Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 02. Sept. 2014 - 2 M 41/14

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2014:0902.2M41.14.0A
bei uns veröffentlicht am02.09.2014

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Bescheid des Antragsgegners, mit dem dieser eine der Antragstellerin erteilte Baugenehmigung teilweise zurückgenommen hat.

2

Mit Bescheid vom 19.04.2011 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin eine Baugenehmigung für die Änderung der Nutzung eines Autohauses zu vier Spielstätten. Grundlage der Genehmigung war ein am 28.01.2011 beim Antragsgegner eingegangener Bauantrag, in dem die Betriebszeiten der Spielstätten mit täglich von 6:00 Uhr bis 5:00 Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen, angegeben worden waren. Die entsprechende Betriebsbeschreibung war vom Antragsgegner mit dem Vermerk „bauaufsichtlich geprüft“ abgestempelt worden (BA A Bl. 15). Nachfolgend kam es zum Streit über die Frage, ob die Betriebszeiten Gegenstand der Baugenehmigung seien. Letztlich wurde der Antragsgegner durch fachaufsichtliche Weisung des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 14.11.2012 zur Teilrücknahme der Baugenehmigung angewiesen. Das Landesverwaltungsamt führte aus, die Betriebszeiten seien Bestandteil der Baugenehmigung geworden. Diese Regelung sei wegen Verstoßes gegen die SperrzeitVO, das Feiertagsgesetz sowie das Spielhallengesetz LSA rechtswidrig. Mit Schreiben vom 28.11.2012 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu der beabsichtigten Teilrücknahme der Baugenehmigung im Hinblick auf die Betriebszeiten an. Diese nahm mit E-Mail vom 15.01.2013 Stellung. Einen (ersten) Teilrücknahmebescheid vom 18.01.2013 nahm der Antragsgegner mit Abhilfebescheid vom 29.11.2013 zurück, nachdem das Verwaltungsgericht Magdeburg mit Beschluss vom 12.07.2013 - 4 B 59/13 MD - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen diesen Bescheid wiederhergestellt hatte. Mit dem streitgegenständlichen (zweiten) Teilrücknahmebescheid vom 29.11.2013 nahm der Antragsgegner die Baugenehmigung vom 19.04.2011 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung teilweise zurück, indem die Betriebszeit der genehmigten Spielstätten auf 7 Uhr bis 22 Uhr begrenzt wurde, sofern nicht durch eine Ausnahmegenehmigung der Stadt B. eine darüber hinausgehende Betriebszeit gestattet werde. Zudem dürften die Spielstätten entsprechend der Regelung des § 6 Abs. 1 SpielhG LSA zu den sogenannten Spielverbotstagen nicht geöffnet werden.

3

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Teilrücknahmebescheid des Antragsgegners vom 29.11.2013 wiederherzustellen, mit Beschluss vom 10.04.2014 - 4 B 356/13 MD - abgelehnt.

II.

4

Die Überprüfung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründe beschränkt ist, führt zu keiner Abänderung.

5

Das Verwaltungsgericht ist in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, der Antragsgegner habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet. Die Erwägung, es sei nicht hinzunehmen, eine rechtskräftige Entscheidung über den Widerspruch abzuwarten, während andere Unternehmen der Spielhallenbranche animiert würden, ebenfalls die gesetzlichen Vorschriften nicht einzuhalten, sei ausreichend. Hiermit habe der Antragsgegner in zulässiger Weise auf die negative Vorbildwirkung der Antragstellerin abgestellt. Die Begründung des Sofortvollzugs sei auch nicht deshalb unzureichend, weil die unterbundene Nutzung zuvor genehmigt worden sei. Die vom Antragsgegner befürchtete Gefahr einer negativen Vorbildwirkung hänge nicht davon ab, ob eine Baugenehmigung gar nicht erteilt oder nachträglich aufgehoben werde. Aus der Sicht konkurrierender Unternehmen würde ohne den Sofortvollzug in erster Linie auffallen, dass der Betrieb von der SperrzeitVO LSA abweichende Betriebszeiten praktiziere und Behörden dagegen nicht einschritten. Dieser Umstand sei jedenfalls geeignet, eine Nachahmungsgefahr zu begründen. Die Gefahr, dass andere Spielhallenbetreiber die von der SperrzeitVO LSA abweichenden - längeren - Betriebszeiten der Antragstellerin auch für sich in Anspruch nehmen wollten, leuchte ohne weiteres ein. Einer Dokumentation der widerstreitenden Interessen bedürfe es nicht. Bei der gebotenen Interessenabwägung überwiege das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Verfügung gegenüber dem Interesse der Antragstellerin, vom Sofortvollzug verschont zu bleiben. Der Bescheid vom 29.11.2013 erweise sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Die Voraussetzungen der teilweisen Rücknahme der Baugenehmigung hinsichtlich der Regelung über die täglichen Betriebszeiten seien erfüllt. Die Baugenehmigung sei insoweit rechtswidrig gewesen. Die ursprüngliche Baugenehmigung habe der Spielhalle eine Betriebszeit von Montag bis Sonntag von 6:00 Uhr bis 5:00 Uhr gestattet. Zwar seien die Betriebszeiten in dem Bescheid vom 19.04.2011 nicht ausdrücklich geregelt. Die mit Zugehörigkeitsvermerk der Bauaufsichtsbehörde versehenen Bauvorlagen seien jedoch Bestandteil der Baugenehmigung und für die Ermittlung des Regelungsgehalts verbindlich. Die Regelung über die Betriebszeit von 6:00 Uhr bis 5:00 Uhr weiche von der allgemeinen Regelung über die Sperrzeiten für Spielhallen gemäß § 2 Abs. 1 SperrzeitVO LSA ab. Für die Entscheidung über eine Ausnahme gemäß § 4 SperrzeitVO LSA sei gemäß § 5 Abs. 2 die Stadt B. zuständig gewesen, die eine solche Ausnahmeregelung jedoch nicht getroffen habe. Der Antragsgegner habe die Frist für die teilweise Rücknahme der Baugenehmigung gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG eingehalten. Diese habe erst nach Abschluss der Anhörung der Antragstellerin, also am 16.01.2013, begonnen. Der Antragsgegner habe das ihm zustehende Ermessen hinsichtlich der Beschränkung der Betriebszeiten den gesetzlichen Anforderungen entsprechend ausgeübt. Die für die Entscheidung des Antragsgegners maßgebliche Erwägung, dass die Spielhalle nur nach einer Teilrücknahme der Baugenehmigung den gesetzlichen Vorschriften der Sperrzeitverordnung und des Spielhallengesetzes entsprechend betrieben werden könne, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Im Gegensatz zu der Verfügung vom 18.01.2013 habe der Antragsgegner der Antragstellerin nunmehr die Möglichkeit eröffnet, Abweichungen von den grundsätzlichen Betriebszeiten nach der Sperrzeitverordnung durch eine Ausnahmegenehmigung der Stadt B. gemäß § 4 SperrzeitVO LSA zuzulassen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Zwar greife die nachträgliche Beschränkung der Betriebszeit in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Ein milderes, ebenso wirksames Mittel, um eine gesetzeskonforme Gestaltung der Betriebszeiten herbeizuführen, sei jedoch nicht ersichtlich. Eine unverhältnismäßige Belastung sei mit der Teilrücknahme der Baugenehmigung nicht verbunden. Die Antragstellerin habe die Möglichkeit, bei der Stadt B. eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 SperrzeitVO LSA zu beantragen. Die wirtschaftliche Belastung der Antragstellerin werde dadurch abgemildert, dass ihr gemäß § 48 Abs. 3 VwVfG der Vermögensnachtteil auszugleichen sei, den sie dadurch erleide, dass sie auf den Bestand der Baugenehmigung mit deren Regelung über die Betriebszeiten vertraut habe. Es bestehe auch ein besonderes Interesse an der Vollziehung des Bescheides. Ohne die sofortige Vollziehung bestehe die Gefahr, dass sich andere Unternehmer auf die langen Betriebszeiten der Antragstellerin beriefen und diese auch für sich in Anspruch nähmen. Es könne der Eindruck entstehen, dass die Behörden Abweichungen von der Sperrzeitverordnung duldeten, selbst wenn eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 SperrzeitVO LSA nicht vorliege.

