Bundessozialgericht Urteil, 29. Nov. 2012 - B 14 AS 196/11 R

bei uns veröffentlicht am29.11.2012

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 5. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2008 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2005 sowie vom 1. Februar bis 30. April 2006 wendet.

Im Übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Landessozialgerichts vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeit-raum von Juni 2005 bis November 2006 aufgehoben und die Erstattung von insgesamt 11 771,66 Euro gefordert hat.

2

Die im Juli 1950 geborene Klägerin war im streitigen Zeitraum alleinstehend und bezog von der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden nur noch Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte gewährte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 8.4.2005) und änderte in der Folge diese Bewilligung für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 bewilligte der Beklagte wiederum Leistungen in wechselnder Höhe (Bescheid vom 11.10.2005) und änderte diese für die Zeit vom 1.2. bis 30.4.2006 (Bescheid vom 13.12.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.5.2006 bis 31.10.2006 bewilligte er Leistungen mit Bescheid vom 18.4.2006 und schließlich für die Zeit vom 1.11.2006 bis 30.4.2007 mit Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006.

3

Der Beklagte erhielt in der Folge Kenntnis davon, dass der Klägerin im Jahr 2005 mehrere kleinere Geldbeträge sowie am 14.12.2005 ein Betrag von 9693,48 Euro aus einer Erbschaft zugeflossen seien. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 hob der Beklagte "die Entscheidungen" vom "8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 11.10.2006" über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 1.6.2005 bis 31.7.2005 und vom 1.10.2005 bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9.2005 bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 vollständig auf. Es folgte die Bezifferung der Aufhebungsbeträge getrennt nach Regelleistung, Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung sowie für Leistungen für Unterkunft und Heizung, insgesamt ergab sich eine Gesamterstattungsforderung in Höhe von 11 771,66 Euro.

4

Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2008 zurückgewiesen. Der Klägerin seien im Jahr 2005 insgesamt 10 793,48 Euro aus einer Erbschaft im Zeitraum von Juni 2005 bis Dezember 2005 zugeflossen. Es ergebe sich, ausgehend von der Aufschlüsselung im Einzelnen, ein monatlich anzurechnender Betrag von 869,46 Euro. Unter Berücksichtigung der im streitbefangenen Zeitraum ausgezahlten Leistungen und der abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung folge daraus ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 11 771,66 Euro. Nicht berücksichtigt werden könnten die Darlehensverpflichtungen der Klägerin. Der Widerspruchsbescheid enthielt darüber hinaus eine Übersicht, von welchen zugeflossenen Beträgen der Beklagte im streitigen Zeitraum jeweils monatlich ausgegangen ist sowie ferner eine nach Monaten differenzierte Übersicht, wie sich der Rückforderungsbetrag nach Auffassung des Beklagten errechnet (insoweit aber ohne Aufschlüsselung nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft).

5

Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat auf die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 23.6.2010 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2008 aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Erbschaft vorliegend um Einkommen oder Vermögen gehandelt habe; ebenso könne offenbleiben, ob der Beklagte die Jahresfrist des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingehalten habe, denn der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008 sei bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil er den Anforderungen des § 33 SGB X an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten nicht genüge. Es müsse die Kennzeichnung des Regelungsgegenstands nach dem bewilligten Betrag, den begünstigten Personen und dem Bewilligungszeitraum erfolgen. Zudem müsse die Aufhebung erkennbar machen, ob sie alle von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid und seinen Änderungen geregelten Bezugsmonate betreffe oder sich auf einzelne Teilzeiträume beschränke, die dann zu benennen seien. Entsprechendes gelte hinsichtlich einer betragsmäßig vollständigen oder lediglich anteiligen Rücknahme. Vorliegend ergebe sich die mangelnde Bestimmtheit schon deshalb, weil gleich drei aufzuhebende Bescheide nicht benannt worden seien.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen seien hinreichend bestimmt. Durch die ausdrückliche Benennung des Aufhebungszeitraums und unter Heranziehung der Begründung sowie ggf vorhandener Anlagen und früher ergangener Bescheide sei der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts jedenfalls einer widerspruchsfreien Auslegung zugänglich. Zudem seien die Aufhebungszeiträume dahingehend konkretisiert worden, ob eine teilweise oder eine vollständige Aufhebung der Bewilligung erfolgt sei. Die Regelung habe nur dahingehend verstanden werden können, dass im Hinblick auf die benannten Zeiträume die Leistungen unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidungen in ihrer jeweils gültigen Fassung aufgehoben werden sollten. Die Benennung der fehlenden Änderungsbescheide sei schriftsätzlich im Klageverfahren nachgeholt worden. Im Übrigen genüge die angegriffene Entscheidung auch im Hinblick auf die Aufhebungssumme den Bestimmtheitsanforderungen, da jedenfalls im Widerspruchsbescheid eine ausführliche und detaillierte Darstellung der monatlichen Einzelbeträge erfolgt sei.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend und führt ergänzend aus, bei fehlender Aufhebung von Bescheiden komme auch keine Erstattung in Betracht.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten (§ 160 Abs 1, § 164 Sozialgerichtsgesetz) ist nur teilweise im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 sowie vom 1.2. bis 30.4.2006 war die Revision dagegen zurückzuweisen, denn insoweit fehlte es an der Aufhebung der auf diese Zeiträume entfallenden Leistungsbescheide (Änderungsbescheide), sodass das LSG insoweit die Berufung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008. Gegen die in diesem Bescheid enthaltenen Verfügungen, die zuvor ergangenen Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 über Leistungen nach dem SGB II vom 1.6. bis 31.7.2005 und vom 1.10. bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9. bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 ganz aufzuheben, und für den Gesamtzeitraum vom 1.6.2005 bis 30.11.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 7286,56 Euro (Regelleistung 5557,51 Euro, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 1729,05 Euro) und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 4485,10 Euro, also insgesamt 11 771,66 Euro zurückzufordern, wendet sich die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).

12

2. Es kann vorliegend über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der vorangegangenen Verwaltungsakte nicht abschließend entschieden werden, weil das LSG im Hinblick auf die von ihm angenommene fehlende Bestimmtheit dieser angefochtenen Verwaltungsakte die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligungsbescheide nicht weiter geprüft hat.

13

a) Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid insoweit auf § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gestützt. Ob er die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 durchgehend auf § 48 SGB X stützen konnte, kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das LSG nicht entschieden werden. Eine Anwendung des § 48 SGB X kommt in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist. § 45 SGB X, der weitergehenden Vertrauensschutz bietet(vgl § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X), findet dagegen Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deshalb geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich folglich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R).

14

Das LSG hat es bereits offen gelassen, ob es sich bei "der Erbschaft", die nach der Aufstellung im Widerspruchsbescheid in mehreren Etappen zugeflossen ist, um zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gehandelt hat; der für die Abgrenzung maßgebliche Zeitpunkt des jeweiligen Einkommenszuflusses (bzw Vermögenserwerbs) ist nicht geprüft worden. Schließlich fehlen auch Feststellungen zur Höhe ggf zu berücksichtigenden Einkommens. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, ob sämtliche Leistungsbewilligungen gemäß § 48 SGB X aufgehoben werden konnten, oder - wofür hier viel spricht - nicht jedenfalls die Bescheide betreffend die Leistungszeiträume ab dem Jahr 2006 nach dem Zufluss des Betrags von 9693,48 Euro im Dezember 2005 bereits anfänglich rechtswidrig waren und eine Aufhebung deshalb nur unter den Voraussetzungen von § 45 SGB X hätte erfolgen dürfen. Erst im Anschluss an diese Prüfung können abschließende Aussagen zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung getroffen werden. Allein der Umstand, dass der Beklagte seine Aufhebungsentscheidung vorliegend ausschließlich auf § 48 SGB X gestützt hat, führt allerdings nicht zum Erfolg der Klage, denn die §§ 45, 48 SGB X haben dasselbe Ziel, weshalb das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig ist(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 36 RdNr 17 mwN).

15

Je nachdem, welche Rechtsgrundlage einschlägig ist, wird das LSG die weiteren Voraussetzungen der jeweiligen Norm zu prüfen haben. Dabei werden auch Feststellungen zur formellen Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids nachzuholen sein, insbesondere zur Durchführung der Anhörung, wobei ungeachtet der in den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen dazu das Erfordernis einer eigenständigen, nicht notwendigerweise förmlichen Anhörung jedenfalls durch das Widerspruchsverfahren gewahrt wäre (vgl BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 17; Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 144/10 R).

16

b) Die vom LSG angenommene Rechtswidrigkeit der Aufhebungsverfügung ergibt sich aber nicht aus der mangelnden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2; Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R). Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung ist also der Empfängerhorizont, für die Beteiligten muss sich aus dem Verfügungssatz vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde will. Unschädlich ist es dabei, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Auslegungsmöglichkeiten finden allerdings ihre Grenze dort, wo es dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (so BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14 sowie BSG vom 29.4.1997 - 4 RA 25/96 - und vom 16.12.1997 - 4 RA 56/96).

17

Der Aufhebungsverwaltungsakt des Beklagten genügt den dargelegten Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis. Es geht aus dem Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides klar und unzweideutig hervor, dass der Beklagte als handelnde Behörde bestimmte, näher bezeichnete Leistungsbescheide, die allein die Klägerin betreffen, ganz oder teilweise aufhebt. Die Aufhebungsverfügungen sind auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil sie nicht monatsweise zwischen der bewilligten Regelleistung und den Leistungen für Unterkunft und Heizung unterschieden hätten. Soweit teilweise vertreten wird, ein Aufhebungsverwaltungsakt sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn er - spiegelbildlich zur Bewilligung - die aufgehobenen Leistungen monatsweise nach Leistungsarten unterscheide, insbesondere also deutlich machte, ob es sich um Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung handele (so LSG Rheinland-Pfalz vom 30.3.2010 - L 3 AS 138/08 - Juris RdNr 54 ff), folgt der Senat dem nicht (ablehnend für die Festsetzung der Erstattungsforderung nach § 50 Abs 1 SGB X bereits Urteil des Senats vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2 RdNr 37). Für den Leistungsberechtigten muss nur erkennbar sein, ob und in welchem Umfang ihm monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleiben, um sein Verhalten daran ausrichten zu können. Jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid hat der Beklagte aber im Einzelnen erkennbar gemacht, welche Bezugsmonate in welchem Umfang von der Aufhebung betroffen sind.

18

Auch die Tatsache, dass der Beklagte im Aufhebungsverwaltungsakt einen Bewilligungsbescheid statt mit "10.10.2006" mit "11.10.2006" bezeichnet hat, hat nicht zur Folge, dass der Verwaltungsakt insgesamt wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig ist. Es handelte sich bei der fehlerhaften Datumsangabe - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt - um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die jederzeit beseitigt werden kann (vgl § 38 SGB X). Die fehlende Aufzählung sämtlicher für die betreffenden Leistungszeiträume relevanter Bewilligungsbescheide ist keine Frage der Bestimmtheit, denn dies wirkt sich lediglich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung aus (dazu unter 3). Die Bestimmtheit des Verwaltungsakts ist deshalb nicht in Frage gestellt.

19

3. Der Erstattungsverwaltungsakt ist teilweise rechtswidrig und war insoweit aufzuheben. Eine Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen kann auf § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X nur gestützt werden, soweit ein Verwaltungsakt (mithin die entsprechende Leistungsbewilligung) aufgehoben worden ist. Dies hat der Beklagte vorliegend hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 versäumt. Zwar ist für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 einerseits und den Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 andererseits der zunächst maßgebliche Bewilligungsbescheid (vom 8.4.2005 bzw vom 11.10.2005) von der Aufhebung erfasst. Im laufenden Bewilligungszeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 hat der Beklagte aber ab dem 1.7.2005 aufgrund einer Änderung der Verhältnisse eine vollständig neue Leistungsbewilligung erlassen, nämlich den Änderungsbescheid vom 22.6.2005. Ebenso hat er für den Bewilligungszeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 mit Änderungsbescheid vom 13.12.2005 vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 eine neue Leistungsbewilligung vorgenommen. Diese beiden Änderungsbescheide sind im Aufhebungsbescheid nicht genannt. Damit ist eine Aufhebung dieser Bescheide nicht verfügt; die Bewilligungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 sind bestandskräftig. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 8.4.2005 und vom 11.10.2005 geht insoweit ins Leere. Eine Erstattung der Leistungen für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 und vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 auf Grundlage von § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X scheidet aus.

20

Wegen des Erstattungsverwaltungsakts im Übrigen ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich, solange nicht feststeht, inwieweit die Aufhebung der übrigen Bewilligungen Bestand hat. Auch für den Erstattungsverwaltungsakt gilt, dass seine mangelnde Bestimmtheit nicht erkennbar ist. Die übrige Prüfung, ob die Erstattungsverfügung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben. Ggf ist die gesamte Erstattungssumme im Hinblick auf die fehlende Aufhebung für einzelne Leistungszeiträume neu zu bestimmen.

21

Das LSG wird ggf über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

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(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 10. Juni 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die Klägerin für die Zeit vom 1.9.2008 bis 31.12.2008 Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) hatte und insbesondere darüber, ob eine Erbschaft als Einkommen oder als Vermögen zu berücksichtigen ist.

2

Die 1975 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihren drei Töchtern in einer Bedarfsgemeinschaft. Mit Bescheid des Beklagten vom 7.12.2007 und Änderungsbescheiden vom 19.12.2007 hatte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.1.2008 bis 30.6.2008 gewährt. Aufgrund des im Juni 2008 gestellten Weiterbewilligungsantrags waren der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 18.6.2008 weiterhin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.7.2008 bis zum 31.12.2008 bewilligt worden. Dieser Bescheid wurde mit Bescheid vom 2.7.2008 bezüglich der Leistungshöhe für den genannten Zeitraum geändert.

3

Nach den Feststellungen im Urteil des Sozialgerichts (SG) erhielt der Beklagte im Juni 2008 Kenntnis davon, dass der Klägerin aus einer Erbschaft ein Betrag in Höhe von 7282,83 Euro zugeflossen sein solle. Er forderte daraufhin bei der Klägerin einen entsprechenden Nachweis an. Diese legte Anwaltsschreiben vor, wonach unter Abzug von Rechtsanwaltsgebühren "aus der Erbschaft" ein Betrag in Höhe von 6538,61 Euro im Juni 2008 per Verrechnungsscheck gezahlt worden war.

4

Mit Bescheid vom 11.8.2008 änderte der Beklagte sodann die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1.9.2008 bis zum 31.12.2008. Er bewertete die Auszahlung "des Erbes" in Höhe von 6538,61 Euro als Zufluss von Einkommen, das auf zwölf Monate zu verteilen sei, woraus sich für den genannten Zeitraum ein monatlich anrechenbarer Betrag in Höhe von 544,89 Euro ergebe.

