soweit die ab dem 01.02.2014 zu erwartende Rentenzahlung nicht als Einkommen berücksichtigt wurde.
- 178
Nach § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen bereits verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Da die teilweise Rücknahme der Leistungsbewilligung ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft (ab dem 01.02.2014) erfolgte, der Kläger die Leistungen zum Zeitpunkt der Rücknahme dementsprechend noch nicht erhalten hatte, konnte er sie auch noch nicht verbraucht haben. Für im Vertrauen auf noch auszuzahlende Leistungen getätigte Vermögensdispositionen gibt es keine Anhaltspunkte. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 15.01.2014 noch kein schutzwürdiges Vertrauen aufgebaut hatte, das einer teilweisen Rücknahme der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Zukunft entgegenstünde.
- 179
Die Teilaufhebung könnte allerdings deshalb rechtwidrig sein, weil der Beklagte bei Erlass des Änderungsbescheides vom 15.01.2014 kein Ermessen ausgeübt hat. Für Rücknahmen rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakte nach § 45 SGB X sieht § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nur eine gebundene Entscheidung vor, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X vorliegen, also entweder eine Erwirkung des Verwaltungsaktes durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung, das Beruhen des Verwaltungsaktes auf vorsätzlich oder grob fahrlässig getätigten unrichtigen oder unvollständigen Angaben oder die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Nach derzeitigem Verfahrensstand käme allenfalls eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 06.01.2014 in Betracht, wobei auch hierfür keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen.
- 180
Bei Fehlen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X hätte der Beklagte eine Ermessensentscheidung zu treffen gehabt (Conradis in: LPK-SGB II, § 40 Rn. 15, 5. Auflage 2013). Der Änderungsbescheid vom 15.01.2014 enthält keine Ermessenserwägungen. Dies gilt auch für die Änderungsbescheide vom 30.01.2014 und vom 26.03.2014. Dem liegt die ausdrücklich geäußerte Auffassung des Beklagten zu Grunde, dass ein Fall des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X vorliege. Hierüber hätte gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III eine gebundene Entscheidung zu ergehen.
- 181
Eine Heilung des Ermessensfehlers wäre jedoch zumindest durch Erlass eines Gegenstandsbescheids nach § 96 Abs. 1 SGG denkbar (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 A 1/03 R - Rn. 17; Waschull in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, § 41 Rn. 14, 3. Auflage 2011), solange die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X noch nicht abgelaufen ist.
- 182
Ob die Voraussetzungen für die mit Bescheid vom 15.01.2014 erfolgte teilweise Rücknahme des Änderungsbescheids vom 06.01.2014 gegeben waren, musste von der vorlegenden Kammer noch nicht abschließend geklärt werden, da der ebenfalls streitgegenständliche Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.01.2014 hiervon nicht betroffen ist und diese Frage auf die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage somit keinen Einfluss hat.
VI.
- 183
Das BVerfG hat sich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II noch nicht befasst, so dass der Zulässigkeit der Vorlage nicht der Einwand der Rechtskraft nach § 31 Abs. 1 BVerfGG entgegensteht (vgl. zu dieser Voraussetzung BVerfG, Beschluss vom 30.05.1972 - 1 BvL 18/71 - Rn. 18).
- 184
1. Im Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 07.11.2007 (1 BvR 1840/07) wird § 22 SGB II erwähnt, die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift jedoch nicht geprüft.
- 185
2. Im Nichtannahmebeschluss vom 25.11.2009 (1 BvR 2515/09 - Rn. 7) führt die 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG an, dass sich aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG ergebe, dass es sich bei den Kosten für Renovierungsarbeiten, die während eines laufenden Mietverhältnisses vorgenommen werden, nicht um angemessene Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II handele, wenn der Hilfebedürftige hierzu nach dem Mietvertrag nicht wirksam verpflichtet sei und sie auch nicht zur Aufrechterhaltung der Bewohnbarkeit der Wohnung erforderlich seien. Das BVerfG referiert hier die Rechtsprechung des BSG unter Bezugnahme auf das Urteil vom 16.12.2008 (B 4 AS 49/07 R - Rn. 28) dergestalt, dass dieses hinsichtlich der "Bewohnbarkeit" der Wohnung auf einen einfachen Ausstattungsgrad oder auf einen Ausstattungsstandard im unteren Wohnungssegment abgestellt habe, ohne diese Frage einer eigenen, verfassungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen. Gegenstand dieses Verfahrens war eine Verfassungsbeschwerde, die sich auf eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG sowie auf eine Verletzung Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 Abs. 3 GG stützte. Eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wurde - soweit dies dem Beschlusstext entnommen werden kann - nicht geltend gemacht und wurde vom BVerfG auch nicht geprüft.
- 186
3. Im Urteil vom 09.02.2010 hat das BVerfG (1 BvL 1/09 u.a.) die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht geprüft. Streitgegenstand war ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der damaligen Regelleistung (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 1, 85, 99, 106, 125, 126, 127, 129). Mit der Formulierung, "§ 22 Abs. 1 SGB II stell(e) die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher" (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148), hat das BVerfG erkennbar weder eine Prüfung der Regelung als solcher noch der hierzu ergangenen fachgerichtlichen Rechtsprechung durchgeführt (vgl. auch Stölting in: jurisPK-SGB XII, § 35a Rn. 10, 2. Auflage 2014, Stand 25.06.2014). Das BVerfG formuliert vielmehr einen Anspruch oder ein Postulat, äußert sich aber nicht zu der Frage, ob § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verfassungswidrig ist. Diese Frage war im Urteil vom 09.02.2010 nicht streitgegenständlich, so dass das BVerfG nicht zur Entscheidung hierüber befugt war (§ 81 BVerfGG). Soweit in der zitierten Formulierung zum Ausdruck gebracht wird, dass § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II grundsätzlich zur Verschaffung existenzsichernder Leistungen für die Unterkunft geeignet ist, ist dem zuzustimmen. Dies ergibt sich daraus, dass nach dem ersten Halbsatz der Regelung grundsätzlich der tatsächliche Bedarf zu berücksichtigen ist.
- 187
4. Im Nichtannahmebeschluss vom 24.03.2010 (1 BvR 395/09 - Rn. 3) war ebenfalls nur die Regelleistung Gegenstand der Prüfung.
- 188
5. Im Nichtannahmebeschluss vom 07.07.2010 (1 BvR 2556/09 - Rn. 25) findet § 22 SGB II nur am Rande Erwähnung.
- 189
6. Im stattgebenden Kammerbeschluss des BVerfG vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11) war die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ebenfalls nicht Gegenstand der Prüfung. Das BVerfG stellt hier lediglich fest, dass die im dem Verfahren vor dem BVerfG zu Grunde liegenden Gerichtsverfahren aufgeworfene Rechtsfrage, ob die den Beschwerdeführern tatsächlich entstehenden Kosten der Unterkunft als angemessen anzusehen seien, zum gängigen Geschäft eines Sozialgerichts gehöre und diese Frage bereits bei Klageerhebung in den Grundzügen höchstrichterlich geklärt gewesen sei (BVerfG, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 BvR 232/11 - Rn. 23). Das BVerfG erläutert dann kurz den Stand der Rechtsprechung des BSG zur Frage der Angemessenheit, ohne diese einer verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen (BVerfG, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 BvR 232/11 - Rn. 25). Dass eine solche Prüfung dort unterblieben ist, war folgerichtig, da die streitgegenständliche Verfassungsbeschwerde sich lediglich gegen die (vermeintlich) überlange Verfahrensdauer vor einem Sozialgericht gerichtet hatte. Die Frage, ob ein Gericht in angemessener Zeit entscheiden kann, ist unterscheidbar und zu unterscheiden von der Frage, ob die Entscheidung auf Grund einer verfassungsgemäßen Norm oder auf welche Weise verfassungskonform zu erfolgen hat. Eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Normen wäre deshalb fehl am Platze gewesen und entspräche auch nicht der Zurückhaltung, die sich das BVerfG bei der Prüfung fachgerichtlicher Entscheidungen nach eigenem Selbstverständnis auferlegt (vgl. Baer, NZS 2014, S. 4).
- 190
7. Im Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) spielt die Angemessenheit von Unterkunftsleistungen bzw. -bedarfen keine Rolle. Es wird lediglich am Rande erwähnt, dass Kosten für Unterkunft und Heizöl nach dem AsylbLG in tatsächlicher Höhe gedeckt würden (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 83).
- 191
8. Der Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 29.05.2013 (1 BvR 1083/09) enthält keinerlei Ausführungen zum Verhältnis von § 22 SGB II zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.
- 192
9. Auch im Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.) unterlagen nur die Leistungen für den Regelbedarf der verfassungsrechtlichen Prüfung. Hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung hält das BVerfG lediglich fest, dass nach § 22 Abs. 1 SGB II die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen würden (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 90).
- 193
10. Die Behauptung, das BVerfG habe die Rechtsprechung des BSG zum Begriff der Angemessenheit bereits gebilligt (Luik, jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 12 ff.; SG Karlsruhe, Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 49 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 104/14 - Rn. 43; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 3878/11 - Rn. 44), erweist sich somit als haltlos. Es trifft auch nicht zu, dass es für den 1. Senat des BVerfG nahegelegen hätte, in seiner Entscheidung über die Regelleistungen des Arbeitslosengeldes II gemäß § 78 S. 2 BVerfGG auch § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II aus denselben Gründen für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären (so aber SG Dresden, Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 57). Im Gegenteil hätte es eine Kompetenzüberschreitung des BVerfG bedeutet, eine Norm für verfassungswidrig zu erklären, auf deren Gültigkeit es im zu entscheidenden Verfahren nicht ankam.
VII.
- 194
Einer Rüge der Nichtigkeit der Rechtsvorschrift durch die Beteiligen bedarf es nicht (§ 80 Abs. 3 BVerfGG).
B.
- 195
§ 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist verfassungswidrig. Die Regelung verstößt gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz der Menschenwürde) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip).
I.
- 196
Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133).
- 197
1. Mit dem Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.), bestätigt und ergänzt durch das Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) und den Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.), hat das BVerfG die auf Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) gestützte staatliche Pflicht zur Existenzsicherung subjektivrechtlich fundiert und ein Recht auf parlamentsgesetzliche Konkretisierung in strikten einfachgesetzlichen Anspruchspositionen konstituiert (soRixen, SGb 2010, S. 240). Bereits mit Beschluss vom 12.05.2005 hatte das BVerfG klargestellt, dass die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates sei, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. 28).
- 198
Im Urteil vom 09.02.2010 stellt das BVerfG nicht nur prozedurale Anforderungen an die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums an einen beliebigen (staatlichen) Akteur, sondern weist die Bestimmung des Anspruchsinhalts auch einem konkreten Adressaten, dem Bundesgesetzgeber, zu. Der Bundesgesetzgeber steht, da er von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Recht der öffentlichen Fürsorge aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG umfassend Gebrauch gemacht hat (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 181), demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteht (Berlit in: LPK-SGB II, § 22a Rn. 6, 5. Auflage 2013). Hiermit hat das BVerfG das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG als Gewährleistungsrecht im Sozialrecht aktiviert (Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 275).
- 199
2. Das BVerfG entwickelt das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Das Menschenwürdeprinzip aus Art. 1 Abs. 1 GG wird dabei als eigentliche Anspruchsgrundlage herangezogen, während das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG im Sinne eines Gestaltungsgebots mit erheblichem Wertungsspielraum verstanden wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 62). Das auf dieser Grundlage bestimmte Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG demnach neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133).
- 200
Der unmittelbare verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nach den Ausführungen des BVerfG nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet hierbei das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, da der Mensch als Person notwendig in sozialen Bezügen existiert (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 135).
- 201
Das BVerfG führt hierzu weiter aus, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch ein Parlamentsgesetz erfolgen müsse, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthalte. Aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gelte in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz gehe. Zudem könne sich der von Verfassungs wegen bestehende Gestaltungsspielraum des Parlaments nur im Rahmen eines Gesetzes entfalten und konkretisieren. Schließlich sei die Begründung von Geldleistungsansprüchen auch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte verbunden. Derartige Entscheidungen seien dem Gesetzgeber vorbehalten (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136). Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkomme, sei das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 137).
- 202
Der Umfang des Anspruchs könne im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Er hänge von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und sei danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG halte den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen. Die hierbei erforderlichen Wertungen kämen dem parlamentarischen Gesetzgeber zu. Ihm obliege es, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren. Ihm komme Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Dieser umfasse die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und sei zudem von unterschiedlicher Weite: Er sei enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiere, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehe (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 138).
- 203
Zur Konkretisierung des Anspruchs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen. Hierzu habe er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibe ihm dafür keine bestimmte Methode vor (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 139). Es komme dem Gesetzgeber zu, die Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auszuwählen. Die getroffene Entscheidung verändere allerdings nicht die grundrechtlichen Maßstäbe (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 78).
- 204
3. Zum (verfassungs-)gerichtlichen Prüfungsmaßstab führt das BVerfG aus, dass dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums eine zurückhaltende Kontrolle durch das BVerfG entspreche.
- 205
Das Grundgesetz selbst gebe keinen exakt bezifferten Anspruch vor. Deswegen könne auch der Umfang dieses Anspruchs im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und der dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Dem BVerfG komme nicht die Aufgabe zu, zu entscheiden, wie hoch ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums sein müsse. Es sei zudem nicht seine Aufgabe, zu prüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung zur Erfüllung seiner Aufgaben gewählt habe. Aus verfassungsrechtlicher Sicht komme es vielmehr entscheidend darauf an, dass die Untergrenze eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht unterschritten werde und die Höhe der Leistungen zu dessen Sicherung insgesamt tragfähig begründbar sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 80).
- 206
Die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz beschränke sich darauf, ob die Leistungen evident unzureichend seien. Diese Kontrolle beziehe sich auf die Höhe der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienten, diese Höhe zu bestimmen. Evident unzureichend seien Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich sei, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen könnten, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 81).
- 207
Jenseits der Evidenzkontrolle überprüfe das BVerfG, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen seien. Das BVerfG setze sich dabei nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers, sondern überprüfe lediglich die gesetzgeberischen Festlegungen zur Berechnung von grundgesetzlich nicht exakt bezifferbaren, aber grundrechtlich garantierten Leistungen. Ließen sich diese nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stünden sie mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG im Einklang (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 82).
- 208
Entscheidend sei, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichte und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs tragfähig begründet werden könnten (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 76). Die sich aus der Verfassung ergebenden Anforderungen an die methodisch sachgerechte Bestimmung grundrechtlich garantierter Leistungen bezögen sich nicht auf das Verfahren der Gesetzgebung, sondern auf dessen Ergebnisse. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG bringe für den Gesetzgeber keine spezifischen Pflichten im Verfahren mit sich. Entscheidend sei, ob sich die Höhe existenzsichernder Leistungen durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen sachlich differenziert begründen lasse. Das Grundgesetz enthalte in den Art. 76 ff. GG zwar Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren, die auch die Transparenz der Entscheidungen des Gesetzgebers sicherten. Das parlamentarische Verfahren mit der ihm eigenen Öffentlichkeitsfunktion sichere so, dass die erforderlichen gesetzgeberischen Entscheidungen öffentlich verhandelt würden und ermögliche, dass sie in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert würden. Die Verfassung schreibe jedoch nicht vor, was, wie und wann genau im Gesetzgebungsverfahren zu begründen und zu berechnen sei, sondern lasse Raum für Verhandlungen und für den politischen Kompromiss. Das Grundgesetz verpflichte den Gesetzgeber insofern auch nicht, durch Einbeziehung aller denkbaren Faktoren eine optimale Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen. Darum zu ringen sei vielmehr Sache der Politik (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77).
- 209
Zur Ermöglichung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle bestehe für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Komme er dieser Obliegenheit nicht hinreichend nach, stehe die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 144).
- 210
4. Die vorlegende Kammer ist gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG an die vom BVerfG für das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.), im Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) und im Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.) entwickelten Maßstäbe gebunden. Die Bindungswirkung der Entscheidungen des BVerfG umfasst in sachlicher Hinsicht nicht nur die Entscheidungsformel, sondern auch die tragenden Gründe der Entscheidung (BVerfG, Entscheidung vom 20.01.1966 - 1 BvR 140/62 - Rn. 40; BVerfG, Beschluss vom 10.06.1975 - 2 BvR 1018/74 - Rn. 13 f.; vgl. BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 27.01.2006 - 1 BvQ 4/06 - Rn. 27 ff. ; vgl. Gaier, JuS 2011, S. 961).
- 211
5. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des BVerfG aber auch grundsätzlich an. Die Entwicklung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Umstand geschuldet, dass sowohl die Menschenwürdegarantie als auch das Sozialstaatsprinzip als echte, einklagbare, verfassungsrechtliche Garantien verstanden werden, nicht nur als bloße Programmsätze. Ein menschenwürdiges Leben, zu dessen Achtung und Schutz alle staatliche Gewalt nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet ist, kann nur mit einem Mindestmaß an materiellen und sozialen Ressourcen geführt werden (vgl. Schulz, SGb 2010, S. 203 f.). Der Schutz der Menschenwürde liefe ohne Rücksicht auf ihre ökonomischen Bedingungen ins Leere (Drohsel, NZS 2014, S. 99). Vor diesem Hintergrund erscheint es auch vertretbar, das Grund- und Menschenrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums allein auf Art. 1 Abs. 1 GG zu stützen (vgl. Tiedemann, NVwZ 2012, S. 1032 f.).
- 212
5.1 Das Bekenntnis zum Sozialstaat bedingt die (Selbst-)Verpflichtung des Staates und der ihn tragenden Gesellschaft, ein solches menschenwürdiges Leben auch denen zu garantieren, die hierfür nicht aus eigener Kraft (bzw. mit den Mitteln, die ihnen Staat und Gesellschaft anderweitig durch Bildung, Infrastruktur etc. zur Verfügung stellen) sorgen können. Die objektive staatliche Verpflichtung zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums enthält auch die Verpflichtung, Hilfebedürftigen einen Anspruch auf die Leistung zu verschaffen (so bereits BVerfG, Urteil vom 07.06.2005 - 1 BvR 1508/96 - Rn. 48; vgl. Baer, NZS 2014, S. 3). Diese subjektivrechtliche Seite der verfassungsrechtlichen Garantie ist eine zwingende Folge daraus, dass Art. 1 Abs. 1 GG als echte Rechtsnorm verstanden wird. Ohne subjektivrechtliche Fundierung liefe die Garantie der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ins Leere, sie wäre abhängig von der jeweiligen Staatsräson und vollständig Verhandlungsmasse im politischen Prozess (vgl. Spellbrink, NZS 2010, S. 653). Der Hilfebedürftige bliebe Almosenempfänger (Baer, NZS 2014, S. 3). Insofern ist es konsequent, die Garantie der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums terminologisch und dogmatisch in den Rang eines Grundrechts und Menschenrechts (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - Rn. 62) zu erheben.
- 213
5.2 Die Unverfügbarkeit des Grundrechts (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 74) resultiert aus dessen Verankerung im Grundsatz der Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), insofern hierin der Schutz der Selbstbestimmung des Menschen auf Grund seines Eigenwerts angesprochen wird (vgl. Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 10, 4. Auflage 1999). Der Mensch kann seinen Achtungsanspruch nach Art. 1 Abs. 1 GG nicht verwirken, auch nicht durch selbst zu verantwortende Handlungen. Die vom BVerfG hervorgehobene Unverfügbarkeit "dem Grunde nach" bringt lediglich zum Ausdruck, dass hinsichtlich der Art und Höhe der existenzsichernden Leistungen ein Gestaltungsspielraum besteht. Die Verwendung dieser Formulierung ist abzugrenzen von einem lediglich "grundsätzlich" bestehenden Recht, welches im Ausnahmefall auch nicht bestehen kann. Die Verpflichtung zur "Konkretisierung" und "Aktualisierung" (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 74) bedeutet keine Einschränkungsbefugnis.
- 214
Bei der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Sicherung des Existenzminimums geht es nicht darum, bestimmte Lebensentwürfe zu ermöglichen, sondern das physische Überleben und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe des Menschen im Falle der Hilfebedürftigkeit unabhängig von dessen Lebensentwurf zu garantieren. Der Staat kann Art und Höhe der Gewährung von Sozialleistungen generell zwar von der Erfüllung von Verhaltenserwartungen abhängig machen, nicht jedoch die Gewährleistung des Existenzminimums. Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 137).
- 215
Die Gewährung existenzsichernder Leistungen darf deshalb nicht von der Erfüllung von Gegenleistungen oder von bestimmten Handlungen durch den Hilfebedürftigen abhängig gemacht werden (a.A. wohl Berlit, info also 2013, S. 201 f.). Dies lässt die Zulässigkeit der Schaffung von Mitwirkungsobliegenheiten unberührt, die dazu dienen, festzustellen, ob Hilfebedürftigkeit überhaupt besteht (vgl. §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -; vgl. auch Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 290). Die Unverfügbarkeit des Grundrechts ist nicht durch den Verweis auf ein Prinzip der Selbstverantwortlichkeit, das gleichfalls ein Gebot der Menschenwürde sei, zu relativieren (in diese Richtung Görisch, NZS 2011, S. 648; Berlit, info also 2013, S. 200; weitere Nachweise bei Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 390). Auch wenn nach bestimmten Menschenwürdekonzeptionen Erwerbsarbeit zur Würdeverwirklichung gehört, folgt hieraus nicht, dass der ebenfalls der Menschenwürdegarantie unterfallende Schutz des physischen und soziokulturellen Existenzminimums bei Verstoß gegen Erwerbsobliegenheiten wegfallen dürfte. Aus der Einbeziehung der Selbstverwirklichung durch Erwerbsarbeit in den Schutz der Menschenwürdegarantie könnte allenfalls gefolgert werden, dass der Staat derartige Selbstverwirklichung nicht verhindern darf und möglichst fördern sollte. Einer hilfebedürftigen Person existenzsichernde Leistungen vorzuenthalten, weil sie beispielsweise einer Erwerbsarbeit nicht nachgehen will, mag eine sozialpolitische Wunschvorstellung sein; die Annahme, dass dies als ein Ausdruck der Anerkennung der Menschenwürde des Betroffenen erscheinen könne (vgl. Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 390; Berlit, info also 2013, S. 200), liegt jedoch fern. Schließlich ist mit dem Anspruch auf existenzsichernde Leistungen kein Verbot der Selbstverwirklichung durch Erwerbsarbeit verbunden. Die Einräumung eines Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen kann für sich genommen die Menschenwürde nicht verletzen.
- 216
Die Beschränkung der Reichweite des Schutzes durch Art. 1 Abs. 1 GG durch Anreicherung des Menschenwürdebegriffs mit bestimmten Vorstellungen vom „guten“, "eigenverantwortlichen" oder „gemeinschaftsdienlichen“ Leben hätte letztendlich zur Folge, dass die Verwirklichung der Würde des Menschen Staats- oder Gemeinschaftszwecken untergeordnet werden dürfte. Dies zu verhindern, ist gerade der Sinn des Art. 1 Abs. 1 GG, der die Menschenwürde für unantastbar erklärt.
- 217
Die Verankerung des Existenzsicherungsgrundrechts in der Menschenwürdegarantie schließt es somit aus, die Frage, wem existenzsichernde Leistungen zu gewähren sind, vom durch demokratischen Mehrheitsbeschluss zugeschriebenen Wert eines Menschen oder seiner Handlungen für die Gesellschaft abhängig zu machen (vgl. Spellbrink, NZS 2010, S. 653).
- 218
Einschränkungen des materiellen Anspruchs der Höhe nach sind daher verfassungswidrig, wenn sie dazu führen, dass die Höhe der verbliebenen Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz evident unzureichend ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 81) oder sich durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen nicht sachlich differenziert begründen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 82). An diesem verfassungsrechtlichen Maßstab sind die im SGB II vorgesehenen Leistungseinschränkungen zu prüfen (neben § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II z.B. auch § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II, § 22 Abs. 5 S. 4 SGB II, § 31a Abs. 1 S. 1 SGB II, § 32 Abs. 1 S. 1 SGB II, § 42a Abs. 1 S. 1 SGB II, § 43 Abs. 2 S. 1 SGB II). Dies betrifft beispielsweise Leistungskürzungen durch Sanktionen (§ 31a SGB II, § 32 SGB II), die nur dann nicht verfassungswidrig sind, wenn trotz der Leistungskürzung noch das gesamte Existenzminimum einschließlich eines zumindest geringfügigen Maßes an sozialer Teilhabe gedeckt ist (Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 297 f.). Da es dem Gesetzgeber freisteht, den Leistungsanspruch über das Existenznotwendige hinaus zu erweitern, verstoßen Abstufungen in der Leistungshöhe, die verhaltenssteuernde Wirkung entfalten sollen, nicht automatisch gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07.07.2010 - 1 BvR 2556/09 - Rn. 9).
- 219
Leistungsausschlüsse dem Grunde nach, die trotz bestehender Hilfebedürftigkeit eintreten und durch kein anderes existenzsicherndes Leistungssystem (z.B. durch Leistungen nach dem SGB XII oder nach dem AsylbLG) aufgefangen werden, sind per se verfassungswidrig, da sie evident die Gewähr dafür entziehen, ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist. Nicht bedarfsbezogene Ausschlusstatbestände unter Missachtung der Grenzfunktion des Gesetzeswortlauts im Wege einer "teleologischen Gesetzeskorrektur" noch auszuweiten (so Hessisches LSG, Beschluss vom 11.12.2014 - L 7 AS 528/14 B ER - Rn. 57), verstößt daher nicht nur gegen das Gebot der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 97 Abs. 1 GG), sondern - falls kein anderes Existenzsicherungssystem greift - auch gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.
- 220
Die in den Nichtannahmebeschlüssen des BVerfG vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11) und vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11) geäußerte Auffassung, der Leistungsausschluss von Auszubildenden in § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II a.F. verletze das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht, da existenzielle Bedarfe, soweit sie durch die Ausbildung entstünden vorrangig durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) beziehungsweise nach dem SGB III gedeckt würden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08.10.2014 - 1 BvR 886/11 - Rn. 13), obwohl diese Leistungssysteme bedarfsunabhängige Ausschlussgründe vorsehen, stellt demgegenüber einen nicht ohne weiteres nachvollziehbaren Bruch mit der im Urteil vom 09.02.2010 entwickelten Dogmatik dar. Denn es ist unklar, weshalb die zur Voraussetzung der Gewährung existenzsichernder Leistungen gemachte Verhaltenserwartung des Abbruchs der Ausbildung oder des Studiums mit dem Axiom der Unverfügbarkeit des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sein könnte.
- 221
Das Grundrecht ist - unbeschadet der Beschlüsse des BVerfG vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11) und vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11) - dem Grunde nach unverfügbar und insoweit - wie es der überkommenen Dogmatik der Menschenwürdegarantie entspricht - "abwägungsfest" (Baer, NZS 2014, S. 3).
- 222
5.3 Dass das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum bei der Gestaltung des einfachrechtlichen Anspruchs belässt, gründet darauf, dass die normative Einschätzung dessen, was für ein menschenwürdiges Leben unter konkreten gesellschaftlichen Bedingungen erforderlich ist, nur im Wege eines politischen Prozesses erfolgen kann, dessen Durchführung unter den verfassungsrechtlichen Bedingungen einer parlamentarischen Demokratie den gewählten Legislativorganen obliegt. Der materielle Gehalt des Grundrechts muss im Gesetzgebungsprozess konkretisiert werden (vgl. jedoch zur Kritik an der sozialpolitischen "Leere" des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010: Schnath, NZS 2010, S. 298; zur Kritik an der eingeschränkten Überprüfbarkeit: Neskovic/Erdem, SGb 2012, S. 137 f.).
- 223
Der Einwand, das BVerfG entziehe die gesellschaftlich streitbare Frage nach der Reichweite der staatlichen Verpflichtung zur Absicherung des Existenzminimums durch Verankerung des Grundrechts in Vorschriften, die der Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG) unterliegen, für die Ewigkeit dem politischen Diskurs und schwäche hiermit das demokratische Prinzip (Groth, NZS 2011, S. 571; kritisch auch Rixen, NZS 2011, S. 333), vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen. Formal schwächt jedes Grundrecht und jede verfassungsrechtliche Bindung der Legislative die Demokratie, wenn man diese auf den Gesetzgebungsakt reduziert und die Voraussetzungen für den demokratischen Prozess (z.B. Meinungsfreiheit, soziale Teilhabe) ausblendet (vgl. auch Luik, jurisPR-SozR 4/2010 Anm. 1). Die Konstituierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch das BVerfG als "Gewährleistungsrecht" zwingt die Legislativorgane jedoch dazu, den demokratischen Prozess, der sich nicht im Gesetzgebungsakt erschöpft, praktisch zu realisieren, auch wenn grundsätzlich nur dessen Ergebnis einer (verfassungs-)gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
- 224
Die scheinbar entgegengesetzte Kritik, das BVerfG überlasse das Grundrecht weitestgehend der Disposition des nur bedingt gebundenen Gesetzgebers (Neskovic/Erdem, SGb 2012, S. 138), verdeutlicht die Kompromisshaftigkeit der vom BVerfG entwickelten Dogmatik. Bei der Konstruktion des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums werden Menschenwürdegarantie und Sozialstaatsprinzip mit dem Demokratieprinzip harmonisiert. Eine Lösung, die diese Verfassungsgrundsätze besser miteinander in Einklang bringt, ist der vorlegenden Kammer nicht ersichtlich.