6

Die Einwände der Antragstellerin vermögen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage zu stellen.

7

Zu Unrecht geht die Antragstellerin davon aus, der Antragsgegner habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht gemäß den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Diesen Anforderungen genügt jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind (OVG NW, Beschl. v. 30.03.2009 - 13 B 1910/08 -, juris RdNr. 2). Hieran gemessen ist die in dem angefochtenen Bescheid vom 29.11.2013 angegebene Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend. Der Antragsgegner bringt hierin nachvollziehbar zum Ausdruck, dass die sofortige Vollziehung angeordnet wird, um zu verhindern, dass bei Mitbewerbern der Antragstellerin der Eindruck entsteht, behördlicherseits werde gegen Rechtsverstöße nicht vorgegangen, damit diese nicht animiert werden, die gesetzlich vorgeschriebenen Öffnungszeiten ebenfalls nicht einzuhalten. Damit nimmt er - mit Blick auf den vorliegenden Einzelfall - Bezug auf die Gefahr, dass durch das Beispiel der Antragstellerin eine negative Vorbildwirkung entsteht, der er mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme entgegenwirken will. Diese Überlegungen sind für das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend.

8

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin weiterhin - der Sache nach - geltend, es liege kein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme wegen der vom Antragsgegner angeführten Nachahmungsgefahr vor, weil es an der hierfür notwendigen formellen Illegalität der durch die Baugenehmigung gestatteten Betriebszeiten fehle und diese jedenfalls grundsätzlich auch materiell genehmigungsfähig seien. Auch gebe es keine Vermutung für die Rechtsuntreue von Spielhallenbetreibern; im Gegenteil sei deren Bestreben, keine Bußgeldeinträge im Gewerbezentralregister zu erhalten, außergewöhnlich hoch.

9

Diese Rügen greifen nicht durch. Vielmehr war die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme zur Verhinderung einer negativen Vorbildwirkung gerechtfertigt.

10

Voraussetzung für die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO ein besonderes öffentliches Interesse. Dieses ist grundsätzlich nicht mit dem öffentlichen Interesse am Erlass des Verwaltungsakt identisch, sondern geht darüber hinaus (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, RdNr. 759). Das besondere öffentliche Interesse ist mit dem gegenläufigen Interesse des Betroffenen am Fortbestand der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abzuwägen, wobei dessen Rechtsschutzanspruch umso stärker ist und umso weniger zurückstehen darf, je schwerer die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O. RdNr. 761). Ein überwiegendes öffentliches Interesse kann insbesondere bei Verwaltungsakten gegeben sein, die der Wahrung der Rechtsordnung dienen, wenn deren zeitnaher Vollzug Dritte von einem bestimmten Verhalten abhalten kann (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O. RdNr. 781). Insbesondere im Baurecht ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Beseitigungsverfügung anerkannt, wenn ein bereits ausgeführtes baurechtswidriges Vorhaben als negatives Vorbild dient oder zu dienen droht, eine Nachahmung befürchten lässt und die Anordnung dazu dient, Fehlschlüsse anderer Bauinteressenten über die Rechtslage zu vermeiden (OVG MV, Beschl. v. 06.02.2008 - 3 M 9/08 -, juris RdNr. 12; Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O. RdNr. 782). Hierbei kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass bereits der äußere Anschein des Nichteinschreitens, der durch das Vorhandensein der Anlage vermittelt wird, die Vorbildfunktion auslöst (OVG MV, Beschl. v. 06.02.2008 - 3 M 9/08 -, a.a.O. RdNr. 14). Ein überwiegendes öffentliches Interesse setzt dabei nicht zwingend die formelle Illegalität des ausgeführten Vorhabens voraus, gegen das sich das behördliche Einschreiten richtet. Eine negative Vorbildwirkung, die eine Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigt, kann vielmehr auch von Zuständen oder Vorgängen ausgelöst werden, die zwar genehmigt, aber offensichtlich materiell rechtswidrig sind. Auch hierdurch können Fehlvorstellungen über die Rechtslage oder über die Bereitschaft der zuständigen Behörde, gegen Rechtsverstöße einzuschreiten, und damit eine Nachahmungsgefahr ausgelöst werden.