5

Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4.11.2008 zurück. Dagegen hat die Klägerin Klage beim SG erhoben und geltend gemacht, ihre Großmutter sei am 1.10.2003 verstorben. Durch ein Schreiben des Amtsgerichts B vom 29.10.2007 habe sie hiervon erstmals Kenntnis erhalten. Der Erbfall sei aber bereits mit dem Tod eingetreten und die Erbschaft damit schon zu einem Zeitpunkt zugeflossen, als sie vom Beklagten noch keine Leistungen erhalten habe. Nach der Erbauseinandersetzung habe ihr Rechtsanwalt mit Schreiben vom 16.6.2008 den ihr zustehenden Geldbetrag mitgeteilt. Bei dem Geld aus der Erbschaft handele es sich um Vermögen iS von § 12 SGB II.

6

Das SG hat mit dem angegriffenen Urteil vom 10.6.2009 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe zu Recht mit Bescheid vom 11.8.2008 für die Zeit vom 1.9.2008 bis 31.12.2008 eine Änderung der der Klägerin zustehenden Leistungen gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verfügt, denn der aus der Erbschaft zugeflossene Betrag von 6538,61 Euro sei als Einkommen iS von § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II einzustufen und deshalb in zutreffender Anwendung der Regelung in § 2 Abs 4 Satz 3 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung auf einen angemessenen Zeitraum aufgeteilt und mit einem Teilbetrag in Höhe von 544,89 Euro in Ansatz gebracht worden. Als Einkommen sei nach der Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts als auch des Bundessozialgerichts (BSG) alles zu qualifizieren, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig zusätzlich erhalte, dagegen sei Vermögen alles, was der Betreffende zu Beginn der Bedarfszeit bereits habe. Die Klägerin könne nicht damit gehört werden, dass der aus der Erbschaft stammende Geldbetrag ihr bereits im Zeitpunkt des Todes der Großmutter am 1.10.2003 zugeflossen sei. Es sei vielmehr auf den tatsächlichen Zufluss abzustellen, auf das Schicksal der Forderung komme es nicht an. In Kenntnis der Rechtsprechung des BSG bezüglich einer Einkommensteuererstattung sei daher auch bezüglich des Zuflusses eines Geldbetrags aus einer Erbschaft davon auszugehen, dass es nicht auf den Zeitpunkt des Erbfalls, sondern auf den tatsächlichen Zeitpunkt des Zuflusses des Geldbetrags ankomme.

7

Gegen die Entscheidung des SG hat die Klägerin mit Zustimmung des Beklagten unter Übergehung der Berufungsinstanz Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 11 Abs 1 SGB II. Gerade aus der Definition von Einkommen und Vermögen durch den 4. und 14. Senat des BSG im Zusammenhang mit Entscheidungen über die Rückerstattung von Einkommensteuern lasse sich ersehen, dass Einkommen grundsätzlich alles das sein solle, was jemand nach Antragstellung rechtmäßig dazu erhalte, Vermögen solle das sein, was jemand vor Antragstellung bereits gehabt habe. Diese Definition werde jedoch nicht allen Fallgestaltungen gerecht, die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen sei zu statisch. Einkommen sei als regelmäßige, jedenfalls relativ häufig wiederkehrende Einnahme zu definieren. Demgegenüber stelle eine Zahlung aus einem Erbe eine Einmalzahlung dar. Deshalb sei ein Erbe ein Vermögenswert, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung. Im Übrigen sei hier auch das Zuflussprinzip falsch angewendet worden, denn mit dem Tod eines Erblassers gehe die Erbschaft unmittelbar und von selbst auf den Erben kraft Gesetzes über. Das Erbe sei der Klägerin also bereits zum Zeitpunkt des Todes ihrer Großmutter zugeflossen, ungeachtet der Tatsache, dass die Klägerin weder von dem Tod ihrer Großmutter noch von ihrem Erbrecht zunächst überhaupt Kenntnis gehabt habe.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 10. Juni 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 11. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr beginnend mit dem Monat September 2008 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der Erbschaft in Höhe von 6538,61 Euro zu gewähren.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Der Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend und verweist darauf, dass bei einer Auslegung im Sinne der Klägerin in Fällen von Erbstreitigkeiten die Betroffenen ohne Sozialleistungen dastünden.

Entscheidungsgründe

11

Die statthafte und im Übrigen zulässige Sprungrevision (§ 161 Sozialgerichtsgesetz) der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an das Landessozialgericht (LSG) begründet (§ 170 Abs 4 SGG). Es kann nicht abschließend entschieden werden, ob und auf welcher Rechtsgrundlage der Beklagte den ursprünglichen Leistungsbescheid für den Zeitraum vom 1.9.2008 bis 31.12.2008 ändern und in welcher Höhe er ggf Leistungen neu festsetzen konnte.

12

1. Beteiligt ist auf Klägerseite im vorliegenden Verfahren nur die Klägerin selbst. Sie lebt nach den Feststellungen des SG zwar mit ihren drei Töchtern in einer Bedarfsgemeinschaft; sie hat aber das Klageverfahren von Anfang an allein betrieben, ohne dass es einen Hinweis darauf gab, dass sie als gesetzliche Vertreterin auch Ansprüche ihrer Töchter geltend machen wollte. Soweit die Anrechnung der der Klägerin zugeflossenen Summe als Einkommen auch Auswirkungen auf die Ansprüche der Töchter gehabt hat, hätten diese ihre Rechte selbst geltend machen müssen.

13

Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II ebenfalls idF des Gesetzes vom 3.8.2010), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes entstanden ist (vgl Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung tritt im laufenden gerichtlichen Verfahren als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II). Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung iS von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar(vgl BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R - BSGE 99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 168 RdNr 2c). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

14

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der von der Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) angegriffene Bescheid des Beklagten vom 11.8.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.11.2008, mit dem der Beklagte den Leistungsbescheid vom 18.6.2008 bzw 2.7.2008 wegen nachträglichen Zuflusses von aus seiner Sicht bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigendem Einkommen geändert und bei der Neuberechnung die Leistungen für den Zeitraum vom 1.9.2008 bis 31.12.2008 um einen monatlich anrechenbaren Betrag in Höhe von 544,89 Euro vermindert hat.

15

3. Ob der Beklagte den Änderungsbescheid auf § 48 SGB X stützen konnte, kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das SG nicht entschieden werden. Eine Anwendung des § 48 SGB X kommt in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist. § 45 SGB X findet dagegen Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich folglich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4 RdNr 13; BSGE 59, 206 = SozR 1300 § 45 Nr 20 S 68 und BSGE 65, 221 = SozR 1300 § 45 Nr 45 S 141; vgl zuletzt auch BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R). Erlassen ist ein Verwaltungsakt nach der genannten Rechtsprechung des BSG in dem Zeitpunkt, in dem er dem Adressaten bekannt gegeben und damit wirksam geworden ist. Die Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsakts erfolgt mit dessen Zugang.

16

Ob der Verwaltungsakt vom 11.8.2008 tatsächlich gemäß § 48 SGB X aufgehoben werden konnte oder ob er - wofür hier viel spricht - nicht bereits ursprünglich rechtswidrig war und eine Rücknahme deshalb nur unter den Voraussetzungen von § 45 SGB X hätte erfolgen dürfen, erschließt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des SG nicht. Der als auslösendes Ereignis angesehene Zufluss von 6538,61 Euro hat nach dem SG "im Juni 2008, ca am 19.6.2008" stattgefunden. Wann der Bescheid vom 18.6.2008 der Klägerin zugegangen und damit als Verwaltungsakt wirksam geworden ist, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Angesichts des zeitlichen Ablaufs spricht einiges dafür, dass der Zugang des Verwaltungsakts nach dem Zufluss des Geldes erfolgt ist, sodass als Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 18.6.2008 bzw 2.7.2008 § 45 SGB X zugrunde zu legen gewesen wäre.

17

Allein die Tatsache, dass der Beklagte seinen Bescheid vorliegend auf § 48 SGB X gestützt hat, würde allerdings nicht zum Erfolg der Klage führen. Das Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall, denn die §§ 45, 48 SGB X haben dasselbe Ziel, nämlich die Änderung bzw Aufhebung eines Verwaltungsakts. Aus diesem Grunde ist das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig (vgl BSG Urteil vom 25.4.2002 - B 11 AL 69/01 R - juris RdNr 16 f; Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - RdNr 17). Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass vorliegend § 45 SGB X einschlägig ist, so wird es zu prüfen haben, ob bei der Klägerin ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts vorgelegen hat. In diesem Fall wird insbesondere zu prüfen sein, ob der Klägerin nach ihren individuellen Möglichkeiten und ihrer persönlichen Einsichtsfähigkeit grobe Fahrlässigkeit deshalb anzulasten ist, weil sie den Zufluss der 6538,61 Euro dem Beklagten nicht mitgeteilt hat.

18

4. Ob in der Sache der Leistungsbescheid vom 18.6.2008 rechtswidrig war, weil dem dort errechneten Bedarf zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gegenübergestanden hat, kann ebenfalls nicht abschließend entschieden werden.

19

Die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen nimmt das SGB II selbst nicht vor. Wie die für das SGB II zuständigen Senate des BSG bereits entschieden haben, ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II grundsätzlich alles das, das jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte(vgl nur BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 und BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; s auch Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt. Nicht entscheidend ist das Schicksal der Forderung.

20

Auf der Grundlage der Feststellungen des SG lässt sich schon nicht entscheiden, ob es sich bei den von dem Beklagten berücksichtigten Geldbeträgen überhaupt um eine Erbschaft handelt, bei der sich die von der Klägerin in ihrer Revisionsbegründung dargestellten Abgrenzungsfragen zwischen Einkommen und Vermögen stellen. Das SG ist in den Gründen seiner Entscheidung, der Bewertung der Beteiligten folgend, ohne weiteres davon ausgegangen, es habe sich bei dem im Juni 2008 zugeflossenen Geld um solches aus "der Erbschaft" gehandelt. Ob hier tatsächlich nach dem Tod der Großmutter bei der Klägerin als Enkelin eine Erbschaft im Sinne der Legaldefinition des § 1922 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angefallen ist, erschließt sich vorliegend nicht. Es wäre ebenso denkbar, dass die Klägerin die zugeflossene Summe als Einzelzuwendung im Wege eines Vermächtnisses und damit als Forderung gegen den Nachlass erlangt hat (§ 1939 BGB, vgl nur Weidlich in Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 1939 RdNr 5 mwN).

21

Wenn feststeht, dass die Klägerin als (Mit-)Erbin die Gesamtrechtsnachfolge nach ihrer Großmutter angetreten hat, ist entgegen der Auffassung des SG davon auszugehen, dass ein sich aus dem Erbe ergebender Geldbetrag als Vermögen einzuordnen ist. Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge geht die Erbschaft unmittelbar kraft Gesetzes auf die Erben über, unbeschadet der Tatsache, dass wegen des Ausschlagungsrechts ein Erbe erst mit Annahme erworben wird (vgl Weidlich, aaO, § 1922 RdNr 8 und § 1942 RdNr 2). Bereits mit dem Erbfall kann der Erbe über seinen Anteil am Nachlass verfügen (vgl § 2033 Abs 1 Satz 1 BGB), ohne dass es auf die Durchsetzung von Ansprüchen etwa gegen die Miterben ankommt (im Einzelnen BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12). Bereits diese Verfügungsmöglichkeit bedeutet einen Zufluss im Sinne der dargestellten Rechtsprechung. Maßgebend ist im Falle der Gesamtrechtsnachfolge also, dass der Erbfall mit dem Tod der Großmutter bereits am 1.10.2003 und damit jedenfalls vor der (ersten) Antragstellung eingetreten ist (insoweit bereits BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R - juris RdNr 22). Der Zufluss des Geldbetrages im Juni 2008 aus diesem Erbe stellt sich in diesem Fall als "versilbern" bereits vorhandenen Vermögens dar und ist somit weiterhin als Vermögen zu qualifizieren (vgl BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R - BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5, jeweils RdNr 19). Ein solches Vermögen wäre zu verwerten, wenn es in einer Höhe anfällt, die zur (vorübergehenden) Beendigung der Hilfebedürftigkeit führt. Ob dies der Fall ist, wird das LSG ggf anhand der Freibetragsregelung in § 12 Abs 2 SGB II und damit anhand der den Hilfebedürftigen zustehenden Freibeträge zu entscheiden haben(zur Höhe der Vermögensfreibeträge in Bedarfsgemeinschaften mit Kindern vgl insbesondere BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13).

22

Wenn die Klägerin dagegen mit dem Erbfall lediglich Inhaberin einer Forderung gegen den Nachlass geworden ist, sind Freibeträge nicht zu berücksichtigen, weil es sich in diesem Fall im Zeitpunkt des Zuflusses des Geldbetrages um Einkommen iS des § 11 SGB II handelt(BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R - juris RdNr 22).

23

Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landes-sozialgerichts vom 17. März 2009 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 14. August 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungs- und das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 1.3.2005 bis zum 31.7.2005 aufzuheben und die Erstattung von 2525 Euro zu verlangen.

2

Der Kläger beantragte am 14.2.2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und gab dabei an, er beziehe bis zum 28.2.2005 Alg. Am 2.3.2005 teilte der Kläger mit, dass er seit dem 25.2.2005 Krankengeld beziehe. Gleichwohl gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18.4.2005 für den Zeitraum vom 1.3. bis zum 31.7.2005 Alg II in Höhe von 505 Euro monatlich.

3

Die Beklagte hob den Bewilligungsbescheid mit Bescheid vom 14.7.2005 unter Hinweis auf § 48 SGB X wegen des Bezugs von Krankengeld auf. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, er habe den Bezug von Krankengeld mitgeteilt. Den Widerspruch wies die Beklagte mit der Begründung zurück, der Bewilligungsbescheid sei gemäß § 45 SGB X zurückzunehmen. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Er habe die Rechtswidrigkeit des Bescheids infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt, denn er habe der dem Bescheid beigefügten Berechnung entnehmen können, dass keinerlei Einkommen angerechnet worden sei (Widerspruchsbescheid vom 31.8.2005).

4

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 14.8.2007). Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 17.3.2009). Es hat zur Begründung ausgeführt, zwar sei der Bescheid vom 14.7.2005 verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, denn der Kläger sei vor dem Erlass des Bescheides nicht angehört worden. Dieser Verfahrensfehler sei im Widerspruchsverfahren nicht geheilt worden, denn der Kläger habe sich zu dem Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens nicht äußern können. Der Verfahrensmangel sei jedoch im Klageverfahren durch die Stellungnahme des Klägers zu dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit geheilt. Zwar sei eine Heilung im Klageverfahren nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (SozR 3-1300 § 24 Nr 22) ausgeschlossen, wenn die Behörde die Anhörungspflicht vorsätzlich, rechtsmissbräuchlich oder durch Organisationsverschulden verletzt. Diese einschränkende Auslegung werde zutreffend vom 2. Senat des BSG nicht geteilt (SozR 4-1300 § 41 Nr 1). Im Übrigen seien hier keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte ihre Anhörungspflicht vorsätzlich verletzt haben sollte. Allerdings sei bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz kein förmliches Verwaltungsverfahren durchgeführt worden. Zwar sei der 7a. Senat der Auffassung, es sei für die Heilung nicht ausreichend, dass der Betroffene - wie im Widerspruchsverfahren - auf Grund des Bescheides die Möglichkeit habe, Stellung zu nehmen (BSG Urteil vom 6.4.2006 - B 7a AL 64/05 R). Es müsse danach gewährleistet sein, dass die beklagte Beteiligte zumindest formlos darüber befinde, ob sie bei ihrer Entscheidung verbleibe. Hingegen sei der Senat der Auffassung, dass eine fehlende Anhörung wirksam nachgeholt und geheilt sei, wenn in der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz des sozialgerichtlichen Verfahrens den Beteiligten ausdrücklich Gelegenheit gegeben werde, sich zu äußern und der Hilfebedürftige sich im Übrigen zu den relevanten Umständen im Klageverfahren geäußert habe. Ein nochmaliger Hinweis auf die bereits bekannten Haupttatsachen durch den Leistungsträger in einem formellen Anhörungsverfahren unter Einräumung einer Äußerungsfrist sei eine inhaltsleere Formalität.

