Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Urteil, 01. Okt. 2012 - 7 U 252/11

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2012:1001.7U252.11.0A
bei uns veröffentlicht am01.10.2012

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert



Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 26. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts ist nunmehr ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die ordnungsgemäße Durchführung eines mehrjährigen Schülerbeförderungsvertrages und dabei insbesondere um die Frage, ob die dafür eingesetzten Fahrzeuge den vertraglichen Vereinbarungen entsprechen.

2

Die Klägerin, die Stadt L..., ist für die Beförderung von Schülern zur Förderschule ... in Landau zuständig, einer Schule mit dem Förderschwerpunkt motorische Entwicklung. Mit Datum vom 12. Februar 2009 (Vergabenummer 02-2009 VOL) schrieb sie den Auftrag für die Beförderung für die Schuljahre 2009/2010-2012/2013 im offenen Verfahren europaweit aus (Anl. K 1).

3

Den Vergabeunterlagen war ein Mustervertrag (im Folgenden: MV) beigefügt, der unter anderem folgende Bestimmungen enthält (s. Anl. K 1):

4

"§ 5 EingesetzteFahrzeuge"

5

§ 5.1.: "Bei der Einplanung der einzusetzenden Fahrzeuge ist zu berücksichtigen, dass beeinträchtigte Kinder und Jugendliche nur bedingt selbstständig in das Fahrzeug ein und aussteigen können. Aus diesem Grunde scheidet der Einsatz von Kraftomnibussen mit mehr als 14 Sitzen aus."

6

§ 5.8.: "Die Fahrzeuge müssen mit Schlag- oder Schwingtüren (keine Schiebetüren),

7

Hochdach und Fahrtenschreiber ausgestattet sein."

8

§ 5.14.: "Schülerinnen und Schüler im Rollstuhl sind bei den planmäßigen Fahrstrecken mittels Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift in das dafür vorgesehene Fahrzeug zu bringen."

9

Der Vertrag sollte zum 1. August 2009 beginnen (s. § 21 Mustervertrag).

10

Mit Schreiben vom 31. März 2009 (Anl. K 10) teilte die Beklagte der Klägerin u.a. mit:

11

"Die Fahrzeugpalette reicht von Fahrzeugen vom Typ Turan und Passat über VW-Busse bis hin zu speziellen Behindertenfahrzeugen".

12

Am 15. April 2009 reichte die Beklagte ihr Angebot ein, das sich auf 1,791 Mio. € (brutto für netto) für 4 Jahre belief. Anschließend übersandte die Beklagte der Klägerin u.a. eine "Aufstellung der für den Einsatz möglichen Fahrzeuge" (Anl. B 2). In dem Begleitschreiben vom 25. April 2009 heißt es dazu:

13

"...Die Fahrzeugpalette reicht von Fahrzeugen des Typs Turan und Passat über VW-Busse bis hin zu speziellen Behindertenfahrzeugen. ... Im Falle der Auftragserteilung würde das vorhandene Potential an Fahrzeugen durch Neuanschaffungen aufgestockt werden. ... Exemplarisch haben wir eine Liste der möglichen Fahrzeuge beigefügt. ..."

14

Im Mai 2009 teilte die Klägerin ihre Absicht mit, der Beklagten den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen. Daraufhin stellte eine der beiden Mitbieterinnen einen Nachprüfungsantrag. Nach dessen Zurückweisung durch die Vergabekammer Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 9. Juli 2009 und Zurückweisung der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde durch das OLG Koblenz mit Beschluss vom 28. Oktober 2009 erteilte die Klägerin der Beklagten am 28. Oktober 2009 den Zuschlag auf ihr Angebot für den Hauptauftrag.

15

Unter dem 30. Juni 2009 erinnerte die Klägerin die Beklagte daran, dass sie im Hinblick auf eine etwaige Absicht der Beklagten, entgegen den Ausschreibungsbedingungen Linearlifte einsetzen zu wollen, auf den Einsatz von Hub-Schwenk-Liften bestehen werde.

16

Zur Überbrückung des Nachprüfungsverfahrens schrieb die Klägerin im Juli 2009 im Wege der beschränkten Ausschreibung die Beförderung vom 24. August 2009 bis 30. Oktober 2009 aus. Für diesen Interimsauftrag erhielt die Beklagte am 23. Juli 2009 den Zuschlag. Der Interimsvertrag (Anl. K 8) enthielt im Wesentlichen die selben Bedingungen wie der Hauptvertrag, teilweise aber auch Bedingungen, die von der Ausschreibung zum Hauptvertrag abwichen. So sah § 5 Ziff. 14 des Interimsvertrages die Beförderung von Rollstuhlfahrern "mittels Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift oder anderen geeigneten Liftsystemen" vor. Hierzu hieß es im Leistungsverzeichnis, dass es "im Hinblick auf die überschaubare Überbrückungszeit bis zur Vergabe des Hauptauftrages (...) - anders als beim Hauptauftrag - bei der vorliegenden Interimsvergabe hinnehmbar (sei), dass neben dem Schwenklift andere geeignete Liftsysteme zugelassen werden".

17

Die von der Beklagten in der Interimszeit wie auch im Rahmen des Hauptauftrages für den Schülertransport eingesetzten Fahrzeuge verfügen weder über eine Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift noch über Hochdach und Fahrtenschreiber. Sie sind seitlich mit Schiebetüren ausgestattet. Für den Transport von Rollstuhlfahrern verwendet die Beklagte sog. Linearlifte.

18

Im Anschluss an eine Besprechung vom 11. November 2009 bat die Klägerin die Beklagte Ende November 2009 und Anfang Dezember 2009 um Mitteilung, ab wann die durch die Ausschreibung spezifizierten Fahrzeuge eingesetzt würden. Daraufhin machte die Beklagte am 9. Dezember 2009 anwaltlich bei der Klägerin geltend, dass die vertraglichen Vorgaben jedenfalls kumulativ nicht zu erfüllen seien. Sie schlug vor, Mercedes Sprinter mit Schiebetür und Linearlift bzw. VW Transporter mit Schiebetür einzusetzen und auf die Regelung in § 5 Ziff. 8 des Vertrages zu verzichten, was die Klägerin am 11. Dezember 2009 ablehnte.

19

Mit Schreiben vom 15. Januar 2010 forderte sie die Beklagte auf, sich bis spätestens 31.01.2010 bereit zu erklären, vertragskonforme Fahrzeuge einzusetzen. Die Beklagte wies mit Anwaltsschreiben vom 25. Januar 2010 darauf hin, dass nur maximal 60 cm breite Schlag- oder Schwingtüren eingebaut werden könnten. Darin sah die Klägerin eine Weigerung der Beklagten zur vertragskonformen Leistungserbringung und erhob im April 2010 die vorliegende Klage, mit der sie die Ausstattung der Fahrzeuge mit Schlag- oder Schwingtüren, Hochdach, Fahrtenschreiber und Hub-Schwenkliften für den Rollstuhltransport verlangt.

20

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,

21

die Beklagte erfülle den Vertrag nicht ordnungsgemäß, obwohl ihr dies durch Umrüstung vorhandener Fahrzeuge oder Anschaffung entsprechender Neufahrzeuge möglich sei.

22

Der Einbau von Hub-Schwenkliften sei nicht unzumutbar. Damit könne der Rollstuhlfahrer anders als mit einem Linearlift bequem und gefahrlos vom Bordstein aus in das Fahrzeug befördert werden. Die Zulassung anderer Lifte sei ausdrücklich nur für die Übergangszeit des Interimsvertrages erfolgt. Eine Veränderung der maßgeblichen Ausschreibungsbedingungen sei vergaberechtswidrig. Als Vergabestelle habe sie die vergaberechtlichen Grundsätze zu beachten und deshalb ein Interesse an der Einhaltung der Vertragsbedingungen.

23

Der Ausschluss von Schiebetüren bezwecke, dass geräumige und gut zugängliche Fahrzeuge eingesetzt werden. Fahrzeuge mit breiteren Schwingtüren als 60 cm seien erhältlich. Sollte ein Umbau der Fahrzeuge nicht möglich sein, müsse die Beklagte Fahrzeuge beschaffen. Eine Breite von nur 60 cm sei nicht mit § 5 Ziff. 1 MV vereinbar, weil die beeinträchtigten Kinder nur bedingt selbständig ein- und aussteigen könnten und ggfls. Hilfestellung benötigten.

24

Sie habe nicht auf Fahrtenschreiber verzichtet. Der Einsatz von Hochdächern bezwecke, dass nur geräumige und gut zugängliche Fahrzeuge verwendet würden.

25

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

26

die Beklagte zu verurteilen, bei der Beförderung der Schülerinnen und Schüler zum Sankt-P…-Stift bis zum Ablauf des 31.07.2013 Fahrzeuge einzusetzen, die - unbeschadet der sonstigen Verpflichtungen der Beklagten aus dem Schülerbeförderungsvertrag der Parteien vom 15.04./28.10.2009 - jedenfalls folgende Eigenschaften besitzen:

27

- die Fahrzeuge dürfen ausschließlich mit Schlag- oder Schwingtüren und nicht auch mit Schiebetüren ausgestattet sein.

28

- die Fahrzeuge müssen mit einem Hochdach ausgestattet sein.

29

- die Fahrzeuge müssen mit einem Fahrtenschreiber ausgestattet sein.

30

- die Fahrzeuge müssen mit einer Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift ausgestattet sein, mit welchem Schülerinnen und Schüler im Rollstuhl in das Fahrzeug befördert werden können.

31

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt:

32

die Klage abzuweisen.

33

Die Beklagte hat die Verpflichtung zur Beförderung mit Fahrzeugen der eingeklagten Ausstattung bestritten und geltend gemacht, dass jedenfalls 60 cm breite Seitentüren ausreichend seien. Sie hat dazu im Einzelnen vorgetragen:

34

In der Kürze der Zeit zwischen der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens durch die Firma F… G… bzw. Abschluss des Interimsvertrages bis zum vorgesehenen Vertragsbeginn am 01.08.2009 hätten Fahrzeuge mit Hochdach, Fahrtenschreiber, Hub-Schwenklift und ohne Schiebetüren nicht am Markt beschafft werden können. Da ein Umbau von Behindertenfahrzeugen insgesamt mehrere Monate dauere, hätten die Parteien für die Zeit des Interimsauftrages diese Voraussetzungen abbedungen. Die im Zuge des Interimsauftrags erworbenen Fahrzeuge habe sie mit Linearliften ausgestattet, da dies mit Hub-Schwenkliften nicht mehr fristgerecht möglich gewesen sei. Diese seien zudem technisch veraltet.

35

Ein Anspruch auf Austausch der Lifte durch Hub-Schwenklifte bestehe nicht, denn die Nacherfüllung sei unverhältnismäßig. Der mit dem Austausch der Lifte verbundene Aufwand stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem dadurch erzielten Vorteil der Klägerin. Sie habe durch den Austausch erneut die vollen Kosten wie schon für die Beschaffung der Linearlifte, zzgl. Umrüstkosten. Dagegen habe die Klägerin ein Interesse an dem Einsatz der veralteten Hub-Schwenklifte nicht geltend gemacht. Auch erfolge die Hauptleistung reibungslos. Zudem habe sie die Fahrzeuge mit Linearlift nur angeschafft, um der Klägerin aus der Notsituation herauszuhelfen, die durch die verspätete Ausschreibung entstanden sei.

36

Zwar sei die Vorgabe seitlicher Schlag- oder Schwingtüren für Behindertentransporte einmalig, aber dies sei letztlich Sache der Klägerin. Sie wehre sich nicht gegen die Umrüstung. Allerdings könnten in die vorhandenen Fahrzeuge aus konstruktiven Gründen lediglich Schlag- oder Schwingtüren mit einer Türbreite von ca. 60 cm eingebaut werden. Für breitere Türen gebe es keine TÜV-Zulassung. Auch bedingt selbstständige Kinder könnten durch eine ca. 60 cm breite Tür ein- und aussteigen, auch mit Hilfestellung. Die Fahrzeuge verfügten zudem über eine zweiflügelige Hecktür, die in jedem Fall ausreichend breit sei.

37

Ein Verschweißen der Schiebetüren sei mit § 25 Abs. 1 BO Kraft unvereinbar. Danach müssten auf der rechten Längsseite der Fahrzeuge zwei Türen vorhanden sein.

38

Der Vorschlag der Klägerin, sie solle Kraftomnibusse einsetzen, die bereits handelsüblich über eine Schwingtür verfügen, das seien solche mit mindestens 17 Sitzen, entspreche nicht der Ausschreibung. Gegenstand der Ausschreibung seien ausschließlich Kleinbusse gewesen. Der Einsatz von Kraftomnibussen sei weder Gegenstand des Angebots gewesen, noch sei deren Einsatz in der Ausschreibung zugelassen worden. Dies folge aus § 5 Ziff. 1 S. 2 MV. Deshalb sei Gegenstand ihres Angebotes auch nur der Einsatz von Kleinbussen entsprechend der Fahrzeugliste Anlage B 2 gewesen. In wirtschaftlicher Hinsicht komme der Einsatz von Kraftomnibussen für sie auch nicht in Betracht, da diese teurer in Anschaffung, Unterhalt und Wartung seien und einen Bus-Führerschein erforderten.