11

Nach diesen Grundsätzen geht von den mit der Baugenehmigung des Antragsgegners vom 19.04.2011 genehmigten Betriebszeiten der Spielhalle der Antragstellerin eine negative Vorbildwirkung aus, die eine Anordnung der sofortigen Vollziehung der entsprechenden Teilrücknahme der Baugenehmigung rechtfertigt.

12

Die Genehmigung der Betriebszeiten ist offensichtlich materiell rechtswidrig. Sie verstößt gegen § 2 Abs. 1 SperrzeitVO LSA, wonach die Sperrzeit für Spielhallen um 22 Uhr beginnt und um 7 Uhr endet. Eine Ausnahmegenehmigung für die Spielhalle der Antragstellerin gemäß § 4 SperrzeitVO LSA durch die gemäß § 5 Abs. 2 SperrzeitVO LSA zuständige Stadt B. liegt nicht vor. Auch sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine derartige Ausnahme nicht gegeben. Gemäß § 4 Satz 1 SperrzeitVO LSA kann die zuständige Behörde bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für einzelne Betriebe die Sperrzeit befristet und widerruflich verkürzen oder aufheben. Ein öffentliches Bedürfnis im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht vor. Dieses erfordert die Feststellung von Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Leistungen des in Rede stehenden Betriebes während der allgemeinen Sperrzeit in erheblichem Maße in Anspruch genommen werden. Aus der Sicht der Allgemeinheit - nicht aus der des an der Verkürzung interessierten Gewerbetreibenden - muss eine Bedarfslücke bestehen. An der erstrebten individuellen Verkürzung der allgemeinen Sperrzeit muss ein öffentliches Interesse bestehen. Hinreichende Gründe müssen ein Abweichen von der Regel im Interesse der Allgemeinheit rechtfertigen. Es kommt darauf an, ob im lokalen Einzugsbereich eine erhebliche Zahl von Interessenten ihr Bedürfnis nach dem Besuch von Spielhallen ohne die Verkürzung der Sperrzeit nicht befriedigen könnte, wobei die Wünsche einzelner Bürger, etwa der Stammgäste, ein öffentliches Bedürfnis an der Verkürzung der Sperrzeit nicht begründen könnten. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass Spielhallen nicht zu den Vergnügungsstätten gehören, deren Angebote typischerweise erst nach Beginn der allgemeinen Sperrzeit angenommen werden und für die Betriebszeiten innerhalb der allgemeinen Sperrzeit prägend sind. § 2 SperrzeitVO LSA geht davon aus, dass im Regelfall dem Bedürfnis der Allgemeinheit nach dem Besuch einer Spielhalle durch Öffnungszeiten bis 22.00 Uhr hinreichend Rechnung getragen ist (OVG LSA, Urt. v. 20.02.2003 - 1 L 431/02 -, juris RdNr. 27). Hiernach ist ein öffentliches Bedürfnis für eine Verkürzung der Sperrzeit für die Spielhalle der Antragstellerin im Sinne des § 4 SperrzeitVO LSA nicht gegeben. Ihr Hinweis darauf, dass ihr Umsatz hauptsächlich in den späten Abend- und frühen Nachtstunden erzielt werde, lässt nicht erkennen, dass das Bedürfnis nach dem Besuch von Spielhallen nicht auch in der Zeit von 7:00 Uhr bis 22:00 Uhr befriedigt werden könnte. Gleiches gilt für die von ihr behauptete Änderung der Spiel- und Freizeitverhaltens des deutschen Durchschnittsbürgers dahin, dass sich die Hauptaktivität in die späten Abend- und frühen Nachtstunden verlagert habe. Auch der von der Antragstellerin angesprochene Umstand, dass zu diesen Tageszeiten keine alternativen lokalen Vergnügungsmöglichkeiten bestünden, begründet kein öffentliches Bedürfnis für eine Sperrzeitverkürzung für die Spielhalle der Antragstellerin. Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne des § 4 SperrzeitVO LSA sind ebenfalls nicht gegeben. Solche liegen vor, wenn die Verhältnisse im örtlichen Bereich sich so von den Verhältnissen anderer örtlicher Bereiche unterscheiden, dass eine Abweichung von der allgemeinen Sperrzeit gerechtfertigt erscheint. Das kann in einer Gegend der Fall sein, in der ein durch das Nachtleben bestimmter Lebensrhythmus herrscht oder die durch auf das Nachtleben bezogene Vergnügungsangebote geprägt ist. Hierfür sind die Eigenart der näheren Umgebung, die anzutreffenden Lebensgewohnheiten und der prägende Lebensrhythmus maßgebend. Es kommt darauf an, wie der Betrieb in die Umgebung hineinpasst (OVG LSA, Urt. v. 20.02.2003 - 1 L 431/02 -, a.a.O. RdNr. 28). Derartige besondere örtliche Verhältnisse liegen hier nicht vor. Nach einer Stellungnahme der Stadt B. (BA E Bl. 89-90) ist die Spielhalle der Antragstellerin von Gewerbe- und Handelseinrichtungen umgeben. Die nächstliegende Wohnbebauung befinde sich in 160 m Entfernung. Abgesehen von einem Fastfood-Restaurant (McDonald’s) seien im Gewerbegebiet keine anderen Betriebe vorhanden, die nachts geöffnet hätten. In der näheren Umgebung gebe es keine weiteren Einrichtungen zur Freizeitgestaltung. Eine Prägung der Umgebung durch auf das Nachtleben bezogene Vergnügungsangebote oder ein durch das Nachtleben bestimmter Lebensrhythmus besteht vor diesem Hintergrund ersichtlich nicht.