- 225
5.4 Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums stellt an ein Staatswesen, welches den Schutz und die Achtung der Menschenwürde zum obersten Staatsziel erklärt und der Verfassung voranstellt (Art. 1 Abs. 1 GG) und sich als "sozial" bezeichnet (Art. 20 Abs. 1 GG), keine überzogenen Anforderungen, insbesondere nicht im Hinblick auf die Finanzierung (vgl. zu diesbezüglichen Vorbehalten gegenüber sozialen Menschenrechten: Wimalasena, KJ 2008, S. 4 f.). Letzteres wird dadurch gesichert, dass der Gesetzgeber in Ausübung seines Gestaltungsspielraums bei der inhaltlichen Bestimmung des Grundrechts den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsstand berücksichtigen kann und muss. Das Grundrecht ist zwar dem Grunde nach unverfügbar und abwägungsfest, der Höhe nach aber nicht vom gesellschaftlichen Wohlstand und dessen ökonomischen Grundlagen entkoppelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 74).
- 226
6. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums garantiert nicht nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Regelbedarfen (gegebenenfalls ergänzt durch Mehrbedarfe) zusammengefasst sind (§§ 20, 21 SGB II), sondern auch die Bedarfe für Unterkunft und Heizung (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 135; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 64; Bieresborn, jurisPR-SozR 12/2007 Anm. 2; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, S. 144 ff.; dies. in: Hauck/Noftz, § 22 SGB II Rn. 6, Stand Oktober 2012; Berlit in: LPK-SGB II, §22a Rn. 6, 5. Auflage 2013; ders., info also 2011, S. 195; Piepenstock in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 31, 3. Auflage 2012; Mutschler, NZS 2011, S. 481; Kofner, WuM 2011, S. 72; Knickrehm, SozSich 2010, S. 191; dies., NZM 2013, S. 602 ff.; dies., jM 2014, S. 339; Putz, SozSich 2011, S. 233, Klerks, info also 2011, S. 196; Gautzsch, NZM 2011, S. 498 f.; Rosenow, wohnungslos 2012, S. 56; Stölting in: Eicher, SGB II, § 1 Rn. 16, 3. Auflage 2013; Groth, SGb, 2013, S. 250; Axer, SGb 2013, S. 671; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 90; vgl. bereits Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rn. 5, 1. Auflage 2005).
- 227
Die Versorgung mit einer Unterkunft und Schutz gegen Kälte in dieser Unterkunft gehören zu den durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Grundbedürfnissen des Menschen jedenfalls unter den gegenwärtigen klimatischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. Die Möglichkeit der Nutzung irgendeiner Form von bewohnbarer Unterkunft gehört bereits zum physischen Existenzminimum (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.09.2013 - L 36 AS 1414/12 NK - Rn. 47). Darüber hinaus gehören Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auch zum sozialen Teilhabebedarf, also zum soziokulturellen Existenzminimum, dessen Realisierung in einem Leistungsanspruch nach der Rechtsprechung des BVerfG einem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unterliegt (vgl. Groth, SGb, 2013, S. 250: „Für Bezieher von Grundsicherungsleistungen bedeuten Wohnung und Wohnumfeld Rückzugs- und Identifikationsräume, deren Preisgabe einen vielfach ohnehin empfundenen sozialen Abstieg nach außen sichtbar machen würde.").
- 228
Es besteht kein derartiger Unterschied zwischen den Bedarfen zur Sicherung des (sonstigen) Lebensunterhalts und den Bedarfen zur Sicherung von Unterkunft und Heizung, der es rechtfertigen würde, dass für die Bestimmung des Unterkunftsbedarfs andere verfassungsrechtliche Maßstäbe herangezogen werden könnten als für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dies schließt allerdings nicht aus, die Gewährung des Unterkunftsbedarfs auf andere Weise als den Regelbedarf zu gestalten. Die vom Gesetzgeber im Grundsatz gewählte Möglichkeit, den Unterkunftsbedarf als Geldleistung im Rahmen des Gesamtanspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld auszugestalten, ist nur eine von mehreren denkbaren Varianten (vgl. Schmidt, NVwZ 1995, S. 1045; Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 17, 5. Auflage 2013).
- 229
Die (verfassungsrechtliche) Notwendigkeit der näheren Bestimmung durch den Gesetzgeber ergibt sich im Übrigen daraus, dass die Unterkunftskosten nach geltendem Recht mit den Regelbedarfen in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen. Bei Leistungsberechtigten ohne anrechnungsfreies Einkommen oder Schonvermögen wirkt sich die unvollständige Berücksichtigung der Unterkunftskosten nach geltendem Recht praktisch wie eine Minderung der Leistungen für den Regelbedarf aus, da die übersteigenden Unterkunftskosten aus der Regelleistung bestritten werden müssen (vgl. Kofner, WuM 2011, S. 76; Spindler, info also 2011, S. 247). Eine dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums genügende Gestaltung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II (bzw. Sozialgeld) setzt daher eine verfassungsgemäße Bestimmung aller einzelnen Berechnungselemente (Regelbedarf, Mehrbedarfe, Unterkunft- und Heizungsbedarfe) voraus.
II.
- 230
Dies zu Grunde gelegt verstößt § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG.
- 231
Der unbestimmte Rechtsbegriff der "Angemessenheit", der alleiniger Anknüpfungspunkt im Normtext für die Beschränkung der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ist, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht (so bereits SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 68 ff.; SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 52 ff.; SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 43; SG Leipzig, Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.; Stölting, SGb 2013, S. 545).
- 232
Der Gesetzgeber hat zwar einen gesetzlichen Anspruch auf Gewährung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums dem Grunde nach geschaffen (1), diesen jedoch der Höhe nach nicht hinreichend bestimmt (2), weswegen nicht festgestellt werden kann, ob eine evidente Unterschreitung des für eine menschenwürdige Existenz Notwendigen vorliegt (3). Für eine Prüfung der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 142 ff. und Rn. 159 ff.) fehlt es gleichfalls an einem hinreichend bestimmten gesetzlichen Anspruch als Bezugspunkt. Der Gesetzgeber hat - bezogen auf Unterkunfts- und Heizungsbedarfe - das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, nicht in einer Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben und weder ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt noch die hierfür erforderlichen Tatsachen ermittelt (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 143) (4). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist nicht möglich (5). Die gegen die Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vorgetragenen Argumente sind nicht überzeugend (6).
- 233
Ausgehend von der Rechtsprechung des BVerfG ist die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums in vier Schritten zu prüfen:
- 234
Erstens muss der Anspruch in einem formellen Bundesgesetz auf Grund eines verfassungsgemäß durchgeführten Gesetzgebungsverfahrens konstituiert werden (formell-gesetzlicher Anspruch).
- 235
Zweitens muss der Anspruch im Gesetzestext selbst so hinreichend bestimmt sein, dass die Verwaltung eine Entscheidung über die Höhe des Anspruchs treffen kann, die die im Gesetzestext zum Ausdruck kommenden Wertentscheidungen des Gesetzgebers nachvollziehbar berücksichtigt (hinreichende Bestimmtheit; konkreter Anspruch).
- 236
Drittens darf die Höhe des Anspruchs nicht evident unzureichend zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz sein (Evidenzkontrolle).
- 237
Viertens müssen die Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sein, was mindestens eine inhaltliche Bestimmung des Existenzminimums und eine Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur Festsetzung der Höhe des Leistungsanspruchs durch den Gesetzgeber voraussetzt ("tragfähige Begründbarkeit").
- 238
1. Mit den §§ 19 Abs. 1, Abs. 3, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat der Gesetzgeber einen Anspruch auf Gewährung eines unterkunftsbezogenen Existenzminimums als Teil des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld im Wege eines formellen Bundesgesetzes realisiert. In dieser Hinsicht ist der Gesetzgeber seiner Gestaltungsverpflichtung nachgekommen.
- 239
1.1 Der einfachrechtliche Anspruch auf existenzsichernde Leistungen muss durch ein formelles Bundesgesetz gestaltet werden (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - u.a. - Rn. 136).
- 240
Ein wesentliches Merkmal des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist der hiermit verbundene Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber. Dieser hat einerseits zur Konsequenz, dass oberhalb evidenter Verstöße ein weiter Gestaltungsspielraum mit zurückgenommener (verfassungs-)gerichtlicher Kontrolle besteht, andererseits, dass der Gesetzgeber diesem Gestaltungsauftrag auch nachkommen muss und somit eine Gestaltungsverpflichtung besteht. Die Gestaltungsverpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers ergibt sich aus dem Demokratieprinzip, welches bestimmt, dass die für die Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Regelungen durch das Parlament selbst zu treffen sind (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136), also nicht an Exekutive oder Judikative delegiert werden dürfen. Hieraus folgt, dass der einfachrechtliche Leistungsanspruch zur Gewährung des Existenzminimums durch ein formelles Parlamentsgesetz geregelt werden muss. In Folge der umfassenden Wahrnehmung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) durch den Bundesgesetzgeber, ist der Anspruch vollständig durch ein formelles Bundesgesetz zu regeln (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 181).
- 241
1.2 Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf Gewährleistung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums ausgestaltet, in dem er mit §§ 19 Abs. 1, Abs. 3, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (bzw. für das Recht der Sozialhilfe mit §§ 27a Abs. 1 S. 1, 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII) einen einfachgesetzlichen Anspruch auf Leistungen für die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung geschaffen hat. Diese Leistungen bilden einen integralen Bestandteil des Arbeitslosengeldes II bzw. des Sozialgelds (vgl. Berlit, info also 2011, S. 166), die im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Sicherung des Lebensunterhalts dienen.
- 242
§ 19 Abs. 1 SGB II lautet:
- 243
"Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Arbeitslosengeld II. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung."
- 244
§ 19 Abs. 3 S. 1 SGB II lautet:
- 245
"Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden in Höhe der Bedarfe nach den Absätzen 1 und 2 erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind."
- 246
§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lautet:
- 247
"Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind."
- 248
1.3 Mit der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II wird der Umfang des Bedarfes für Unterkunft und Heizung bestimmt, der bei der Bemessung des individuellen Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld zum Regelbedarf nach § 20 SGB II und gegebenenfalls zu Mehrbedarfen nach § 21 SGB II hinzutritt. Ausgangspunkt für die Bedarfsbemessung sind die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.
- 249
Der Unterkunftsbedarf wird im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausschließlich als Bestandteil einer Geldleistung (§ 11 S. 1 SGB I, § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II) erbracht (Piepenstock in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 35, 3. Auflage 2012, Stand: 01.12.2014). Dies gilt auch für besondere Konstellationen (Umzugskosten gemäß § 22 Abs. 6 SGB II, Schuldenübernahme gemäß § 22 Abs. 8 SGB II). Auch bei Direktauszahlung der Leistung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte (§ 22 Abs. 7 SGB II) verbleibt es bei einer Geldleistung.
- 250
1.4 Ergänzt wird der Anspruch auf Unterkunftsleistungen durch § 22 Abs. 2 SGB II (unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum), § 22 Abs. 6 SGB II (Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten einschließlich Mietkaution) und § 22 Abs. 8 SGB II (Übernahme von Schulden zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit und von vergleichbaren Notlagen). Für die Kosten der Warmwasserbereitung wird ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II anerkannt, soweit keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II berücksichtigt werden.
- 251
1.5 Eingeschränkt werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung unabhängig von der Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II durch § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II (Kostendeckelung bei nicht erforderlichem Umzug; vgl. zur verfassungskonformen Auslegung dieser Regelung: SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 55 ff.), § 22 Abs. 5 SGB II (Leistungsausschluss bei Umzug vor Vollendung des 25. Lebensjahrs, vgl. Berlit, info also 2011, S. 59 ff.; Hammel, ZFSH/SGB 2013, S. 73 ff.) und gegebenenfalls durch Sanktionen bei Pflichtverletzungen nach § 31a SGB II.
- 252
2. Mit der Begrenzung der bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigenden Unterkunftskosten auf die „angemessenen“ Aufwendungen in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt der Gesetzgeber gegen das verfassungsrechtliche Gebot, die für die Verwirklichung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wesentlichen Regelungen hinreichend bestimmt selbst zu treffen (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136).
- 253
Aus der Grundrechtsrelevanz der existenzsichernden Leistungen erwachsen qualitative Anforderungen hinsichtlich der Intensionstiefe (vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, 10. Auflage 2009, S. 196) der textlich verfassten gesetzlichen Bestimmungen. Diese müssen so viele Merkmale aufweisen, dass die argumentative Rückbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Fachgerichte (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 97 Abs. 1 GG) an die im Gesetzgebungsverfahren erzeugten Gesetztestexte ermöglicht wird. Der Gesetzestext muss so hinreichend bestimmt sein, dass eine Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung auch und gerade vom Adressaten der Entscheidung noch als Konkretisierung eines bestimmten Gesetzgebungsakts nachvollzogen werden kann. Die aus dem Demokratieprinzip resultierende Anforderung an den Gesetzgeber, die wesentlichen Entscheidungen zur Grundrechtsverwirklichung selbst zu treffen, liefe andernfalls ins Leere.
- 254
Die das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums konstituierenden Entscheidungen des BVerfG (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a.; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a.) enthalten selbst keine näheren Ausführungen über den Grad der Bestimmtheit, den gesetzliche Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums haben müssen. Dies ist wohl dem Umstand geschuldet, dass die dort zu überprüfenden Fragen ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistungen bzw. des Regelbedarfes betrafen, bei denen die Leistungshöhe im Gesetz bzw. in den hierzu erlassenen, durch gesetzliche Regelungen weitgehend determinierten Anpassungsverordnungen numerisch exakt bestimmt war bzw. ist. Die durch das BVerfG geprüften Vorschriften wiesen - jedenfalls auf der Rechtsfolgenseite - kein Bestimmtheitsproblem auf.
- 255
2.1 Das Bestimmtheitsgebot ist sowohl Ausdruck des Demokratie- als auch des Rechtsstaatsprinzips. Das BVerfG formuliert die rechtsstaatlichen Bestimmbarkeitsanforderungen beispielhaft folgendermaßen (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 - 1 BvR 2307/94, 1 BvR 1120/95, 1 BvR 1408/95, 1 BvR 21 BvR 2460/95, 1 BvR 21 BvR 2471/95 - Rn. 325):
- 256
"Das rechtsstaatliche Gebot der Gesetzesbestimmtheit zwingt den Gesetzgeber nicht, Regelungstatbestände stets mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Der Gesetzgeber ist aber gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (...). Bei der Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist auch die Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten zu berücksichtigen (...). Die Rechtsunterworfenen müssen in zumutbarer Weise erkennen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (...). Dabei reicht es aus, wenn sich dies im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt (...)."
- 257
An anderer Stelle führt das BVerfG aus, dass die grundsätzliche Zulässigkeit unbestimmter Gesetzesbegriffe den Gesetzgeber nicht davon entbinde, die Vorschrift so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normklarheit und Justitiabilität entspreche (BVerfG, Beschluss vom 12.01.1967 - 1 BvR 169/63 - Rn. 17).
- 258
2.1.1 Das verfassungsrechtliche Prinzip, dass die für die Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Bestimmungen durch den parlamentarischen Gesetzgeber getroffen werden müssen ("Wesentlichkeitstheorie"), wird im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf zweierlei Weise aufgerufen. Einerseits bewirkt bereits die dogmatische Qualifikation des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Grundrecht, dass das Wesentlichkeitsprinzip berücksichtigt werden muss. Andererseits bedingt die Besonderheit der Qualifikation als "Gewährleistungsrecht", dass das Grundrecht erst durch Erfüllung des gesetzgeberischen Gestaltungsauftrags zur vollen Entfaltung kommen kann. Mit diesem zweiten, materiellen Aspekt sind auch die vom BVerfG entwickelten Qualitätsmaßstäbe hinsichtlich der "tragfähigen Begründbarkeit" (siehe unten unter 4) verbunden.
- 259
Sowohl die Grundrechtsqualität als auch die Konstituierung des Anspruchs auf Existenzsicherung als Gewährleistungsrecht prägen mithin die "Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck" und bestimmen die "Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten" (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - Rn. 325) in dem Sinne, dass der Gesetzgeber die Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums möglichst exakt ausgestalten muss.
- 260
2.1.2 Hieraus folgt, dass eine Verwaltungs- oder Fachgerichtsentscheidung, mit der über die Gewährung existenzsichernder Leistungen entschieden wird, in qualifizierter Weise auf eine gesetzgeberische Entscheidung zurückgeführt werden können muss. Die hierfür wesentlichen Bestimmungen müssen im für die Sachentscheidung auf Verwaltungsebene einschlägigen Gesetzestext (Normtext bzw. amtlicher Wortlaut) enthalten sein, da nur dieser durch das formalisierte Gesetzgebungsverfahren in Geltung gesetzte Text dem parlamentarischen Willensbildungsprozess eindeutig zuzurechnen ist. Nicht einschlägige Normtexte (z.B. Parallelvorschriften) oder im Sachzusammenhang mit dem Gesetzgebungsakt stehende Nicht-Normtexte (z.B. Gesetzgebungsmaterialien) können legitimerweise Konkretisierungselemente für die Auslegung einfachen Gesetzesrechts sein, vermögen aber nicht die gemessen am Wesentlichkeitsvorbehalt festgestellte Unterbestimmtheit einer gesetzlichen Regelung zu kompensieren. Denn weder nicht einschlägige Normtexte noch Gesetzesmaterialien sind - bezogen auf die konkrete Regelungsmaterie - Ergebnisse des parlamentarisch-demokratischen Entscheidungsprozesses. In Bezug auf den Regelungsgegenstand unterliegen sie auch nicht den durch den parlamentarischen Prozess garantierten Sicherungen im Hinblick auf die Öffentlichkeit der Debatte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77).
- 261
Für Grundrechtsträger muss darüber hinaus erkennbar sein, welche staatlichen Akteure für die Ausgestaltung ihrer Rechte verantwortlich sind. Dies betrifft den Grundrechtsträger nicht nur in seiner Eigenschaft als Leistungsberechtigten, sondern auch als Teilnehmer am demokratischen Prozess durch Wahlen oder andere Beteiligungsformen. Mit den Worten des BVerfG (Urteil vom 07.10.2014 - 2 BvR 1641/11 - Rn. 81):
- 262
"Demokratie und Volkssouveränität erschöpfen sich im repräsentativ-parlamentarischen System des Grundgesetzes nicht in Zurechnungsfiktionen und stellen auch nicht nur formale Mindestanforderungen an den Legitimationszusammenhang zwischen dem Volk und den handelnden Staatsorganen. (...) Der wahlberechtigte Bürger muss wissen können, wen er wofür - nicht zuletzt durch Vergabe oder Entzug seiner Stimme - verantwortlich machen kann. Daran fehlt es, wenn die Aufgaben durch Organe oder Amtswalter unter Bedingungen wahrgenommen werden, die eine solche Verantwortungszuordnung nicht ermöglichen (...)."
- 263
Dieser Verantwortungszusammenhang kann praktisch nur realisiert und sichtbar gemacht werden, indem die aus Gründen der Grundrechtsverwirklichung vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu treffenden Regelungen so gestaltet sind, dass sie zur maßgeblichen Beeinflussung der konkreten Entscheidungsprozesse der Verwaltung und der Fachgerichte geeignet sind.
- 264
2.1.3 Die Aussage des BVerfG, die Rechtsunterworfenen müssten in zumutbarer Weise erkennen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen, und hierfür reiche es aus, wenn sich dies im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lasse (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - Rn. 325), darf nicht so verstanden werden, dass ein verfassungswidriger Bestimmtheitsmangel des Gesetzes durch Auslegung der Gerichte mit anerkannten Mitteln der juristischen Methodenlehre ausgeglichen werden könnte (in diese Richtung aber Luik, jurisPRSozR 22/2013 Anm. 1).
- 265
Es geht hier nur darum festzustellen, ob eine Rechtsvorschrift nach verfassungsrechtlichen Maßstäben hinreichend bestimmt ist. Hierzu muss beurteilt werden, ob die sich aus der Eigenart des Lebenssachverhalts und des Normzwecks ergebenden Anforderungen an die Intensionstiefe (im Sinne von Merkmalsdichte) des Normtextes mit der konkret gewählten Regelungstechnik erfüllt werden. Diese Frage ist mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden zu beantworten. Dies kann insbesondere mit den Methoden der semantischen und der systematischen Auslegung geschehen, da diese die einschlägigen Normtexte selbst in den Blick nehmen.
- 266
Es geht an dieser Stelle hingegen nicht darum nachzuweisen, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff mit Hilfe anerkannter Mittel der juristischen Methodenlehre für eine gerichtliche Sachentscheidung fruchtbar gemacht werden kann; dies ist ausnahmslos der Fall. Gerichte können unbestimmte Rechtsbegriffe argumentativ u.a. mit Zweckerwägungen, historischen und genetischen Aspekten, Erwägungen zur „materiellen Gerechtigkeit“ und Praktikabilitätserfordernissen anreichern, um den Fall zur Entscheidungsreife zu bringen. Die Rechtsprechung ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes verpflichtet (Art. 19 Abs. 4 GG), d.h. sie muss auch dann, wenn unbestimmte Rechtsbegriffe im Gesetz Verwendung finden, zu einer bestimmten Sachentscheidung kommen. In einem funktionierenden Rechtsstaat muss es auf jede Rechtsfrage eine Antwort geben (Forgó/Somek, Nachpositivistisches Rechtsdenken, in: Buckel/Christensen/Fischer-Lescano (Hrsg.): Neue Theorien des Rechts, 2. Auflage 2009, S. 257). Dieser Befund kommt in der Feststellung zum Ausdruck, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der "Angemessenheit" der uneingeschränkten oder vollständigen richterlichen Kontrolle unterliege (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 - Rn. 21 ff.; Knickrehm, jM 2014, S. 340).
- 267
Hierfür stellt die juristische Methodenlehre Werkzeuge zu Verfügung, deren Aufgabe es ist, jeden Fall anhand rationaler Kriterien lösbar zu machen. Die normtextbezogenen Methoden der "grammatischen" und "systematischen" Auslegung verlieren durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe jedoch an Bedeutung, wodurch die Begrenzungen richterlichen und behördlichen Entscheidens durch Gesetzesbindung geschwächt werden. Durch Heranziehung vom Normtext unabhängiger, gleichwohl "anerkannter" Konkretisierungselemente wie historischer, genetischer und (insbesondere) teleologischer Auslegung lassen sich unbestimmte Rechtsbegriffe besonders leicht einer auf den Fall bezogenen Konkretisierung zuführen, da ein Verstoß gegen das Gesetzesbindungsgebot kaum je nachgewiesen werden kann.
- 268
Hiermit wird aber noch nichts über die Abgrenzung der Rechtserzeugungsbefugnisse zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung gesagt. Bei der Frage, ob der Gesetzgeber hinreichend bestimmte Regelungen getroffen hat, handelt es sich mithin nicht um ein methodologisches Problem, sondern um ein Problem der Legitimation. Die demokratische Willensbildung kann im Rechtsstaat nur in dem Umfang Wirkung entfalten, in dem sie durch Gesetze Verwaltung und Rechtsprechung zu binden vermag (Art. 20 Abs. 3 GG). Je weniger bedeutsame Merkmale eine Regelung aufweist, also je unbestimmter sie ist, desto geringer ist die Bindungswirkung des Gesetzes. Bei Regelungsmaterien, die aus verfassungsrechtlichen Gründen im Wesentlichen der Gestaltung durch den parlamentarischen Gesetzgeber unterliegen, erwächst hieraus ein Bestimmtheitsgebot. Das Bestimmtheitsgebot verlangt eine Regelungstechnik, die dazu geeignet ist, Gesetzesbindung zu erzeugen. Hierzu muss die gesetzliche Vorschrift so viele bestimmende Merkmale aufweisen, dass der durch Verwaltung und Rechtsprechung zu vollziehende Konkretisierungsprozess wirksam im Sinne der demokratischen Willensbildung gesteuert werden kann.
- 269
2.1.4 Wann die Voraussetzung der hinreichenden Bestimmtheit (bzw. Bestimmbarkeit) erfüllt ist, lässt sich nicht abstrakt festlegen, da Gesetzestext, Interpretationskultur und rechtsstaatliches Verfahren - abgesehen von Fällen numerischer Exaktheit - niemals eine vollständige Determination der Fallentscheidung ermöglichen (Müller/Christensen, Juristische Methodik, 10. Auflage 2009, S. 195). Gesetzesbegriffe sind in diesem Sinne also immer unbestimmt. Hieraus folgt, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Gesetzes nicht losgelöst von dessen Funktion betrachtet werden können und Maßstab für die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots nur ein der Regelungsmaterie angemessener Grad von Bestimmbarkeit sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.08.1978 - 2 BvL 8/77 - Rn. 101).
- 270
Dass dieser Grad der Bestimmbarkeit bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums besonders hoch sein muss, ergibt sich zum einen aus der Grundrechte verwirklichenden Funktion des Gesetzes (Stölting, SGb 2013, S. 545), zum anderen und wesentlich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die politische Transformation der "gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche" (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 138) überhaupt erst vollziehen muss, um seiner Gestaltungsverpflichtung nachzukommen. Regelungstechniken, die wegen ihrer Unbestimmtheit nicht dazu geeignet sind, Verwaltung und Rechtsprechung wirkungsvoll zu steuern, erhalten zwar den legitimatorischen Schein der Gesetzesbindung aufrecht (vgl. Maus, Verrechtlichung, Entrechtlichung und der Funktionswandel von Institutionen, in: dies.: Rechtstheorie und politische Theorie im Industriekapitalismus, München 1986, S. 278), überlassen die Interpretation dessen, was die genannten "gesellschaftlichen Anschauungen" sein mögen, jedoch einer demokratisch allenfalls höchst mittelbar legitimierten Funktionselite.
- 271
2.1.5 Zur Prüfung, ob eine gesetzliche Regelung den genannten Anforderungen genügt, ist daher eine möglichst präzise Analyse erforderlich, in welchem Ausmaß der Gesetzestext unter Einschluss der Gesetzessystematik die in Ausführung des Gesetzes ergehenden behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen zu begrenzen vermag und sich durch diese Begrenzung dazu eignet, die wesentlichen Wertentscheidungen des Gesetzgebers in der einzelfallbezogenen Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung wiedererkennbar zu machen.
- 272
2.2 Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II weist unabhängig von der Problematik der Angemessenheitsgrenze einen relativ geringen Bestimmtheitsgrad auf, da beispielsweise nicht ausdrücklich normiert ist, was unter Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Einzelnen zu verstehen ist (2.2.1), auf welche Weise diese Aufwendungen in Mehrpersonenhaushalten einzelnen Personen als Bedarf zuzuordnen sind (2.2.2) und wie die Aufwendungen unterschiedlichen Bewilligungszeiträumen bzw. -abschnitten zuzuordnen sind (2.2.3). Diese Unsicherheiten lassen sich aber unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik kohärent lösen.
- 273
2.2.1 Die für diese Vorschrift zentralen Begriffe "Aufwendungen" und "Unterkunft" zeichnen sich durch einen hohen Abstraktionsgrad aus, was ein weites Verständnis beider Begriffe - auch vor dem Hintergrund des Auslegungsgrundsatzes der möglichst weitgehenden Verwirklichung der sozialen Rechte (§ 2 Abs. 2 SGB I; vgl. hierzu SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 - S 3 KR 298/12 - Rn. 75) - erzwingt (vgl. zum BSHG: Schmidt, NVwZ 1995, S. 1041). Die verwendeten Begriffe verweisen auf Grund ihrer Allgemeinheit auf einen weiten, aber hinreichend bestimmbaren Anwendungsbereich.
- 274
a) Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II jede Einrichtung oder Anlage, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters bzw. der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre (einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren) gewährleistet (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R - Rn. 14; BSG, Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 79/09 R - Rn. 10).
- 275
Dieser Auffassung ist unter dem Vorbehalt zuzustimmen, dass hiermit keine Mindestanforderungen für die Qualifikation eines Objekts als Unterkunft gestellt werden, sondern die mit der Nutzung eines Objekts verbundene Zweckbestimmung beschrieben wird. Denn auf Grund der Weite des Begriffs der Unterkunft (im Unterschied zur "Wohnung") lässt sich mit § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht vereinbaren, Aufwendungen für die Nutzung eines Obdachs nicht zu berücksichtigen, wenn dieses beispielsweise keinen ausreichenden Schutz vor der Witterung oder keinen Schutz der Privatsphäre bietet (a.A. wohl LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 07.03.2013 - L 3 AS 69/13 B ER - Rn. 18). Auch dies wäre eine unzulässige Verwendung eines um Vorstellungen vom "guten" Leben angereicherten Menschenwürdeverständnisses zur Leistungsbegrenzung (s.o. unter B. I. 5.2).