5

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 24, 41 SGB X. Er ist der Auffassung, dass die Nachholung der Anhörung im gerichtlichen Verfahren ein förmliches Verwaltungsverfahren voraussetze. Dies könne auch nicht als bloße Förmelei abgetan werden. Zudem könne er sich auf Vertrauensschutz berufen. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Beklagte § 40 Abs 2 SGB II gänzlich unberücksichtigt gelassen habe.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. März 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 14. August 2007 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie ist der Auffassung, dem Anhörungsgebot sei durch die Akteneinsicht im Widerspruchsverfahren genügt worden. Jedenfalls sei von einer Heilung im Gerichtsverfahren auszugehen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Das LSG hat zu Unrecht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Bescheid vom 14.7.2005 in der maßgebenden Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.8.2005.

11

Der Rücknahmebescheid ist wegen Verstoßes gegen die Anhörungspflicht nach § 24 SGB X rechtswidrig. Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Nach Abs 2 der Vorschrift kann davon unter bestimmten - hier jedoch nicht einschlägigen - Ausnahmen abgesehen werden.

12

Die Beklagte hat dem Kläger im Ausgangsbescheid nicht alle entscheidungserheblichen Haupttatsachen mitgeteilt, auf die sich die Rücknahme auf der Grundlage ihrer Rechtsansicht stützen wollte. Entscheidungserheblich iS von § 24 Abs 1 SGB X sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dh, auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat(BSGE 69, 247 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4). Die Beklagte hatte die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung im Ausgangsbescheid zunächst auf § 48 SGB X gestützt. Erstmals im - insoweit maßgebenden - Widerspruchsbescheid vom 31.8.2005 ging die Beklagte davon aus, dass für die Rücknahme der Leistungsbewilligung § 45 SGB X einschlägig sei. Sie sah auch die Voraussetzungen einer Rücknahme für die Vergangenheit als erfüllt an, weil der Kläger die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe (§ 45 Abs 4 Satz 1 SGB X iVm § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X).

13

Die Beklagte hat dem Kläger im Verwaltungsverfahren zu der erstmals im Widerspruchsbescheid angeführten inneren Tatsache, er habe die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 18.4.2005 zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt, keine Gelegenheit zu einer vorherigen Stellungnahme eingeräumt. Hierdurch hat sie § 24 SGB X verletzt.

14

Die fehlende Anhörung ist auch nicht nach § 41 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 3 SGB X nachgeholt worden. Eine Heilung im Revisionsverfahren ist nicht mehr möglich. Der Senat folgt der bisherigen Rechtsprechung des BSG, wonach eine Nachholung der Anhörung im Gerichtsverfahren jedenfalls ein entsprechendes "mehr oder minder" förmliches Verwaltungsverfahren - ggf unter Aussetzung des Gerichtsverfahrens - voraussetzt (BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 22 S 74; BSG Urteil vom 6.4.2006 - B 7a AL 64/05 R; vgl auch BSG SozR 4-5868 § 3 Nr 3 RdNr 17). Der Auffassung, die Nachholung der Anhörung gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X müsse sich während des gerichtlichen Verfahrens in einem besonderen Verwaltungsverfahren vollziehen, folgt auch die herrschende Meinung in der Literatur(Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 41 RdNr 16; Waschull in LPK-SGB X, 2. Aufl 2007, § 41 RdNr 15; Gregarek in Jahn, SGB, Stand 2010, § 41 SGB X RdNr 22).

15

Die Nachholung der fehlenden Anhörung setzt außerhalb des Verwaltungsverfahrens voraus, dass die Handlungen, die an sich nach § 24 Abs 1 SGB X bereits vor Erlass des belastenden Verwaltungsaktes hätten vorgenommen werden müssen, von der Verwaltung bis zum Abschluss der gerichtlichen Tatsacheninstanz vollzogen werden. Ein während des Gerichtsverfahrens zu diesem Zweck durchzuführendes förmliches Verwaltungsverfahren liegt vor, wenn die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gegeben hat und sie danach zu erkennen gibt, ob sie nach erneuter Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält. Dies setzt regelmäßig voraus, dass - ggf nach freigestellter Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs 2 Satz 2 SGG - die Behörde den Kläger in einem gesonderten "Anhörungsschreiben" alle Haupttatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will und sie ihm eine angemessene Frist zur Äußerung setzt. Ferner ist erforderlich, dass die Behörde das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis nimmt und sich abschließend zum Ergebnis der Überprüfung äußert.

16

Der Senat stimmt der Einschätzung des Berufungsgerichts, es handele sich insoweit nur um eine inhaltsleere Formalität, nicht zu. Denn die in § 24 SGB X normierte Anhörungspflicht verlöre jeglichen Gehalt, wenn der Verstoß im gerichtlichen Verfahren ohne jegliches formalisiertes Verfahren geheilt werden könnte. Vielmehr können nur die genannten verfahrensrechtlichen Anforderungen gewährleisten, dass die mit dem Anhörungsverfahren verfolgten Zwecke jedenfalls teilweise zur Geltung kommen. Mit der Regelung über die Anhörung beabsichtigt der Gesetzgeber, allgemein das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bürger und der Sozialverwaltung zu stärken und die Stellung des Bürgers insbesondere durch den Schutz vor Überraschungsentscheidungen zu stärken (BT-Drucks 7/868 S 28 und 45). Insbesondere soll der Betroffene Gelegenheit erhalten, durch sein Vorbringen zum entscheidungserheblichen Sachverhalt die bevorstehende Verwaltungsentscheidung zu beeinflussen (BSGE 75, 159 = SozR 3-1300 § 24 Nr 10; BSGE 69, 247, 252 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4; BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 21).

17

Die genannten Zwecke können zwar ohnehin in vollem Umfang nur erfüllt werden, wenn die Anhörung vor Erlass des belastenden Verwaltungsaktes durchgeführt wird. Darüber hinaus kann eine Heilung des Verfahrensmangels nach den mit der Anhörung verfolgten Funktionen noch während des Widerspruchsverfahrens erfolgen, wenn dem Betroffenen während des Vorverfahrens - zB durch Einlegung des Widerspruchs - hinreichende Gelegenheit gegeben worden ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (BSGE 89, 111, 114 = SozR 3-1300 § 1 Nr 1; BSG SozR 4-1300 § 24 Nr 1). Befindet sich die Verwaltungsentscheidung hingegen nicht mehr im Verantwortungsbereich der Beklagten, so kann eine jedenfalls teilweise Verwirklichung der mit den Anhörungshandlungen verfolgten Zwecke nur noch erreicht werden, wenn durch die genannten verfahrensrechtlichen Vorkehrungen sichergestellt wird, dass die Nachholung der Verfahrenshandlung sich in einer dem Anhörungsverfahren möglichst vergleichbaren Situation vollzieht. Dies ist hier nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG nicht gegeben.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheids für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2006 und die Höhe der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für diesen Zeitraum.

2

Der im Jahre 1969 geborene Kläger arbeitete nach seinen eigenen Angaben zunächst als Fernsehredakteur. Er lebt mit seinem im Dezember 2003 geborenen Sohn in einem Haushalt. Seit 2005 bezieht er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 29.3.2006 (Änderungsbescheid vom 7.4.2006) Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2006, dabei für die Monate September und Oktober 2006 in Höhe von 966 Euro, wobei der Kläger eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro (100 vH) monatlich bezog. Der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten überreichte dem Kläger am 6.7.2006 im Rahmen eines "ausführlichen Beratungsgesprächs" zwei Vermittlungsvorschläge, darunter einen für eine Vollzeittätigkeit bei der Zukunftswerkstatt K Nach Angaben des Klägers wurde laut Stellenbeschreibung ein Erzieher zur Anleitung anderer ABM-Helfer mit viel Erfahrung in sozialen und organisatorischen Bereichen sowie in der Betreuung an Grundschulen gesucht. Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit. Auf diese Stelle bewarb sich der Kläger nicht. Auf ein Anhörungsschreiben des Beklagten hin antwortete der Kläger am 21.7.2006, dass er den Vermittlungsvorschlag in seinen Unterlagen abgelegt und dort vergessen habe.

3

Der Beklagte erließ am 26.7.2006 einen Bescheid zur Absenkung des Arbeitslosengelds II (Alg II) gemäß § 31 SGB II. Darin hieß es wörtlich: "Der Ihnen zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II wird unter Wegfall des eventuell zustehenden Zuschlages nach § 24 SGB II für die Zeit vom 1.9.2006 bis 30.11.2006 monatlich um 30 % der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages, abgesenkt. Daraus ergibt sich eine Absenkung in Höhe von maximal 104,00 Euro monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wird insoweit ab dem 1.9.2006 gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben." Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe die ihm am 6.7.2006 angebotene, zumutbare Arbeit als Erzieher bei der Firma Zukunftswerkstatt K trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht angenommen, indem er sich nicht beworben habe.

4

Mit Bescheid vom 1.11.2006 (Änderungsbescheid vom 24.11.2006) bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 1.11.2006 bis April 2007. Ausweislich der Berechnungsbögen wurde dabei durch den Änderungsbescheid vom 24.11.2006 für den Monat November 2006 von einem Minderungsbetrag von 104 Euro ausgegangen. Bewilligt wurden dem Kläger Leistungen in Höhe von 841,40 Euro.

5

Bereits am 17.8.2006 hatte der Kläger Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 eingelegt. Diesen wies der Beklagte durch Bescheid vom 24.11.2006 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, trotz eines zuvor geführten intensiven Gesprächs hinsichtlich der Bewerbungsstrategie und einer Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger sich nicht bei der Zukunftswerkstatt beworben. Er habe hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass er die Aufnahme der angebotenen Tätigkeit verweigere. Einen wichtigen Grund hierfür habe er nicht nachgewiesen. Die Tätigkeit sei angesichts seiner beruflichen Laufbahn auch angemessen und zumutbar gewesen. Die Voraussetzungen für die Absenkung des Alg II um 30 % der maßgebenden Regelleistung seien daher erfüllt. Für den Kläger betrage die Regelleistung 345 Euro, woraus sich ein Absenkungsbetrag in Höhe von gerundet 104 Euro ergebe. Die Sanktion umfasse die Kalendermonate September bis November 2006. Für diesen Zeitraum sei die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung teilweise aufzuheben gewesen.

6

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 den Bescheid des Beklagten vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2006 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt gewesen. Es müsse aus dem Sanktionsbescheid von vornherein klar werden, in welcher Höhe eine Absenkung erfolgen werde. Der Umfang der Kürzung müsse deshalb konkret und unmissverständlich dem Bescheid zu entnehmen sein. Durch die Formulierung in dem Bescheid vom 26.7.2006 "30 % höchstens in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages und Absenkung von maximal 104,00 Euro monatlich" sei dem Kläger lediglich eine Obergrenze mitgeteilt worden. Es fehle an einem konkreten und unmissverständlichen Minderungsbetrag. Die mangelnde Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes könne auch nicht nach § 41 SGB X geheilt werden, denn es handele sich hierbei nicht um einen Formmangel. Eine hinreichende Bestimmtheit sei vorliegend auch nicht durch andere Bescheide hergestellt worden. Allein aus der durch den Änderungsbescheid vom 21.8.2006 festgesetzten Änderung für den Monat Oktober 2006 habe der Kläger nicht den Schluss ziehen können, dass der Minderungsbetrag 104 Euro betrage. Es könne dahinstehen, inwieweit nicht die Wertung des § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II für eine Unzumutbarkeit der angebotenen Vollzeittätigkeit spreche. Aus dieser Vorschrift folge, dass ein Hilfebedürftiger, der ein unter dreijähriges Kind betreue und erziehe, nicht zur Aufnahme einer Arbeit verpflichtet werden könne.

7

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten den Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Ausgangsbescheid wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit gemäß § 33 Abs 1 SGB X rechtswidrig gewesen sei. Jedenfalls sei diese mangelnde Bestimmtheit im Widerspruchsverfahren durch den Erlass des Widerspruchsbescheids in entsprechender Anwendung des § 41 SGB X geheilt worden. Des Weiteren liege auch ein Sachverhalt vor, der den Eintritt einer Sanktion zur Folge habe. Der Kläger sei durch den Vermittlungsvorschlag über die Rechtsfolgen einer Arbeitsverweigerung ausreichend belehrt gewesen. Er habe sich auch geweigert, eine Arbeit aufzunehmen. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass die angebotene Arbeit für den Kläger unzumutbar gewesen wäre. Gemäß § 10 Abs 1 SGB II sei dem Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar. Auch der Umstand, dass der Kläger allein seinen damals noch nicht dreijährigen Sohn erzogen habe, führe nicht zur Unzumutbarkeit der angebotenen Stelle. Die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet habe, sei in der Regel nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege sichergestellt sei. Vorliegend sei eine solche Gefährdung der Kindeserziehung nicht ersichtlich. Der Kläger selbst habe diesen Einwand erstmals im Klageverfahren vorgebracht. Dies überzeuge bereits deshalb nicht, weil der Kläger in seinen früheren Stellungnahmen und Widersprüchen besonders betont habe, wie sehr er sich um eine Arbeit bemühe, ohne seine angeblich eingeschränkte Vermittelbarkeit auch nur anzudeuten. Auch die vom Kläger geschlossene Eingliederungsvereinbarung enthalte keinerlei einschränkende Bedingungen.