13

Mit dem Verwaltungsgericht ist auch davon auszugehen, dass die genehmigten Betriebszeiten der Spielhalle der Antragstellerin jedenfalls geeignet sind, eine Nachahmungsgefahr zu begründen, wenn der Antragsgegner hiergegen nicht mit Sofortvollzug einschreitet. Das Verwaltungsgericht hebt zutreffend hervor, die Gefahr, dass andere Spielhallenbetreiber die von der Sperrzeitverordnung abweichenden - längeren - Betriebszeiten der Antragstellerin auch für sich in Anspruch nehmen wollten, leuchte ohne weiteres ein.

14

Zu Unrecht wendet die Antragstellerin ein, sie habe sich bislang stets rechtstreu verhalten und nur von der ihr erteilten Genehmigung Gebrauch gemacht. Auch bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass Mitbewerber von einem - behördlicherseits geduldeten - Rechtsverstoß ihrerseits ausgingen. Es trifft zwar zu, dass die Antragstellerin die Spielhalle bislang formell rechtmäßig betrieben hat. Gleichwohl besteht hier eine negative Vorbildwirkung, denn der Betrieb war wegen Verstoßes gegen die SperrzeitVO LSA materiell rechtswidrig. Es ist auch ohne Belang, ob die Nachahmungsgefahr, die ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme begründet, daraus resultiert, dass Dritte den Eindruck erhalten, die zuständige Behörde schreite gegen Rechtsverstöße nicht ein, oder daraus, dass Dritte glauben, ein in Wahrheit rechtswidriger Zustand sei rechtmäßig. Die negative Vorbildwirkung setzt nicht voraus, dass der Antragstellerin „Rechtsuntreue“ unterstellt wird. Entscheidend ist vielmehr, dass der genehmigte Zustand materiell rechtswidrig ist und Dritte - wie hier - zur Nachahmung verleiten kann. Ohne Belang ist, ob die Nachahmungsgefahr dadurch hervorgerufen wird, dass die Dritten glauben, der Zustand sei rechtmäßig, oder den Eindruck haben, die zuständigen Behörden gingen gegen einen rechtswidrigen Zustand nicht vor.

15

Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme der Baugenehmigung wegen der negativen Vorbildwirkung der genehmigten Betriebszeiten überwiegt auch das Interesse der Antragstellerin am Fortbestand der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Die der Antragstellerin auferlegte Belastung wiegt nicht sonderlich schwer, da der Betrieb ihrer Spielhalle außerhalb der Sperrzeiten des § 2 Abs. 1 SperrzeitVO unverändert fortgesetzt werden kann. Auch bewirkt die Maßnahme des Antragsgegners nichts Unabänderliches, da die Begrenzung der Betriebszeit jederzeit wieder rückgängig gemacht werden kann. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin bei einer Begrenzung der Betriebzeit der Ruin droht, sind nicht ersichtlich. Demgegenüber ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme wegen der von der bisherigen Betriebszeit ausgehenden negativen Vorbildwirkung als besonders dringlich anzusehen.

16

Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Teilrücknahme offensichtlich rechtmäßig ist. Insbesondere hat es zutreffend angenommen, die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG habe frühestens nach Abschluss der Anhörung der Antragstellerin am 16.01.2013 zu laufen begonnen, so dass sie mit dem Bescheid vom 29.11.2013 gewahrt worden sei. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ist die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, zu dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme rechtfertigen. Diese Frist beginnt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984 - BVerwG GrSen 1.84 und 2.84 - BVerwGE 70, 356; OVG LSA, Beschl. v. 27.04.2011 - 2 M 7/11 - n.v.). Sie beginnt damit regelmäßig erst nach Abschluss eines Anhörungsverfahrens (BVerwG, Urt. v. 20.09.2001 - BVerwG 7 C 6.01 -, juris). Überzeugende Gründe, weshalb hieran nicht mehr festzuhalten sein soll, legt die Beschwerde nicht dar. Auch wenn die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG - mit dem Bundesverwaltungsgericht - als Entscheidungsfrist verstanden wird, ist das Vertrauen des Bürgers in den Bestand von Verwaltungsakten hinreichend geschützt.

17

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist auch kein Ermessensdefizit festzustellen. Inwieweit bei der Abwägung ein Ausgleich der „immateriellen Schäden“ der Antragstellerin hätte berücksichtigt werden müssen, ist nicht nachvollziehbar. Das Verwaltungsgericht hat auch hinreichend berücksichtigt, dass die Teilrücknahme der Baugenehmigung einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin gemäß Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. Wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, reichen zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs vernünftige Gründe des Allgemeinwohls aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.05.1996 - 1 BvR 744/88 u.a. -, juris RdNr. 84). Derartige Gründe liegen mit der hier bezweckten Herbeiführung einer gesetzeskonformen Gestaltung der Betriebszeiten vor.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung folgt der Senat der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.


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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers hat nach Maßgabe des gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu berücksichtigenden Beschwerdevorbringens Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss angenommen, dass die angefochtenen Verwaltungsakte des Antragstellers offensichtlich rechtmäßig sind, insbesondere das Vorgehen des Antragstellers nunmehr dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG genügt. Es hat jedoch die besondere Rechtfertigung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung verneint, nachdem der Antragsteller etwa 6 Jahre nach Kenntniserlangung von dem baurechtswidrigen Zustand nicht eingeschritten sei. Hiergegen wendet sich die Beschwerde im Ergebnis zu Recht.