- 276
Voraussetzung für die Kategorisierung eines Objekts als Unterkunft ist weiter die zweckentsprechende Nutzung des Objekts durch die leistungsberechtigte Person (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - Rn. 15). Dies folgt daraus, dass es in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II um "Bedarfe für Unterkunft" geht. Die Beziehung des (kostenverursachenden) Objekts zum Leistungsberechtigten wird einerseits durch dessen Nutzung, andererseits durch die mit der Nutzung verbundenen Verpflichtungen (Aufwendungen) geprägt. Eine nicht durch den Leistungsberechtigten genutzte Wohnung ist deshalb nicht dessen Unterkunft, auch wenn er hierfür Aufwendungen zu erbringen hat.
- 277
Dies schließt nicht von vornherein aus, dass mehrere Wohnungen durch einen Leistungsberechtigten über einen gewissen Zeitraum parallel genutzt werden und gleichzeitig eine dem Leistungsberechtigten zuzuordnende Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sein können (a.A. Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 25, 5. Auflage 2013; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2006 - L 10 B 488/06 AS ER - Rn. 5; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.01.2013 - L 6 AS 2124/11 B - Rn. 15). Ob die Aufwendungen für mehrere Unterkünfte als Bedarf eines Leistungsberechtigten zu berücksichtigen sind, ist eine Frage, die nach geltendem Recht nur über die Auslegung des Angemessenheitsbegriffs im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zu lösen ist (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 08.10.2007 - L 7 AS 249/07 ER - Rn. 31).
- 278
b) Unter Aufwendungen für Unterkunft versteht die vorlegende Kammer diejenigen Ausgaben, die als Gegenleistung für die Überlassung der konkret genutzten Unterkunft geschuldet werden, zuzüglich derjenigen Ausgaben, die mit der Nutzung der Unterkunft notwendig zusammenhängen.
- 279
Mit dem ersten Bestandteil der Definition werden die Ausgaben erfasst, die Voraussetzung für eine rechtmäßige Nutzung des Wohnraums sind, mit dem zweiten Bestandteil die Ausgaben, die aus der Nutzung folgen sowie diejenigen Ausgaben, die der Erhaltung der Nutzbarkeit der Unterkunft dienen. Auf diese Weise wird dem hohen Abstraktionsgrad der Regelung Rechnung getragen. Mit der Präposition "für" können im vorliegenden Kontext die Gegenleistungen für die Überlassung der Unterkunft (z.B. Miete einschließlich Nebenkosten, Kaufpreis), die für die Erhaltung der Unterkunft zu tätigenden Ausgaben (z.B. Renovierungskosten), die mit der Nutzung rechtlich verbundenen Verpflichtungen (z.B. Grundsteuer, Anschlussgebühren) und die für die Nutzbarkeit als Unterkunft erforderlichen Kosten (z.B. Wasseranschlusskosten, Müllgebühren) angesprochen werden.
- 280
Aus dieser Definition folgt, dass jegliche Gegenleistungen aus Austauschverhältnissen, die die dauerhafte oder vorübergehende Überlassung von Wohnraum zum Gegenstand haben, Aufwendungen für die Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sein können. Dies betrifft sowohl Mietverhältnisse und ähnliche Dauernutzungsverhältnisse als auch im Bedarfszeitraum geschuldete Kaufpreisraten für den Eigentumserwerb einschließlich atypischer Vertragsgestaltungen, wie die Zahlung einer Leibrente als Gegenleistung für eine Eigentumsübertragung (vgl. SG Mainz, Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13 - Rn. 24 ff.; a.A. BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 17 ff.).
- 281
Der (grundsätzliche) Ausschluss von Kaufpreisraten (BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 79/10 R - Rn. 18 ff.; vgl. zuletzt auch BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 17 ff.) überzeugt methodisch nicht. Das BSG differenziert offenbar nicht zwischen echten Kaufpreisraten, die als Gegenleistung für die Eigentumsübertragung geschuldet werden (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 79/10 R - Rn. 18 ff.), und Tilgungsleistungen zur Rückzahlung eines zum Zwecke des Immobilienerwerbs aufgenommenen Darlehens (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 67/0AS 67/06 R - Rn. 27). Echte im Bedarfszeitraum geschuldete Kaufpreisraten lassen sich semantisch nicht aus dem Normbereich des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ausschließen, da diese synallagmatische Gegenleistungen für die Überlassung von Wohnraum darstellen. Ein Ausschluss derartiger Aufwendungen aus der Bedarfsberechnung ließe sich nur unter entsprechender Auslegung des Angemessenheitsbegriffs in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang bringen. Der grundsätzliche Ausschluss von Tilgungsleistungen wird durch das BSG allerdings weder mit einer Auslegung des Begriffs der Aufwendungen (so wohl noch BVerwG, Urteil vom 24.04.1973 - V C 61.73 - Rn. 15), noch mit der Auslegung des Begriffs der Angemessenheit (allenfalls angedeutet durch das BSG im Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - Rn. 24) begründet. Stattdessen wird dem § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal untergeschoben, indem von "anzuerkennenden" Unterkunftskosten die Rede ist (BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 17). Dies bietet dem BSG unter Umgehung der Gesetzesbindung ein rhetorisches Einfallstor für die in der Herausnahme von Tilgungsleistungen aus dem Unterkunftsbedarf zum Ausdruck kommenden sozialpolitischen Erwägungen (vgl. zum Ganzen SG Mainz, Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13 - Rn. 27 ff.).
- 282
Ob auch Tilgungsraten oder Schuldzinsen für zum Zwecke des Eigentumserwerbs aufgenommene Darlehen als Aufwendungen für Unterkunft anzusehen sind, kann vorliegend offen bleiben. Dies erscheint im Unterschied zur Situation bei echten Kaufpreisraten jedenfalls nicht zwingend. Dass keine Schulden aus der Vergangenheit übernommen werden, lässt sich anhand konkreter gesetzlicher Regelungen begründen, im SGB XII aus dem Kenntnisgrundsatz (§ 18 Abs. 1 SGB XII), im SGB II aus dem Umstand, dass keine Leistungen für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs. 2 S. 1 SGB II). Auf Grund dieser Regelung sind Schulden, die zur Deckung von Bedarfen vor Kenntnis bzw. vor Antragstellung aufgenommen wurden, nicht nachträglich durch Grundsicherungsleistungen auszugleichen. Wenn die Gegenleistung (Zahlung des Kaufpreises) für die Überlassung des Wohnraums in der Vergangenheit bereits vollständig erbracht wurde, stellt sie daher keinen gegenwärtigen Unterkunftsbedarf mehr dar. Die Begleichung von Tilgungsraten und Schuldzinsen von in der Vergangenheit zum Zwecke des Eigentumserwerbs aufgenommenen Krediten dient der Vermeidung der Zwangsvollstreckung u.a. in das erworbene Eigentum und kann deshalb gegebenenfalls zur Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II führen. Sie ist jedoch keine unmittelbare Gegenleistung für die Überlassung des Wohnraums. Dass gerade Schuldzinsen vom BSG als Kosten der Unterkunft anerkannt werden, obwohl diese - anders als Tilgungsraten - kein Substitut für den Kaufpreis, sondern das Entgelt für die Kreditgewährung darstellen, beruht wohl auf einer schematischen Übertragung des Regelungsgehalts des § 7 Abs. 2 der Verordnung zu § 82 SGB XII, der die Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betrifft (BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - Rn. 38; vgl. aber auch BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 61/10 R - Rn. 16). Die dort abzugsfähigen Ausgaben werden als Aufwendungen für die Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angesehen.
- 283
Bereits unter dem Aspekt der Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung gehören sämtliche mietvertraglich geschuldeten Nebenkosten zu den Aufwendungen für Unterkunft (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 35/06 R - Rn. 20), unabhängig davon, ob die hierbei zu deckenden Bedarfe nach der gesetzgeberischen Konzeption auch Bestandteile des Regelbedarfs sein sollen (BSG, Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 14/08 R - Rn. 22; BSG, Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 151/10 R - Rn. 15 ff.; a.A. noch BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7b 64/06 R - Rn. 32).
- 284
Auch im Falle der Bewohnung eines Eigenheims nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gehören die Nebenkosten, wie z.B. Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und ähnliche Kosten zu den grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft (BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 61/10 R - Rn. 14).
- 285
c) Aufwendungen für Heizung sind alle Kosten, die für die Heizung der Unterkunft und für die Warmwasserbereitung (Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 32, 5. Auflage 2013) außer in Fällen des § 21 Abs. 7 SGB II anfallen, unabhängig von der Art und Weise der Beheizung.
- 286
d) Unter tatsächlichen Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II sind nicht nur solche Ausgaben zu verstehen, die bereits getätigt wurden. Es genügt vielmehr, dass sich der Leistungsberechtigte einem unterkunftsbezogenen Anspruch ausgesetzt sieht (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - Rn. 24). Dies ergibt sich systematisch zwingend daraus, dass Unterkunfts- und Heizungsbedarfe als Teil des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld einheitlich und für einen bestimmten Bewilligungszeitraum bewilligt werden und monatlich im Voraus erbracht werden (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II), des Weiteren daraus, dass die zweckkonforme Verwendung der unterkunftsbezogenen Leistungen im Falle des § 22 Abs. 7 SGB II durch Auszahlung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte sichergestellt werden kann. Letzteres setzt voraus, dass der Anspruch auf unterkunftsbezogene Leistungen von der Erfüllung der Verpflichtungen des Leistungsberechtigten gegenüber Dritten grundsätzlich unabhängig ist. Somit orientiert sich die Leistungsgewährung für Unterkunftsbedarfe zwar an tatsächlich zu erwartenden Aufwendungen, erhält jedoch den Charakter einer abstrakten Geldleistung (vgl. Groth, jurisPR-SozR 2/2013 Anm. 2).
- 287
e) Unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik lassen sich die in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angesprochenen Bemessungsfaktoren für die Berechnung des unterkunftsbezogenen Teils des Leistungsanspruchs aus § 19 Abs. 1 SGB II somit hinreichend genau bestimmen.
- 288
2.2.2 Dass die §§ 19, 22 SGB II keine ausdrückliche Regelung über die Zuordnung von Unterkunftsbedarfen zu einzelnen Haushaltsmitgliedern enthalten, verstößt ebenfalls nicht gegen das Bestimmtheitsgebot.
- 289
Aus der Gesetzessystematik ergibt sich zwingend, dass die Aufwendungen bei Mehrpersonenhaushalten den Personen als Bedarf zuzuordnen sind, die die Aufwendungen tatsächlich haben, d.h. die tatsächlich einer entsprechenden Forderung ausgesetzt sind. Für eine Aufteilung nach Kopfteilen besteht hingegen keine Rechtsgrundlage (für das "Kopfteilprinzip" aber grundsätzlich das BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - Rn. 28 f.; Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - Rn. 19).
- 290
a) Die Festsetzung des Unterkunftsbedarfs anhand der tatsächlichen Aufwendungen ist im Zusammenhang mit § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II als Bestandteil der Bedarfsberechnung anzusehen. Die Leistungen nach dem SGB II sind als Individualansprüche ausgestaltet (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - Rn. 12). Der Betrag der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft, soweit er angemessen ist, wird gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II als Unterkunftsbedarf anerkannt, d. h. er fließt als Berechnungsposten in die Bestimmung des individuellen Gesamtanspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nach § 19 Abs. 1, 19 Abs. 3 S. 1 SGB II ein (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 14.05.2014 - L 11 AS 621/13 - Rn. 27). Der für die Leistungsberechnung nach § 19 SGB II maßgebliche Unterkunftsbedarf wird somit nicht anhand der Nutzungsintensität einer Unterkunft durch eine leistungsberechtigte Person bemessen, sondern anhand der für die Nutzung aufzuwendenden Kosten. Der Ausgangspunkt des BSG, die Höhe des Unterkunftsbedarfs anhand der Nutzungsintensität der Unterkunft durch die einzelne Person festlegen zu wollen (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - Rn. 28) und hierbei aus Gründen der Praktikabilität von einer gleichmäßigen Nutzung, also von "Kopfteilen" auszugehen, geht daher fehl.
- 291
Dass § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II die Möglichkeit einschließt, dass auch Empfänger von Sozialgeld Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung erhalten können, besagt noch nichts über deren Verteilung. Entsprechendes gilt für die zunächst in § 22 Abs. 7 SGB II a.F. und nunmehr in § 27 Abs. 3 SGB II enthaltene Härtefallregelung für Auszubildende, die von den Leistungen nach dem SGB I gemäß § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen sind, und bei denen die Übernahme von Unterkunftskosten auch dann möglich ist, wenn sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und ihnen hierdurch (nur) typischerweise keine eigenen Kosten entstehen.
- 292
b) Bei Personen, die selbst keine Unterkunftskosten schulden, somit keine Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II haben, fehlt es an einer Bemessungsgrundlage für den Unterkunftsbedarf, der bei der Bedarfsberechnung nach § 19 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 SGB II berücksichtigt werden könnte. Für eine Berücksichtigung nach Kopfteilen bedürfte es einer Rechtsgrundlage, nach der fiktive oder pauschale Unterkunftsbedarfe zu Grunde gelegt werden dürften. Das BVerwG, auf dessen Rechtsprechung sich das BSG zur Begründung des Kopfteilprinzips stützt, ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass es sich bei der Anwendung des Kopfteilprinzip um eine pauschalierende Regelung handelt (BVerwG, Urteil vom 21.01.1988 - 5 C 68/85 - Rn. 10). Im Unterschied zum Sozialhilferecht (§ 35 Abs. 3 SGB XII) und außerhalb des Anwendungsbereichs des § 22a Abs. 2 SGB II ist eine Pauschalierung von Unterkunftskosten im SGB II jedoch nicht vorgesehen.
- 293
Praktikabilitätserwägungen (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - Rn. 28) vermögen eine solche Rechtsgrundlage nicht zu ersetzen. Dies verbietet sich bereits auf Grund der Rechtsfolgen, die die Berücksichtigung von Unterkunftsbedarfen nach sich ziehen. Unter Anwendung der Kopfteilmethode kann trotz der Vertretungsvermutung des § 38 Abs. 1 SGB II nicht sichergestellt werden, dass die zur Deckung der Unterkunftsbedarfe erbrachten Leistungen tatsächlich dem im Außenverhältnis zur Leistung der Unterkunftsaufwendungen Verpflichteten zur Verfügung stehen. Die zur Entgegennahme von Leistungen berechtigende Vertretungsvermutung kann widerlegt, ihr kann auch ausdrücklich widersprochen werden. Sie gilt im Übrigen nur zu Gunsten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter, obwohl auch nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte (Sozialgeldempfänger) Unterkunftskostenschuldner sein können. Sie gilt nicht für reine Haushaltsgemeinschaften, deren Unterkunftskosten nach der Rechtsprechung des BSG ebenfalls nach dem Kopfteilprinzip berücksichtigt werden sollen (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - Rn. 19). Bei der Auszahlung der Leistungen an verschiedene Haushaltsmitglieder läge eine zweckentsprechende Mittelverwendung nicht in der Hand des Verpflichteten.
- 294
c) Die Höhe des Bedarfs für Unterkunft und Heizung ist darüber hinaus nicht nur für die Berechnung der Gesamthöhe des Leistungsanspruchs auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, sondern auch im Hinblick auf mögliche Rechtsfolgen, die an die Qualifizierung eines Bedarfsanteils als Unterkunfts- und/oder Heizungsbedarfs anknüpfen, von Bedeutung. So sieht § 22 Abs. 7 SGB II Möglichkeiten einer freiwilligen oder durch die Behörde veranlassten unmittelbaren Auszahlung bewilligter Leistungen an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte vor, soweit Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird. Die Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II setzt voraus, dass Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird. Nach § 40 Abs. 4 S. 1 SGB II sind abweichend von § 50 SGB X 56 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft (ohne Heizung) nicht zu erstatten.
- 295
d) Gegen das Kopfteilprinzip spricht im Übrigen der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 6a Abs. 4 S. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) eine besondere, von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II abweichende Regelung über die Verteilung von Unterkunftsbedarfen getroffen hat. Diese die Berechnung der Unterkunftsbedarfe modifizierende Regelung generiert aber keine an die tatsächlichen Aufwendungen anknüpfenden Leistungsansprüche, sondern betrifft die Voraussetzungen für den Kinderzuschlag, der Unterkunftsbedarfe nicht gesondert erfasst. Nach § 6a Abs. 4 S. 2 BKGG sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im jeweils letzten Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt. Diese Regelung bildet die unterkunftsbezogenen Mehrkosten, die durch die Berücksichtigung von Kindern erforderlich werden, ab. Sie ist vor dem Hintergrund des Zweckes der Einführung des Kinderzuschlags zu verstehen, der darauf abzielt, Personen nicht unter das Regime des SGB II fallen zulassen, die nur auf Grund dessen, dass sie Kinder versorgen, den gesamten Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln nicht decken können (Schnell, SGb 2009, S. 649). Die differenzierte Regelung der fiktiven Aufteilung der Unterkunfts- und Heizungsbedarfe in § 6a Abs. 4 S. 2 BKGG verfolgt erkennbar den Zweck, den Anteil der Unterkunfts- und Heizkosten zu bestimmen, den die Leistungsberechtigten nach § 6a BKGG typischerweise zusätzlich wegen ihrer Kinder zur Deckung des Wohnbedarfs aufwenden. Anspruchsberechtigte für den Kinderzuschlag sind nach § 6a Abs. 1 BKGG stets die Eltern, so dass - anders als unter Anwendung des Kopfteilprinzips im SGB II - regelmäßig Identität zwischen Sozialleistungsberechtigten und Unterkunftskostenschuldnern besteht. Im Sinne der Kohärenz gesetzgeberischen Handelns hätte es nahegelegen, eine Bedarfszuordnungsfiktion wie in § 6a Abs. 4 S. 2 BKGG auch in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ausdrücklich zu regeln, wenn es hierfür ein Bedürfnis gäbe (für die Übertragung der Mehrbedarfsmethode des § 6a BKGG auf § 22 Abs. 1 SGB II hingegenSchürmann, SGb 2009, S. 203; ders., SGb 2010, S. 166 ff.).
- 296
e) Unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Kontextes ist letztlich aber von entscheidender Bedeutung, dass das Kopfteilprinzip vom Bedarfsdeckungsgrundsatz abweicht (vgl. Wersig, info also 2013, S. 52) und je nach Konstellation eine Sicherstellung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums im Konfliktfall verhindern kann, selbst wenn die der Haushaltsgemeinschaft gewährten Leistungen insgesamt zur Bedarfsdeckung ausreichen würden. Die durch die Anwendung des Kopfteilprinzips entstehenden praktischen Probleme („Mithaftung“ der übrigen Bedarfsgemeinschaftsmitglieder bei Sanktionen, Unterkunftsbedarf bei „temporärer Bedarfsgemeinschaft“, Zuordnung von Erstattungsansprüchen bei der Rückabwicklung von Leistungen, Sicherstellung der Zahlungen an Vermieter) widerlegen die These, dass das Kopfteilprinzip verwaltungspraktikabel sei. Das BSG begegnet diesen Phänomenen mit inzwischen zahlreichen Ausnahmen (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - Rn. 19 - Ortsabwesenheit eines Bedarfsgemeinschaftsmitglieds; BSG, Urteil vom 23.05.2013 - B 4 AS 67/12 R - Rn. 21 f. - Sanktion; BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 3/14 R - Rn. 27 - Mietschuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II a.F.), hält aber (noch) am Kopfteilprinzip fest, obwohl es erkennt, dass eine gesetzliche Grundlage hierfür fehlt (BSG, Urteil vom 23.05.2013 - B 4 AS 67/12 R - Rn. 19). Neben der Tatsache, dass dies methodisch nicht stimmig ist, vermag die Ausnahmerechtsprechung die Defizite der Kopfteilmethode nur eingeschränkt zu kompensieren, weil im Regelfall zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls welche der genannten Schwierigkeiten im Einzelfall auftreten werden.
- 297
f) Die bezüglich der Zuordnung von Unterkunftsbedarfen innerhalb von Mehrpersonenhaushalten aufgetretenen Unsicherheiten sind mithin nicht auf eine zu unbestimmte gesetzliche Regelung, sondern auf eine an die Systematik des SGB II nicht angepasste Übernahme der Rechtsprechung des BVerwG durch die Sozialgerichtsbarkeit zurückzuführen.
- 298
2.2.3 Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II genügt auch insoweit den oben skizzierten Bestimmbarkeitsanforderungen, als die Aufwendungen für Unterkunft bestimmten Bedarfszeiträumen zugeordnet werden können.
- 299
Dass die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung einem bestimmten Bedarfszeitraum zugeordnet werden müssen, folgt aus dem Umstand, dass die unterkunftsbezogenen Leistungen einen Teil des grundsätzlich als Geldleistung konzipierten Arbeitslosengeldes II bzw. des Sozialgelds bilden (§ 19 Abs. 1 S. 3 SGB II). Der Geldleistungsanteil für Unterkunft und Heizung ist zwar eine am tatsächlichen Bedarf orientierte, aber von dessen tatsächlicher Deckung unabhängige Leistung. Die Abgrenzung der Bedarfszeiträume nach Monaten folgt aus dem Zusammenhang mit dem monatsweise zu berücksichtigenden Regelbedarf und wird durch flankierende Regelungen wie § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II und § 22 Abs. 3 SGB II bestätigt. Unterkunfts- und Heizungsbedarfe werden als Teil des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld einheitlich für einen bestimmten Bewilligungszeitraum bewilligt und monatlich im Voraus erbracht (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II).
- 300
Die Beschränkung auf die tatsächlichen Aufwendungen und die Abstraktion von der tatsächlichen Deckung bewirken, dass ein spezifischer Unterkunftsbedarf nur einmal bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen ist. Wenn beispielsweise die für einen Monat geschuldete Miete für diesen Monat tatsächlich nicht gezahlt wird, kann die - weiterhin geschuldete und fällige - Miete nicht im Folgemonat erneut in den Bedarf eingestellt werden. Dies gilt entsprechend für gestundete Kaufpreisraten. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ausschließlich im Monat der erstmaligen Fälligkeit zu berücksichtigen. Dementsprechend können vor Antragstellung bereits gegenüber Dritten geschuldete und fällig gewordene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auch dann nicht bei der aktuellen Bedarfsberechnung berücksichtigt werden, wenn sie immer noch geschuldet werden.
- 301
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung können sowohl monatlich als auch als einmalige Bedarfe anfallen (vgl. BSG, Beschluss vom 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R - Rn. 9 ff. zur Heizölbevorratung). Als bedarfserhöhend zu berücksichtigen sind sie stets vollständig und ausschließlich im ersten Fälligkeitsmonat.
- 302
2.2.4 Die Regelung § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ist somit hinreichend bestimmbar, soweit und solange Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen bei der Bedarfsberechnung nach den §§ 19 Abs. 1, Abs. 3, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen sind. Bei Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen bei der Leistungsbewilligung ist das unterkunftsbezogene Existenzminimum jedenfalls dann gesichert, wenn die leistungsberechtigte Person tatsächlich eine menschenwürdige Unterkunft bewohnt.
- 303
2.3 Die Begrenzung der durch den Grundsicherungsträger bei der Berechnung des Leistungsanspruchs zu berücksichtigenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung auf "angemessene" Aufwendungen in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt jedoch wegen mangelnder Bestimmtheit gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.
- 304
2.3.1 Im Unterschied zu den Regelbedarfen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II werden die Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht als Pauschalleistung, sondern grundsätzlich in tatsächlicher Höhe übernommen. Das Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums ist somit nur auf Grund der in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vorgesehenen Begrenzung auf die angemessenen Aufwendungen betroffen ("Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind"). Erst durch den Angemessenheitsvorbehalt im zweiten Halbsatz wird der im ersten Halbsatz formulierte Leistungsanspruch begrenzt.
- 305
a) Der Begriff der Angemessenheit hat im vorliegenden Kontext eine leistungsbeschränkende Funktion (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 19: "Ihm wohnt der Gedanke der Begrenzung inne"). Die Begrenzungsfunktion ergibt sich aus dem semantischen Kontext ("…erbracht, soweit…"). § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verpflichtet die zuständigen Behörden somit dazu, Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in näher zu bestimmenden Fällen in geringerer als tatsächlicher Höhe der Bedarfsberechnung zu Grunde zu legen (SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 40).
- 306
b) Die Frage, bis zu welchem Betrag die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Einzelfall als angemessen anzusehen sind, unterliegt keinem Beurteilungsspielraum der Verwaltung. Die Gerichte sind zur uneingeschränkten Kontrolle dieser Frage gemäß Art. 19 Abs. 4 GG befugt und verpflichtet (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 21 ff.; so schon Putz, info also 2004, S. 198).
- 307
c) Bei nicht angemessenen Unterkunftskosten ist in jedem Fall der Teil der Unterkunftskosten zu zahlen, der im Rahmen der Angemessenheit liegt. Die Unangemessenheit von Unterkunftskosten hat nicht zur Folge, dass überhaupt keine Aufwendungen für Unterkunft in den Bedarf einzustellen wären (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 25). Dies ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "soweit" in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, das im vorliegenden Kontext nicht mit der Bedeutung "für den Fall, dass", sondern mit der Bedeutung "in dem Umfang" zu verstehen ist. Dies erschließt sich auch aus dem Zusammenhang mit den Regelungen des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II und des § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II, bei denen erkennbar davon ausgegangen wird, dass Unterkunftsbedarfe auch zu berücksichtigen sind, wenn sie die tatsächlichen Aufwendungen nicht decken. Ein "Alles-oder-Nichts-Prinzip" ist mit Gesetzeswortlaut und Systematik nicht vereinbar.
- 308
d) Weitere Bestimmungen zur Angemessenheit der Aufwendungen sind im einschlägigen Gesetzestext und im unmittelbaren Textzusammenhang nicht enthalten. Aus der Regelung zur vorläufigen Übernahme unangemessener Kosten in § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II wird lediglich deutlich, dass es bei der Bestimmung der Angemessenheit auf die "Besonderheit(en) des Einzelfalls" ankommen soll, wodurch die besonderen Umstände in der Person des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen sind ("Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit", vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 12; Piepenstock in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 32, 3. Aufl. 2012, Stand: 01.12.2014; vgl. auch BT-Drucks. 17/3404, S. 98). § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II ermöglicht dem Leistungsträger die Übernahme unangemessener Kosten, wenn die Absenkung durch bei einem Wohnungswechsel zu erbringende Leistungen unwirtschaftlich wäre. Hierdurch wird der Angemessenheitsbegriff jedoch nicht näher bestimmt.
- 309
e) Das SGB II enthält keine allgemeinen Regelungen, die zur näheren Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II geeignet wären. In § 1 Abs. 1 SGB II ist lediglich festgehalten, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende es Leistungsberechtigten ermöglichen soll, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.
- 310
f) Für den Fall, dass der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im Einzelnen bestimmt ist, sieht § 33 S. 1 SGB I vor, dass bei deren Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Aus dieser grundsätzlich einschlägigen Regelung lässt sich für die Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II allenfalls der Hinweis auf die Bedeutung der örtlichen Verhältnisse gewinnen.
- 311
g) Auch die mit Gesetz vom 24.03.2011 mit Wirkung zum 01.04.2011 neu eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II tragen zur näheren Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nichts bei. Diese Regelungen sind für die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht einschlägig.
- 312
Das Land Rheinland-Pfalz, in dem der Landkreis Alzey-Worms liegt, hat im Übrigen bislang kein Gesetz nach § 22a SGB II erlassen. Der Anwendungsbereich der §§ 22a bis 22c SGB II ist daher in Rheinland-Pfalz generell nicht eröffnet.
- 313
h) Von der ursprünglich in § 27 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31.03.2011 gültigen Fassung enthaltenen Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung, mit der hätte bestimmt werden können, welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind und unter welchen Voraussetzungen die Kosten für Unterkunft und Heizung pauschaliert werden können, hat das (zuletzt) zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales keinen Gebrauch gemacht. Die Möglichkeit, den summenmäßigen Umfang der in der gesetzlichen Regelung nicht konkretisierten Höhe der Leistungen durch verordnungsrechtliche Nachregulierung operabel zu machen (Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 27 Rn. 1, 1. Auflage 2005), wurde nicht genutzt.
- 314
2.3.2 Die Begrenzung der bei der Berechnung der Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nach § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II zu berücksichtigenden Unterkunftsbedarfe auf die angemessenen Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, indem die konkrete Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im für dessen Verwirklichung zentralen Bereich des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch Verwendung eines "unbestimmten Rechtsbegriffs" im Wesentlichen der Verwaltung und der Rechtsprechung überlassen wird.
