Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 18. Dez. 2014 - 3 M 497/14

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2014:1218.3M497.14.0A
bei uns veröffentlicht am18.12.2014

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

2

Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht davon aus, die Antragsgegnerin habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht gemäß den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Diesen Anforderungen genügt jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 02.09.2014 - 2 M 41/14 -, juris m. w. N.).

3

Die Antragsgegnerin hat zur Begründung des Sofortvollzuges ausgeführt, dass aufgrund des bisherigen Verhaltens der Antragstellerin zu vermuten sei, dass dem Befahren des R-Sees mit verbrennungsmotorbetriebenen Wassersportgeräten an Sonn- und Feiertagen absehbar nicht entgegengewirkt werden könne. Allein von einem Jetboot gehe bei seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch (helles intensives Aufheulen des Motors) eine erhebliche Lärmbeeinträchtigung für die Anwohner zur sonn- und feiertäglichen Unzeit aus. Hinzu komme, dass vorliegend zum wiederholten Male jeweils mehrere Jetboote gleichzeitig in der Art spontaner Wettkämpfe zur Nutzung gekommen seien. Dies sei hinsichtlich der Lärmbeeinträchtigung nicht hinnehmbar. Zudem finde in einschlägigen Internetforen die Bereitschaft des Eigentümers, den R-See gegen ein Entgelt entsprechend nutzen zu dürfen, bereits „überregionale örtliche Verbreitung“. Einer solchen Verfestigung und latenten Ausweitung der Nutzungs- und Lärmintensität unter dem Mantel der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels könne effektiv nur durch Sofortvollzugsanordnung begegnet werden.

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Diese Überlegungen sind für das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend. Welche gewichtigen Individualinteressen demgegenüber zugunsten der Antragstellerin durchschlagen sollen, hat diese nicht hinreichend konkret dargelegt. Dass die Einschätzung der Antragsgegnerin maßgeblich aus der vorherigen Begründung für die zu vollziehende Maßnahme selbst hergeleitet wird, liegt im Gefahrenabwehrrecht in der Natur der Sache und begegnet im Hinblick auf das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keinen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Begründung der Vollzugsanordnung (vgl. zu den typischen Interessenlagen im Gefahrenabwehrrecht: OVG Münster, Beschl. v. 05.01.2012 - 4 B 1250/11 -, juris; VGH Mannheim, Beschl. v. 20.09.2011 - 10 S 625/11 -, juris).

5

Im Rahmen des Verfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist eine regelmäßig an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierte Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts verschont zu bleiben, mit dem öffentlichen Vollzugsinteresse vorzunehmen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand erweist sich die Erfolgsaussicht des Widerspruchs der Antragstellerin als offen, weil auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens fraglich ist, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein behördliches Einschreiten gemäß § 13 SOG LSA erfüllt sind. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit bzw. Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 25. Juli 2014 ist indes ebenso wenig feststellbar.

6

Gemäß § 13 SOG LSA kann die Sicherheitsbehörde die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren. Eine Gefahr ist nach § 3 Nr. 3 Buchst. a SOG LSA eine konkrete Gefahr, das heißt eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird. Die vor Schaden zu bewahrende öffentliche Sicherheit umfasst nach § 3 Nr. 1 SOG LSA die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie des Bestandes, der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt.

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Die polizeiliche Generalklausel des § 13 SOG LSA kann jedoch nur zur Anwendung gelangen, wenn nicht spezialgesetzliche Regelungen dieser Vorschrift vorgehen. Die Antragsgegnerin hat mit der Antragserwiderung selbst ausgeführt, dass es sich bei der Wasserfläche des R-Sees, welche zumindest zeitweilig mit einem Bojenkurs versehen ist und von den Wassermotorrädern i. S. v. § 1 Nr. 3 der Verordnung über das Fahren mit Wassermotorrädern auf den Binnenschifffahrtsstraßen vom 31. Mai 1995 (Wassermotorräder-Verordnung, BGBl I S. 769, zuletzt geändert durch Verordnung v. 16.12.2011, BGBl. 2012 I S. 2) befahren wird, nach ihrer Auffassung um eine Motorsportanlage i. S. d. der Ziffer 10.17.2 des 1. Anhangs zur 4. BImSchV handelt, welche gemäß § 4 BImSchG vor Aufnahme des Betriebes einer Genehmigung bedarf. Wird eine solche Anlage ohne die erforderliche Genehmigung betrieben, soll die zuständige Immissionsschutzbehörde gemäß § 20 Abs. 2 BImSchG die Stilllegung bzw. Beseitigung der Anlage anordnen. Gemäß Ziffer 9 der Anlage 2 der Verordnung über die Regelung von Zuständigkeiten im Immissionsschutz-, Gewerbe- und Arbeitsschutzrecht sowie in anderen Rechtsgebieten vom 14. Juni 1994 (ZustVO GewAIR, GVBl. LSA, S. 636, zuletzt geändert durch § 17 Absatz 6 des Gesetzes vom 07.08.2014 GVBl. LSA S. 386, 389) sind bei Anordnungen hinsichtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nicht die örtlichen Ordnungsbehörden, sondern die Landkreise sowie das Landesverwaltungsamt bzw. Landesamt für Geologie und Bergwesen zuständig. Ungeachtet der Frage der behördlichen Zuständigkeit steht nach der nur gebotenen summarischen Prüfung nicht zweifelsfrei fest, ob es sich bei der mit einem Bojenkurs versehenen Wasserfläche auf dem R-See um eine Renn- oder Teststrecke i. S. d. der Ziffer 10.17 des 1. Anhangs zur 4. BImSchV als ständige Anlage (Ziffer 10.17.1) oder - hier nur einschlägig - zur Übung oder Ausübung des Motorsports an fünf Tagen oder mehr je Jahr (Ziffer 10.17.2) handelt. Unter „Motorsport“ i. S. d. Vorschrift versteht man die Sportarten, bei denen sich der Sportler mit Hilfe eines verbrennungsmotorbetriebenen Gerätes fortbewegt, worunter auch die Wassermotorräder (Kleinfahrzeuge, die als Personal Water Craft wie „Wasserbob“, „Wasserscooter“, „Jetbike“ oder „Jetski“ bezeichnet werden, vgl. § 1 Nr. 3 Wassermotorradverordnung) fallen. Ferner muss es sich um die Übung bzw. Ausübung von Sport, d. h. auch Freizeitsport, nicht hingegen um Freizeitvergnügen, handeln, wobei von dem herkömmlichen, eher weit zu fassenden Begriff des Sports auszugehen ist. Dieser ist gekennzeichnet durch einen gewissen körperlichen oder geistigen Einsatz, Anstrengung und dergleichen. Nicht erforderlich ist die wettkampfmäßige Ausübung, d. h. ein Kräftemessen mit Dritten (vgl. Hansmann/Röckinghausen in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand August 2013, Anhang 1 zur 4. BImSchV zu Nummer 10 Rdnr. 6). Mangels hinreichender Feststellungen insbesondere zur Art der Nutzung des Sees durch die Jetskifahrer kann nicht abschließend beurteilt werden, ob es sich um eine Anlage zur Ausübung des Motorsports handelt.

8

Es lässt sich andererseits auch nicht eindeutig feststellen, ob es sich - wie die Antragstellerin meint - bei der streitgegenständlichen Seefläche um eine Anlage i. S. d. Sportanlagenlärmschutzverordnung (Achtzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - 18. BImSchV -, v. 18.07.1991, BGBl. I S. 1588, zuletzt geändert durch Verordnung v. 09.02.2006, BGBl. I S. 324) handelt. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV sind Sportanlagen ortsfeste Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die zur Sportausübung bestimmt sind. Damit wird zwar die Notwendigkeit der Zweckbestimmung der Anlage für den Sport hervorgehoben, der immissionsschutzrechtliche Sportbegriff jedoch nicht definiert. Insbesondere gibt § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV nichts dafür her, dass er sämtliche Erscheinungsformen körperlich-spielerischer Aktivität vom kindlichen Spielen bis zum berufsmäßig betriebenen Leistungssport erfasst. Die Beschreibung des Anwendungsbereichs der Verordnung sowie die in ihrem § 3 der 18. BImSchV vorgesehenen Maßnahmen lassen erkennen, dass sich der Verordnungsgeber am Leitbild einer Sportanlage orientiert hat, die dem Vereinssport, Schulsport oder vergleichbar organisiertem Freizeitsport dient. Anlass für den Erlass der Verordnung war nicht in erster Linie die Absicht, organisierten Wettkampfsport, sondern den von der Bevölkerung ausgeübten Breitensport zu privilegieren. Der Verordnungsgeber ging davon aus, dass „Kinderspielplätze und freizeitsportliche Aktivitäten auf Sportgelegenheiten wie Wegen, Plätzen, Spielstraßen und Freiflächen ... nicht erfasst“ werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.02.2003 - 7 B 88.02 -, juris unter Hinweis auf BR-Drs. 17/91 S. 35 f.). Zur Sportausübung bestimmt ist eine Anlage, wenn sie primär, d.h. von ihrem Hauptzweck her der Durchführung von Wettkampfsport und/oder der körperlichen Ertüchtigung dienen soll. Daher gilt die Verordnung nicht für so genannte „Sportgelegenheiten”. Hierunter versteht man Flächen, die nicht primär sportlichen Zwecken zu dienen bestimmt sind, die jedoch eine sportliche Nutzung zulassen. Hierzu zählen (Spiel-)Straßen, Plätze, Parkanlagen, sonstige freie Flächen (Parkplätze), auf denen Sport ausgeübt werden kann (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 27.09.2004 - 3 S 1719/03 -, juris; Ketteler, NVwZ 2002, 1070, 1072). Gemessen an diesen Maßstäben ist fraglich, ob es sich bei dem R-See, welcher nach den vorliegenden Akten bis auf den Bojenkurs keine weiteren besonderen Einrichtungen für das Befahren der Wasserfläche mit Wassermotorrädern aufweist, um eine zur Sportausübung bestimmte Anlage i. S. d. § 1 der 18. BimSchV handelt.

9

Wenn die hier streitgegenständliche Seefläche nicht als Sportanlage im Sinne der 18. BImSchV angesehen werden kann, kann derzeit gleichfalls nicht abschließend beurteilt werden, ob die Zumutbarkeit der hier in Rede stehenden, von Wassermotorrädern ausgehenden Lärmimmissionen abschließend anhand von verbindlichen Grenz- oder Richtwerten anderer lärmtechnischer Regelwerke wie der TA Lärm (6. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz - Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm, vom 26.08.1998, GMBl. S. 503) oder der Freizeitlärm-Richtlinie des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) in der 1995 verabschiedeten Fassung (abgedruckt in NVwZ 1997, 469) beurteilt werden kann. Gemäß Ziffer 1 Buchst. a) und b) TA Lärm ist diese weder auf Sportanlagen, die der 18. BImSchV unterliegen, noch auf sonstige nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlagen anwendbar. Zwar sind gemäß Nr. 1 der LAI-Freizeitlärm-Richtlinie Freizeitanlagen Anlagen, die dazu bestimmt sind, von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt zu werden, was für eine Anwendung auch für die hier streitige Seefläche sprechen könnte. Die in Nr. 1 der Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten Regelbeispiele für ihre Anwendbarkeit zeigen jedoch, dass die Richtlinie in erster Linie größere Freizeitanlagen mit technischen Einrichtungen und einem entsprechenden Störungspotential im Blick hat (z. B. Freilichtbühnen, Freizeitparks, Vergnügungsparks, Abenteuer-Spielplätze, Erlebnisbäder), was ihre Anwendung auf die hier streitgegenständliche Seefläche als fraglich erscheinen lässt. Insgesamt unterliegen (allgemeine) Freizeitanlagen einer (wesentlich) strengeren Beurteilung als Sportanlagen, da die 18. BImSchV den Sport - angesichts seiner gesellschaftlichen Bedeutung - gegenüber sonstigen Freizeitaktivitäten privilegiert (vgl. zu unterschiedlichen Maßstäben der 18. BImSchV und der Freizeitlärm-Richtlinie: Numberger, NVwZ 2002, 1064). Eine hinreichend valide Beurteilung der Einwirkungen der von den Wassermotorrädern ausgehenden Lärmemissionen auf das sich in einer Entfernung von ca. 200 Meter an das südliche Ufer des R-Sees anschließende Wohngebiet des Ortsteiles G. ist zudem nicht möglich, weil seitens der Antragsgegnerin zwar einzelne Messungen der Lärmemissionen durchgeführt worden sind, ein umfassendes schalltechnisches Gutachten jedoch bisher nicht vorliegt.