3

Widerspruch und Anfechtungsklage haben entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Ausnahmsweise kann die Behörde jedoch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs dadurch beseitigen, dass sie nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung dieser Verfügung anordnet. Sie ist zu einer solchen Anordnung aber nur berechtigt, wenn die sofortige Vollziehung der Verfügung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten erscheint. Vor Erlass der Anordnung muss die Behörde einerseits die Interessen der Öffentlichkeit und eines etwaigen Beteiligten an einer sofortigen Durchführung der Maßnahme sowie andererseits die entgegenstehenden Interessen des Betroffenen an dem Bestand der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegeneinander abwägen. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO grundsätzlich schriftlich zu begründen.

4

Grundsätzlich scheidet die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer bauordnungsrechtlichen Beseitigungsverfügung aus. Die Gefahr eines nicht unerheblichen wirtschaftlichen Nachteils für den Betroffenen wiegt schwerer als die Nachteile, die mit dem vorläufigen weiteren Bestand dieses Baukörpers für die öffentlichen Belange verbunden sind. Es entspricht dem in Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Eigentums, dass mit erheblichem Aufwand geschaffene Substanzwerte grundsätzlich nicht zerstört werden, so lange nicht sicher ist, ob sie erhalten bleiben dürfen. Ist diese Frage Gegenstand eines Rechtsstreits, ist es deshalb grundsätzlich geboten, mit der Vollziehung einer Verfügung, die eine solche Zerstörung vorschreibt, zu warten, bis rechtskräftig über die Genehmigungsfähigkeit einer mit erheblichem Aufwand geschaffenen Bausubtanz entschieden ist (vgl. nur OVG Hamburg, B. v. 28.02.1997 - Bs II 5/97, zit. nach juris; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rn. 1288 m.w.N.).

5

Die sofortige Vollziehung einer rechtmäßigen Beseitigungsanordnung ist aber im Wesentlichen aus vier Gesichtspunkten heraus zulässig (Senat, B. v. 02.11.1993 - 3 M 89/93 - NVwZ 1995, 608; B.v. 12.02.2003 - 3 M 124/02 - NordÖR 2003, 167 = LKV 2003, 477; vgl. auch VGH Kassel, B. v. 29.06.1995 - 4 TG 703/95 - zit. nach juris; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rn. 1288 m.w.N.):

6

1. wenn die Beseitigung einem Nutzungsverbot gleichgestellt werden kann, weil sie ohne Substanzverlust und andere hohe Kosten zu bewerkstelligen ist,

7

2. wenn die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung in solchem Maße schon bis zum bestands- oder rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache befürchten lässt, dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss,

8

3. wenn ein beharrlicher und notorischer Schwarzbauer nur auf diese Weise erfolgversprechend an der Fortsetzung seiner rechtswidrigen Betätigung gehindert werden kann, oder

9

4. wenn die von dem Bauwerk ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein sofortiges Einschreiten durch Beseitigung der baulichen Anlagen erfordert.

10

Diese Gesichtspunkte stehen grundsätzlich selbständig nebeneinander. Das gilt namentlich für die des fehlenden Substanzverlustes und der Vorbildwirkung (vgl. auch OVG Lüneburg, B. v. 10.05.1994 - 1 M 1046/94 - BRS 56 Nr. 208; OVG Münster, B. v. 13.09.1996 - 11 B 1083/96 - BRS 58 Nr. 128). Sie können auch kumulativ die Dringlichkeit begründen ( vgl. Senat, B. v. 12.02.2003 - 3 M 124/02).

11

Die erste Fallgruppe betrifft diejenigen Fälle, in denen im Einzelfall die Entfernung einer genehmigungspflichtigen, aber ungenehmigten Anlage mangels wesentlichen Substanzverlusts ohne schwerwiegenden Nachteil möglich ist. Sie stellt dann keinen schwereren Eingriff dar als die Untersagung der Nutzung einer ungenehmigt fertig gestellten Anlage. Ein Nutzungsverbot kann in einem solchen Falle regelmäßig schon zur Sicherung der Ordnungsfunktion des formellen Baurechts unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erlassen werden, um die Effektivität des Baugenehmigungsverfahrens zu sichern (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rn. 1287). Nach der Rechtsprechung des Senats kann zudem dann, wenn zur formellen Baurechtswidrigkeit noch eine materielle hinzu kommt und diese offensichtlich ist, unter Umständen auch die sofortige Vollziehung einer Abbruchverfügung geboten sein, selbst wenn diese zu einem Substanzverlust führt, wenn eine besondere Dringlichkeit des Eingreifens besteht (OVG Greifswald, B. v. 12.02.2003, a.a.O.).

12

Die zweite Fallgruppe setzt voraus, dass die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung in solchem Maße schon bis zum bestands- oder rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache befürchten lässt, dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss. Eine negative Vorbildwirkung in diesem Sinne setzt grundsätzlich eine Einzelfallbetrachtung voraus (VGH Kassel, B. v. 28.01.1992 - 4 TH 1539/91 -, HessVGRspr. 1992, 90 [92], zit. nach juris). Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Vorhandensein der baulichen Anlage bereits Nachahmung gefunden hat oder mit Wahrscheinlichkeit finden wird. Dabei sind das betroffene Grundstück, seine Situation bzw. Umgebung, das betroffene Gebiet sowie ggf. sonstige bedeutsame Umstände konkret in den Blick zu nehmen (vgl. Senat, B. v. 02.11.1993 - 3 M 89/93 - NVwZ 1995, 608; B. v. 12.02.2003 - 3 M 124/02 - DÖV 2003, 637).