- 315
a) Die im Normtext vorgesehene Begrenzung der nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu erbringenden bzw. anzuerkennenden Aufwendungen für die Unterkunft auf das "Angemessene" ist nicht hinreichend konkret, um eine gesetzgeberische Entscheidung über die Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen menschenwürdigen Existenzminimums erkennen zu lassen.
- 316
b) Als sicherer Bedeutungskern der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lässt sich lediglich feststellen, dass bei der Bedarfsberechnung nach § 19 Abs. 1, Abs. 3 SGB II jedenfalls nicht mehr als die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind. Der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vermag isoliert betrachtet keine weiteren Bindungen der Behörden und Gerichte für die Sachentscheidung hervorzurufen.
- 317
Der Begriff „angemessen“ drückt lediglich eine positiv bewertete Relation aus. Er gewinnt seine Bedeutung erst dadurch, dass verschiedene Größen auf „richtige“ (angemessene) Weise zueinander in Beziehung gesetzt werden, ohne dass der Begriff selbst einen Maßstab für die „Richtigkeit“ vorgibt oder auch nur andeutet. In § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und im systematischen Zusammenhang fehlen sowohl Bezugsgrößen als auch Maßstäbe für das „richtige“ Verhältnis zwischen diesen Größen. Der Begriff der „Angemessenheit“ bleibt somit bedeutungsoffen.
- 318
Der Begriff der „Angemessenheit“ könnte im Kontext von § 22 Abs. 1 SGB II beispielsweise ein Preis-Leistungsverhältnis zwischen Ausstattung und Miethöhe, ein Verhältnis der Unterkunftsaufwendungen zu den sonstigen Lebensverhältnissen des Leistungsberechtigten oder ein Verhältnis der Aufwendungen zu den Unterkunftskosten einer irgendwie näher zu bestimmenden Bevölkerungsgruppe bezeichnen. Auch wenn feststünde, welche dieser Möglichkeiten im vorliegenden Kontext zuträfe, wäre die Frage, unter welchen Voraussetzungen das bestimmte Verhältnis ein „angemessenes“ ist, noch nicht einmal in den Grundzügen beantwortet.
- 319
c) Die nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II erforderliche Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls macht die Regelung zwar flexibler, aber nicht gehaltvoller. Die in § 1 Abs. 1 SGB II geregelte Zielsetzung der Sicherung eines menschenwürdigen Lebens ist im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Fragestellung tautologisch. § 33 S. 1 SGB I ermöglicht eine Konkretisierung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II dahingehend, dass örtliche Verhältnisse zu berücksichtigen sind, ohne diese näher einzugrenzen.
- 320
d) An der enormen Konkretisierungsarbeit, die das BSG zur Operationalisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bisher geleistet hat (s.o. unter A. IV. 1) lässt sich ablesen, in welchem Ausmaß der Gesetzgeber seine aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums resultierende Gestaltungsaufgabe bislang vernachlässigt hat. So ist im Gesetz bereits nicht geregelt, ob sich die Angemessenheit (unbeschadet der allgemeinen Regelung des § 33 S. 1 SGB I) nach den örtlichen Wohnverhältnissen richtet und wie diese räumlich abzugrenzen sind. Es fehlt eine Festlegung, welches Bevölkerungs- oder Einkommenssegment als Bezugsgröße für einen angemessenen Wohnstandard verwendet werden soll. Es gibt keine Regelung darüber, ob sich die Angemessenheitsgrenze auf ein Individuum, eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II oder auf eine Haushaltsgemeinschaft beziehen soll. Auch für die Anwendung der „Produkttheorie“ gibt es keine Rechtsgrundlage, daher auch keine Regelungen dazu, welche Wohnflächengrenzen gegebenenfalls zu Grunde zu legen wären. Es gibt weder eine Regelung über die Verpflichtung oder gar über die Befugnis des Leistungsträgers zur Datenerhebung, noch über deren Art und Umfang.
- 321
Der Gesetzgeber hat mit der Beschränkung auf die "angemessenen" Aufwendungen somit die nahezu geringstmögliche Regelungsdichte für die Frage der Höhe des Unterkunfts- und Heizungsbedarfs realisiert. Noch unbestimmter hätte die gesetzgeberische Aussage des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nur sein können, wenn in der Regelung eine Beschränkung auf die tatsächlichen Aufwendungen gefehlt hätte. Man könnte auch von einer "Gesetzesattrappe" sprechen (vgl. Maus, Verrechtlichung, Entrechtlichung und der Funktionswandel von Institutionen, in: dies.: Rechtstheorie und politische Theorie im Industriekapitalismus, München 1986, S. 278).
- 322
e) Dass die Vorgaben des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht dazu geeignet sind, Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen zu prägen, ist ein in Rechtsprechung und Literatur im Grunde unumstrittener Befund.
- 323
Das Phänomen wird beispielsweise damit umschrieben, dass gesetzgeberische und administrative Zielvorgaben für die Beurteilung der angemessenen Unterkunftskosten fehlten (Butzer/Keller, NZS 2009, S. 66; Jaritz, Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft - Sanktionen - Mitwirkung, in: Baus/Krings (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Sozial- und Arbeitsrecht, St. Augustin/Berlin 2012, S. 63), dass mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit die bedeutsame Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums im Bereich der Unterkunft auf Sozialverwaltungen und Sozialgerichte verlagert werde (Groth, SGb 2013, S. 250) und dass der Verwaltung im ersten Schritt und den Gerichten im zweiten Schritt letztlich die Aufgabe zukomme, das soziokulturelle Existenzminimum in Bezug auf die mit Abstand größte Teilposition, die in diesen Wert einfließe, zu bestimmen (Rosenow, wohnungslos 2012, S. 60). Es handele sich bei § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zwar um ein Parlamentsgesetz, das jedoch weder einen konkreten Anspruch enthalte, noch Vorgaben mache, wie dieser von den Behörden und gegebenenfalls von den Gerichten zu ermitteln sei (Stölting, SGb 2013, S. 545). Der Begriff des Angemessenen in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sei unbestimmt und allein durch die Rechtsprechung konkretisiert worden (Mutschler, NZS 2011, S. 481). In § 22 Abs. 1 SGB II seien keine weitergehenden gesetzgeberischen Setzungen vorgenommen, die Ausfüllung des Begriffs der "Angemessenheit" obliege dem Rechtsanwender (Krauß, In Stichpunkten: Ein Überblick über das schlüssige Konzept in der Rechtsprechung des BSG, in: Deutscher Landkreistag (Hrsg.), Angemessenheit bei den Kosten der Unterkunft im SGB II, Berlin 2013, S. 7). Spellbrink stellt insbesondere bezogen auf den Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 SGB II fest, dass der Gesetzgeber selbst nicht regeln bzw. die Detailarbeit der Justiz überlassen wolle (Spellbrink, info also 2009, S. 102) und der Gesetzgeber dem Richter immer dann Macht einräume, wenn er unbestimmte Rechtsbegriffe verwende, unter denen im SGB II die "Angemessenheit" besonders hervorsteche (Spellbrink, info also 2009, S. 104). Nach Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 16.05.2011 - L 19 AS 2202/10 - Rn. 29) habe es der Gesetzgeber sowohl bei der Einführung des SGB II als auch später (trotz mehrfacher Forderungen seitens der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit) unterlassen, die angemessene Wohnfläche für Bezieher von SGB II-Leistungen konkret festzulegen und die Ausfüllung des Begriffs "angemessene Kosten der Unterkunft" stattdessen der Rechtsprechung überlassen.
- 324
Auch das BSG konstatiert, dass die Verwaltung bei der Erstellung des (vom BSG entwickelten) „schlüssigen Konzepts“ mangels normativer Vorgaben durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt sei (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 20) und hat in Folge der fehlenden Bestimmtheit der gesetzlichen Vorgaben bezogen auf die angemessene Wohnfläche mehrfach an die politische Ebene appelliert, Abhilfe zu schaffen (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 18; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R - Rn. 14). In der Literatur finden sich ebenfalls seit Einführung des SGB II zahlreiche Stimmen, die wegen der Unbestimmtheit der Regelung eine Nachbesserung im Gesetzes- oder Verordnungswege fordern (Rips, WuM 2004, S. 439 ff.; ders., WuM 2005, 632 ff.; Goch, WuM 2006, 599 ff.; Kofner, WuM 2007, 310 ff.; Groth, SGb 2009, S. 644 ff.; Jaritz, Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft - Sanktionen - Mitwirkung, in: Baus/Krings (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Sozial- und Arbeitsrecht, St. Augustin/Berlin 2012, S. 69).
- 325
Diejenigen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur, die § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II für verfassungsgemäß halten, behaupten überwiegend nicht, dass der Gesetzgeber selbst das unterkunftsbezogene Existenzminimum hinreichend bestimmt geregelt habe, sondern vertreten die Auffassung, dass dies (legitimerweise) durch die gefestigte Rechtsprechung des BSG erfolgt sei (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - Rn. 39; SG Karlsruhe Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 53 f.; Luik, jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; Link in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014).
- 326
f) Aus den Gesetzgebungsmaterialien lassen sich keine Informationen gewinnen, die dem Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 SGB II schärfere Konturen verleihen könnten.
- 327
In der Gesetzesbegründung der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BT-Drucks. 15/1516, S. 57 vom 05.09.2003), d.h. zur Ursprungsfassung des § 22 Abs. 1 SGB II, heißt es:
- 328
"Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden wie in der Sozialhilfe in tatsächlicher, angemessener Höhe berücksichtigt, wobei sie den am Maßstab der Sozialhilfepraxis ausgerichteten – angemessenen – Umfang nur dann und solange übersteigen dürfen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen für die Unterkunft zu senken. Die hierbei zu beachtenden Voraussetzungen entsprechen den sozialhilferechtlichen Regelungen."
- 329
Bezugspunkt für die Übernahme des Angemessenheitsbegriffs in § 22 Abs. 1 SGB II war somit das vormalige Sozialhilferecht des BSHG. Für die Bestimmung der Leistungen für Unterkunft nach dem BSHG war bis zum 31.12.2004 § 3 Abs. 1 S. 1, S. 2 Regelsatzverordnung (RegelsatzVO) in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 Anspruchsgrundlage. Dieser lautete:
- 330
"Laufende Leistungen für die Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 11 Abs. 1 des Gesetzes zu berücksichtigen sind, so lange anzuerkennen, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken."
- 331
Das Sozialhilferecht des BSHG operierte im Bereich der Unterkunftssicherung somit ebenfalls mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit (§ 3 Abs. 1 S. 2 RegelsatzVO), ohne dass dieser nähere Ausformungen in materiellen Gesetzen erhalten hätte. Der Verweis auf die „sozialhilferechtlichen Regelungen“ in der Gesetzesbegründung ist somit tautologisch.
- 332
Weitere Hinweise finden sich in den maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialien zur Einführung des SGB II nicht (vgl. zum Ganzen: SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 55 ff.). Den Gesetzesmaterialien zur Parallelregelung in § 29 Abs. 1 S. 3 SGB XII lassen sich gleichfalls keine weiteren Hinweise zur Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs entnehmen (vgl. BT-Drucks. 15/1514, S. 59, 60 vom 05.09.2003).
- 333
In der Gesetzesbegründung der Fraktionen CDU/CSU und SPD zum Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks. 16/1410, S. 23 vom 09.05.2006), mit dem die Begrenzung der Unterkunftskosten nach Umzug in § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II eingeführt wurde, wird ausgeführt:
- 334
"Mit der Regelung werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in den Fällen auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten begrenzt, in denen Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen Kosten ziehen. Diese Begrenzung gilt insbesondere nicht, wenn der Wohnungswechsel zur Eingliederung in Arbeit oder aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen erforderlich ist."
- 335
Dieser Begründung lässt sich nur entnehmen, dass die Autoren des Gesetzentwurfes davon ausgegangen sind, dass die kommunalen Träger für die Festlegung von Angemessenheitsgrenzen zuständig seien. Dies mag ein Reflex auf die bis zum Zeitpunkt der Erstellung des Gesetzentwurfes bereits ergangene Rechtsprechung oder schlicht eine Bezugnahme auf die Regelung der Trägerschaft in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II sein, besagt aber nichts über die materielle Bedeutung des Angemessenheitsbegriffs.
- 336
Im Zuge der weiteren Änderungsgesetzgebung zum § 22 SGB II sind in den Gesetzesmaterialien spezifische Ausführungen zum Angemessenheitsbegriff nur insoweit enthalten, als Erläuterungen zu den Satzungsregelungen in §§ 22a bis 22c SGB II gegeben werden (vgl. insbesondere BT-Drucks. 17/3404, S. 44, 98-101 vom 26.10.2010). In diesem Zusammenhang lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien aber die Feststellung entnehmen, dass die Schwierigkeiten mit der Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung zu einer Vielzahl von Widerspruchs- und Gerichtsverfahren geführt haben, weshalb die Neuregelung in §§ 22a bis 22c SGB II den Ländern und Kommunen die Möglichkeit eröffnen soll, den Bedarf für Unterkunft und Heizung transparent und rechtssicher auszugestalten (BT-Drucks. 17/3404, S. 99). Das Problem der mangelnden Transparenz und Rechtssicherheit im Hinblick auf die im Rahmen des SGB II zu berücksichtigenden Unterkunftsbedarfe ist auf der politischen Ebene also durchaus erkannt worden. Zur näheren Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II trägt dieser Befund aber nichts bei.
- 337
g) Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist somit zu unbestimmt, um behördliche oder gerichtliche Entscheidungen zu ermöglichen, in denen gesetzgeberische Wertentscheidungen wiederzuerkennen wären. Sie genügt nicht den spezifischen Anforderungen an die Bestimmbarkeit, die auf Grund der Betroffenheit des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu stellen sind (s.o. unter B. II. 2.1).
- 338
Mit § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hat der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über die Höhe der zur Sicherung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums zu gewährenden Leistungen nicht selbst getroffen, sondern der Ausgestaltung durch die Verwaltung und die Gerichte überlassen. Hierdurch hat eine politische Transformation der „gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 138) im Wege eines demokratisch-parlamentarischen Prozesses effektiv nicht stattgefunden. Durch die Verschiebung der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums in die Sphäre der Verwaltungs- und Gerichtspraxis ist die Gestaltung dieses elementaren Bestandteils der Existenzsicherung dem öffentlichen demokratisch-parlamentarischen Diskurs weitgehend entzogen worden (so bereits SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 74).
- 339
Die Unbestimmtheit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hat praktisch zur Folge, dass die wesentlichen Entscheidungen über die Höhe der unterkunftsbezogenen Leistungen durch das BSG, die Verwaltung und die Instanzgerichte getroffen werden. Hiermit verbunden ist zunächst das Problem, dass die genannten Institutionen über keine hinreichende demokratische Legitimation verfügen. Die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Verwaltung zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen haben im Laufe der Jahre ca. ein Dutzend Bundesrichter geschaffen. Die Umsetzung der Rahmenbedingungen auf kommunaler Ebene erfolgt ohne spezifische Verfahrensvoraussetzungen, so dass eine Mitwirkung demokratischer Selbstverwaltungsgremien nicht sichergestellt und praktisch wohl eher die Ausnahme ist. Die Kontrolle und Ersetzung der Verwaltungsentscheidung erfolgt durch die Fachgerichte ebenfalls nur in mittelbarer demokratischer Legitimation.
- 340
Diese Ausgangslage hat auf Grund der zwar weitreichenden, aber - abgesehen vom hilfsweisen Rückgriff auf § 12 Abs. 1 WoGG - nicht zielgenauen Vorgaben des BSG weiter zur Folge, dass den behördlichen und instanzgerichtlichen Entscheidungsträgern praktisch erhebliche Spielräume im Hinblick auf die Bewertung der örtlichen Verhältnisse belassen werden. Die kommunalen Träger (und teilweise auch die Tatsachengerichte) bedienen sich darüber hinaus in zunehmendem Umfang sachverständiger Hilfe. Gelegentlich (wie auch im vorliegenden Fall) wird die gesamte Erstellung eines „schlüssigen Konzepts“ durch externe Dienstleister vorgenommen, wodurch die Normsetzung in gewissem Umfang privatisiert wird.
- 341
Durch diese vertikale Verschränkung der für die Leistungshöhe maßgeblichen Wertentscheidungen ist die politische und rechtliche Verantwortung für die Leistungsberechtigten praktisch nicht mehr nachvollziehbar. Es bleibt diffus, auf welcher politischen Ebene auf die Bestimmung der Höhe der unterkunftsbezogenen Leistungen Einfluss genommen werden könnte.
- 342
2.3.3 Abweichungen von dem erarbeiteten verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab zur Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung existenzsichernder Leistungen lassen sich weder mit den Besonderheiten der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (a) noch mit spezifischen Eigenschaften unterkunftsbezogener Bedarfe (b) rechtfertigen.
- 343
a) Die Orientierung am "Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit" (vgl. BSG, Urteil vom 20.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 12) rechtfertigt keine Abweichung vom verfassungsrechtlichen Maßstab. Hiermit wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber in der Tradition des Bedarfsdeckungsprinzips auf eine Pauschalierung im engeren Sinne verzichtet und die grundsätzliche Berücksichtigung der tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung angeordnet hat. Da die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II die Funktion einnimmt, die Leistungen auf das zur Wahrung der Menschenwürde Existenznotwendige zu beschränken, gibt dies jedoch keinen Anlass, von den Anforderungen des BVerfG an die Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen abzuweichen. Die Deckelung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung durch eine (regional differenzierte) Angemessenheitsgrenze wirkt genauso begrenzend und das Existenzminimum konkretisierend wie eine Pauschale. Hat eine leistungsberechtigte Person höhere Kosten der Unterkunft zu tragen, als anerkannt werden, hat dies denselben Effekt, als wenn diese Person mit den Leistungen für den Regelbedarf nicht auskommt und Mehrausgaben hat. Ein Unterschied besteht - zum Nachteil der Leistungsberechtigten - lediglich darin, dass eine leistungsberechtigte Person nicht (bzw. nur unter Vernachlässigung unterkunftsbezogener Verpflichtungen) durch Einsparungen beim Unterkunftsbedarf Mehrausgaben in anderen Bedarfsbereichen kompensieren kann (so schon SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 81).
- 344
Auch das BSG bezeichnet die Heranziehung von Höchstwerten nach dem WoGG zu Recht als "Pauschalierung", obwohl hiermit nicht gemeint ist, dass auch höhere als tatsächliche Unterkunftskosten gewährt werden können (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 23).
- 345
b) Die Leistungsbegrenzung allein mit Hilfe des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit kann auch nicht mit dem Sachgesichtspunkt der spezifischen Eigenschaften von Unterkunftsbedarfen gerechtfertigt werden.
- 346
Der Wohnungsmarkt hat zwar grundlegend andere Eigenschaften als der Markt für andere Konsumgüter (v. Malottki, info also 2012, S. 99; Gautzsch, NZM 2011, S. 498). So spiegeln die tatsächlichen monatlichen Mietzahlungen (Bestandsmieten) nicht das aktuelle Marktpreisniveau am Wohnungsmarkt wieder, das Angebot an Wohnungen ist kurzfristig unelastisch, Wohnen ist ein nicht substituierbares Grundbedürfnis, Wohnungen sind hinsichtlich ihrer Merkmale heterogene Güter und auf dem Wohnungsmarkt spielen persönliche Eigenschaften der Nachfrager anders als bei vielen anderen Konsumgütern eine Rolle (v. Malottki, info also 2012, S. 99 f.). Daneben dürfte die regionale Spreizung der kalten Unterkunftskosten deutlicher ausfallen als bei den Preisen der meisten anderen Konsumgüter.
- 347
Diese Besonderheiten im Sachbereich des unterkunftsbezogenen Existenzminimums erfordern unter Umständen andere Vorgehensweisen bei der Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse und bei der Festsetzung von Art und Höhe der zu gewährenden Leistungen, rechtfertigen jedoch keine Abstriche hinsichtlich der demokratischen Legitimation der Regelung des Leistungsanspruchs. Denn es besteht kein Grund zur Annahme, dass der Gesetzgeber die Besonderheiten von Unterkunftsbedarfen nicht im Gesetz selbst oder auf Grund eines Gesetzes im Rahmen hinreichend bestimmter Vorgaben berücksichtigen könnte.
- 348
Dem Bundesgesetzgeber stehen sämtliche Möglichkeiten zur Verfügung, sich die Rahmenbedingungen für eine verfassungsrechtlich zulässige, sozial- und wohnungspolitisch gewünschte Lösung zu schaffen. Der Bundesgesetzgeber kann beispielsweise als Haushaltsgesetzgeber die zur Erhebung der notwendigen empirischen Grundlagen erforderlichen Mittel zuordnen und als Steuergesetzgeber - soweit erforderlich - weitere Mittel generieren. Er kann als verfassungsändernder Gesetzgeber sogar die staatsorganisationsrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, seine Aufgaben (teilweise) zu delegieren, soweit dies nicht ohnehin schon möglich ist (vgl. Art. 91e GG). Regionale Eigenheiten von Wohnungsmärkten können selbstverständlich auch von Institutionen und Personen, die nicht in der Region ansässig oder verwurzelt sind, bei der Bedarfsermittlung und -bewertung berücksichtigt werden, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die führenden Unternehmen und Institute aus Darmstadt, Hamburg und Köln, die "schlüssige Konzepte" für kommunale Träger erstellen, bundesweit tätig sind.
- 349
Neben anderen hat auch das BSG an den Gesetz- und Verordnungsgeber wiederholt appelliert, bundesweite Regelungen für als angemessen anzuerkennende Wohnungsgrößen sowie zur Bestimmung von Vergleichsräumen zu schaffen (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 18 f.).
- 350
2.3.4 Die Unterbestimmtheit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wird nicht durch andere den Unterkunftsbedarf deckende Ansprüche kompensiert.
- 351
a) Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II ist nicht dazu geeignet, die Deckung des Unterkunftsbedarfs in verfassungskonformer Weise sicherzustellen. Dies liegt zunächst darin begründet, dass § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II selbst an den Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II anknüpft und somit am gleichen Bestimmtheitsmangel leidet (s.o. unter A. V. 4.2.1 a). Darüber hinaus operiert diese Bestandsschutzregelung mit dem weiteren unbestimmten Rechtsbegriff der "Unzumutbarkeit" und sieht eine Regelfrist von sechs Monaten für die Übernahme "unangemessener" Aufwendungen vor. Auf diese Weise wird eine im Falle der Leistungskürzung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II eintretende Bedarfsunterdeckung nicht in jedem Fall ausgeglichen. Die Gewährleistung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimums wird mit § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II nicht effektiv gesichert.
- 352
b) Auch die Möglichkeit der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II kompensiert die verfassungsrechtlich defizitäre Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht. § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II sieht vor, dass - sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird - Schulden übernommen werden können, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II sollen Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Nach § 22 Abs. 8 S. 4 SGB II sollen Geldleistungen als Darlehen erbracht werden.
- 353
Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist nicht schon dadurch verfassungsgemäß, dass mit § 22 Abs. 8 SGB II ein letztes Interventionssystem geschaffen wurde, das zur Deckung des notwendigen Unterkunftsbedarfs notfallmäßig einspringen kann. Denn der Gesetzgeber hat die Art der Deckung des unterkunftsbezogenen Bedarfs in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II grundsätzlich als anhand der tatsächlichen Aufwendungen zu bildende Berechnungsgröße im Gesamtbedarf geregelt.
- 354
Die Möglichkeit der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II erscheint zwar für eine Kompensation nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II unvollständig gedeckter Unterkunftsbedarfe nicht völlig ungeeignet, da das Existenzminimum grundsätzlich auch durch darlehensweise Leistungen gesichert werden kann (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07.04.2010 - 1 BvR 688/10 - Rn. 2).
- 355
Durch die Verwendung des Begriffs der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist jedoch nicht hinreichend bestimmt, unter welchen Umständen an die Stelle einer Ausgestaltung der Leistung zur Gewährung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums als gebundener Anspruch auf einen Zuschuss (außer in Fällen des § 24 Abs. 5 SGB II) ein Anspruch tritt, der vom (gegebenenfalls intendierten) Ermessen der Behörde abhängig ist, weitere zum Teil begrifflich unbestimmte Voraussetzungen (Rechtfertigung; drohende Wohnungslosigkeit) hat und in der Regel eine darlehensweise Leistung (bei Tilgung mit Aufrechnung gegen laufende Leistungen) vorsieht (§ 22 Abs. 8 S. 4 SGB II). Auch diese Fragen sind zur Grundrechtsverwirklichung im Hinblick auf das unterkunftsbezogene Existenzminimum so wesentlich, dass sie die durch den Gesetzgeber selbst zu regeln sind.
- 356
c) Andere zur Sicherung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums geeignete Sozialleistungen sind für Leistungsberechtigte nach dem SGB II ausgeschlossen. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 SGB II und § 21 S. 1 SGB XII schließt der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII aus. Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II sind vom Wohngeldbezug ausgeschlossen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 WoGG).
- 357
2.3.5 Die mit Gesetz vom 24.03.2011 mit Wirkung vom 01.01.2011 neu eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II vermögen an der Untauglichkeit der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums nichts zu ändern.
- 358
a) Gemäß § 22a Abs. 1 SGB II wird den Landesgesetzgebern ermöglicht, Kommunen per Landesgesetz zu ermächtigen oder zu verpflichten, zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen im Rahmen näher bestimmter Kriterien Satzungen zu erlassen, die gemäß § 35c SGB XII unter bestimmten Voraussetzungen auch für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII gelten sollen. Die Kreise und kreisfreien Städte können, wenn das Landesrecht dies vorsieht, nach § 22a Abs. 2 S. 1 SGB II Bedarfe für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet durch eine monatliche Pauschale berücksichtigen, wenn auf dem örtlichen Wohnungsmarkt ausreichend freier Wohnraum verfügbar ist und dies dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit entspricht. Nach § 22a Abs. 2 S. 2 SGB II sind Regelungen für den Fall vorzusehen, dass die Pauschalierung im Einzelfall zu unzumutbaren Ergebnissen führt. Nach § 22a Abs. 3 S. 1 SGB II soll die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt abbilden. Gemäß § 22a Abs. 3 S. 2 SGB II soll die Bestimmung Auswirkungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt berücksichtigen hinsichtlich der Vermeidung von Mietpreis erhöhenden Wirkungen, Verfügbarkeit von Wohnraum des einfachen Standards und aller verschiedenen Anbietergruppen und hinsichtlich der Schaffung und Erhaltung sozial ausgeglichener Bewohnerstrukturen. Gemäß § 22b Abs. 1 S. 1 SGB II ist in der Satzung zu bestimmen, welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird und in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als angemessen anerkannt werden. Nach § 22b Abs. 1 S. 4 SGB II können die Kreise und kreisfreien Städte ihr Gebiet in mehrere Vergleichsräume unterteilen, für die sie jeweils eigene Angemessenheitswerde bestimmen, um die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt realitätsgerecht abzubilden.
- 359
Bislang bestehen Landesgesetze nach § 22a SGB II nur in Berlin (§ 8 AG-SGB II Berlin), Hessen (§ 4a Offensiv-Gesetz Hessen) und Schleswig-Holstein (§ 2a AG-SGB II/BKGG Schleswig-Holstein).
- 360
b) Systematisch stehen die §§ 22a bis 22c SGB II neben dem § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und begründen ein vom § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II unabhängiges Normprogramm zur Bestimmung der Höhe unterkunftsbezogener Leistungen. Unmittelbar werden hiermit nur Rahmenbedingungen für die landesrechtliche Gestaltung von Satzungsermächtigungen aufgestellt. Es wird keine Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II für dessen Anwendungsbereich vorgenommen. Wenn in § 22a Abs. 3 S. 1 SGB II die "Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung" die "Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt abbilden" soll, folgt hieraus nicht, dass auch der Angemessenheitsbegriff in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II im Ausgangspunkt auf diese Weise zu konkretisieren ist.
- 361
Die in §§ 22a bis 22c SGB II getroffenen Wertentscheidungen sind deshalb bereits auf Grund ihrer systematischen Stellung nicht dazu geeignet, die Defizite des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II im Hinblick auf die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums abzumildern (so bereits SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 58). Durch die Gesetzesänderung wurde keine Änderung im Normprogramm des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II herbeigeführt (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - Rn. 15; Berlit, info also 2011, S. 165).
- 362
c) Darüber hinaus genügen auch die in den §§ 22a bis 22c SGB II getroffenen Regelungen den Anforderungen an die verfassungsgemäße Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung des Existenzminimums nicht. Unabhängig davon, ob und unter welchen Voraussetzungen der Bundesgesetzgeber die nähere Ausgestaltung der Bestimmung des Existenzminimums den Ländern und/oder Kommunen überlassen darf (kritisch Berlit, info also 2010, S. 203; Putz, SozSich 2011, S. 233), fehlt es an einer Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur folgerichtigen Begründbarkeit der Höhe des Leistungsanspruchs durch den Gesetzgeber.