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Einen Anhaltspunkt für die Zumutbarkeit der von Wassermotorrädern ausgehenden Lärmemissionen kann allerdings auch die auf einer Verwaltungsvorschrift des Bundesverkehrsministeriums beruhenden Verwaltungspraxis der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen bei der Festlegung von geeigneten Wasserflächen auf Bundeswasserstraßen für den Betrieb von Wassermotorrädern bieten, wonach der Mindestabstand zwischen einer Strecke für den Betrieb von Wassermotorrädern und von Wohnbebauung 600 Meter betragen soll(veröffentlicht unter: www.wsa-trier.de/schifffahrt/freizeitschifffahrt/wasserski/pdf/Wassermotorraederverordnung-2005.pdf).

11

Nach den vorliegenden Unterlagen lässt sich allerdings nicht ernsthaft bestreiten, dass vom Betrieb der Wassermotorräder auf dem R-See erhebliche Lärmemissionen ausgehen, welche auf die südlich des Sees vorhandene Wohnbebauung einwirkt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin lässt nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit nur vereinzelte Beschwerden von Anwohnern gegeben hat. Nach den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen hat es insbesondere seit Frühjahr und Sommer 2014 wiederholt - auch an Sonn- und Feiertagen - Beschwerden von Anwohnern des an den See grenzenden Ortsteiles G. gegeben, die dann zur Gründung einer Bürgerinitiative geführt haben („Bürger wehren sich gegen Jetski-Lärm“, Mitteldeutsche Zeitung vom 6. Juni 2014). Bei den Verfahrensakten befindet sich eine Sammelpetition von 111 (der 1238) Einwohner des Ortsteiles G., welche sich gegen die von den Wassermotorrädern ausgehenden Lärmemissionen wenden. Als besonders störend werden offensichtlich die ausgeprägten Frequenz- und Schallpegelveränderungen empfunden, die durch den ständigen Wechsel von Beschleunigung (Aufheulen der Motoren) und Abbremsen der Wasserfahrzeuge auf der Seefläche hervorgerufen werden. Sie sind von der Antragsgegnerin substantiiert geschildert worden. Derartige auffällige und sich über einen längeren Zeitraum erstreckende ausgeprägte Schwankungen der Frequenz und des Schallpegels wirken regelmäßig im Sinne einer Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 23.04.2002 - 10 S 1502/01 -, juris, zu Emissionen einer Kartbahn).

12

Geht man mithin vorliegend davon aus, dass die vom Grundstück der Antragstellerin ausgehenden Lärmemissionen im Hinblick auf eine jedenfalls an Sonn- und Feiertagen nicht zumutbare Lärmbelastung für die in der Nähe des R-Sees lebende Wohnbevölkerung und daher eine Gefahr i. S. d. § 3 SOG LSA darstellt, kann die Antragstellerin nach der nur gebotenen summarischen Prüfung ermessenfehlerfrei als Zustandsverantwortliche i. S. d. § 8 Abs. 1 SOG LSA herangezogen werden. Die durch § 8 Abs. 1 SOG LSA (bzw. den darin zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsatz) begründete Zustandsverantwortlichkeit des jeweiligen Eigentümers bezieht sich auf die Sache oder Sachgesamtheit. Der Verantwortliche haftet, wenn eine von ihm beherrschte Sache in einen polizei- oder ordnungswidrigen Zustand gerät. Unter einem solchen Zustand ist einmal die Beschaffenheit der Sache selbst zu verstehen; zum anderen ist damit auch ihre Lage im Raum gemeint. Die Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers beruht auf der besonderen Verbindung mit dem „Gefahrenherd“, die demjenigen, der über die Sache verfügen kann, die Möglichkeit der Einwirkung darauf gibt. Da die Ordnungspflicht des Zustandsstörers allein an die Möglichkeit der Einwirkung auf den Gefahrenherd anknüpft, ist grundsätzlich unerheblich, auf welche Weise sich eine Störung realisiert. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass den Verantwortlichen ein Verschulden trifft; der Eigentümer kann als Zustandsstörer auch dann in Anspruch genommen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - Handlungen Dritter (Fahrer von Wassermotorrädern) hinzutreten oder hinzutreten müssen, solange nicht etwa ein Dritter allein mit Hilfe der Sache bzw. durch ihre Benutzung die öffentliche Sicherheit oder Ordnung stört oder gefährdet (z.B. Eindringen Dritter in ein gegen unbefugtes Betreten ausreichend gesichertes baufälliges Gebäude, vgl. Denninger in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5 Aufl. Rdnr. D 108). Für ein solches - die Zustandsverantwortlichkeit der Antragstellerin ausschließendes - Handeln Dritter gibt es indes keine Anhaltspunkte. Nach den insofern nicht näher von der Antragstellerin bestrittenen Ermittlungen der Antragsgegnerin und den von der Antragsgegnerin vorgelegten Auszügen aus Internetforen nutzen die Besitzer von Wassermotorrädern die Seefläche nicht gegen den ausdrücklich geäußerten Willen der Antragstellerin; vielmehr erfolgt diese Nutzung (gegen Zahlung eines Entgeltes) mit ihrem Einverständnis, zumindest aber unter Duldung durch einen Organwalter (Geschäftsführer) der Antragstellerin. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass ihr seitens der Antragsgegnerin aufgeben worden sei, die in ihrem Eigentum stehenden Ufergrundstücke für die Öffentlichkeit zugänglich zu halten, zeigt sie nicht auf, dass sie hierdurch der durch den streitgegenständlichen Bescheid auferlegten Verpflichtung nicht nachkommen könnte. Die Antragstellerin wird mit dem streitgegenständlichen Bescheid lediglich verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass an Sonn- und Feiertagen der in ihrem Eigentum stehende See nicht mehr mit Wassermotorrädern befahren wird.

13

Lässt sich - wie hier - im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, ob sich die streitige Verfügung voraussichtlich als rechtmäßig oder als rechtswidrig erweisen wird, ist eine Interessenabwägung unabhängig von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache vorzunehmen.

14

Die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem privaten Interesse der Antragstellerin ergibt, dass das öffentliche Interesse am Schutz der Sonntag- und Feiertagsruhe für die Anwohner des südlich des R-Sees belegenen Ortsteiles G. dem privaten Interesse der Antragstellerin an einer sachlich und zeitlich uneingeschränkten Ausübung und wirtschaftlichen Nutzung ihres Eigentumsrechtes an dem streitgegenständlichen Grundstücken überwiegt.

15

Zu berücksichtigen ist zunächst, dass - abhängig vom Wochentag der beweglichen Feiertage - die Nutzung des R-Sees (durch Fahrer von Wassermotorrädern) an ca. 305 von 365 Tagen im Jahr auch nach Erlass der streitgegenständlichen Verfügung weiterhin uneingeschränkt möglich ist.

16

Soweit sich die Antragstellerin hinsichtlich ihres privaten Interesses auf Art. 14 GG beruft, ist festzustellen, dass sich aus dem aus dem Gewährleistungsgehalt der Eigentumsgarantie kein Recht auf bestmögliche Nutzung des Eigentums ableiten lässt. Eine Minderung der Wirtschaftlichkeit ist grundsätzlich ebenso hinzunehmen wie eine Verschlechterung der Verwertungsaussichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, juris, Rdnr. 402 m. w. N.).

17

Dem privaten Interesse der Antragstellerin an einer ganzjährigen und uneingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des streitgegenständlichen Seegrundstückes stehen im konkreten Fall überwiegende, ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestaltete öffentliche Interessen und grundrechtlich geschützte Interessen Dritter gegenüber.

18

Der Schutz der Sonntag- und Feiertage hat Verfassungsrang (Art. 140 GG i. V. m. mit Art. 139 WRV). Diese Regelungen enthalten den Grundsatz, dass der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geschützt sind. Der durch die Art. 140 GG i. V. m. 139 WRV verfassungsgesetzlich gewährleistete Schutz der Sonntag- und Feiertage begrenzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Maß der Eigentumsnutzung und der beruflichen Betätigung (Art. 12, 14 GG) auf das mit der Zweckbestimmung des Sonntags noch vereinbare Maß (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.04.1988 - 1 C 50.86 -, juris). Der Schutz des Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV ist nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Sinngehalt der Sonn- und Feiertage beschränkt. Umfasst ist zwar die Möglichkeit der Religionsausübung an Sonn- und Feiertagen. Die Regelung zielt in der säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung aber auch auf die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. An den Sonn- und Feiertagen soll grundsätzlich die Geschäftstätigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann. Von Bedeutung ist auch die Möglichkeit zur zeitlichen Verzahnung des sozialen Lebens der Bürger und insbesondere zur gemeinsamen Freizeit und gemeinsamen Gestaltung des Familienlebens. Besonders wichtig ist, dass die Bürger sich an Sonn- und Feiertagen von der beruflichen Tätigkeit erholen und das tun können, was sie je individuell für die Verwirklichung ihrer persönlichen Ziele und als Ausgleich für den Alltag als wichtig ansehen. Die von Art. 139 WRV ebenfalls erfasste seelische Erhebung soll allen Menschen unbeschadet einer religiösen Bindung zuteil werden können (vgl. BVerfG, Urt. v. 09.06.2004 - 1 BvR 636/02 -, juris).

19

Im Weiteren schützt das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG den Einzelnen nicht nur als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Es beinhaltet auch die staatliche Pflicht, sich schützend und fördernd vor die in ihm genannten Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist selbst bei einer engen Auslegung des Begriffs der „körperlichen Unversehrtheit“ festzustellen, dass sich die staatliche Schutzpflicht im Hinblick auf Lärmemissionen nicht schon mit der Begründung verneinen lässt, dass etwa der durch den Betrieb von Verkehrsflughäfen entstehende Fluglärm keinerlei somatische Folgen haben könne, sondern sich in einer Beeinträchtigung des psychischen und sozialen Wohlbefindens erschöpfe. Denn zumindest in Gestalt von Schlafstörungen lassen sich Einwirkungen auf die körperliche Unversehrtheit schwerlich bestreiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.07.2009 - 1 BvR 1606/08 -, juris).

20

Ferner sind auch die Interessen der Eigentümer der (selbstgenutzten) Grundstücke im Ortsteil G. an einer möglichst lärmfreien Nutzung auch der Außenwohnbereiche der Wohngrundstücke an Sonn- und Feiertagen im konkreten Fall als überwiegend gegenüber dem privaten Interesse der Antragstellerin anzusehen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der oben geschilderten besonderen von Wassermotorrädern ausgehenden und als in hohem Maße belästigend empfundenen Lärmcharakteristik. Zudem sind Geräuschimmissionen der Nachbarschaft nicht immer schon dann zumutbar, wenn die Nachbarn in ihrer Wohnung über eine Schlafmöglichkeit auf der von der Lärmquelle abgewandten Hausseite oder über Schallschutzfenster verfügen. Denn eine schädliche Umwelteinwirkung i. S. d. § 3 Abs. 1 BImSchG liegt nicht nur dann vor, wenn die körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt ist, sondern schon bei Verursachung erheblicher Belästigungen oder erheblicher Nachteile (vgl. z. B. BVerwG, Urt. v. 29.04.1988 - 7 C 33.87 -, juris). Nicht nur die ungestörte Nachtruhe, sondern auch eine ungestörte Nutzung aller baurechtlich genehmigten Wohnräume, die insbesondere im Sommer auch bei geöffneten Fenstern stattfinden kann, sowie eines ggf. vorhandenen Außenwohnbereichs (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.04.1991 - 7 C 12.90 -, juris) sind grundsätzlich von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt.

21

Unter diesen Umständen sind die für die sofortige Vollziehbarkeit sprechenden öffentlichen und privaten Belange von höherem Gewicht als die dagegen sprechenden Interessen der Antragstellerin.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG auf den hälftigen Auffangstreitwert in Höhe von 2.500,- € festzusetzen.