13

Danach ist im vorliegenden Fall die besondere Dringlichkeit schon nach Maßgabe der ersten Fallgruppe zu bejahen. Die Anlage ist - wie der Senat in seinem Beschluss vom 13.08.2007 ausgeführt hat - formell rechtswidrig und auch offensichtlich materiell nicht genehmigungsfähig. Die Beseitigungsverfügung kommt angesichts der leichten Abbaubarkeit der Werbetafel einer Nutzungsuntersagung gleich. Ein Nutzungsverbot würde, wenn es nicht sofort wirksam ist, seinen Zweck verfehlen, weil der erstrebte Nutzen oder Erfolg aus der illegal aufgestellten Anlage vom Aufsteller bereits (weitgehend) erzielt ist, bevor eine Verbotsverfügung bestandskräftig wird. Bei Werbeträgern kommt hinzu, dass bei einer - wie vorliegend - vollständig fertig gestellten Anlage ein "reines" Nutzungsverbot ins Leere geht, weil die Werbeanlage allein durch ihre Existenz den vom Antragsteller gewünschten Erfolg bringt (OVG Münster, B. v. 29.10.1979 - XI B 1447/79 - BRS 35 Nr. 143; Finkelnburg u.a., a.a.O., Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rn. 1289).

14

Was die Vorbildwirkung angeht, so ist zu berücksichtigen, dass die Aufsteller von Werbeanlagen sich praktisch in allen Verfahren auf andere angeblich illegal aufgestellte oder rechtswidrig genehmigte Werbeanlagen in der Umgebung berufen. Erfahrungsgemäß ermutigt ein solches Vorgehen, wie es der Antragsgegner praktiziert hat, zur Nachahmung in anderen Fällen, so dass die Ordnungsfunktion des formellen Baurechts unterlaufen wird (vgl. OVG Münster, B. v. 13.09.1996 a.a.O.). Dies wird auch im vorliegenden Fall deutlich: Der Antragsgegner beruft sich auf eine Vielzahl von anderen Fällen, in denen der Antragsteller nicht gegen illegale Werbetafeln eingeschritten sei. Mit den in der Antragserwiderung vom 01.10.2007 aufgeführten mehr als 57 Werbeanlagen geht der Antragsgegner davon aus, dass es sich jeweils um vergleichbare Fälle handele, in denen der Antragsteller nicht eingeschritten sei. Allein der äußere Anschein des Nichteinschreitens, der durch das Vorhandensein der Werbeanlagen vermittelt wird, löst hier die Vorbildwirkung aus. Sie tritt wechselseitig zwischen den verschiedenen Werbeanlagen ein.

15

Der Antragsteller macht in der Beschwerdeschrift zu Recht geltend, dass der Anordnung des Sofortvollzugs nicht der Zeitablauf von Kenntnisnahme der rechtswidrigen Errichtung der Anlage bis zum Einschreiten durch den Antragsteller entgegensteht. Ein langes Nichttätigwerden der zuständigen Ordnungsbehörde kann allerdings dazu führen, dass die Eilbedürftigkeit im Sinne des §80 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 VwGO nicht vorliegt. Dies bedarf aber jeweils einer den Einzelfall berücksichtigenden Würdigung. Der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des OVG Münster (Beschluss vom 25.06.1987 - 7 B 1183/87 - BRS 47 Nr. 198) lässt sich für den vorliegenden Fall keine parallele Wertung entnehmen. Dieser Beschluss betrifft eine Fallgestaltung, in der die zuständige Behörde bereits über eine vollstreckbare Verfügung gegenüber einem der Störer verfügte, aus der sie jahrelang nicht vollstreckt hatte, während sie nun gegenüber dessen Ehefrau unter Anordnung des Sofortvollzugs vorging. Diese Fallgestaltung ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Der hier zu beurteilende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass - wie dargelegt - einerseits die Werbeanlage ihre Nutzung entfaltet, solange sie unter dem Schutz der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage trotz ihrer formellen und materiellen Rechtswidrigkeit stehen bleibt, und andererseits eine Vorbildwirkung entfaltet. Würde in einem solchen Falle die Dringlichkeit verneint werden, nachdem die Behörde sich entschlossen hat, unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes gegen derartige rechtswidrige Zustände einzuschreiten, müsste sie diese möglicherweise mehrere Jahre lang hinnehmen, weil sämtliche Verantwortliche für illegale Werbetafeln sich auf die fehlende Dringlichkeit berufen könnten. Gerade die angesprochene Vorbildwirkung bedingt aber, dass die zuständige Behörde, hat sie sich nunmehr zu einem effektiven Einschreiten entschlossen, entsprechend verfahren kann. Ansonsten würde eine Perpetuierung des formell und materiell rechtswidrigen Zustandes eintreten.

16

Die angefochtenen Bescheide genügen entgegen der Ansicht des Antragsgegners, die er in seinem Schriftsatz vom 01.10.2007 geäußert hat, nunmehr auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.3 Abs. 1 GG. Dieser Grundsatz verpflichtet die Baurechtsbehörde, ihre bauordnungsrechtliche Tätigkeit maßgeblich auch am Gleichheitssatz auszurichten. Sie muss das eingeräumte Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig ausüben. Ergreift oder unterlässt die Behörde Maßnahmen zur Bekämpfung baurechtswidriger Zustände, so hat sie in allen vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen jedoch nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss; entschließt sie sich zu einem Einschreiten, so ist es ihr unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen; ihr ist es lediglich verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen; beschränkt sie sich darauf, einen Einzelfall herauszugreifen, so handelt sie dem Gleichbehandlungsgebot zuwider, es sei denn, dass sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (BVerwG, B. v. 22.04.1995 - IV B 55.95 - BRS 57 Nr. 248 m.w.N.). Der Senat hat in seinem Beschluss vom 13.08.2007 - 3 M 48/07 - weiter ausgeführt:

17

"Die Bauaufsichtsbehörde muss bei ihren Anordnungen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG beachten und darf nicht einzelne Bürger gegenüber anderen willkürlich, d.h. ohne rechtfertigenden Grund, benachteiligen. Daraus folgt allerdings nicht, dass rechtswidrige Zustände, die bei einer Vielzahl von Grundstücken vorliegen, stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die Behörde - etwa in Ermangelung ausreichender personeller und sachlicher Mittel - auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (vgl. BVerwG, B. v. 19.07.1976 - 4 B 22.76 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 5). So kann es rechtmäßig sein, wenn die Behörde einen geeigneten Fall als "Musterfall" auswählt, um erst nach einer gerichtlichen Bestätigung ihrer Rechtsauffassung gleichartige Fälle aufzugreifen. Ebenso ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Behörde zunächst nur Fälle aufgreift, in denen eine Verschlechterung des bestehenden Zustands droht (BVerwG, B. v. 19.02.1992 - 7 B 106/91 - NVwZ-RR 1992, 360)."