39

Die Klägerin habe derzeit keinen Anspruch auf Austausch der Schiebetüren, da sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie die erbetene Abstimmung über den Umbau verweigere. Zwischen den Parteien sei offen, wie im Detail der Austausch der Schiebetüren vorzunehmen sei. Zudem lehne sie die einzig realisierbare Variante, den Einbau von 60 cm-Schwing-/Schlagtüren, zu Unrecht ab. § 5 Ziff. 1 MV gebe keine Mindestbreite vor und stelle lediglich auf die Einplanung, das bedeute Tourenplanung, ab.

40

Die Fahrzeuge seien mit Hochdach auszustatten, doch habe die Klägerin darauf derzeit noch keinen Anspruch. Der erforderliche Gesamtumbau könne nicht erfolgen, weil die Klägerin die Mitwirkung hinsichtlich des Einbaus der Seitentüren verweigere.

41

Fahrtenschreiber müsse sie aufgrund einer Genehmigung der Klägerin nicht verwenden. Fahrzeuge von Hilfsorganisationen müssten auch gesetzlich keine Fahrtenschreiber haben.

42

Die Beklagte hat im Wege der hilfsweise erhobenen Widerklage erstinstanzlich beantragt,

43

festzustellen, dass die von der Beklagten für die Beförderung der Schülerinnen und Schüler zum Sankt-P…-Stift in L. einzusetzenden Fahrzeuge mit einer seitlichen Schlag- oder Schwingtür mit einer Breite von ca. 60 cm ausgestattet sein dürfen.

44

Die Klägerin hat beantragt,

45

die Widerklage abzuweisen.

46

Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat mit dem angefochtenen Urteil vom 26. Mai 2011 der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

47

Zur Begründung hat das Erstgericht in den Entscheidungsgründen, auf deren Einzelheiten verwiesen wird, im Wesentlichen ausgeführt:

48

1. Die Leistungspflichten der Parteien ergäben sich unmittelbar aus dem Vertrag, der auf Grundlage der Ausschreibung zwischen den Parteien zustandegekommen sei.

49

Die Beklagte sei aufgrund § 5.8 MV verpflichtet, Fahrzeuge einzusetzen, die über Schlag- oder Schwingtüren verfügen. Ein vertragswidriges Verhalten der Klägerin liege nicht vor. Es treffe sie keine Mitwirkungspflicht bzgl. der Umrüstung der Türen. Die geforderten Leistungspflichten seien eindeutig. Weder sei nach dem Vertrag der Einsatz von Kraftomnibussen generell verboten, noch ergebe sich daraus, dass die Beklagte berechtigt wäre, die Beförderung der Schüler allein mit den von ihr genannten Fahrzeugen durchzuführen. Auch habe sich ihr Angebot nicht allein auf Fahrzeuge dieses Typs bezogen, zudem seien Erklärungen in öffentlichen Ausschreibungsverfahren vergaberechtskonform auszulegen.

50

§ 25 BO Kraft finde keine Anwendung. Die Erfüllung sei nicht unzumutbar. Dass Umbaumaßnahmen erforderlich würden, z.B. das Entfernen von Sitzen aus Kraftomnibussen, sei der Beklagten zumutbar. Dass möglicherweise Fahrzeuge neu anzuschaffen seien, sei ihr bereits im Ausschreibungsverfahren bekannt gewesen. Die Klägerin habe schon im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbes darauf zu achten, dass die Vorgaben öffentlicher Ausschreibungen eingehalten werden.

51

Die Beklagte müsse gem. § 5.8 Fahrzeuge mit Hochdach und Fahrtenschreiber einsetzen. Sie sei möglicherweise verpflichtet, zur Erfüllung des Vertrages neue, vertragskonforme Fahrzeuge anzuschaffen.

52

Nach § 5.14 MV müsse die Beklagte die Fahrzeuge mit einer Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift ausstatten. Bei der Ausschreibung des Interimsauftrages habe die Klägerin klar gemacht, dass sie nur für die Interimsphase bereit sei, auch andere Lifte hinzunehmen. Die Leistungserbringung sei auch nicht unzumutbar. Das Leistungsinteresse der Klägerin überrage das Interesse der Beklagten an der vertragswidrigen Leistung. 2. Die Widerklage sei unbegründet. Einer Beweisaufnahme bedürfe es nicht. Es sei gerichtsbekannt (§ 291 ZPO), dass ein Fahrzeug mit einer Seitenöffnung von 60 cm für den Behindertentransport ungeeignet sei. Die Kammer habe in der Verhandlung diese Breite mit einem Seil demonstriert. Dabei sei auch ohne einen Sachverständigen erkennbar geworden, dass ein gesunder Erwachsener nicht problemlos durch einen solchen Zugang einsteigen könne. Daraus könne erst recht gefolgert werden, dass motorisch eingeschränkten Menschen so das Betreten eines Transportfahrzeuges wesentlich erschwert würde.

53

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihre erstinstanzlichen Begehren weiter und beantragt die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

54

Sie wiederholt ihr Vorbringen und macht geltend, das Urteil beruhe auf einem wesentlichen Verfahrensmangel. Das Landgericht habe das beantragte Sachverständigengutachten zu ihrer Behauptung, dass eine 60 cm breite Fahrzeugtür den Vorgaben für den Behindertentransport genüge, zu Unrecht nicht eingeholt. Das Gericht habe nicht dargelegt, worauf es seine eigenen Erkenntnisse stütze. Viele Fahrzeuge hätten eine deutlich geringere Einstiegsbreite als 60 cm, weil Schlagtüren sich nicht im 90°-Winkel öffnen ließen. Der im Behindertentransport flächendeckend eingesetzte VW Caddy habe nur 70 cm breite Türen.

55

Gegen den Austausch der Lifte und der Schiebetüren, den Einbau von Hochdächern und die Verwendung von Fahrtenschreibern wendet sich die Beklagte mit den bereits erstinstanzlich vorgebrachten Argumenten. Im Übrigen liege ein versteckter Dissens vor, der zur Unwirksamkeit des Vertrages führe. Sie habe den Vertrag so verstanden, dass nur Kleinbusse eingesetzt werden dürften und nicht Kraftomnibusse, die deutlich mehr als 14 Sitze haben. Dies werde aus ihrer Urkalkulation deutlich. Weil die zum Einsatz kommenden Fahrzeuge ein wesentlicher, kalkulationsrelevanter Aspekt seien, wäre bei einer Auslegung, wonach auch der Einsatz von Kraftomnibussen zulässig sein sollte, ein versteckter Einigungsmangel gegeben.

56

Jedenfalls der Feststellungsanspruch der Hilfswiderklage sei begründet.

57

Die Fortführung des Verfahrens in zweiter Instanz komme gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht in Betracht, da mit einer aufwändigen Beweisaufnahme zu rechnen sei.

58

Die Beklagte beantragt,

59

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 26.05.2011 - 2 O 117/10 -

60

1. die Klage abzuweisen,

61

2. hilfsweise,

62

im Wege der Widerklage festzustellen, dass die von der Beklagten für die Beförderung der Schülerinnen und Schüler zum St-P….stift in Landau einzusetzenden Fahrzeuge mit seitlichen Schlag- oder Schwingtüren mit einer lichten Breite von ca. 60 cm ausgestattet sein dürfen, und

63

3. die Sache gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen.

64

Die Klägerin beantragt,

65

die Berufung zurückzuweisen.

66

Sie hält die Berufung für unzulässig, insbesondere die in dem Widerklageantrag enthaltene ca.-Angabe. Im Übrigen verteidigt sie das Urteil unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht geltend:

67

Ein wesentlicher Verfahrensmangel bestehe nicht. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen sei bei eigener Sachkunde des Gerichts entbehrlich. Der Vorsitzende habe anhand eines Seiles demonstriert, wie breit 60 cm seien. Die Kammer könne selbst beurteilen, dass eine 60 cm breite Tür nicht ausreichend sei. Die Behauptungen zur Einstiegsbreite verschiedener Fahrzeuge bestreite sie vorsorglich mit Nichtwissen.

68

Die Beklagte habe Aufwand und Kosten für die Umrüstung der Lifte nicht dargelegt.

69

Ein versteckter Dissens liege nicht vor. Es ergebe sich aus den Schreiben der Beklagten, dass auch diese nicht geglaubt habe, die Ausschreibung beziehe sich nur auf Kleinbusse.

70

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

71

Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

72

Die Umstellung der Berufungsanträge (Unbedingtheit des ursprünglich nur hilfsweise gestellten Sachantrags) ist sachdienlich. Soweit die Berufungsbegründung auf einen Verfahrensfehler abstellt (übergangener Beweisantrag zu der Behauptung, Seitentüren von 60 cm Breite genügten den vertraglichen Anforderungen), hätte dieser nur für die Entscheidung über die Hilfswiderklage Bedeutung, nicht aber für die Entscheidung über die Klage. Allerdings wird aus dem Vorbringen der Beklagten in der Berufung hinreichend deutlich, dass auch die Verurteilung gemäß der Klage angegriffen werden soll.

73

Der Berufung bleibt jedoch in der Sache der Erfolg versagt.

74

Denn die zulässige Klage ist begründet, die Widerklage unbegründet.

75

A. Die Klage ist zulässig, ihr fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Ob die Klägerin die erforderliche Mitwirkung an dem Austausch der Türen verweigert, wie die Beklagte meint, betrifft nicht das Rechtsschutzbedürfnis, sondern allein die Berechtigung des materiellen Klagebegehrens.

76

B. Die Klage ist auch vollumfänglich begründet, wie das Landgericht mit insgesamt zutreffender Begründung ausgeführt hat. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus dem Personenbeförderungsvertrag zwischen den Parteien vom 15.04.2009/28.10.2009 i.V.m. §§ 631 Abs. 1, 633 Abs. 1 BGB einen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei der Schülerbeförderung zum... nur solche Fahrzeuge einsetzt, die ausschließlich mit Schlag- oder Schwingtüren, einem Hochdach, Fahrtenschreiber und - im Falle der Beförderung von Schülern im Rollstuhl - mit einer Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift ausgestattet sind.

77

I. Der Vertrag ist nach öffentlicher Ausschreibung durch das Angebot der Beklagten vom 15. April 2009 und die Annahme dieses Angebots durch den Zuschlag der Klägerin vom 28. Oktober 2009 wirksam zustande gekommen. Der Beförderungsvertrag ist als Werkvertrag im Sinne des BGB einzuordnen (vgl. BGH NJW 1974, 852; NVwZ 1992, 92; MüKo BGB-Tonner, 5. Aufl. 2009, nach § 651 Rn. 1; Staudinger-Peters/Jacoby, BGB, 2008, Vorbem. zu §§ 631 ff. Rn. 76 m.w.N.). Denn mit der Beförderung wird primär eine Ortsveränderung als Erfolg im Sinne von § 631 BGB geschuldet, auch wenn - wie hier - Elemente der Dienstleistung im Vordergrund stehen (Staudinger-Peters/Jacoby, a.a.O., Rn. 76).

78

Zutreffend hat das Erstgericht ausgeführt, dass es der Wirksamkeit des Vertrages nicht entgegensteht, dass der Zuschlag wegen des Nachprüfungsverfahrens erst nach dem vorgesehenen Vertragsbeginn erfolgte (vgl. BGHZ 181, 47 ff.).

79

II. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in der Berufung auf einen versteckten Dissens.

80

Ein versteckter Einigungsmangel (Dissens) im Sinne von § 155 BGB, der zum Nichtzustandekommen des Vertrages führen könnte, ist nicht feststellbar.

81

Für das Vorliegen eines Dissenses genügt es nicht, dass die Parteien verschiedenes gewollt haben; Voraussetzung ist vielmehr, dass der Inhalt ihrer Willenserklärungen nicht übereinstimmt. Das ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich.

82

Soweit die Beklagte den Willen hatte, die Beförderung nur mit Kleinbussen (Fahrzeuge zur Beförderung von bis zu 9 Personen) und keinesfalls mit Kraftomnibussen (Fahrzeuge mit mehr als 9 Sitzen) anzubieten, ist dies ihrem Angebot nicht zu entnehmen.

83

Das auf die Ausschreibung abgegebene Angebot der Beklagten ist im Sinne der §§ 133, 157 BGB orientiert am Empfängerhorizont dahingehend auszulegen, dass die Beklagte den Transport mit Fahrzeugen anbieten wollte und angeboten hat, die gemäß den Ausschreibungsunterlagen ausgestattet sind.

84

1. Zurecht hat das Landgericht berücksichtigt, dass Erklärungen im formalisierten Vergabeverfahren regelmäßig so auszulegen sind, dass sie im Einklang mit den vergaberechtlichen Bestimmungen stehen (BGHZ 181, 47, 52; BGHZ 124, 64). Dementsprechend scheidet eine vergaberechtlich bedenkliche Auslegung der Erklärungen aus. Eine von der Ausschreibung abweichende Auslegung des Angebots aber wäre in diesem Sinne vergaberechtlich bedenklich. Denn eine Änderung der im Leistungsverzeichnis verlangten Ausstattungsmerkmale durch das Angebot würde gegen vergaberechtliche Grundsätze verstoßen, da nach § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A 2006 Änderungen und Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen unzulässig sind. Derartige Angebote werden nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A 2006 zwingend ausgeschlossen. Nach dem objektiven Empfängerhorizont der Vergabestelle ist ein Angebot im Vergabeverfahren daher grundsätzlich so zu verstehen, dass es die Bedingungen der Ausschreibungen akzeptiert und nicht abändern soll (vgl. BGHZ 181, 47 ff.).