23

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.


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in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Bescheid des Antragsgegners, mit dem dieser eine der Antragstellerin erteilte Baugenehmigung teilweise zurückgenommen hat.

2

Mit Bescheid vom 19.04.2011 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin eine Baugenehmigung für die Änderung der Nutzung eines Autohauses zu vier Spielstätten. Grundlage der Genehmigung war ein am 28.01.2011 beim Antragsgegner eingegangener Bauantrag, in dem die Betriebszeiten der Spielstätten mit täglich von 6:00 Uhr bis 5:00 Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen, angegeben worden waren. Die entsprechende Betriebsbeschreibung war vom Antragsgegner mit dem Vermerk „bauaufsichtlich geprüft“ abgestempelt worden (BA A Bl. 15). Nachfolgend kam es zum Streit über die Frage, ob die Betriebszeiten Gegenstand der Baugenehmigung seien. Letztlich wurde der Antragsgegner durch fachaufsichtliche Weisung des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 14.11.2012 zur Teilrücknahme der Baugenehmigung angewiesen. Das Landesverwaltungsamt führte aus, die Betriebszeiten seien Bestandteil der Baugenehmigung geworden. Diese Regelung sei wegen Verstoßes gegen die SperrzeitVO, das Feiertagsgesetz sowie das Spielhallengesetz LSA rechtswidrig. Mit Schreiben vom 28.11.2012 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu der beabsichtigten Teilrücknahme der Baugenehmigung im Hinblick auf die Betriebszeiten an. Diese nahm mit E-Mail vom 15.01.2013 Stellung. Einen (ersten) Teilrücknahmebescheid vom 18.01.2013 nahm der Antragsgegner mit Abhilfebescheid vom 29.11.2013 zurück, nachdem das Verwaltungsgericht Magdeburg mit Beschluss vom 12.07.2013 - 4 B 59/13 MD - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen diesen Bescheid wiederhergestellt hatte. Mit dem streitgegenständlichen (zweiten) Teilrücknahmebescheid vom 29.11.2013 nahm der Antragsgegner die Baugenehmigung vom 19.04.2011 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung teilweise zurück, indem die Betriebszeit der genehmigten Spielstätten auf 7 Uhr bis 22 Uhr begrenzt wurde, sofern nicht durch eine Ausnahmegenehmigung der Stadt B. eine darüber hinausgehende Betriebszeit gestattet werde. Zudem dürften die Spielstätten entsprechend der Regelung des § 6 Abs. 1 SpielhG LSA zu den sogenannten Spielverbotstagen nicht geöffnet werden.

3

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Teilrücknahmebescheid des Antragsgegners vom 29.11.2013 wiederherzustellen, mit Beschluss vom 10.04.2014 - 4 B 356/13 MD - abgelehnt.

II.

4

Die Überprüfung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründe beschränkt ist, führt zu keiner Abänderung.

5

Das Verwaltungsgericht ist in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, der Antragsgegner habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet. Die Erwägung, es sei nicht hinzunehmen, eine rechtskräftige Entscheidung über den Widerspruch abzuwarten, während andere Unternehmen der Spielhallenbranche animiert würden, ebenfalls die gesetzlichen Vorschriften nicht einzuhalten, sei ausreichend. Hiermit habe der Antragsgegner in zulässiger Weise auf die negative Vorbildwirkung der Antragstellerin abgestellt. Die Begründung des Sofortvollzugs sei auch nicht deshalb unzureichend, weil die unterbundene Nutzung zuvor genehmigt worden sei. Die vom Antragsgegner befürchtete Gefahr einer negativen Vorbildwirkung hänge nicht davon ab, ob eine Baugenehmigung gar nicht erteilt oder nachträglich aufgehoben werde. Aus der Sicht konkurrierender Unternehmen würde ohne den Sofortvollzug in erster Linie auffallen, dass der Betrieb von der SperrzeitVO LSA abweichende Betriebszeiten praktiziere und Behörden dagegen nicht einschritten. Dieser Umstand sei jedenfalls geeignet, eine Nachahmungsgefahr zu begründen. Die Gefahr, dass andere Spielhallenbetreiber die von der SperrzeitVO LSA abweichenden - längeren - Betriebszeiten der Antragstellerin auch für sich in Anspruch nehmen wollten, leuchte ohne weiteres ein. Einer Dokumentation der widerstreitenden Interessen bedürfe es nicht. Bei der gebotenen Interessenabwägung überwiege das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Verfügung gegenüber dem Interesse der Antragstellerin, vom Sofortvollzug verschont zu bleiben. Der Bescheid vom 29.11.2013 erweise sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Die Voraussetzungen der teilweisen Rücknahme der Baugenehmigung hinsichtlich der Regelung über die täglichen Betriebszeiten seien erfüllt. Die Baugenehmigung sei insoweit rechtswidrig gewesen. Die ursprüngliche Baugenehmigung habe der Spielhalle eine Betriebszeit von Montag bis Sonntag von 6:00 Uhr bis 5:00 Uhr gestattet. Zwar seien die Betriebszeiten in dem Bescheid vom 19.04.2011 nicht ausdrücklich geregelt. Die mit Zugehörigkeitsvermerk der Bauaufsichtsbehörde versehenen Bauvorlagen seien jedoch Bestandteil der Baugenehmigung und für die Ermittlung des Regelungsgehalts verbindlich. Die Regelung über die Betriebszeit von 6:00 Uhr bis 5:00 Uhr weiche von der allgemeinen Regelung über die Sperrzeiten für Spielhallen gemäß § 2 Abs. 1 SperrzeitVO LSA ab. Für die Entscheidung über eine Ausnahme gemäß § 4 SperrzeitVO LSA sei gemäß § 5 Abs. 2 die Stadt B. zuständig gewesen, die eine solche Ausnahmeregelung jedoch nicht getroffen habe. Der Antragsgegner habe die Frist für die teilweise Rücknahme der Baugenehmigung gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG eingehalten. Diese habe erst nach Abschluss der Anhörung der Antragstellerin, also am 16.01.2013, begonnen. Der Antragsgegner habe das ihm zustehende Ermessen hinsichtlich der Beschränkung der Betriebszeiten den gesetzlichen Anforderungen entsprechend ausgeübt. Die für die Entscheidung des Antragsgegners maßgebliche Erwägung, dass die Spielhalle nur nach einer Teilrücknahme der Baugenehmigung den gesetzlichen Vorschriften der Sperrzeitverordnung und des Spielhallengesetzes entsprechend betrieben werden könne, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Im Gegensatz zu der Verfügung vom 18.01.2013 habe der Antragsgegner der Antragstellerin nunmehr die Möglichkeit eröffnet, Abweichungen von den grundsätzlichen Betriebszeiten nach der Sperrzeitverordnung durch eine Ausnahmegenehmigung der Stadt B. gemäß § 4 SperrzeitVO LSA zuzulassen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Zwar greife die nachträgliche Beschränkung der Betriebszeit in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Ein milderes, ebenso wirksames Mittel, um eine gesetzeskonforme Gestaltung der Betriebszeiten herbeizuführen, sei jedoch nicht ersichtlich. Eine unverhältnismäßige Belastung sei mit der Teilrücknahme der Baugenehmigung nicht verbunden. Die Antragstellerin habe die Möglichkeit, bei der Stadt B. eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 SperrzeitVO LSA zu beantragen. Die wirtschaftliche Belastung der Antragstellerin werde dadurch abgemildert, dass ihr gemäß § 48 Abs. 3 VwVfG der Vermögensnachtteil auszugleichen sei, den sie dadurch erleide, dass sie auf den Bestand der Baugenehmigung mit deren Regelung über die Betriebszeiten vertraut habe. Es bestehe auch ein besonderes Interesse an der Vollziehung des Bescheides. Ohne die sofortige Vollziehung bestehe die Gefahr, dass sich andere Unternehmer auf die langen Betriebszeiten der Antragstellerin beriefen und diese auch für sich in Anspruch nähmen. Es könne der Eindruck entstehen, dass die Behörden Abweichungen von der Sperrzeitverordnung duldeten, selbst wenn eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 SperrzeitVO LSA nicht vorliege.

6

Die Einwände der Antragstellerin vermögen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage zu stellen.

7

Zu Unrecht geht die Antragstellerin davon aus, der Antragsgegner habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht gemäß den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Diesen Anforderungen genügt jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind (OVG NW, Beschl. v. 30.03.2009 - 13 B 1910/08 -, juris RdNr. 2). Hieran gemessen ist die in dem angefochtenen Bescheid vom 29.11.2013 angegebene Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend. Der Antragsgegner bringt hierin nachvollziehbar zum Ausdruck, dass die sofortige Vollziehung angeordnet wird, um zu verhindern, dass bei Mitbewerbern der Antragstellerin der Eindruck entsteht, behördlicherseits werde gegen Rechtsverstöße nicht vorgegangen, damit diese nicht animiert werden, die gesetzlich vorgeschriebenen Öffnungszeiten ebenfalls nicht einzuhalten. Damit nimmt er - mit Blick auf den vorliegenden Einzelfall - Bezug auf die Gefahr, dass durch das Beispiel der Antragstellerin eine negative Vorbildwirkung entsteht, der er mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme entgegenwirken will. Diese Überlegungen sind für das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend.

8

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin weiterhin - der Sache nach - geltend, es liege kein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme wegen der vom Antragsgegner angeführten Nachahmungsgefahr vor, weil es an der hierfür notwendigen formellen Illegalität der durch die Baugenehmigung gestatteten Betriebszeiten fehle und diese jedenfalls grundsätzlich auch materiell genehmigungsfähig seien. Auch gebe es keine Vermutung für die Rechtsuntreue von Spielhallenbetreibern; im Gegenteil sei deren Bestreben, keine Bußgeldeinträge im Gewerbezentralregister zu erhalten, außergewöhnlich hoch.

9

Diese Rügen greifen nicht durch. Vielmehr war die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme zur Verhinderung einer negativen Vorbildwirkung gerechtfertigt.

10

Voraussetzung für die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO ein besonderes öffentliches Interesse. Dieses ist grundsätzlich nicht mit dem öffentlichen Interesse am Erlass des Verwaltungsakt identisch, sondern geht darüber hinaus (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, RdNr. 759). Das besondere öffentliche Interesse ist mit dem gegenläufigen Interesse des Betroffenen am Fortbestand der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abzuwägen, wobei dessen Rechtsschutzanspruch umso stärker ist und umso weniger zurückstehen darf, je schwerer die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O. RdNr. 761). Ein überwiegendes öffentliches Interesse kann insbesondere bei Verwaltungsakten gegeben sein, die der Wahrung der Rechtsordnung dienen, wenn deren zeitnaher Vollzug Dritte von einem bestimmten Verhalten abhalten kann (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O. RdNr. 781). Insbesondere im Baurecht ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Beseitigungsverfügung anerkannt, wenn ein bereits ausgeführtes baurechtswidriges Vorhaben als negatives Vorbild dient oder zu dienen droht, eine Nachahmung befürchten lässt und die Anordnung dazu dient, Fehlschlüsse anderer Bauinteressenten über die Rechtslage zu vermeiden (OVG MV, Beschl. v. 06.02.2008 - 3 M 9/08 -, juris RdNr. 12; Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O. RdNr. 782). Hierbei kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass bereits der äußere Anschein des Nichteinschreitens, der durch das Vorhandensein der Anlage vermittelt wird, die Vorbildfunktion auslöst (OVG MV, Beschl. v. 06.02.2008 - 3 M 9/08 -, a.a.O. RdNr. 14). Ein überwiegendes öffentliches Interesse setzt dabei nicht zwingend die formelle Illegalität des ausgeführten Vorhabens voraus, gegen das sich das behördliche Einschreiten richtet. Eine negative Vorbildwirkung, die eine Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigt, kann vielmehr auch von Zuständen oder Vorgängen ausgelöst werden, die zwar genehmigt, aber offensichtlich materiell rechtswidrig sind. Auch hierdurch können Fehlvorstellungen über die Rechtslage oder über die Bereitschaft der zuständigen Behörde, gegen Rechtsverstöße einzuschreiten, und damit eine Nachahmungsgefahr ausgelöst werden.