- 363
Das BVerfG hat seine Rechtsprechung zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bislang ausschließlich anhand von Teilleistungsansprüchen etabliert, die durch den Gesetzgeber numerisch exakt bestimmt waren (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a.; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a.). Dass dies nicht die einzige Möglichkeit ist, einen verfassungsgemäßen Leistungsanspruch zu schaffen, zeigt sich darin, dass dem Gesetzgeber auch im Hinblick auf die Leistungsart (Geld-, Sach- oder Dienstleistung) ein Gestaltungsspielraum eingeräumt wird (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 67). Es ist deshalb von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Gewährleistung unterkunftsbezogener existenzsichernder Leistungen auf andere Weise als durch einen unmittelbar im Gesetz der Höhe nach bezifferten Anspruch (bzw. bis zu einer bezifferten Höchstgrenze) ausgestaltet wird. Beispielsweise erfolgt auch die Fortschreibung der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 S. 1 SGB II i.V.m. § 28a, 40 SGB XII im Wege einer Rechtsverordnung und nicht unmittelbar durch ein formelles Gesetz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 142). Entscheidet sich der Gesetzgeber für eine Ausgestaltung des Anspruchs auf Leistungen zur Gewährleistung des Existenzminimums durch untergesetzliche Normen, muss er aber durch Schaffung eines geeigneten gesetzlichen Regelungssystems dafür sorgen, dass die untergesetzlichen Konkretisierungen des Leistungsanspruchs wesentlich auf Wertentscheidungen des Gesetzgebers zurückführbar sind.
- 364
Die §§ 22a bis 22c SGB II enthalten zwar einige Anhaltspunkte für die Art und Weise, wie Angemessenheitsgrenzen durch kommunale Satzungsgeber zu bilden sind, und geben mit der Bezugnahme auf "Verhältnisse des einfachen Standards" (§ 22b Abs. 1 S. 4 SGB II; vgl. auch § 22a Abs. 3 S. 1, S. 2 Nr. 3 SGB II) eine grobe Richtung für die normative Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen vor. Auch scheint in § 22b Abs. 1 S. 1 SGB II eine Festlegung auf die "Produkttheorie" enthalten zu sein. Es fehlen aber Vorgaben über "standardbildende Faktoren" (Klerks, info also 2011, S. 197). So bleibt u.a. unklar, welche Wohnflächen als angemessen angesehen werden sollen und wessen Wohnverhältnisse Bezugsgröße für einen angemessenen Wohnstandard sein sollen.
- 365
Somit würde auch eine auf die Satzungsermächtigung nach § 22a Abs. 1 SGB II oder § 22a Abs. 2 SGB II gestützte Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen nicht wesentlich auf Wertentscheidungen des Gesetzgebers zurückgeführt werden können.
- 366
Dass die §§ 22a bis 22c SGB II auch in deren Anwendungsbereich nicht viel zur Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs beizutragen vermögen, zeigt sich darin, dass die Rechtsprechung zur Auslegung dieser Vorschriften umfassend auf die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II durch das BSG zurückgreift (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.09.2013 - L 36 AS 1987/13 NK - Rn. 49; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.09.2013 - L 36 AS 1414/12 NK - Rn. 45; BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 29 ff.; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 53/13 R - Rn. 26; hiervon abweichend aber SG Berlin, Urteil vom 28.04.2014 - S 82 AS 28836/12 - Rn. 28).
- 367
3. Die Frage, ob die über § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II gewährten Leistungen evident nicht zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums ausreichen, lässt sich in Folge der Unbestimmtheit der Regelung nicht beantworten.
- 368
3.1 Die Höhe des Anspruchs auf der Existenzsicherung dienende Leistungen darf nicht evident unzureichend zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz sein (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 - Rn. 81). Unter Würdigung des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und der Abhängigkeit der Bestimmung der Grundvoraussetzungen eines menschenwürdigen Lebens von gesellschaftlichen Vorstellungen verzichtet das BVerfG auf genauere Umschreibungen insbesondere des Aspekts der sozialen Teilhabe und belässt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Die Evidenzkontrolle ist hierbei nicht auf das physische Existenzminimum beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 - Rn. 81; a.A. Neskovic/Erdem, SGb 2012, S. 137). Mithin kann ein Leistungsanspruch auch dann evident unzureichend sein, wenn er nicht dazu ausreicht, elementare Bedürfnisse der sozialen Teilhabe zu befriedigen.
- 369
3.2 Offen bleiben kann vorliegend, ob ein evidenter Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bereits deshalb vorliegt, weil bei Kürzung des bei der Leistungsbemessung berücksichtigten Unterkunftsbedarfs unter die tatsächlichen Aufwendungen stets ein ungedeckter Bedarfsrest verbleibt (vgl. Schmidt, NVwZ 1995, S. 1046).
- 370
Diese Frage ließe sich verneinen, wenn verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden wäre, dass die Leistungsbemessung eine Schuldenbildung zur Folge hätte. Das unterkunftsbezogene Existenzminimum wäre dann erst ab dem Zeitpunkt berührt, wenn der tatsächliche Verlust der Wohnung und damit des Obdachs eintritt. Die verfassungsrechtlich gebotene Interventionsschwelle würde erst zum letztmöglichen Zeitpunkt überschritten, an dem der Verlust der Wohnung noch verhindert werden kann. Für diesen Fall böte § 22 Abs. 8 SGB II eine unterkunftssichernde Interventionsmöglichkeit und im Fall einer Ermessensreduzierung auch eine Interventionspflicht.
- 371
Eine andere Möglichkeit wäre es, die verfassungsrechtliche Gewährleistungsverpflichtung als erfüllt anzusehen, wenn sich die insgesamt bewilligte Leistung abstrakt dazu eignet, den unabhängig vom Einzelfall definierten Bedarf zu decken. Das hieße, das Existenzminimum unabhängig von den unterkunftsbezogenen Verpflichtungen, denen ein Leistungsberechtigter rechtlich und tatsächlich ausgesetzt ist, als gewahrt anzusehen, wenn der insgesamt gewährte Geldbetrag dazu ausreichen würde, die Kosten für irgendeine dem Existenzminimum genügende Unterkunft und den sonstigen Lebensunterhalt aufzubringen.
- 372
Auch wenn der Gesetzgeber die existenzsichernden Leistungen nach den Maßstäben des Verfassungsrechts nur in einer Höhe gewährleisten müsste, die abstrakt dazu geeignet ist, den Unterkunftsbedarf zu decken, änderte dies nichts daran, dass die Bestimmung, in welcher Höhe dieser Bedarf anzusetzen wäre, wesentlich dem Gesetzgeber obliegt (s.o. unter B. II. 2.3.4 b).
- 373
3.3 Unter der Voraussetzung, dass eine nicht bedarfsdeckende Berücksichtigung von Unterkunftskosten nicht per se verfassungswidrig ist, lässt sich eine evidente Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht feststellen. Dies beruht allerdings darauf, dass die Regelung bereits wegen ihrer ungenügenden Bestimmbarkeit verfassungswidrig ist. Die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit zur Regelung der Leistungshöhe nimmt der Prüfung, ob die durch das Gesetz gewährten Leistungen evident unzureichend sind, jeglichen Bezugspunkt und macht die vom BVerfG geforderte Evidenzkontrolle (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 81) unmöglich.
- 374
4. § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt auch deshalb gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, weil der Gesetzgeber die zur Festsetzung der existenzsichernden Leistungen erforderliche Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur folgerichtigen Begründbarkeit der Höhe des Leistungsanspruchs nicht vorgenommen hat. Eine Prüfung der tragfähigen Begründbarkeit der gesetzgeberischen Konzeption (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 139) scheitert daher bereits daran, dass weder Prüfungsmaßstab (inhaltliche Bestimmung des Existenzminimums) noch Ergebnis (Leistungsanspruch) durch Gesetz hinreichend bestimmt worden sind.
- 375
4.1 Die aus dem Demokratieprinzip folgende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers führt dazu, dass oberhalb der Evidenzkontrolle nur die folgerichtige Umsetzung der auf empirische Erkenntnisse gestützten normativen Entscheidungen des Gesetzgebers im gesetzlich geregelten Leistungsanspruch zu prüfen ist. Da nur der Gesetzgeber diese Gestaltungsaufgabe umsetzen kann, ist er hierzu aber auch verpflichtet - anders könnte das Grundrecht nicht realisiert werden.
- 376
Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber sowohl für die grundlegenden Wertentscheidungen hinsichtlich der für die Existenzsicherung erforderlichen Bedarfe zuständig ist, als auch für die Realisierung eines konkreten auf existenzsichernde Leistungen gerichteten Anspruchs. Der Gesetzgeber hat somit - jenseits der Evidenzkontrolle - sowohl den Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit der Leistungen zu bestimmen als auch den Leistungsanspruch entweder in konkreter Höhe festzusetzen oder aber ein Regelungssystem zu etablieren, das eine Festsetzung der Leistungshöhe auf Grund gesetzgeberischer Wertentscheidungen ermöglicht. Die Ausgestaltung der Leistung hinsichtlich der Art und Höhe ist daher an den durch den Gesetzgeber selbst getroffenen Wertentscheidungen zu messen. Der Zusammenhang zwischen beiden Aspekten unterliegt der Prüfung der Folgerichtigkeit oder "tragfähigen Begründbarkeit".
- 377
Offen bleiben kann vorliegend, in welcher Form der Gesetzgeber die für die Ausgestaltung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen grundlegenden Wertentscheidungen zu treffen hat, ob diese Wertentscheidungen selbst Bestandteil eines formellen Gesetzes sein müssen, oder ob sie sich zumindest aus der Gesetzesbegründung oder sonstigen Gesetzesmaterialien ergeben müssen.
- 378
a) Das BVerfG stellt im Urteil vom 09.02.2010 fest, dass sich der Grundrechtsschutz (auch) deshalb auf das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums erstrecke, weil eine Ergebniskontrolle am Maßstab dieses Grundrechts nur begrenzt möglich sei (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.142). Das BVerfG prüfe deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben habe, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt habe, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt habe (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.143). Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle bestehe für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Komme der Gesetzgeber dieser Obliegenheit nicht hinreichend nach, stehe die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.143).
- 379
b) Im Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10 u.a. - Rn. 79) führt das BVerfG diesbezüglich aus, dass sich die Art und die Höhe der Leistungen "mit einer Methode erklären lassen (müssen), nach der die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt werden und nach der sich alle Berechnungsschritte mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegen". Im Beschluss vom 23.07.2014 stellt das BVerfG klar, dass die Entscheidung anhand des vom BVerfG entwickelten Folgerichtigkeitsmaßstabs "tragfähig begründbar" sein müsse (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 80). Die Verfassung schreibe nicht vor, was, wie und wann genau im Gesetzgebungsverfahren zu begründen und zu berechnen sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77).
- 380
Daraus muss gefolgert werden, dass nach Auffassung des BVerfG bestimmte Qualitätsmerkmale der Gesetzesbegründung keine formelle Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zur Realisierung eines Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen sind.
- 381
c) Auf Grund des Beschlusses des BVerfG vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.) liegt es nahe die „tragfähige Begründbarkeit“ als rein objektiven Maßstab zu verstehen, so dass Wertentscheidungen über die Auswahl der Methoden zur Bestimmung des Existenzminimums weder anhand des Gesetzes noch anhand der Gesetzgebungsmaterialien belegbar sein müssten. Hierfür könnte sprechen, dass für die praktische Grundrechtsverwirklichung nur Art und Höhe der Leistung wesentlich sind, nicht aber die der Anspruchsausgestaltung zu Grunde liegenden Wertentscheidungen. Andererseits birgt die Reduzierung des Prüfungsmaßstabs auf die "tragfähige Begründbarkeit" die Gefahr, dass einer durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes festgelegten Leistungshöhe eine derartige Methode nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens beliebig untergeschoben werden könnte, beispielsweise durch das Gericht selbst oder durch interessierte Teilnehmer am öffentlichen Diskurs (Beispiele für Stellungnahmen zur „richtigen“ Höhe der Regelleistungen z.B. bei Spindler, info also 2010, S. 53). Hierdurch würde die "Folgerichtigkeitsprüfung" tendenziell auf das Niveau der Evidenzkontrolle reduziert, da jedes in die Diskussion eingebrachte Berechnungsmodell, das in sich schlüssig den gesetzlich geregelten Anspruch zu unterbieten im Stande wäre, zu dessen Rechtfertigung taugen würde. Bei einer derartigen Sichtweise wäre nicht sichergestellt, dass die grundlegenden Wertentscheidungen hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums tatsächlich durch den parlamentarisch-demokratischen Gesetzgeber getroffen werden. Für eine Prüfung, ob sich aus den parlamentarischen Wertentscheidungen das gefundene Ergebnis in Form des gesetzlichen Anspruchs folgerichtig ableiten lässt, fehlte die erste Komponente.
- 382
Das BVerfG hat sich bei der "Folgerichtigkeitsprüfung" trotz der Reduzierung des Prüfungsmaßstabs auf die "tragfähige Begründbarkeit" fast ausschließlich an den zur Verfügung stehenden Gesetzgebungsmaterialien bzw. im Falle des Beschlusses vom 23.07.2014 am gesetzlich fixierten Verfahren zur Bestimmung der Regelbedarfe im RBEG orientiert (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a.- Rn.160 ff.; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 91 f.; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 91 ff.). Insbesondere im Urteil vom 09.02.2010 hat das BVerfG keine ergänzenden Expertisen zu der Frage eingeholt, ob die seinerzeit zur Überprüfung stehende Leistungshöhe nicht unabhängig von der Gesetzesbegründung „tragfähig begründbar“ gewesen sein könnte.
- 383
Es bleibt nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG mithin unklar, in welchem Zusammenhang die der verfassungsrechtlichen Prüfung zu Grunde zu legenden Wertentscheidungen mit dem Gesetzgebungsprozess stehen müssen.
- 384
d) Mit guten Gründen ließe sich vertreten, dass die grundlegenden Wertentscheidungen im Sinne einer inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums ebenso wie der hieraus abzuleitende Leistungsanspruch im Wege eines formellen Gesetzes getroffen werden müssen. Hierfür spricht, dass dem Gesetzgeber als solchem keine andere Handlungsform als das formelle Gesetz zur Verfügung steht. In Folge der pluralistischen Zusammensetzung der Gesetzgebungskörperschaften (die auf Bundesebene darüber hinaus aus zwei verschiedenen Gremien, Bundestag und Bundesrat, bestehen) gibt es keinen authentischen Interpreten der Entscheidungen des Gesetzgebers, der verbindlich gesetzgeberische Konzeptionen und Intentionen im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Prüfung darstellen oder "nachbessern" könnte. Daher ist auch nicht klar, wer zur Erfüllung von „Obliegenheiten“ des Gesetzgebers (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.143) berufen sein könnte. Verbindliche Wertentscheidungen des "Gesetzgebers" können nur in Gesetzesform ergehen. Aus dem Grundgesetz lassen sich weder Begründungs- noch sonstige Dokumentationspflichten über den Gesetzgebungsprozess als formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für ein Bundesgesetz herleiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77; Groth, NZS 2011, S. 571 m.w.N.). Die Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers kann sich in formeller Hinsicht daher nicht auf dessen Begründung erstrecken. Die grundlegenden Wertentscheidungen zur Ausgestaltung des Anspruchs auf ein menschenwürdiges Existenzminimums müssten demnach in Gesetzesform getroffen werden, um als Entscheidungen des Gesetzgebers identifizierbar zu sein.
- 385
Der formlose Prüfungsmaßstab der "tragfähigen Begründbarkeit" bezöge sich demnach nur auf den folgerichtigen Zusammenhang zwischen der gesetzlich zu regelnden inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums einerseits und dem gesetzlich zu regelnden Leistungsanspruch andererseits. Sofern der Gesetzgeber also seinem Auftrag zur Ausgestaltung des Grundrechts nachgekommen wäre, könnte der hieraus abgeleitete Leistungsanspruch anhand eines objektiven Maßstabs auf seine tragfähige Begründbarkeit überprüft werden.
- 386
4.2 Wie dieses Problem zu lösen ist, kann vorliegend offen bleiben, da es der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II sowohl an einer inhaltlichen Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums als auch an einem überprüfbaren Ergebnis im Sinne eines hinreichend bestimmten gesetzlichen Anspruchs fehlt. Eine Prüfung der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 142 ff. und Rn. 159 ff.) kann deshalb nicht stattfinden.
- 387
Darüber hinaus fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass im Gesetzgebungsverfahren der Versuch unternommen wurde, Unterkunftsbedarfe allgemein zu erfassen und für ein Konzept zur Bestimmung der Höhe unterkunftsbezogener Leistungen auszuwerten. Die Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Fassung enthält lediglich den Verweis auf die sozialhilferechtliche Praxis, an die angeknüpft werden soll (BT-Drucks. 15/1516, S. 57). Auch im Zuge späterer Gesetzesänderungen erfolgte keine Auseinandersetzung mit Bewertungsgrundsätzen, die eine rationale und nachvollziehbare Berechnung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums ermöglichen würden (s.o. unter B. II. 2.3.2.c). Soweit im Zuge der Einführung der Satzungsregelung in §§ 22a bis 22c SGB II Überlegungen über geeignete Methoden zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen angestellt wurden (BT-Drucks. 17/3404, S. 44, 98-101), stehen diese systematisch neben dem Normprogramm des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und enthalten - wie die gesetzliche Regelung selbst (s.o. unter B II. 2.3.5) - im Übrigen auch keine hinreichenden normativen Maßstäbe zur Bestimmung der Höhe unterkunftsbezogener existenzsichernder Leistungen.
- 388
Die vom BVerfG aufgestellten Anforderungen an den Gesetzgeber können nicht dadurch erfüllt werden, dass sie mit Hilfe eines "unbestimmten Rechtsbegriffs" zur näheren Bestimmung der Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis überantwortet werden (so bereits SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 71). Die Auffassung, das BSG würde gerade mit der Rechtsprechung zum "schlüssigen Konzept" den prozeduralen Anforderungen des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010 genügen (Knickrehm, SozSich 2010, S. 193; Luik, jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; Link in: jurisPK SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41; Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - Rn. 39; SG Karlsruhe Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 53 f.), übersieht, dass es sich um Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren und dessen Ergebnisse handelt. Diesbezügliche Defizite kann die fachgerichtliche Rechtsprechung nicht ausgleichen, denn sie ist zu den im Gesetzgebungsverfahren vorzunehmenden sozialpolitischen Wertungen nicht berufen (vgl. Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 287).
- 389
5. Der Bestimmtheitsmangel des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II kann nicht durch eine "verfassungskonforme Auslegung" behoben werden.
- 390
Das Gebot verfassungskonformer Auslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht (BVerfG, Urteil vom 19.09.2007 - 2 BvF 3/02 - Rn. 92). Die verfassungskonforme Auslegung ist demzufolge eine Vorzugsregel, nach der bestimmte nach methodisch korrekter Konkretisierungsarbeit gefundene Ergebnisse gegenüber anderen zu bevorzugen sind. Die Fachgerichte sind verfassungsrechtlich gehalten, Gesetzesrecht verfassungskonform auszulegen und gegebenenfalls „interpretatorisch (zu) reparieren“ (Baer, NZS 2014, S. 4).
- 391
Da der Befund der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II in erster Linie auf der mangelnden Bestimmtheit des Normtextes (s.o. unter B. II. 2.3) und in zweiter Linie auf fehlenden gesetzgeberischen Wertentscheidungen bezüglich der inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums (s.o. unter B. II. 4.2) beruht, müsste das Ziel einer "verfassungskonformen Auslegung" zunächst darin bestehen, entweder den (als verfassungswidrig erkannten) Bestimmtheitsmangel oder das Bestimmtheitserfordernis zu beseitigen. Eine „verfassungskonforme Auslegung“ müsste dazu in der Lage sein, die notwendigen gesetzgeberischen Wertentscheidungen zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums aufzuzeigen oder aber gesetzgeberische Wertentscheidungen dieser Art entbehrlich zu machen.
- 392
Für eine Beseitigung des Bestimmtheitsmangels durch Auslegung genügt es demnach nicht darzulegen, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit einer einzelfallbezogenen Konkretisierung zugeführt werden kann. Es bedürfte vielmehr der Begründung, weshalb der Begriff der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II entgegen der hier vertretenen Auffassung (s.o. unter B. II. 2.3.2. b) dazu geeignet sein sollte, Gesetzesbindung zu erzeugen und hiermit eine wirksame Steuerung der durch Verwaltung und Rechtsprechung zu vollziehenden Konkretisierungsprozesse anhand gesetzgeberischer Wertentscheidungen zu ermöglichen (s.o. unter B. II. 2.1.3).
- 393
Für eine Beseitigung des Bestimmtheitserfordernisses (s.o. unter B. II. 2.1.4) bedürfte es einer Auslegung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, die geeignet ist, die aus dem Grundrechtsbezug der Regelungsmaterie resultierende Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers zu beseitigen. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dürfte in Folge einer derartigen Auslegung durch § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht betroffen sein.
- 394
5.1 Die Rechtsprechung des BSG (siehe oben unter A. IV. 1.) bietet vor dem Hintergrund der genannten Anforderungen keine verfassungskonforme Lösung. Sie kann weder den Bestimmtheitsmangel heilen, noch das Bestimmtheitserfordernis beseitigen. Sie vermag auch nicht die fehlenden gesetzgeberischen Wertentscheidung bezüglich der inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums zu ersetzen.
- 395
5.1.1 Mit der Ausrichtung des Angemessenheitsbegriffs auf einfache, grundlegende Wohnstandards (so bereits BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R) und der hieraus folgenden Entwicklung von Wertmaßstäben und Methoden zur weiteren Konkretisierung von Angemessenheitsgrenzen übernimmt das BSG die dem Gesetzgeber auferlegten und vorbehaltenen Gestaltungsaufgaben umstandslos selbst, indem es den vom BVerfG erarbeiteten Maßstab zur Gestaltung der das Existenzminimum gewährenden Leistungen verfeinert und im Übrigen an die Verwaltung und die Instanzgerichte delegiert (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 21: „(Die) Mietobergrenze ist unter Berücksichtigung eines existenzsichernden Leistungssystems festzulegen.“).
- 396
Das BSG übernimmt damit eine Aufgabe, die nach der vom BVerfG entwickelten Dogmatik dem parlamentarischen Gesetzgeber obliegt (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136). Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob das BSG mit seiner Rechtsprechung zum "schlüssigen Konzept" den materiellen Anforderungen des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im Hinblick auf Realitätsgerechtigkeit, Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Sachgerechtigkeit genügt (vgl. schon SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 72).
- 397
Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen Maßstäbe entwickelt, anhand derer die Gerichte die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung zu prüfen haben. Diese Maßstäbe haben die Funktion, Mindestanforderungen an gesetzgeberisches Handeln zu formulieren, nicht gesetzgeberisches Handeln zu ersetzen. Wenn nun diese Mindestanforderungen an die Gesetzgebung von der Rechtsprechung in die Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffs übersetzt werden, führt dies unweigerlich zu einer Ausrichtung an Minimalstandards der Existenzsicherung, obwohl sich aus dem Gesetzeswortlaut hierfür nichts ergibt.
- 398
Letztendlich unterstellt das BSG mit der Orientierung an einfachen und im unteren Marktsegment liegenden Standards (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 24), der Gesetzgeber wolle im Bereich der Unterkunftsbedarfe Leistungen nur in der Höhe gewähren, zu der er von Verfassungs wegen mindestens verpflichtet ist. Das "Angemessene" sei in diesem Sinne nur das zur Wahrung des Existenzminimums zwingend Erforderliche. Dies ist aber nur eine von vielen denkbaren Lesarten des Angemessenheitsbegriffs in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, zumal der Gesetzgeber dem Erhalt einer konkret innegehabten Wohnung im Bereich des SGB II erkennbar einen hohen Stellenwert einräumt (vgl. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II, § 12 Abs. 1 Nr. 4 SGB II).
- 399
Das BSG verwendet den Angemessenheitsbegriff somit als normtextlichen Ausgangspunkt und Rechtfertigungsgrund für die eigene Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums (so schon SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 52). Auf diese Weise können aber weder der Bestimmtheitsmangel (s.o. unter B. II. 2.3) geheilt noch die fehlenden gesetzgeberischen Wertentscheidungen (s.o. unter B. II. 4) ersetzt werden. Das BSG kann auf diese Weise auch das Bestimmtheitserfordernis nicht beseitigen, weil es sich mit der Ausrichtung an einfachen, grundlegenden Wohnstandards gerade am Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums orientiert (vgl. SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 79). Eine verfassungskonforme Auslegung ist so nicht möglich.
- 400
5.1.2 Die vom BSG entwickelten Konkretisierungsmaßstäbe sind auch im Einzelnen teilweise verfassungsrechtlich bedenklich und im Übrigen nicht alternativlos.
- 401
a) Bereits im Ansatz ist die vom BSG herangezogene Produkttheorie, die die beiden Faktoren (angemessene) Wohnfläche und (angemessener) Quadratmetermietpreis zu den Bestimmungsgrößen für die Angemessenheitsgrenze zusammenfügt, eine Wertentscheidung, die mit guten Gründen auch anders getroffen werden könnte.
- 402
Das BSG nähert sich der Fragestellung, welchen Unterkunftsbedarf Menschen mit geringem Einkommen in Deutschland haben, nur indirekt, indem es die zwei normativen Ausgangspunkte „angemessene Wohnfläche“ und „angemessener Wohnstandard“ kombiniert und nicht versucht, unmittelbare Erkenntnisse über die tatsächlichen Ausgaben einkommensschwacher Haushalte zu gewinnen. Dieser Ansatz ist eher mit dem früher zur Festsetzung des Regelsatzes nach dem BSHG herangezogenen Warenkorbmodell als mit der empirisch-statistischen Methode der Regelbedarfsbemessung verwandt (vgl. Rosenow, wohnungslos 2012, S. 57). Im Hinblick auf die Wohnfläche bleibt es bei einer normativen Setzung (v. Malottki, info also 2012, S. 101), während hinsichtlich des angemessenen Wohnstandards letztendlich doch versucht wird, diesen auf ein empirisch-statistisches Maß herunter zu brechen, indem regionale Quadratmetermietpreise ermittelt werden sollen. Die Multiplikation zweier (mutmaßlich) unterdurchschnittlicher Werte im Rahmen der Produkttheorie führt dazu, dass die so ermittelten Angemessenheitsgrenzen stärker negativ von durchschnittlichen oder üblichen Unterkunftskosten abweichen, als es bei Betrachtung der für die Bestimmung des "einfachen Segments" des Wohnstandards gewählten Perzentile den Anschein hat (vgl. v. Malottki, info also 2014, S. 100 f.; ders., info also 2012, S. 107).
- 403
Demgegenüber könnte eine stärkere Anlehnung an empirisch-statistische Verfahren Unterkunftsbedarfe realitätsgerechter erfassen. Beispielsweise könnte als Grundlage für die Bestimmung von Unterkunftskostenbegrenzungen an die statistisch nachweisbaren tatsächlichen Ausgaben der Bevölkerung für Unterkunftsbedarfe aus Einkommens- und Verbrauchsstichproben oder Mikrozensus-Erhebungen angeknüpft werden (vgl. SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 73 f.; Stölting, SGb 2013, S. 546; vgl. im Sinne einer Weiterentwicklung der Produkttheorie hin zu einer "Absolutmiettheorie“: v. Malottki, info also 2012, S. 107).
- 404
b) Fragwürdig ist auch die vollständige Ausblendung der Lebensverhältnisse und des Wohnstandards von Wohneigentümern bei der Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen. Laut Mikrozensus 2010 werden 53,1 % der Wohnungen in Rheinland-Pfalz von deren Eigentümern bewohnt (Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Wohnungen und Mieten 2010 - Ergebnisse des Mikrozensus 2010, Bad Ems 2012). Der größere Teil des tatsächlich bestehenden Wohnraums wird somit von vornherein nicht in die Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen mit einbezogen (vgl. auch v. Malottki, info also 2014, S. 100). Der als Angemessenheitsgrenze durch Bestimmung einer Perzentile der Mietenstichprobe herangezogene Quadratmetermietpreis verliert hierdurch an Aussagekraft. Wird diese Grenze beispielsweise bei der 33. Perzentile des erhobenen Datenbestands gegriffen, bedeutet dies keineswegs, dass der so bestimmte Quadratmetermietpreis in etwa den Wohnstandard des unteren Einkommensdrittels der Bevölkerung repräsentiert.