85

a) Eine Änderung der Verdingungsunterlagen liegt vor, wenn das Angebot eines Bieters von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweicht (BGH Urt.v. 01.08.2006, Az.: X ZR 115/04, Rn. 13, zit. n. juris), beispielsweise, wenn das Angebot den Umfang der ausgeschriebenen Leistungen einschränkt (OLG Düsseldorf, NZBau 2007, 600). Zwar schränkt eine Beschränkung der einzusetzenden Fahrzeuge auf Kleinbusse nicht die Zahl der durchzuführenden Transporte ein, wohl aber die Art und Weise der Leistungsdurchführung.

86

Denn nach dem in den Ausschreibungsunterlagen enthaltenen Mustervertrag (§ 5 Ziff. 1) ist im Hinblick auf die Kategorie der einzusetzenden Fahrzeuge nur der Einsatz von Kraftomnibussen mit mehr als 14 Sitzen ausgeschlossen worden, nicht aber der Einsatz von Kraftomnibussen überhaupt. Daher wäre ein ausschließlich auf Kleinbusse gerichtetes, Kraftomnibusse ausschließendes Angebot der Beklagten als einschränkendes Angebot eine Änderung an den Verdingungsunterlagen, die zum Angebotsausschluss der Beklagten geführt hätte.

87

b) Einem Ausschluss des Angebots der Beklagten hätte auch nicht entgegengestanden, dass etwa eine unerfüllbare Anforderung gestellt worden wäre. Ein Ausschluss kommt zwar dann nicht in Betracht, wenn die Ausschreibungsbedingungen eine technisch unmögliche Leistung verlangen (BGH Urt. v. 01.08.2006, Az: X ZR 115/04, zit. n. juris). Mit der Vorgabe, keine Schiebetüren einzusetzen, wurde jedoch keine technisch unmögliche Leistung verlangt. Unstreitig ist jedenfalls mit Kraftomnibussen, die über hinreichend große seitliche Schwing- (oder Schlag-)türen verfügen, der Vertrag ordnungsgemäß erfüllbar. Auch hat die Beklagte im Vergabeverfahren eine Unmöglichkeit der Leistung nicht geltend gemacht.

88

c) Da nach der Ausschreibung auch Kraftomnibusse mit bis zu 14 Sitzen zulässig sind, waren diese somit - in ausschreibungskonformer Auslegung des Angebotes - auch von dem Angebot der Beklagten umfasst.

89

2. Eine Beschränkung des Angebots auf Kleinbusse, wie sie die Beklagte behauptet, ist auch anhand der nach Abgabe des Angebotes eingereichten Fahrzeugliste (Anlage B 2) nicht feststellbar. Denn die Beklagte hat bereits in der Überschrift der Liste, die sich schon nur auf "mögliche" Fahrzeuge bezieht, hinzugefügt, dass bei Gewinn der Ausschreibung die meisten Fahrzeuge neu angeschafft würden. Dass die in der Liste namentlich aufgeführten Fahrzeuge auch für die Beklagte nur exemplarischen Charakter hatte, wird zudem in ihrem Begleitschreiben vom 25.04.2009 deutlich, in dem sie erklärt hat, das vorhandene Potential an Fahrzeugen im Falle der Auftragserteilung durch Neuanschaffungen aufstocken zu wollen, und die Liste selbst als "exemplarisch" bezeichnet hat.

90

3. Somit fehlt es an der einen Dissens begründenden Erklärungsdivergenz zwischen Angebot und Zuschlag. Dass die Beklagte möglicherweise davon ausging, den Vertrag ausschließlich mit Kleinbussen durchführen zu können, begründet allenfalls einen Motivirrtum.

91

III. Nachdem der Vertrag zwischen den Parteien gemäß dem Inhalt der Ausschreibung, also auch des Mustervertrags, zustande gekommen ist, ergibt sich für die Beklagte aus den Regelungen des § 5 Ziff. 8 und Ziff. 14 MV die vertragliche Pflicht, für ihre Beförderungsaufgaben nur Fahrzeuge einzusetzen, die ausschließlich mit Schlag- oder Schwingtüren ausgestattet sind, und die über ein Hochdach, Fahrtenschreiber und, wenn Schüler im Rollstuhl zu befördern sind, eine Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift (Hub-Schwenklift) verfügen.

92

Die Erfüllung dieser vertraglich übernommenen Verpflichtungen ist für die Beklagte auch weder einzeln noch kumulativ unmöglich oder unzumutbar.

93

1. a) Der Grund für die vorgeschriebene Verwendung von Fahrzeugen mit Schlag- oder Schwingtüren und das damit verbundene Verbot von Schiebetüren ist zwar nicht eingängig. Dass dadurch ein guter Zugang und Geräumigkeit, die in der Klageschrift zur Begründung angeführt werden, erreicht würden, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Soweit die Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung auf die Anordnung der Sitze abgestellt hat, von denen sich bei Fahrzeugen mit Schiebetüren drei statt zwei nebeneinander befänden, erklärt auch dies einen funktionalen Vorteil zur Überzeugung des Senates nicht.

94

Die Aufstellung der vertraglichen Anforderungen ist aber, wie die Beklagte selbst betont, Sache der Klägerin. Selbst eine ggfls. geringere Zweckmäßigkeit begründet zudem weder die Unmöglichkeit noch die Unzumutbarkeit der Erfüllung der entsprechenden Vorgabe.

95

b) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, ein Verschließen der Seitenschiebetüren verstoße gegen § 25 BO Kraft, wonach auf der rechten Längsseite der eingesetzten Fahrzeuge zwingend zwei Türen vorhanden sein müssten, ist dies unzutreffend: Der Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr ist auf Grundlage der Ermächtigung des § 57 PBefG durch die Verordnung BOKraft geregelt worden. Diese enthält u.a. Anforderungen an Bau und Einrichtung der verwendeten Fahrzeuge. Nach § 25 Abs. 1 BOKraft müssen Taxen und Mietwagen mindestens auf der rechten Längsseite zwei Türen haben.

96

Zum einen aber sind hier eingesetzte Fahrzeuge keine Taxen oder Mietwagen. Zum anderen stellt § 1 Nr. 4 g) FreistellVO unentgeltliche Beförderungen von körperlich, geistig oder seelisch behinderten Personen mit Kraftfahrzeugen zu und von Einrichtungen, die der Betreuung dieser Personenkreise dienen, von den Vorschriften des PBefG frei, so wie § 1 Nr. 4 d) FreistellVO die unentgeltliche Beförderung mit Kraftfahrzeugen durch oder für Schulträger zum und vom Unterricht freistellt. Es entfallen insoweit alle Rechte und Pflichten aus dem Personenbeförderungsgesetz und damit auch aus der BOKraft, die nach § 1 Abs. 1 für Unternehmen nur gilt, soweit sie den Vorschriften des PBefG unterliegen. Zwar gelten nach § 1 Abs.2 BOKraft bestimmte Vorschriften der BOKraft entsprechend bei Beförderungen nach § 1 Nr. 4 d), g) und i) der FreistellVO, nicht aber § 25 BOKraft.

97

Insofern käme auch ein Verschließen der Schiebetüren in Betracht, wenn die Beklagte dann noch dafür sorgen kann, dass die vertraglichen Anforderungen im Übrigen erfüllt sind.

98

c) Jedenfalls aber ist der Einsatz von Kraftomnibussen möglich, die über ausreichend breite Schwingtüren verfügen, wenn die Anzahl der Sitze auf 14 beschränkt wird.

99

d) Die Vorgabe hinsichtlich der Türen ist auch nicht durch den Interimsvertrag abgeändert worden, der vielmehr eine gleichlautende Regelung enthält (s. § 5 Ziff. 8 des Interimsvertrages, entsprechen § 5 Ziff. 8 des Mustervertrages).

100

Dass die Klägerin evtl. während des Interimsvertrages auf die Einhaltung dieser Vorgabe nicht bestanden hat, vermag angesichts der begrenzten Dauer der Übergangsregelung (24.08.2009 -30.10.2009) kein Vertrauen der Beklagten zu begründen, dass auf diese Vertragsbedingung auch im Hauptvertrag verzichtet würde.

101

e) Auch sonst ist das Bestehen der Klägerin auf ausschließlichen Einsatz von Fahrzeugen mit Schlag- oder Schwingtüren nicht treuwidrig (§ 242 BGB).

102

Insbesondere hat die Klägerin nicht etwa eine Mitwirkungspflicht verletzt. Denn es ist grundsätzlich Sache der Beklagten, wie sie die eindeutigen Erfordernisse des Vertrags erfüllt. Insoweit war die Vertragsbedingung in Bezug auf die Türen bereits in der Ausschreibung eindeutig vorgegeben. Dass Umbauten oder Neuanschaffungen oder beides in Kombination erforderlich würden, war der Beklagten insoweit bereits durch die Ausschreibung bekannt.

103

Die Klägerin hat der Beklagten zudem ausweislich der vorprozessualen Korrespondenz eine hinreichende Zeitspanne für den Umbau ihrer Fahrzeuge eingeräumt (bis Dezember 2009). In Anbetracht der Zeit, die der Beklagten einschließlich der Dauer des Interimsvertrages zur Planung der Umbauten zur Verfügung stand, ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin sich der Schaffung der Voraussetzungen für die Durchführung des Vertrages verweigert hätte. Dass sie auf einen auch den sonstigen Erfordernissen des Transports motorisch beeinträchtigter Kinder entsprechenden Umbau oder die Anschaffung vertragskonformer Fahrzeuge besteht, stellt keine Pflichtverletzung durch Mitwirkungsverweigerung dar.

104

f) Die Durchführung des Vertrages mit Fahrzeugen, die keine Schiebetüren haben, ist auch nicht unzumutbar für die Beklagte. Die Umrüstung oder Neuanschaffung von Fahrzeugen, um den Einsatz von Fahrzeugen mit vereinbarungsgemäßer Ausstattung der Türen zu gewähren, ist nicht unverhältnismäßig.

105

aa) Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit eines Nachbesserungsverlangens im Sinne des § 635 Abs. 3 BGB ist gerechtfertigt, wenn mit der Nachbesserung der in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielbare Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür erforderlichen Geldaufwandes steht (BGH NJW-RR 2002, 661; NJW 1996, 3269; OLG Zweibrücken, NJOZ 2006, 2318), wenn also das Bestehen auf ordnungsgemäßer Vertragserfüllung im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt (BGH NZM 2009, 490; NJW-RR 2008, 971; NJW-RR 2006, 304; NJW 1973, 138). Zutreffend hat das Erstgericht darauf hingewiesen, dass dann, wenn der Besteller objektiv ein berechtigtes Leistungsinteresse an der ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages hat, ihm regelmäßig nicht wegen hoher Kosten die Nachbesserung verweigert werden kann (BGH NJW-RR 2002, 661).

106

Insofern ist es zwar zutreffend, dass der Beklagten durch Umbaumaßnahmen beziehungsweise die Neuanschaffung von Fahrzeugen, ggfls. auch von Kraftomnibussen samt zusätzlich erforderlichen Umbaumaßnahmen, erhebliche Kosten entstehen. Diese Erfordernisse kommen jedoch nicht überraschend. Zudem wird die vertragliche Vorgabe nicht dadurch unzumutbar, dass die Beklagte möglicherweise anders kalkuliert hat, da das Kalkulationsrisiko insofern allein bei der Beklagten liegt.

107

bb) Insbesondere aber besteht ein objektives Interesse der Klägerin an der Einhaltung der Vertragsbedingungen, da es sich um einen im Vergabeverfahren zustande gekommenen Vertrag handelt. Denn als öffentlicher Auftraggeber hat sie das Vergaberecht zu beachten.

108

(1) Insofern könnte eine Abweichung von dem Vertrag vergaberechtliche Konsequenzen haben. Denn zwar können auch öffentliche Aufträge bei entsprechendem Parteiwillen grundsätzlich jederzeit geändert werden, da sie durch übereinstimmende Willenserklärungen von Auftraggeber und Bieter zustande kommen; dieser Vertragsfreiheit setzt indes das Vergaberecht Grenzen (vgl. Greb/Stenzel, NZBau 2012, 404).

109

Dabei ist insbesondere zu beachten, dass eine wesentliche Änderung eines dem Vergaberecht unterliegenden Vertrages vergaberechtlich als Neuvergabe zu werten ist (EuGH - "pressetext" - EuZW 2008, 465). Denn das Vergaberecht darf nicht dadurch umgangen werden, dass ein bestehender Vertrag in wesentlichen Punkten geändert wird, ohne diesen Vorgang dem Wettbewerb zu öffnen (Greb/Stenzel, NZBau 2012, 404).