11

Nach diesen Grundsätzen geht von den mit der Baugenehmigung des Antragsgegners vom 19.04.2011 genehmigten Betriebszeiten der Spielhalle der Antragstellerin eine negative Vorbildwirkung aus, die eine Anordnung der sofortigen Vollziehung der entsprechenden Teilrücknahme der Baugenehmigung rechtfertigt.

12

Die Genehmigung der Betriebszeiten ist offensichtlich materiell rechtswidrig. Sie verstößt gegen § 2 Abs. 1 SperrzeitVO LSA, wonach die Sperrzeit für Spielhallen um 22 Uhr beginnt und um 7 Uhr endet. Eine Ausnahmegenehmigung für die Spielhalle der Antragstellerin gemäß § 4 SperrzeitVO LSA durch die gemäß § 5 Abs. 2 SperrzeitVO LSA zuständige Stadt B. liegt nicht vor. Auch sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine derartige Ausnahme nicht gegeben. Gemäß § 4 Satz 1 SperrzeitVO LSA kann die zuständige Behörde bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für einzelne Betriebe die Sperrzeit befristet und widerruflich verkürzen oder aufheben. Ein öffentliches Bedürfnis im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht vor. Dieses erfordert die Feststellung von Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Leistungen des in Rede stehenden Betriebes während der allgemeinen Sperrzeit in erheblichem Maße in Anspruch genommen werden. Aus der Sicht der Allgemeinheit - nicht aus der des an der Verkürzung interessierten Gewerbetreibenden - muss eine Bedarfslücke bestehen. An der erstrebten individuellen Verkürzung der allgemeinen Sperrzeit muss ein öffentliches Interesse bestehen. Hinreichende Gründe müssen ein Abweichen von der Regel im Interesse der Allgemeinheit rechtfertigen. Es kommt darauf an, ob im lokalen Einzugsbereich eine erhebliche Zahl von Interessenten ihr Bedürfnis nach dem Besuch von Spielhallen ohne die Verkürzung der Sperrzeit nicht befriedigen könnte, wobei die Wünsche einzelner Bürger, etwa der Stammgäste, ein öffentliches Bedürfnis an der Verkürzung der Sperrzeit nicht begründen könnten. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass Spielhallen nicht zu den Vergnügungsstätten gehören, deren Angebote typischerweise erst nach Beginn der allgemeinen Sperrzeit angenommen werden und für die Betriebszeiten innerhalb der allgemeinen Sperrzeit prägend sind. § 2 SperrzeitVO LSA geht davon aus, dass im Regelfall dem Bedürfnis der Allgemeinheit nach dem Besuch einer Spielhalle durch Öffnungszeiten bis 22.00 Uhr hinreichend Rechnung getragen ist (OVG LSA, Urt. v. 20.02.2003 - 1 L 431/02 -, juris RdNr. 27). Hiernach ist ein öffentliches Bedürfnis für eine Verkürzung der Sperrzeit für die Spielhalle der Antragstellerin im Sinne des § 4 SperrzeitVO LSA nicht gegeben. Ihr Hinweis darauf, dass ihr Umsatz hauptsächlich in den späten Abend- und frühen Nachtstunden erzielt werde, lässt nicht erkennen, dass das Bedürfnis nach dem Besuch von Spielhallen nicht auch in der Zeit von 7:00 Uhr bis 22:00 Uhr befriedigt werden könnte. Gleiches gilt für die von ihr behauptete Änderung der Spiel- und Freizeitverhaltens des deutschen Durchschnittsbürgers dahin, dass sich die Hauptaktivität in die späten Abend- und frühen Nachtstunden verlagert habe. Auch der von der Antragstellerin angesprochene Umstand, dass zu diesen Tageszeiten keine alternativen lokalen Vergnügungsmöglichkeiten bestünden, begründet kein öffentliches Bedürfnis für eine Sperrzeitverkürzung für die Spielhalle der Antragstellerin. Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne des § 4 SperrzeitVO LSA sind ebenfalls nicht gegeben. Solche liegen vor, wenn die Verhältnisse im örtlichen Bereich sich so von den Verhältnissen anderer örtlicher Bereiche unterscheiden, dass eine Abweichung von der allgemeinen Sperrzeit gerechtfertigt erscheint. Das kann in einer Gegend der Fall sein, in der ein durch das Nachtleben bestimmter Lebensrhythmus herrscht oder die durch auf das Nachtleben bezogene Vergnügungsangebote geprägt ist. Hierfür sind die Eigenart der näheren Umgebung, die anzutreffenden Lebensgewohnheiten und der prägende Lebensrhythmus maßgebend. Es kommt darauf an, wie der Betrieb in die Umgebung hineinpasst (OVG LSA, Urt. v. 20.02.2003 - 1 L 431/02 -, a.a.O. RdNr. 28). Derartige besondere örtliche Verhältnisse liegen hier nicht vor. Nach einer Stellungnahme der Stadt B. (BA E Bl. 89-90) ist die Spielhalle der Antragstellerin von Gewerbe- und Handelseinrichtungen umgeben. Die nächstliegende Wohnbebauung befinde sich in 160 m Entfernung. Abgesehen von einem Fastfood-Restaurant (McDonald’s) seien im Gewerbegebiet keine anderen Betriebe vorhanden, die nachts geöffnet hätten. In der näheren Umgebung gebe es keine weiteren Einrichtungen zur Freizeitgestaltung. Eine Prägung der Umgebung durch auf das Nachtleben bezogene Vergnügungsangebote oder ein durch das Nachtleben bestimmter Lebensrhythmus besteht vor diesem Hintergrund ersichtlich nicht.

13

Mit dem Verwaltungsgericht ist auch davon auszugehen, dass die genehmigten Betriebszeiten der Spielhalle der Antragstellerin jedenfalls geeignet sind, eine Nachahmungsgefahr zu begründen, wenn der Antragsgegner hiergegen nicht mit Sofortvollzug einschreitet. Das Verwaltungsgericht hebt zutreffend hervor, die Gefahr, dass andere Spielhallenbetreiber die von der Sperrzeitverordnung abweichenden - längeren - Betriebszeiten der Antragstellerin auch für sich in Anspruch nehmen wollten, leuchte ohne weiteres ein.

14

Zu Unrecht wendet die Antragstellerin ein, sie habe sich bislang stets rechtstreu verhalten und nur von der ihr erteilten Genehmigung Gebrauch gemacht. Auch bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass Mitbewerber von einem - behördlicherseits geduldeten - Rechtsverstoß ihrerseits ausgingen. Es trifft zwar zu, dass die Antragstellerin die Spielhalle bislang formell rechtmäßig betrieben hat. Gleichwohl besteht hier eine negative Vorbildwirkung, denn der Betrieb war wegen Verstoßes gegen die SperrzeitVO LSA materiell rechtswidrig. Es ist auch ohne Belang, ob die Nachahmungsgefahr, die ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme begründet, daraus resultiert, dass Dritte den Eindruck erhalten, die zuständige Behörde schreite gegen Rechtsverstöße nicht ein, oder daraus, dass Dritte glauben, ein in Wahrheit rechtswidriger Zustand sei rechtmäßig. Die negative Vorbildwirkung setzt nicht voraus, dass der Antragstellerin „Rechtsuntreue“ unterstellt wird. Entscheidend ist vielmehr, dass der genehmigte Zustand materiell rechtswidrig ist und Dritte - wie hier - zur Nachahmung verleiten kann. Ohne Belang ist, ob die Nachahmungsgefahr dadurch hervorgerufen wird, dass die Dritten glauben, der Zustand sei rechtmäßig, oder den Eindruck haben, die zuständigen Behörden gingen gegen einen rechtswidrigen Zustand nicht vor.

15

Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme der Baugenehmigung wegen der negativen Vorbildwirkung der genehmigten Betriebszeiten überwiegt auch das Interesse der Antragstellerin am Fortbestand der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Die der Antragstellerin auferlegte Belastung wiegt nicht sonderlich schwer, da der Betrieb ihrer Spielhalle außerhalb der Sperrzeiten des § 2 Abs. 1 SperrzeitVO unverändert fortgesetzt werden kann. Auch bewirkt die Maßnahme des Antragsgegners nichts Unabänderliches, da die Begrenzung der Betriebszeit jederzeit wieder rückgängig gemacht werden kann. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin bei einer Begrenzung der Betriebzeit der Ruin droht, sind nicht ersichtlich. Demgegenüber ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme wegen der von der bisherigen Betriebszeit ausgehenden negativen Vorbildwirkung als besonders dringlich anzusehen.

16

Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Teilrücknahme offensichtlich rechtmäßig ist. Insbesondere hat es zutreffend angenommen, die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG habe frühestens nach Abschluss der Anhörung der Antragstellerin am 16.01.2013 zu laufen begonnen, so dass sie mit dem Bescheid vom 29.11.2013 gewahrt worden sei. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ist die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, zu dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme rechtfertigen. Diese Frist beginnt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984 - BVerwG GrSen 1.84 und 2.84 - BVerwGE 70, 356; OVG LSA, Beschl. v. 27.04.2011 - 2 M 7/11 - n.v.). Sie beginnt damit regelmäßig erst nach Abschluss eines Anhörungsverfahrens (BVerwG, Urt. v. 20.09.2001 - BVerwG 7 C 6.01 -, juris). Überzeugende Gründe, weshalb hieran nicht mehr festzuhalten sein soll, legt die Beschwerde nicht dar. Auch wenn die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG - mit dem Bundesverwaltungsgericht - als Entscheidungsfrist verstanden wird, ist das Vertrauen des Bürgers in den Bestand von Verwaltungsakten hinreichend geschützt.

17

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist auch kein Ermessensdefizit festzustellen. Inwieweit bei der Abwägung ein Ausgleich der „immateriellen Schäden“ der Antragstellerin hätte berücksichtigt werden müssen, ist nicht nachvollziehbar. Das Verwaltungsgericht hat auch hinreichend berücksichtigt, dass die Teilrücknahme der Baugenehmigung einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin gemäß Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. Wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, reichen zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs vernünftige Gründe des Allgemeinwohls aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.05.1996 - 1 BvR 744/88 u.a. -, juris RdNr. 84). Derartige Gründe liegen mit der hier bezweckten Herbeiführung einer gesetzeskonformen Gestaltung der Betriebszeiten vor.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung folgt der Senat der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen bedürfen einer Genehmigung. Mit Ausnahme von Abfallentsorgungsanlagen bedürfen Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, der Genehmigung nur, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen, die einer Genehmigung bedürfen (genehmigungsbedürftige Anlagen); in der Rechtsverordnung kann auch vorgesehen werden, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, wenn eine Anlage insgesamt oder in ihren in der Rechtsverordnung bezeichneten wesentlichen Teilen der Bauart nach zugelassen ist und in Übereinstimmung mit der Bauartzulassung errichtet und betrieben wird. Anlagen nach Artikel 10 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2010/75/EU sind in der Rechtsverordnung nach Satz 3 zu kennzeichnen.

(2) Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen bedürfen der Genehmigung nach Absatz 1 nur, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden. Keiner Genehmigung nach Absatz 1 bedürfen Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen sowie die zur Wetterführung unerlässlichen Anlagen.

(1) Kommt der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage einer Auflage, einer vollziehbaren nachträglichen Anordnung oder einer abschließend bestimmten Pflicht aus einer Rechtsverordnung nach § 7 nicht nach und betreffen die Auflage, die Anordnung oder die Pflicht die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage, so kann die zuständige Behörde den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Auflage, der Anordnung oder der Pflichten aus der Rechtsverordnung nach § 7 untersagen. Die zuständige Behörde hat den Betrieb ganz oder teilweise nach Satz 1 zu untersagen, wenn ein Verstoß gegen die Auflage, Anordnung oder Pflicht eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit verursacht oder eine unmittelbare erhebliche Gefährdung der Umwelt darstellt.