- 405
c) Auch die Differenzierung der Angemessenheitsgrenze nach der Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 - Rn. 21) ist angreifbar und hat sowohl gegenüber der Alternative der Anknüpfung an das Individuum als auch gegenüber einer Bemessung nach der Anzahl der Haushaltsmitglieder spezifische Nachteile. Gegenüber der Bezugnahme auf das Individuum führt die Vorgehensweise in Kombination mit der Hinzuziehung der Wohnflächengrenzen nach den landesrechtlichen Wohnförderungsbestimmungen zu einer sehr deutlichen und vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) problematischen Benachteiligung von Mehrpersonenbedarfsgemeinschaften. So liegt die Angemessenheitsgrenze beispielsweise in dem von A & K für den vorliegend Beklagten erstellten Konzept für eine Zweipersonenbedarfsgemeinschaft nur um 13,30 Euro über der Angemessenheitsgrenze für eine "Einpersonenbedarfsgemeinschaft". Auf den Individualanspruch übertragen werden unter Zugrundelegung der Kopfteilmethode für einen Partner in einer Zweipersonenbedarfsgemeinschaft Kosten für die Kaltmiete nur in Höhe von bis zu 149,40 Euro berücksichtigt, bei einem Einpersonenhaushalt in Höhe von bis zu 285,50 Euro. Auch wenn diese Ungleichbehandlung mit unterschiedlichen Bedarfsdeckungserfordernissen eventuell gerechtfertigt werden könnte, wird dies durch die Bezugnahme auf Bedarfsgemeinschaften an Stelle von Haushaltsgemeinschaften wieder konterkariert (kritisch auch Koepke, SGb 2009, S. 617 ff.). Denn das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft verknüpft begrenzte Voraussetzungen (§ 7 Abs. 3 SGB II) mit begrenzten Rechtsfolgen (vgl. Rosenow, SGb 2008, S. 284). So haben die Gründe, weshalb eine Person, die mit anderen in einem Haushalt lebt, nicht mit diesen zu einer Bedarfsgemeinschaft zusammengefasst wird, in aller Regel nichts mit der Art und dem Umfang der Nutzung der Unterkunft zu tun.
- 406
Die zusätzliche Anforderung des BSG, dass auch bei der Bestimmung der "angemessenen" Quadratmetermietpreise nach Haushaltsgrößen differenzierte Wohnflächenintervalle berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - Rn. 20), führt darüber hinaus dazu, dass die normative Bestimmung der "angemessenen Wohnfläche" zweifach berücksichtigt wird. Der hiermit einhergehende Benachteiligungseffekt zu Lasten von Personen, die in größeren Bedarfsgemeinschaften wohnen, wird hierdurch verstärkt, weil größere Wohnungen einen tendenziell niedrigeren Quadratmetermietpreis aufweisen.
- 407
d) Die an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung anknüpfende Bestimmung der angemessenen Wohnfläche anhand der Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau (unkritisch noch in den Urteilen des BSG vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 19 - und vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - Rn. 12) genügt bereits nach Auffassung des BSG nicht den selbst gestellten Anforderungen (grundlegend: BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 15 ff.). Sie wird nach mehreren fruchtlosen Appellen, eine Verordnung nach § 27 SGB II a.F. zu erlassen, wohl nur aus Mangel an Alternativen weiter verfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 18; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R - Rn. 14; vgl. auch Groth, SGb 2009, S. 645).
- 408
Neben der grundsätzlichen Untauglichkeit der Wohnraumförderungsbestimmungen, Aussagen über tatsächliche Verhältnisse am Wohnungsmarkt zu ermöglichen (vgl. v. Malottki, info also 2012, S. 101), ist die Heranziehung der landesrechtlich unterschiedlichen Beträge gleichheitswidrig. Da die angemessene Wohnfläche bei Anwendung der Produkttheorie stets einen Faktor der Angemessenheitsgrenze bildet, wirken sich nach dem jeweiligen Landesrecht unterschiedliche Förderungsgrößen proportional auf die Angemessenheitsgrenzen aus. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass nach der Rechtsprechung des BSG für Einpersonenhaushalte in Baden-Württemberg (angemessene Wohnfläche: 45 m²; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R - Rn 18; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 21) eine um 10 % niedrigere Angemessenheitsgrenze gilt als für Einpersonenhaushalte in Rheinland-Pfalz und den meisten anderen Bundesländern (angemessene Wohnfläche: 50 m²; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 16 - Schleswig-Holstein; BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R - Rn. 17 - Nordrhein-Westfalen; BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 61/12 R - Rn. 21 - Sachsen-Anhalt; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 20 - Bayern) - völlig unabhängig von den jeweiligen örtlichen Wohnungsmarktverhältnissen.
- 409
Das BSG erkennt dies zwar und sieht auch die Gefahr einer eigentlich kompetenzwidrigen mittelbaren Beeinflussung der bundesrechtlichen Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II durch die Bundesländer (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 16), hat die Suche nach einer Problemlösung aber allem Anschein nach aufgegeben.
- 410
Daneben ist es zweifelhaft, ob die Wohnflächenstaffelung des Wohnungsbauförderungsrechts auch innerhalb eines Landes sich zur Normierung divergierender Unterkunftsbedarfe verschiedener Haushaltsgrößenklassen eignet. Das Wohnbauförderungsrecht modelliert die klassische Entwicklung eines familiären Haushalts und hat hierbei den Zweipersonenhaushalt eines Ehepaares im Blick (Gautzsch, NZM 2011, S. 504). Dies erklärt möglicherweise den in den meisten Bundesländern relativ geringen Sprung der als förderungswürdig erachteten Wohnfläche von einem Einpersonenhaushalt zu einem Zweipersonenhaushalt um nur 10 m² (vgl. Boerner in: Löns/Herold-Tews, § 22 Rn. 25, 3. Auflage 2011), während bei Hinzutreten einer dritten Person eine Erhöhung um weitere 15 m² die Regel ist. Dies lässt beispielsweise die häufige Konstellation des Zweipersonenhaushaltes bei Alleinerziehenden mit einem Kind außer Betracht (Gautzsch, NZM 2011, S. 504).
- 411
e) Neben den notwendigen Wertentscheidungen bei der Bestimmung der Parameter für die Festlegung der Wohnflächengrenzen und des Vergleichsraums sowie für die Erhebung der Datengrundlage fehlt es an einer konkreten Ausformulierung und Begründung eines statistischen Maßes, mit dem innerhalb des Auswertungsdatensatzes das einfache Segment abgegrenzt werden könnte (vgl. v. Malottki, info also 2012, S. 104). Unter Anwendung der Produkttheorie des BSG stellt die Festlegung dieses Maßes aber praktisch die wesentliche Entscheidung über die Angemessenheitsgrenze dar, weil hierbei festgelegt wird, wie hoch der für die Haushaltsgröße maßgebliche Quadratmetermietpreis ist, der anschließend mit der als angemessen angesehenen Wohnfläche multipliziert wird. Die Entscheidung, welche Perzentile herangezogen wird, beruht dabei häufig nur auf Zahlenästhetik und stellt eine reine Dezision des Entscheidungsträgers dar, unabhängig davon, ob diese Entscheidung auf Verwaltungsebene oder durch das Gericht erfolgt. Das BSG beanstandet für einen Münchener Fall die Heranziehung der 20. Perzentile der Grundgesamtheit des gesamten Marktes nicht (BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 37), gibt aber keinen Grund dafür an, weshalb - bei Festlegung auf ein "unteres Marktsegment" - nicht auch die 18., 26., 32. oder 41. Perzentile herangezogen werden dürfte.
- 412
Spätestens im abschließenden „Griff nach der Perzentile“ zeigt sich, dass die Vorstellung trügt, man könne die abstrakt angemessenen Unterkunftskosten (bzw. den Quadratmetermietpreis für Wohnungen einfachen Standards) mit Hilfe eines schlüssigen Konzepts „ermitteln“ (so aber BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 17).
- 413
f) Die Angemessenheitsgrenze "per se" oder "Angemessenheitsobergrenze" in Form der Heranziehung der Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG zuzüglich 10 % als höchstens angemessene Bruttokaltmiete für den Fall fehlender Ermittlungsmöglichkeiten durch das Gericht wurde offenbar ohne jegliche Plausibilitätsprüfung geschaffen. Jedenfalls lässt sich eine solche den Urteilsbegründungen des BSG nicht entnehmen (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - Rn. 15; BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - Rn. 20; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R – Rn. 23; BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R - Rn. 29; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R - Rn. 29; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 20 ff.; BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - Rn. 19; BSG, Urteil vom 16.04.2013 - B 14 AS 28/12 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 4/13 R - Rn. 15; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 25 ff.).
- 414
Das BSG hat in seiner Judikatur vielmehr Gründe dafür angeführt, weshalb der Rückgriff auf die Höchstwerte nach § 8 Abs. 1 WoGG a.F. bzw. § 12 Abs. 1 WoGG gerade nicht zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze geeignet ist. Der mit der Gewährung von Wohngeld verfolgte Zweck sei ein anderer, als derjenige der Leistungen nach dem SGB II (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 18; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 21). Die pauschalierten Höchstbeträge des § 8 WoGG könnten keine valide Basis bilden und allenfalls als ein gewisser Richtwert Berücksichtigung finden, wenn alle Erkenntnismöglichkeiten erschöpft seien (BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 24). Die Tabellenwerte in § 8 WoGG stellten grundsätzlich keinen geeigneten Maßstab für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft dar, weil sie zum einen die örtlichen Gegebenheiten nicht angemessen widerspiegelten und zum anderen nicht darauf abstellten, ob der Wohnraum bedarfsangemessen sei (BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - Rn. 20). Die in § 12 Abs.1 WoGG festgeschriebenen Werte würden ebenso wenig wie die in § 8 Abs. 1 WoGG a.F. den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 27).
- 415
Das BSG begründet die Heranziehung der modifizierten Höchstwerte nach § 8 Abs.1 WoGG a.F. bzw. § 12 Abs. 1 WoGG schlicht damit, dass die Übernahme der tatsächlichen Kosten nicht unbegrenzt erfolgen könne. Es gebe eine "Angemessenheitsgrenze" nach "oben". Durch sie solle verhindert werden, dass extrem hohe und damit nicht nur nach Auffassung des Grundsicherungsträgers, sondern per se unangemessene Mieten durch den Steuerzahler zu finanzieren seien (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27). Worauf die Annahme gestützt wird, dass diese Angemessenheitsobergrenze sich aus § 8 Abs. 1 WoGG a.F. bzw. § 12 Abs. 1 WoGG ergeben könnte, wird jedoch nicht erklärt. Die Hinzufügung eines „Sicherheitszuschlags“ von 10 % „im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraumes“ (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 22; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 28) ist offensichtlich aus der Luft gegriffen.
- 416
Es bleibt somit unklar, was das BSG zu der Annahme verleitet, die herangezogenen Werte hätten für tatsächliche Wohnungsmarktlagen irgendeine Aussagekraft. Diese Werte liegen tatsächlich oftmals unter den von kommunalen Trägern anhand von schlüssigen oder unschlüssigen Konzepten erarbeiteten Angemessenheitsgrenzen (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 4/13 R - Rn. 15; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 3878/11 - Revision anhängig: B 4 AS 44/14 R; vgl. zur Kritik auch Rosenow, wohnungslos 2012, S. 60; Schnitzler, SGb 2010, S. 512; Groth, SGb 2013, S. 251).
- 417
g) Gegen die Rechtsprechung des BSG spricht weiter, dass sie - letztlich wegen der unbestimmten gesetzlichen Grundlage - nicht dazu in der Lage ist, Rechtssicherheit zu schaffen (vgl. SG Dresden, Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 32; SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 65 ff.).
- 418
In der Literatur wird hierzu u.a. ausgeführt, dass nicht überraschen könne, dass sich die jeweilige Bestimmung der angemessenen Höhe der Kosten der Unterkunft in der Praxis als konfliktträchtig erweise (Butzer/Keller, NZS 2009, S. 66), dass die im Bereich der Unterkunftskosten anhängigen Streitverfahren schwerpunktmäßig die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung beträfen (Jaritz, Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft - Sanktionen - Mitwirkung, in: Baus/Krings (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Sozial- und Arbeitsrecht, St. Augustin/Berlin 2012, S. 63) und dass Leistungen für Unterkunft und Heizung zu den streitanfälligeren Leistungen, die Verwaltung und Sozialgerichte in erheblichem Umfang beschäftigen, gehörten (Berlit, info also 2011, S. 170; vgl. auch Groth, SGb 2009, S. 646; Winter, SGb 2012, S. 366).
- 419
Dies liegt zum einen darin begründet, dass auch höchstrichterliche Rechtsprechung keine Bindungswirkung über den Einzelfall hinaus entfaltet und aus diesem Grund eine gesetzliche Regelung nicht funktionell gleichwertig ersetzen kann (vgl. Berlit, info also 2010, S. 195; Groth, SGb 2009, S. 646), zum anderen darin, dass ein unauflöslicher Widerspruch zwischen dem Anliegen besteht, einerseits abstrakt-generell geregelte Mietobergrenzen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten schaffen zu wollen und hierfür andererseits als gesetzliche Grundlage lediglich einen "unbeschränkt überprüfbaren" unbestimmten Rechtsbegriff zu haben. Das Dilemma wird in der folgenden Passage aus dem Urteil des BSG vom 22.09.2009 (B 4 AS 18/09 R - Rn. 26 f.) besonders deutlich:
- 420
"Es ist im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten. Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher grundsätzlich schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit vom Grundsicherungsträger vorzulegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne eine hinreichende Datengrundlage, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1, 2. Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Diese Ermittlungspflicht geht nicht ohne Weiteres auf das Sozialgericht über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht tragfähig (schlüssig) erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind. (…) Steht nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur Überzeugung des Gerichts fest, dass keine solchen Erkenntnismöglichkeiten mehr vorhanden sind - etwa durch Zeitablauf - sind vom Grundsicherungsträger die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen für Unterkunft zu übernehmen. Sie sind allerdings auch in diesem Fall nicht völlig unbegrenzt zu übernehmen, sondern nur bis zur Höhe der durch einen Zuschlag maßvoll erhöhten Tabellenwerte in § 8 WoGG."
- 421
Das BSG stellt den Leistungsträgern hiermit die Aufgabe, Angemessenheitsgrenzen in Form von abstrakt-generellen Regelungen zu treffen, ohne ausdrücklich einen Beurteilungs- oder Gestaltungsspielraum einzuräumen. Dies soll allerdings nur "im Wesentlichen" Aufgabe des Leistungsträgers sein. Das Konzept soll auch nur "grundsätzlich" bereits zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (so ausdrücklich auch BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 21). Es hat aber keine erkennbaren Konsequenzen, wenn es zu diesem Zeitpunkt nicht vorliegt. Aus der weichen Formulierung, "es kann vom (…) kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt", geht deutlich hervor, dass sich für eine echte Verpflichtung keine Rechtsgrundlage finden lässt. So geht auch die Ermittlungspflicht nur nicht "ohne Weiteres" auf die Sozialgerichte über.
- 422
Die Unschärfe in der Aufgabenverteilung zwischen Leistungsträger (eigenständig "ermitteln") und Gericht (unbeschränkte Kontrolle) hat systematisch-konstruktive Gründe. An der Gestattung eines Beurteilungsspielraums ist das BSG gehindert, da methodischer Ausgangspunkt für die gesamte Judikatur zur Angemessenheit der Unterkunftskosten der uneingeschränkt überprüfbare, unbestimmte Rechtsbegriff ist (vgl. Groth, SGb 2013, S. 250). Dies hat zur Konsequenz, dass im Endeffekt die Gerichte auf Grundlage systematischer Vorentscheidungen der Verwaltung über die konkrete Höhe der Angemessenheitsgrenze nach eigenen Wertungen entscheiden sollen (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 24; vgl. zum Ganzen: SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 Rn. 65 ff.).
- 423
Die so erfolgte Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen und somit der Höhe der unterkunftsbezogenen Leistungen des SGB II stellt sich bei realistischer Betrachtung als kooperativer Prozess zwischen Verwaltung und Rechtsprechung dar, der im Wesentlichen erst im Streitfall zwischen Leistungsberechtigtem und Behörde vollzogen wird. In diesem Prozess sind die politischen Verantwortlichkeiten kaum auseinanderzuhalten und die Funktionen der Staatsgewalten nicht mehr voneinander unterscheidbar. Die Rechtsprechung kann auf diese Weise ihrer verfassungsrechtlichen Kontrollfunktion gegenüber der Legislative nicht nachkommen. Rechtssicherheit kann auf diese Weise nicht erreicht werden.
- 424
5.2 Die von der 20. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 26 ff.; s. o. unter A. IV. 3.3) vertretene Auslegung ist ebenfalls nicht dazu geeignet, die Verfassungskonformität des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II sicherzustellen. Mit der Begrenzung der Leistungen für Unterkunft auf die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG legt das Gericht die Höhe des Existenzsicherungsanspruchs nach eigenen Wertmaßstäben fest. Dies ist bereits auf Grund der Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers verfassungswidrig. Im Übrigen begründet das SG Dresden ebenso wenig wie das BSG, weshalb die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG für die Bemessung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums geeignet sein sollten (s.o. unter B. II 5.1.2. f).
- 425
5.3 Die von der 17. Kammer des SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09; Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 751/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13; Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12; Urteil vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11; s. o. unter A. IV. 3.1) und von der 20. Kammer des SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12; Urteil vom 16.12.2013 - S 20 AS 879/11; s. o. unter A. IV. 3.2) erarbeiteten Vorschläge zur verfassungskonformen Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II laufen entweder auf eine verfassungswidrige Wahrnehmung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums durch Verwaltung und Gerichte oder auf eine gleichfalls verfassungswidrige faktische Normverwerfung durch die Gerichte hinaus.
- 426
5.3.1 Die 17. Kammer des SG Mainz stellt zwar die möglichen Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zutreffend dar (SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 61) und formuliert abstrakt die Anforderungen, die eine verfassungskonforme Auslegung des Angemessenheitsbegriffs im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllen müsste (SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 62). Zutreffend weist das SG Mainz darauf hin, dass das Primat der verfassungskonformen Auslegung im Rahmen der Gesetzesbindung entstehungsgeschichtliche und teleologische Auslegungselemente verdrängen muss. Im Rahmen der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II kann das abstrakt formulierte Ziel der verfassungskonformen Auslegung jedoch nicht erreicht werden.
- 427
a) Der in den zitierten Entscheidungen eingeschlagene Weg besteht darin, nicht den Bestimmtheitsmangel des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zu beseitigen (was - wie unter B. II. 2 gezeigt - nicht möglich ist), sondern ihn durch Herausnahme der verfassungsrechtlichen Brisanz irrelevant zu machen. Dies gelingt in der Theorie dadurch, dass § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II als Regelung interpretiert wird, die das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht betrifft (vgl. SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn 62; in diesem Punkt vergleichbar: SG Dresden, Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 54). Der Angemessenheitsbegriff soll nach dieser Auffassung so konkretisiert werden, dass er eine andere Funktion einnimmt, als die der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 87).
- 428
Dieser Ansatz ist theoretisch nachvollziehbar, weil auf diese Weise die Bestimmbarkeits- und Folgerichtigkeitskriterien, die für die Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllt werden müssen (s.o. unter B. II. 2.1 und unter B. II. 4), außer Betracht bleiben könnten. Losgelöst von diesen der Grundrechtsverwirklichung geschuldeten Anforderungen wäre die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht zu beanstanden.
- 429
b) Allerdings lässt sich der Anspruch, eine Auslegung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zu ermöglichen, die nicht die Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums betrifft, nicht einlösen. Denn die Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II führt nur zu einem im Hinblick auf das Existenzsicherungsgrundrecht verfassungskonformen Ergebnis, solange der Fall der evidenten Überschreitung der ortsüblichen Unterkunftsaufwendungen nicht eintritt. Sobald das Gericht aber im Einzelfall eine solche Überschreitung feststellen müsste, würde es die Höhe des unterkunftsbezogenen Existenzminimums doch selbst bestimmen und hiermit - ebenso wie das BSG - eine Gestaltungsaufgabe übernehmen, die dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Dies gilt auch dann, wenn die Angemessenheitsgrenze so hoch definiert wird, dass nach "allgemeinen Anschauungen" oder anderen scheinbar objektiven Kriterien keine Bedenken bestehen, die Kostenübernahme als unverhältnismäßig anzusehen. Denn durch die Kürzung des in die Leistungsberechnung einzubeziehenden Unterkunftsbedarfs wird das Existenzminimum in jedem Fall ausgestaltet, selbst wenn der Betroffene eine "Luxuswohnung" bewohnt. Dies folgt zum einen daraus, dass auch in diesem Fall der "angemessene" Anteil des Unterkunftsbedarfs zu berücksichtigen wäre (s.o. unter B. II. 2.3.1 b), welcher in irgendeiner Form durch Verwaltung oder Gericht beziffert werden müsste.
- 430
Zum anderen könnte der Unterkunftsbedarf oder wahlweise der Bedarf zur Sicherung des sonstigen Lebensunterhalts bei einer Kürzung nicht vollständig gedeckt werden. In Folge der geringen Elastizität des Konsumguts "Unterkunft" (s.o. unter B. II. 2.3.3 b) besteht in jedem Fall der Kürzung die Gefahr einer akuten Unterdeckung des Unterkunftsbedarfs. Die Leistungsberechtigten sind zwar nicht unmittelbar dazu gezwungen, ihren Verpflichtungen für den Erhalt der Unterkunft vollständig nachzukommen, wenn sie diese nicht als Leistungen vom SGB II-Träger erhalten, so dass die gewährten Leistungen für den Regelbedarf in vollem Umfang verkonsumiert werden dürfen, gegebenenfalls unter Inkaufnahme des schuldenbedingten Wohnungsverlusts. Der Verlust einer bestimmten, bisher bewohnten Unterkunft als solcher verstößt auch nicht gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Ein Verstoß läge erst dann vor, wenn nicht kurzfristig eine die menschenwürdige Existenz sichernde Unterkunft verfügbar wäre.
- 431
Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein solcher Zustand eintreten kann, ist aber von wesentlicher Bedeutung für die Grundrechtsverwirklichung und unterliegt deshalb wiederum der Gestaltungsverpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers (s.o. B II. 2.1.2 und 2.1.5). Die hierfür maßgeblichen Wertentscheidungen können durch die Gerichtsbarkeit nicht ersetzt werden (s.o. unter B II. 4.2).
- 432
Die Auslegung des Angemessenheitsbegriffs durch die 17. Kammer des SG Mainz führt demzufolge nicht zu einem verfassungskonformen Ergebnis.
- 433
c) Die Verfassungswidrigkeit könnte theoretisch nur vermieden werden, wenn die Angemessenheitsgrenze so hoch angesetzt würde, dass sie praktisch niemals zum Zuge käme. Die Interpretation einer Rechtsvorschrift in einer Weise, dass sie keine Auswirkungen hat, kommt im Ergebnis aber der Nichtanwendung dieser Norm gleich. Der Rechtsprechung steht es auf Grund der Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG) jedoch nicht zu, eine gesetzgeberische Regelungsentscheidung im Wege der Auslegung vollständig zu neutralisieren.
- 434
d) Der Vorschlag, die Leistungspflicht nur in Einzelfällen zu begrenzen, in denen Leistungsberechtigte hinsichtlich ihrer Unterkunft deutlich erkennbar über den ortsüblichen Verhältnissen leben (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 87) läuft somit entweder auf eine verfassungswidrige Wahrnehmung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums oder auf eine gleichfalls verfassungswidrige faktische Normverwerfung durch die Gerichte hinaus.
- 435
5.3.2 Der Vorschlag einer verfassungskonformen Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II durch das SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.) scheitert aus denselben Gründen. Die Frage, wann ein die Leistungskürzung rechtfertigender Ausnahmefall im Sinne eines offensichtlichen Missverhältnisses zu den sonstigen Lebensumständen des Leistungsberechtigten vorliegen würde, hätte wesentliche Bedeutung für die Grundrechtsverwirklichung und bedürfte deshalb einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber.
- 436
5.4 Andere Vorschläge für eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wurden in Rechtsprechung und Literatur bislang nicht gemacht und sind für die vorlegende Kammer auch nicht ersichtlich.
- 437
6. Die in Rechtsprechung und Literatur unternommen Versuche, die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG zu verteidigen, gelingen nicht.
- 438
6.1 Die Auffassung von Link (in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014 - s.o. unter A. IV. 5.5) und dem 1. Senat des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41 - s.o. unter A. IV. 4.1), die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" biete mit dem hierfür entwickelten schlüssigen Konzept gerade ein vom BVerfG gefordertes transparentes und schlüssiges Verfahren, vernachlässigt, dass das BVerfG Transparenz- und Schlüssigkeitsanforderungen ausdrücklich an das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren gestellt hat (so bereits SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 46). Dass das BVerfG betont habe, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum zukomme, lässt die Schlussfolgerung nicht zu, dass der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum praktisch an die Verwaltung und die Gerichtsbarkeit weiterreichen dürfte. Auch eine "gefestigte Rechtsprechung" kann die Ausübung gesetzgeberischen Gestaltungsermessens nicht ersetzen. Die Kritik am Urteil des SG Mainz vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09), das hiermit die Rechtsprechung zum schlüssigen Konzept lediglich substituiert werde, trifft im Ergebnis zwar zu, würdigt aber nicht den Umstand, dass diese Substitution von einem anderen Ausgangspunkt erfolgte und nur einer Art Evidenzkontrolle diente.
- 439
6.2 Soweit die 49. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 57 - s.o. unter A. IV. 4.2) ausführt, dass die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nicht einem Parlamentsgesetz vorbehalten sei, da einem solchen nur die Bestimmung des Existenzminimums unterliege und § 22 SGB II über dieses Minimum deutlich hinausgehe, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Frage, wie hoch die Angemessenheitsgrenze liegt, bestimmt maßgeblich, wie hoch der zur Sicherung des Existenzminimums gedachte Leistungsanspruch ausfällt. Der Begriff "Existenzminimum" markiert nur in dem Sinne eine Untergrenze dahingehend, dass der Gesetzgeber ein Minimum an existenzsichernden Leistungen zur Verfügung stellen muss. Ob der Gesetzgeber sich zur Sicherung des Existenzminimums einer Regelungstechnik unter Verwendung von "Obergrenzen" bedient, ist für die Qualifikation als zur Sicherung des Existenzminimums bestimmte Leistung völlig unerheblich.
- 440
Die These, dass weder der Bundes- noch die Landesgesetzgeber die existenznotwendigen Kosten der Unterkunft in einer für das gesamte Bundes- oder Landesgebiet hinreichend zuverlässigen und transparenten Weise sachgerecht ermitteln könnten, wie es das BVerfG für die Ermittlung des Existenzminimums verlange, ist nicht zielführend und darüber hinaus nicht geeignet, plausibel zu machen, weshalb die kommunalen Träger und Sozialgerichte diese Voraussetzungen besser erfüllen könnten.
- 441
Auch die Behauptung, es sei nicht zu befürchten, dass der nach der Rechtsprechung des BSG für die Beurteilung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu Grunde zu legende Wohnstandard die aus der Gewährleistung des Existenzminimums herzuleitenden Mindeststandards unterschreiten könnte, ist sehr gewagt. Selbst die wenigen instanzgerichtlichen Entscheidungen zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen, die das BSG bestätigt hat, sind im Hinblick auf ihre Eignung, das Existenzminimum durch ein rationales Verfahren zu gewährleisten, methodisch angreifbar (vgl. v. Malottki, info also 2014, S. 99 ff. zu BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R). Dass deswegen auf eine formal-gesetzliche Grundlage verzichtet werden könne, steht jedenfalls in deutlichem Gegensatz zur Rechtsprechung des BVerfG, nach der gerade der Gesetzgeber die Höhe der existenzsichernden Leistungen auszugestalten habe.
- 442
6.3 Die vom 2. Senat des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 12 ff. - s.o. unter A. IV. 4.3; Urteile vom 26.03.2014 - L 2 AS 104/14 - Rn. 43 - s.o. A. IV. 4.5) und vom 2. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 11.03.2014 - L 2 AS 276/14 B ER - Rn. 49 ff. - s.o. unter A. IV. 4.4) gegen die Rechtsauffassung der 17. Kammer des SG Mainz herangezogenen Gründe stellen keine Sachargumente dar. Die Senate begnügen sich damit, auf eine entgegenstehende höhere Rechtsprechung zu verweisen und (im Falle des 2. Senats des LSG Baden-Württemberg) über Implikationen der Rechtsprechung des BVerfG zu spekulieren, ohne sich in der Sache mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II auseinanderzusetzen.