18

Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner keine in diesem Sinne gleichgelagerten Fälle benannt, hinsichtlich derer dem Antragsteller der Vorwurf der Ungleichbehandlung gemacht werden könnte. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet die Behörde zu einem nach Zeitpunkt und Modalitäten gleichmäßigen Vorgehen gegen rechtswidrige Zustände, soweit nicht in der Sache begründete Unterschiede Abweichungen rechtfertigen. Die Rechtsprechung hat im Baurecht den räumlichen Bezug des Gleichheitssatzes bei einer entsprechenden Rüge im Prozess aus der Erkenntnis eingeschränkt, dass der Bauaufsichtsbehörde ein gleichmäßiges Einschreiten in ihrem gesamten Bereich aus verschiedenen praktischen Gründen unmöglich ist. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes führt somit nur dann zur Aufhebung einer Maßnahme, wenn die Behörde in räumlich benachbarten Fällen unterschiedlich vorgeht (OVG Weimar, B. v. 07.07.1994 - 1 EO 182/93 - ThürVBl 1994, 291; VG Oldenburg, U. v. 21.04.2005 - 4 A 59/03). Maßgebend ist ein bestimmter topographischer Bereich (VGH Mannheim, U. v. 29.02.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR1997, 465).

19

Nach diesen Grundsätzen kann der Antragsgegner von vornherein nicht eine Gleichbehandlung mit denjenigen Werbetafeln verlangen, die außerhalb der Ortschaft A. aufgestellt worden sein sollen. Der Anspruch auf Gleichbehandlung mit Anlagen endet somit an den Ortsgrenzen. Für die Ortschaft A. hat der Antragsgegner auf die Werbeanlagen der B. GmbH verwiesen. Insoweit führt der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30.11.2007 zu Recht aus, dass der Antragsteller durch die jeweils angemessenen Maßnahmen zur Beseitigung der Werbetafeln geschritten ist.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

21

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz2 GKG).

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 2. Kammer - vom 18.01.2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller, ein Mitglied der Stadtvertretung A-Stadt, begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf ihn betreffende Äußerungen des Antragsgegners, des Bürgermeisters der Stadt A-Stadt, während einer Sitzung der Stadtvertretung am 23.06.2010.

2

Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner durch Beschluss vom 18.01.2011 - vereinfacht ausgedrückt – bis zum 22.06.2011 oder bis zur Rechtskraft eines eventuellen Hauptsacheverfahrens verboten, zu sagen, der Antragsteller habe mehrfach gegen die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats der Wohnungsbaugesellschaft mbH der Stadt A-Stadt bzw. Wobau-A-Stadt und gegen die Kommunalverfassung verstoßen, wenn er nicht zugleich sage, aus welchem tatsächlichen Sachverhalt sich der Verstoß ergebe.

3

Die dagegen erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt nicht die Änderung der angefochtenen Entscheidung.

4

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die (angefochtene) Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der Entscheidung auseinandersetzen. Das Darlegungserfordernis verlangt von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Die Beschwerdebegründung muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Stützt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung alternativ auf mehrere Begründungen, muss die Beschwerde alle Begründungen aufgreifen, sich mit diesen auseinandersetzen und sie in Zweifel ziehen. Geht die Beschwerdebegründung auf nur eine Erwägung nicht ein, die die angefochtene Entscheidung selbstständig trägt bzw. lässt sie unangefochten, bleibt der Beschwerde schon aus diesem Grund der Erfolg versagt. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschluss des Senats vom 23.06.2010 - 2 M 146/10 -, m.w.N.).

5

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde, soweit sie sich mit der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandersetzt, jedenfalls in der Sache keinen Erfolg hat.

6

Auf die vom Antragsgegner problematisierte Frage, ob der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO gegeben sei, kommt es für den Senat nicht an. Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5 GVG). Dies gilt auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Sächs. OVG, Beschluss v. 05.10.2009 - 1 B 410/09 -, Rn. 9, m.w.N., zitiert nach juris). Der Antragsgegner hätte die Rechtswegrüge in erster Instanz erheben und so auf eine (beschwerdefähige) Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG hinwirken können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 25.05.2005 - 7 B 10356/05 -, Rn. 2, m.w.N., zitiert nach juris).

7

Soweit der Antragsgegner meint, das Verwaltungsgericht habe den Anordnungsgrund im Sinne von § 123 Abs. 1 VwGO zu Unrecht bejaht, führt die Beschwerdebegründung nicht zu einem für den Antragsgegner günstigeren Ergebnis.

8

Das Verwaltungsgericht hat ersichtlich „die konkrete Gefahr der Widerholung“ der untersagten Äußerungen als Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung angesehen. Ob der Antragsgegner bereits diesen rechtlichen Ansatz in Zweifel ziehen will, ist der Beschwerdebegründung nicht eindeutig zu entnehmen. Sollte diese so zu verstehen sein, dass der Antragsgegner einen Anordnungsgrund nur dann annehmen will, wenn ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung eine „Existenzgefährdung“ des Antragstellers drohen würde (vgl. Seite 6 der Beschwerdebegründung), wäre dem nicht zu folgen. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen besteht bereits dann ein Anordnungsgrund, wenn eine konkrete Wiederholungsgefahr glaubhaft gemacht ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss v. 16.01.2008 - 12 CE 07.2985 - Rn. 40, zitiert nach juris).