(1a) Die zuständige Behörde hat die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist und gewerblichen Zwecken dient oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung findet, ganz oder teilweise zu untersagen, solange und soweit die von dem Betreiber getroffenen Maßnahmen zur Verhütung schwerer Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU oder zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle eindeutig unzureichend sind. Bei der Entscheidung über eine Untersagung berücksichtigt die zuständige Behörde auch schwerwiegende Unterlassungen in Bezug auf erforderliche Folgemaßnahmen, die in einem Überwachungsbericht nach § 16 Absatz 2 Nummer 1 der Störfall-Verordnung festgelegt worden sind. Die zuständige Behörde kann die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer Anlage im Sinne des Satzes 1 ganz oder teilweise untersagen, wenn der Betreiber die in einer zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Mitteilungen, Berichte oder sonstigen Informationen nicht fristgerecht übermittelt.

(2) Die zuständige Behörde soll anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist. Sie hat die Beseitigung anzuordnen, wenn die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weise ausreichend geschützt werden kann.

(3) Die zuständige Behörde kann den weiteren Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage durch den Betreiber oder einen mit der Leitung des Betriebs Beauftragten untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit dieser Personen in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen dartun, und die Untersagung zum Wohl der Allgemeinheit geboten ist. Dem Betreiber der Anlage kann auf Antrag die Erlaubnis erteilt werden, die Anlage durch eine Person betreiben zu lassen, die die Gewähr für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage bietet. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. November 2002 - 7 K 1903/01 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen eine der ihr erteilten Baugenehmigung beigefügte Auflage zum Einbau eines Aufzugs in ein Fitness-Studio.
Am 11.4.2001 beantragte sie die Baugenehmigung zur Errichtung eines Fitness-Studios auf dem Grundstück Flst.-Nr. 7713/3 (Im Oberwald) der Gemarkung XXXXX. Nach den Plänen sind im Erdgeschoss neben dem Trainingsbereich im Wesentlichen Umkleide-, Dusch- und Solarium-/Sauna-Räume und ein Ruheraum sowie je ein mit Aerobic bzw. Miniclub bezeichneter Raum vorgesehen. Im Obergeschoss wird eine Galerie errichtet, die ebenfalls zu Trainingszwecken genutzt wird. Außerdem ist ein Büroraum vorgesehen. Die Galerie soll nach den Plänen über eine Treppe vom Erdgeschoss aus erreicht werden.
Mit Bescheid vom 13.6.2001 erteilte das Landratsamt Emmendingen die beantragte Baugenehmigung. Der Baugenehmigung ist als Auflage die Nebenbestimmung GA 1001 beigefügt, wonach bis zur Nutzungsaufnahme des Fitness-Studios der nach § 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO notwendige Aufzug betriebsbereit einzubauen ist.
Gegen diese Nebenbestimmung legte die Klägerin am 5.7.2001 Widerspruch ein und führte aus, von einem Behinderten seien nur sehr wenige Geräte ihres Fitness-Clubs zu nutzen. Sämtliche Bein- und Ausdauergeräte könnten auf Grund einer Behinderung der Beine nicht genutzt werden. Es bleibe lediglich der Bereich des Freihanteltrainings im Sitzen. Es gebe keinen Bedarf für Aufzüge in einem Fitness-Club. Die Forderung nach einem Aufzug wirke sich bedrohlich auf die wirtschaftliche Situation ihres Unternehmens aus. Ein Fitness-Studio sei in dem abschließenden Katalog der barrierefrei auszuführenden Anlagen nicht aufgeführt. Bei dem Fitness-Studio handele es sich nicht um eine öffentliche Sportanlage, da nur einem bestimmten Personenkreis, nämlich den zahlenden Mitgliedern, der Zutritt zu dem Studio gewährt werde. In ihrem Fitness-Studio könnten Behinderte auch nicht als Bedienstete eingestellt werden. Als Trainer kämen nur körperlich gesunde Personen in Betracht. Auch der Theken- und Putzdienst könne nicht von Rollstuhlfahrern ausgeführt werden. Besucher hätten keinen Zutritt.
Den Widerspruch der Klägerin wies das Regierungspräsidium Freiburg mit Widerspruchsbescheid vom 2.10.2001 zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, nach § 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO müssten Sport-, Spiel- und Erholungsanlagen sowie Schwimmbäder barrierefrei errichtet werden, ohne dass zwischen öffentlichen und privaten Anlagen unterschieden werde. Es gebe einen weit verbreiteten Behindertensport. Dies zeige, dass Behinderte ebenfalls in der Lage seien, sportliche Aktivitäten zu entfalten und ihren Körper entsprechend darauf vorzubereiten. Es sei eine Frage von Angebot und Nachfrage, ob in einem Fitness-Studio entsprechende Geräte aufgestellt würden oder nicht.
Am 7.11.2001 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, eine Nutzung der in ihrem Studio befindlichen Geräte durch Behinderte sei nicht möglich. Auf Grund der hohen Anschaffungskosten und mangels Nachfrage sei nicht damit zu rechnen, dass Geräte speziell für Behinderte aufgestellt würden. Bisher seien in keinem Studio im Raum Emmendingen und Freiburg Rollstuhlfahrer als zahlende Mitglieder (nicht einmal probehalber) eingetreten. Die Auflage verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. In Endingen sei ein neues Fitness-Studio errichtet worden, in dessen Obergeschoss neben Büro, Personalaufenthaltsraum und -toilette auch ein Kinderbetreuungsraum vorhanden sei. Eine Liftanlage würde hier nicht vorgeschrieben. Im Obergeschoss ihres Fitness-Studios befänden sich ausschließlich Geräte, die von Behinderten nicht nutzbar seien. Die Umkleideräume, Toilettenräume, Theke, Sauna und Solarium sowie Spinningraum und ein weiterer Trainingsraum befänden sich im Erdgeschoss und seien schwellenfrei begehbar. Für die in § 39 Abs. 2 Ziff. 6 LBO aufgelisteten Einrichtungen werde nicht - wie in ihrem Studio - ein monatlicher Mitgliedsbeitrag, sondern ein Eintrittsgeld pro Besuch entrichtet. Es obliege ihrer Entscheidung, wen sie einlasse. Es handele sich um eine private Einrichtung. Die Kosten zum Einbau der Aufzugsanlage beliefen sich auf ca. 40.000,-- DM. Die Einhaltung der Bauvorschrift führe vorliegend zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte.
Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten. Es trägt vor, die Klägerin übersehe, dass der Begriff „öffentlich“ lediglich den Gegensatz zu (privatem) Wohnraum bilde und sich das Gegensatzpaar daraus ableite, dass in der Gesetzgebungsdiskussion auch Überlegungen zur Forderung nach Barrierefreiheit von Wohngebäuden angestellt worden seien, die jedoch keinen Eingang in § 39 Abs. 2 LBO gefunden hätten. Die Zahlung eines Mitgliedsbeitrags sei kein Abgrenzungskriterium, da ein Entgelt für die in Ziff. 6 des § 39 Abs. 2 LBO genannten Einrichtungen in der Regel zu entrichten sei. Der Gesetzgeber habe den Ausnahmetatbestand beim Umbau bestehender Anlagen bewusst eng gefasst und für Neubauten lediglich die allgemeine Befreiungsmöglichkeit des § 56 Abs. 5 LBO offengehalten. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung lägen nicht vor. Bei dem Fitness-Studio in Endingen werde das Obergeschoss nicht gewerblich, sondern als Wohnung genutzt.
Das Verwaltungsgericht Freiburg wies die Klage der Klägerin mit Urteil vom 27.11.2002 - 7 K 1903/01 - ab. Das von der Klägerin errichtete Fitness-Studio sei eine Sportanlage. Es solle unstreitig der sportlichen Betätigung dienen. Die Bestimmung des § 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO gelte entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur für öffentliche - d.h. jedermann ohne jede Beschränkung zugängliche - Sportanlagen. Eine solche Beschränkung lasse sich dem Wortlaut der Regelung nicht entnehmen. Die Barrierefreiheit diene nicht nur den Nutzern einer Anlage, sondern auch möglichen Beschäftigten und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine öffentliche oder private Sportanlage handele. Auch die Zahlung eines Mitgliedsbeitrags führe nicht zum Wegfall des Erfordernisses der Barrierefreiheit. Es sei nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der in § 39 Abs. 1 LBO genannte Personenkreis bei entsprechender Barrierefreiheit ein Fitness-Studio zweckentsprechend, d.h. zur körperlichen Ertüchtigung nützen könne. Im Übrigen diene die Vorschrift nicht nur dem Schutz der Nutzer einer Anlage, sondern auch dem Schutz potentiell Beschäftigter. Zu Recht habe das Landratsamt auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausnahme oder Befreiung verneint.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 4.8.2003  - 3 S 722/03 - die Berufung gegen das genannte Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg zugelassen.
10 