8

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision. Er rügt eine Verletzung der §§ 33, 41 SGB X und des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c, § 31 Abs 6, § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II sowie des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er geht zunächst mit dem SG davon aus, dass der Ausgangsbescheid vom 26.7.2006 nicht hinreichend inhaltlich bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X gewesen sei. Die mangelnde Bestimmtheit des Sanktionsbescheids sei auch nicht durch andere oder spätere Bescheide geheilt worden. Er habe sich auch nicht geweigert, eine ihm angebotene Arbeit anzunehmen. Er habe lediglich die Arbeitsangebote in seine Mappe gelegt und dort vergessen. Die angebotene Tätigkeit als voll ausgebildeter Erzieher sei ihm nicht zumutbar gewesen, zumal dieses Angebot seine Eingliederung nicht gefördert hätte. Zwar spreche das Vermittlungsangebot nur von einem Erzieher. Da dieser jedoch Andere anleiten habe sollen, habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um einen ausgebildeten Erzieher handeln sollte. Das LSG überspanne die Anforderungen an die Hilfebedürftigen, wenn es trotzdem verlange, dass er sich zunächst einmal auf die angebotene Stelle als Erzieher hätte bewerben müssen. Schließlich sei auch die Erziehung seines unter dreijährigen Kindes gefährdet gewesen. Das LSG habe an dieser Stelle den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt, denn es sei die Betreuung seines Sohnes nur für maximal sechs Stunden täglich sichergestellt gewesen. Bei der angebotenen Stelle habe es sich zudem um eine Vollzeitstelle in K gehandelt. Von seinem Wohnort aus in R benötige er mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa eineinhalb Stunden für eine Fahrtstrecke bis nach K Darüber hinaus habe der Sanktionszeitraum auch nicht auf den November 2006 ausgedehnt werden dürfen, weil zum Zeitpunkt der Festsetzung des Sanktionszeitraums eine Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum noch nicht vorgelegen habe.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2008 aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils. Ergänzend weist er darauf hin, dass sich bereits aus dem Ausgangsbescheid vom 26.7.2006 hinreichend bestimmt die ausgesprochene Rechtsfolge ergebe.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Absenkung der Leistungen des Klägers für den Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006 zu Recht erfolgt ist (hierzu unter 3.), bzw ob dem Kläger aus anderen Gründen für diesen Zeitraum höhere Leistungen zustanden (sodann unter 4.). Zu Recht hat das LSG allerdings entschieden, dass der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 nicht wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit gemäß § 33 Abs 1 SGB X aufzuheben war(siehe unter 2.).

13

1.a) Streitgegenstand sind die vom Kläger begehrten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006. Das BSG hat insofern bereits entschieden, dass ein Sanktionsereignis bzw ein Sanktionsbescheid gemäß § 31 SGB II keinen abtrennbaren Streitgegenstand darstellt, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden kann(BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 12). Ob dem Kläger für den streitigen Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006 höhere als die abgesenkten Leistungen zustanden, kann nicht abschließend entschieden werden. Zum einen kann nicht beurteilt werden, ob der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2006) den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG insbesondere an das Vorliegen einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung genügte (sogleich unter 3.). Zum anderen könnte selbst bei einer Rechtmäßigkeit der hier bislang ausschließlich geprüften Sanktionsbescheide die Revision des Klägers dennoch begründet sein, wenn ihm aus einem anderen Grund höhere Leistungen als die abgesenkten für den streitigen Zeitraum zustanden (siehe unter 4.).

14

b) Die Anfechtungsklage des Klägers gemäß § 54 Abs 1 SGG(hierzu BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - RdNr 12) richtet sich darauf, für den streitigen Zeitraum ungekürzte bzw nicht abgesenkte Leistungen zu erhalten. Hierbei ist hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung wegen der vorherigen Leistungsbewilligung für die Monate September und Oktober 2006 zwischen diesen beiden Monaten einerseits und dem Monat November 2006 andererseits zu unterscheiden.

15

Hinsichtlich der Monate September und Oktober 2006 hatte der Beklagte dem Kläger mit den Bescheiden vom 29.3.2006 /Änderungsbescheid vom 7.4.2006 bereits Leistungen in Höhe von zuletzt 966 Euro monatlich bewilligt. Insofern zutreffend hat der Beklagte die vom Kläger ausschließlich angefochtenen Bescheide vom 26.7.2006 und 24.11.2006, mit denen er die bewilligte Leistung absenkte, auf § 48 SGB X gestützt. Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Eintritt vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung ist (mit Wirkung für die Zukunft) eingetreten, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 SGB II für eine Absenkung des Alg II vorgelegen haben.

16

Für den Zeitraum ab 1.11. bis 30.11.2006 hatte der Beklagte Leistungen lediglich unter Berücksichtigung einer um 104 Euro gekürzten Regelleistung bewilligt (Bescheid vom 1.11.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.11.2006). Für den Monat November 2006 stehen dem Kläger die Leistungen ohne Kürzung eines Betrags von 104 Euro zu, wenn er dem Grunde nach die Voraussetzungen der §§ 7, 19 SGB II für einen Anspruch auf Alg II erfüllt hat und die Regelleistung nicht nach § 31 Abs 1 SGB II abgesenkt ist. Damit der Kläger dieses Ziel erreichen kann, müssten (im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG) die Bescheide vom 1.11. bzw 24.11.2006 insofern geändert werden, was das SG unterlassen hat. Auch hierüber wird das LSG abschließend zu befinden haben.

17

Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen im Urteil des LSG kann noch mit hinreichender Klarheit entnommen werden, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II erfüllt.

18

2. Entgegen der Rechtsansicht des SG war bereits der angefochtene Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X). Es kommt mithin nicht darauf an, ob dieser Bescheid noch durch den Widerspruchsbescheid vom 24.11.2006 "geheilt" worden ist, wovon das LSG ausgegangen ist. Das BSG hat bereits entschieden, dass Sanktionsbescheide mit dem hier angefochtenen Inhalt den Bestimmtheitsanforderungen des § 33 Abs 1 SGB X genügen(vgl insbesondere Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 RdNr 13 ff). Das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 SGB X verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts klarstellende Funktion zu (BSG Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R = BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384). Unbestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten (vgl auch BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwzN). Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9). Nach diesen Maßstäben lässt sich hier die Unbestimmtheit des Aufhebungsbescheides vom 26.7.2006 nicht feststellen. Zwar verfügte der Beklagte in diesem Bescheid, dass sich der monatliche Absenkungsbetrag vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 auf 30 % der Regelleistung belaufe, woraus sich maximal 104 Euro ergeben würden. Damit hat der Beklagte zunächst unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass dem Kläger ab dem 1.9.2006 Leistungen nicht mehr in unveränderter Höhe zustehen sollten. Allerdings ist angesichts der teilweise umfangreichen Bewilligungsbescheide nicht in jedem Falle (so etwa, wenn Nebeneinkommen gemäß §§ 11, 30 SGB II zu berücksichtigen ist) unschwer ersichtlich, um welchen Betrag das Alg II abgesenkt werden soll. Hier lag hingegen ein unproblematischer Fall vor, weil der Kläger eine Regelleistung in Höhe von 100vH (damals 345 Euro) erhielt und sonst kein Nebeneinkommen vorlag. Insofern konnte der Kläger dem Verfügungssatz des Absenkungsbescheides unter Hinzuziehung seines Bewilligungsbescheids durch einfache Rechenoperation auch ohne weiteres den für ihn maßgebenden konkreten Absenkungsbetrag entnehmen. Jedenfalls für den Kläger war somit ausreichend und in nachvollziehbarer Weise erkennbar, dass und in welchem Umfang aufgrund des Sanktionsereignisses Zahlungen von Alg II ab dem 1.9.2006 erfolgen sollten. Schließlich machte der angefochtene Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 insofern auch deutlich, dass die ursprünglichen Bewilligungsbescheide insoweit gemäß § 48 SGB X aufgehoben würden (vgl hierzu BSG Urteile vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 - und - B 4 AS 30/09 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 3). Da bereits der Ausgangsbescheid mithin nicht wegen fehlender Bestimmtheit rechtswidrig war, kommt es auf die weitere Frage, ob eine eventuell fehlende Bestimmtheit im Widerspruchsverfahren bzw durch den Erlass eines Widerspruchsbescheids in entsprechender Anwendung des § 41 SGB X heilbar wäre, nicht mehr an.

19

3. Es kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 gemäß § 31 SGB II rechtmäßig war und damit gemäß § 48 Abs 1 SGB X die ursprünglichen Bewilligungsbescheide vom 29.3.2006/7.4.2006 gemäß § 48 Abs 1 SGB X geändert werden bzw bei dem anschließenden Bewilligungszeitraum ab 1.11.2006 eine um 104 Euro gekürzte Regelleistung zu Grunde gelegt werden durfte (Bescheide vom 1.11.2006/24.11.2006).

20

Nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c SGB II wird das Arbeitslosengeld unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 vH der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgeblichen Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Anhand der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die von ihm selbst aufgestellten Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung iS des § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II im vorliegenden Fall erfüllt wurden (vgl grundlegend Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5).

21

a) Es bestehen aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG zunächst keine rechtlichen Zweifel daran, dass der Kläger sich geweigert hat, eine Arbeit anzunehmen. Weigern in diesem Sinne bedeutet regelmäßig die vorsätzliche, ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise dem Leistungsträger oder dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, sich an die durch das Gesetz auferlegte Pflicht zu halten. Die Aufnahme einer Tätigkeit kann mithin auch durch konkludentes Verhalten verweigert werden (statt vieler Berlit in Münder, LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 35 mwN). Insofern zutreffend hat das LSG aus den Angaben des Klägers, er habe das Angebot schlichtweg vergessen, den Schluss gezogen, er habe die konkrete Arbeit nicht antreten bzw ausführen wollen.

22

b) Das LSG wird allerdings nach der Zurückverweisung der Sache nochmals darüber zu entscheiden haben, ob die Arbeit dem Kläger tatsächlich zumutbar iS des § 10 SGB II iVm § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c SGB II war. Nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II ist die Ausübung der Arbeit auch dann zumutbar, wenn die Erziehung eines unter dreijährigen Kindes nicht gefährdet ist. Dies ist dann der Fall, soweit dessen Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder auf sonstige Weise sichergestellt ist. Insofern ist rechtlicher Maßstab für die Zumutbarkeit einer Arbeit ausschließlich, ob die Erziehung eines Kindes tatsächlich iS des § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II sichergestellt ist. Mit der vom LSG angestellten Hilfserwägung, der Kläger habe erst im Klageverfahren auf die fehlende Sicherstellung der Betreuung seines Kindes hingewiesen, zuvor aber stets sein Bemühen um Erlangung einer Arbeitsstelle betont, kann das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzung nicht nachgewiesen werden. Maßgeblich ist insofern ausschließlich die objektive Betreuungssituation, die von Amts wegen zu ermitteln ist (§ 20 SGB X iVm § 103 SGG). Eine Präklusion von Vorbringen, wovon das LSG offenbar ausgeht, ist insoweit nur in den engen Grenzen des § 106a SGG möglich, dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Soweit der Kläger darüber hinaus im Rahmen der Zumutbarkeit vorgetragen hat, eine Arbeitsstelle als Erzieher sei ihm als vormaligem Fernsehredakteur generell unzumutbar, verkennt er die Tragweite des § 10 Abs 1 Satz 1 SGB II, wonach dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar ist.

23

c) Letztlich kann dies aber dahinstehen, solange nicht ausreichend festgestellt ist, welche Rechtsfolgenbelehrung dem Kläger wann überreicht worden ist. Das LSG hat insofern lediglich festgestellt: "Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit". Aufgrund dieser Feststellung gelangt das LSG zur Subsumtion: "Der Kläger ist über die Rechtsfolgen einer Arbeitsverweigerung durch den Vermittlungsvorschlag ausreichend belehrt gewesen". Der erkennende Senat ist zu einer revisionsgerichtlichen Überprüfung der rechtlichen Grundlagen dieser Wertung nicht in der Lage, zumal der Vermittlungsvorschlag auch nicht Gegenstand der in Bezug genommenen Akten ist. Auch in den Sanktionsbescheiden des Beklagten findet sich keine inhaltliche Beschreibung bzw Wiedergabe der dem Kläger am 6.7.2006 erteilten Rechtsfolgenbelehrung. Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, welche Anforderungen das LSG seiner rechtlichen Würdigung der Rechtsfolgenbelehrung zugrunde gelegt hat. Es hätte festgestellt werden müssen, welchen konkreten Inhalt die Rechtsfolgenbelehrung hatte, die dem Kläger am 6.7.2006 ausgehändigt bzw mündlich übermittelt worden ist. Der Inhalt dieser Rechtsfolgenbelehrung ist auch nicht aus den Akten ersichtlich.

24

Der erkennende Senat hat hierzu im Anschluss an die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4 und Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 19) durch Urteil vom 18.2.2010 (B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5 RdNr 17 ff) im Einzelnen dargelegt, dass die Festsetzung von Sanktionen nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II voraussetzt, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig belehrt worden ist. Dabei kommt es auf den objektiven Erklärungswert der Belehrung an. Sämtliche in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist. Diese in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte und in der sozialrechtlichen Literatur weitgehend geteilte Auffassung (vgl die Nachweise in dem Urteil des BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5 RdNr 19) ist insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen des § 31 Abs 1 SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen aufrecht zu erhalten. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich dabei an den vom BSG zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen. Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf verweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen. Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG auch den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung zu warnen (vgl BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87 mwN). Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Dies leitet der Senat nicht zuletzt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) ab, in der das BVerfG betont hat, dass das SGB II insgesamt der Realisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums iS des Art 1 Abs 1 iVm Art 210 Abs 1 Grundgesetz (GG) diene. Entsprechende Feststellungen zum Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung und eine nachfolgende Subsumtion wird das LSG noch vorzunehmen haben.

25

d) Schließlich wird das LSG auch zu überprüfen haben, wann der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 dem Kläger bekannt gegeben worden ist. Gemäß § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II treten Absenkungen und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Gemäß § 39 Abs 1 SGB X iVm § 37 Abs 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er bekannt gegeben wurde. Nach § 37 Abs 2 SGB II gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Da der 26.7.2006 ein Mittwoch war, besteht zumindest Veranlassung zu überprüfen, ob der Bescheid nicht bereits im Juli 2006 bekannt gegeben wurde. Nach der zwingenden Rechtsfolge des § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II hätten möglicherweise Absenkung und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats eintreten müssen, der auf das Wirksamwerden folgte, was hier der August 2006 gewesen wäre. Da der Bescheid nach § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II für das Eintreten der Sanktion konstitutiv ist, könnte sich hieraus ergeben, dass jedenfalls die dann für den Monat August 2006 zwingend erforderliche Sanktion nicht mehr wirksam nachgeholt werden kann, ggf könnte auch eine Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Sanktionszeitraums insgesamt zu erwägen sein.

26

4. Ergeben die Ermittlungen und weiteren rechtlichen Würdigungen des LSG, dass der Absenkungsbescheid vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2006 rechtmäßig war und dass insofern das LSG auf die Berufung des Beklagten hin die Klage zu Recht abgewiesen hat, so wird im Einzelnen noch zu prüfen sein, ob dem Kläger nicht aus anderen Gründen eine höhere Regelleistung zustand. Insofern wären sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 19, 22 SGB II zu überprüfen und auch zu ermitteln, inwieweit die dem Kläger bewilligten Kosten der Unterkunft und ggf auch die Leistungen für den minderjährigen Sohn des Klägers richtig berechnet worden sind. Da der Kläger insofern gegen das Urteil des LSG Revision eingelegt hat, ist unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen, ob der Kläger sein Klageziel - ungekürzte Leistungen in der ursprünglich bewilligten Höhe - nicht auf andere Weise erreichen kann.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits unter Beachtung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. November 2011 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung einer Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum von April 2006 bis Juni 2006 in Höhe von zuletzt noch 452,43 Euro.

2

Die 1963 geborene Klägerin lebt mit ihrer 1989 geborenen Tochter in einer gemeinsamen Wohnung. Beide bezogen seit 1.1.2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Rechtsvorgänger des Beklagten (im Folgenden Beklagter). Im Oktober 2005 zeigte sie die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit als Packerin an und legte einen nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge befristeten Arbeitsvertrag vom 1.9.2005 vor. Die Lohnzahlung erfolgte danach am 11. Werktag des Folgemonats (vgl § 3 Nr 1 des Arbeitsvertrages). Mit Schreiben vom 24.5.2006 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 9.6.2006.