110

Eine ohne erforderliche Neuvergabe vorgenommene Änderung stellt eine sogenannte de-facto-Vergabe dar, die zur Rechtswidrigkeit des Gesamtvertrags (so z.B. Wagner/Jürschik, VergabeR 2012, 401) oder nur der Änderungen und gegebenenfalls zur Nichtigkeit des Vertrags führen kann. Insofern ist die Vergabestelle als Adressat des Vergaberechts gehalten, derartige Rechtsverletzungen zu vermeiden.

111

(2) Der EuGH hat in seiner "pressetext"-Entscheidung als Kriterium zur Abgrenzung ausgeführt, dass eine wesentliche Vertragsänderung vorliegt, wenn der Vertrag durch die ( nachträglichen) Änderungen der Bestimmungen wesentlich andere Merkmale aufweist als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrages erkennen lässt (EuGH EuZW 2008, 465, 467 Rn. 34). Das ist dem EuGH zufolge (EuZW 2008, 465, 467 Rn. 35-37) insbesondere dann der Fall, wenn

112

- die Änderung das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zu Gunsten des Auftragnehmers ändert,

113

- durch die Änderung Bedingungen eingeführt werden, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebotes erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des Vergabeverfahrens gewesen wären, oder

114

- wenn die Änderung den Auftrag in großem Umfang auf bisher nicht vorgesehene Leistungen erweitert.

115

Aus vergaberechtlicher Sicht ist mithin die Auswirkung der Änderung auf den Wettbewerb maßgebend (Greb/Stenzel, NZBau 2012, 404, 405).

116

Damit setzt eine rechtswidrige de-facto-Vergabe entgegen der Auffassung der Beklagten nicht unbedingt voraus, dass die Änderung an den essentialia negotii vorgenommen wird.

117

Da die Frage der Ausstattung der einzusetzenden Fahrzeuge mit Schiebetüren offensichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Kosten für Anschaffung, Umbau und Unterhalt der entsprechenden Fahrzeuge hat, liegt jedenfalls nicht fern, dass dieser

118

Aspekt Auswirkungen auf die Kalkulation und damit die Chancen der Bieter im Vergabeverfahren hat.

119

(3) In Anbetracht dessen, dass über die genaue Abgrenzung zwischen ausschreibungsfreien und ausschreibungspflichtigen Vertragsmodifikationen erhebliche Unsicherheit besteht, zumal jeweils eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist (vgl. EuGH a.a.O.; Krohn, NZBau 2008, 619; Greb/Stenzel, NZBau 2012, 404; Wagner/Jürschik, VergabeR 2012, 401), besteht vorliegend ersichtlich ein objektives Interesse der Klägerin, möglicherweise rechtswidrige Vertragsänderungen durch Änderung der Anforderungen an die zu verwendenden Türen zu vermeiden, zumal es für eine Vertragsänderung hinsichtlich der Verwendung von Schiebetüren schon kein Anpassungsbedürfnis gibt, da sich nicht etwa die Rahmenbedingungen oder der Stand der technischen Entwicklung geändert haben.

120

(4) Dabei ist bereits das Risiko für die Klägerin als Vergabestelle, durch eine solche Änderung gegen das Vergaberecht zu verstoßen und sich zudem ggfls. schadensersatzpflichtig gegenüber Mitbewerbern zu machen, unzumutbar und begründet ein nachvollziehbares Interesse an der Beibehaltung der Vertragsklausel.

121

2. Ihre vertragliche Verpflichtung, zur Schülerbeförderung Fahrzeuge mit einem Hochdach einzusetzen, bestreitet die Beklagte nicht. Ohne Erfolg beruft sie sich diesbezüglich auf fehlende Fälligkeit. Wie oben festgestellt, hat die Klägerin nicht gegen Mitwirkungspflichten im Hinblick auf einen möglicherweise erforderlichen Umbau auch der Türen verstoßen.

122

3. Zur Ausrüstung der eingesetzten Fahrzeuge mit Fahrtenschreibern hat sich die Beklagte vertraglich verpflichtet. Es ist daher unerheblich, ob sie von einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung befreit ist.

123

Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe ihr auf ihren Antrag vom 9. Dezember 2009 die "Genehmigung" erteilt, Fahrtenschreiber nicht verwenden zu müssen, hat das Landgericht zurecht unter Hinweis darauf zurückgewiesen, dass die Beklagte hierfür beweisfällig geblieben ist. Dies gilt auch für das Berufungsverfahren.

124

4. Die Beklagte schuldet der Klägerin auch die Durchführung der Schülertransporte mit Fahrzeugen, die mit einer Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift (Hub- Schwenkliften) und nicht mit Linearliften ausgestattet sind, soweit Rollstuhlfahrer transportiert werden. Diese Verpflichtung ist in § 5 Ziff. 14 MV ausdrücklich aufgeführt.

125

a) Der Verzicht auf dieses Erfordernis für die Dauer des Interimsvertrages durch die Zulassung anderer geeigneter Liftsysteme (§ 5 Ziff.14 des Interimsvertrags) wirkt nicht auch für den Hauptvertrag.

126

In der Ausschreibung des Interimsauftrags hat die Klägerin dies ausdrücklich hervorgehoben (s. Vorbemerkung zur Leistungsbeschreibung des Interimsvertrags, Bl. 103 f. d.A.). Zudem hat sie gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 30.06.2009 (Anl. K 11, Bl. 112 d.A.) deutlich gemacht, dass sie auf den Einsatz von Hub- Schwenkliften für die Durchführung des Hauptvertrags bestehe.

127

b) Die Beklagte kann sich hinsichtlich dieser Vertragsbedingung auch nicht auf den Unverhältnismäßigkeitseinwand im Sinne von § 635 Abs. 3 BGB analog berufen.

128

Wie oben ausgeführt, setzt der Leistungsbefreiungsgrund des § 635 Abs. 3 BGB analog voraus, dass der mit der Beseitigung des Mangels erzielbare Erfolg in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür erforderlichen Geldaufwandes steht (BGH NJW-RR 2002, 661; NJW 1996, 3269; OLG Zweibrücken, NJOZ 2006, 2318).

129

aa) Die Klägerin hat bereits ein objektiv berechtigtes Interesse an der Ausstattung der Fahrzeuge mit Hub-Schwenkliften, das die Unzumutbarkeit der vertragsgemäßen Leistungserbringung auch bei hohen Kosten für die Nachbesserung grundsätzlich ausschließt (vgl. BGH NJW-RR 2002, 661). Dieses ist nicht allein funktional im Hinblick auf den Transporterfolg zu bewerten. Vielmehr besteht bereits ein schützenswertes Interesse der Klägerin an der Einhaltung der Ausschreibungsbedingungen, wie bereits oben (bzgl. der Türen) ausgeführt.

130

Hinzu kommt ein technisch begründetes Interesse der Klägerin, da der Einsatz von Hub- Schwenkliften das Verbringen des Rollstuhlfahrers in das Transportfahrzeug vom Bürgersteig aus ermöglichen, während die von der Beklagten verwendeten Linearlifte von hinten, also in der Regel von der Straße aus befahren werden müssen. Die Schüler, die "an der Haustür" abgeholt werden und wieder nach Hause gebracht werden, vom Gehweg aus "einsteigen" zu lassen, gewährleistet eine höhere Sicherheit als das Auffahren von der Straße. Ob Linearlifte "moderner" sind, spielt keine Rolle. Es handelt sich um ein anderes Liftkonzept.

131

bb) Die Beklagte hat zudem den Kostenaufwand für die Umrüstung auf Hub-Schwenklifte nicht konkret dargelegt. Damit ist eine Unverhältnismäßigkeit schon nicht ersichtlich.

132

cc) Die Beklagte kann sich auch insoweit nicht auf den Interimsvertrag berufen bzw. darauf, dass sie der Klägerin damit aus einer von dieser selbst verschuldeten Notlage herausgeholfen habe. Insofern spielen die ihr für den Einbau von Linearliften zur Durchführung des Interimsvertrages entstandenen Kosten für die Frage der Zumutbarkeit der vertragsgemäßen Erfüllung des Hauptvertrages keine Rolle. Auf den Interimsauftrag, dem eine beschränkte Ausschreibung voranging, hat die Beklagte in eigenem Interesse geboten, wobei sie aus der Ausschreibung wusste, dass nur für die Dauer des Interimsvertrages von den Bedingungen des Hauptvertrages abgewichen werden sollte. Die Bedingungen des Hauptvertrages waren der Beklagten seit der Ausschreibung bekannt, und sie wusste seit Mai 2009, dass sie den Zuschlag erhalten sollte. Daher hätte die Beklagte den Erwerb, Einbau oder Umbau von Hub-Schwenkliften jedenfalls bereits hinreichend planen können.

133

dd) Somit ist der Beklagten die Erfüllung des Vertrages mit Fahrzeugen, die für den Transport von Rollstuhlfahrern über Hub-Schwenklifte verfügen, ebenfalls nicht unzumutbar.

134

C. Die Hilfswiderklage ist gem. §§ 33, 256 ZPO zulässig.

135

I. Ihre innerprozessuale Bedingung, die Klagestattgabe, ist eingetreten.

136

II. Es geht der Beklagten auch um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich die Auslegung des Vertrages dahin, dass für die seitlichen Schlag- oder Schwingtüren der verwendeten Fahrzeuge eine Breite von ca. 60 cm ausreichend ist.

137

III. Der Antrag genügt auch noch den Anforderungen an die Bestimmtheit. Zwar enthält er nur eine "ca."-Angabe (lichte Breite von ca. 60 cm), doch ergibt die Auslegung des Beklagtenvortrags, dass sie damit verlangt, dass die Türen nicht breiter als 60 cm sein müssen, und dass von dem Antrag allenfalls eine geringe cm-Abweichung erfasst sein soll.

138

IV. Das Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 ZPO ist gegeben, da die Klägerin das Recht der Beklagten auf Beförderung mit Fahrzeugen, deren seitliche Türen lediglich eine Breite von 60 cm aufweisen, bestreitet und diese Frage mit der Entscheidung über die Klageanträge noch nicht entschieden ist.

139

D. Die Widerklage der Beklagten auf Feststellung, dass die von ihr für die Beförderung der Schülerinnen und Schüler zum St.-Paulusstift in Landau einzusetzenden Fahrzeuge mit seitlichen Schlag- oder Schwingtüren mit einer lichten Breite von ca. 60 cm ausgestattet sein dürfen, ist jedoch unbegründet.

140

I. Eine ausdrückliche Regelung der Türbreite sieht der Mustervertrag nicht vor.

141

II. § 5 Ziff. 1 MV enthält aber die Vorgabe, bei der Einplanung der einzusetzenden Fahrzeuge zu berücksichtigen, dass beeinträchtigte Kinder und Jugendliche nur bedingt selbstständig in das Fahrzeug ein und aussteigen können.

142

Soweit die Beklagte meint, diese Regelung beziehe sich nur auf die Tourenplanung, ergibt sich eine derartige Einschränkung aus der genannten Regelung nicht. Zudem folgt das Erfordernis, dass die Fahrzeuge geeignet sein müssen, den Schülern beim Ein- und Ausstieg gegebenenfalls Hilfestellungen durch eine Betreuungsperson zu ermöglichen, bereits aus dem Vertragsgegenstand, nämlich dem Schülertransport beeinträchtigter Schüler zu einer Schule mit dem Förderschwerpunkt motorische Entwicklung. Diese Verpflichtung hat die Beklagte in der vorgerichtlichen Korrespondenz auch ausdrücklich anerkannt (vgl. RA-Schreiben vom 09.12.2009, Bl. 120 ff. d.A.).

143

Aus dem Vertragszweck und der maßgeblichen Regelung des Mustervertrages ergibt sich somit, dass die Beklagte bei der Durchführung des Vertrages Fahrzeuge einsetzen muss, die für den Transport motorisch behinderter Kinder und Jugendlicher, die nur bedingt selbständig in solche Fahrzeuge ein- und aussteigen können, geeignet sind.

144

Es liegt auf der Hand, dass, wer an Krücken läuft, Gehprothesen oder Beinschienen trägt, an Versteifungen oder Lähmungen leidet, mehr Platz zum Einsteigen in ein Fahrzeug benötigt als ein gesunder Mensch. Da bei dem Einstieg in ein Fahrzeug auch noch eine Stufe zu überwinden ist, wird vielfach Hilfestellung nötig sein, was den erforderlichen Platzbedarf noch erhöht. Davon ist die Beklagte vorprozessual auch selbst ausgegangen (s Schreiben vom 09.12.2009), indem sie ausgeführt hat, dass bei einer maximal 60 cm breiten Seitentür eine Unterstützung beim Einstieg nicht möglich sei.

145

III. Soweit die Beklagte im Prozess die abweichende Auffassung vertreten hat, dass Türen mit 60 cm Breite ausreichend seien, hat das Erstgericht im Ergebnis zutreffend und verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass sich die mit der Hilfswiderklage beantragte Feststellung nicht treffen lässt, weil eine Türbreite von 60 cm für den seitlichen Einstieg in die für den Schülertransport eingesetzten Fahrzeuge für die in ihrer Bewegungsfähigkeit beeinträchtigten Schüler nicht ausreichend ist.

146

Den von der Beklagten angebotenen Sachverständigenbeweis hat das Erstgericht nach Auffassung des Senates zurecht nicht erhoben.