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin in Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens vor, ein privates Fitness-Studio sei keine barrierefreie Anlage im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO. Dies folge aus den Differenzierungen in § 39 Abs. 2 Nrn. 1 - 12 LBO einerseits und § 39 Abs. 2 Nr. 13 - 19 LBO andererseits, die in § 39 Abs. 3 LBO angelegt sei. In § 39 Abs. 2 Nrn. 1 bis 12 LBO seinen alle typischerweise der allgemeinen Daseinsvorsorge im weitesten Sinne und der gesellschaftlichen Kommunikation dienenden Einrichtungen zusammengefasst worden. Hierzu zähle ein privates Fitness-Studio nicht. Schon aus der gemeinsamen Aufzählung der Sportanlagen im Zusammenhang mit Spiel- und Erholungsanlagen bzw. Schwimmbädern zeige sich, dass der Gesetzgeber hier nicht ein auf spezielle Sportbedürfnisse zugeschnittenes, kleines Fitness-Studio, sondern vielmehr Sportanlagen wie Fußballstadien, Eishockeystadien, Leichtathletik- und Turnanlagen im Blick gehabt habe, deren Zweckrichtung nicht ausschließlich in der Nutzung der Sportanlage selbst, sondern vor allem auch in der gesellschaftlichen Kommunikation liege. In der alten Fassung der LBO sei zudem von Sportstätten die Rede gewesen, nunmehr von Sportanlagen. Von dem Begriff Sportanlage seien lediglich solche Sportanlagen umfasst, die eine gewisse Größe und Bedeutung für die Allgemeinheit und den gesellschaftlichen Verkehr hätten. Aus dem Vergleich des Begriffs Sportanlagen mit den übrigen in den Ziff. 1 - 12 des § 39 Abs. 2 LBO ergebe sich, dass hier Räumlichkeiten und Anlagen gemeint seien, in denen sich allgemein das öffentliche Leben abspiele, die von allen gesellschaftlichen Gruppen im Rahmen des öffentlichen Lebens in Anspruch genommen würden und bei denen es mithin insbesondere auch darauf ankomme, dass unabhängig von einer etwaigen körperlichen Beeinträchtigung der ungehinderte Zugang und die Teilnahme am öffentlichen Leben gewährleistet sein müsse. Fitness-Studios würden dadurch nicht generell aus dem Anwendungsbereich des § 39 LBO herausfallen. Vielmehr habe der Gesetzgeber in § 39 Abs. 2 Nr. 18 LBO eine anwendbare Auffangnorm geschaffen. Die von dem Beklagten gestellte Anforderung einer Aufzugsanlage sei nicht geeignet und zumutbar, eine zweckentsprechende Nutzung des auf der Empore des Studios liegenden Bereichs, in dem ausschließlich Laufbänder und Fahrradergometer vorhanden seien, herbeizuführen. Diese Geräte seien ausschließlich für solche Kunden konzipiert, deren Beinbeweglichkeit zumindest soweit uneingeschränkt sei, dass sie die auf die Empore führenden Treppenstufen bewältigen könnten. Die Installation der Aufzugsanlage mit Gesamtkosten von rund 20.000,-- EUR wäre insoweit völlig nutzlos und wirtschaftlich unzumutbar.
11 
Die Klägerin beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27.11.2002  - 7 K 1903/01 - aufzuheben und die der Baugenehmigung des Landratsamts Emmendingen vom 13.6.2001 beigefügte Auflage GA 1001 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 2.10.2001 aufzuheben.
13 
Das beklagte Land beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Zur Begründung wird vorgetragen, der Auffassung der Klägerin, bei einem Fitness-Studio handele es sich nicht um eine barrierefrei zu erstellende Anlage könne nicht gefolgt werden. Aus dem Ausnahmevorbehalt des § 39 Abs. 3 Satz 2 LBO könne nichts hierfür abgeleitet werden, da diese Vorschrift bis auf die öffentlichen Bedürfnisanstalten für die gesamte Anlagenpalette gelte. Auch aus der Gesetzesbegründung zur Neufassung der LBO könne die Klägerin keine Anhaltspunkte für ihre Auffassung ableiten. Danach entfalle die bisherige generelle Beschränkung auf die dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teile baulicher Anlagen. § 39 Abs. 2 LBO benenne nunmehr Gebäude, bei denen die zweckentsprechende barrierefreie Nutzbarkeit insgesamt, d.h. nicht nur in den Besucherbereichen gewährleistet werden solle. Der über § 39 LBO geschützte Personenkreis komme grundsätzlich nicht nur als Besucher, sondern auch als Beschäftigter in diesen Gebäuden in Betracht. Die Unterscheidung der Begriffe Sportanlage und Sportstätte führe nicht weiter. In der Gesetzesbegründung sei zum Begriff der Anlage lediglich ausgeführt, dass dieser im bauordnungsrechtlichen und nicht im sozialrechtlichen Sinne zu verstehen sei. Kostengünstigere Lösungen zur Herstellung der Barrierefreiheit als ein Aufzug seien möglich. Solche Lösungen müssten aber eine Nutzung ohne fremde Hilfe ermöglichen und auch die sonstigen bauordnungsrechtlichen Bestimmungen einhalten. Ein Treppenlift genüge diesen Anforderungen nicht.
16 
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht vorliegenden Akten des Landratsamts Emmendingen, des Regierungspräsidiums Freiburgs und des Verwaltungsgerichts Freiburg - 7 K 1903/01 - verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die Berufung ist nach der Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht und ordnungsgemäß begründet worden (§ 124 a Abs. 6 Sätze 1 und 2 VwGO).
18 
Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg. Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die der Baugenehmigung beigefügte, von der Klägerin angefochtene Auflage ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Bauliche Anlagen, sowie andere Anlagen, die überwiegend von kleineren Kindern, behinderten oder alten Menschen genutzt werden, wie Kindergärten u.a. (Nr. 1), Tages- und Begegnungsstätten u.a. (Nr. 2) und Altentagesstätten u.a. (Nr. 3), sind nach § 39 Abs. 1 LBO in der Fassung vom 29.10.2003 (GBl. S. 695 - LBO -) so herzustellen, dass sie von diesen Personen zweckentsprechend ohne fremde Hilfe genutzt werden können (barrierefreie Anlagen). Die Anforderungen nach Absatz 1 gelten auch für den in § 39 Abs. 2 LBO genannten Katalog von speziellen Anlagen und Einrichtungen, zu denen u.a. auch Sport-, Spiel- und Erholungsanlagen, Schwimmbäder (§ 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO) gehören. Der Gesetzgeber hat die Regelungen über die Barrierefreiheit bewusst strikt gefasst (Hager, VBlBW 1999, 401 <403>). Er hat eine vorbildliche Regelung schaffen wollen und zu diesem Zweck erhebliche Mehrkosten für die Bauherren in Kauf genommen (Hager in Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, LBO für Bad.-Württ., 5. Aufl., 2003, § 39 RdNr. 1). Nach dem Wortlaut der Vorschrift, soll u.a. Behinderten die zweckentsprechende Nutzung bestimmter ausdrücklich aufgeführter baulicher Anlagen ermöglicht werden. Handelt es sich um eine der in Abs. 2 genannten Anlagen, dann muss nach dem Willen des Gesetzgebers Behinderten durch die Herstellung der Barrierefreiheit die zweckentsprechende Nutzung der Anlage ermöglicht werden. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, dass die Anlage schon bisher oder üblicherweise von behinderten oder alten Menschen oder Kindern genutzt wird. Hierauf wird lediglich in Abs. 1 abgehoben.
20 
Hierfür spricht neben dem Wortlaut der Vorschrift auch der Umstand, dass in § 42 Abs. 2 LBO in der Fassung vom 23.7.1993 (GBl. S. 533 - LBO a.F. -) eine entsprechende Einschränkung vorgesehen war, die in der Neufassung der Vorschrift entfallen ist. Nach § 42 Abs. 2 LBO a.F. gilt „Absatz 1 der Vorschrift für folgende baulichen Anlagen und Einrichtungen, die von Behinderten, alten Menschen und Müttern mit Kleinkindern nicht nur gelegentlich aufgesucht werden …“. § 39 LBO enthält eine derartige Einschränkung nicht.
21 
Bei dem genehmigten Vorhaben der Klägerin handelt es sich um eine Sportanlage im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO. Nach § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV vom 18.7.1991 (BGBl. I S. 1588, 1790) sind Sportanlagen ortsfeste Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die zur Sportausübung bestimmt sind. Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Sport“ und damit auch des Begriffs „Sportausübung“ existiert nicht. Es ist aber anerkannt, dass sich das Phänomen Sport durch bestimmte Wesensmerkmale definiert. Zu diesen gehören die körperliche Bewegung, das Wettkampf- bzw. Leistungsstreben, das Vorhandensein von Regeln und Organisationsformen und die Betätigung als Selbstzweck ohne produktive Absicht (Kuchler, NuR 2000, 77 <81>). Zur Sportausübung bestimmt ist eine Anlage, wenn sie primär, d.h. von ihrem Hauptzweck her der Durchführung von Wettkampfsport und/oder der körperlichen Ertüchtigung dienen soll (Herr, Sportanlagen in Wohnnachbarschaft, 1998, S. 150). Fitnessstudios dienen in erster Linie der körperlichen Ertüchtigung. Sie sind deshalb Sportanlagen (a.A. Hager in Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, Kommentar zur LBO, 5. Aufl., 2003, § 39 RdNr. 26: Freizeitstätte). Dies ergibt sich auch daraus, dass Fitnesscenter bauplanungsrechtlich zu den Anlagen für sportliche Zwecke im Sinne der §§ 2, 3 u.a. BauNVO zählen (Ziegler in Brügelmann, BauGB, Stand April 1997, § 2 RdNr. 70). Der Umstand, dass kein Wettkampf stattfindet, ist für die Annahme einer Sportanlage unerheblich (Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, 1998, S. 54). Dafür, dass in dem Fitness-Studio der Klägerin die physiotherapeutische Betreuung im Vordergrund stünde und es deshalb möglicherweise bauplanungsrechtlich als Anlage für gesundheitliche Zwecke anzusehen wäre (vgl. hierzu Bergemann, Die neue LBO für Bad.-Württ., Band II Teil 5 Stichwort Fitness-Studio), gibt es keinen Anhaltspunkt.
22 
Der Auffassung der Klägerin, ihr Fitnessstudio sei keine barrierefrei herzustellende Anlage ist nicht zu folgen. Aus § 39 Abs. 1 LBO und dem umfassenden Katalog in Abs. 2 ergibt sich, dass praktisch alle Anlagen insgesamt barrierefrei herzustellen. Ausgenommen sind lediglich Wohnungen und andere, Wohnzwecken dienende Nutzungseinheiten, sonstige Nutzungseinheiten, die in Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 1 bis 17 nicht aufgeführt sind, soweit die Nutzungseinheiten je Geschoss nicht mehr als 500 m² oder insgesamt nicht mehr als 1.000 m² Nutzfläche haben, und Stellplätze und Garagen, soweit es sich nicht um allgemein zugängliche Großgaragen handelt und die Stellplätze und Garagen nicht für barrierefreie Anlagen bestimmt sind (Sauter, Kommentar zur LBO, 3. Aufl., Stand November 2003, § 39 RdNr. 19).
23 
Barrierefrei herzustellen sind nicht nur Sportanlagen, die gleichzeitig öffentliche Einrichtungen sind. Vielmehr genügt es, dass die Sportanlage öffentlich zugänglich ist. Dem Wortlaut der Norm ist eine Beschränkung auf öffentliche Einrichtungen nicht zu entnehmen. Zudem zeigt der Katalog der Anlagen und Einrichtungen in § 39 Abs. 2 LBO, dass nicht nur öffentliche Einrichtungen gemeint sind. Denn in diesem Katalog sind Anlagen speziell genannt, bei denen es sich typischerweise nicht um öffentliche Einrichtungen handelt. So sind danach Schalter- und Abfertigungsräume der Post, Banken und Sparkassen (Nr. 2), Camping- und Zeltplätze (Nr. 7) Krankenhäuser (Nr. 10) Bürogebäude (Nr. 13), Beherbergungsbetriebe (Nr. 15), Gaststätten (Nr. 16) und Praxen der Heil- und Heilhilfsberufe (Nr. 17) barrierefrei herzustellen. Auch die Gesetzesbegründung geht von öffentlich zugänglichen Einrichtungen aus. Danach sei zum erweiterten Katalog der öffentlich zugänglichen Gebäude in Nr. 18 ein Auffangtatbestand für weitere Nutzungen geschaffen worden sei. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass etwas Anderes nur für private Räume, wie z.B. Wohnungen, gilt.