3

Auf ihren Antrag vom 20.3.2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.3.2006 bis zum 30.4.2006 in Höhe von 402,62 Euro und für die Zeit vom 1.5.2006 bis 31.8.2006 in Höhe von 578,52 Euro monatlich (Bescheid vom 6.4.2006). Dabei führte er aus, für den Monat April 2006 erfolge die vorläufige Anrechnung des Einkommens des Monats März in Höhe des vorherigen Gehaltes (Monat Februar). Falls das Gehalt des Monats März höher ausfalle als das des vorherigen Monats, sei dies mittels Vorlage der Verdienstbescheinigung nachzuweisen.

4

Nach Vorlage von Einkommensbescheinigungen für die Monate März 2006 bis Juni 2006 versandte der Beklagte einen an die Klägerin adressierten Bescheid vom 25.9.2006, mit dem er aufgegliedert nach den Monaten April bis Juli 2006 die gewährten Leistungen teilweise aufhob, und zwar für April 2006 in Höhe von 195,61 Euro, für Mai 2006 in Höhe von 239,19 Euro, für Juni in Höhe von 251,19 Euro und für Juli 2006 in Höhe von 75,36 Euro. Zur Begründung führte der Beklagte unter anderem wörtlich aus:

        

"Sie haben für die genannten Zeiträume nunmehr die entsprechenden Einkommensnachweise eingereicht, wodurch eine abschließende Berechnung erfolgen konnte.
[…]

        

Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sind Sie und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht hilfebedürftig …, so dass ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts teilweise nicht mehr besteht.
[…]

        

Diese Voraussetzungen liegen in Ihrem Fall vor.
[…]

        

Sie haben nach Erlass der Entscheidung Einkommen in unterschiedlicher Höhe erzielt, das zur Minderung des Anspruchs geführt hat […].

        

Während der aufgeführten Zeiträume wurden Ihnen Leistungen wie folgt in Höhe von insgesamt 761,35 € zu Unrecht gezahlt
[…]".

5

Mit als Änderungsbescheid überschriebenem Bescheid vom selben Tag bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat April 2006 noch in Höhe von 207,01 Euro, für den Monat Mai 2006 in Höhe von 339,33 Euro, für den Monat Juni 2006 in Höhe von 327,33 Euro und für den Monat Juli 2006 in Höhe von 529,16 Euro.

6

Im Laufe des gegen beide Bescheide gerichteten Widerspruchsverfahrens half der Beklagte dem Widerspruch wegen der Aufhebung für Juli 2006 ganz ab (Änderungsbescheid vom 12.12.2007). Mit weiterem, ausschließlich an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 12.12.2007 mit der Betreffzeile "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid - Änderungsbescheid zum Bescheid vom 25.9.2006" teilte er ua mit, die Entscheidung vom 6.4.2006 über die Bewilligung von Leistungen werde vom 1.4.2006 bis 30.6.2006 "für Sie" teilweise in Höhe von 188,59 Euro für den Monat April 2006, in Höhe von 230,61 Euro für den Monat Mai 2006 in Höhe von 242,18 Euro für den Monat Juni 2006 aufgehoben. Es ergebe sich eine Gesamtforderung in Höhe von 661,38 Euro. Der Widerspruch im Übrigen blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007).

7

Während des bei dem Sozialgericht (SG) Potsdam anhängigen Klageverfahrens hat der Beklagte von der Klägerin geltend gemachte Fahrkosten anerkannt und den Umfang der Aufhebung für die Monate April 2006 bis Juni 2006 unter Aufschlüsselung der einzelnen Monate reduziert. Er hat nunmehr die auf die Klägerin entfallenden, seiner Ansicht nach zu viel gewährten Leistungen individuell ausgewiesen und auf dieser Grundlage eine Erstattungsforderung wegen der an die Klägerin zu Unrecht gezahlten in Höhe von 452,43 Euro errechnet (Schriftsatz vom 10.12.2008). Das SG hat "die Bescheide vom 25.9.2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 12.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007" aufgehoben, weil sie nicht hinreichend bestimmt seien (Urteil vom 12.5.2009).

8

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die fehlende Anhörung sei gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) durch das Widerspruchsverfahren, spätestens aber durch das Schreiben des Beklagten vom 14.3.2011 geheilt worden. Die streitgegenständlichen Bescheide entsprächen auch den Anforderungen des § 33 Abs 1 SGB X. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte durch den Bescheid vom 25.9.2006 ausschließlich die Klägerin habe verpflichten wollen. Die Tatsache, dass der Beklagte offensichtlich auch Leistungen zurückfordere, die nicht an die Klägerin bzw für sie, sondern für ihre zur Bedarfsgemeinschaft zählende Tochter erbracht worden seien, führe zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Der Bescheid sei dann lediglich (teilweise) rechtswidrig, weil (und soweit) er die Klägerin über das Maß dessen belaste, das sie selbst zu Unrecht erhalten habe. Die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides richte sich nach § 48 SGB X. Eine Änderung in den (Einkommens-)Verhältnissen sei erst durch den jeweiligen Zufluss des Einkommens in dem Folgemonat erfolgt. Zur Ermittlung der Höhe des Rückforderungsbetrages habe der Senat nach eigener Prüfung den von der Beklagten zugrunde gelegten Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und das Einkommen im Übrigen nachvollzogen und als zutreffend festgestellt.

9

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, der Anhörungsmangel habe nicht mehr geheilt werden können, weil der Beklagte das Recht zur Nachholung verwirkt habe. Sie habe - nachdem sie mehrfach auf die fehlende Anhörung hingewiesen habe - darauf vertrauen dürfen, dass eine solche nicht mehr erfolgen werde. Darüber hinaus seien die angegriffenen Bescheide auch nicht hinreichend bestimmt und damit rechtswidrig. Es werde insbesondere nicht deutlich, welches Mitglied der Bedarfsgemeinschaft von der Aufhebung materiell-rechtlich betroffen sei. Der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erlassene Änderungsbescheid vom 12.12.2007 entspreche auch nicht der zum Arbeitsförderungsrecht ergangenen Rechtsprechung (Hinweis auf BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1 RdNr 10 und SozR 3-1500 § 128 Nr 15 S 32 f), wonach ein Aufhebungsbescheid dann zu unbestimmt sei, wenn er nur eine Teilaufhebung für einen Gesamtzeitraum in Höhe eines Gesamtbetrages ohne Konkretisierung dieses Betrages für die einzelnen Wochen enthalte. Im Übrigen sei auch die Entscheidungsfrist von einem Jahr nicht eingehalten worden. Schließlich sei auch der Erstattungsbescheid in Ansehung der Entscheidung des Senats vom 7.7.2011 (B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2) nicht hinreichend bestimmt.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. November 2011 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Mai 2009 zurückzuweisen.

11

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Er hält die angegriffene Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Beklagte zu Recht die Bewilligung von Leistungen für die Monate April bis Juni 2006 teilweise aufgehoben und insoweit Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen von der Klägerin verlangt.

14

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 25.9.2006 und vom 12.12.2007 (§ 86 SGG) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007 (§ 95 SGG), gegen die sich die Klägerin mit der (isolierten) Anfechtungsklage wendet (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Mit diesen Bescheiden hat der Beklagte zum einen die mit Bescheid vom 6.4.2006 verfügte Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.4.2006 bis zum 30.6.2006 als teilweise rechtswidrig insoweit zurückgenommen, als von der Klägerin erzieltes Einkommen hätte berücksichtigt werden müssen, und zum anderen die Erstattung des überzahlten Betrages in Höhe von ursprünglich 661,38 Euro verlangt. Nachdem die Klägerin im Revisionsverfahren das Teilanerkenntnis des Beklagten im Schriftsatz vom 10.12.2008 angenommen hat, ist insoweit nur die Aufhebung und Erstattung wegen Leistungen in Höhe von 452,43 Euro streitig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist darüber hinaus aber auch der (bewilligende) Änderungsbescheid vom 25.9.2006, weil er mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom gleichen Tage eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheides zur Höhe des Arbeitslosengelds II (Alg II) in dem von der Aufhebung betroffenen Zeitraum darstellt. Die Verfügungssätze der beiden am 25.9.2006 erlassenen Bescheide korrespondieren miteinander (im Einzelnen dazu unter 4b); dementsprechend hat die Klägerin ausdrücklich beide Bescheide angegriffen.

15

Beteiligt ist auf Klägerseite nur die Klägerin selbst. Sie lebte nach den Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum zwar mit ihrer Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie hat aber das Klageverfahren von Beginn an allein betrieben, ohne dass es einen Hinweis darauf gab, dass sie - bis zum Eintritt deren Volljährigkeit - als gesetzliche Vertreterin auch Ansprüche ihrer Tochter geltend machen wollte. Ohnehin macht der Beklagte nach Abgabe des Teilanerkenntnisses Ansprüche nur noch gegen die Klägerin selbst geltend.

16

2. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des vorangegangenen Bewilligungsbescheides kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Zu Unrecht sind der Beklagte und die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufhebungsentscheidungen am Maßstab des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II(hier in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X zu überprüfen sind. Vielmehr kommt wegen der Aufhebung von zuvor bewilligten Leistungen hier nur die Regelung des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 45 Abs 1, Abs 2 bis 4 SGB X als Ermächtigungsgrundlage in Betracht. Feststellungen, nach denen beurteilt werden kann, ob der Tatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X erfüllt ist, was Voraussetzung für eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit wäre, fehlen aber.

17

Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. § 45 SGB X regelt demgegenüber, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. Die Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden Verwaltungsakts voneinander ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13; BSGE 65, 221, 222 = SozR 1300 § 45 Nr 45 S 141; vgl zuletzt auch BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 36 RdNr 15). Dabei ist die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig aufzuklären, um die objektiven Verhältnisse festzustellen (vgl BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 6 mwN). Erlässt die Verwaltung einen endgültigen Bescheid auf Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Dies gilt unabhängig davon, zu welchen Ermittlungen sich die Verwaltung aufgrund der Angaben des Antragstellers vor Erlass des Ausgangsverwaltungsakts gedrängt sehen musste (vgl bereits BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 16).

18

Der Erlass eines endgültigen Bescheides ist damit kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in denen objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung insbesondere der Einkommenssituation besteht. Wenn das zu erwartende Arbeitsentgelt etwa als Leistungsentlohnung (wie nach Aktenlage hier auf Basis einer Stückzahl) oder als Zeitlohn ohne von vornherein fest vereinbarte Stundenzahl vertraglich geregelt ist, ist typischerweise der Anwendungsbereich des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II(seit 1.1.2011 § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II)iVm § 328 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) eröffnet. Der Erlass eines endgültigen Bescheides statt eines vorläufigen Bescheides ist dann von Anfang an rechtswidrig und § 45 SGB X die für seine Aufhebung einschlägige Ermächtigungsgrundlage. § 48 SGB X wäre demgegenüber nur dann anwendbar, soweit sich hinsichtlich der anderen Voraussetzungen eine wesentliche Änderung ergibt(BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 16 unter Hinweis auf BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 6).

19

Wegen der Bewilligung von Leistungen für April 2006 ist der Beklagte von vornherein von einer unzutreffenden (wenn auch für die Klägerin günstigen) Tatsachengrundlage ausgegangen (vgl zum Fall der fehlerhaften Ausgangsentscheidung auf Grundlage eines mangelhaft ermittelten, zu günstigen Sachverhalts auch Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 45 RdNr 29). Er hat im Bescheid vom 6.4.2006 das künftige Einkommen für April 2006 in Höhe des Einkommenszuflusses für März 2006 zugrunde gelegt, obwohl zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages kein festes monatliches Arbeitsentgelt, sondern ein Leistungslohn vereinbart war. Dabei lässt sich den Formulierungen im Bescheid nicht entnehmen, dass die Bewilligung als solche unter dem Vorbehalt ihrer Vorläufigkeit stehen sollte. Für den Empfänger des Bescheides ist unter Würdigung der Gesamtumstände - insbesondere seiner Gestaltung - nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar geworden, dass eine abschließende Entscheidung noch ausstehen könnte (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384; BSG SozR 3-1300 § 32 Nr 4 S 35; SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12). An keiner Stelle des Bewilligungsbescheides sind Ausführungen zu einer nur vorläufigen Bewilligung zu finden. Damit hat der Beklagte insoweit eine Entscheidung getroffen, die nur noch unter den Voraussetzungen des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II aF iVm § 45 SGB X korrigiert werden kann.

20

Auch für die Monate Mai 2006 und Juni 2006 stellt sich die Ausgangsentscheidung als von Anfang an rechtswidrig dar. Nach den Feststellungen des LSG hat zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides im April 2006 das Arbeitsverhältnis der Klägerin nach wie vor bestanden; nach wie vor wurden hieraus unregelmäßig hohe Einkünfte erzielt. Zwar hat das LSG nicht festgestellt, bis zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis der Klägerin ursprünglich befristet war, es hat aber mitgeteilt, dass dieses jedenfalls (erst) zum 9.6.2006 endete. Im Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides lagen damit auch für die Monate Mai 2006 und Juni 2006 objektiv erst künftig ermittelbare Umstände vor, die lediglich eine vorläufige Bewilligung von Leistungen gerechtfertigt hätten. Der Beklagte hat jedoch ausgehend von der unzutreffenden Annahme, Einkommen werde nur noch für April erzielt werden, endgültig entschieden. Unerheblich ist - wie bereits ausgeführt -, ob der objektiv zu erwartende Einkommenszufluss dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt bekannt war. Die Frage, ob der Behörde zuzurechnen ist, dass auf Grundlage unzureichender Ermittlungen ein bereits anfänglich objektiv fehlerhafter und deshalb rechtswidriger Verwaltungsakt erlassen worden ist, bleibt nach der Struktur des § 45 SGB X der Prüfung seines Absatzes 2 Satz 3 vorbehalten.

21

3. Wenn sich danach § 45 SGB X als einschlägige Rechtsgrundlage für die Aufhebung darstellt, erweisen sich die angegriffenen Verfügungen des Beklagten nicht etwa deshalb als formell rechtswidrig, weil die Klägerin zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht gemäß § 24 Abs 1 SGB X ordnungsgemäß angehört worden ist. Denn bezüglich der Frage, ob ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, mag sie auch falsch sein (BSGE 69, 247, 252 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 und BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 1; dazu auch BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 12). Zwar hat der Beklagte die Klägerin vor Erlass der in ihre Rechtsposition eingreifenden Aufhebungsverfügungen nicht angehört. Ausgehend von ihrer materiell-rechtlichen Rechtsansicht, wonach § 48 SGB X taugliche Ermächtigungsgrundlage war, ist aber bereits während des Widerspruchsverfahrens, in dessen Rahmen sich die Klägerin zu den aus Sicht des Beklagten entscheidungserheblichen Tatsachen äußern konnte, die erforderliche Anhörung nachgeholt und damit der Verfahrensmangel gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II aF iVm § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X geheilt worden. Selbst wenn man dies als nicht ausreichend ansehen wollte, hat der Beklagte im Rahmen des Berufungsverfahrens ein mehr oder minder förmliches Anhörungsverfahren durch das an die Klägerin adressierte Schreiben in die Wege geleitet. Da der Beklagte im Grundsatz nach § 41 Abs 2 SGB X befugt ist, die fehlende Anhörung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachzuholen(dazu etwa BSG Urteil vom 31.10.2002 - B 4 RA 15/01 R - SozR 3-1300 § 24 Nr 22; BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2), fehlt für die von der Klägerin geäußerte Auffassung, der Beklagte habe "sein Anhörungsrecht verwirkt" eine nachvollziehbare Grundlage. Wegen der Aufhebungsentscheidungen kam - vom rechtlichen Ausgangspunkt des Beklagten betrachtet - im Übrigen die Regelung des § 24 Abs 2 Nr 5 SGB X zum Tragen, weil einkommensabhängige Leistungen geänderten Verhältnissen angepasst werden sollten.