9

Die konkrete Wiederholungsgefahr hat das Verwaltungsgericht hier „unter Berücksichtigung der durch die Parteien im vorliegenden Rechtsstreit erfolgten Äußerungen“ bejaht. Der Antragsgegner halte an seiner Äußerung vom 23.06.2010 fest (siehe Seite 6 Beschlussabdruck). Der Antragsgegner setzt sich mit diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert auseinander, sondern gibt sie lediglich wieder, ohne konkret anzuführen, weshalb er im Ergebnis gegenteiliger Auffassung ist (vgl. Seite 4 der Beschwerdebegründung). Insbesondere ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, dass der Antragsgegner nicht die Absicht habe, die ihm untersagten Äußerungen zu wiederholen. Dagegen könnte sprechen, dass er die Äußerungen verteidigt und sein eigenes Verhalten zusammenfassend „als sachgerecht und verhältnismäßig im Interesse der Stadt A-Stadt“ bewertet (siehe Seite 8 der Beschwerdebegründung).

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Auch soweit der Antragsgegner meint, das Verwaltungsgericht habe den Anordnungsanspruch zu Unrecht bejaht, führt die Beschwerdebegründung nicht zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

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Auch zu diesem Punkt ist zunächst festzustellen, dass das Beschwerdevorbringen unklar ist. So ist fraglich, ob der Antragsgegner die ihm vorgehaltenen Äußerungen in Abrede stellen will. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Antragsgegner in der Stadtvertretersitzung vom 23.06.2010 ausweislich der Niederschrift der Sitzung gesagt habe, dass der Antragsteller „mehrfach gegen die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats und der Kommunalverfassung verstoßen habe, insbesondere die Nichtöffentlichkeit und Geheimhaltung von Sitzungsthemen“ (siehe Seite 3 Beschlussabdruck). Demgegenüber vertritt der Antragsgegner einerseits die Auffassung, die Sitzungsniederschrift sei „nicht in der Lage, die in ihr enthaltenen Vorgänge zu beweisen“ (siehe Seite 4 der Beschwerdebegründung). Damit könnte ein Bestreiten der Äußerungen angedeutet sein. Andererseits räumt der Antragsgegner jedoch an anderer Stelle diese Äußerungen wohl zumindest indirekt ein, wenn er angibt, die Aussage „sei im Rahmen einer Stellungnahme zum Thema Wobau“ erfolgt (siehe Seite 2 der Beschwerdebegründung). Außerdem hält der Antragsgegner die Äußerungen nach wie vor für berechtigt, was auch wohl kaum mit einem Bestreiten in Einklang zu bringen wäre.

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Soweit die Beschwerdebegründung die „Annahme, vorliegend stehe eine Tatsachenäußerung des Antragsgegners im Raum“, für fehlerhaft erachtet (siehe Seite 5 der Beschwerdebegründung), kann damit die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung schon deshalb nicht in Zweifel gezogen werden, weil das Verwaltungsgericht seinen Beschluss auf eine solche Annahme nicht gestützt hat. In der erstinstanzlichen Entscheidung werden zunächst Tatsachenbehauptungen auf der einen und Werturteile bzw. Meinungsäußerungen auf der anderen Seite gegeneinander abgegrenzt. Sodann stellt das Verwaltungsgericht unmissverständlich darauf ab, dass es sich bei der hier im Streit stehenden Äußerung „um eine Meinungsäußerung bzw. ein Werturteil“ handele (siehe Seite 6f. Beschlussabdruck). Im Weiteren entwickelt das Verwaltungsgericht sodann einen Maßstab für Meinungsäußerungen von Amtspersonen und stellt u.a. darauf ab, dass „erkennbar“ sein müsse „auf welchen konkreten Sachverhalt eine das Persönlichkeitsrecht eines anderen beeinträchtigende Wertung gestützt“ sei (vgl. Seite 7 Beschlussabdruck).

13

Auch die daran geübte Kritik erweist sich - soweit sie den beschriebenen Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 VwGO genügt - als unberechtigt.

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Soweit der Antragsgegner andeuten will, in der Stadtvertretersitzung nicht in seiner Eigenschaft als Bürgermeister aufgetreten zu sein, sondern „als Mitglied des Aufsichtsrats der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt A-Stadt“ (siehe Seite 2 der Beschwerdebegründung), steht dies erkennbar im Widerspruch zum eigenen Vorbringen des Antragsgegners, wonach er an der Stadtvertretersitzung auf der Grundlage von § 29 Abs. 7 KV M-V teilgenommen habe. Danach ist der Bürgermeister verpflichtet, an allen Sitzungen der Stadtvertretung teilzunehmen. Seine Aussage - so heißt es in der Beschwerdebegründung weiter - „sei im Rahmen einer Stellungnahme zum Thema Wobau“ erfolgt. Wieso das - vom Antragsgegner nicht allgemein in Frage gestellte - Sachlichkeitsgebot nicht gelten solle, wenn der Bürgermeister zwar als Amtsperson auftrete, jedoch nicht „hoheitlich“ tätig werde, macht die Beschwerdebegründung jedoch nicht plausibel.

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Die abschließende Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner habe bei seiner Äußerung am 23.06.2010 keinen konkreten Sachverhalt erkennen lassen, zieht der Antragsgegner nicht substantiiert in Zweifel. Er räumt vielmehr ein, dass es sich bei der Aussage „offenkundig um eine subjektive Stellungnahme ohne Tatsachengehalt zu den Ausführungen des Antragstellers“ handele, die aber auf einem „vertretbar gewürdigten Tatsachenkern“ beruhe (vgl. Seite 5 der Beschwerdebegründung). Dass der Antragsgegner geltend machen will, die Tatsachen, die seine Meinungsäußerung rechtfertigen könnten, auch zugleich konkret miterwähnt zu haben, ist der Beschwerdebegründung dagegen nicht zu entnehmen. Insofern fehlt es an einer substantiierten Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht angestellten Erwägungen, die erkennbar zu der Bedingung in der erlassenen einstweiligen Anordnung geführt haben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.