- 443
6.4 Luiks Argumentation (jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; ähnlich ders. in: Eicher, SGB II, § 22 Rn. 6, 3. Auflage 2013 – s.o. unter A. IV. 5.4) stützt sich im Wesentlichen auf die Annahme, dass das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits bestätigt habe. Dies trifft nicht zu (s. o. unter A. VI.), würde im Übrigen eine Auseinandersetzung in der Sache aber auch nicht entbehrlich machen, da das BVerfG der Bindungswirkung seiner Entscheidungen selbst nicht unterliegt (BVerfG, Beschluss vom 19.11.1991 - 1 BvR 1425/90 - Rn. 16 m.w.N.). Dass das BSG selbst eine Konzeption zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums entwickelt hat, die, stammte sie vom Gesetzgeber, den prozeduralen Anforderungen des BVerfG im Hinblick auf die Gestaltung existenzsichernder Leistungen genügen könnte, beseitigt das verfassungsrechtliche Problem nicht. Das BSG verfügt nicht über eine hinreichende demokratische Legitimation, um zur wesentlichen Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums befugt zu sein. Dass das legitimatorische Problem nicht mit herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden bewältigt werden kann, wurde bereits ausgeführt (s. o. unter B. II. 2.1.4).
- 444
6.5 Berlits Einwand, dass die Rechtsprechung des BSG an eine auch dem SGB II-Gesetzgeber bekannte Rechtsprechung des BVerwG zum Angemessenheitsbegriff im BSHG anknüpfe und in ihrem sachlichen Regelungsgehalt erneut in den Vorgaben für die Satzungsregelung aufgegriffen worden sei (Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn, 60 f., 5. Auflage 2013 - s.o. unter A. IV. 5.6), verfängt ebenfalls nicht. Die anhand der Gesetzgebungsmaterialien nachvollziehbare Bezugnahme auf die Sozialhilfepraxis verweist nicht nur auf ein gesetzgeberisches Regelungsmodell, sondern auch auf eine Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis, die vor dem Hintergrund der erst nach dem Außerkrafttreten des BSHG etablierten Rechtsprechung des BVerfG zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf Grund der selben Legitimationsdefizite keinen Bestand haben würde. Sie basiert ebenfalls auf dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit (vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 RegelsatzVO i.d.F. des Gesetzes vom 14.11.2003).
- 445
So bestimmte sich nach der ständigen Rechtsprechung des bis zum 31.12.2004 für Sozialhilfe zuständigen BVerwG (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 - 5 C 15/04) die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nach dem Bedarf des Hilfebedürftigen, welcher sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles richten sollte, insbesondere nach Umständen in der Person des Hilfebedürftigen, in der Art seines Bedarfs und nach den örtlichen Verhältnissen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine Unterkunft waren die örtlichen Verhältnisse maßgeblich. Hierbei wurde auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abgestellt und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne ermittelt. Erschienen dem Sozialhilfeträger die Unterkunftskosten im Einzelfall als zu hoch, durfte er die Angemessenheitsprüfung nicht darauf beschränken, ausgehend vom Bedarf des Hilfebedürftigen mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse zu bestimmen, welcher Kostenaufwand für die Unterkunft sozialhilferechtlich an sich (abstrakt) angemessen gewesen wäre. Der Sozialhilfeträger hatte die Angemessenheitsprüfung in einem solchen Fall auch auf die Frage zu erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war. Bestand eine derartige Unterkunftsalternative nicht, waren die Aufwendungen in voller Höhe weiter zu übernehmen (BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 - 5 C 15/04 - Rn. 10 f. m.w.N.). Dass bei der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nicht auf die jeweiligen örtlichen durchschnittlichen Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfeempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen war, ergab sich aus der Aufgabe der Hilfe zum Lebensunterhalt, nur den "notwendigen" Bedarf abzudecken (BVerwG, Urteil vom 17.11.1994 - 5 C 11/93 - Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 02.08.1994 - 5 PKH 32/94 - Rn. 2). Hierbei verwies das BVerwG auf § 12 Abs. 1 S. 1 BSHG, welcher in der zuletzt maßgeblichen Fassung vom 23.07.1996 lautete:
- 446
"Der notwendige Lebensunterhalt umfaßt besonders Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens."
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In diesen Ausführungen zeigt sich, dass auch unter der Ägide des BSHG das unterkunftsbezogene Existenzminimum nicht wesentlich durch den Gesetzgeber ausgestaltet, sondern anhand relativ allgemeiner Vorgaben des seinerzeit zuständigen Bundesgerichts weitgehend der Verwaltungspraxis überlassen wurde. Das erst mit der Ausdifferenzierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch das BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) offenkundig gewordene Bestimmtheitsproblem bestand auch bezüglich der gesetzlichen Regelung des BSHG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Allerdings erscheint es denkbar, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der unterkunftsbezogenen Leistungen des BSHG anders zu beurteilen, weil das damalige Leistungssystem im Vergleich zum SGB II weitaus mehr Möglichkeiten bot, individuelle Notlagen zu beheben, beispielsweise auch durch Sachleistungen und persönliche Hilfe (vgl. Schmidt, NVwZ 1995, S. 1045).
- 448
Der Verweis auf eine Rechtsprechungspraxis genügt den oben (B. II. 2.1) skizzierten Bestimmtheitsanforderungen aber ohnehin nicht, da global auf eine unbestimmte Vielzahl von Entscheidungstexten Bezug genommen wird. Entscheidungstexte der Gerichtsbarkeit sind schon in Folge ihrer von Normtexten erheblich abweichenden Textstruktur sowie auf Grund ihrer Funktion nicht dazu geeignet, eine gesetzliche Regelung gleichwertig zu ersetzen (s.o. unter B. II. 5.1.2 g). Deshalb würde auch ein ausdrücklicher Verweis im Gesetzestext auf eine bisherige Sozialhilfepraxis dem Bestimmtheitserfordernis des Gewährleistungsrechts nicht genügen. Tatsächlich ist die Bezugnahme auf das Sozialhilferecht aber nicht im Gesetzestext, sondern lediglich in der Gesetzesbegründung erhalten und schon aus diesem Grund nicht dazu geeignet, das Bestimmtheitsproblem abzumildern.
- 449
Mit der Übernahme wesentlicher Bestandteile der Rechtsprechung des BSG in die §§ 22a bis 22c SGB II hat der Gesetzgeber zwar möglicherweise zu erkennen gegeben, dass diese Rechtsprechung in den Grundzügen akzeptiert wird. Allerdings wurden diese Bestandteile gerade nicht in den für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II relevanten Normtext implementiert. Das Bestimmtheitsproblem wurde auf diese Weise somit nicht behoben. Hiervon abgesehen genügen auch die §§ 22a bis 22c SGB II nicht den unter B. II. 2.1 dargestellten Bestimmtheitsanforderungen (s.o unter B. II. 2.3.5).
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Allenfalls ließe sich aus der gesetzgeberischen Entscheidung zur Einführung der §§ 22a bis 22c SGB II der Schluss ziehen, dass eine Orientierung der Angemessenheitsgrenze an den materiellen Mindestanforderungen für die Gewährung des Existenzminimums, wie sie die BSG-Rechtsprechung vorgibt, der gesetzgeberischen Intention - jedenfalls zum Zeitpunkt der Schaffung der Satzungsregelung - durchaus entsprochen hat. Dies vermag am Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot jedoch nichts zu ändern.
III.
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Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist nach Überzeugung der Kammer auf Grund des Verstoßes gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verfassungswidrig (s.o. unter B. II. 2.3.2, B. II. 4). Auf die Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II kommt es im vorliegenden Verfahren an (s.o. unter A. V). Das Gericht hat das Verfahren daher nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG über die Gültigkeit der Vorschrift einzuholen.
C.
- 452
Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar.
(1) Von den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage sind mindestens 50 vom Hundert, höchstens 70 vom Hundert nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen. In Gebäuden, die das Anforderungsniveau der Wärmeschutzverordnung vom 16. August 1994 (BGBl. I S. 2121) nicht erfüllen, die mit einer Öl- oder Gasheizung versorgt werden und in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend gedämmt sind, sind von den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage 70 vom Hundert nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen. In Gebäuden, in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend ungedämmt sind und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, kann der Wärmeverbrauch der Nutzer nach anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden. Der so bestimmte Verbrauch der einzelnen Nutzer wird als erfasster Wärmeverbrauch nach Satz 1 berücksichtigt. Die übrigen Kosten sind nach der Wohn- oder Nutzfläche oder nach dem umbauten Raum zu verteilen; es kann auch die Wohn- oder Nutzfläche oder der umbaute Raum der beheizten Räume zu Grunde gelegt werden.
(2) Zu den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage einschließlich der Abgasanlage gehören die Kosten der verbrauchten Brennstoffe und ihrer Lieferung, die Kosten des Betriebsstromes, die Kosten der Bedienung, Überwachung und Pflege der Anlage, der regelmäßigen Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft, der Reinigung der Anlage und des Betriebsraumes, die Kosten der Messungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, die Kosten der Anmietung oder anderer Arten der Gebrauchsüberlassung einer Ausstattung zur Verbrauchserfassung sowie die Kosten der Verwendung einer Ausstattung zur Verbrauchserfassung einschließlich der Kosten der Eichung sowie der Kosten der Berechnung, Aufteilung und Abrechnungs- und Verbrauchsinformationen gemäß § 6a.
(3) Für die Verteilung der Kosten der Wärmelieferung gilt Absatz 1 Satz 1 und 3 bis 5 entsprechend.
(4) Zu den Kosten der Wärmelieferung gehören das Entgelt für die Wärmelieferung und die Kosten des Betriebs der zugehörigen Hausanlagen entsprechend Absatz 2.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18. April 2008 abgeändert und die Beklagte verurteilt den Klägern für die Zeit vom 01.01.2005 - 31.07.2005 höhere Leistungen für Unterkunft in Höhe von insgesamt 45,85 EUR zu gewähren.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Tenor
Die Urteile des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. Dezember 2010, der Bescheid des Beklagten vom 8. September 2004 und die Änderungsbescheide vom 6. August und 21. September 2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2006 und des Änderungsbescheids vom 12. August 2009, der Bescheid vom 6. August 2005 und die Änderungsbescheide vom 26. Januar 2006 und vom 6. Juni 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010, der Bescheid vom 17. Mai 2006 und der Änderungsbescheid vom 14. August 2006, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010, sowie der Bescheid vom 5. Juli 2006 und die Änderungsbescheide vom 29. November 2006, 19. Dezember 2006 und 15. März 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010, werden abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2005 i.H.v. 3,38 EUR/Monat, vom 1. Januar bis 30. Juni und im Dezember 2006 i.H.v. 3,59 EUR/Monat sowie vom 1. Januar bis 28. Februar 2007 i.H.v. 3,89 EUR/Monat zu bewilligen. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
Der Beklagte hat 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung weiterer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 (L 5 AS 83/11), vom 1. Juli 2005 bis 28. Februar 2006 (ehemals L 5 AS 84/11), vom 1. März bis 30. Juni 2006 (ehemals L 5 AS 85/11) und vom 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 (ehemals L 5 AS 86/11). Dabei begehrt der Kläger jeweils eine um 271 EUR höhere Regelleistung sowie weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für den Betriebsstrom der Heizungsanlage und für eine elektrische Zusatzheizung im Bad, ferner Weihnachtsbeihilfen sowie die Auszahlung der von den KdU abgezogenen Beträge für die Wassererwärmung.
- 2
Der am ... 1964 geborene Kläger bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II. Er bewohnt eine 58,87 qm große Eigentumswohnung im ersten Obergeschoss eines 1962 erbauten Hauses. Für das Hausgeld waren im streitigen Zeitraum monatlich 112,00 EUR aufzuwenden. Die Beheizung und die Wassererwärmung erfolgen über eine Kombigastherme (Roca 20/20 FP). Ab Mitte 2008 verfügte der Kläger über ein Gerät zur Erfassung des Stromverbrauchs der Kombigastherme. Das Bad verfügt über eine elektrische Zusatzheizung. Hierfür gibt es kein Gerät zur Erfassung des Stromverbrauchs.
- 3
Nach Angaben des Klägers liegt die maximale Stromaufnahme der Kombigastherme bei 240 W. Ausweislich der vorgelegten handschriftlichen Aufzeichnungen für den Zeitraum vom 3. September bis 20. Dezember 2008 lag die maximale Stromaufnahme bei 196 W und die durchschnittliche Stromaufnahme bei 128 W.
- 4
Zur Jahreslaufzeit der Kombigastherme machte der Kläger unterschiedliche Angaben (285 Heiztage/Jahr x 24 h = 6.840 h/Jahr; 210 Heiztage/Jahr x 10 h = 2.100 h/Jahr). Nach seinem Schreiben vom 25. Februar 2010 an das Sozialgericht Magdeburg hat der Stromverbrauch in der Zeit vom 10. Februar 2009 bis zum 10. Februar 2010 287,69 kwh betragen. Gemäß seinem Vorbringen im Klageverfahren solle der Stromverbrauch 350 bis 400 kwh/Jahr betragen. Der Kläger gibt für die elektrische Zusatzheizung im Bad einen geschätzten Stromverbrauch von 0,8 kwh an. Die Zusatzheizung werde nur in der Übergangszeit September/Oktober sowie April/Mai maximal drei Stunden täglich verwendet. Nach seinen Angaben duscht er einmal am Tag, putzt zweimal täglich die Zähne und nimmt alle zwei Wochen ein Vollbad.
- 5
Der Strompreis betrug im Januar 2005 16,81 Cent/kwh, von Februar bis Dezember 2005 17,66 Cent/kwh, im Jahr 2006 18,69 Cent/kwh und im Jahr 2007 20,25 Cent/kwh.
- 6
Der Kläger bezog Gas von der H. KG. Für die Zeit von Januar bis Oktober 2005 waren Abschläge von 69 EUR/Monat fällig. Im November 2005 fiel kein Abschlag an. Im Dezember 2005 waren eine Nachzahlung von 32,12 EUR gemäß der Jahresabrechnung vom 23. November 2005 sowie der neue Abschlag von 76 EUR fällig. Von Januar bis Juni 2006 betrug der Abschlag ebenfalls 76 EUR/Monat. Im Dezember 2006 waren eine Nachzahlung von 105,68 EUR gemäß der Jahresabrechnung vom 15. November 2006 sowie der neue Abschlag von 84 EUR aufzubringen.
- 7
Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 Leistungen i.H.v. 506,03 EUR/Monat (Bescheid vom 8. Dezember 2004, Änderungsbescheide vom 6. August und 21. Dezember 2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2006 und des Änderungsbescheids vom 12. August 2009). Dabei legte er die Regelleistung von 331 EUR und KdU i.H.v. 112 EUR für die Hauskosten sowie 63,03 EUR für die Heizkosten (69 EUR - 5,97 EUR Warmwasserabzug) zu Grunde.
- 8
Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. November 2005 Leistungen i.H.v. 506,03 EUR/Monat sowie vom 1. Januar bis 28. Februar 2006 Leistungen i.H.v. 513,03 EUR/Monat. Für Dezember 2005 bewilligte er 545,15 EUR (Bescheid vom 6. August 2005, Änderungsbescheide vom 26. Januar 2006 und 6. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010). Dabei legte er wiederum die Regelleistung von 331 EUR und KdU i.H.v. 112 EUR für die Hauskosten sowie ab Dezember 2005 70,03 EUR für die Heizkosten (76 EUR - 5,97 EUR Warmwasserabzug) und im Dezember 2005 zusätzlich 32,12 EUR zu Grunde.
- 9
Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. März bis 30. Juni 2006 Leistungen i.H.v. 513,03 EUR/Monat (Bescheid vom 17. Mai 2006 und Änderungsbescheid vom 14. August 2006, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010). Dabei legte er wiederum die Regelleistung von 331 EUR und KdU i.H.v. 112 EUR für die Hauskosten sowie 70,03 EUR für die Heizkosten (76 EUR - 5,97 EUR Warmwasserabzug) zu Grunde.
- 10
Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 Leistungen i.H.v. 536,31 EUR/Monat (Bescheid vom 5. Juli 2006 und Änderungsbescheide 19. November 2006 und 15. März 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010). Dabei legte er die Regelleistung von 345 EUR und KdU i.H.v. 112 EUR für die Hauskosten sowie 79,31 EUR für die Heizkosten (84 EUR - 6,22 EUR Warmwasserabzug) zu Grunde. Ferner anerkannte er weitere Heizkosten i.H.v. 105,68 EUR für November 2006.
- 11
Der Kläger hat dagegen jeweils fristgerecht Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 hat er am 6. Dezember 2005 (S 25 AS 824/05) und abermals am 1. Februar 2006 (S 19 AS 88/06) Klage erhoben. Das Sozialgericht hat diese beiden Klagen mit Beschluss vom 8. Juli 2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
- 12
Der Kläger hat zuletzt nur noch die Bewilligung einer höheren Regelleistung und der Übernahme der Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage und der Zusatzheizung im Bad begehrt. In dem Verfahren L 5 AS 83/11 hat er sich zusätzlich gegen den Abzug für die Warmwasserkosten gewendet. Für den Betrieb der Heizungsanlage im Jahr 2005 hat er einen monatlichen Bedarf von 13,21 EUR bzw. 7,30 EUR oder 8,40 EUR geltend gemacht. Für das Jahr 2006 hat er einen Bedarf von 9,66 EUR/Monat und für das Jahr 2007 einen Bedarf von 10,00 EUR/Monat behauptet. Als Kosten des Heizstrahlers im Bad hat er 41,73 EUR/Heizperiode bzw. Jahr angesetzt.
- 13
Das Sozialgericht hat die Klagen mit Urteilen vom 1. Dezember 2010 abgewiesen. Die Klage S 19 AS 88/06 sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Die Bescheide des Beklagten in der Gestalt der Änderungsbescheide und der Widerspruchsbescheide sowie der Teilanerkenntnisse seien nicht zu beanstanden. Es bestehe kein Anspruch auf eine höhere Regelleistung (Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09 u.a.). Zu Recht habe der Beklagte die Heizkosten um den Anteil für die Warmwasseraufbereitung gekürzt. Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlagen seien nicht gemäß § 22 SGB II zu übernehmen. Die tatsächlichen Aufwendungen seien nicht nachgewiesen, da im streitgegenständlichen Zeitpunkt kein eigener Zähler existiert hatte. Ein Sachverständigengutachten sei nicht einzuholen gewesen, da die tatsächliche Laufzeit und Leistungsaufnahme der Heizungen nicht feststellbar seien. Eine Schätzung scheide aus, da die Grundlagen für die Schätzung (Mindestlaufzeit der Heizungsanlage pro Jahr und durchschnittliche elektrische Leistungsaufnahme) nicht in objektiv nachprüfbarer Weise dargetan oder ermittelbar seien. Mangels konkreter Anhaltspunkte wäre eine Schätzung hier willkürlich.
- 14
Dagegen hat der Kläger jeweils fristgerecht Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Die Regelleistung müsse um 271 EUR/Monat erhöht werden, da die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2007 vom Bundesverfassungsgericht nicht berücksichtigt worden sei. In der Regelleistung sei kein Anteil für die Warmwasserbereitung bei einer dezentralen, sondern nur bei einer zentralen Heizungsanlage enthalten. Daher sei ein Abzug unzulässig. Der Betriebsstrom der Heizungsanlage und des Heizstrahlers im Bad sowie die einmaligen und laufenden Heizkostenanteile müssten in vollem Umfang übernommen werden. Hilfsweise sei der Betriebsstromanteil mittels Gutachten zu ermitteln. Alle zu Unrecht einbehaltenen Heizkostenanteile seien zurückzuzahlen. Ferner stehe ihm ein Weihnachtskostenzuschuss für Mai 2006 und Juni 2007 zu.
- 15
Nachdem der Kläger aufgefordert worden ist, alle seit Anschaffung des Stromunterzählers ermittelten Verbrauchsdaten vorzulegen, hat er Unterlagen und Sachen vorgelegt (handschriftliche Aufzeichnungen für die Jahre 2009 bis 2011, den Stromunterzähler, Wetterdaten, Tabellen mit Jahresverbrauchszahlen von Gas und Strom). Die Stromkosten für den Badheizkörper seien zu berechnen durch Abzug des Betriebsstroms der Gaskombitherme und des Haushaltsstroms von den Gesamtstromkosten. Ferner hat er angeregt, Beweis zu erheben zur Existenz von amtlichen Daten zu "durchschnittlichen Heizdaten nach Regionen in der Bundesrepublik".
- 16
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
- 17
die Urteile des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. Dezember 2010 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 8. September 2004 und die Änderungsbescheide vom 6. August und 21. September 2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2006 und des Änderungsbescheids vom 12. August 2009, den Bescheid vom 6. August 2005 und die Änderungsbescheide vom 26. Januar 2006 und vom 6. Juni 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010, den Bescheid vom 17. Mai 2006 und den Änderungsbescheid vom 14. August 2006, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010, und den Bescheid vom 5. Juli 2006 und die Änderungsbescheide vom 29. November 2006, vom 19. Dezember 2006 und vom 15. März 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010 abzuändern, sowie den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2006 sowie 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 weitere Leistungen unter Berücksichtigung einer um 271 EUR/Monat höheren Regelleistung, der Kosten für den Betriebsstrom der Heizungsanlagen und eines Weihnachtskostenzuschusses für 2005 und 2006 zu bewilligen sowie die aus dem Regelsatz entnommenen Heizkostenanteile auszuzahlen und zu verzinsen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufungen zurückzuweisen.
- 20
Er hält die angefochtenen Urteile für zutreffend. Es seien die vollen Heizkosten abzüglich des in der Regelleistung enthaltenen Warmwasseranteils anerkannt worden. Hinsichtlich des Stromverbrauchs für die Gaskombitherme und den Badheizstrahler sei ein konkreter, bezifferbarer Bedarf nicht nachgewiesen worden. Eine Schätzung komme mangels objektiver Grundlage nicht in Betracht. Die Angaben des Klägers seien nicht geeignet, den Bedarf konkret zu beziffern. Eine nachträgliche Aufklärung könne nicht mehr folgen. Darüber hinaus dürfte das Bestreiten dieses Stromanteils aus der Regelleistung zumutbar sein. Ein Anspruch auf eine höhere Regelleistung für die Zeit vor dem 31. Dezember 2010 bestehe nach dem Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 nicht.
- 21
Der Senat hat die Rechtsstreite mit Beschluss vom 18. Oktober 2012 gemäß § 113 Absatz ein Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
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Der Senat hat ferner Auskünfte des Statistischen Bundesamts vom 6. Juli und 14. August 2012 eingeholt. Danach würden keine Angaben zu durchschnittlichen Heizstunden/Jahr für Wohngebäude nach Regionen der Bundesrepublik Deutschland erfasst. Zur Verfügung stünden Gradtagszahlen. Diese gäben den Unterschied zwischen der Raumtemperatur und der regionalen Außenlufttemperatur als ein Maß für den Heizenergieverbrauch wieder.
- 23
Die H. Energie GmbH & Co.KG hat am 10. Oktober 2012 auf Nachfrage angegeben, sie gehe bei den Abschlagsberechnungen von einer Betriebsstundenzahl der Heizungsanlagen der Kunden von 1.800 Stunden /Jahr aus.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und bei Akten Bezug genommen. Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe
I.1.
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Die Berufungen des Klägers sind form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG erhoben worden.
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Sie sind auch statthaft i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG in der ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
- 27
Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungseinlegung war in den einzelnen Berufungssachen jeweils der Wert des Beschwerdegegenstands von 750 EUR überschritten. Denn der Kläger begehrt jeweils eine monatlich um 271 EUR höhere Regelleistung. Damit ist auch in dem Verfahren über den kürzesten streitigen Zeitraum von drei Monaten (L 5 AS 86/11) der Beschwerdewert erreicht.
2.
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Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Leistungshöhe nach dem SGB II insgesamt. Denn der Kläger begehrt sowohl eine höhere Regelleistung als auch weitere Leistungen für die KdU. Unzulässig ist der Klageantrag auf isolierte Bewilligung von Leistungen für den Betriebsstrom der Heizungsanlagen bzw. auf Heizkosten ohne Warmwasserabzug gewesen. Denn im Rahmen der KdU sind die Heizkosten nicht abtrennbar (BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 10/09 R (10)). Es war daher nicht nur über die Heizkosten, sondern über die KdU insgesamt zu entscheiden.
II.
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Die Berufungen sind zu einem geringen Teil begründet, soweit der Beklagte die zu schätzenden Kosten für den Betriebsstrom der Kombigastherme in den streitigen Zeiträumen nicht übernommen und den Kläger somit zu geringe Leistungen für die KdU bewilligt hat. Im Übrigen sind die Berufungen aber unbegründet und die angefochtenen Bescheide des Beklagten sowie die sozialgerichtlichen Urteile nicht zu beanstanden.
1.
- 31
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.
- 32
Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten, sind nach § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die
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das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
- 34
erwerbsfähig sind,
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hilfebedürftig sind und
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ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
- 37
Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
- 38
Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht
- 39
durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
- 40
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen
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sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
- 42
Der Kläger ist im streitigen Zeitraum im passenden Alter sowie erwerbsfähig gewesen, und hat seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt.
2.
- 43
Der Kläger hat Anspruch auf weitere Leistungen für die KdU. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.
a.
- 44
Der Beklagte hat in allen streitigen Bewilligungsabschnitten die als Hausgeld aufzubringenden 112 EUR/Monat ungekürzt bewilligt.
- 45
Darüber hinaus hat er die jeweiligen Abschläge für die Gasversorgung sowie die Nachforderungsbeträge der H. KG nach den Jahresabrechnungen vollständig übernommen.
- 46
Soweit in den einzelnen Monaten Abzüge für die Warmwasserbereitung i.H.v. 5,97 EUR/Monat bzw. 6,22 EUR/Monat erfolgt sind, ist dies nicht zu beanstanden. Bei einheitlicher Bereitstellung von Warmwasser und Heizenergie besteht ein Anspruch nach § 22 SGB II in voller Höhe, von dem aber zur Vermeidung von Doppellleistungen die im Regelsatz enthaltenen Anteile abzuziehen sind (BSG, 6. April 2011, B 4 AS 16/10 R (13)). Nur wenn der Energieverbrauch für die Wassererwärmung durch gesonderte und exakte Messung erfasst wird, können die dafür anfallenden Abschläge abgesetzt werden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
b.
- 47
Der Beklagte hat zu Unrecht die für den Betrieb der Heizungsanlage entstehenden Kosten bei den KdU unberücksichtigt gelassen.
- 48
Der Senat folgt nicht der Auffassung des Beklagten, wonach diese Kosten nicht zu den Heizkosten, sondern zu den allgemeinen Stromkosten zählen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 48/08 R (27); Beschluss vom 26. Mai 2010, B 4 AS 7/10 B; Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 AS 51/10 R (5,16)) gehören die Aufwendungen für den Betriebsstrom der Heizungsanlage zu den Unterkunftskosten. Soweit eine genaue Ermittlung mangels separaten Zwischenzählers nicht möglich ist, können diese Kosten auch geschätzt werden. Dafür ist aber ein Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des auf die Heizung entfallenden Energieanteils erforderlich (BSG, Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 AS 51/10 R (16) unter Hinweis auf § 287 Abs. 2 ZPO).
a.a.
- 49
Für die Gaskombitherme hat der Kläger keine tatsächlichen Stromverbrauchskosten nachgewiesen. Im streitigen Zeitraum war ein Stromunterzähler nicht installiert. Sein Vorbringen im Klageverfahren, der Stromverbrauch betrage 350 bis 400 kwh/Jahr, ist nicht plausibel. Dieser Wert widerspricht den Angaben des Klägers im Schreiben vom 25. Februar 2010 an das Sozialgericht Magdeburg, nachdem der Stromverbrauch vom 10. Februar 2009 und zum 10. Februar 2010 287,69 kwh betragen habe.
- 50
Für eine Schätzung des jährlichen Stromverbrauchs sowie Gaskombitherme sind die Faktoren Betriebsstunden und Leistungsaufnahme sowie der jeweilige Strompreis maßgeblich (vgl. etwa www.harzIVforum.de).
- 51
Die unterschiedlichen Angaben des Klägers zu den Jahresbetriebsstunden der Gaskombitherme sind nicht glaubhaft (5.700 h/Jahr, 6.840 h/Jahr, 2.100 h/Jahr) und können daher der Schätzung nicht zu Grunde gelegt werden. Der Senat geht daher von der vom Gasversorger seinen Abschlagszahlungen zugrunde gelegten Betriebsstundenzahl einer Heizungsanlage von 1800 h/Jahr aus. Da die H. KG als regionaler Anbieter vorwiegend Haushalte im Harz versorgt, bestehen auch hinsichtlich der vom Kläger in seinem Heimatort geschilderten unterdurchschnittlichen Jahrestemperaturen keine Bedenken, die vom örtlichen Versorger mitgeteilten Werte zugrunde zu legen.
- 52
Hinsichtlich der Leistungsaufnahme der Gaskombitherme geht der Senat nicht von 240 W aus (so noch im Beschluss vom 25. März 2011, L 5 AS 427/10 B ER). Ausweislich der vorgelegten handschriftlichen Aufzeichnungen für den Zeitraum vom 3. September bis 20. Dezember 2008 - die dem Senat seinerzeit nicht bekannt waren - lag in dieser Zeit die maximale Stromaufnahme bei 196 W und die durchschnittliche Stromaufnahme bei 128 W. Der Senat legt die durchschnittliche Stromaufnahme von 128 W zu Grunde, da diese am ehesten die tatsächliche Leistungsaufnahme in einem Jahreszyklus wiedergibt.