22

4. Ob die angegriffenen Aufhebungsverfügungen materiell rechtmäßig sind, kann der Senat aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der maßgeblichen Ermächtigungsgrundlage des § 45 SGB X nicht abschließend entscheiden.

23

a) Der Umstand, dass der Beklagte seine Aufhebungsverfügungen fehlerhaft auf § 48 SGB X gestützt hat, ist allein nicht klagebegründend. Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig(dazu bereits BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 34 mwN). Vorliegend kann dies bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung aber nur dann gelten, wenn Vertrauensschutzgesichtspunkte auf Seiten der Klägerin einer Befugnis zur Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit nicht entgegenstehen; ansonsten wäre eine Ermessensentscheidung zu treffen gewesen. § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II aF verweist ergänzend auf § 330 Abs 2 SGB III; dieser ordnet an, dass bei Vorliegen der in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes diese - im Wege einer gebundenen Entscheidung, also ohne Ermessen - auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Das LSG hat bisher - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - noch keine Tatsachen festgestellt, nach denen beurteilt werden kann, ob der Tatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X erfüllt ist. Dies wird es im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

24

b) Wie das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, erweisen sich die angefochtenen Aufhebungsverfügungen vom 25.9.2006 als inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB II aF iVm § 33 Abs 1 SGB X) und sind nicht schon aus diesem Grund materiell rechtswidrig.

25

Nach § 33 Abs 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz der Entscheidung (BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11) als auch auf den Adressaten eines Verwaltungsaktes (BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Insofern verlangt das Bestimmtheitserfordernis, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und - den unzweifelhaft erkennbaren - Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Nur der inhaltlich hinreichend bestimmte Verwaltungsakt kann seine Individualisierungs- und Klarstellungsfunktion erfüllen und - soweit erforderlich - als Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung dienen. Sichergestellt muss daher sein, zwischen wem (Adressat, Betroffenem und Behörde) die Rechtsbeziehung geregelt werden soll. Darüber hinaus muss klar sein, welche Rechtsbeziehung geregelt wird und wie die Regelung aussehen soll. Aus dem Verfügungssatz muss für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will und von wem sie es will (vgl BSG Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R - SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384 mwN). Es darf nicht dem Adressaten überlassen bleiben, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (so BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1, RdNr 19 und - B 4 RA 46/02 R - Juris RdNr 29, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14 sowie BSG vom 29.4.1997 - 4 RA 25/96 - und vom 16.12.1997 - 4 RA 56/96).

26

Das Bestimmtheitserfordernis als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt zum einen, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (näher BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN). Dabei genügt es zunächst, wenn aus dem gesamten Inhalt des Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über die Regelung gewonnen werden kann (vgl zur Frage der Aufhebung von Leistungsbescheiden im SGB II allgemein auch Udsching/Link, SGb 2007, 513 ff). Ausreichende Klarheit besteht selbst dann, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlangen zurückgegriffen werden muss.

27

Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen zwar - entgegen der Auffassung des LSG - für sich genommen Bedenken gegen die Bestimmtheit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 25.9.2006, weil sich allein aus diesem Bescheid nicht klar und unzweideutig erkennen lässt, ob sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angesprochen und ihnen gegenüber Leistungsbewilligungen teilweise aufgehoben werden und damit beide Personen Inhaltsadressaten - also die von der Regelung materiell Betroffenen (dazu Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand April 2011, § 39 SGB X RdNr 13) -der Verwaltungsakte sein sollen oder ob der Bescheid und die in ihm verfügten Aufhebungen für die genannten Monate sich inhaltlich nur an die Klägerin richten. Es ist nur die Klägerin im Adressfeld des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 25.9.2006 genannt; sie wird in der einleitenden Anrede allein angesprochen. Die Formulierung betreffend die Erstattungsverfügung "… wurden Ihnen zu Unrecht gezahlt" spricht ebenfalls dafür, dass sich auch der Aufhebungsverwaltungsakt allein an die Klägerin richtet. Andererseits wird im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25.9.2006 im Verfügungssatz pauschal die (teilweise) Aufhebung über die Bewilligung von Leistungen für die Monate April 2006 bis Juli 2006 ohne Bezugnahme auf einen bestimmten Adressaten bestimmt. In der weiteren Begründung wechselt die ausschließlich persönliche Anrede mit der Bezugnahme auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ("Sie und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft") ab. Wegen dieser Unklarheiten geht allein aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25.9.2006 für einen objektiven Empfänger nicht klar, unzweideutig und widerspruchsfrei hervor, wem gegenüber welche Verfügungen in welchem Umfang aufgehoben werden sollen.

28

Die Aufhebungsverfügungen im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid werden aber mit dem Änderungsbescheid vom selben Tag aus Sicht des Empfängers ausreichend konkretisiert. Mit diesem Bescheid hat der Beklagte ua für die Monate April 2006 bis Juni 2006 unter Beifügung detaillierter Berechnungsbögen geringere Leistungen bewilligt. Dieser Änderungsbescheid bildet mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid eine rechtliche Einheit für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum (vgl zur Aufhebung einer Bewilligung wegen Eintritts einer Sperrzeit bereits BSG Urteil vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1, RdNr 6; BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 5; BSG Urteil vom 5.8.1999 - B 7 AL 14/99 R - BSGE 84, 225, 227 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 S 78; zur Absenkung von Alg II wegen einer Sanktion BSG vom 22.3.2010 - B 4 AS 68/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 4 RdNr 9). So ist er von der Klägerin auch verstanden und dem entsprechend gemeinsam mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25.9.2006 angegriffen worden. Die Verfügungssätze der beiden Bescheide korrespondieren miteinander. Bei einem Vergleich der sich aus den jeweiligen Berechnungsbögen ergebenden Individualansprüche ergibt sich, dass sowohl die Leistungsbewilligungen der Klägerin als auch die Leistungsbewilligungen ihrer Tochter jeweils zum Teil aufgehoben werden. Denn in jedem einzelnen Monat zeigt sich jeweils eine Reduzierung der Leistungen bei der Klägerin und ihrer Tochter, aufgeschlüsselt auch nach Regelbedarf und Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (zur Bestimmtheit von Aufhebungsentscheidungen unter diesem Aspekt vgl BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Zur Begründung des Änderungsbescheides wird - wie im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid - auf die Neuberechnung der Leistungen auf Grundlage der nachgereichten Gehaltsnachweise hingewiesen. Nach alledem ergibt die Auslegung der Bescheide, dass die Aufhebungsverfügungen vom 25.9.2006 sowohl an die Klägerin als auch an ihre Tochter - gesetzlich vertreten durch die Klägerin - gerichtet sind.

29

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob ein Aufhebungsbescheid dann nicht hinreichend bestimmt iS des § 33 SGB X ist, wenn er nur eine Teilaufhebung für einen Gesamtzeitraum in Höhe eines Gesamtbetrags ohne Konkretisierung dieses Betrags für den jeweiligen Zeitraum enthält(zum Arbeitsförderungsrecht BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 10; SozR 3-1500 § 128 Nr 15 S 32 f). Eine solche Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Aus den Aufhebungsverfügungen und dem Änderungsbescheid lässt sich hinreichend deutlich entnehmen, in welchem Umfang eine monatliche Aufhebung jeweils wem gegenüber erfolgt ist.

30

Unerheblich ist schließlich auch, ob der Bescheid vom 12.12.2007, mit dem der Beklagte gegenüber der Klägerin (erneut) die Aufhebungen für die Monate April bis Juni 2006 und eine (nunmehr reduzierte) Erstattung verfügt hat, außerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X ergangen ist, wie die Klägerin meint. Soweit der Bescheid die Klägerin nicht nur begünstigt, handelt es sich lediglich um eine wiederholende Verfügung ohne eigenständigen Regelungsgehalt.

31

5. Mangels entsprechender Feststellungen des LSG kann der Senat auch nicht entscheiden, ob die zu Recht auf die Ermächtigungsgrundlage des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X gestützte Erstattungsverfügung materiell rechtmäßig ist. Wenn, wie vorliegend, die Aufhebungsverfügungen noch nicht bestandskräftig und mit angefochten sind, kann nur Erstattung verlangt werden, soweit sich die Aufhebungen im Ergebnis der Prüfung des LSG als rechtmäßig erweisen. Dabei bestehen an der formellen Rechtmäßigkeit der Erstattungsverfügung unter dem Gesichtspunkt der Anhörung aus den bereits dargestellten Gründen keine Zweifel. Die im Bescheid vom 25.9.2006 enthaltene Erstattungsverfügung und die auch insoweit wiederholende Verfügung im Bescheid vom 12.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007 (und des im Revisionsverfahren angenommenen Teilanerkenntnisses vom 10.12.2008) erweisen sich schließlich als bestimmt genug. Nach den insoweit eindeutigen Formulierungen ist nicht zweifelhaft, dass wegen der Erstattung von zu Unrecht gezahlten Leistungen von vornherein allein die Klägerin in Anspruch genommen worden ist.

32

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 9. August 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung.

2

Die am 14.7.1989 geborene Klägerin bezog von dem beklagten Grundsicherungsträger zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester seit dem 1.1.2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Anträge auf Gewährung von Leistungen stellte durchgehend die Mutter. Ab August 2005 bezog die Klägerin monatliche Unterhaltsleistungen von dem getrennt lebenden Vater. Eine Mitteilung gegenüber dem Beklagten erfolgte insoweit nicht.

3

Im Januar 2007 erfuhr der Beklagte von den Unterhaltszahlungen und hob mit an die Mutter gerichtetem Bescheid vom 28.6.2007 die für den Zeitraum 1.8.2005 bis 31.7.2006 ergangenen Bewilligungen "für Sie und Ihre Kinder" auf. Die Gesamtüberzahlung in Höhe von 2539,65 Euro war nach den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft und jeweils nach Regelleistung und Kosten für Unterkunft und Heizung aufgeschlüsselt. Für die Klägerin ergab sich ein Gesamtbetrag von 1820,90 Euro (1292,85 Euro Regelleistung und 528,05 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung). Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass der Bescheid, soweit er die Kinder betreffe, an die Mutter als gesetzliche Vertreterin ergehe, und die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 2539,65 Euro gefordert. Auf den Widerspruch der Klägerin reduzierte der Beklagte die Erstattungssumme durch einen unmittelbar an die zwischenzeitlich volljährig gewordene Klägerin versandten Bescheid vom 1.10.2008 auf 1770,99 Euro und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.11.2008).

4

Die hiergegen gerichtete Klage hat die Klägerin hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligungsbescheide zurückgenommen und der Beklagte hat die Erstattungssumme in einem Erörterungstermin am 7.1.2010 auf 1043,51 Euro reduziert. Die gegen das Erstattungsverlangen gerichtete Klage hat die Klägerin fortgeführt und zugleich "die Einrede des § 1629a BGB" erhoben. Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Klage abgewiesen und zugleich die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 9.8.2010). Der auf § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützte Erstattungsbescheid sei rechtmäßig. § 1629a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stehe dem nicht entgegen. Ob diese Vorschrift ohnehin erst im Vollstreckungsverfahren Berücksichtigung finden könne, könne dahinstehen. Vielmehr sei diese Norm im Sozialrecht von vornherein nicht anwendbar. Insbesondere beschränke sich der in § 61 Satz 2 SGB X enthaltene Verweis auf die ergänzende Anwendung der Vorschriften des BGB auf öffentlich-rechtliche Verträge und dies bedeute im Umkehrschluss, dass die Vorschriften des BGB im Bereich des SGB X nicht allgemein anwendbar seien. Eine entsprechende Anwendung des § 1629a BGB scheide aus, weil es an einer mit dem Zivilrecht vergleichbaren Interessenlage fehle und für die Anwendung dieser Vorschrift kein Bedürfnis bestehe. Bei der Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes gemäß §§ 45 ff SGB X habe die Behörde bereits die unterschiedlichen öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen. Etwas anderes folge auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Selbst wenn man von einer Anwendbarkeit des § 1629a BGB ausgehe, stehe seiner Anwendung im konkreten Fall doch § 1629a Abs 2 Alt 2 BGB entgegen, wonach die Haftungsbeschränkung nicht für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften gelte, die alleine der Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Minderjährigen dienten. Bei den nunmehr zurückgeforderten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes handele es sich um solche Verbindlichkeiten.

5

In ihrer fristgerecht unter Beifügung einer Zustimmungserklärung des Beklagten in elektronischer Form eingelegten Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 1629a BGB sowie § 50 SGB X. Ergänzend beruft sie sich auf ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 23.7.2009 an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, in dem ausgeführt wird, dass die Gefahr einer Überschuldung Minderjähriger durch die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II im Hinblick auf § 1629a BGB nicht gesehen werde. Diese Norm begründe ein Leistungsverweigerungsrecht für das dann volljährige Kind gegenüber dem Gläubiger. Der Erstattungsanspruch bestünde weiterhin, müsse aber nicht mehr erfüllt werden. Die Bundesregierung gehe davon aus, dass die Grundsicherungsstellen gemäß § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) entsprechend beraten. Die Klägerin ist allerdings der Ansicht, dass es ihr möglich sein müsse, diesen Einwand bereits außerhalb des Vollstreckungsverfahrens geltend zu machen.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 9. August 2010 sowie den Erstattungsbescheid des Beklagten vom 28. Juni 2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Oktober 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2008 sowie des Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 7. Januar 2010 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angefochtene Urteil und weist nur ergänzend darauf hin, dass § 1629a BGB erst im Vollstreckungsverfahren Anwendung finden könne. Die Rechtmäßigkeit des zugrunde liegenden Bescheids bleibe hiervon unberührt.

Entscheidungsgründe

9

Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig (hierzu A.) und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das Landessozialgericht (LSG) begründet (vgl § 170 Abs 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz; hierzu B.).

10

A. Die Klägerin hat die Sprungrevision form- und fristgerecht eingelegt.

11

Die Revision ist nach § 164 Abs 1 Satz 1 iVm § 65a SGG mittels eines elektronischen Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur formgerecht erhoben worden(vgl § 65a Abs 1 Satz 3 SGG iVm § 2 Abs 3 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht, BGBl I 2006, 3219; vgl grundlegend BFHE 215, 47 zur "Funktionsäquivalenz" der Signatur zur eigenhändigen Unterschrift).