147

1. Allerdings lässt hier nicht die Offenkundigkeit der zu beweisenden Tatsache gemäß § 291 ZPO die Beweisbedürftigkeit entfallen, wie das Landgericht meint.

148

a) Nach § 291 ZPO bedürfen offenkundige Tatsachen keines Beweises. Danach bedarf es keiner Beweisaufnahme, wenn eine Tatsache allgemeinkundig oder gerichtskundig ist (Musielak-Huber, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 291 Rn 1 f.). Eine Tatsache ist in diesem Sinne allgemeinkundig, wenn sie generell oder in einem bestimmten Bereich einer beliebig großen Zahl von Personen bekannt ist oder zumindest wahrnehmbar ist; es genügt, dass man sich aus einer allgemein zugänglichen und zuverlässigen Quelle ohne besondere Fachkenntnisse über die Tatsache sicher unterrichten kann, z.B.aus Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen, Fahrplänen, Kalendern usw. (MüKo ZPO-Prütting, 3. Aufl. 2008, § 291 Rn. 5 f.). Gerichtskundig sind Tatsachen, die das erkennende Gericht in amtlicher Eigenschaft selbst wahrgenommen hat (MüKo ZPO-Prütting, a.a.O., Rn. 9).

149

b) Bei der Frage, ob ein Fahrzeug mit einer seitlichen Einstiegsbreite von 60 cm für den Behindertentransport von Schülern geeignet ist, handelt es sich jedoch nicht um eine der Anwendbarkeit des § 291 ZPO zugängliche Tatsache. Eine entsprechende Feststellung ist vielmehr ein Erfahrungssatz, der nicht offenkundig sein kann (vgl. BeckOK ZPO-Bacher, Std. 15.07.2012, § 291 Rn. 2). Erfahrungssätze sind abstrakte Aussagen über Zusammenhänge zwischen bestimmten Tatsachen, die auf bloßer Lebenserfahrung oder auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen (vgl. BeckOK ZPO-Bacher, a.a.O., § 284 Rn. 6). Um Erfahrungssätze handelte es sich somit, wenn sich erst unter Zuhilfenahme allgemeiner (Lebens-) Erfahrungen eine konkrete Sachverhaltsfeststellung ableiten lässt (vgl. Zöller-Greger, ZPO, § 286 Rn. 16, 11; MüKo ZPO-Prütting, a.a.O., § 284 Rn. 44 ff.; u.a. zur Abgrenzung von § 291 ZPO s. BGH NJW 2004, 1163 in Aufgabe von BGH NJW-RR 1990, 1376).

150

Die Frage, ob motorisch eingeschränkte Kinder und Jugendliche - gegebenenfalls unter Hilfestellung - durch eine max. 60 cm breite Tür ohne größere Probleme in ein Fahrzeug ein- und aussteigen können, lässt sich nur aufgrund von Erfahrungswissen beurteilen. Sie erfordert die Beurteilung, wie viel Raum eine motorisch eingeschränkte Person - ggfls. mit Hilfe einer Betreuungsperson - für den Einstieg in ein Fahrzeug benötigt, und somit eine Bewertung tatsächlicher Umstände.

151

2. Das Gericht hat allerdings zulässigerweise von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen, weil es, wie dem Urteil zu entnehmen ist, davon ausging, auf Grund eigenen Erfahrungswissens selbst über die erforderliche Sachkunde zu verfügen. Hierbei lässt sich eine Rechtsverletzung des Erstgerichts (§ 286 ZPO) nicht feststellen.

152

a) Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es dann, wenn es der Vermittlung von Fachwissen bedarf, um dem Gericht die Überzeugung von der streitigen Behauptung zu verschaffen (Zöller-Greger, ZPO, a.a.O., § 402 Rn. 6 b). Sie ist entbehrlich, wenn das Gericht über eigene Sachkunde verfügt, so dass das Gericht dann den entsprechenden Beweisantrag ablehnen kann (Musielak-Huber, ZPO, a.a.O., § 403 Rn. 3). Dabei ist es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters überlassen, ob er seine eigene Sachkunde für ausreichend erachtet und deshalb von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absieht (BGH NJW-RR 2007, 357; NJW 2000, 1946). Auch muss er dies den Parteien bekannt machen und im Urteil darlegen (BGH a.a.O.; MüKo ZPO-Zimmermann, § 402 Rn. 7).

153

b) Gleiches gilt für den Fall, dass es keines besonderen Fachwissens bedarf, weil die Würdigung des Sachverhalts schon durch die Kenntnis allgemeiner Erfahrungssätze ermöglicht wird (zur Abgrenzung s. z.B. BGH NJW-RR 2007, 357).

154

c) Entgegen der Rüge der Berufung hat die Kammer hinreichend darauf hingewiesen und dargetan, dass und warum es keines Fachwissens zur Beurteilung der Beweisfrage bedürfe. Ausweislich des angegriffenen Urteils hat die Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31. März 2011 anhand eines 60 cm langen Seils die in Rede stehende Breite der Türöffnung demonstriert. Weiter hat sie ausgeführt, bereits bei einfacher Betrachtung dieses Maßes auch ohne Sachverständigen erkennen zu können, dass ein erwachsener Mensch ohne Behinderung durch einen solchen Zugang keinen problemlosen Zutritt zum Fahrzeug haben könne, so dass der Zutritt einer in ihrer Motorik eingeschränkten Person erst recht erschwert sei. Zudem hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es eine Beweiserhebung nicht beabsichtige.

155

d) Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Erstgericht bei der Beurteilung seiner Sachkunde die Grenzen seines Ermessens überschritten hätte. Denn die Würdigung des zu beurteilenden Sachverhalts ist auch nach Auffassung des Senates bereits mit Kenntnis allgemeiner Erfahrungssätze möglich und setzt keine besonderen Fachkenntnisse voraus. Wie oben ausgeführt, liegt es auf der Hand, dass in ihrer Motorik behinderte Personen mehr Platz beim Einsteigen in ein Fahrzeug benötigen als nicht behinderte. Insofern ist es nachvollziehbar, in Form eines erst-recht-Schlusses von der aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung getroffenen Feststellung, dass ein Erwachsener nicht ohne Probleme durch eine entsprechende Öffnung in ein Fahrzeug einsteigen könne, darauf zu schließen, dass dies für motorisch eingeschränkte Personen umso mehr gilt, zumal diese ggfls. Hilfe benötigen.

156

Die Beklagte legt auch nicht dar, weshalb für die Beurteilung des Sachverhaltes über die allgemeine Lebenserfahrung hinaus besonderes Fachwissen erforderlich sein soll.

157

d) Auch die teilweise neuen Ausführungen der Berufung sind nicht geeignet, Zweifel an der ermessensfehlerfreien Beurteilung der eigenen Sachkunde durch das Erstgericht zu begründen. Die Behauptungen der Beklagten zur Breite der Türen des VW Caddy, der flächendeckend zum Behindertentransport eingesetzt werde, sind schon nicht hinreichend substantiiert.

158

IV. Dass es bei einem nachträglichen Umbau der in den Fahrzeugen der Beklagten vorhandenen Schiebetüren in Schwing- oder Schlagtüren für breitere Türen keine TÜV-Zulassung geben mag, ist unerheblich, da es Sache der Beklagten ist, wie sie die Vertragsgemäßheit der Fahrzeuge herbeiführt, und sie jedenfalls Kraftomnibusse (mit bis zu 14 Sitzen) einsetzen könnte, die unstreitig über ausreichend breite Schwing- oder Schlagtüren verfügen.

159

E. Somit ist die Klage begründet, die Hilfswiderklage der Beklagten unbegründet.

160

F. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

161

G. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

162

Beschluss

163

Der Streitwert wird für beide Instanzen -für die erste Instanz unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 26. Mai 2011- auf 268.650,00 EUR festgesetzt.

164

Gründe

165

Bei einer Klage auf Vertragserfüllung orientiert sich der Streitwert im Rahmen des § 3 ZPO grundsätzlich an dem Wert der geforderten Leistung (Zöller-Herget, a.a.O., § 3 Rn. 16 "Vertragserfüllung"; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 70. Aufl. 2012, Anh. § 3 Rn. 58). Auch bei einem Streit um Erfüllungsmodalitäten ist das Klägerinteresse ausschlaggebend (Zöller-Herget, a.a.O.; B/L, a.a.O.).

166

Soweit das Erstgericht den Streitwert auf 240.000,00 EUR festgesetzt hat, ist es gem. Klägerangabe von den Kosten für die Umrüstung von 24 Fahrzeugen (je 10.000,00 EUR) ausgegangen. Diese Umrüstungskosten entsprechen zwar dem Interesse der Beklagten, bestimmen aber nach Auffassung des Senates nicht das Klägerinteresse.

167

Ebenso wenig kann der Gesamtwert der durch die Beklagte zu erbringenden Leistung wertbestimmend sein. Denn diese erbringt die Beförderungsleistung bereits, wenn auch nicht in der richtigen Art und Weise. Wird "nur" um Erfüllungsmodalitäten wie Art, Ort oder Zeit der Erfüllung gestritten, dann ist das Interesse des Klägers an der beanspruchten Erfüllungsweise maßgebend (Schneider/Herget-Kurpat, Streitwertkommentar, 13. Aufl. 2011, Rn. 3537, 5837). Das Interesse der Klägerin an einer mangelfreien Leistung, nämlich der Erbringung der Beförderungsleistung in den dafür vertragsgemäß ausgestatteten Fahrzeugen, ist durchaus höher zu bewerten sein als die reinen Umbaukosten der Beklagten und ist nach Auffassung des Senates mit 15 % des Gesamtwertes der Vertragsleistung (15 % von 1.791.000,00 EUR), mithin 268.650,00 EUR, angemessen geschätzt.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Urteil, 01. Okt. 2012 - 7 U 252/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Urteil, 01. Okt. 2012 - 7 U 252/11

Referenzen - Gesetze

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Urteil, 01. Okt. 2012 - 7 U 252/11 zitiert 23 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 631 Vertragstypische Pflichten beim Werkvertrag


(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sac

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 635 Nacherfüllung


(1) Verlangt der Besteller Nacherfüllung, so kann der Unternehmer nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen. (2) Der Unternehmer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-

Zivilprozessordnung - ZPO | § 291 Offenkundige Tatsachen


Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 33 Besonderer Gerichtsstand der Widerklage


(1) Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht. (2) Dies gilt nicht, wenn f

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 155 Versteckter Einigungsmangel


Haben sich die Parteien bei einem Vertrag, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung getroffen werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt, so gilt das Vereinbarte, sofern anzunehmen ist, dass der Vertrag auch oh

Personenbeförderungsgesetz - PBefG | § 57 Rechtsverordnungen


(1) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erläßt mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die zur Durchführung dieses Gesetzes, internationaler Abkommen sowie der Verordnungen des Rates oder der Kommission der Euro

Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr - BOKraft 1975 | § 25 Türen, Alarmanlage und Trennwand


(1) Taxen und Mietwagen müssen mindestens auf der rechten Längsseite zwei Türen haben. (2) Taxen und Mietwagen müssen mit einer Alarmanlage versehen sein, die vom Sitz des Fahrzeugführers aus in Betrieb gesetzt werden kann. Die Alarmanlage muß die H

Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr - BOKraft 1975 | § 1 Geltungsbereich


(1) Die Verordnung gilt für Unternehmen, die Fahrgäste mit Kraftfahrzeugen oder Obussen befördern, soweit sie den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes unterliegen. (2) Die §§ 2, 3, 6 bis 9, §§ 14 bis 19, 20 Abs. 1 Nr. 1, §§ 21, 22, 33 Abs.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Urteil, 01. Okt. 2012 - 7 U 252/11 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Urteil, 01. Okt. 2012 - 7 U 252/11 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 01. Aug. 2006 - X ZR 115/04

bei uns veröffentlicht am 01.08.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 115/04 Verkündet am: 1. August 2006 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja

Landgericht Landau in der Pfalz Urteil, 26. Mai 2011 - 2 O 117/10

bei uns veröffentlicht am 26.05.2011

Tenor 1. Die Beklagte wird verurteilt, bei der Beförderung der Schülerinnen und Schüler zum Sankt-Paulus-Stift, Queicheimer Hauptstr. 237a, 76829 Landau bis zum Ablauf des 31.7.2013 Fahrzeuge einzusetzen, die ausschließlich mit Schlag- oder S

Referenzen

Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, bei der Beförderung der Schülerinnen und Schüler zum Sankt-Paulus-Stift, Queicheimer Hauptstr. 237a, 76829 Landau bis zum Ablauf des 31.7.2013 Fahrzeuge einzusetzen, die ausschließlich mit Schlag- oder Schwingtüren, mit einem Hochdach, mit einem Fahrtenschreiber und - soweit Schülerinnen und Schüler mit einem Rollstuhl befördert werden - mit einer Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift ausgestattet sind.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 450.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Erfüllung eines Auftrages zur Beförderung von Behinderten zu einer Schule.

2

Die Klägerin ist zuständig für die Beförderung von Schülern zur Förderschule mit Schwerpunkt motorische Entwicklung St.-Paulus-Stift in Landau (zukünftig: Schule).