24 
Das Fitnessstudio der Klägerin ist eine öffentlich zugängliche Anlage. Sie steht jedem potenziellen Nutzer offen, der Nutzungszweck ist gerade darauf angelegt, dass eine nicht bestimmbare Gruppe von Menschen die Anlage nutzt. Hieran ändert nichts, dass die Nutzer ein Entgelt zu entrichten haben bzw. Mitglied werden müssen und für die Klägerin wie - sie vorträgt - kein Kontrahierungszwang besteht. Dies ist kein Abgrenzungskriterium, das das Fitness-Studio von den anderen in § 39 Abs. 2 LBO genannten Anlagen unterscheiden würde. Vielmehr gilt dies in gleicher Weise für die meisten der in dieser Vorschrift speziell genannten Anlagen.
25 
Aus der Änderung der Vorschrift ist ein anderes Ergebnis nicht abzuleiten. In § 42 Abs. 2 Nr. 8 LBO a.F. sind Sportstätten als barrierefrei herzustellende Anlagen genannt, während in § 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO von Sportanlagen die Rede ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist aus der Gegenüberstellung dieser Begriffe nicht abzuleiten, dass nach der Neufassung der LBO nur Sportanlagen barrierefrei herzustellen seien, die eine gewisse Größe und Bedeutung für die Allgemeinheit und den gesellschaftlichen Verkehr haben. Der Begriff „Sportanlage“ knüpft an den Begriff der baulichen Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 LBO an und ist gegenüber der „Sportstätte“ der weitere Begriff, wie die Klägerin zutreffend darlegt. Sportanlage im Sinne des § 39 LBO ist jede bauliche Anlage, die der Sportausübung dient, ohne dass weitere Anforderungen an Größe oder Bedeutung für das gesellschaftliche Leben vom Gesetz gestellt würden.
26 
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, im Obergeschoss befänden sich nur Geräte, die von Behinderten nicht genutzt werden könnten. Die Forderung nach einer barrierefreien Errichtung erstreckt sich grundsätzlich auf das gesamte Gebäude und damit auf alle Geschosse (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.3.2001 - 5 S 1745/01 -; Hager in VBlBW 1999, 401 <403>; Ruf in BWGZ 2003, 953). Dies folgt nicht zuletzt aus der Begründung des Gesetzes, wonach die zweckentsprechende barrierefreie Nutzbarkeit insgesamt gewährleistet werden soll, und bedeutet, dass auch das Gebäude der Klägerin insgesamt barrierefrei hergestellt werden muss, zumal sich im Obergeschoss ein Büroraum befindet und die Art der im Obergeschoss aufgestellten Geräte jederzeit veränderbar ist. Auch wenn in größeren Anlagen möglicherweise nicht alle einzelnen Einrichtungen für sich behindertengerecht ausgestattet werden müssen, es möglicherweise genügt, dass z.B. in Hotels ein Mindestanteil hindernisfrei eingerichteter Zimmer oder in Gaststätten, Sportanlagen und Veranstaltungsräumen ein Mindestanteil an Sitzplätzen oder Toiletten behindertengerecht hergestellt werden (vgl. hierzu Hager in Schlotterbeck/v. Arnim/Hager a.a.O. § 39 RdNr. 40), kann die Klägerin hieraus nichts für sich ableiten. Um solche Einrichtungen geht es vorliegend nicht.
27 
Die Annahme, auch Fitness-Studios könnten zu den barrierefreien Anlagen gehören, begegnet auch unter dem Blickwinkel von Art. 14 GG keinen Bedenken. Eine entsprechend einschränkende Auslegung der Vorschrift ist im Hinblick auf das Fitness-Studio der Klägerin nicht geboten.
28 
Zum Inhalt des durch Art. 14 GG geschützten Grundeigentums gehört die Befugnis des Eigentümers, sein Grundstück im Rahmen der Gesetze baulich zu nutzen. Der Gesetzgeber muss bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Er muss sich dabei im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten; insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Der Kernbereich der Eigentumsgarantie darf dabei nicht ausgehöhlt werden. Zu diesem gehört sowohl die Privatnützigkeit als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 -, NVwZ 2003, 727 m.w.N.; vgl. hierzu auch Hager in Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, a.a.O. § 39 RdNr. 3).
29 
Die Auslegung des Begriffs Sportanlage in § 39 Abs. 2 LBO durch den Senat wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht. Mit dieser Auslegung genügt die Vorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO den Anforderungen an die Erforderlichkeit, Geeignetheit und Angemessenheit der Maßnahme zur Zielerreichung. Bei der Frage der Angemessenheit ist eine Abwägung zwischen den mit der gesetzlichen Regelung verfolgten öffentlichen Interessen und den (möglicherweise) entgegenstehenden privaten Interessen vorzunehmen.
30 
Das öffentliche Interesse an der Barrierefreiheit möglichst vieler Gebäude und Anlagen hat erhebliches Gewicht. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Hinzu kommt, dass § 39 LBO, der den bisherigen § 42 ersetzt, vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund die Lebensverhältnisse behinderter und älterer Menschen dadurch verbessern soll, dass diesem Personenkreis über eine möglichst hindernisfreie Umwelt die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird. Er verfolgt das Ziel weitergehende Erleichterungen für den geschützten Personenkreis zu erreichen und hat deutliche Verschärfungen für die Bauherren gebracht. Zum einen entfällt die bisherige generelle Beschränkung auf die dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teile baulicher Anlagen, da die über § 39 geschützten Personen grundsätzlich nicht nur als Besucher der genannten Gebäude, sondern auch als potentiell Beschäftigte in diesen Gebäuden in Betracht kommen. Zum anderen ist der Katalog in Abs. 2 ergänzt worden. Der neue Absatz 3 schränkt zudem die Möglichkeiten, von den gesetzlichen Anforderungen an das barrierefreie Bauen Ausnahmen zu erteilen, gegenüber der bisherigen Regelung ein. Damit soll erreicht werden, das Ziel des barrierefreien Bauens bis auf einzelne begründete Ausnahmefälle tatsächlich zu verwirklichen (Begründung in Lt.-Drs. 11/5337 S. 104).
31 
Das Interesse der Eigentümer ist von vergleichsweise geringem Gewicht. Es wird sich in der Regel auf wirtschaftliche Gründe beschränken. Weder die Privatnützigkeit des Eigentums noch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis werden in Frage gestellt. Es geht vielmehr lediglich um eine zusätzliche, letztlich wirtschaftliche Belastung.
32 
Die Forderung der Barrierefreiheit ist vorliegend zur Zielerreichung (gleiche Lebensbedingungen für Behinderte) auch geeignet. Ungeeignet wäre sie nur dann, wenn eine zweckentsprechende Nutzung durch Behinderte ohne fremde Hilfe auch als Beschäftigte ungeachtet der Barrieren objektiv (z.B. durch arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen) ausgeschlossen wäre (weitergehend wohl Sauter, a.a.O. § 39 RdNr. 22; Hager in Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, a.a.O. § 39 RdNr. 38).
33 
Im Übrigen ist es vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sachgerecht, nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit einer Benutzung einer Anlage durch behinderte oder alte Menschen oder Kinder zu differenzieren. Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine bauliche Anlage vom geschützten Personenkreis genutzt wird, desto größer ist auch das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Barrierefreiheit. Je unwahrscheinlicher eine Nutzung durch Behinderte ist, desto weniger geeignet ist die Barrierefreiheit zur Durchsetzung ihres Ziels und desto geringer wird das Gewicht des öffentlichen Interesses sein.
34 
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es nicht derart unwahrscheinlich, dass behinderte und alte Menschen das Fitnessstudio der Klägerin benutzen, dass dem öffentlichen Interesse an der Integration des geschützten Personenkreises ein gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin geringeres Gewicht zukommen würde. Immerhin erhält der Behindertensport immer größere Bedeutung und ist es nicht ausgeschlossen, dass auch gehbehinderte Personen einen Nutzen von einem Fitnessstudio haben können. Hinzu kommt, dass auch alte Menschen zum geschützten Personenkreis zählen. Es ist denkbar, dass ein alter Mensch (z.B. aus konditionellen Gründen)   Schwierigkeiten hat, eine Treppe ins Obergeschoss zu überwinden, gleichwohl mit Erfolg auf einem Laufband oder einem Ergometer trainiert. Hinzu kommt, dass im Obergeschoss ein Büroraum vorgesehen ist, in dem auch ein Arbeitsplatz für einen Behinderten sein kann. Auch wenn dies derzeit nicht vorgesehen sein mag, ist es in der Zukunft nicht ausgeschlossen.
35 
Eine Ausnahme nach § 39 Abs. 3 LBO kommt ungeachtet der Frage der wirtschaftlichen (Un-)Zumutbarkeit nicht in Betracht. Die genehmigte Anlage (Fitnessstudio) ist nicht durch eine Nutzungsänderung oder bauliche Änderung einer bestehenden Anlage entstanden (§ 39 Abs. 3 Nr. 1 LBO).
36 
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 56 Abs. 5 LBO liegen nicht vor. Weder erfordern Gründe des Wohls der Allgemeinheit eine Abweichung von § 39 LBO noch würde die Einhaltung der Vorschrift im vorliegenden Einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, bei der Frage der offenbar nicht beabsichtigten Härte komme es nur auf die objektive Situation des Grundstücks, namentlich auf Lage, Form, Geländebeschaffenheit und Zuschnitt, nicht dagegen auf die subjektiven Verhältnisse des Bauherrn (persönliche Lage, wirtschaftliche Verhältnisse oder Bedürfnisse) an. Es muss ein in der Grundstückssituation bedingter Sonderfall gegeben sein, der dem Einzelnen ein über die allgemeinen Auswirkungen hinaus gehendes Opfer verlangt (Sauter, a.a.O. § 56 RdNr. 50). Hierfür sind vorliegend Anhaltspunkte weder geltend gemacht noch ersichtlich.
37 
Nach alledem ist die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der in § 132 Abs. 2 VwGO aufgeführten Gründe gegeben ist.