12

Die für die Sprungrevision geltenden Formerfordernisse sind erfüllt (vgl § 161 Abs 1 SGG): Das SG hat die Sprungrevision in seinem Urteil zugelassen und die Zustimmungserklärung des Revisionsbeklagten ist innerhalb der Revisionsfrist beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen. Denn der Revisionsschrift der Klägerin war eine Erklärung des Beklagten beigefügt, nach der er sich damit einverstanden erklärt, dass "die Sprungrevision eingelegt und zugelassen wird".

13

Dass die Zustimmungserklärung des Beklagten nicht im Original übersandt wurde, sondern in elektronischer Form als Anhang im pdf-Format zu der in elektronischer Form ordnungsgemäß übersandten Revisionsschrift, steht dem in § 161 Abs 1 Satz 1 SGG enthaltenen Schriftlichkeitserfordernis nicht entgegen. Dass das Schriftformerfordernis für die Zustimmungserklärung erfüllt ist, wenn der Revisionskläger die ihm per Telefax zugeleitete Zustimmung des Gegners seinerseits per Fax an das Gericht weiterleitet, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 13; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 161 RdNr 4a). Denn angesichts der auch bei "Originalen" möglichen Fälschungen ist für die Erfüllung des Formerfordernisses entscheidend, dass aus der Erklärung die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision mit der Folge einer Übergehung der Berufungsinstanz, die Person des Erklärenden und dessen Wille, die Erklärung in den Verkehr zu bringen, entnommen werden kann.

14

Diese Voraussetzungen sind auch gewahrt, wenn ein Beteiligter die ihm als Telefax zugesandte Zustimmungserklärung eines anderen Beteiligten einscannt und in eine pdf-Datei umwandelt, um sie als elektronische Datei im Rahmen seiner elektronischen Aktenbearbeitung und Kommunikation mit dem Gericht weiterverwenden zu können. Aus der Einfügung des § 65a SGG durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22.3.2005 (BGBl I 837) und der damit begründeten Zulässigkeit der Übermittlung von elektronischen Dokumenten an die Gerichte kann nur hergeleitet werden, dass die Übermittlung eines eingescanntes Dokumentes als Anhang einer den Anforderungen des § 65a SGG genügenden Revisionsschrift dem Schriftformerfordernis genügt. Die Möglichkeit, als Anlage ein eingescanntes Dokument zu versenden, ohne dabei mit verfahrensrechtlich vorgegebenen Formerfordernissen in Konflikt zu kommen, ist die notwendige Folge dieser technischen Möglichkeit und des mit dem Gesetz verfolgten Zweckes, auch in Gerichtsverfahren elektronische Dokumente als Äquivalent zur Papierform rechtswirksam zu verwenden (Gesetzesbegründung zum Justizkommunikationsgesetz, BT-Drucks 15/4067 S 24).

15

B. Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 4 Satz 1 SGG). Ob die angefochtene Entscheidung mit revisiblem Recht vereinbar ist (vgl § 162 SGG)kann aufgrund des vom SG festgestellten Sachverhalts (vgl § 163 SGG) nicht abschließend geprüft werden.

16

Mangels fehlender Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob der hier noch alleine streitgegenständliche und auf § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 50 SGB X beruhende Erstattungsbescheid vom 28.6.2007 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1.10.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2008 sowie des Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 7.1.2010 formell rechtmäßig ist; insbesondere ob die nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 24 Abs 1 SGB X erforderliche Anhörung stattgefunden hat oder ein entsprechender Verfahrensmangel geheilt worden ist(s I.). Allerdings steht der materiellen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts nicht bereits seine mangelnde Bestimmtheit entgegen (s II.). Während die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 50 SGB X im vorliegenden Fall grundsätzlich vorliegen(s III.), konnte aber ebenfalls nicht abschließend entschieden werden, ob die Haftung der Klägerin hier gemäß des entsprechend anwendbaren § 1629a BGB begrenzt ist und der Erstattungsbescheid bereits deshalb (ggf teilweise) aufzuheben ist(s IV.).

17

I. Der Rechtsstreit unterliegt bereits deshalb der Zurückverweisung, weil der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des SG die formelle Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides nicht abschließend prüfen kann. Insbesondere fehlt es an Feststellungen zu der Frage, ob vor Erlass des Erstattungsbescheides eine Anhörung der Klägerin gemäß § 24 Abs 1 SGB X stattgefunden hat.

18

Auch wenn die Erstattung entsprechend der Forderung des § 50 Abs 3 Satz 2 SGB X mit der (hier gemäß § 77 SGG bindend gewordenen) Aufhebung verbunden worden ist, ändert dies nichts daran, dass es sich bei dem Erstattungsverlangen um einen eigenständigen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X handelt, der seinerseits in die Rechte der Klägerin eingegriffen hat und deshalb vor seinem Erlass eine entsprechende Anhörung voraussetzt(vgl BSG SozR 1300 § 45 Nr 12).

19

1. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von diesem Anhörungserfordernis sind nicht gegeben. Ein Fall des Ausnahmekatalogs des § 24 Abs 2 SGB X liegt bereits tatbestandlich nicht vor. Insbesondere wurden nicht lediglich einkommensabhängige Leistungen an geänderte Verhältnisse angepasst (§ 24 Abs 2 Nr 5 SGB X), weil die Behörde auf der Grundlage des § 50 SGB X für die Vergangenheit Leistungen erstattet verlangt.

20

Der Anwendungsbereich des § 24 SGB X ist für den vorliegenden Fall ebenfalls nicht - etwa im Sinne einer teleologischen Reduktion(vgl hierzu BSG SozR 4-1300 § 24 Nr 1) - eingeschränkt (vgl Thieme in Wannagat, SGB X, Stand 2001, § 24 RdNr 6). Eine solche Einschränkung ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Erstattung nach § 50 Abs 1 SGB X ohnehin akzessorisch zu der hier bestandskräftigen Aufhebung ist, weil es sich bei § 24 Abs 2 SGB X um einen abschließenden Ausnahmekatalog handelt, wie sich aus der rechtsstaatlichen Bedeutung der Anhörung und dem Vergleich mit § 28 Abs 2 Verwaltungsverfahrensgesetz ergibt, der eine Generalklausel mit Beispielen enthält(stRspr BSGE 44, 207 = SozR 1200 § 34 Nr 2; BSG SozR 1200 § 34 Nr 14; Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 2011, § 24 RdNr 10). Dass es nicht darauf ankommt, ob die Anhörung die Entscheidung in der Sache hätte beeinflussen können, folgt auch aus § 42 Satz 2 SGB X.

21

2. Das LSG wird zu klären haben, ob bislang eine Anhörung gemäß § 24 Abs 1 SGB X stattgefunden hat oder ob, sollte dies nicht der Fall gewesen sein, im Widerspruchs- oder Klageverfahren gemäß § 41 Abs 2 SGB X eine Heilung dieses Verfahrensmangels stattgefunden hat.

22

a) Dabei wird das LSG zu berücksichtigen haben, dass, solange die Klägerin minderjährig war, die vor dem Erlass des Erstattungsbescheides erforderliche Anhörung gegenüber einem vertretungsberechtigten Erziehungsberechtigten zu erfolgen hatte. Auf die Frage, ob § 38 SGB II für das Aufhebungs- und Erstattungsverfahren überhaupt Anwendung finden kann(vgl hierzu Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 38 RdNr 2, 23b), kommt es deswegen nicht an.

23

Die Vertretungsmacht, die hier die Notwendigkeit einer Anhörung der Erziehungsberechtigten begründet, folgt aus der elterlichen Sorge (§ 1629 Abs 1 Satz 1 BGB). Dabei lässt sich den Feststellungen des SG bereits nicht entnehmen, ob abweichend von der gemäß § 1629 Abs 1 Satz 2 BGB grundsätzlich gemeinschaftlichen Vertretung des Kindes hier eine alleinige Vertretung durch die Mutter nach § 1629 Abs 1 Satz 3 BGB in Betracht kommt(vgl hierzu BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2). Im Rahmen der Anhörung braucht dieser Frage allerdings nicht nachgegangen zu werden, weil die Anhörung eines Elternteils insoweit ausreichend ist.

24

Obwohl nach § 24 Abs 1 SGB X "der Beteiligte"(vgl § 12 SGB X) anzuhören ist, gilt dies nicht für den Fall, dass der Beteiligte sozialrechtlich nicht handlungsfähig ist (vgl § 11 Abs 1 SGB X). Dann ist sein gesetzlicher Vertreter anzuhören (vgl nur Mutschler in Kasseler Komm, SGB X, Stand 2011, § 24 RdNr 10). Dem steht § 36 SGB I als öffentlich-rechtliche Ausnahme nach § 11 Abs 1 Nr 2 SGB X(von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 11 RdNr 7) nicht entgegen, weil es sich beim Aufhebungs- und Erstattungsverfahren um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren handelt, das nicht auf die Gewährung von Sozialleistungen gerichtet ist und deswegen von § 36 Abs 1 Satz 1 SGB I, der erkennbar auf den rechtlichen Vorteil für den Minderjährigen abstellt, nicht umfasst ist(vgl Didong in: jurisPK-SGB I, § 36 RdNr 16; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 15; Udsching/Link, SGb 2007, 513, 516).

25

Für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten gegenüber Minderjährigen hat der Senat unter Heranziehung des Zustellungsrechts des Bundes bereits entschieden, dass die Bekanntgabe gegenüber einem gesetzlichen Vertreter genügt (BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7, RdNr 21 unter Berufung auf § 6 Abs 3 VwZG; vgl auch Udsching/Link, SGb 2007, 513, 516). Dies gilt entsprechend auch für die Anhörung. Dagegen spricht nicht, dass § 6 Abs 3 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) letztlich der in § 1629 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 BGB geregelten Empfangsvertretung als Fall der "passiven" Stellvertretung entspricht(vgl zu § 6 Abs 3 VwZG: Sadler, VwVG/VwZG, 7. Aufl 2010, § 6 RdNr 20; Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 9. Aufl 2011, § 6 VwZG RdNr 4; vgl zu § 1629 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 BGB; Diederichsen in Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 1629 RdNr 15). Denn das in § 24 Abs 1 SGB X geregelte Anhörungserfordernis dient in erster Linie dem Schutz vor Überraschungsentscheidungen. Zudem soll es das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bürger und der Sozialverwaltung stärken (vgl BT-Drucks 7/868 S 28). Es erfüllt damit seinen Zweck, ohne dass es ein aktives Tun des Anzuhörenden bzw seines Vertreters voraussetzt. Im Übrigen erschiene es widersprüchlich, wenn zwar die mit der Gefahr der Bestandskraft einhergehende Bekanntgabe eines Bescheides an nur einen Elternteil erfolgen dürfte, nicht aber die vor dem Erlass des Bescheides notwendige Anhörung.

26

b) Im Hinblick auf die mögliche Heilung einer unterlassenen Anhörung, wird das LSG zu berücksichtigen haben, dass die Nachholung der Anhörung nach § 41 Abs 2 SGB X im Gerichtsverfahren ein eingeständiges, nicht notwendigerweise förmliches Verwaltungsverfahren - ggf unter Aussetzung des Gerichtsverfahrens - voraussetzt, das auch die Erklärung der Behörde umfasst, sie halte nach erneuter Prüfung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Anhörung am bisher erlassenen Verwaltungsakt fest(ausführlich BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

27

c) Sollte das LSG zu dem Ergebnis kommen, dass vor Erlass des Erstattungsbescheides eine Anhörung nicht stattgefunden hat und dieser Verfahrensmangel bislang nicht geheilt worden ist - auch nicht im Rahmen des von der Klägerin durchgeführten Widerspruchsverfahrens oder des Erörterungstermins -, wird es zu beachten haben, dass jedenfalls im jetzt durchzuführenden Berufungsverfahren keine Heilung mehr in Betracht kommt.

28

Nach § 41 Abs 2 SGB X erfährt die Möglichkeit der Heilung insofern eine zeitliche Grenze, als die Anhörung nach § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X nur bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann. Entsprechend der mit § 41 Abs 2 SGB X korrespondierenden Vorschrift des § 114 Abs 2 Satz 2 SGG(vgl BSG SozR 3-2600 § 243 Nr 9: "funktionale Einheit") ist diese Vorschrift nicht mehr anwendbar, nachdem erstmals die letzte Tatsacheninstanz abgeschlossen wurde. Im Falle der Sprungrevision wird die zeitliche Grenze damit durch den Erlass des erstinstanzlichen Urteils gesetzt (vgl allgemein Steinwedel in Kasseler Komm, SGB X, Stand 2011, § 41 RdNr 23, 27; offen gelassen von: BSG vom 2.6.2004 - B 7 AL 58/03 R - BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 9 = Juris RdNr 17; BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - Juris RdNr 19).

29

Gegen die Heilung eines Verfahrensmangels durch Nachholung im Gerichtsverfahren im Rahmen eines wiedereröffneten Berufungsverfahrens nach einer Zurückverweisung spricht entscheidend, dass diese von einem Verfahrensmangel des LSG - nämlich fehlenden Feststellungen zur Anhörung - abhängig ist. Denn eine Zurückverweisung kommt nur in Betracht, wenn das LSG keine Feststellungen zur Anhörung getroffen hat. Hat das LSG hingegen festgestellt, dass keine Anhörung erfolgt ist, besteht kein Grund für eine Zurückverweisung. Das Letztere muss ebenfalls gelten, wenn das LSG keine Feststellungen getroffen hat und diese fehlenden Feststellungen des LSG in Verbindung mit einer Aufklärungsrüge eines Beteiligten zu entsprechenden Ermittlungen und Feststellungen des Revisionsgerichts führen. Für eine Verschlechterung der Rechtsposition des klagenden Adressaten eines Verwaltungsakts, in dem der beklagten Behörde eine weitere Gelegenheit zur Heilung ihres Verfahrensfehlers eingeräumt wird, wenn es im anschließenden gerichtlichen Verfahren zu einem Verfahrensmangel des angerufenen Gerichts gekommen ist, der von der Behörde erfolgreich gerügt wird, ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Dagegen spricht vielmehr der Ausnahmecharakter des § 114 Abs 2 Satz 2 SGG, nachdem der vergleichbare § 94 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung aufgehoben wurde(vgl Berchtold in Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, 97, 115 f sowie BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - RdNr 19; BSG vom 31.10.2002 - B 4 RA 43/01 R - Juris RdNr 17).

30

II. Der angefochtene Erstattungsbescheid vom 28.6.2007 war (noch) inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X).

31

Das Bestimmtheitserfordernis als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt zum einen, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (näher BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN). Zum anderen muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden (BVerwGE 123, 261, 283).

32

1. Bedenken gegenüber der hinreichenden Bestimmtheit des mit dem inzwischen bestandskräftig gewordenen Aufhebungsbescheides verbundenen Erstattungsbescheides ergeben sich nicht bereits daraus, dass der Adressat des Erstattungsverlangens nicht hinreichend erkennbar wäre.