3

Sie schrieb im Jahr 2009 unter der Vergabe Nummer 02-2009 VOL öffentlich die Schülerbeförderung für die Schule aus. Gegenstand der Ausschreibung war unter anderem ein Mustervertrag. Dort ist unter 5. die technische Beschaffenheit der für die Schülerbeförderung einzusetzenden Fahrzeuge geregelt. Im einzelnen finden sich dort folgende Regelungen:

4

5.1: bei der Einplanung der einzusetzenden Fahrzeuge ist zu berücksichtigen, dass beeinträchtigte Kinder und Jugendliche nur bedingt selbstständig in das Fahrzeug ein- und aussteigen können. Aus diesem Grund scheidet der Einsatz von Kraftomnibussen mit mehr als 14 Sitzen aus.

5

5.8: die Fahrzeuge müssen mit Schlag- oder Schwingtüren (keine Schiebetüren), Hochdach und Fahrtenschreiber ausgestattet sein.

6

5.14: Schülerinnen und Schüler mit Rollstuhl sind bei den planmäßigen Fahrstrecken mittels Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift in das dafür vorgesehene Fahrzeug zu bringen.

7

Der Vertrag sollte zum 1. August 2009 beginnen. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Ausschreibung kann auf die zur Akte gereichten Unterlagen (Anlage K1) verwiesen werden.

8

Am 31. März 2009 richtete die Beklagte ein Schreiben an die Klägerin, worin sie unter anderem ihre Fahrzeugpalette vorstellte ("VW Touran und Passat über VW-Busse bis zu speziellen Behindertenfahrzeugen"). Auf die Ausschreibung hin hatte die Beklagte am 15. April 2009 ein Angebot eingereicht. Dieses endete mit einem Betrag von 1,791 Millionen € (brutto für netto). Eine weitere Einschränkung im Hinblick auf die zum Einsatz kommenden Fahrzeuge enthält dieses Angebot nicht. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten kann auf die zur Akte gereichte Fotokopie des Angebots (Anlage K 2) verwiesen werden. Auf Anfrage der Klägerin vom 20. April 2009 erwiderte die Beklagte im Schreiben vom 25. April 2009: "die Ausstattung der Fahrzeuge entspricht immer den Bedürfnissen der jeweiligen Fahrgäste... Im Falle der Auftragserteilung würde das vorhandene Potenzial an Fahrzeugen durch Neuanschaffungen aufgestockt werden..."

9

Vor Erteilung des Zuschlags musste ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer Rheinland-Pfalz sowie dem OLG Koblenz durchgeführt werden.

10

Während des Vergabeverfahrens erklärte die Klägerin in einem Schreiben vom 30. Juni 2009, dass sie auf dem Einsatz von Hub-Schwenkliften in den Fahrzeugen bei Ausführung des Hauptauftrages bestehen würde. Um den Schülertransport auch während des noch nicht abgeschlossenen Vergabeverfahrens sicherzustellen, schrieb die Klägerin im Sommer 2009 für den Zeitraum bis zur Erteilung des Zuschlags die Beförderung der Schüler erneut aus. Sie verwendete dabei ein Leistungsverzeichnis, in dem darauf hingewiesen wird, dass für den Einsatz der Fahrzeuge "anders als beim Hauptauftrag" auch Fahrzeuge mit anderen Liften zum Einsatz kommen können. Nachdem die Beklagte hierauf am 22. Juli 2009 ein Angebot abgab, wurde ihr auch für den Zwischen-Auftrag der Zuschlag erteilt. Es kamen dabei Fahrzeuge zum Einsatz, die Schiebetüren vorsahen. Darüber hinaus waren die Fahrzeuge mit so genannten Linearliften (Einstieg von der Straße) ausgestattet.

11

Der beschwerdeführende Mitbieter ist in dem Nachprüfungsverfahren unterlegen. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Koblenz über die Nachprüfung der Vergabe war durch eine Entscheidung am 28. Oktober 2009 abgeschlossen. An diesem Tag erteilte die Klägerin der Beklagten den Zuschlag auf deren Angebot vom 15. April 2008.

12

Auch nach Erteilung des Zuschlags setzte die Beklagte für den Schülertransport Fahrzeuge ein, die weder über ein Hochdach, einen Fahrtenschreiber, eine Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift noch Schwing-/Schlagtüren verfügen.

13

Mit Schreiben vom 11.12.2009 wurde die Beklagte aufgefordert, die Verpflichtungen aus dem öffentlich ausgeschriebenen Auftrag zu erfüllen. Ihr wurde letztmals am 15. Januar 2010 eine Frist gewährt, ihre Erfüllungsbereitschaft bis zum 31. Januar 2010 zu erklären.

14

Die Klägerin trägt vor:

15

Der Beklagten sei es durchaus möglich, entweder durch Anschaffung entsprechender Neufahrzeuge oder durch Umrüstung vorhandener Fahrzeuge, die Anforderungen aus der Ausschreibung zu erfüllen. Dies zeige sich auch daran, dass an einer anderen Schule die Beförderung behinderter Kinder durch einen Mitbieter des Vergabeverfahrens durchgeführt werde, der Fahrzeuge einsetze, die die technischen Anforderungen der Ausschreibung erfüllen würden.

16

Sie könne und wolle eine Veränderung der vertraglichen Ausschreibungsbedingungen nicht hinnehmen. Die Veränderung des Vertrages sei vergaberechtswidrig. Der während des laufenden Vergabeverfahrens an die Beklagte zusätzlich vergebene Zwischen-Auftrag sei für die Verpflichtungen aus dem öffentlich ausgeschriebenen und letzten Endes vergebenen Auftrag nicht erheblich.

17

Der Einsatz von Linearliften sei für die betroffenen Schüler gefährlicher und unbequemer und bringe keinen technischen Vorteil.

18

Eine Genehmigung im Hinblick auf die nicht vorhandenen Fahrtenschreiber habe die Klägerin nicht erteilt.

19

Es sei nicht ihre Aufgabe, sich darüber Gedanken zu machen, wie die vertraglich vereinbarten Verpflichtungen zu erfüllen seien. Allerdings sei es durchaus technisch machbar, Fahrzeuge mit breiteren Schwingtüren als 60 cm zu beschaffen. Auf die Frage, ob die Beklagte in der Lage sei ihre bestehenden Fahrzeuge umzurüsten, komme es nicht an. Im übrigen sei der Einsatz von Fahrzeugen mit einer Türbreite von 60 cm im Hinblick auf die zu befördernden Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen unzureichend.

20

Die Klägerin beantragt:

21

Die Beklagte wird verurteilt, bei der Beförderung der Schülerinnen und Schüler zum Sankt-Paulus-Stift, Queichheimer Hauptstr. 237a, 76829 Landau bis zum Ablauf des 31.7.2013 Fahrzeuge einzusetzen, die - unbeschadet der sonstigen Verpflichtungen der Beklagten aus dem Schülerbeförderungsvertrag der Parteien vom 15.4./28.10.2009 - jedenfalls folgende Eigenschaften besitzt:

22

- die Fahrzeuge dürfen ausschließlich mit Schlag- oder Schwingtüren und nicht auch mit Schiebetüren ausgestattet sein.

- Die Fahrzeuge müssen mit einem Hochdach ausgestattet sein.

- Die Fahrzeuge müssen mit einem Fahrtenschreiber ausgestattet sein.

- Die Fahrzeuge müssen mit einer Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift ausgestattet sein, mit welchem Schülerinnen und Schüler im Rollstuhl in das Fahrzeug befördert werden können.

23

Die Beklagte beantragt:

24

Die Klage wird abgewiesen.

25

Sie trägt vor:

26

Gegenstand ihres Angebots sei die Beförderung der Schüler mit Fahrzeugen gewesen, die lediglich bis zu acht Sitze plus Fahrersitz aufweisen würden. Diese Liste habe sie der Klägerin vorgelegt (Anlage B 2) und diese sei Bestandteil ihres Angebots gewesen.

27

Sie habe sich mit der Klägerin für die Zeit, in der das Vergabeverfahren noch gelaufen sei, im Wege des Zwischen-Auftrages dahin gehend verständigt, dass die Schülertransporte ohne Beachtung der technischen Ausstattungsmerkmale der Fahrzeuge aus dem Mustervertrag durchgeführt werden. Dies habe nunmehr auch für den Hauptauftrag zu gelten. Das Beharren der Klägerin auf der Erfüllung des Vertrages sei mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren.

28

Die eingesetzten Linearlifte seien in preislicher Hinsicht nicht günstiger. Mit ihrem Verlangen nach einer Umrüstung der Fahrzeuge mit Hub-Schwenkliften verlange die Klägerin von ihr einen Aufwand, der in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem durch den Austausch erzielten Vorteil auf Seiten der Klägerin stehe. Sie würde bei einem Austausch der Lifte nochmals mit Kosten belastet, die sie bereits für den Einbau von Linearliften habe aufwenden müssen zuzüglich Umbaukosten. Auf Seiten der Klägerin entstünden durch den Austausch keine Vorteile. Beide technischen Varianten erfüllten uneingeschränkt und mindestens gleichwertig den Vertragszweck. Im übrigen habe sie die Fahrzeuge gerade deshalb mit Linearliften ausgestattet, um der Klägerin aus der Notsituation im Zuge der verspäteten Leistungserbringung aufgrund des Vergabeverfahrens herauszuhelfen. Dieser Zwischenauftrag habe das Schuldverhältnis der Parteien insgesamt geprägt.

29

Die Klägerin habe ihr auf einen Antrag hin im Dezember 2009 die Genehmigung erteilt, Fahrtenschreiber in den Fahrzeugen nicht einsetzen zu müssen. Dies entspreche im übrigen auch der gesetzlichen Vorgabe, wonach Fahrzeuge von Hilfsorganisationen solche Fahrtenschreiber nicht einsetzen müssten.

30

Den Einbau von Schwingtüren habe sie der Klägerin ausdrücklich in den Schreiben vom 9. Dezember 2009 und 25. Januar 2010 angeboten. Allerdings sei die Umrüstung der vorhandenen Fahrzeuge der Beklagten nur dahingehend möglich, dass eine Türbreite von 60 cm erreicht werden würde. Ein Zuschweißen der Schiebetüren - wie es die Klägerin ihr vorgeschlagen habe - sei mit § 25 Abs. 1 BO Kraft nicht zu vereinbaren. Die Beklagte hält in diesem Zusammenhang den Einbau einer Schwingtür mit einer Breite von bis zu 60 cm in jeder Hinsicht für vertragskonform. Soweit die Klägerin alternativ den Einsatz von Kraftomnibussen mit Schwingtüren vorgeschlagen habe, sei dies nicht mit der Ausschreibung zu vereinbaren, da Kraftomnibusse mit Schwingtüren erst mit einer Mindestsitzzahl von 17 Sitzen serienmäßig zu erwerben seien. Das Verhalten der Klägerin stelle sich insoweit als treuwidrig dar, als sie sich einer Mitwirkung in Form einer Abstimmung über den Inhalt der vertraglichen Leistungspflichten entziehen würde. Zwischen den Parteien sei offen, wie der Fahrzeugumbau im Hinblick auf den Austausch der Schiebetüren vorzunehmen sei. Die Klägerin verweigere sich der notwendigen Abstimmung. So fordere sie einerseits den Umbau der Fahrzeuge, andererseits lehne sie alle von ihr vorgeschlagenen, technisch allein realisierbaren Varianten ab. In wirtschaftlicher Hinsicht komme der Einsatz von Kraftomnibussen für die Beklagte nicht in Betracht. Diese seien in der Anschaffung, im Unterhalt und der Wartung deutlich teurer. Sie erforderten zudem den Einsatz von Fahrern, die über die Fahrerlaubnisklasse B verfügten.

31

Schließlich könne die Klägerin auch derzeit keinen Umbau der Fahrzeuge mit Hochdächern veranlassen, weil dies technisch in Zusammenhang stehe mit der Lösung des Problems der Schwingtüren.

32

Die Beklagte beantragt im Wege der hilfsweise erhobenen Widerklage:

33

es wird festgestellt, dass die von der Beklagten für die Beförderung der Schülerinnen und Schüler zum St.Paulus-Stift in Landau einzusetzenden Fahrzeuge mit einer seitlichen Schlag- oder Schwingtür mit einer Breite von 60 cm ausgestattet sein dürfen.

34

Die Klägerin beantragt:

35

Die Widerklage wird abgewiesen.

36

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens kann auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen werden.

Entscheidungsgründe

37

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist gegenüber der Klägerin gemäß § 241 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Ziffer 5. des Vertrages über die Durchführung der Schülerbeförderung (Anlage K1) verpflichtet, zur Erfüllung Fahrzeuge einzusetzen, die mit Schlag/Schwingtüren, einem Hochdach, einem Fahrtenschreiber und einer Hebelbühne mit hydraulischem Hub-/Schwenklift ausgestattet sind.

38

1.1. Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass auf der Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung, dem Angebot der Beklagten vom 15. April 2009 und der Erteilung des Zuschlags durch die Klägerin am 28. Oktober 2009 ein Vertrag zwischen den Parteien unter Geltung der Ausschreibungsbedingungen (Anlage K 1 zur Klageschrift vom 1. April 2010), insbesondere des Mustervertrages, zustande gekommen ist. Der Umstand, dass der Zuschlag durch die Klägerin erst nach dem in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehenen Vertragsbeginn erteilt worden ist, hindert die Wirksamkeit des Vertrages nicht (BGH, Urteil vom 11.5.2009, Aktenzeichen VII ZR 11/08, zitiert nach Juris). Weitere Gründe, die der Wirksamkeit des Vertrages entgegenstehen könnten, sind weder von der Beklagten behauptet noch ergeben sie sich aus dem Vortrag im Übrigen.