Gründe

 
17 
Die Berufung ist nach der Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht und ordnungsgemäß begründet worden (§ 124 a Abs. 6 Sätze 1 und 2 VwGO).
18 
Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg. Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die der Baugenehmigung beigefügte, von der Klägerin angefochtene Auflage ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Bauliche Anlagen, sowie andere Anlagen, die überwiegend von kleineren Kindern, behinderten oder alten Menschen genutzt werden, wie Kindergärten u.a. (Nr. 1), Tages- und Begegnungsstätten u.a. (Nr. 2) und Altentagesstätten u.a. (Nr. 3), sind nach § 39 Abs. 1 LBO in der Fassung vom 29.10.2003 (GBl. S. 695 - LBO -) so herzustellen, dass sie von diesen Personen zweckentsprechend ohne fremde Hilfe genutzt werden können (barrierefreie Anlagen). Die Anforderungen nach Absatz 1 gelten auch für den in § 39 Abs. 2 LBO genannten Katalog von speziellen Anlagen und Einrichtungen, zu denen u.a. auch Sport-, Spiel- und Erholungsanlagen, Schwimmbäder (§ 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO) gehören. Der Gesetzgeber hat die Regelungen über die Barrierefreiheit bewusst strikt gefasst (Hager, VBlBW 1999, 401 <403>). Er hat eine vorbildliche Regelung schaffen wollen und zu diesem Zweck erhebliche Mehrkosten für die Bauherren in Kauf genommen (Hager in Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, LBO für Bad.-Württ., 5. Aufl., 2003, § 39 RdNr. 1). Nach dem Wortlaut der Vorschrift, soll u.a. Behinderten die zweckentsprechende Nutzung bestimmter ausdrücklich aufgeführter baulicher Anlagen ermöglicht werden. Handelt es sich um eine der in Abs. 2 genannten Anlagen, dann muss nach dem Willen des Gesetzgebers Behinderten durch die Herstellung der Barrierefreiheit die zweckentsprechende Nutzung der Anlage ermöglicht werden. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, dass die Anlage schon bisher oder üblicherweise von behinderten oder alten Menschen oder Kindern genutzt wird. Hierauf wird lediglich in Abs. 1 abgehoben.
20 
Hierfür spricht neben dem Wortlaut der Vorschrift auch der Umstand, dass in § 42 Abs. 2 LBO in der Fassung vom 23.7.1993 (GBl. S. 533 - LBO a.F. -) eine entsprechende Einschränkung vorgesehen war, die in der Neufassung der Vorschrift entfallen ist. Nach § 42 Abs. 2 LBO a.F. gilt „Absatz 1 der Vorschrift für folgende baulichen Anlagen und Einrichtungen, die von Behinderten, alten Menschen und Müttern mit Kleinkindern nicht nur gelegentlich aufgesucht werden …“. § 39 LBO enthält eine derartige Einschränkung nicht.
21 
Bei dem genehmigten Vorhaben der Klägerin handelt es sich um eine Sportanlage im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO. Nach § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV vom 18.7.1991 (BGBl. I S. 1588, 1790) sind Sportanlagen ortsfeste Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die zur Sportausübung bestimmt sind. Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Sport“ und damit auch des Begriffs „Sportausübung“ existiert nicht. Es ist aber anerkannt, dass sich das Phänomen Sport durch bestimmte Wesensmerkmale definiert. Zu diesen gehören die körperliche Bewegung, das Wettkampf- bzw. Leistungsstreben, das Vorhandensein von Regeln und Organisationsformen und die Betätigung als Selbstzweck ohne produktive Absicht (Kuchler, NuR 2000, 77 <81>). Zur Sportausübung bestimmt ist eine Anlage, wenn sie primär, d.h. von ihrem Hauptzweck her der Durchführung von Wettkampfsport und/oder der körperlichen Ertüchtigung dienen soll (Herr, Sportanlagen in Wohnnachbarschaft, 1998, S. 150). Fitnessstudios dienen in erster Linie der körperlichen Ertüchtigung. Sie sind deshalb Sportanlagen (a.A. Hager in Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, Kommentar zur LBO, 5. Aufl., 2003, § 39 RdNr. 26: Freizeitstätte). Dies ergibt sich auch daraus, dass Fitnesscenter bauplanungsrechtlich zu den Anlagen für sportliche Zwecke im Sinne der §§ 2, 3 u.a. BauNVO zählen (Ziegler in Brügelmann, BauGB, Stand April 1997, § 2 RdNr. 70). Der Umstand, dass kein Wettkampf stattfindet, ist für die Annahme einer Sportanlage unerheblich (Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, 1998, S. 54). Dafür, dass in dem Fitness-Studio der Klägerin die physiotherapeutische Betreuung im Vordergrund stünde und es deshalb möglicherweise bauplanungsrechtlich als Anlage für gesundheitliche Zwecke anzusehen wäre (vgl. hierzu Bergemann, Die neue LBO für Bad.-Württ., Band II Teil 5 Stichwort Fitness-Studio), gibt es keinen Anhaltspunkt.
22 
Der Auffassung der Klägerin, ihr Fitnessstudio sei keine barrierefrei herzustellende Anlage ist nicht zu folgen. Aus § 39 Abs. 1 LBO und dem umfassenden Katalog in Abs. 2 ergibt sich, dass praktisch alle Anlagen insgesamt barrierefrei herzustellen. Ausgenommen sind lediglich Wohnungen und andere, Wohnzwecken dienende Nutzungseinheiten, sonstige Nutzungseinheiten, die in Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 1 bis 17 nicht aufgeführt sind, soweit die Nutzungseinheiten je Geschoss nicht mehr als 500 m² oder insgesamt nicht mehr als 1.000 m² Nutzfläche haben, und Stellplätze und Garagen, soweit es sich nicht um allgemein zugängliche Großgaragen handelt und die Stellplätze und Garagen nicht für barrierefreie Anlagen bestimmt sind (Sauter, Kommentar zur LBO, 3. Aufl., Stand November 2003, § 39 RdNr. 19).
23 
Barrierefrei herzustellen sind nicht nur Sportanlagen, die gleichzeitig öffentliche Einrichtungen sind. Vielmehr genügt es, dass die Sportanlage öffentlich zugänglich ist. Dem Wortlaut der Norm ist eine Beschränkung auf öffentliche Einrichtungen nicht zu entnehmen. Zudem zeigt der Katalog der Anlagen und Einrichtungen in § 39 Abs. 2 LBO, dass nicht nur öffentliche Einrichtungen gemeint sind. Denn in diesem Katalog sind Anlagen speziell genannt, bei denen es sich typischerweise nicht um öffentliche Einrichtungen handelt. So sind danach Schalter- und Abfertigungsräume der Post, Banken und Sparkassen (Nr. 2), Camping- und Zeltplätze (Nr. 7) Krankenhäuser (Nr. 10) Bürogebäude (Nr. 13), Beherbergungsbetriebe (Nr. 15), Gaststätten (Nr. 16) und Praxen der Heil- und Heilhilfsberufe (Nr. 17) barrierefrei herzustellen. Auch die Gesetzesbegründung geht von öffentlich zugänglichen Einrichtungen aus. Danach sei zum erweiterten Katalog der öffentlich zugänglichen Gebäude in Nr. 18 ein Auffangtatbestand für weitere Nutzungen geschaffen worden sei. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass etwas Anderes nur für private Räume, wie z.B. Wohnungen, gilt.
24 
Das Fitnessstudio der Klägerin ist eine öffentlich zugängliche Anlage. Sie steht jedem potenziellen Nutzer offen, der Nutzungszweck ist gerade darauf angelegt, dass eine nicht bestimmbare Gruppe von Menschen die Anlage nutzt. Hieran ändert nichts, dass die Nutzer ein Entgelt zu entrichten haben bzw. Mitglied werden müssen und für die Klägerin wie - sie vorträgt - kein Kontrahierungszwang besteht. Dies ist kein Abgrenzungskriterium, das das Fitness-Studio von den anderen in § 39 Abs. 2 LBO genannten Anlagen unterscheiden würde. Vielmehr gilt dies in gleicher Weise für die meisten der in dieser Vorschrift speziell genannten Anlagen.
25 
Aus der Änderung der Vorschrift ist ein anderes Ergebnis nicht abzuleiten. In § 42 Abs. 2 Nr. 8 LBO a.F. sind Sportstätten als barrierefrei herzustellende Anlagen genannt, während in § 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO von Sportanlagen die Rede ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist aus der Gegenüberstellung dieser Begriffe nicht abzuleiten, dass nach der Neufassung der LBO nur Sportanlagen barrierefrei herzustellen seien, die eine gewisse Größe und Bedeutung für die Allgemeinheit und den gesellschaftlichen Verkehr haben. Der Begriff „Sportanlage“ knüpft an den Begriff der baulichen Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 LBO an und ist gegenüber der „Sportstätte“ der weitere Begriff, wie die Klägerin zutreffend darlegt. Sportanlage im Sinne des § 39 LBO ist jede bauliche Anlage, die der Sportausübung dient, ohne dass weitere Anforderungen an Größe oder Bedeutung für das gesellschaftliche Leben vom Gesetz gestellt würden.
26 
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, im Obergeschoss befänden sich nur Geräte, die von Behinderten nicht genutzt werden könnten. Die Forderung nach einer barrierefreien Errichtung erstreckt sich grundsätzlich auf das gesamte Gebäude und damit auf alle Geschosse (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.3.2001 - 5 S 1745/01 -; Hager in VBlBW 1999, 401 <403>; Ruf in BWGZ 2003, 953). Dies folgt nicht zuletzt aus der Begründung des Gesetzes, wonach die zweckentsprechende barrierefreie Nutzbarkeit insgesamt gewährleistet werden soll, und bedeutet, dass auch das Gebäude der Klägerin insgesamt barrierefrei hergestellt werden muss, zumal sich im Obergeschoss ein Büroraum befindet und die Art der im Obergeschoss aufgestellten Geräte jederzeit veränderbar ist. Auch wenn in größeren Anlagen möglicherweise nicht alle einzelnen Einrichtungen für sich behindertengerecht ausgestattet werden müssen, es möglicherweise genügt, dass z.B. in Hotels ein Mindestanteil hindernisfrei eingerichteter Zimmer oder in Gaststätten, Sportanlagen und Veranstaltungsräumen ein Mindestanteil an Sitzplätzen oder Toiletten behindertengerecht hergestellt werden (vgl. hierzu Hager in Schlotterbeck/v. Arnim/Hager a.a.O. § 39 RdNr. 40), kann die Klägerin hieraus nichts für sich ableiten. Um solche Einrichtungen geht es vorliegend nicht.
27 
Die Annahme, auch Fitness-Studios könnten zu den barrierefreien Anlagen gehören, begegnet auch unter dem Blickwinkel von Art. 14 GG keinen Bedenken. Eine entsprechend einschränkende Auslegung der Vorschrift ist im Hinblick auf das Fitness-Studio der Klägerin nicht geboten.
28 
Zum Inhalt des durch Art. 14 GG geschützten Grundeigentums gehört die Befugnis des Eigentümers, sein Grundstück im Rahmen der Gesetze baulich zu nutzen. Der Gesetzgeber muss bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Er muss sich dabei im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten; insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Der Kernbereich der Eigentumsgarantie darf dabei nicht ausgehöhlt werden. Zu diesem gehört sowohl die Privatnützigkeit als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 -, NVwZ 2003, 727 m.w.N.; vgl. hierzu auch Hager in Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, a.a.O. § 39 RdNr. 3).
29 
Die Auslegung des Begriffs Sportanlage in § 39 Abs. 2 LBO durch den Senat wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht. Mit dieser Auslegung genügt die Vorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 6 LBO den Anforderungen an die Erforderlichkeit, Geeignetheit und Angemessenheit der Maßnahme zur Zielerreichung. Bei der Frage der Angemessenheit ist eine Abwägung zwischen den mit der gesetzlichen Regelung verfolgten öffentlichen Interessen und den (möglicherweise) entgegenstehenden privaten Interessen vorzunehmen.
30 
Das öffentliche Interesse an der Barrierefreiheit möglichst vieler Gebäude und Anlagen hat erhebliches Gewicht. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Hinzu kommt, dass § 39 LBO, der den bisherigen § 42 ersetzt, vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund die Lebensverhältnisse behinderter und älterer Menschen dadurch verbessern soll, dass diesem Personenkreis über eine möglichst hindernisfreie Umwelt die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird. Er verfolgt das Ziel weitergehende Erleichterungen für den geschützten Personenkreis zu erreichen und hat deutliche Verschärfungen für die Bauherren gebracht. Zum einen entfällt die bisherige generelle Beschränkung auf die dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teile baulicher Anlagen, da die über § 39 geschützten Personen grundsätzlich nicht nur als Besucher der genannten Gebäude, sondern auch als potentiell Beschäftigte in diesen Gebäuden in Betracht kommen. Zum anderen ist der Katalog in Abs. 2 ergänzt worden. Der neue Absatz 3 schränkt zudem die Möglichkeiten, von den gesetzlichen Anforderungen an das barrierefreie Bauen Ausnahmen zu erteilen, gegenüber der bisherigen Regelung ein. Damit soll erreicht werden, das Ziel des barrierefreien Bauens bis auf einzelne begründete Ausnahmefälle tatsächlich zu verwirklichen (Begründung in Lt.-Drs. 11/5337 S. 104).
31 
Das Interesse der Eigentümer ist von vergleichsweise geringem Gewicht. Es wird sich in der Regel auf wirtschaftliche Gründe beschränken. Weder die Privatnützigkeit des Eigentums noch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis werden in Frage gestellt. Es geht vielmehr lediglich um eine zusätzliche, letztlich wirtschaftliche Belastung.
32 
Die Forderung der Barrierefreiheit ist vorliegend zur Zielerreichung (gleiche Lebensbedingungen für Behinderte) auch geeignet. Ungeeignet wäre sie nur dann, wenn eine zweckentsprechende Nutzung durch Behinderte ohne fremde Hilfe auch als Beschäftigte ungeachtet der Barrieren objektiv (z.B. durch arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen) ausgeschlossen wäre (weitergehend wohl Sauter, a.a.O. § 39 RdNr. 22; Hager in Schlotterbeck/v. Arnim/Hager, a.a.O. § 39 RdNr. 38).
33 
Im Übrigen ist es vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sachgerecht, nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit einer Benutzung einer Anlage durch behinderte oder alte Menschen oder Kinder zu differenzieren. Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine bauliche Anlage vom geschützten Personenkreis genutzt wird, desto größer ist auch das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Barrierefreiheit. Je unwahrscheinlicher eine Nutzung durch Behinderte ist, desto weniger geeignet ist die Barrierefreiheit zur Durchsetzung ihres Ziels und desto geringer wird das Gewicht des öffentlichen Interesses sein.
34 
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es nicht derart unwahrscheinlich, dass behinderte und alte Menschen das Fitnessstudio der Klägerin benutzen, dass dem öffentlichen Interesse an der Integration des geschützten Personenkreises ein gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin geringeres Gewicht zukommen würde. Immerhin erhält der Behindertensport immer größere Bedeutung und ist es nicht ausgeschlossen, dass auch gehbehinderte Personen einen Nutzen von einem Fitnessstudio haben können. Hinzu kommt, dass auch alte Menschen zum geschützten Personenkreis zählen. Es ist denkbar, dass ein alter Mensch (z.B. aus konditionellen Gründen)   Schwierigkeiten hat, eine Treppe ins Obergeschoss zu überwinden, gleichwohl mit Erfolg auf einem Laufband oder einem Ergometer trainiert. Hinzu kommt, dass im Obergeschoss ein Büroraum vorgesehen ist, in dem auch ein Arbeitsplatz für einen Behinderten sein kann. Auch wenn dies derzeit nicht vorgesehen sein mag, ist es in der Zukunft nicht ausgeschlossen.
35 
Eine Ausnahme nach § 39 Abs. 3 LBO kommt ungeachtet der Frage der wirtschaftlichen (Un-)Zumutbarkeit nicht in Betracht. Die genehmigte Anlage (Fitnessstudio) ist nicht durch eine Nutzungsänderung oder bauliche Änderung einer bestehenden Anlage entstanden (§ 39 Abs. 3 Nr. 1 LBO).
36 
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 56 Abs. 5 LBO liegen nicht vor. Weder erfordern Gründe des Wohls der Allgemeinheit eine Abweichung von § 39 LBO noch würde die Einhaltung der Vorschrift im vorliegenden Einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, bei der Frage der offenbar nicht beabsichtigten Härte komme es nur auf die objektive Situation des Grundstücks, namentlich auf Lage, Form, Geländebeschaffenheit und Zuschnitt, nicht dagegen auf die subjektiven Verhältnisse des Bauherrn (persönliche Lage, wirtschaftliche Verhältnisse oder Bedürfnisse) an. Es muss ein in der Grundstückssituation bedingter Sonderfall gegeben sein, der dem Einzelnen ein über die allgemeinen Auswirkungen hinaus gehendes Opfer verlangt (Sauter, a.a.O. § 56 RdNr. 50). Hierfür sind vorliegend Anhaltspunkte weder geltend gemacht noch ersichtlich.
37 
Nach alledem ist die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der in § 132 Abs. 2 VwGO aufgeführten Gründe gegeben ist.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.