- 53
Bei einem Strompreis von 16,81 Cent/kwh im Januar 2005 und 17,66 Cent/kwh von Februar bis Dezember 2005 (durchschnittlich: 17,59 Cent/kwh) errechnet sich ein Jahresbetrag von 40,53 EUR (1.800 h x 128 W = 230,400 kwh x 17,59 Cent). Monatlich ergibt sich somit ein Betrag von 3,38 EUR im Jahr 2005.
- 54
Bei einem Strompreis von 18,69 Cent/kwh im Januar 2006 ergibt sich ein Jahresbetrag von 43,06 EUR (1.800 h x 128 W = 230,400 kwh x 18,69 Cent). Monatlich ergibt sich somit ein Betrag von 3,59 EUR im Jahr 2006.
- 55
Bei einem Strompreis von 20,25 Cent/kwh im Januar 2007 ergibt sich ein Jahresbetrag von 46,66 EUR (1.800 h x 128 W = 230,400 kwh x 20,25 Cent). Monatlich ergibt sich somit ein Betrag von 3,89 EUR im Jahr 2007.
b.b.
- 56
Hinsichtlich der Stromkosten des Zusatzheizkörpers im Bad kommt grundsätzlich eine Anerkennung im Rahmen der KdU in Betracht (BSG, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 3/07 R).
- 57
Jedoch hat der Kläger keine tatsächlichen Stromverbrauchskosten nachgewiesen. Ungeeignet ist die von ihm vorgeschlagene Berechnungsmethode, von den Gesamtstromkosten die Haushaltsenergie sowie den Betriebsstrom der Heizungsanlage abzuziehen. Beide Werte sind nicht bekannt.
- 58
Auch eine Schätzung scheidet mangels eines Bezugspunkts für eine realitätsnahe Schätzung aus. Es fehlen schon nachvollziehbare Werte für die jährlichen Betriebsstunden.
- 59
Nach Angaben des Klägers wird die Zusatzheizung nur in der Übergangszeit September/Oktober sowie April/Mai und maximal drei Stunden täglich verwendet. Dies stimmt schon nicht mit seiner Schilderung der Badnutzung überein. Denn nach seinen eigenen Angaben duscht er einmal am Tag, putzt zweimal täglich die Zähne und nimmt alle zwei Wochen ein Vollbad. Diese Verrichtungen erfordern nach Auffassung des Senats keine tägliche Laufzeit des Zusatzheizkörpers von drei Stunden. Darüber hinaus räumt der Kläger selbst ein, dass es sich um einen Höchstwert handelt. Daraus folgt, dass die tatsächliche Nutzungsdauer regelmäßig durchaus geringer ist. Außerdem lässt sich die von ihm angegebene "Übergangszeit" - anders als ein Jahreszeitraum für den Betrieb der Heizungsanlage - zeitlich nicht eingrenzen. Somit fehlt es an Anknüpfungsfaktoren, auf die sich eine Schätzung stützen ließe.
3.
- 60
Eine höhere als die vom Beklagten entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen ausgewiesene Regelleistung scheidet aus. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) sind zwar die Vorschriften des § 20 Abs. 2 und 3 SGB II verfassungswidrig, jedoch weiter anwendbar. Eine Verfassungsbeschwerde mit dem Ziel der rückwirkenden Bewilligung höherer Leistungen vor Verkündung des Urteils hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (Nichtannahmebeschluss vom 14. März 2010,1 BvR 395/09). Dem hat der Senat nichts hinzuzufügen.
4.
- 61
Für die begehrten Weihnachtsbeihilfen fehlt es schon an einer gesetzlichen Regelung.
III.
- 62
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Zwar beträgt der Anteil des Obsiegens des Klägers weniger als 10% der insgesamt geforderten höheren Leistungen. Der Senat hat aber berücksichtigt, dass der Beklagte hinsichtlich der Stromkosten für die Heizungsanlage die Rechtsprechung des BSG nicht umgesetzt hat.
- 63
Die Revision war nicht zuzulassen; es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18. April 2008 abgeändert und die Beklagte verurteilt den Klägern für die Zeit vom 01.01.2005 - 31.07.2005 höhere Leistungen für Unterkunft in Höhe von insgesamt 45,85 EUR zu gewähren.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Tenor
-
Auf die Sprungrevision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Oktober 2014 aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Thüringer Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Im Streit steht die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum von Februar 2011 bis Juli 2011.
- 2
-
Der Kläger bewohnt ein Eigenheim. Es steht in seinem und dem Miteigentum seiner dauernd von ihm getrennt lebenden Ehefrau. Die Beheizung des Hauses erfolgt mit Gas. Der zum Betrieb der Heizungsanlage benötigte Strom kann in Ermangelung einer Einrichtung hierfür nicht separat vom Haushaltsstrom gemessen werden. Durch Bescheid vom 25.1.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum von Februar bis Juli 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage blieben bei deren Berechnung unberücksichtigt. Am 28.9.2011 und 12.10.2011 erhöhte der Beklagte zwar die Leistungen, weiterhin jedoch unter Außerachtlassung der Aufwendungen für Strom zum Betrieb der Heizungsanlage. Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.10.2011).
- 3
-
Das SG Altenburg hat den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 25.1.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.3.2011, 28.9.2011 und 12.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2011 verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum von Februar bis Juli 2011 weitere 21,96 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe im Rahmen der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II ein Anspruch auf Übernahme der Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage in Höhe von 3,66 Euro monatlich, mithin insgesamt weitere 21,96 Euro, zu. Die Kosten für den zum Betrieb einer Heizungsanlage benötigten Strom seien Teil der Kosten der Unterkunft und Heizung. Dies sei für Zeiten vor dem 1.1.2011 durch die Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 26.5.2010 - B 4 AS 7/10 B; Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R) geklärt. Eine Veränderung der bisherigen Regelungssystematik sei durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 nicht eingetreten. Die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie seien weiterhin nicht vom Regelbedarf nach § 20 Abs 1 S 1 SGB II erfasst. Da die hier geltend gemachten Aufwendungen für Strom durch das Beheizen der Unterkunft entstanden seien, habe die Bedarfsdeckung durch den Beklagten demnach auf der Grundlage des § 22 Abs 1 S 1 SGB II zu erfolgen.
- 4
-
Der Höhe nach erfolge die Leistungsbemessung aufgrund einer Schätzung gemäß § 202 SGG, § 287 Abs 2 ZPO. Denn die angefallenen Kosten für den Betriebsstrom seien im streitigen Zeitraum nicht gesondert erfasst worden. Für die Schätzung werde auf die technischen Daten des Herstellers zum Bereitschaftsenergieverbrauch der Heizungsanlage zurückgegriffen. Dabei sei davon auszugehen, dass der aus dem technischen Datenblatt entnommene Wert die bei dem Betrieb der Heizungsanlage - inklusive des Steuerungselements - anfallenden Stromkosten mit einem Durchschnittswert abbilde, ohne dass es darauf ankomme, dass vorliegend die Heizperiode nicht den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum erfasst habe und die Anlage auch während der Heizperiode nicht ohne Unterbrechung und mit differierender Leistungsaufnahme in Betrieb gewesen sei.
- 5
-
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II. Ausweislich der Entwurfsbegründung zum RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG (BT-Drucks 17/3404 S 55 f) habe die Sonderauswertung der EVS 2008 zu einer wesentlichen Änderung bei der Bemessung der Regelsatzbestandteile geführt, weshalb die Rechtsprechung des BSG zur Zuordnung der Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage auf die Rechtslage ab dem 1.1.2011 nicht mehr anzuwenden sei. Nach Aufnahme der Stromkosten von Eigentümerhaushalten in die Bemessung der Regelsätze nach § 20 SGB II seien diese Kosten nicht mehr als Leistung nach § 22 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen.
- 6
-
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 7
-
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2, 4 SGG).
- 10
-
1. Der erkennende Senat vermochte nicht abschließend darüber zu befinden, ob dem Kläger die vom SG ausgeurteilten weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 21,96 Euro für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2011 zustehen. Abgesehen davon, dass es in der erstinstanzlichen Entscheidung bereits an Feststellungen zur Leistungsberechtigung des Klägers gemäß § 7 Abs 1 S 1 SGB II mangelt, lassen sich den Ausführungen des SG keine Tatsachen entnehmen, die eine Überprüfung der Leistungshöhe, wie sie von dem Beklagten durch den angefochtenen Bescheid vom 25.1.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 28.9.2011 und 12.10.2011, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2011, bewilligt worden sind, ermöglichen. Zwar hat nur der Beklagte die zulässige Sprungrevision eingelegt. Daher ist der, dem Kläger über die von dem Beklagten in den Bescheiden festgestellte Leistungshöhe hinaus, maximal zustehende Betrag auf 21,96 Euro begrenzt. Selbst wenn der Beklagte mit seinem Rechtsmittel obsiegen sollte, könnte sich ein Anspruch des Klägers in der ausgeurteilten Höhe jedoch aus anderen Gründen, etwa eines höheren Regelbedarfs, ggf eines Mehrbedarfs oder weiteren Bedarfen für Unterkunft und Heizung ergeben. Umgekehrt könnte im Falle des Unterliegens des Beklagten dessen Verurteilung zur Erbringung weiterer Leistungen niedriger ausfallen, weil dem Kläger aus den genannten Gründen zu hohe Leistungen erbracht worden sind. Denn es ist vorliegend die Höhe der dem Kläger ggf zustehenden passiven Leistungen nach dem SGB II insgesamt, einschließlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung, zu überprüfen.
- 11
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Streitgegenstand sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Es ist weder in der Klageschrift, noch in dem Teilvergleich vom 25.2.2013 oder durch den in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Klageantrag eine Abtrennung der Leistungen für Unterkunft und Heizung als eigener Streitgegentand gegenüber Regel- und Mehrbedarf erfolgt. Ebenso wenig hat das SG dargelegt, dass sich aus dem sonstigen Vorbringen der Beteiligten hierauf schließen ließe. Soweit das SG darüber hinaus eine Beschränkung des Streitgegenstands auf ein Berechnungselement der Leistungen - hier die Stromkosten zum Betrieb der Heizungsanlage als Faktor zur Bestimmung der Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - vornehmen wollte, wäre dies nicht zulässig. Es handelt sich hierbei nur um ein Begründungselement für das klägerische Begehren auf höhere Leistungen. Eine zulässige Begrenzung des Streitgegenstands hätte nur auf den Anspruch des Klägers wegen Bedarfen für Unterkunft und Heizung in ihrer Gesamtheit gerichtet sein können (vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 10; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - BSGE 117, 240 = SozR 4-4200 § 21 Nr 19, RdNr 10; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - BSGE 116, 254 = SozR 4-4200 § 7 Nr 38, RdNr 12; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10).
- 12
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2. Zutreffend hat das SG jedoch die Aufwendungen eines Eigentümers für den Betrieb einer Heizungsanlage dem Grunde nach als einen Bedarf angesehen, der durch Leistungen für Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II zu decken ist. Der erkennende Senat hält insoweit an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Auch auf Grundlage des § 20 Abs 1 S 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG(vom 24.3.2011, BGBl I 453) oder der statistischen Erhebungen zur Bemessung des Regelbedarfs in der Abteilung 04 (Erwachsene) nach der EVS 2008 vermag er keinen Anlass zur Änderung dieser zu erkennen.
- 13
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So haben die für die Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG befunden, dass die Übernahme der Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage grundsätzlich in die Berechnung der angemessenen Heizkosten einzustellen ist (vgl BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R - RdNr 15; BSG Beschluss vom 26.5.2010 - B 4 AS 7/10 B - RdNr 8; BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 18). Zwar war zunächst die Grenzziehung zwischen den durch die Regelleistung zu deckenden Bedarfen und solchen, die als Unterkunftsleistungen zu übernehmen sind, durch den Wortlaut des § 20 Abs 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem SGB II vom 30.7.2004 (BGBl I 2014) noch nicht klar konturiert. Die Haushaltsenergie wurde in der ersten Gesetzesfassung noch nicht ausdrücklich von den Bedarfen ausgenommen, die durch die Regelleistung gedeckt werden sollten. Mit der Einfügung der Worte "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit Wirkung vom 1.8.2006 (vom 20.7.2006, BGBl I 1706) ist insoweit eine sprachliche, wenn auch letztlich keine inhaltliche Änderung im Hinblick auf diese Abgrenzung erfolgt. Die Ergänzung wurde - so die Begründung im Gesetzentwurf - lediglich zur Klarstellung (BT-Drucks 16/1410 S 23) vorgenommen. Es sollte verdeutlicht werden, dass insbesondere Energiekosten für die Kochfeuerung, Warmwasserbereitung und Beleuchtung aus der Regelleistung zu bestreiten sind und nicht als Bestandteil von Kosten der Unterkunft und Heizung gesondert übernommen werden können. Dementsprechend waren umgekehrt die Kosten für Strom, die zur Erzeugung von Heizenergie genutzt werden, den Unterkunftskosten zuzuordnen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 24). Dies sollte im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art 3 Abs 1 GG für Eigentümer eines selbst genutzten Hausgrundstücks und Mieter gleichermaßen gelten.
- 14
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§ 22 Abs 1 SGB II sieht keine Differenzierung danach vor, ob der Wohnbedarf durch Eigentum oder Miete gedeckt wird(BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 20), denn der in § 22 SGB II verwandte Begriff der Unterkunft geht nicht vom Leitbild der Mietwohnung aus(vgl Derksen, SGb 2012, 430, 431). Maßgeblich ist der bei Wohnungsmietern und Eigentümern gleichermaßen bestehende Wohnbedarf. Im Rahmen dieser gesetzgeberischen Festlegung muss gewährleistet werden, dass Wohnungsmieter und Eigentümer gleichbehandelt werden, soweit zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfG Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97, 1 BvR 1304/98, 1 BvR 2144/98, 1 BvR 21 BvR 2300/98 - BVerfGE 112, 368 RdNr 98 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 54; BVerfG Urteil vom 28.4.1999 - 1 BvL 22/95, 1 BvL 34/95 - BVerfGE 100, 59, 90 = SozR 3-8570 § 6 Nr 3, juris RdNr 129). Da die Angemessenheit der Unterkunftskosten für Mieter und Eigentümer nach einheitlichen Kriterien zu bewerten ist (BSG Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 91/10 R - RdNr 17; vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, RdNr 35), hat jede im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot nicht gerechtfertigte Unterscheidung zu unterbleiben (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 20). Dies gilt auch für eine leistungsrechtlich gleiche Behandlung von Eigentümern und Mietern im Hinblick auf die Kosten für den Betrieb einer Heizungsanlage. Diese sind in der Regel gemäß § 2 Nr 4 Buchst a BetrKV in den Vorauszahlungen der Mieter für Heizenergie enthalten, soweit eine zentrale Heizungsanlage zum Mietobjekt gehört. Denn der Betrieb der Heizungspumpe ist untrennbar mit dem Betrieb der Heizung als solcher verbunden (BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R - RdNr 15). Hieraus folgt, dass diese Aufwendungen bei Mietern im Rahmen der Angemessenheit in vollem Umfang bei den Bedarfen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind (vgl BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58 RdNr 16). Dementsprechend hat dies auch für Eigentümer zu gelten, denen diese Aufwendungen entstehen.
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Eine Änderung der Grenzziehung zwischen den Regelbedarfen und den Bedarfen für Unterkunft und Heizung ist zum 1.1.2011 insoweit nicht eingetreten. Der von dem Beklagten vorgenommenen Auslegung des § 20 Abs 1 S 1 SGB II, wonach "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile" nun auch den Betriebsstrom der Heizungsanlage einschließe, kann nicht gefolgt werden. Im Hinblick auf die Heizenergie hat der Wortlaut des § 20 Abs 1 S 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG keine Änderung gegenüber der zuvor benannten Fassung erfahren. Der auf die Heizung entfallende Anteil der Haushaltsenergie ist weiterhin aus dem Regelbedarf ausgenommen. Daher kann für den Betriebsstrom der Heizungsanlage bereits begrifflich weiterhin nichts anderes gelten. Eine andere Zuordnung in rechtlicher Hinsicht lässt sich auch nicht aus der Ergänzung des Wortlauts des § 20 Abs 1 S 1 SGB II um die Worte "… und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile" entnehmen. Der Gesetzgeber hat dadurch im Gegenteil die systematische Grenzziehung der Bedarfe nach §§ 20 und 22 SGB II weiter erleichtert und auf die Rechtsprechung des BSG reagiert. Dieses hatte 2008 festgestellt, die Kosten der Warmwasserbereitung seien seit dem 1.1.2005 mit einem gewissen Anteil in der Regelleistung enthalten und daher in dessen Höhe von den Kosten für Heizung in Abzug zu bringen (BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Für die "Warmwasserkosten" ist nun ab dem 1.1.2011 bei dezentraler Warmwassererzeugung ein Mehrbedarf nach § 21 Abs 7 SGB II vorgesehen. Dort wird zugleich für den Fall der zentralen Warmwassererzeugung auf die Deckung durch § 22 SGB II verwiesen.
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Schließlich lässt sich die Auffassung des Beklagten auch nicht damit begründen, die Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage in Eigentümerhaushalten seien in die Ermittlung des Regelbedarfs auf Grundlage der Sonderauswertung EVS 2008 eingeflossen und daher aus dem Regelbedarf zu decken. Die in Eigentümerhaushalten gegenüber Mieterhaushalten anfallenden Strommehrkosten sind nicht in die Ermittlung des Regelbedarfs nach dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingegangen (zur begrenzten Überprüfbarkeit der in den einzelnen Abteilungen der EVS 2008 zum Ausdruck kommenden Verbrauchspositionen vgl BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 22 ff, 28). Der Gesetzentwurf zum RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG führt hierzu zwar aus, dass im Unterschied zur Sonderauswertung EVS 2003 nicht nur die Stromausgaben von Mietern berücksichtigt worden seien, sondern auch die Ausgaben der Eigentümer für Haushaltsstrom, allerdings nicht in Höhe der durch die EVS 2008 ermittelten tatsächlichen Kosten. Vielmehr seien für die Verbrauchsausgaben der Eigentümer für Strom die durchschnittlichen Stromkosten von Mieterhaushalten unterstellt worden. Als existenzsichernd wurden damit die Stromkosten der Haushalte von Mietern bewertet (BT-Drucks 17/3404 S 55 f). Das Zahlenwerk zur Bedarfsermittlung belegt dies.
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§ 5 RBEG sieht in der Abteilung 4 für Erwachsene (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung) als regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben einen Betrag von 30,24 Euro vor. Die entsprechende Angabe findet sich auch im Gesetzentwurf (BT-Drucks 17/3404 S 55). Der hierin enthaltene Anteil für den Strom der Eigentümerhaushalte ist mit 1,32 Euro ausgewiesen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die umgerechneten Stromkosten der Eigentümerhaushalte, sondern einen nach dem Ergebnis der EVS 2008 aus den Angaben der Mieterhaushalte abgeleiteten Wert (vgl Anlage zu Art 1 des Entwurfs zum RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG; so auch die Lesart des BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 11 BvL 12/12, 1 BvR 11 BvR 1691/13 - RdNr 112). Hiernach betragen die Stromkosten der Mieterhaushalte 30,56 Euro. Umgerechnet nach dem Anteil der Haushalte mit jeweiliger Wertangabe gegenüber allen erfassten Haushalten (30,56 Euro x 1703 / 1942) ergeben sich hieraus 26,80 Euro, die für den Stromverbrauch der Mieterhaushalte in die Abteilung 04 für Erwachsene eingestellt worden sind. Statt der Angaben der Eigentümerhaushalte zum Haushaltsstrom (44,44 Euro) sind an ihrer Stelle die Stromausgaben der Mieter nach dem Verhältnis der Eigentümerhaushalte mit jeweiliger Wertangabe gegenüber allen erfassten Haushalten anteilig berücksichtigt und so 1,32 Euro ermittelt (30,56 Euro x 84 / 1942) worden. Allein dieser Wert fließt für die Eigentümerhaushalte in die Regelbedarfsermittlung ein. In der Summe ergeben sich 28,12 Euro (26,80 Euro + 1,32 Euro) anstelle von 30,56 Euro. Der in den Regelbedarf eingestellte Wert von 28,12 Euro entstammt also allein den Angaben der Mieterhaushalte, deren Verbrauch auch lediglich anteilig nach dem Verhältnis der Haushalte mit jeweiliger Wertangabe gegenüber allen erfassten Haushalten berücksichtigt worden ist (30,56 Euro x 1787 / 1942 = 28,12 Euro). Im Gesetzentwurf heißt es daher folgerichtig, bei Eigentümerhaushalten fielen zudem auch Ausgaben für Strom an, "die als gesondert zu erbringende Kosten der Unterkunft zu bewerten seien (zum Beispiel Außenbeleuchtung, Umwälzpumpe)" (BT-Drucks 17/3404 S 56).
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3. Im Hinblick auf die Höhe der Leistung geht das SG zutreffend davon aus, dass nur tatsächliche Aufwendungen bei der Berechnung der Leistungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind. Diese zu erforschen ist das Tatsachengericht nach § 103 SGG grundsätzlich von Amts wegen verpflichtet. In einem Fall wie dem vorliegenden bestehen jedoch keine Bedenken, unter Anwendung von § 202 SGG, § 287 Abs 2 ZPO die Aufwendungen zu schätzen.
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Nach § 287 Abs 2 ZPO sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen als der Schadensermittlung die Vorschriften des § 287 Abs 1 S 1, 2 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen. In diesem Fall entscheidet das Gericht nach § 287 Abs 2 iVm § 287 Abs 1 S 1 ZPO über die Höhe der Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung und es bleibt gemäß § 287 Abs 2 iVm § 287 Abs 1 S 2 ZPO seinem Ermessen überlassen, ob und inwieweit - von Amts wegen - eine Begutachtung durch einen Sachverständigen anzuordnen ist(BGH Urteil vom 28.10.2015 - VIII ZR 158/11 - RdNr 92). Die vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob und inwieweit er eine Beweisaufnahme durchführt, unterliegt dabei nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob das Tatsachengericht von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, ob für seine Entscheidung grundsätzlich falsche oder offenbar unsachliche Erwägungen maßgebend waren oder ob wesentliche entscheidungserhebliche Tatsachen außer Acht gelassen wurden (BGH Urteil vom 28.10.2015 - VIII ZR 158/11 - RdNr 93; BGH Urteil vom 7.3.2013 - III ZR 231/12 - BGHZ 196, 285 = juris RdNr 29 ff; siehe auch BSG Urteil vom 24.3.2015 - B 8 SO 12/14 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 7 RdNr 15; BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - RdNr 49). Dies ist hier im Hinblick auf die grundsätzliche Entscheidung für den Weg der Schätzung von dem Beklagen nicht gerügt worden. Der erkennende Senat folgt dem SG auch insoweit.
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Die soeben dargelegten Voraussetzungen für die Anwendung der Methode einer Schätzung liegen vor. Dem Grunde nach steht die Erbringung von Leistungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II für die Aufwendungen für den Strom zum Betrieb der Heizungsanlage fest. Die Bestimmung ihrer Höhe unterliegt jedoch der tatsächlichen Schwierigkeit, dass es vorliegend an einer Vorrichtung - separater Zähler bzw Zwischenzähler - fehlt, mit dessen Hilfe diese bestimmt werden könnte. Ihre Ermittlung wäre nur mittels eines Sachverständigengutachtens und - wohl auch in diesem Rahmen - einer Schätzung der Betriebsdauer der Anlage möglich. Dieses Vorgehen stünde jedoch im Hinblick auf die Bedeutung des hier streitigen Berechnungselements für die Höhe der gesamten Leistungen für Unterkunft und Heizung in keinem Verhältnis.
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4. Im Berufungsverfahren wird das LSG allerdings zu beachten haben, dass Schätzungen eine realistische Grundlage haben sowie in sich schlüssig und wirtschaftlich nachvollziehbar sein müssen. Bei einer Schätzung entscheidet das Gericht zwar wie bei einer sonstigen Tatsachenfeststellung nach freier Überzeugung; es hat alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen (§ 287 Abs 1 S 1 iVm § 287 Abs 2 ZPO); seine Schätzung ist aber rechtsfehlerhaft, wenn es die Schätzungsgrundlagen nicht richtig festgestellt oder nicht alle wesentlichen, in Betracht kommenden Umstände hinreichend gewürdigt hat, oder wenn die Schätzung selbst auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht (BSG Urteil vom 14.7.1988 - 11/7 RAr 41/87 - SozR 4100 § 115 Nr 2 = juris RdNr 25). Um einen Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der auf die Heizung entfällt, zu finden, sind vom Tatrichter die Tatsachen festzustellen, die der Schätzung nachvollziehbare Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen verschaffen (vgl BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R - RdNr 16; BGH Urteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07 - NJW 2008, 1801, 1802 = juris RdNr 32). Es ist zwar nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, die Tatsacheninstanzen für die Schätzung auf bestimmte Berechnungsmethoden zu verpflichten oder ihnen die Berücksichtigung bestimmter Schätzungsgrundlagen aufzuerlegen (BSG Urteil vom 20.5.1987 - 10 RKg 12/85 - BSGE 62, 5 = SozR 1750 § 287 Nr 1 = juris LS 2 RdNr 18), jedoch ist die Geeignetheit der ausgewählten Berechnungsmethode vom Tatrichter nachvollziehbar zu begründen. Hiernach bestimmt sich dann, welche zu ermittelnden Umstände als wesentliche Anknüpfungstatsachen in die Schätzung einzustellen sind.
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Das SG hat vorliegend seine Berechnung auf die Annahme gestützt, der aus dem technischen Datenblatt entnommene Wert des Bereitschafts-Energieverbrauchs für 24 Stunden sei eine geeignete Anknüpfungstatsache für den Stromverbrauch der Heizungsanlage. Nach seiner Einschätzung vermag dieser Wert näherungsweise die anfallenden Stromkosten im Sinne eines Durchschnittswerts hinreichend abzubilden, um die durch den Verlauf der Heizperiode, Witterungseinflüsse, Gebrauchsgewohnheiten und Lastzustände der Anlage bedingten Unwägbarkeiten auszugleichen. Für diese Annahme fehlt es aber an einer nachvollziehbaren Begründung. Es drängt sich auch nach Lage der Akten nicht auf, warum der Bereitschafts-Energieverbrauch geeignet sein soll, die Betriebsstromkosten der Heizungsanlage abzubilden. Die im technischen Datenblatt als Referenz für die Ermittlung des Bereitschafts-Energieverbrauchs angegebene DIN 4753 Teil 8 wurde ua durch die DIN 4753-7 (11/2011) ersetzt (vgl http://www.beuth.de/en/draft-standard/din-4753-8/3263530), nach deren Ziffer 3 die Begriffe der DIN 12897 (11/2014) gelten. Der Bereitschafts-Energieverbrauch beschreibt demnach den Bereitschaftswärmeverlust, also die Abgabe der Wärmeenergie über die Außenfläche des Speichers an die Umgebung (ohne die Verteilungsverluste außerhalb des Speichers, vgl Fn 2 des technischen Datenblatts). Bei der herstellerseitigen Messung des Bereitschaftswärmeverlusts wird ein elektrisches Heizelement eingesetzt, um die Temperatur konstant zu halten, durch dessen Energieverbrauch im Beharrungszustand der Heizungsanlage der Bereitschaftswärmeverlust ermittelt wird (vgl DIN 12897, 11/2014, Anhang B: "Messung des Bereitschafts-Wärmeaufwands bei werkseitig gedämmten Speicher-Wassererwärmern"). Das SG scheint stattdessen versehentlich davon ausgegangen zu sein, dass es sich um den Energieverbrauch der Heizungspumpe sowie des Steuerungsgeräts handelt (vgl Ziffer 6 und 7 des Teilvergleichs vom 25.2.2013).
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Anknüpfungspunkte für die Schätzung könnten sich vielmehr aus den in der mietrechtlichen Rechtsprechung gebräuchlichen Berechnungsmethoden ergeben. Sie stellen entweder - worauf auch das SG zutreffend hinweist - auf einen geschätzten Anteil (üblicherweise 4 - 10 %) der Brennstoffkosten ab (vgl BGH Urteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07; Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss vom 10.1.1997 - 2Z BR 35/96; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 10.7.2012 - L 7 AS 988/11 ZVW; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.3.2011 - L 12 AS 2404/08) oder auf den geschätzten Stromverbrauch der Heizungsanlage während der ebenfalls geschätzten durchschnittlichen Betriebsstunden ihrer wesentlichen elektrischen Vorrichtungen (vgl OLG Hamm Beschluss vom 22.12.2005 - 15 W 375/04; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 22.11.2012 - L 5 AS 83/11; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 25.3.2011 - L 5 AS 427/10 B ER).
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5. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.