39

Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob es sich bei dem Vertrag über die regelmäßige Beförderung von Schülern um eine Rahmenvereinbarung mit Werkvertragscharakter handelt (vergleiche Palandt, vor § 631 BGB, Rn. 17a). Die dem Urteil zu Grunde liegenden Leistungspflichten ergeben sich unmittelbar aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag.

40

1.2. Schwingtüren/Schlagtüren

41

1.2.1. Die Beklagte ist aufgrund § 5.8 des Mustervertrages verpflichtet, bei der Beförderung der Schüler Fahrzeuge einzusetzen, die über Schlag- oder Schwingtüren verfügen. Hiergegen verstößt die Beklagte, soweit sie Fahrzeuge mit Schiebetüren einsetzt. Es kann der Klägerin kein Verstoß gegen eine Mitwirkungsverpflichtung angelastet werden.

42

1.2.2. Nur im rechtlichen Ausgangspunkt ist die Auffassung der Beklagten zutreffend, dass es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB sich als unzulässige Rechtsausübung darstellen kann, wenn der Gläubiger trotz erheblicher eigener Vertragsuntreue Ansprüche auf Leistung beziehungsweise wegen Nichterfüllung von Leistungspflichten geltend macht (Palandt-Grüneberg § 242 BGB, 47). Allerdings lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass sich die Klägerin vertragswidrig verhalten hätte. Insbesondere geht die Kammer nicht davon aus, dass die Klägerin eine Mitwirkungspflicht im Zusammenhang mit der Umrüstung der vorhandenen Fahrzeuge der Beklagten von Schiebetüren auf Schlagtüren trifft. Die Auffassung der Beklagten, dass sich die Klägerin im Hinblick auf "einen Austausch der Schiebetüren" (an den bestehenden Fahrzeugen) verweigert habe und deshalb eine Mitwirkungspflicht verletzt habe, vermag die Kammer schon im Ansatz nicht zu teilen. Die Auffassung der Beklagten beruht auf einem rechtlichen Missverständnis der der Ausschreibung zu Grunde liegenden Verpflichtungen, insbesondere im Hinblick auf die zum Einsatz kommende Fahrzeugflotte. Die in der Ausschreibung geforderten Leistungspflichten sind eindeutig, so dass es aus Sicht eines objektiven Dritten für die leistungspflichtige Beklagte keinerlei Klarstellungsbedarf hat geben können. Sie schuldet Fahrzeuge mit Schlagtüren oder Schwingtüren für den seitlichen Einstieg, die keine Kraftomnibusse mit mehr als 14 Sitzplätzen sind. Schon gar nicht war es Sache der Klägerin, eine weitergehende "Konfiguration der Fahrzeuge" (Seite 7 der Klageerwiderung) vorzugeben. Weder ist nach dem Wortlaut des Mustervertrages der Einsatz von Kraftomnibussen im Sinne des § 30d Abs. 1 StVZO generell verboten noch ergibt sich aus den Ausschreibungsunterlagen, dass die Beklagte berechtigt wäre, die Beförderung der Schüler allein mit Fahrzeugen vom Typ Mercedes Sprinter, VW Transporter, VW Crafter, VW Caddy durchzuführen. Soweit die Beklagte meint, dass sich ihre Leistungsverpflichtung auf die zuletzt genannten Fahrzeugtypen beschränke, weil ihr Angebot sich allein auf Fahrzeuge dieses Typs bezogen habe, vermag dies die Kammer nicht zu überzeugen. Schon aus der von der Beklagten vorgelegten Anlage B 2 ergibt sich nicht mit der hinreichenden Deutlichkeit, dass die dort aufgeführten Fahrzeuge abschließend das Angebot der Beklagten vom 31. März 2009 definieren sollten. Dies folgt aus der Angabe des Angebots selbst, wonach im Falle des Gewinns der Ausschreibung die meisten Fahrzeuge neu angeschafft werden würden. Berücksichtigt man dabei noch, dass Erklärungen in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren im Zweifel vergaberechtskonform auszulegen sind (BGH NZBau 2009, 771 und NZBau 2011, 155f) und sich eine Beschränkung des Angebots der Beklagten auf Kleinbusse als unzulässige Beschränkung der Verdingungsunterlagen darstellen würde (vgl. hierzu OLG Düsseldorf NZBau 2007, 600ff), die gemäß den §§ 21, 25 VOL/A (in der Fassung vom 6.4.2006) zu einem Ausschluss des Angebots der Beklagten im Vergabeverfahren geführt hätte, kann den Erklärungen der Beklagten im Vergabeverfahren nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass hierdurch, die eindeutigen Vorgaben in den Verdingungsunterlagen, die auch den Einsatz von Kraftomnibussen vorgesehen haben, geändert worden sind. Daher stellt sich nicht das Verhalten der Klägerin, vielmehr das Festhalten der Beklagten an den bisher eingesetzten Kleinbussen als vertragswidrig dar.

43

1.2.3. Der Hinweis der Beklagten auf § 25 BO Kraft erweist sich schon vom rechtlichen Ansatz her als nicht zutreffend. Gemäß § 1 Abs. 2 BO Kraft findet diese Vorschrift bei Fahrzeugen, die für die Beförderung von Schülern oder Behinderten eingesetzt werden, keine Anwendung (§ 1 Abs. 4 d) und g) der Freistellungs-VO).

44

1.2.4. Mit ihrem Begehren verlangt die Klägerin von der Beklagten auch nicht, was dieser - sei es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB oder unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit gemäß § 635 BGB - unzumutbar wäre. Im Werkvertragsrecht ist von einer Unzumutbarkeit der Nacherfüllung für den Schuldner dann auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung bei Abwägung aller Umstände in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem bei der Beseitigung des Mangels erzielbaren Erfolg stehen (BGHZ 59,367) dabei steht weniger die absolute Höhe der Kosten im Vordergrund, sondern vorrangig das Interesse des Auftraggebers an der durch die Beseitigung des fehlerhaften Zustandes erreichbaren Verbesserungen. Besteht ein erhebliches Leistungsinteresse des Bestellers, ist dieses insbesondere objektiv berechtigt, scheidet der Einwand des § 635 Abs. 3 BGB in der Regel aus (BGH NJW 2002, 661). Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann vorliegend nicht von einer unzumutbaren Belastung der Beklagten bei Erbringung der Leistung ausgegangen werden. Der Umstand, dass möglicherweise handelsübliche Fahrzeuge zur Erfüllung der Vertragsbedingungen nicht verfügbar sind, sondern Umbaumaßnahmen, beispielsweise das Entfernen von Sitzen aus Kraftomnibussen erforderlich werden, erscheint im vorliegenden Fall der Beklagten durchaus zumutbar. Denn auch hinsichtlich der bei ihr vorhandenen Fahrzeugflotte räumt die Beklagte selbst ein, dass diese zur Erfüllung der vertraglichen Voraussetzungen ebenfalls umgebaut werden müssten (Blatt 3 der Klageerwiderung). Der Umstand, dass zur vertragskonformen Leistungserbringung möglicherweise die Neuanschaffung von Fahrzeugen erforderlich wird, ist der Beklagten bereits im Ausschreibungsverfahren - wie sie selbst in Anlage B2 vorträgt - bekannt gewesen, kommt daher für sie nicht überraschend und erscheint unter keinem Gesichtspunkt unzumutbar.

45

Soweit die Beklagte weiter meint, dass der Klägerin kein objektiv berechtigtes Interesse an der Umrüstung der bestehenden Fahrzeuge zustehe, greift dies zu kurz. Dabei berücksichtigt die Beklagte nicht ausreichend, dass die Klägerin als öffentlicher Auftraggeber schon im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbes darauf zu achten hat, dass die Vorgaben einer öffentlichen Ausschreibung eingehalten werden.

46

1.3. Hochdach

47

Die Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass sie auf Grund von § 5.8 des Vertrages verpflichtet ist, zur Schülerbeförderung Fahrzeuge mit einem Hochdach einzusetzen. Sie ist in diesem Punkt gegenüber der Klägerin zur Leistung verpflichtet, ohne dass sie sich darauf berufen könnte, dass ihrer Leistung ein Leistungshindernis entgegenstünde. Der Einwand der Beklagten, dass sie einen solchen Umbau der vorhandenen Fahrzeuge zurückstellen müsse, bis über die Beschaffenheit der Türen Klarheit bestehe, erscheint nichtdurchgreifend. Auch in diesem Punkt geht die Beklagte in rechtlich fehlerhafter Würdigung der vertraglichen Vereinbarung davon aus, dass der Umbau der in ihrem Bestand vorhandenen Fahrzeugflotte zur Erfüllung des Vertrages erforderlich wäre. Tatsächlich ist die Beklagte möglicherweise sogar verpflichtet, zur Erfüllung des Vertrages mit der Klägerin neue, vertragskonforme Fahrzeuge anzuschaffen, wie sie dies im Übrigen selbst auf Anlage B 2 im Angebotsstadium des Vergabeverfahrens angekündigt hat (siehe hierzu 1.2.).

48

1.4. Fahrtenschreiber

49

Gemäß § 5.8 schuldet die Beklagte der Klägerin den Einsatz von Fahrzeugen mit Fahrtenschreibern. Ob hierfür eine gesetzliche Verpflichtung bei Hilfsorganisationen wie der Beklagten besteht, kann vorliegend dahinstehen, da die Parteien - möglicherweise über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehend - sich hier zur Erfüllung im Sinne der Klägerin vertraglich verpflichtet haben.

50

Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, dass die Parteien einvernehmlich das Vertragsverhältnis dahin gehend abgeändert hätten, dass die Klägerin der Beklagten auf deren Antrag vom 9. Dezember 2009 ihm die Genehmigung erteilt habe, Fahrtenschreiber nicht verwenden zu müssen (Seite sieben der Klageerwiderung), hat die Beklagte diesen, von der Klägerin bestrittenen Vortrag nicht unter Beweis gestellt und bleibt in diesem Punkt daher beweisfällig. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die Parteien im Bezug auf diesen Punkt den Vertrag geändert hätten.

51

1.5. Hub-/Schwenklift

52

1.5.1. Schließlich ist die Beklagte auch verpflichtet, im Einsatz der Fahrzeuge für den Schülertransport dafür Sorge zu tragen, dass die eingesetzten Fahrzeuge mit einer Hebebühne mit hydraulischem Schwenklift ausgestattet sind. Eine solche Verpflichtung ergibt sich eindeutig aus § 5.14 des Mustervertrages. Eine Abänderung dieser Leistungsverpflichtung hat weder in der Zeit bis zum verspäteten Zuschlag stattgefunden, noch erweist sich das Begehren der Klägerin in diesem Punkt als für die Beklagte unzumutbar.

53

1.5.2. Soweit die Beklagte meint, dass sie wegen des in der Zeit vom 1. August 2009 bis 28. Oktober 2009 durchgeführten Interims-Auftrag berechtigt sei, auch nach Ende dieses Auftrags, namentlich nach Erteilung des Zuschlags im Verfahren der öffentlichen Ausschreibung für den Hauptauftrag, die Fahrzeuge, die sie für den Interims-Auftrag angeschafft hat, einzusetzen, vermag dies die Kammer nicht zu überzeugen. Zutreffend weist die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sie keinerlei Vertrauenstatbestand für die Beklagte dahingehend geschaffen hat, dass sie die während des Interims-Auftrages eingesetzten Fahrzeuge auch zur Erfüllung der Leistungspflichten aus dem Mustervertrag einsetzen dürfe. Keineswegs stellt sich in diesem Zusammenhang der Vortrag der Beklagten als richtig heraus, wonach diese der Klägerin aus einer Notsituation heraus geholfen haben will. Vielmehr ergibt sich, wie die Klägerin durch Vorlage der Ausschreibungsunterlagen hat nachvollziehbar belegen können, dass auch der Interimsauftrag im Wege einer öffentlichen Ausschreibung vergeben worden ist. Bei dieser öffentlichen Ausschreibung hat die Klägerin gegenüber allen Bietern hinreichend deutlich gemacht, dass sie zwar für die Interims-Phase bereit wäre, auch andere Lifte hinzunehmen, dass sich aber damit an der Verpflichtung aus dem Hauptauftrag gemäß Mustervertrag nichts ändert (vergleiche Blatt 103 der Akte). Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten ist auch durch die verzögerte Vergabe damit nicht geschaffen worden.

54

1.5.3. Schließlich erscheint auch in diesem Punkt die Leistungserbringung der Beklagten keineswegs unzumutbar. Soweit die Beklagte geltend macht, dass die von ihr eingesetzten Lift-Systeme moderner seien und auch die einschlägigen Normen erfüllten, lässt sich hieraus eine Unzumutbarkeit nicht herleiten. Denn auch in diesem Zusammenhang überragt das Leistungsinteresse der Klägerin bei weitem das Interesse der Beklagten an der Fortführung der vertragswidrigen Leistung. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann in soweit auf die Ausführungen aus Ziffer 1.2.4 verwiesen werden.