33

Zwar könnten sich deswegen Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit ergeben, weil der Erstattungsbescheid vom 28.6.2007 alleine an die Mutter der seinerzeit noch minderjährigen Klägerin gerichtet war. Auch wird die Mutter entsprechend dieser Adressierung an verschiedenen Stellen des Bescheides direkt angesprochen, wenn es etwa heißt, es bestünde gegen diese eine Gesamtforderung in Höhe von 2539,65 Euro und dieser Betrag sei von ihr gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Entscheidend ist allerdings, dass sich aus dem Bescheid mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass der zurückzuzahlende Gesamtbetrag das Ergebnis einer Addition von insgesamt drei Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidungen ist, die sich jeweils an die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft richten. So heißt es im Rahmen der hier noch streitgegenständlichen Erstattungsregelung, es "wurden Ihnen und Ihren Kindern [...] Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 2539,65 Euro zu Unrecht gezahlt". Die (individuelle) Aufschlüsselung der überzahlten Leistungen ist Bestandteil der Aufhebungsentscheidung, vor deren Hintergrund auch die Erstattungsregelung zu sehen ist, weil der Beklagte, entsprechend der Vorgabe des § 50 Abs 3 Satz 2 SGB X, beide Entscheidungen verbunden hat(vgl auch BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 27 RdNr 13).

34

Dass der Beklagte bei Erlass des Erstattungsbescheides nicht davon ausging, die Mutter der Klägerin sei (Gesamt-)Schuldnerin der Rückforderungssumme, ergibt sich dabei insbesondere aus der Formulierung: "Soweit der Bescheid Ihre Kinder betrifft, ergeht er an Sie als gesetzlichen Vertreter." Vor dem Hintergrund der fehlenden sozialrechtlichen Handlungsfähigkeit der Klägerin und ihrer Schwester zum damaligen Zeitpunkt war es konsequent, die Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung alleine von einem Elternteil zu verlangen, ohne dass dadurch die eigentlichen Bescheidadressaten nicht mehr erkennbar wären.

35

2. Weitergehende Bedenken gegenüber der Bestimmtheit des Erstattungsbescheides bestehen nicht. Es bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob die zum Arbeitsförderungsrecht ergangene Rechtsprechung des BSG, wonach ein Aufhebungsbescheid dann nicht hinreichend bestimmt iS des § 33 SGB X ist, wenn er nur eine Teilaufhebung für einen Gesamtzeitraum in Höhe eines Gesamtbetrags ohne Konkretisierung dieses Betrags für die einzelnen Wochen enthält(BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 10; SozR 3-1500 § 128 Nr 15 S 32 f), auf das SGB II, eventuell modifiziert um das hier grundsätzlich geltende Monatsprinzip, zu übertragen ist.

36

Zumindest für den hier noch streitgegenständlichen Erstattungsverwaltungsakt lässt sich die Notwendigkeit einer solchen Differenzierung der gesetzlichen Regelung des § 50 SGB X nicht entnehmen(so auch Krasney in Kasseler Komm, SGB X, Stand 2011, § 33 RdNr 7; Sächsisches LSG vom 18.9.2008 - L 3 AS 40/08 - Juris RdNr 60). § 50 Abs 3 Satz 1 SGB X fordert lediglich, die "zu erstattende Leistung" festzusetzen. Weitergehende Differenzierungsanforderungen dürften nicht zuletzt der eigentlichen Zielvorgabe der Bestimmtheitsanforderung, nämlich eine eindeutige Vollstreckungsgrundlage zu schaffen und dem Betroffenen das von ihm erwartete Verhalten klar vor Augen zu führen, eher abträglich sein.

37

3. Der Erstattungsbescheid ist auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil er in der Gestalt, die er durch den Änderungsbescheid vom 1.10.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 18.11.2008 erfahren hat, im Rahmen der Festsetzung der zu erstattenden Leistung nicht mehr zwischen dem der Klägerin bewilligten Sozialgeld und den Leistungen für Unterkunft und Heizung unterschied. Soweit teilweise vertreten wird, ein Aufhebungs- und wohl auch ein Erstattungsbescheid seien nur dann hinreichend bestimmt, wenn sie - spiegelbildlich zur Bewilligung - die aufgehobenen Leistungen nach Leistungsarten unterschieden, insbesondere also deutlich machten, ob es sich um Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung handele (so LSG Rheinland-Pfalz vom 30.3.2010 - L 3 AS 138/08 - Juris RdNr 54 ff), folgt dem der Senat jedenfalls für die Festsetzung der zu erstattenden Leistung nach § 50 SGB X nicht. Gegen die Notwendigkeit weiterer Differenzierungen im Rahmen der isolierten Rückforderung spricht die im Grundsatz bestehende Akzessorietät des Erstattungsverwaltungsakts zum Ergebnis der Aufhebungsentscheidung. Die Vorschrift des § 40 Abs 2 Satz 1 SGB II, wonach abweichend von § 50 SGB X unter bestimmten Umständen ein Teil der Unterkunftskosten von der Erstattung ausgenommen bleibt, steht dem nicht entgegen. Dies betrifft allenfalls die Begründung des Verwaltungsakts, nicht aber die hinreichende Bestimmtheit seines Verfügungssatzes.

38

III. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X liegen vor. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen nach dieser Vorschrift zu erstatten. Hier ist der Aufhebungsbescheid vom 28.6.2007 durch die Rücknahme der Klage bereits bestandskräftig geworden (vgl § 77 SGG).

39

Zutreffend hat sich der Beklagte im Hinblick auf die Rückforderung zudem an die Klägerin gewandt. Ausgehend von der Annahme, dass das SGB II keinen Anspruch einer Bedarfsgemeinschaft als solcher kennt, sondern dass Anspruchsinhaber grundsätzlich jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12), können auch in der Rückforderungskonstellation nur von demjenigen Leistungen verlangt werden, dem sie zuvor bewilligt worden waren (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 15; Udsching/Link, SGb 2007, 513, 514). Ein Erstattungsanspruch etwa gegen die gesetzlichen Vertreter des Leistungsempfängers scheidet auch dann aus, wenn diese die Überzahlung durch Verletzung ihrer Mitteilungspflichten hinsichtlich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse verursacht haben (so zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz bereits BVerwG, NZS 1992, 156; FEVS 43, 324). Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber dem Vertreter nach § 34 SGB II wird davon nicht berührt.

40

IV. Eine abschließende Entscheidung der von der Revision aufgeworfenen Frage, ob § 1629a BGB bereits zur Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheides führt, ist nicht möglich. Entgegen der Ansicht des SG ist § 1629a BGB auch im Rahmen der Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II entsprechend anwendbar(dazu unter 1.), und zwar bereits im Erstattungs- und nicht erst im Vollstreckungsverfahren (dazu unter 2.). Dem steht auch § 1629a Abs 2 Alt 2 BGB nicht entgegen(dazu unter 3.). Jedoch hat das SG, von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent, keine Feststellungen zur Höhe des Vermögens der Klägerin bei Eintritt der Volljährigkeit getroffen.

41

1. Dem Erstattungsanspruch des Beklagten gegen die Revisionsklägerin gemäß § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X kann die Beschränkung der Minderjährigenhaftung entgegenstehen.

42

In seinem Beschluss vom 13.5.1986 (1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 = NJW 1986, 1859) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ua ausgeführt: Das als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) anerkannte Recht auf Selbstbestimmung wird berührt, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1629 Abs 1 BGB) finanziell verpflichten können. Hierdurch können in erheblichem Maße die Grundbedingungen freier Entfaltung und Entwicklung und damit nicht nur einzelne Ausformungen allgemeiner Handlungsfreiheit, sondern die engere persönliche Lebenssphäre junger Menschen betroffen werden. Es ist verfassungsrechtlich noch hinnehmbar, wenn sich die Haftung des Minderjährigen bei einem ererbten und fortgeführten Handelsgeschäft auf das im Wege der Erbfolge erworbene Vermögen beschränkt. Nichts anderes kann für die finanziellen Folgen gelten, die Minderjährigen als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft über die Vertretungsregelung für Bedarfsgemeinschaften nach § 38 SGB II aufgebürdet werden.

43

Der Gesetzgeber ist der vom BVerfG in dem Beschluss vom 13.5.1986 (aaO) formulierten Aufforderung, in Wahrnehmung seiner Wächteramtes (Art 6 Abs 2 Satz 2 GG) Regelungen zu treffen, die verhindern, dass der volljährig Gewordene nicht mehr als nur eine scheinbare Freiheit erreicht, nachgekommen und hat durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz vom 25.8.1998 ( BGBl I 2487) § 1629a BGB geschaffen. Danach ist die Haftung des ehemaligen Minderjährigen und nun volljährig Gewordenen für Verbindlichkeiten, die Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht mit Wirkung für den Minderjährigen begründet haben, beschränkt auf den Bestand des Vermögens des Minderjährigen bei Eintritt der Volljährigkeit. Diese in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte gesetzgeberische Entscheidung gilt mangels anderer Anhaltspunkte für die "Minderjährigenhaftung" im SGB II entsprechend.

44

Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 34a SGB II "Ersatzansprüche für rechtswidrig erhaltene Leistungen" durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453 - RBEG), in der ausgeführt wird: "Die Regelung des neuen § 34a trägt damit dem praktischen Bedürfnis nach Inanspruchnahme des Verursachers Rechnung, da insbesondere bei Leistungsgewährung an minderjährige Kinder auch ein Anspruch gegenüber den gesetzlichen Vertretern bestehen kann. ... Im Übrigen gilt bei Eintritt der Volljährigkeit zugunsten der Schuldner § 1629a BGB, so dass insoweit eine Beschränkung auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen gegeben sein kann." (BT-Drucks 17/3404 S 113). Dies deckt sich mit der von der Klägerin zur Akte gereichten Antwort des BMAS an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, wonach vor dem Hintergrund der Regelung des § 1629a BGB eine Gefahr des überschuldeten Eintritts in die Volljährigkeit nicht gesehen werde und dementsprechend kein Tätigwerden des Gesetzgebers erforderlich sei.

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2. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann diese entsprechende Geltung der Haftungsbeschränkung gemäß § 1629a BGB nicht erst im Verwaltungsvollstreckungsverfahren Anwendung finden(so aber für das Steuerfestsetzungsverfahren BFHE 203, 5), weil schon der Erstattungsbescheid aus den aufgezeigten Gründen gegen das höherrangige Verfassungsrecht verstößt.

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Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum ein (verfassungswidriger) Erstattungsbescheid gegenüber einem volljährig Gewordenen zunächst bestandskräftig werden sollte, bevor diesem die Möglichkeit gegeben werden soll, seine Haftungsbeschränkung, die zu diesem Zeitpunkt bereits "entscheidungsreif" wäre, geltend zu machen. Abgesehen von den durch das Vollstreckungsverfahren entstehenden weiteren (unnötigen) Kosten erscheint es auch unter Praktikabilitätsgesichtspunkten geboten, die ggf schwierige Feststellung des Vermögens bei Eintritt der Volljährigkeit möglichst zeitnah zu bestimmen.

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Sollte - wie vorliegend - der Schuldner bei Erlass des Erstattungsbescheides noch nicht volljährig sein, ist der Erstattungsbescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses zunächst rechtmäßig. Dies entspricht der § 1629a BGB zugrunde liegenden unbeschränkten Haftung des Minderjährigen bis zum Eintritt der Volljährigkeit(vgl nur Diederichsen in Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 1629a BGB RdNr 8; kritisch hierzu K. Schmidt, Festschrift für Derleder, 2005, S 601, 607). Soweit aber bei Eintritt der Volljährigkeit das an diesem Tag bestehende pfändbare Vermögen hinter den (unter § 1629a BGB fallenden) Verbindlichkeiten zurückbleibt, kommt die Haftungsbeschränkung zum Zuge. In diesem Fall besteht gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X ein Anspruch auf Aufhebung des Erstattungsbescheides.

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Tritt - wie in diesem Verfahren - die Volljährigkeit nach Erlass des ursprünglichen Erstattungsbescheides, aber noch vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens ein, ist zu beachten, dass bei (reinen) Anfechtungsklagen der maßgebende Zeitpunkt in der Regel die Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten behördlichen Entscheidung ist (vgl nur Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 33 mwN). Sollten die Voraussetzungen des § 1629a BGB gegeben sein, was mangels Feststellungen des SG zur Vermögenslage der Klägerin bei Eintritt der Volljährigkeit nicht beurteilt werden kann, wäre der Erstattungsbescheid von Anfang an rechtswidrig.

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3. Der Haftungsbeschränkung der Klägerin steht vorliegend nicht entgegen, dass die Haftungsbeschränkung nicht für Rechtsgeschäfte aus der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse gilt (§ 1629a Abs 2 Alt 2 BGB). Denn diese Regelung zielt entsprechend dem Begriff "persönliche Bedürfnisse" nicht auf das durch das SGB II abgedeckte Existenzminimum, sondern auf Kleingeschäfte des täglichen Lebens seitens des Minderjährigen oder größere altersgerechte Anschaffungen wie ein Fahrrad oder einen Computer ab (vgl auch Gesetzesbegründung zum RBEG, BT-Drucks 17/3404 S 113).

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Nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des MHbeG sollen mit dieser Ausnahme von der Haftungsbegrenzung nicht nur Kleingeschäfte des täglichen Lebens (zB Kauf von Nahrungsmitteln oder Schulutensilien), sondern auch größere Geschäfte erfasst werden, die für Minderjährige der jeweiligen Altersstufe typisch oder jedenfalls nicht ungewöhnlich sind (zB Kauf eines Fahrrades oder Computers). In beiden Fällen bedürfe der Minderjährige keines Schutzes, weil ihm der Gegenwert des Geschäfts unmittelbar zugute komme und keine "unzumutbaren" finanziellen Belastungen im Sinne der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 72, 155, 173) in Rede stünden (BT-Drucks 13/5624 S 13, ebenso: Diederichsen in Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 1629a RdNr 11).

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Auch wenn die dem Minderjährigen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes den (im Sinne der Existenzsicherung) verstandenen "persönlichen Bedürfnissen" des Kindes dienten, sind diese von der Ausnahmeregelung nicht mit umfasst. Auf den Fall, dass grundsätzlich alle "persönlichen Bedürfnisse" des Kindes durch staatliche Fürsorgeleistungen sichergestellt werden müssen, weil die Leistungsfähigkeit der Eltern als Unterhaltsverpflichtete nicht genügt, zielt die Ausnahmeregelung erkennbar nicht ab. Zudem ist in diesen Fällen gerade nicht mehr der (generalisierte) Schluss zulässig, dass durch die Rückforderung keine unzumutbaren finanziellen Belastungen entstehen. Allein diese Grundannahme rechtfertigt aber die Anwendung dieser Ausnahmeregelung, ohne dass es im Rahmen der Rückforderung von SGB II-Leistungen überzeugen würde, eine summenmäßige Begrenzung einzuführen, ab der die auf dem Fehlverhalten der (grundsätzlich ebenfalls ersatzpflichtigen) Eltern beruhende Schuldenlast "unzumutbar" wäre (für eine teleologische Reduktion des § 1629a Abs 2 Alt 2 BGB für den Fall, dass dem Minderjährigen erhebliche finanzielle Belastungen drohten, Huber in Münchener Komm, BGB, 5. Aufl 2008, § 1629a RdNr 28).

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Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Die Behörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Die Behörde ist berechtigt, die Vorlage des Dokumentes zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.