55

1.6. Der Erfüllung der im einzelnen unter 1.2. bis 1.5. dargestellten Verpflichtungen ist die Beklagte bisher nach unstreitigem Vorbringen nicht nachgekommen.

56

2. Die Widerklage ist gemäß den §§ 33, 256 ZPO zulässig. Nachdem die Kammer der Klage umfassend stattgegeben hat, ist die innerprozessuale Bedingung der Hilfswiderklage eingetreten, so dass deren Berechtigung zu prüfen ist.

57

Die zulässige Widerklage ist nicht begründet. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin verpflichtet wäre, zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten der Beklagten den Einsatz von Kraftfahrzeugen zu akzeptieren, die mit Schlag-/Schwingtüren mit einer Breite von allenfalls 60 cm ausgestattet sind. Eine solche Verpflichtung entspricht nicht der vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Die Ausstattung der Fahrzeuge mit einem Zugang, der lediglich 60 cm breit ist widerspricht § 5.1 des Vertrages. Nach dieser Regelung hat die Beklagte als Unternehmer zu berücksichtigen, dass die von ihr beförderten Schüler in ihrer Motorik beeinträchtigt sind und daher nur bedingt deshalb ständig in das Fahrzeug ein- und aussteigen können. Zutreffend erkennt auch die Beklagte, dass es jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Vertragszweckes eine Selbstverständlichkeit darstellt, nur solche Fahrzeuge einzusetzen die für eine ordnungsgemäße Beförderung der Schülerinnen und Schüler geeignet sind (Seite 15 der Klageerwiderung). Soweit die Beklagte behauptet hat, dass Fahrzeuge mit einem seitlichen Eingang mit einer Breite von 60 cm zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten geeignet wären, bedarf es einer Beweisaufnahme über diese - seitens der Klägerin bestrittenen - Behauptung nicht. Es ist gerichtsbekannt (§ 291 ZPO), dass ein Fahrzeug mit einer seitlichen Öffnung von 60 cm für einen Behindertentransport ungeeignet ist. Die Kammer hat im Termin zur mündlichen Verhandlung die für das Betreten des Fahrzeuges zur Verfügung stehende Breite anhand eines 60 cm breiten Seiles demonstriert. Bereits bei einfacher Betrachtung des sich zeigenden Maßes konnte auch ohne Einschaltung eines Sachverständigen erkennbar werden, dass ein erwachsener Mensch ohne Handicap nicht problemlos sich durch einen solchen Zugang Zutritt zum Fahrzeug verschaffen kann.Die Kammer sieht sich dazu in der Lage, hieraus erst recht zu folgern, dass einem in seiner Motorik eingeschränkten Menschen bei einer 60 cm breiten Öffnung das Betreten eines Transportfahrzeuges wesentlich erschwert würde.

58

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.

Haben sich die Parteien bei einem Vertrag, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung getroffen werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt, so gilt das Vereinbarte, sofern anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen sein würde.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

13
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es eine gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A unzulässige Änderung an den Verdingungsunterlagen, wenn das Angebot eines Bieters eine Vorgabe des Leistungsverzeichnisses nicht einhält. Eine solche Abweichung führt - jedenfalls in der Regel - zwingend zum Ausschluss des Angebots von der Wertung gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A (vgl. nur Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 85/97, NJW 1998, 3634; Beschl. v. 18.02.2003 - X ZB 43/02, NZBau 2003, 293, 295 f.; zuletzt Urt. v. 24.05.2005 - X ZR 243/02, NZBau 2005, 703). Bei einer funktionalen Ausschreibung tritt an die Stelle des Leistungsverzeichnisses das Leistungsprogramm. Eine Abweichung von dessen verbindlichen Vorgaben stellt nicht anders als eine Abweichung vom Leistungsverzeichnis eine Änderung an den Verdingungsunterlagen dar.

(1) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erläßt mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die zur Durchführung dieses Gesetzes, internationaler Abkommen sowie der Verordnungen des Rates oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erforderlichen Vorschriften

1.
über Straßenbahnen und Obusse; diese regeln
a)
Anforderungen an den Bau und die Einrichtungen der Betriebsanlagen und Fahrzeuge sowie deren Betriebsweise,
b)
die Sicherheit und Ordnung des Betriebs sowie den Schutz der Betriebsanlagen und Fahrzeuge gegen Schäden und Störungen;
2.
über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr; diese regeln
a)
Anforderungen an den Bau und die Einrichtungen der in diesen Unternehmen verwendeten Fahrzeuge,
b)
die Sicherheit und Ordnung des Betriebs;
3.
über Anforderungen an die Befähigung, Eignung und das Verhalten der Betriebsbediensteten und über die Bestellung, Bestätigung und Prüfung von Betriebsleitern sowie deren Aufgaben und Befugnisse;
4.
über den Nachweis der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 13 Absatz 1 oder 1a; darin können insbesondere Vorschriften enthalten sein über die Voraussetzungen, unter denen ein Betrieb als leistungsfähig anzusehen ist, über die Zuverlässigkeit des Unternehmers oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Personen sowie über die Voraussetzungen, unter denen eine Tätigkeit angemessen ist, über den Prüfungsstoff, den Prüfungsausschuß und das Prüfungsverfahren; außerdem kann bestimmt werden, in welchen Fällen Unternehmer, Inhaber von Abschlußzeugnissen für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe und Absolventen von Hoch- und Fachschulen vom Nachweis der angemessenen Tätigkeit oder der Ablegung einer Prüfung befreit werden;
5.
über einheitliche Allgemeine Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie für den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen und, vorbehaltlich des § 51 Abs. 1 Satz 1, für den Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen;
6.
über die Ordnung des grenzüberschreitenden Verkehrs und des Transitverkehrs, die Organisation einschließlich der Klärung konkurrierender Zuständigkeiten, das Verfahren und die Mittel der Kontrolle sowie die Befreiung von Unternehmen mit Betriebssitz im Ausland von der Genehmigungspflicht für den Gelegenheitsverkehr oder von der Einhaltung anderer Ordnungsvorschriften dieses Gesetzes, soweit Gegenseitigkeit verbürgt ist;
7.
(weggefallen)
8.
durch die für bestimmte im Rahmen des Gesamtverkehrs nicht besonders ins Gewicht fallende Beförderungsfälle allgemein Befreiung von den Vorschriften dieses Gesetzes erteilt wird;
9.
die bestimmen, wer Auszubildender im Sinne des § 45a Abs. 1 ist, welche Kostenbestandteile bei der Berechnung des Ausgleichs zu berücksichtigen sind, welches Verfahren für die Gewährung des Ausgleichs anzuwenden ist, welche Angaben der Antrag auf Gewährung des Ausgleichs enthalten muß und wie die Erträge und die Personen-Kilometer zu ermitteln sind;
10.
die die gebührenpflichtigen Tatbestände im Linienverkehr und im Gelegenheitsverkehr näher bestimmen und feste Gebührensätze oder Rahmensätze festlegen. Die Gebühren dürfen im Linienverkehr 2 500 Euro, im Gelegenheitsverkehr 1 500 Euro nicht überschreiten;
11.
zur Bezeichnung der Tatbestände, die als Ordnungswidrigkeit nach § 61 Abs. 1 Nr. 5 geahndet werden können;
12.
über die in § 3a genannte Verpflichtung zur Bereitstellung dort genannter Daten durch den Unternehmer und den Vermittler sowie zu deren Verwendung hinsichtlich
a)
Art und Inhalt der bereitzustellenden Daten und Datenformate,
b)
Art und Weise der Erfüllung,
c)
technischen Anforderungen und Interoperabilität,
d)
Zulassung von Dritten zur Bereitstellung und Nutzung des Nationalen Zugangspunktes,
e)
Nutzungsbedingungen und
f)
Regelungen zur Weiterverwendung der Daten durch Dritte zur Bereitstellung multimodaler Mobilitäts- und Reiseinformationsdienste
näher auszugestalten. Hierbei ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik anzuhören, soweit die Sicherheit informationstechnischer Systeme betroffen ist.

(2) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Nr. 1 können auch Vorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes enthalten; dabei können Immissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung auch für einen Zeitpunkt nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung festgesetzt werden. Vorschriften nach Satz 1 werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit erlassen. Die Ermächtigung nach Satz 1 gilt nicht, soweit § 43 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Anwendung findet.

(3) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Nr. 1 können auch festlegen, wie der Nachweis für die Erfüllung dieser Vorschriften zu erbringen ist, insbesondere welche Prüfungen, Abnahmen, Erlaubnisse, Zustimmungen oder Bescheinigungen erforderlich sind.

(4) Soweit es die öffentliche Sicherheit erfordert, können einzelne Vorschriften der nach Absatz 1 Nr. 2 erlassenen Rechtsverordnung auf Beförderungen ausgedehnt werden, die nach § 2 von der Genehmigungspflicht befreit sind oder für die durch die nach Absatz 1 Nr. 8 erlassene Rechtsverordnung Befreiung erteilt wird.

(5) (weggefallen)

(6) Im Bereich der Gebühren der Landesbehörden übt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Ermächtigung nach Absatz 1 Nummer 10 auf der Grundlage eines Antrags oder einer Stellungnahme von mindestens fünf Ländern beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur aus. Der Antrag oder die Stellungnahme sind mit einer Schätzung des Personal- und Sachaufwands zu begründen. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur kann die übrigen Länder ebenfalls zur Beibringung einer Schätzung des Personal- und Sachaufwands auffordern.

(1) Taxen und Mietwagen müssen mindestens auf der rechten Längsseite zwei Türen haben.

(2) Taxen und Mietwagen müssen mit einer Alarmanlage versehen sein, die vom Sitz des Fahrzeugführers aus in Betrieb gesetzt werden kann. Die Alarmanlage muß die Hupe zum Tönen in Intervallen und die Scheinwerfer sowie die hinteren Fahrtrichtungsanzeiger zum Blinken bringen. Zusätzlich kann das Taxenschild nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 - auch mittels eingebauter roter Leuchtdioden - zum Blinken gebracht werden.

(3) Taxen und Mietwagen können mit einer Trennwand ausgerüstet sein, die zum Schutz des Fahrzeugführers ausreichend kugelsicher ist. Die Trennwand soll entweder zwischen den Vorder- und Rücksitzen angebracht sein oder den Sitz des Fahrzeugführers von den Fahrgastplätzen abteilen; sie darf versenkbar oder so beschaffen sein, daß ein Teil seitlich verschoben werden kann.

(1) Die Verordnung gilt für Unternehmen, die Fahrgäste mit Kraftfahrzeugen oder Obussen befördern, soweit sie den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes unterliegen.

(2) Die §§ 2, 3, 6 bis 9, §§ 14 bis 19, 20 Abs. 1 Nr. 1, §§ 21, 22, 33 Abs. 4 und 5, §§ 41, 42, § 45 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5 Buchstaben b bis f, o, r und s, Abs. 2 Nr. 1, 4, 5 Buchstaben a und c, Nr. 6, § 47 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 gelten entsprechend bei Beförderungen nach § 1 Nr. 4 Buchstaben d, g und i der Freistellungs-Verordnung vom 30. August 1962 (BGBl. I S. 601), die zuletzt durch Artikel 1 der Zweiten Verordnung zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1989 (BGBl. I S. 1273) geändert worden ist, sofern dabei Kraftfahrzeuge verwendet werden, die nach Bauart und Ausstattung zur Beförderung von mehr als sechs Personen (einschließlich Fahrzeugführer) geeignet und bestimmt sind. Als Genehmigungsbehörde im Sinne dieser Vorschriften gilt diejenige Behörde, die im Falle einer Nichtfreistellung von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes zuständig wäre.

(1) Taxen und Mietwagen müssen mindestens auf der rechten Längsseite zwei Türen haben.

(2) Taxen und Mietwagen müssen mit einer Alarmanlage versehen sein, die vom Sitz des Fahrzeugführers aus in Betrieb gesetzt werden kann. Die Alarmanlage muß die Hupe zum Tönen in Intervallen und die Scheinwerfer sowie die hinteren Fahrtrichtungsanzeiger zum Blinken bringen. Zusätzlich kann das Taxenschild nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 - auch mittels eingebauter roter Leuchtdioden - zum Blinken gebracht werden.

(3) Taxen und Mietwagen können mit einer Trennwand ausgerüstet sein, die zum Schutz des Fahrzeugführers ausreichend kugelsicher ist. Die Trennwand soll entweder zwischen den Vorder- und Rücksitzen angebracht sein oder den Sitz des Fahrzeugführers von den Fahrgastplätzen abteilen; sie darf versenkbar oder so beschaffen sein, daß ein Teil seitlich verschoben werden kann.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Verlangt der Besteller Nacherfüllung, so kann der Unternehmer nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen.

(2) Der Unternehmer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

(3) Der Unternehmer kann die Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.

(4) Stellt der Unternehmer ein neues Werk her, so kann er vom Besteller Rückgewähr des mangelhaften Werkes nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen.

(1) Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.

(2) Dies gilt nicht, wenn für eine Klage wegen des Gegenanspruchs die Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 40 Abs. 2 unzulässig ist.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.